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MYTHOS EINKAUFSCENTER OFFENBURG ... ... UND WAS DAHINTER STECKT! WALTER BRUNE: DAS GEWISSEN SINNVOLLER CENTERENTWICKLUNG STATEMENTS: OFFENBURGS HÄNDLER KOMMEN ZU WORT FRAGEN, DIE SO NOCH NICHT GESTELLT WURDEN ...

Mythos EinkaufscEntEr offEnburg · Wenn es kommt, wird es die Passanten-Ströme so tiefgreifend verändern, dass weniger Kunden zu uns finden. Mir war von Anfang an bewusst, meine

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Page 1: Mythos EinkaufscEntEr offEnburg · Wenn es kommt, wird es die Passanten-Ströme so tiefgreifend verändern, dass weniger Kunden zu uns finden. Mir war von Anfang an bewusst, meine

Mythos EinkaufscEntEr offEnburg...

... und was dahinter steckt!

WaltEr brunE: Das gEWissEn sinnvollEr cEntErEntWicklung

statEMEnts: offEnburgs hänDlEr koMMEn Zu Wort

fragEn, DiE so noch nicht gEstEllt WurDEn ...

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»StreSSteSt-Kriterien für DEn Mythos«

Der Mythos von Einkaufcentern begründete sich lange Zeit auf der Aussage der Centerentwickler, dass ein Einkaufcenter eine Innenstadt immer bereichert. Dieser Mythos wurde durch wissenschaftliche Studien stark in Frage gestellt und am Beispiel vieler verheerender Stadtentwicklungen durch Centeransiedlungen eindeutig widerlegt. Die Studien zeigen auch, es findet keine nachhaltige Stär-kung der Kaufkraftentwicklung in den Städten statt. Neue Statistiken belegen zudem, dass der stationäre Handel insgesamt an Umsatz verliert und inzwischen auch der Umsatz in den zum stationären Handel zählenden Centeransiedlun-gen rückläufig ist. Unter der Führung von Walter Brune wurden zusammen mit anderen renommierten Fachleuten Kriterien entwickelt, die zu einer positiven Entwicklung unter dem Namen Stadtgalerie führen können.

Hier die Kriterien, die den positiven Mythos der Stadtgalerie begründen:

Centerprojekte verändern die Innenstadt. Zwingend notwendig ist ein Rahmen plan, der im Vorfeld die Verträglichkeit sicherstellt, die gewünschten städtebau-lichen Ziele absichert und letztlich auch Investitionssicherheit schafft.

Es ist eine optimale funktionsräumliche Integration des Projektes herzustel-len. Das Vorhaben muss barrierefrei zentral in der Innenstadt liegen. Gewach-sene, lebensfähige Geschäftslagen dürfen nicht nachhaltig geschwächt werden. Gleichzeitig muss der bestehende Einzelhandel sich weiterentwickeln.

Zukünftige Rahmenbedingungen müssen angemessen berücksichtigt werden.Gutachten müssen sorgfältig, neutral und aussagekräftig sein. Sie müssen ehrlich und eindeutig interpretiert werden.

Die Zukunftsperspektiven müssen dem Übergang von wachstumsorienter Ent-wicklung zu anpassungsorientierten Strategien Rechnung tragen.

Wie und ob diese Kriterien erfüllt sind, ist Inhalt der vorliegenden Publikation.

Sie können dieses Dossier auch gerne unter

www.citypartner-offenburg.com

herunterladen, weiterschicken, ausdrucken,

nochmals durchlesen…

Die Citypartner freuen sich außerdem über eine

Verbindung mit Ihnen auf Facebook:

www.facebook.com/citypartneroffenburg

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„Auf Messen spreche ich natürlich auch mit Kollegen aus anderen Städten. Jene, die mit ihrem Geschäft in ein Center gezogen sind, sind meistens nicht glücklich darin. Die Offenburger Planung macht mir große Sorgen, weil noch mehr Handelsfläche einfach nicht zu mehr Umsätzen führt – das haben wir doch schon bei den verlängerten Ladenöffnungszeiten gelernt!“

Statements ...

»Wenn AM enDe Der ÜberLeGUnGen das ergebnis steht, dass wir ein center brauchen

DAnn SOLL DAS WOHL SO Sein.«

Jens Arnold, Inhaber „Arnolds Kaffeemanufaktur“

„Über die nördliche Hauptstraße redet man in Offenburg wenigstens noch! Wir, die hier südlich der Steinstraße liegen, sind völlig in Vergessenheit geraten. im ernst: Wenn man eine belebung der innenstadt herbeiführen möchte, braucht man einen attraktiven Mix von Handel und Gastronomie. Wenn am ende der Überlegungen das ergebnis steht, dass wir ein Center brauchen – dann soll das wohl so sein. Wenn es kommt, wird es die Passanten-Ströme so tiefgreifend verändern, dass weniger Kunden zu uns finden. Mir war von Anfang an bewusst, meine Kaffeemanufaktur liegt nicht gerade in Lauflageund ich erwarte von der Stadt auch nicht, dass sie direkt etwas für mich tut. Aber vielleicht auch nicht gerade etwas gegen mich. in sehr vielem, was die Citypartner fordern, haben sie recht.“

»Die OffenbUrGer PLAnUnG macht mir grosse sorgen...«

Christina Trebes, Lederhaus Kirn-Trebes

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»Wir frAGen UnS, WieSO OffenbUrG Die feHLer VOn äHnLiCH GrOSSen StäDten WieDerHOLen MöCHte,

inDeM Sie ein einKAUfSCenter etAbLierten....«

Joachim Leitermann & Carina Leitermann „Leitermann Schlafkultur“

„Will man Offenburg in die Zukunft führen als einkaufsstadt, muss man zwingend die frage stellen, was unsere Stadt so charmant macht und ihr ihren Mehrwert verleiht. für uns sind das eindeutig die Menschen, die hinter den Geschäften in Offenburg stehen. Sie sorgen für die persönliche note, für beratung und für die liebenswerten eigenarten. Wir fragen uns, wieso Offenburg die fehler von ähnlich großen Städten wiederholen möchte, indem sie ein einkaufscenter etablierten. Wir leben ohne das Center, wir werden aber auch mit dem Center leben können. Was wir heute jedoch schon sagen können: Wir wissen, was es bedeutet, wenn frequenz-bringer einfach aus der Stadt expediert werden: Stadtbücherei, Sparkasse, ärzte – besucher, Mitarbeiter und Patienten sind in die City gekommen und haben dann noch das eine oder andere erledigt oder die Gastronomie besucht.“

»fÜr KUrZe Zeit AttrAKtiV UnD DAnn merken die kunden, dass sie dort nichts bekommen, was sie

niCHt AUCH iM internet beSteLLen Könnten.«

Gerd Weisser, Inhaber „Spiel & Phantasie“„ich kann mir kaum vorstellen, dass dieses einkaufscenter Offenburg bereichern kann! Wohlgemerkt mache ich mir gar keine so großen Sorgen, was das Center für mein Geschäft bedeutet. ich bin mir ziemlich sicher, dass ich ein Sortiment und eine beratungsleistung für meine Kunden vorhalte, die es dort so nicht geben wird, weil die Konzepte solcher Center völlig anders angelegt sind. es kommen zwei Ankermieter, zu denen sicher kein Spielwarenhandel gehören wird, und ansonsten filialisten wie Optiker, Kosmetik, buchhandel, textil. Meist sind das auch noch Läden im bereich des Preiseinstiegssegments. Kurzum: für kurze Zeit attraktiv und dann merken die Kunden, dass sie dort nichts bekommen, was sie nicht auch im internet bestellen könnten.“

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nachgefragt:

Sie haben den Lärm der bahn im rücken und werden bald ein einkaufscenter an der Seite ihrer altehrwürdigen Mauern haben. welche sorgen machen sie sich?

