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Mustang Wanderung ins verborgene Königreich
Im Schatten des Himalayas, auf über 3.000 Meter Höhe, liegt das alte buddhistische Königreich Mustang.
Lange Zeit war Mustang für Besucher tabu. Mit einer Genehmigung im Rucksack und ausreichend Kon-
dition ist es heute möglich, diese alte Handelsroute nach Tibet zu erkunden. Lene Wolny
108 | Bergauf 02-2015
Mit knatterndem Propeller
landet unser Flugzeug
auf der kleinen Lande-
bahn in Jomsom. Beim Aufsetzen
werden alle etwas durchgeschüt-
telt und die Kakerlake in Reihe 5
fällt von der Wand. Wir folgen un-
serem Guide Karma nach drau-
ßen, wo uns die Trägermannschaft
freundlich begrüßt: „Namaste, Na-
maste!“ Karma stellt jedem Wan-
derer seinen höchstpersönlichen
Porter vor und erklärt: „Es ist bes-
ser für die Träger, wenn sie nicht so
schwer tragen müssen. Außerdem
können so mehr Leute Geld verdie-
nen und ihre Familien ernähren.“
Es ist früh am Morgen und unser
Tagesziel, Kagbeni – das Tor nach
Mustang – liegt fünf bis sechs Stun-den ピlussaufwärts am Kali Gandaki┻
Handelsroute und Fluchtweg
Der Kali-Gandaki-Fluss ent-
springt im tibetischen Hochpla-
teau und durchbricht auf seinem
Weg nach Süden den Himalaya-
Hauptkamm. Zwischen den Acht-
tausendern Annapurna im Osten
und Daulaghiri im Westen, deren
Gipfel nur 34 km voneinander
entfernt sind, formt der unge-
zähmte Fluss 5.600 Meter tiefer
das tiefste Tal der Welt. Entlang
seiner Ufer führte einst eine be-
liebte Handelsroute für Reis und
Salz über Mustang nach Tibet.
Hinter vorgehaltener Hand er-
zählen die Lo-Pas, wie sich die
Einwohner Mustangs selbst
nennen, gerne, dass der 17. Kar-
mapa, Oberhaupt des buddhis-
tischen Kagyü-Ordens, diesen
Weg für seine Flucht aus Tibet
gewählt hat. Wir folgen dieser
Route in umgekehrter Richtung.
Immer wieder heißt es Schuhe
ausziehen und durch das eiskalte
Wasser des Kali Gandaki waten,
um dem Weg folgen zu können.
Plötzlich ruft Karma, der vor-angeht┸ etwas und ピischt einen Steinbrocken aus dem seichten
Wasser: ein Ammonit – Zeuge
längst vergangener Zeiten, als
der Himalaya noch am Meeres-
boden lag.
Nationalgericht: Reis mit Linsen
In die Senkrechte begibt sich an
diesem Abend auch die Grup-
pe nach ein paar Akklimatisa-
tions-Rakshi. Der Lodgebesitzer
nennt seinen Selbstgebrannten
stolz „Marillen-Brandy“. Die ein-
fache, aber saubere Lodge lockt
mit rosa dekorierten Betten. Es
riecht leicht nach Lehm und Stall.
Am nächsten Morgen weckt uns
Kaffeeduft und über dem offenen
Feuer brutzeln Omeletts. Meine
Träume waren konfus, wie im-
mer in so großen Höhen. Doch es
geht noch weiter hinauf: Heute
sind über 1.000 Höhenmeter zu
überwinden, nur um dann wie-
der 500 abzusteigen. Gut für die
Akklimatisation und die Kon-
dition, schlecht für den Bauch-
speck. Für den gibt es abends auf
westliche Gaumen abgestimm-
te Köstlichkeiten wie Nudeln
mit Tomatensoße, Pizza oder
selbstgemachte Pommes. Wer
allerdings wirklich hungrig ist,
der bestellt sich besser ein Dal
Baht – Reis mit Linsen, das ne-
palesische Nationalgericht. Jede
Köchin bereitet es anders zu, die
einzige Konstante sind Reis, Lin-
sen und, dass man so viel Nach-
schlag haben kann, wie man
möchte.
Mani-Tafeln für eine sichere Reise
Vier Tage geht es dahin, über
kleine, mit Gebetsfahnen ge-
Bergauf | Reisen
links:Der Kali Gandaki durchbricht auf seiner Reise nach Süden den Himalaya-Hauptkamm und verbindet so Tibet mit Nepal. | Fotos: K. Lama
unten:Eine Lo-Pa trennt die Gerste von der Spreu. Der Wind hilft mit.
