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RAUBTIERE NUTZTIERE WILDTIERE Situation, Konflikte, Lösungsansätze NATUR.RAUM. MANAGEMENT N r . 31 01 / 2017 DAS FACHJOURNAL DER NATURRAUMMANAGERI NNEN

N MANAGEMENT - bundesforste.at · und 1993 siedelte der WWF dort drei weitere Bären an. In der Folge wurden insgesamt 31 Jungtiere in Österreich geboren, die größte Bä-rendichte

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RAUBTIERENUTZTIEREWILDTIERE

Situation, Konflikte, Lösungsansätze

NATUR.RAUM.MANAGEMENT

N r . 310 1 / 2 0 1 7

DAS FACHJOURNAL DER NATURRAUMMANAGERINNEN

NATUR.RAUM.MANAGEMENT

INHALT

3 Große Beutegreifer – „Neue“ Heraus-forderungen für das Management

4 Große Beutegreifer – Schutz, Auswirkungen & Zukunft in Österreich

6 (Un)heimliche Rückkehrer – Raubtierein Österreich und Europa

8 „Ich will keinen Wolf!“ Großraubtierein Österreich: Pro & contra

10 Lösung in Sicht? Raubtiere & Nutztierein der Kulturlandschaft

Nationalark Donau-Auen

NATUR. RAUM. MANAGEMENT | Ausgabe 01/2017 – Nr. 31 3

GROSSE BEUTEGREIFER –„NEUE“ HERAUSFORDERUNGEN FÜR DAS MANAGEMENT

LEITARTIKEL

G roße Raubtiere wie Bär, Luchs oder Wolfwaren über viele Jahrzehnte hinwegkaum mehr in Österreich anzutreffen.

Erst in den letzten 20 Jahren sind zuerst verein-zelt Bären aus dem südosteuropäischen Raumzugewandert. Dann folgten Luchse – teils ausgezielten Wiederansiedlungsprojekten - undmancherorts Wölfe, wie etwa am abgeschiede-nen Truppenübungsplatz im Waldviertel. DieRückkehr dieser Vertreter der großen Beutegrei-fer stellt uns in manchen Regionen Österreichsvor eine neue Situation: Natürliche Feinde fürHaus- und Schalenwildtiere1 sind definitiv „neu“in unseren Breiten. Wie geht man damit um?Welche Rahmenbedingungen sind ausschlagge-bend? Kann man diese Tiere einfach wieder „ent-fernen“? Fragen, mit denen wir uns in dieserAusgabe des NRM-Fachjournals auseinander-setzen, da insbesondere der Luchs oder der Wolfmancherorts für „Unruhe“ sorgen. Dass dieseTiere in der öffentlichen Meinung wie auch un-ter ExpertInnen unterschiedlicher Fachrichtun-gen polarisieren, ist jedenfalls verständlich.Umso wichtiger ist es, sich auf die geänderte Si-tuation offen und bewusst vorzubereiten, um et-waigen daraus entstehenden Konflikten best-möglich vorzubeugen.

Auch die ÖBf-NaturraummanagerInnen müssensich in ihrem Tätigkeitsbereich immer wieder sol-chen neuen Herausforderungen stellen: Bewusst-seinsbildung im eigenen Unternehmen und inder Öffentlichkeit sind gefragt. Die Bundesforstehaben dazu etwa eine eigene Broschüre zumrichtigen Verhalten mit großen Beutegreifern ver-öffentlicht. Aber auch konkrete Unterstützungvor Ort, etwa in Form eines praxiserprobten Bä-renbetreuers, den die Bundesforste vor einigenJahren in den Nördlichen Kalkalpen stellten, wirdangeboten. Den Jagdkunden des Unternehmenswird darüber hinaus im Fall möglicher jagdbe-trieblicher Nachteile durch Beutegreifer ein Ak-zeptanzbeitrag angeboten.