Schwester Martina:

es macht mir Sorge, dass die Verkehrsführung zum und vom Cen-ter für mich nicht nachvollziehbar geklärt ist, es macht mir Sorge, dass eine baustelle zu beeinträchtigungen unserer historischen bausubstanz führen könnte und ich sorge mich um den Lärm und die emissionen, die das einkaufscenter mit sich bringen wird, und die den Alltag an unserer Schule negativ beeinflussen werden. Außerdem habe ich bei der Veranstaltung „innenstadt-Markt“ im Salmen gesehen, dass man Dinge plant, die so nicht mit uns abge-sprochen waren. Zum beispiel wurde unser Privatgelände hinter dem tor plötzlich zum öffentlichen raum.

nachgefragt:

die stadt erklärt, dass mit dem bau des einkaufscenters das Viertel eine Aufwertung erfahren wird. Sehen Sie das nicht so?

Schwester Martina:

Wir sehen es leider so, dass das Viertel nicht zum Vorteil der Men-schen, die hier leben, umgestaltet wird. Die Planungen wurden in einem zweiten Schritt verträglicher, weil die bürger sich gewehrt haben mit ihren einwendungen. ich habe viel mehr den eindruck, dass die Stadt von einer Aufwertung spricht und damit ablenken möchte von vielen nachteilen, die das Center mit sich bringt – zum beispiel die Verlagerung der einkaufsströme weg von der Steinstraße oder von der Hauptstraße. Wir haben auch bei der Stadt vorgesprochen und uns darum bemüht, auf der Sach-ebene zu diskutieren. Leider fühlten wir uns nicht immer ernst genom-men, als wir unsere einwendungen gemacht haben.

nachgefragt:

es ist ihnen auch ein anliegen, dass das kloster als eines der prä-gnantesten Gebäude der Stadt und auch als ein ensemble, das über Jahrhunderte hinweg die Geschichte Offenburgs mitge-schrieben hat, gut sichtbar bleibt. Was die Planung des Centers wohl nicht ermöglichen wird…

Schwester Martina:

Das ist leider richtig. es wäre ausgesprochen schade, es würde ein bau entstehen, der den blick auf das Kloster beeinträchtigt. Was man seitens der Stadt in Kauf zu nehmen bereit ist, hat man gese-hen beim neubau im Garten des Hauses von Gretel Haas-Gerber. Das ist ebenfalls eine definitive Verschlechterung des vorherigen Zustandes.

»ob Das viErtEl Wohl ZuM vortEil DEr hiEr lEbEnDEn MEnschEn uMgEstaltEt WirD?«

Widerstand hat in Offenburg ein Gesicht: Es ist das von Schwester Martina Merkle. Die Oberin des Klosters Unserer Lieben Frau gehört dem geschäftsführenden Vorstand der Bürgerinitiative Bahntrasse e.V. an. und gilt zusammen mit Dekan i. R. Manfred Wahl als ökumenisches Füh-rungsduo, das „mit seiner ausgleichenden und besonnenen Art stets für ein fruchtbares und konstruktives Klima gesorgt hatte“ hieß es in der Laudatio bei der Verleihung der Bürgermedail-le 2014. „Widerstand in gutem Sinne“ will Schwester Martina Merkle auch beim Einkaufscenter leisten, das in direkter Nachbarschaft zu ihrem Kloster entstehen soll. Wir sprachen mit ihr über ihre Sorgen bezüglich Lärm und Verkehr und über die Bereitschaft der Stadt, den Blick auf das Kloster zu verbauen.

→→

Im Gespräch mit Schwester Martina Merkle, Oberin des Klosters Unserer Lieben Frau, Offenburg

Schwester Martina Merkle setzt sich ein und hinterfragt

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»stäDtE Muss Man pflEgEn WiE Ein gEliEbtEs kinD!«

Interview mit Walter Brune, internationaler Städteplaner und Architekt, Düsseldorf

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nachgefragt:

Sie sind 89 Jahre alt und zählen laut Manager Magazin zu den 500 reichsten Menschen Deutschlands. Könnten Sie ihre Zeit nicht mit angenehmeren Dingen anfüllen als mit Arbeit und vor allen Din-gen mit dem Kampf gegen einkaufszentren oder factory Outlet center (Foc)?

Walter Brune:

nein! ich arbeite gerne. Und dass ich mich für die innenstädte und gegen die zerstörerische Kraft von einkaufscentern oder Out-let Centern einsetze – das geschieht aus Überzeugung. Man muss engagiert sein im Leben. ich habe an anderer Stelle genug Geld verdient – wenn ich Vorträge halte oder Städte berate, mache ich das gratis. ich bezahle sogar meine fahrtkosten selbst.

nachgefragt:

Sie haben auch Geld verdient mit dem bau eines großen einkaufs-zentrums, mit einem, wie Sie diese heute verdammen. Das war in Mühlheim an der ruhr Anfang der 70-er Jahre…

Walter Brune:

Leider. Und auch wenn wir uns gefreut haben, dass wir damals das modernste und größte Shopping Center in ganz europa ge-baut hatten – ich habe nicht lange gebraucht, um zu bemerken, dass ich damit einer Stadt auch das Herz herausgerissen hatte! Die Schlossstraße in Mühlheim verlor nach und nach ihre Mie-ter. Der einzelhandel zog weiter in das neue Center, wo die Post abging. ich habe so etwas nie wieder getan – obwohl man mir für die Wiederholung dieser „erfolgsgeschichte“ an anderer Stelle viel Geld angeboten hatte.

nachgefragt:

für den einzelhandel gebaut haben sie trotzdem: Die Karstadt-

Zentrale in essen, außerdem weitere Kaufhäuser für den Konzern und auch für weitere einzelhandelsriesen. Sie bezeichnen die Kö- Galerie in Düsseldorf von 1986 als ihr bedeutendstes bauwerk und als das, welches ihnen am meisten am Herzen liegt. Die Stadt eindhoven liebt Sie noch heute, weil sie mit der Heuvel Galerie 1992 der City wieder neues Leben einhauchten. einkaufen in einem fest umrissenen raum ist also doch keine todsünde?

Walter Brune:

natürlich nicht! es gibt allerdings drei unumstößliche regeln, de-nen ein großes Projekt gehorchen muss, soll es eine innenstadt bereichern und nicht ruinieren: erstens verkraftet eine Stadt nur eine begrenzte Anzahl an zusätzlichen Quadratmetern Verkaufs-fläche. Das ist nicht beliebig und darf auch nicht der Profitmaxi-mierung von Shopping-Center-betreibern untergeordnet werden.

Walter Brune:

Maximal 5.000 Quadratmeter! Aber lassen Sie mich fortfahren! Die zweite regel lautet: eine Stadt hat meist eine gewachsene und somit historische Mitte. Das ist meist dort, wo der einzelhan-del das meiste Geschäft macht. ich kann neben die alte Mitte kei-ne neue Mitte setzen – das geht nicht, weil es zwei Mitten nicht geben kann. Sollen ein einkaufszentrum oder eine Stadtgalerie belebend wirken, müssen sie ihren Platz in der Mitte einer Stadt haben und nicht am rand, weil sie sonst von der alten Mitte alles absaugen. Das Projekt muss außerdem aus vielen richtungen zu-gänglich sein, kein abgeschlossener raum, der alles andere drau-ßen lässt. Drittens muss solch ein einkaufszentrum das Sortiment einer Stadt ergänzen und nicht einfach nur das, was bereits vor-handen ist, verdoppeln oder verdreifachen.