Infos zu den ReiseangebotenHimalaya und Südindien
Der in Ladakh geborene Sherpa Karma La-ma ist mit einer Österreicherin verheiratet und lebt in Graz. Er hat ein auf Asien spezialisiertes Reisebüro (www.karmareisen.at). Für den Alpenverein organisiert er 2015 folgende Rei-sen im Himalaya und in Südindien:
Mustang – Das verbotene Königreich (mit Tiji-Festival und Muktinath), 15-tägiges kombiniertes Lodge- und Zelttrek-king im tibetischen Teil Nepals.17. Mai bis 7. Juni 2015 (22 Tage), Kleingruppe 2–8 Teilnehmer2.750,– Euro pro Person
Kailash – Der heilige Berg der Tibeter (mit Limi Valley Trek in Nepal)Umrundung des Kailash auf uralten Pilger-pfaden 7. Juni bis 30. Juni 2015 (24 Tage)Kleingruppe 4–8 Teilnehmer (ab zwei gegen Aufzahlung möglich)4.500,– Euro pro Person
Ladakh – Klöster und Pässe im HimalayaZelttrekking im Nationalpark Marka Valley5. Juli bis 22. Juli 2015 (18 Tage)Kleingruppe 2–8 Teilnehmer1.790,– Euro pro Person
Ladakh – Sechstausenderbesteigung im Land der NomadenZelttrekking zum am Tsomoriri-See gelegenen Mentok Kangri (6.200 m)20. Juli bis 8. August 2015 (20 Tage)Kleingruppe 2–8 Teilnehmer2.200,– Euro pro Person
Nepal – Wandern bei den GötternLodgetrekking in Langtang und HelambuKleingruppe 2–8 Teilnehmer11. bis 31. Oktober 2015 (21 Tage)EUR 1.500,– pro Person
Kerala – In Gottes eigenem GartenLuxusrundreise in Südindien für Pflanzenken-ner und Yogafans.
8. bis 21. November 2015 (14 Tage) Kleingruppe 2–8 TeilnehmerEUR 1.800,– pro Person
Kerala – Ayurvedakur nach MaßIndividuelle Heilkur nach Panchakarma mit Öl-güssen, Massagen, Yoga und Diätprogramm.Termin beliebig, Dauer ca. drei WochenBeste Reisezeit: November bis MärzEUR 95,–/Tag, EUR 140,–/Tag zu zweit (ohne Klimaanlage)EUR 110,–/Tag, EUR 160,–/Tag zu zweit (mit Klimaanlage)
Flüge nach Kathmandu, Leh, Kochin und Tri-vandrum ab ca. EUR 700,–. Abholservice am Flughafen. Vor jeder Reise gibt es ein Vorbe-sprechungstreffen in Österreich. Infos & Detail-programme für alle Reisen: [email protected].: 0664/400 2723
Reiseveranstalter und Anmeldung WELTbewegend Erlebnisreisen GmbH – das Reisebüro im AlpenvereinWalfischgasse 12, 1010 Wien Tel.: 01/5138500 www.weltbewegend.at
Bergauf | Reisen
schmückte Pässe und durch
mittelalterliche Dörfer, die in der
kargen, steinigen Wüstenland-
schaft wie grüne Oasen leuchten.
Wegen des harschen Klimas ist in
Mustang nur eine Ernte im Jahr
möglich. Die Lo-Pas bauen Buch-
weizen, Gerste und Senf an und
halten Yaks, Ziegen und Schafe.
In der Ortschaft Ghemi passieren
wir die wahrscheinlich längste
Mani-Mauer der Welt: Ein 300
Meter langer Wall, auf dem un-
zählige Steinplatten liegen, in die
meist das buddhistische Mantra
„Om Mani Padme Hung“ eingra-
viert ist. „Diese Mani-Tafeln ha-
ben Händler hier abgelegt, um
für eine sichere Reise zu bitten“,
erklärt Karma. Obwohl Mustang
seit einigen Jahrhunderten zu
Nepal gehört, sprechen die Lo-
Pas, wie sich die Einwohner
selbst nennen, Tibetisch. Un-
ser Guide spricht neben Nepali,
Sherpa und Hindi auch Tibetisch,
was in Mustang praktisch ist und
viele Türen öffnet. Er erzählt uns
von den Khampas, einer tibeti-
schen Kriegerkaste, die früher
in den Höhlen von Chosar nörd-
lich der Hauptstadt Lo Manthang
hausten und gerne reiche Händ-ler überピielen┻ Diese Höhlen wer-
v. li. n. re.:Kagbeni, das Tor nach Mustang, liegt auf 2.810 Meter.Pause beim Feuerholzsammeln. Die Lo-Pa hatte einen Stein im Schuh.Gruß aus China: Ein Autowrack vor den Toren Lo Manthangs.
den wir wenige Tage später mit
eigenen Augen sehen, wenn wir
auf Pferden von Lo Manthang aus
nordwärts reiten, wie die Kham-
pa-Krieger einst selbst.
