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metrisch, im Inneren ist sie jedoch unsymmetrisch aufge-baut. Der Stimmstock, der Decke und Boden verbindet, istebenso gegenüber der Mittenlinie versetzt angeordnet wieder Bassbalken an der Unterseite der Deckplatte.
Hals und Griffbrett enden mit der Schnecke, davor sinddie Wirbel angebracht, an denen die vier Saiten gespanntwerden. Die Saiten sind auf die Töne G3 (197 Hz), D4 (295 Hz), A4 (443 Hz) und E5 (665 Hz) gestimmt. Die Über-tragung der Saitenschwingungen auf den Geigenkörper er-folgt durch den Steg. Dieses fein geformte Holzteil stehtrechtwinkelig zur Decke und wird durch die Spannung derSaiten gehalten. Ihre Schwingung wird besonders effektivauf den Geigenkörper übertragen, wenn ihre Grund- oderObertöne mit den Eigenschwingungen des Körpers abge-stimmt sind.
Abbildung 2 zeigt ein typisches Frequenzspektrum ei-nes Geigenkörpers. Die erste Resonanz liegt bei vielen Gei-gen bei annähernd derselben Frequenz, zwischen 270 und300 Hz. Sie ergibt sich durch die Schwingung der Luft imGeigenkörper. Decke und Boden schwingen gegenphasig,und der Schall wird durch die beiden f-Löcher in der Decke in gleicher Phase abgestrahlt. Die Frequenz dieserHelmholtz-Resonanz liegt in der Nähe des Grundtons der D-Saite.
Darüber folgen die Holzresonanzen, hervorgerufendurch Eigenschwingungen des Geigenkörpers. Die erste Re-sonanz bei etwa 450 Hz ist primär eine Schwingung der De-cke, die zweite bei 600 Hz eine des gesamten Geigenkör-pers. Die beiden Schwingungen liegen annähernd bei denGrundfrequenzen der A- und E-Saite. Nach einem Bereichniederer Resonanz folgt eine Ansammlung von Schwin-gungen, deren Frequenzen sehr nahe beisammen liegen unddie die Obertöne der Saiten verstärken.
Der besondere KlangDurch Analysen solcher Frequenzspektren, aber auch durchVergleich der Schwingungsmoden des Geigenkörpers – klassisch über Chladni-Figuren, später über Interferenzbil-der und Laserholografie – wurden Unterschiede zwischenverschiedenen Familien von Geigen ermittelt. Billigere Gei-gen zeigen kaum Resonanzen im Frequenzbereich über
Physik der Violine
Mythos StradivariLEOPOLD MATHELITSCH | IVO VEROVNIK
Der Klang der Violinen aus der Cremoneser Schule der Amatis,Stradivaris und Guarneris ist ein Mythos. Ist dieser physika-lisch begründbar?
132 Phys. Unserer Zeit 3/2014 (45) © 2014 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim
DOI: 10.1002/ piuz.201401365
Dem Manne, der die Geige baut, dankt allein der Klang.Friedrich der Große
Geigen haben sich in ihrem Aufbau seit Beginn des 18. Jahrhunderts kaum verändert. Dies zeigt, dass die
Entwicklung des Instruments zu jener Zeit abgeschlossenwar und Veränderungen zu keinen nennenswerten Verbes-serungen führten. Es erklärt aber nicht, warum die klang-schönsten Geigen just zu dieser Zeit gebaut wurden und wa-rum es später nicht mehr gelang, einen ähnlichen Klang-charakter zu erzeugen. Zumindest wird dies von vielenKünstlerinnen und Künstlern so behauptet und durchwachsende Millionenpreise anscheinend bestätigt, die fürStradivaris bezahlt werden.
Dieses Phänomen kann wohl nur durch den Aufbau derGeigen erklärt werden. Ein Geigenkörper setzt sich aus Bo-den, Decke und Zargen zusammen (Abbildung 1). Die Deck-platte besteht meist aus Fichtenholz, Boden und Zargen sindaus Ahorn. Die Decke hat eine Dicke von 2 bis 3,5 mm, derBoden von 2 bis 6 mm, wobei beide Platten in der Mitte stär-ker sind als am Rand. Außen erscheint die Geige zwar sym-
Online-Ausgabe unter:wileyonlinelibrary.com
© Artem Fuman/Fotolia.com
Bassbalken
Geigenkörper
Zargen f-Löcher
Decke
Steg
Saiten
Boden
Griffbrett
HalsSchnecke
Stimmstock
A B B . 1 AU F BAU
Aufbau einer Violine.
Es gibt also kein Geheimnis um die alten italienischen Gei-gen. Sie entstanden schlicht durch hochwertige Hand-werkskunst, die auch heutigen Geigenbauern zugänglichist. Dass Künstler auf einer Stradivari zu außergewöhnli-cheren Darbietungen fähig sind, ist wohl rein psychologischbegründet.
ZusammenfassungGeigen bestehen im Wesentlichen aus einem Körper und ei-nem Hals mit Griffbrett. Die Schwingungen ihrer vier Saitenwerden von einem Steg auf den Körper übertragen. Dessen Eigenresonanzen sind auf die Saitenschwingungen abge-stimmt, um sie akustisch effektiv zu verstärken. Analysen zei-gen, dass der mythenumrankte Klang der alten CremoneserInstrumente schlicht auf guter Handwerkskunst basiert. Heu-te kann man vergleichbar gute Instrumente bauen.