Walter Brune ist der Grandseigneur und das Gewissen nicht nur der deuschen, sondern auch der internationalen Städteplanung. Der 89-jährige Architekt unterhielt einst mit der Bauhaus-Ikone Marcel Breuer ein Büro in New York und er entwarf mit dem Rhein-Ruhr-Zentrum in Mülheim an der Ruhr das erste und größte Shoppingcenter Europas. Eine Sünde, die er sich auch 40 Jahre später kaum verzeihen kann. Als Reaktion entwickelte, plante und betrieb er einen neuen Centertypus – darunter die Kö-Galerie in Düsseldorf. Er hauchte der City von Eindhoven mit der Leuvel-Galerie neues Leben ein, schuf den Prototypen der Stadtgalerie. Wir sprachen mit Walter Brune über das, was er aus seinen eigenen Fehlern gelernt hat, warum sich für ihn der Kampf gegen den „Angriff auf die City“ auch heute noch lohnt und warum bei ihm in Bezug auf das geplante Offenburger Center alle Alarmglocken angehen.

Wenn ich mir eine Zwischenfrage erlauben darf: Wie viel zusätzliche Quadratmeter einzelhandels-fläche verkraftet eine Stadt mit etwas mehr als 57.000 einwohnern?

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nachgefragt:

Wenn man ein Center wie das, das in Offenburg geplant ist, mit möglichst vielen Zugängen versieht – darf man dann nicht ein we-nig von der Mitte abrücken?

Walter Brune:

nein! es sind stets alle Kriterien zu erfüllen! Gelingende einkaufs-center finden sich immer in der Mitte – dort, wo das Leben be-reits pulsiert. ich kann nichts schaffen, was dem gleich kommt, ohne das Alte zu beschädigen. in eindhoven habe ich ein riesiges Loch in der Stadtmitte vorgefunden. Man wollte in der Heuvel Ga-lerie aber nicht nur einzelhandel, sondern wir haben die Philhar-monie integriert, die Post, das Casino – kurzum die ganze Vielfalt des städtischen Lebens. es ist nämlich genau dieses, was die Men-schen in die Stadt zieht. Die neuen einkaufszentren nehmen die Kultur nicht mit, nicht den öffentlichen raum. Sie bringen einfach zusätzliche Handelsfläche unter Dach und fach. Das war’s! Hier fühle ich mich als Architekt aufgerufen, die Hand zu heben.

nachgefragt:

Das haben Sie mehr als einmal getan. Haben Sie niemals Konse-quenzen zu tragen gehabt?

Walter Brune:

Höchstens indirekt, was mich eher amüsiert hat. Der Chef eines großen Projektentwicklungsunternehmens für Shoppingcenter hat aus Wut über mich unseren Yachtclub verlassen…

nachgefragt:

Sie heben nicht nur die Hand, Sie sagen Kommunalpolitikern auch sehr deutlich, was Sie von ihnen erwarten. Aber: Wie viel einfluss hat eine Stadtverwaltung auf die Sortimentsgestaltung in einem center?

Walter Brune:

Jeden, den sie braucht, um ihren alteingesessenen einzelhandel zu schützen, was sie auch tun muss. Mit einem städtebaulichen Vertrag kann man alles regeln, was auch privatwirtschaftlich zu regeln ist. An dieser Stelle ist die Politik gefragt.

nachgefragt:

Der Konsument ist doch dankbar für möglichst viel Auswahl… und der konsument ist auch wähler!

Walter Brune:

Man darf den Konsumenten nicht bei allem fragen! Sie diskutie-ren ja auch nicht mit dem bürger, ob es sinnvoll ist, alkoholisiert Auto zu fahren – auch wenn viele Menschen das immer wieder tun, weil sie denken, das geht doch. Aber auch der Presse kommt hier Verantwortung zu. Leider ist es häufig so, dass investoren von einkaufszentren in den Städten, in denen sie bauen möch-ten, auch den Zeitungsverlagen einen besuch abstatten. Man stellt wunderbare Anzeigenumsätze in Aussicht, wenn das neue Center erst steht. Da die meisten Verlage mit Anzeigen- und Le-serschwund kämpfen, kann man sich vorstellen, welche Haltung gegenüber diesen investoren eingenommen wird. ich habe dieser tage erst einen offenen brief verfasst an die redaktionen der gro-ßen deutschen tageszeitungen von „Zeit“ über „Die Welt“ bis hin zur Süddeutschen Zeitung, dass sie sich endlich des themas fac-tory Outlet Center annehmen sollen. Sie sehen: ich werde nicht müde, den Angriff auf die City abzuwehren.

nachgefragt:

So heißt auch eines ihrer bücher. in diesem unterscheiden Sie auch ganz deutlich zwischen einkaufscenter und Stadtgalerie – was sich viele Center-betreiber zunutze gemacht haben, denn vieles, was diese heute bauen, wird jetzt Galerie genannt. Was ist

Journalistin Doris Geiger im Gespräch mit Walter Brune in Düsseldorf.

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Interview mit Walter Brune, internationaler Städteplaner und Architekt, Düsseldorf

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»gElingEnDE EinkaufscEntEr finDEn sich iMMEr in der Mitte - dort Wo Das lEbEn bErEits pulsiErt.«

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Interview mit Walter Brune, internationaler Städteplaner und Architekt, Düsseldorf

der wirkliche Unterschied zwischen Stadtgalerie und einkaufscen-ter – also zwischen dem, was ihrer Meinung nach funktioniert, und dem, was innenstädte tötet?

Walter Brune:

eine Galerie funktioniert auch nur dann, wenn sie integriert ist in das bestehende Herzstück einer Stadt und wenn es ihr gelingt, die monostrukturierte einkaufsszenerie neu zu beleben und insbesondere Gastronomie und Lebensmittelversorgung in die Kernbereiche der innenstadt zurückzubringen. Der Kunde kann somit in der historischen einkaufszone seine vielleicht luxuriösen Wünsche befriedigen – aber auch Waren des täglichen bedarfs besorgen.

nachgefragt:

eine gut funktionierende Stadtgalerie sollte jedoch nicht nur ein-zelhandel beherbergen?

Walter Brune:

nein. büros, Dienstleister, Wohnungen gehören ebenso dazu. eine bereicherung stellen aber auch Arztpraxen dar, Kanzleien und so-gar fitness-Center. Aber auch die Kultur- und Unterhaltungsbran-che sollte hier ein Zuhause haben wie Kino oder theater.

nachgefragt:

Wenn ein Center falsch geplant wird – wer sind in erster Linie die Verlierer in einer Stadt? Und: Sind die Auswirkungen reversibel?

Walter Brune:

ein investor will vor allen Dingen Geld aus einem einkaufscenter ziehen. Dabei nimmt er auch billigend in Kauf, dass jemand ande-res, der schon länger vor Ort ist, den Umsatz nicht macht. Wenn ein Center nicht integriert ist, dann entwertet es eine innenstadt. Die einzelhändler, die oft im erdgeschoss ihrer eigenen immo-bilien sitzen und die Wohnungen obendrüber vermietet haben, müssen schließen. Sie haben kein Geld mehr, um in ihre immo-bilien zu investieren, diese verfallen zusehends. Die immobilien werden immer weniger wert. Wer das zulässt, muss sich die frage gefallen lassen, welche Art von Sozialpolitik er da betreibt. Das ist Sozialhorror in meinen Augen. Städte muss man pflegen wie ein rohes ei oder wie ein geliebtes Kind. es darf nichts passieren, was Städte kaputt macht. Wenn ein bürgermeister darauf achtet, dann ist er ein guter bürgermeister. Wenn etwas falsch gelaufen ist, dann ist das nach meiner erfahrung auch nicht wieder gut zu machen.

nachgefragt:

Warum sind bürgermeister in den meisten fällen so begeis-tert, wenn ein investor ein einkaufscenter in ihrer Stadt planen möchte?