Denn auf der einen Seite gibt es rechtliche Rah-menbedingungen wie EU-Vorgaben oder die Al-

penkonvention, die Schutz und Schonung bzw.sogar die aktive Wiedereinbürgerung (über-wacht und in Abstimmung mit der Region) dergroßen Beutegreifer festschreiben. Auf der an-deren Seite stehen aber viele offene Fragen, Vor-behalte und Ängste, die ebenfalls klare Antwor-ten benötigen. Am meisten polarisiert derzeitder Wolf, da er direkt auch Nutztiere bedrohtund daher „das Schreckgespenst“ für die Land-wirtschaft ist. Aber auch der Luchs wird als Kon-kurrent der Jagd gesehen. Wiedereinbürge-rungsversuche des Nationalparks Kalkalpen inOberösterreich, die auch mit Unterstützung desJagdverbandes, der ÖBf sowie Naturschutzver-bänden stattfinden, weisen dabei in die richtigeRichtung, um mehr Bewusstsein und Akzeptanzzu erreichen.

Ob es dazu gleich einer begrüßenden Stellung-nahme zur Präsenz von Luchs und Wolf wie desSchweizerischen Forstvereins bedarf, sei dahinge-stellt. In der Schweiz allerdings befasst man sichschon deutlich länger mit der Thematik der gro-ßen Beutegreifer. Bei der Positionierung steht dienatürliche Waldverjüngung im Zentrum und da-mit die Sicherung der Waldfunktionen, die insbe-sondere im Gebirgsland Schweiz dem Schutz vorNaturgefahren dient. Das Vorkommen der Beute-greifer kann hierzu nach Meinung des Forstver-eins einen Beitrag leisten, der meines Erachtensnicht von der Hand zu weisen ist.

Für den Umgang mit großen Beutegreifern lohntes sich generell einen Blick über die Landesgren-zen zu werfen und aus den Erfahrungen derNachbarstaaten zu lernen: Um Fehler früher zuerkennen, um notwendige bewährte Anpassun-gen zu übernehmen oder um auch die Berichteüber die Schäden an Nutz- und Wildtieren kritischzu prüfen. Aber auch um daraus einen möglichenfinanziellen Bedarf für Vorsorge und Abgeltungvon Verlusten praxisgerecht zu kalkulieren. Wieaus den Beispielen heraus ersichtlich, ist ein Mit-einander möglich. Jetzt ist es Zeit zu handeln undkonkrete Maßnahmen im Umgang mit Luchs, Bärund Wolf umzusetzen. <<

GERALD PLATTNERLeiter [email protected]

ANMERKUNGEN:1 Hornträger (Gämse, Steinbock,

Mufflon), Geweihträger (Rot-hirsch, Reh, Elch, Damwild) &Wildschweine

LITERATURTIPP:> Broschüre „Aktiv für große Beu-

tegreifer“:>> www.bundesforste.at > Service & Presse > Publikatio-nen

ANSICHTEN

NATUR.RAUM.MANAGEMENT

Die Bestände von Bär, Luchsund Wolf, den drei großen Beu-tegreifern Europas, sind inÖsterreich klein. Trotzdem müs-sen auch wir feststellen, dassdas Zusammenleben mit diesenArten nicht ganz einfach ist undsteuernder und unterstützen-der Maßnahmen bedarf.

B är, Wolf und Luchs gehören zur natürli-chen Artenausstattung der österrei-chischen Wälder und waren bis vor 150

Jahren mit reproduzierenden Populationenpräsent. Aus Sicht einer Landnutzung, die seit150 Jahren keinen Gedanken an diese Artenverwenden musste, sind die drei großen Beute-greifer jedoch fremdartige Neuzugänge. DerMensch hat die Naturlandschaft tiefgreifendverändert, ihre Produktivität gesteigert undnutzbar gemacht, auf Kosten von Stabilitätund Artenvielfalt.

SCHUTZDer Naturschutz ist darum bemüht, Artenge-meinschaften, ihre Lebensräume sowie die da-rin ablaufenden natürlichen Prozesse weitge-hend zu erhalten oder wiederherzustellen. Als„Topprädatoren“1 spielen große Beutegreiferdabei eine wichtige Rolle für die Gesunderhal-tung ihrer Beutetiere.