StichworteVioline, Geige, Cremoneser Schule, Materialanalyse, Klang-analyse.
Literatur[1] H. Dünnwald, Acustica 1985, 58, 162; 1990, 71, 272.[2] J. Topham, D. McCormick, J. Archaeological Sciences 2000, 27, 183.[3] www.schleske.de.[4] C. Fritz et al., Proc. Nat. Acad. Sci. 2012, 109, 760.
V I O L I N E P H Y S I K U N D M U S I K
2500 Hz, wohingegen gute französische Geigen aus dem19. Jahrhundert diesen Bereich sehr verstärken. Mehr sogarals alte italienische Geigen, die dagegen eine schärfere Re-sonanz bei etwa 2000 bis 3000 Hz aufweisen (Abbildung 2)[1]. Daraus ergeben sich zwei Fragen: Worin sind diese Un-terschiede begründet, und kann man solche Meistergeigenheute nachbauen?
Zur ersten Frage gibt es viele, teils ins Mythische ver-klärte Theorien, warum die Cremoneser Schule von Amati,Stradivari und Guarneri solch hervorragende Instrumentehervorbrachte. Ein Mythos beruht auf dem Lack, der auf ei-ner geheimnisvollen chemischen Zusammen setzung beru-hen soll. Genaue Analysen haben gezeigt, dass in den La-ckierungen der Cremonesen praktisch die gleichen Ingre-dienzien zu finden sind wie in den Möbellacks dieser Zeit.Die Bestandteile waren allgemein zugänglich. Außerdemnützte sich der Lack über die Jahrhunderte ab, und die meis-ten alten Geigen sind inzwischen nachlackiert.
Ein weiterer Mythos besteht im Glauben, dass sich diealten Geigen noch in dem Zustand befinden, in dem sie vor300 Jahren gefertigt worden sind. Um stärkere Schallinten-sität zu erzielen, wurden die meisten italienischen Geigenallerdings umgebaut: Der Hals wurde verlängert und derSteg erhöht, um eine stärkere Spannung der Saiten zu er-reichen.
Sehr viel Aufmerksamkeit wurde der Analyse des Holzesgewidmet: Das Holz sei sehr lange getrocknet worden, essei Schiffsholz verwendet worden, es sei imprägniert wor-den, die damals herrschende kleine Eiszeit habe eine ande-re Qualität des Holzes hervorgebracht. Ein Teil der Fragenwird durch dendrochronologische Untersuchungen beant-wortet, wobei das Fichtenholz der Deckplatte aufgrund derAbfolge der Breiten der Jahresringe genauen Zeiträumenzugewiesen werden kann [2]. Durch Vergleich mit dem vomErbauer in der Geige angegebenen Herstellungsjahr zeigtesich, dass die verwendeten Hölzer zehn Jahre und mehr –manche aber auch kürzer – gelagert worden sind. Das istkaum anders als heute. Manche Geigen entstanden aller-dings auch angeblich, bevor der dafür verwendete Baumgefällt wurde. Fälschungen gab es also auch schon früher.
Nun zur zweiten Frage: Geigenbauer und Physiker inKooperation, manchmal auch in Personalunion wie die Ame-rikanerin Carleen Hutchins oder der Deutsche MartinSchleske [3], haben in jahrelanger Arbeit praktische Erfah-rungen und Forschungsergebnisse umgesetzt, um ähnlichhochwertige Instrumente zu bauen. Dass dies gelungen ist,beweist eine neue Studie amerikanischer Wissenschaftereindrucksvoll [4]. In einem Doppelblindversuch spieltenund beurteilten 21 erfahrene Geiger alte und hochwertigeneue Violinen. Es zeigte sich, dass 1. die allgemein bevorzugte Geige eine moderne war, 2. die am wenigsten geschätzte eine Stradivari, 3. das Alter und der Wert des Instruments nur schwach mit
der empfundenen Qualität korrelierten,4. die meisten Spieler nicht angeben konnten, ob ihre be-
vorzugte Geige alt oder neu war.
© 2014 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.phiuz.de 3/2014 (45) Phys. Unserer Zeit 133
25
00 300 500 1000 2000 4000 7000
Frequenz/HzS
chal
ldru
ckpe
gel/d
B
A B B . 2 F R EQ U E N Z S PE K T R U M
Typisches Frequenzspektrum einer altitalienischen Geige (nach Dünnwald [1]).
Die AutorenLeopold Mathelitsch und Ivo Verovnik verfassen seit 2013 die Serie „Physik und Musik“.
AnschriftProf. Dr. Leopold Mathelitsch, Institut für Physik/Theoretische Physik, Karl-Franzens-Universität Graz,Universitätsplatz 5, A-8010 Graz, Österreich. [email protected]
Die Physik
des Klangs:
Eine Einführung,
K. Gillessen, 147 S.,
39 Abb., Studio
Verlag, Sinzig 2013,
brosch., 12,50 2.
ISBN: 3-895-64156-1.
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