Walter Brune:

bürgermeister sind auch nur Menschen. Häufig wollen sie ihrer stadt ihren stempel aufdrücken. ein center scheint hierfür eine gute Möglichkeit zu sein. Und zumindest für die Zeit bis es steht und wenn es eingeweiht wird, sind die bürgermeister dann auch Mittelpunkt des Geschehens. investoren nutzen das ziemlich skrupellos. in Hilden hat man das auch probiert – erfolglos. Heute sagen die Hildener, dass mein buch ihre Stadt gerettet habe, weil ich darin sehr deutlich auf diese Zusammenhänge hinweise und weil man daraus seine Konsequenzen gezogen hat.

nachgefragt:

Sie selbst und ihr Kollege Holger Pump-Uhlmann sprechen häufig von einem trojanischen Pferd, wenn es um einkaufscenter geht: es werden soundso viel Quadratmeter Verkaufsfläche angekün-digt – in den Schubladen ruhen indes schon die Pläne für die er-weiterung. Die Städte bekommen am ende etwas ganz anderes, als das, womit sie gerechnet haben?

nachgefragt:

Sie werden oft mit Victor Gruen, dem „erfinder“ der Shopping-Malls, verglichen. ihnen beiden gemeinsam ist, dass sie beide ursprünglich ideen zur belebung der innenstadt kreierten, die dann zu deren Sargnägel wurden. Wie sehen Sie die Zukunft des handels in den innenstädten?

Walter Brune:

Sie wird bestimmt nicht leichter, wozu auch das internetgeschäft beiträgt. Umso wichtiger ist es, dass wir den Handel unterstützen. Schöne, berühmte und großartige Städte sind immer nur dort entstanden, wo Handel betrieben wurde – weil er Geld und Men-schen in die Stadt gebracht hat. Zum Handel gehört übrigens auch Verkehr. Man kann Parkplätze und Verkehr nicht komplett aus der innenstadt fernhalten. Der Kofferraum ist immer noch die größte einkaufstasche.

„Genau so ist es. Die Center-betreiber sind nicht interessiert am rest der stadt, sie sind interessiert an hohen Mieten und damit an solventen Mietern. Wo die herkommen und ob sie deshalb woanders zu machen, ist ihnen völlig egal. Und was man nicht vergessen darf: Der kleine einzelhändler vor Ort zahlt brav seine Gewerbesteuer in der Stadt. Die filialisten zahlen dort, wo ihre Zentrale sitzt.“

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»ich WErDE nicht MüDE, DEn angriff auf DiE city abZuWEhrEn.«

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nachgefragt:

Seit 2012 begleiten Sie die Citypartner Offenburg in deren bemühen um ein innenstadtverträgliches einkaufscenter – wie bereits viele Städte zuvor. Wie erleben Sie das Verhältnis zwischen Kommunalpolitik und einzelhandel in Offenburg?

Holger Pump-Uhlmann:

Das Verhältnis zwischen den beteiligten ist hier sehr spe-ziell. Offenburg ist weit entfernt von einer konsensualen Lösung. Die würde nämlich voraussetzen, dass man sich erst ein-mal gemeinschaftlich über die Ziele in der innenstadtentwicklung einigt. Grundsätzlich sind zwar gute Absichten der Offenburger Stadtverwaltung erkennbar. Gleichwohl kann ich kein konsisten-tes Zielsystem erkennen, weil die Stadt nicht wirklich über einen Masterplan für die innenstadtentwicklung verfügt. Das Wettbe-werbsverfahren für das einkaufscenter in der nördlichen innen-stadt ist jedenfalls kein solcher Plan.

frau Schreiners Unlust, in einen Dialog mit den Citypartner zu tre-ten, kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Wenn es das zent-rale Ziel des Wettbewerbsverfahrens war, mit Hilfe der Ansiede-lung eines einkaufscenters Offenburg als einkaufsstadt attraktiver zu machen, dann kann dies nur im Dialog mit den ortsansässi-gen einzelhändlern geschehen, die hier über Jahre für die Anzie-hungskraft Offenburgs sorgten, Arbeitsplätze geschaffen haben und vor Ort ihre Steuern zahlten. bis zuletzt habe ich auf eine einsicht auf Seiten der Verwaltungsspitze gehofft. Selbst nach der Vergabe an die Ofb habe ich erwartet, dass die Stadt sich noch auf die Citypartner zubewegen wird. Leider haben sich jedoch die Auseinandersetzungen als reiner Machtkampf zwischen rat-haus und einzelhandel entpuppt, wobei dafür die Stadtspitze die eigentliche Verantwortung trägt. Das ist ausgesprochen schade und zeugt nicht von weitsichtiger Politik.

nachgefragt:

Sie bemängeln einen fehlenden Masterplan. Der Plan ist doch, die nördliche Hauptstraße aufzuwerten…

Holger Pump-Uhlmann:

Zunächst einmal umfasst ein Masterplan für die innenstadt die gesamte innenstadt und nicht nur eine teilfläche. Man muss die Ziele für die gesamte innenstadt im Auge haben. Die Aufwertung der nördlichen Hauptstraße kann darin ein wichtiges teilziel sein. Man steuert aber keine entwicklung dadurch, indem man quasi experimentell versucht, eine entwicklung auszulösen, um dann zu sehen, was sie wohl bringen mag. Die Stadt möchte einem tripol-Konzept folgen, dem jedoch ein gravierender Denkfehler innewohnt – die Pole Lindenplatz, einkaufscenter und Hauptstra-ße sind keine gleichwertigen Pole, was für die funktionalität eines tripol-Konzepts aber unbedingt notwendig wäre. Karstadt bleibt eine unkalkulierbare Größe, weil der Konzern in großen Schwie-rigkeiten ist. Kommt das einkaufscenter nach Offenburg, wird es die hiesige Karstadt-filiale derartig schwächen und dadurch des-sen Konzept noch instabiler machen.

nachgefragt:

es ist aber nicht nur dieses Konzept, was ihnen missfällt?

Holger Pump-Uhlmann:

Stimmt. im Augenblick wird in diesem Dreiklang von gleichmä-ßigen Passanten-Strömen ausgegangen. Die gibt es aber nur,

»Man stEuErt kEinE EntWicklung, inDEM Man quasi ExpEriMEntEll vErsucht, EinE EntWicklung ausZulösEn«

Interview mit Dr. Holger Pump-Uhlmann, Publizist, Gutachter und Berater, Braunschweig

Der Braunschweiger Architekt Dr. Holger Pump-Uhlmann hat sich in Deutschland einen Namen gemacht als Publizist, Gutachter und Berater des Einzelhandels und von Kom-munen bei der Neuansiedlung von Einkaufszentren. Wir sprachen mit dem Experten und exzellenten Kenner der Offenburger Pläne und auch der Offenburger Konflikte über Dialogfähigkeit, fehlende Masterpläne und über seine Prognose für die Stadt.

Holger Pump-Uhlmann beriet auch die Offenburger Citypartner

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wenn alle beteiligten Straßen Geschäftsstraßen sind, die beider-seitig Geschäfte aufweisen. Das ist in der Lange Straße, also an der Verbindung zwischen Center und Lindenplatz, nicht der fall. Die Lange Straße wird bis zu deren nördlichem ende nie zu einer frequentierten einkaufsstraße werden, weil dafür durchgängige Ladenzeilen auf beiden Seiten dieser Straße notwendig wären. Aufgrund der baulichen Situation (Kloster) ist dies aber nicht um-setzbar.

nachgefragt:

ist das Verhältnis zwischen rathaus und einzelhandel so schwie-rig, weil man sich in einer Verwaltung ungern einen Denkfehler attestieren lässt?