Bär, Wolf und Luchs sind in der Kulturland-schaft eine Herausforderung. Das ist keinösterreichisches Alleinstellungsmerkmal. Große Beutegreifer kommen praktisch überallin Konflikt mit menschlichen Nutzungsinte-ressen, auch in Regionen, die wir aus unserer„überzivilisierten“ Perspektive voreilig als„Wildnis“ bezeichnen. Es sind v. a. ethische, äs-thetische und ökologische Argumente, die für

den Schutz dieser unbequemen Arten ins Tref-fen geführt werden, motiviert von der grund-sätzlichen Frage, wie weit der Mensch in denNaturhaushalt eingreifen darf. Diese Argu-mente sind für GrundbesitzerInnen, die diewirtschaftliche Nutzung ihrer Flächen imAuge haben, wenig überzeugend. Die verspro-chene „Umwegrentabilität“ der Erhaltung derArtenvielfalt, die Naturschutz zu einem ge-samtgesellschaftlichen Anliegen macht, istauch schwer in Begriffen der Ökonomie dar-stellbar.

AUSWIRKUNGENDie Hauptkonfliktpunkte im Zusammenlebenvon Mensch und großen Beutegreifern sindwirtschaftliche Schäden und potenzielle Ge-fährlichkeit.

AlmwirtschaftWas Risse betrifft, sind Schafe auf Almen amgefährdetsten und von den Beutegreifern derWolf das größte Risiko, gefolgt vom Bär und,weit abgeschlagen, dem Luchs. Große Beute-greifer und Almwirtschaft schließen einandernicht prinzipiell aus, schließlich ist Almwirt-schaft zu einer Zeit entstanden, als Bären undWölfe in den Alpen weit verbreitet waren. Invielen anderen Ländern koexistieren Almwirt-schaft und große Beutegreifer auch heute.Der Verlust einzelner Tiere ist heute nicht

4 NATUR. RAUM. MANAGEMENT | Ausgabe 01/2017 – Nr. 31

GROSSE BEUTEGREIFERSchutz, Auswirkungen & Zukunft in Österreich

Braunbär (Ursus arctos)

ANMERKUNGEN:1 Raubtiere an der Spitze der

Nahrungskette2 Hornträger (Gämse, Steinbock,

Mufflon), Geweihträger (Rot-hirsch, Reh, Elch, Damwild) &Wildschweine

3 Wild, das im Straßenverkehr zuTode kommt

4 d. h. der Wegfall od. das Hinzu-kommen einer Sterblichkeitsur-sache (z. B. Risse durch großeBeutegreifer) haben keinen we-sentlichen Einfluss auf die Ge-samtsterblichkeit

5 Rothirsch (männl. & weibl.)6 Kahlwild = weibliches od. jun-

ges Wild ohne Geweih

LITERATURTIPPS:> Leitfaden „Lernen, mit dem Wolf

zu leben“ (2015):>> www.wwf.at/wolf

> Broschüre „Gib dem Luchs eineChance!“:>> www.wwf.at/de/luchs_produkte

> Studie „Bär in Österreich“(2005):>> www.wwf.at/de/braunbaer_produkte

mehr existenzbedrohend für die BesitzerIn-nen und gesamtwirtschaftlich gesehen sinddie Schadenssummen keine große Sache.Trotzdem ist Schadenersatz eine Notwendig-keit, um finanzielle Belastungen Einzelner ab-zufedern. Auch Schadensprävention muss ge-fördert werden.

JagdSchwieriger ist die Auswirkung auf die Jagd zubeurteilen, denn hier rührt man gleich an derFrage, was Jagd denn sein soll – Erhaltung ei-nes artenreichen und gesunden Wildbestandesoder Bewirtschaftung einer Fläche bzw. einesWildbestands zum Erzielen eines möglichstgroßen Nutzens. Im letzteren Fall wird der Sta-tus des Wilds in Richtung Nutztier verschobenund Bär, Wolf und Luchs sind keine Bereiche-rung, sondern Störenfriede. Immerhin lebenWolf und Luchs von Schalenwild2. In Österreich

haben wir einen im europäischen Vergleich he-rausragend hohen Wildbestand. Allein vomjährlich in Österreich anfallenden Straßenfall-wild3 könnte man einen Wolfsbestand ernäh-ren. Die Stückzahl, die ein Wolfsrudel jährlichreißt, verliert ihren Schrecken, wenn man sieauf die Fläche umlegt. Pointiert könnte mansagen: Beim Rehwild mit Bestandsdichten ander Lebensraumkapazität bleiben Wolfsrissesowieso im Rahmen einer kompensatorischenMortalität4, beim Rotwild5 hilft der Wolf durchseine Bevorzugung schwächerer Stücke bei derungeliebten Pflicht des Kahlwildabschusses6

und bei den Wildschweinen sollte doch jedeHilfe bei der Kontrolle der explosiven Be-standsentwicklung willkommen sein.