Geschäftigkeit liegt über der Stadt
Dann, nach dem letzten Pass, liegt
sie endlich vor uns: Lo Manthang,
die uralte, von roten Mauern um-
gebene Königsstadt. Das höchste
Gebäude ist der rot bemalte Tem-
pel des Jamba Monastery, hinter
dessen Mauern sich ein giganti-
scher sitzender Maytreya-Bud-
dha verbirgt. Die engen Gassen
zwischen den zweistöckigen
Stadthäusern wirken wie Tun-
nel. In den Erdgeschoßen woh-
nen Ziegen, Schafe und Pferde,
im ersten Stock die Menschen
und ganz oben hat jedes Haus
seinen Gebetsraum mit der ob-
ligatorischen Buddhastatue. Es
riecht sommerlich nach Dung und
Heu. Gut gelaunte Geschäftigkeit
liegt über der Stadt. Junge Mäd-
chen in Chubas, der tibetischen Tracht┸ machen Selピies mit ihren Handys. Rotgekleidete Mönche
schaffen Säcke voll Reis ins Klos-
ter. Nur die alten Männer sitzen
stoisch vor den Häusern und dre-
hen ihre Gebetsmühlen. Morgen
ist ein besonderer Tag: das dreitä-
gige Tiji-Festival beginnt. Tanzen-
de Mönche mit furchterregenden
Masken, eine Dämonenpuppe aus
Gerste, Butter und Yakhaaren, die
erstochen und verbrannt wird,
und knallende Feuerwerke sind
die Highlights dieses Frühlings-
festes. Es erinnert an die Legen-
de von Dorje Jono, der seinen Dä-
monenvater besiegte und so das
Reich vor Dürre rettete.
Globalisierung als Bedrohung
Heute bedroht die Globalisie-
rung das alte Königreich. Seit es
eine Straße gibt, kommen mehr
Besucher und beeindrucken vor
allem junge Leute mit ihrer mo-
dernen Ausrüstung. Aus China
schwappen industriell gefertig-
te Waren von Nudelsuppen bis
Motorräder über die Grenze. Vie-
le Lo-Pas verbringen die kalten
Winter mittlerweile im wärme-ren nepalischen Tieピland┻ Trotz-
dem sind die Kultur und die
Weisheit dieses tibetischen Vol-
kes immer noch beeindruckend.
Das Zentrum für Tibetische Me-
dizin außerhalb der Stadtmau-
ern Lo Manthangs birgt ganzheit-
liches Wissen um die Ursachen
von Krankheiten und deren Hei-
lung, das der Schulmedizin bei
weitem überlegen ist.
Als ich nach aufregenden und
anstrengenden zwei Wochen
im verborgenen Königreich in
Jomsom wieder in das wackeli-
ge Flugzeug steige, um in mein
eigenes, von vielen Problemen
geplagtes Land zurückzureisen,
frage ich mich, ob ich die erstre-
benswertere Zivilisation nicht
gerade verlasse. n
ÖTSCHER:REICH Die Alpen und wir
Der markanteste Gipfel des östlichen Alpenbogens vor Wien, der Ötscher, ist Ausgangspunkt für eine Entdeckungsreise rund um die Niederösterreichische Landesausstellung 2015.
Unte r dem T i t e l „ÖT-SCHER:REICH – Die Alpen und wir“ stellen die Ausstel-lungsgestalter Beat Gugger und Gerhard Proksch, der Al-penforscher Werner Bätzing und der Wirtschafts- und So-zialhistoriker Ernst Bruckmül-ler spannende Fragen über die Geschichte des alpinen Most-viertels, die von der Côte d´Azur bis nach Slowenien Bedeutung haben und Antworten auf die Frage der Zukunft des Alpen-raums geben.
Auf ins
ÖTSCHER:REICH!
Die Niederösterreichische Landesausstellung 2015 „ÖTSCHER:REICH – Die Alpen und wir“ ist von 25. April bis 1. November 2015 in Frankenfels-Lauben-bachmühle, Wienerbruck und Neubruck zu erleben und zu erwandern.
noe-landesausstellung.at bezahlte A
nzeig
e
02-2015 Bergauf | 111