Holger Pump-Uhlmann:

in Offenburg war man – wie in vielen anderen Städten übrigens auch – fast reflexhaft mit einem totschlagargument bei der Hand: Man hat dem ansässigen einzelhandel unterstellt, er wolle sich ja nur ungeliebte Konkurrenz vom Leib halten! einer-seits wäre es legitim, wenn die einzelhändler sich für ihre eigenen belange einsetzen, andererseits haben die einzelhändler berech-tigte Kritik in der Sache hervorgebracht. Z.b. hieß es, dass man die nördliche Hauptstraße aufwerten wolle. Dies geht aber wohl kaum, ohne ideen dafür zu entwickeln, wie eigentlich der Weg vom bahnhof in die innenstadt weniger trostlos aussehen könnte. Mit dem Center jedoch schafft man sogar einen zweiten Holm, der in Konkurrenz zur Hauptstraße tritt und ohne die frage nach Aufwertung der Hauptstraße zu beantworten – obwohl diese un-mittelbar mit diesem großen Projekt zusammenhängt.

nachgefragt:

Sie attestieren der Stadt darüber hinaus aber auch formale feh-ler…

Holger Pump-Uhlmann:

…die sie zweifelsohne auch gemacht hat. Die Stadt hat den flä-chennutzungsplan nicht geändert und zwei Sondergebiete er-hielten unterschiedliche Ausweisungen. Mit der jetzigen Planung wird von der Gustav-rée-Anlage nicht viel übrig bleiben, auch wenn sie im flächennutzungsplan als Grünfläche ausgewiesen ist. Mit dem Ausschluss von einzelhandelsnutzung im Sonderge-biet SO-2 entfiel sogar die begründung für dieses Sondergebiet. Diesen fehler hat die Stadt ja zwischenzeitlich immerhin heilen können. Die für eine innenstadt so wichtigen themen wie Parken und Verkehr werden sehr oberflächlich behandelt und zu einem in der regel so empfindlichen Punkt, wie den beeinträchtigungen eines bauvorhabens auf ein eingetragenes baudenkmal, wie es das Kloster darstellt, wird gleich gar nichts gesagt.

nachgefragt:

Welche Prognose wagen Sie für die Offenburger innenstadt – wird sie dem Angriff auf die City durch ein neues einkaufscenter standhalten?

Holger Pump-Uhlmann:

Auch wenn ich für Offenburg hoffe, mich zu irren, bin ich davon überzeugt, dass es einen bi-Pol geben wird zwischen dem ge-planten Center und der Hauptstraße im bereich des angerarti-gen Straßenmarkts. Die Steinstraße wird ganz sicher leiden und der Lindenplatz wird irgendwann nicht mehr zu retten sein. Das wird aber kein sofortiges ereignis, sondern dies wird ein einige Jahre dauernder Prozess werden. Am ende wird man sagen: Die Karstadt-Krise war’s! Das Offenburger Warenhaus wäre so oder so nicht zu halten gewesen.

nachgefragt:

Wie wird es um die Hauptstraße bestellt sein – wenn vielleicht auch H&M ins Center zieht?

Holger Pump-Uhlmann:

Wäre H&M weg, wäre das fatal! bleibt das Geschäft, wird die Hauptstraße keinen weiteren Schaden nehmen. Wissen Sie: eine Stadt ändert sich pausenlos und es ist Aufgabe der Stadtentwick-lung, das zu lenken. für mich sieht es so aus, als würde die Stadt Offenburg die Augen vor den zu erwartenden negativen Wirkun-gen ihres Handelns verschließen, um dieses „Prestigeprojekt“ nicht zu gefährden – koste es, was es wolle. Und sie nimmt dabei für sich in Anspruch, dies in bester Absicht zu tun.

Holger Pump-Uhlmann beriet auch die Offenburger Citypartner

→→

»lEiDEr ist Ein DErartigEs hanDEln allZu häufig Zu ErlEbEn: infolgE ihrEr bEgEistErung für ein GroSS-ProjeKt laSSen vErWaltung unD politik DiE WEsEntlichEn kritEriEn für eine nacHHaltiGe Stadtent-Wicklung aussEr acht, so auch in offEnburg.«

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nachgefragt:

Die Städte reutlingen und tübingen ziehen vor das Verwaltungs-gericht, weil sie den Ausbau der Outlet-City im benachbarten Met-zingen verhindern wollen. Die beiden Kommunen sorgen sich um ihren eigenen textileinzelhandel, dem einbußen von 3,9 bis 5,6 Prozent drohen. ihr Unternehmen zählt sieben Standorte, darunter reutlingen, tübingen und Offenburg. Hier wird mit dem geplanten einkaufszentrum ein Umsatzrückgang von zehn bis zwölf Prozent für die Offenburger einzelhändler seitens der Stadtverwaltung in Kauf genommen. Wird hier mit zweierlei Maß gemessen?

christian Klemp:

Metzingen und Offenburg sind sicherlich nicht eins zu eins ver-gleichbar und wir alle wissen doch auch, dass man bei drei Gut-achtern zu ein und derselben Sache drei Meinungen erhalten kann. Dennoch: tübingen und reutlingen sind bereits heute schwer ge-schädigt durch das Outlet in Metzingen. Via Salamitaktik wurde in den vergangenen zehn Jahren die fläche in Metzingen immer wie-der erweitert. Das war möglich, weil bei erweiterungen bis 800 qm das regierungspräsidium nicht zustimmen musste. Dass man in Of-fenburg zehn bis zwölf Prozent Umsatzverteilung für tolerabel hält, löst bei mir mehr als Verwunderung aus. für mich ist das deutlich zu hoch und für manchen einzelhändler ist solch ein Umsatzver-lust sicher tödlich. in der Offenburger innenstadt wird es sicherlich Strukturveränderungen geben durch das geplante einkaufscenter.

nachgefragt:

Und das ist dann die Schuld der einzelhändler selbst?

christian Klemp:

Sagen wir es besser so: Am ende verliert der am meisten, der am schlechtesten positioniert ist. Wer eine nische für sich gefunden hat, hat bessere Aussichten.

nachgefragt:

Sehen Sie ihr Haus in Offenburg als gut positioniert?

christian Klemp:

Absolut. Das Haus Zinser investiert in seine Standorte. in Offen-burg waren dies mit dem Umbau zehn Millionen euro. Das hat uns eine gute basis geschaffen und jetzt machen wir unsere Hausauf-

gaben, die sich vor allen Dingen im bereich der Kommunikation mit dem Kunden bewegen. Wir sind in der Lage, ein schönes einkaufs-erlebnis zu bereiten, wir bieten eine große Aufenthaltsqualität und wir haben etwas, was dem Online-Handel schwer fallen dürfte, auf-zubauen: Wir genießen das Vertrauen unserer Kunden, die sich bei uns gut beraten fühlen.

nachgefragt:

Das internet-Geschäft spielt für Sie keine rolle?

christian Klemp:

Das spielt für uns eine rolle, weil viel Geschäft dorthin abwandert. Wurden im Jahr 2008 noch 6,2 Prozent des Geschäfts mit fashion und Accessoires im internet getätigt, waren dies 2013 schon 18,9 Prozent. Das sind Zahlen, die die von der Stadt Offenburg akzep-tierten einbußen von zehn bis zwölf Prozent Umsatz in ein völlig anderes Licht rücken. Sie sind nämlich einfach nicht akzeptabel. Wir haben uns aber trotzdem gegen das Online-Geschäft entschie-den. Wir sind ziemlich sicher, dass der internethandel sich in den kommenden Jahren brachial bereinigen wird. Sie verdienen Geld ab einem Umsatz von 50 bis 60 Millionen euro. Den haben viele An-bieter gar nicht. Wir sehen uns demnach nicht im Online-Handel. Wir müssen Online-Kanäle nutzen, um klug mit unseren Kunden zu kommunizieren.

nachgefragt:

Auch wenn Sie mit Umsatz-einbußen zu rechnen haben?

»Das nEuE EinkaufsZEntruM WirD für offEnburg kEinE bErEichErung.«

Vor zwei Jahren investierte das Modehaus Zinser in seine Offenburger Filiale zehn Millionen Euro im Rahmen eines groß angelegten Umbaus und Vergrößerung. Entstanden ist eines der attraktivsten Modehäuser der Region – und ein wichtiger Anziehungspunkt der Offenburger Innenstadt. Das Offenburger Haus gilt in der Firmenzentrale als einer der besten Standorte, der die Erwartungen des Managements bisher erfüllte. Wir sprachen mit Geschäftsführer Christian Klemp, der innerhalb der Organisation zuständig ist für Verkauf, Immobilien und Marketing.