Wenn es so einfach wäre. Jagd in Österreich istein labiles System, das durch jede Änderungins Wanken kommen kann. Rotwildfütterungenund Wintergatter sind das beste Beispiel dafür:Die Konzentration des Rotwilds durch Futter-vorlage in völlig ungeeignetem Winterhabitatist schon so ein riskantes Unterfangen, anwe-sende Wolfsrudel werden es noch komplizier-

ter machen. So schwer es auch fallen mag undso wenig wir die konkreten Auswirkungen ei-ner Wolfspopulation auf den Wildbestand vor-hersagen können: Anpassungen werden not-wendig sein.

Gefahr für den MenschenDie Gefährlichkeit von Bär und Wolf ist ein vieldiskutiertes Thema (von Luchsen sind keineAngriffe auf Menschen bekannt). Nicht weilderen Anwesenheit so gefährlich wäre, son-dern weil die subjektive Furcht und das objek-tiv errechnete Risiko verschiedenen Welten zu-gehören. Mag das Risiko noch so gering sein,die Vorstellung, von einem wilden Tier ange-griffen zu werden, ist viel bedrohlicher als z. B.die alltäglichen Autounfälle. Wenn jemandausschließlich daran denkt, was ein Tier, das ei-nen 150 kg schweren Hirsch niederstreckenkann, mit einem selbst machen könnte, hilft

der Verweis auf die Statistik nicht viel. Trotz-dem muss für die zuständige Behörde die ob-jektive Gefahr der Maßstab sein. Ein erhöhtesRisiko bilden große Beutegreifer, die nichtmehr scheu sind. Hier müssen wir jedenfallswachsam sein und umgehend reagieren, nöti-genfalls mit Entnahmen.

ZUKUNFT IN ÖSTERREICHAkzeptanz ist die vielbeschworene Basis füreine gedeihliche Entwicklung von Beständengroßer Beutegreifer in der europäischen Kul-turlandschaft. Akzeptanz kann nicht verord-net oder eingefordert werden, sondern musserarbeitet und gepflegt werden. In der nähe-ren Zukunft werden Bären weiterhin nur mitein paar Männchen in Österreich vorstelligwerden und Luchse ihre Anzahl bestenfalls inkleinen Schritten ausbauen können. Bei denWölfen ist aber mit einer größeren Ausbrei-tungsdynamik zu rechnen. Hier ist im Ma-nagement eine klare Vorgehensweise gefragtund diese ist umso leichter zu erreichen, jekonstruktiver sich alle Interessensgruppeneinbringen. <<

NATUR. RAUM. MANAGEMENT | Ausgabe 01/201 7 – Nr. 31 5

Dr. Georg Rauer ist Mitglied derLänderübergreifenden Koordinie-rungsstelle für den Braunbären,Luchs und Wolf (KOST). www.vetmeduni.ac.at/fiwi/dienst-leistungen/koordinierungsstelle-fuer-den-braunbaeren-luchs-und-wolf

„AKZEPTANZ KANN NICHT VERORDNET ODER EINGEFORDERT WERDEN,SONDERN MUSS ERARBEITET UND GEPFLEGT WERDEN.“ Georg Rauer, Bärenanwalt und Wolfsbeauftragter

ANSICHTEN

NATUR.RAUM.MANAGEMENT

Wo gibt es welche Raubtiere inÖsterreich und Europa? Undwie viele? Wie sind sie recht-lich geschützt? Ein kurzerÜberblick über den Status quoseltener oder gefährdeter Säu-getiere.