Interview mit Christian Klemp, Geschäftsführer Modehaus Zinser, Offenburg

Christian Klemp, Geschäftsführer Mode Zinser, Offenburg

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unD Das MEint DiE ihk zUr center-PlanUnGDie IHK Südbaden, mit Sitz in Freiburg, hat sich in einer umfassenden, sehr genauen und gründ-lichen Stellungnahme zum geplanten Bau des Einkaufscenters in Offenburg geäußert. Hierbei ist zu betonen, dass die IHK alle Handelsbetriebe und Handelsformen vertritt – auch diejenigen, die in Centern vertreten sind. An vielen Orten hat die IHK sich positiv zu Centerplanungen geäußert und Centeransiedlungen klar und eindeutig befürwortet.

für Offenburg hat sie sehr kritisch Stellung genommen und sieht die ursprünglichen Ziele gerade nicht erreicht.Lesen Sie hier eine Zusammenfassung. Das gesamte Dokument können Sie auch unter www.cp-og/de einsehen.Die iHK kritisiert folgende Punkte:

1.1 (Wofür) besteht (noch) Bedarf?es wird ausführlich die Handelsentwicklung der Offenburger innenstadt seit 2007 aufgezeigt und ausdrücklich betont, dass es ein ansehn-liches organisches Wachstum in der innenstadt gab und gibt. Viele Ziele, die 2007 formuliert wurden, seien inzwischen nahezu erreicht.Kritisiert wird die reduzierung der flächen für Lebensmittel und Unterhaltungselektronik – die flächen mit dem größten ergänzungscha-rakter.

1.2. auswirkungen auf die innenstadtnicht nachvollziehbar seien in den Gutachten die „näherungswerte der Umverteilung“, die mehr fragen aufwerfen als Antworten geben. ebenso wird die frage aufgeworfen, warum in dem kritischen Warenbereich bekleidung, Schuhe und Sport die fläche von max. 6.099 qm auf 6.450 qm erhöht worden ist.

1.2.1 Bebauungsplan und vertragliche regelungenDie iHK bezweifelt, dass die vorgegebenen bestimmungen für die betreibung des Projektes aus bebauungsplan und städtebaulichem Liegenschaftsvertrag noch bestand haben, wenn der betreiber änderung „braucht“. Damit stellt sich die frage, welchen Wert die Verträg-lichkeitsuntersuchungen dann überhaupt haben.

2. Stärkung der Verbindung innenstadt – Bahnhofin der vorliegenden Planung erkennt die iHK gar keine Stärkung dieses Abschnitts der Hauptstraße. Sie erkennt eher eine Schwächung dieser Verbindung, da die Wegeführung ins Center weist und richtung nördliche Hauptstrasse und bahnhof kaum eine Anbindung hat.

3. organisation des durch das Vorhaben verursachten VerkehrsDieses thema sieht die iHK völlig unzureichend behandelt. Völlig unklar erscheint, ob eine angemessene Zahl von Parkplätzen vorhanden ist, so wie es die benutzung und der betrieb des Centers erfordern. ebenso wenig kann erkannt werden, wie und ob der innerstädtische Verkehr das zusätzliche Aufkommen verträgt.

christian Klemp:

Wenn wir 5 Prozent weniger Umsatz haben, werden wir uns 5 Pro-zent weniger Kosten erlauben können. So einfach ist das.

nachgefragt:

Sollte die Stadt das als Drohung verstehen?

christian Klemp:

nein. Das ist das Gesetz des Marktes. Die Stadt sollte den blick für das Ganze nicht verlieren – wie das übrigens für uns alle gilt. es geht in Offenburg nicht darum, einzelhändler zu schützen oder Partikularinteressen zu vertreten. es geht um die funktionsfä-higkeit einer ganzen innenstadt. Leider ist es aber manchmal so, dass Politiker sich in eine Situation drängen lassen und selbst,

wenn Sie erkennen, dass Sie anders handeln müssten, den Mut nicht aufbringen, umzukehren. in der geplanten Größenordnung wird das neue einkaufszentrum für Offenburg keine bereicherung. Vielmehr entsteht ein Zentrum, das sich woanders haargenau so wiederfindet. Man hätte das sicherlich anders und klüger lösen können.

Christian Klemp, Geschäftsführer Mode Zinser, Offenburg

Stellungnahme der IHK zum geplanten Vorhaben in Offenburg

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nachgefragt:

17 Jahre Kampf gegen einkaufscenter: Was motiviert Sie noch?

andreas Goydke:

es sind 17 Jahre Kampf gegen eine als fehlerhaft angesehene ent-wicklungspolitik und es sind 17 Jahre engagement für die Offen-burger innenstadt. Die fehler der damaligen eCe Planung werden inzwischen auch von der Stadt anerkannt, obwohl unsere Position auch damals mit harten bandagen attackiert wurde. Wir haben damals vor dem entscheid, ob das eCe-Center kommt, den fokus auf die etablierung eines professionellen Citymarketings gelegt. Daraus ist damals viel Schwung in der Stadt entstanden. Die jetzige Centerplanung ist zwar verändert. in der Konsequenz drohen aber die gleichen fehlerhaften entwicklungen wie damals. Mir gefällt Offenburg. ich habe hier gerne gelebt und fühle mich vielen Menschen eng verbunden.

nachgefragt:

Sie sprechen von der Macht der bilder, die Stadt und investor er-zeugten, wenn es darum ging, bürger und Gemeinderat für die idee zu gewinnen. Warum glauben Sie, dass hinter den bildern etwas ganz anderes steht bzw. was genau sehen Sie da?

andreas Goydke:

Was ich sehe, ist das hell-weiße Modell des Projekts. Weiß, rein und eine Projektionsfläche für jeden Wunsch und auch jede Angst. Die farbigen bilder zeigen idyllisch idealisierte Visionen – kein Platz für unschöne Seiten.

nachgefragt:

Hinter der Stadthalle zeigt sich mit dem erotik-Center und den Garagen ein wahrer Schandfleck. ist das nicht ein sehr guter ne-beneffekt, dass diese Schmuddelecke endlich weg kommt mit dem neuen Quartier?

andreas Goydke:

Genau das meine ich. Die „vereinigten Hüttenwerke“ bleiben ja genauso stehen. Das echte städtebauliche Problem bleibt – Lö-sung nicht in Sicht. Aber eine recht große Grünfläche – eigentlich ein Park – verschwindet und die Sicht auf ein eingetragenes Kul-turdenkmal wird durch zwei-bis dreigeschossige Häuserwände ersetzt. Sie sprechen von nebeneffekten der jetzigen Planung. Wichtiger sind mir die Haupteffekte.

Wir haben es in diesem Quartier mit einem Downtradingprozess zu tun, der sich über fast 20 Jahre hinzieht. Sparkassenverwaltung weg, Stadthalle in ihrer funktion verlagert und baulich vernach-lässigt, Stadtbibliothek ausgelagert. Wichtige urbane Multifunk-tionalität wurde damit bewusst der innenstadt und insbesondere diesem Quartier entzogen.

Die neuplanung hat sich seit den 90iger Jahren recht eindimensio-nal auf eine revitalisierung dieses Areals durch die Ansiedlung von Handel konzentriert und festgelegt. Andere Städte zeigen, dass eine zeitgemäße Planung andere bedarfsorientierte Schwerpunk-te setzt, z.b. auf einen wesentlich größeren Anteil an bezahlbarem Wohnraum oder Dienstleistungsflächen und den erhalt von Grün-flächen und Stärkung historischer bausubstanz. Diese entwicklun-gen schaffen trotzdem flächen für Defizite gerade im nahversor-

»WEiss, rEin unD eine ProjeKtionSfläcHe für jeden WUnScH«

Als Sprecher der Citypartner Offenburg in Sachen Einkaufscenter wurde Andreas Goydke im Laufe der vergangenen 17 Jahre zu einem echten Experten in der Frage, was Einkaufscenter im Allgemeinen und für Offenburg im Besonderen bedeuten. Er hat sich viele solcher Projekte angesehen, hat Experten, Juristen, Stadtplaner und Berater gesucht, gefunden und nach Offen-burg geholt. Ein Gespräch mit ihm über seine Motive, darüber, was er gelernt hat und über ein Leben nach dem Center.

Interview mit Andreas Goydke, Sprecher der Citypartner Offenburg

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gungsbereich wie der Lebensmittelversorgung. Auch zusätzliche fläche für wirklich ergänzende neue Handelsflächen wird damit verträglich und bereichernd möglich. Letztlich zeigt sich in dem ganzen Planungsprozess, dass, wie in allen Lebensbereichen, ein starres festhalten an zu wenig überprüften Grundannahmen die Ursache von schwerwiegenden fehlentwicklungen ist. Und wenn ein solcher Prozess erst einmal in Gang gesetzt ist, hat er eben die Dynamik eines rollenden Güterzuges. Das haben wir sicher unter-schätzt. Dass diese Unaufhaltsamkeit auch teil des Planungskalküls war, kann man wohl nicht ganz ausschließen.

nachgefragt:

Sie sind der festen Überzeugung, dass einkaufscenter trojanische Pferde sind. Wird Offenburg auch einen trojaner erhalten?

andreas Goydke:

Der begriff trojaner stammt nicht von mir. er stammt von Walter brune, rolf Junker und Dr. Holger Pump-Uhlmann. benutzt wird er, um zu zeigen, was auf Grund der rendite-interessen die investoren charakterisiert: Die Projekte kommen schön verpackt daher um zu verbergen, was ihr eigentliches Ziel ist – erOberUnG..Die wissenschaftlichen Analysen belegen genau diese inszenie-rung. egal unter welchem namen – Center, Galerie oder Quartier – der investor kommt als trojaner und hat das Ziel der höchstmögli-chen rendite beim Weiterverkauf. Auch Ofb will zwei bis drei Jahre nach eröffnung verkaufen.

Offenburg bemüht sich durchaus nach Kräften, sich gegen zuviel er-oberung zu wehren. Aber man sieht ja schon jetzt, dass dies kaum gelingt. Aus 6.099 qm Verkaufsfläche Mode wurden 6.450 qm, aus 11.250 qm Gesamtverkaufsfläche wurden 12.000 qm nachgebes-sert. Diese Salamitaktik funktioniert hervorragend, denn so ver-bunden, wie sich nach jahrelangem Verhandeln die entscheider mit dem Projekt fühlen, wollen Sie es dann auch realisiert sehen und haben gar keine andere Chance als mitzuziehen. in der regel muss der investor dann nicht einmal den Part des Gesundbeters selbst übernehmen. Dies tun die städtischen Partner in der regel durchaus eigenmotiviert.

in Offenburg wiederholt sich ein hundertfach eingeübtes Spekta-kel. Den Kritikern bleibt in der regel nur die rolle des Laokoon, der den kampfesmüden recken das zum Greifen nahe fest nicht gönnt bzw. verderben will.

nachgefragt:

Sie sind gar kein einzelhändler mehr, waren aber sehr lange in dem Schuhgeschäft Mara Heckmann involviert. Wenn Sie aus er-fahrung sprechen: Gehört Jammern zum Geschäft? Und: Was ist dran an dem Spruch, das Konkurrenz selbiges belebt?

andreas Goydke:

„Wenn ein Selbständiger nicht mindestens einmal im Monat aus Sorge und Angst um seine existenz schweißgebadet nachts auf-wacht, stimmt was nicht“, sagt Sabine Asgodom, eine der bekann-testen beraterinnen für Selbstständige.

Angesichts der aktuellen entwicklung im stationären einzelhandel dürften viele Händler solche nächte deutlich mehr als einmal im Monat erleben. Selbstständig sein heißt auch, mit Missgunst leben zu müssen – gerade, wenn man erfolgreich ist. Wie viel einsatz, ri-siko und Leidenschaft dahinter stehen, habe ich auch selbst erst lernen müssen. Mein Vater war richter und der Lebensunterhalt für eine fünfköpfige familie kam sicher und geregelt.

Sorge und letztlich auch Angst um die Zukunft ist in der regel ein ständiger begleiter und damit wohl auch das Jammern. Dass dies mitunter auch überhand nimmt, ist wohl menschlich, aber nicht sehr günstig für das image.

Ob Konkurrenz das Geschäft belebt, ist eine frage der rahmenbe-dingungen. Ohne konkreten Kontext ist die Aussage banal und eine gerne benutzte eindimensionale Gesprächskeule. Klar ist, dass ein gesunder Wettbewerb im Geschäftsleben ein positiver Ansporn ist.

Gibt es aber ein Überangebot, ist Konkurrenz eben auch tödlich. Dass es dabei oft die „kleinen“ engagierten familienbetriebe trifft, ist deutlich zu beobachten. Manchmal vielleicht aus eigenverschul-den, aber eben auch gar nicht so selten, weil zugunsten der „Gro-ßen“ verzerrend in den Wettbewerb eingegriffen wird.

in Offenburg greift die Stadt in den Wettbewerb ein, weil sie Grund-stücke loswerden möchte, die sie selbst runtergewirtschaftet und vernachlässigt hat. ihren eigenen Händlern mutet sie dabei un-glaubliche neun bis zwölf Prozent Umsatzrückgang im Durchschnitt zu. in tübingen, reutlingen und nürtingen wehren sich Stadtspitze und Gemeinderat, gegen 3,9 bis 5,6 Prozent drohenden Umsatz-verlust an die Outlet-City Metzingen. Drei Prozent mögliche Um-satzeinbuße für die neuansiedlung bei Möbel braun möchte die

Andreas Goydke, Sprecher der Citypartner

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Stadt Offenburg auch nicht verantworten. Die Händler der innen-stadt dann immer wieder pauschal als nicht über den Schaufens-terrand hinausschauende egoisten zu bezeichnen, ist dann schon eigenwillig und befremdlich.

nachgefragt:

Sie haben sich viele Center in Deutschland angesehen, mit vielen renommierten experten gesprochen: Wie viel Vergleichbarkeit gibt es auf diesem Sektor überhaupt und ist diese zwingend notwendig, um sich eine Meinung über das geplante Center in Offenburg zu bilden?

andreas Goydke:

Jeder Ort hat seine besonderheiten, insofern lässt sich im Detail – und darin liegt ja oft die tücke – eben nicht alles vergleichen. Aber es gibt rahmenbedingungen und Werte die sich vergleichen lassen. für Centeransiedlungen in innenstädten ist das ja in den letzten Jahren sehr umfangreich analysiert worden. Damit eine Centeransiedlung eine innenstadt nachhaltig bereichern kann, müssen bestimmte Kriterien unabdingbar erfüllt werden, sonst wird die innenstadt Schaden nehmen. Das ist das ergebnis der wis-senschaftlichen Studien. Und die unabdingbaren Kriterien erfüllt die Planung in Offenburg nach der Meinung vieler experten gerade nicht. Die Stadt hat ihre eigenen Vorgaben unterlaufen oder durch „passende“ Annahmen wegdefiniert, weil sie endlich „ankommen“ will. Vermutlich redet sie sich tatsächlich selbst ein, dies sei die letzte Chance, sie hätte keine andere Wahl usw. Dabei hat sie sich seit Mitte der 90iger Jahre einzig und allein auf eine „Centeransied-lung“ unantastbar festgelegt.

einen sauberen Schnitt hätte sie im Herbst 2013 machen können – und ihren eigenen Versprechungen nach auch machen müssen.

Da stand fest, was bereits im Vorfeld absehbar war: negative Auswirkungen des Centers sind hochwahrscheinlich – nach den Maßstäben der wissenschaftlichen Centerforschung wird es nach-haltige negative Auswirkungen geben. Seitdem sind die Verspre-chungen halt Versprecher gewesen, an die man nicht erinnert wer-den möchte.

nachgefragt:

Gibt es ein Leben nach dem Center?

andreas Goydke:

klares Ja. Die frage ist nur für wen und wie.Sollte das Center 2018/19 tatsächlich eröffnen, wird man circa fünf Jahre später die Wirkung bewerten können. Aus heutiger Sicht mag ich mir Offenburg im Jahr 2024/25 lieber nicht vorstellen.

Und bis 2018 wird der Weg für die innenstadt schon hart genug. Unter dem Motto „GO OG“ hat die Stadt Offenburg ja ein erstaun-lich großes eigenes team zusammengestellt und circa sechs Millio-nen euro in der Kasse. Hier sind alle Offenburger gefordert, mitzu-wirken und nicht nur die Citypartner – und das ist gut so.

Was Herr Schürlein und Herr Seidel bisher für Offenburg auf die beine gestellt haben, macht Mut und hat auch bei den Citypart-nern viel Unterstützung und Anerkennung.

Damit sich der positive Ansatz des Slogans nicht in ein „Offenbur-ger haut ab“ entwickelt, wird es vieler gemeinsamer Anstrengun-gen bedürfen. Aber in Offenburg wurde ja schon öfter miteinander gerauft und sich wieder zusammengerauft...

Interview mit Andreas Goydke, Sprecher der Citypartner Offenburg

Für manche Aufgabenstellung ist es gut, einmal die Vogelperspektive einzunehmen. Was geht, ist der Sparkassenbau und vielleicht auch die Stadthalle. Was bleibt sind die „vereinigten Hüttenwerke“ und der Erotik-Shop – und die unzureichende Anbindung der City an den Bahnhof.

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nach den Planungen der Stadtverwaltung soll der Gemeinderat am 11. Mai 2015 den bebauungsplan bzw. die Satzung des b-Plans beschließen. Geschieht dies, wird er mit Veröffentlichung rechtskräftig. Ab dann kann dagegen geklagt werden.

Von wem?Von jedem, der in seinen persönlichen rechten betroffen ist. Dies sind insbesondere nahe Anwohner – vorausgesetzt diese haben im rahmen der Offenlage kritisch Stellung genommen. bei diesem Projekt ist das eine stattliche Anzahl von bürgern.

Organisationen wie die Citypartner sind nicht klagebefugt. Die Citypartner haben aber bereits angekündigt, Kläger zu unter-stützen.

Die frist zur Klageeinreinreichung beträgt ein Jahr nach der rechtswirksamkeit. ist die Klage zulässig und begründet, würde der bebauungsplan für ganz oder teilweise nichtig erklärt.

Die Klage hat zwar keine aufschiebende Wirkung. Wurde mit dem bau bereits begonnen und würde der b-Plan für nichtig erklärt, könnte dies für den bauherrn erhebliche folgen haben. Klagegründe können in Offenburg insbesondere Verkehr, Parken, Lärm- und Abgasimmissionen, fehlerhafte oder unzureichende Gutachten, fehler bei der öffentlichkeitsbeteiligung, eingriffe in die entscheidungsfreiheit von Gemeinderäten sowie formelle fehler bei der Aufstellung des b-Plans sein. Das Gericht wird un-abhängig vom vorgetragenen Klagegrund alles Wesentliche prü-fen. in der regel wird nicht eine kleine Verletzung zur nichtigkeit führen. es ist eher die Summe von fehlern oder unzureichenden Überprüfungen, die ein Gericht sanktioniert.

allEs Was rEcht ist.WirD gEgEn DEn bEbauungsplan gEklagt?

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ZuM schluss:

iMprEssuM:Herausgeber: Citypartner Offenburg e.V.redaktion: Doris Geiger, Andreas Goydkefotos: Mark Hermenau, Wilhelm von Lüttichau, istockphotoAuflage: 10.000 exemplareDruck: Sikora Druck Offenburg WWW.cityPartner-offenBUrG.coM

ist schon allEs EntschiEDEn?oDEr lassEn sich risikEn noch als risikEn bEnEnnEn?

Chancen und risiken liegen oft ganz nahe beieinander. Mitunter ist das so dicht, dass man sie sogar verwech-selt. Und wo liegt dann die Wahrheit? nein, sie liegt nicht immer in der Mitte. Manchmal findet sie sich auch auf der Strecke wieder. nämlich dann, wenn bewusst aus risiken Chancen werden sollen.

für das Offenburger rathaus und auch für die Mehrheit der Gemeinderäte birgt das geplante einkaufscenter mehr Chancen als risiken. Und wenn es doch umgekehrt sein sollte? na, dann lässt sich jetzt auch nicht mehr viel ändern. Jedenfalls nicht ohne fürchterlichste Konsequenzen. Schließlich ist der Kaufvertrag unterschrie-ben, die „Ostflügel-Planung läuft“ und an der hat sich der investor mit einer finanzspritze von 500.000 euro beteiligt. Wäre man da nicht zur entschädigung verpflichtet, wenn man jetzt noch mal alles ganz neu denkt…Und überhaupt: Wie sieht das denn aus, wenn man jetzt eine 180° Wende vornimmt???

Der von der Stadt beauftragte Jurist Dr. Volker Stehlin hat der Wahrheit geholfen, sich wieder aufzurappeln, indem er die Gemeinderäte ausdrücklich und unmissverständlich darauf hinwies, dass sie bei ihrer Abstim-mung am 11. Mai 2015 absolut frei sind und dass selbst eine negative entscheidung zum bebauungsplan unter gar keinen Umständen zu Schadensersatzansprüchen führen darf. Zu dieser erkenntnis hätte man schon früher kommen können – nämlich als Stehlins Kollege Alexander Simon für den gleichen juristischen Hinweis auf einer Veranstaltung in der reithalle als unseriös abqualifiziert wurde. egal. Die Mitglieder des Gemeinderats wissen heute mehr. eine neu-Orientierung bei der entscheidungsfin-dung fällt bestimmt leichter, wenn man weniger Druck spürt. Jeder kann sich für oder eben auch gegen den bebauungsplan entscheiden.

Chancen und risiken nicht zu verwechseln – dabei kann vielleicht auch dieses Dossier helfen.

Die folgenden informationen können ihnen dabei nützen, die Arbeit und die Haltung eines jeden Gemeinde-rats einzuschätzen:

Am 11. Mai 2015 steht der bebauungsplan zur Abstimmung. folgende ratsmitglieder haben ihn mit ihrer Zustimmung auf den Weg gebracht: Wolfgang böhringer, ingrid fuchs, Dr. Albert Glatt, Jess Haberer, Paul Litterst, Werner Maier, Wilhelm Wunsch, (CDU); Loretta bös, Dr. Martina bregler, Hans-Joachim ficht, Dr. Jens-Uwe folkens, Jürgen Gießler, Heinz Hät-tig, Julia Letsche, Gerhard Schröder, berthold thomas (SPD); Jürgen Ochs, Martin Ockenfuß, Dr. Christina Schäfer, Angelika Wald (b90/Grüne); Joachim busam, Angie Morstadt, Hans rottenecker, Mario Vogt, rudi Zipf (fWO) sowie Oberbürgermeisterin edith Schreiner.

Dagegen stimmten elisabeth Abele, Klaus binkert, regina Heilig, fridolin Link (CDU); ingo eisenbeiß, norbert Großklaus, Arthur Jerger (b90/Grüne); thomas bauknecht, Karl-Heinz eckerle, Silvano Zampolli (fDP): taras Maygutiak (AfD); florence Wetzel (OG-Liste)

nicht anwesend bei der Abstimmung waren Alois Späth (CDU), Stefan böhm und Sarah Lieser (b90/Grüne)

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