W ildlebende Raubtiere wie Bär,Luchs und Wolf waren in Europaeinst weit verbreitet. Insbesondere

im 19. und 20. Jahrhundert wurden sie jedoch(nahezu) ausgerottet, v. a. in Mitteleuropa. DieHauptursachen waren Lebensraumverlust oder-fragmentierung, Rückgang der Beutetiere so-wie direkte Verfolgung durch den Menschen.Seit einigen Jahren erholen sich etliche euro-päische Bestände wieder. Auch nach Österreichkehren Raubtiere zurück – entweder, indem sievon alleine aus den Nachbarstaaten zuwan-dern, oder durch Wiederansiedlungsmaßnah-men des Menschen.

BRAUNBÄRDerzeit leben rd. 17.000 Braunbären in Europa1,die meisten davon in den Karpaten (rd. 7.200Tiere). Insgesamt ist der Bärenbestand inEuropa stabil bzw. sogar im Wachstum begrif-fen. Gerade kleine Populationen wie in den Al-pen (45-50 Bären) oder Pyrenäen (22-27 Bären)stagnieren jedoch und sind gefährdet.

Nachdem der Braunbär auch in Österreich lan-ge Zeit ausgerottet war, wanderte 1972 einMännchen selbständig aus Slowenien in dieÖtscher-Region (NÖ/Stmk.). Zwischen 1989und 1993 siedelte der WWF dort drei weitereBären an. In der Folge wurden insgesamt 31Jungtiere in Österreich geboren, die größte Bä-

rendichte wurde 1999 mit zwölf Tieren er-reicht. Zumindest seit 2011 ist diese Populationin den Nördlichen Kalkalpen jedoch erloschen.Es besteht die (nicht restlose geklärte) Annah-me, dass die Bären nicht nur abgewandertoder aus natürlichen Ursachen gestorben sind,sondern auch illegal getötet wurden.Im Süden Österreichs (Kärnten & Osttirol) gehtman derzeit von fünf bis acht Durchzüglernaus, die v. a. aus Slowenien (dort gibt es rd.450-500 Bären) und dem italienischen Trentino(rd. 50) kommen. Vereinzelt tauchen Bärenauch in anderen Teilen Österreichs auf, 2012etwa in der Steiermark und in Tirol. Insgesamtist die heimische Braunbärenpopulation akutgefährdet.

WOLFIn Europa leben rd. 12.000 Wölfe.2 Seit Mitte des20. Jahrhunderts breiten sie sich kontinuierlichaus. Die größten Populationen befinden sich aufdem Balkan (rd. 3.900 Tiere), in den Karpaten(rd. 3.000) und auf der Iberischen Halbinsel (rd.2.500). In Deutschland hat sich der Wolf seitdem Jahr 2000 wieder etabliert. In der Schweizlebt seit 2012 ebenfalls wieder ein Rudel. In Ita-lien sind es sogar 500 bis 800 Tiere.

In Österreich traten Wölfe ab ca. 2009 ver-stärkt auf – vorerst nur als Durchzügler ausItalien, der Schweiz, Slowenien und der Slowa-

6 NATUR. RAUM. MANAGEMENT | Ausgabe 01/2017 – Nr. 31

(UN)HEIMLICHE RÜCKKEHRERRaubtiere in Österreich und Europa

Eurasischer Luchs (Lynx lynx)

ANMERKUNGEN:1, 2, 4 Stand 2013; ohne Ukraine,

Weißrussland & Russland3 Quelle: www.wwf.at/de/wolf-

rueckkehr-allentsteig5 inkl. dem finnischen Karelien6 siehe NRM-Journal Nr. 16, S. 117 Quellen: Jahresbericht „Der

Luchs im Nationalpark Kalkal-pen“ (2015),www.wwf.at/de/zwei-tote-luchse-gefunden

8 siehe NRM-Journal Nr. 8, S. 79 Quelle: Jennifer Hatlauf – Po-

tenzieller Lebensraum desGoldschakals in Österreich;Masterarbeit an der Universi-tät für Bodenkultur, 2015

10 telefon. Mitteilung von DI Dr. Kranz (06. 12. 2016)

11 in unterschiedlichem Ausmaß:als sog. Arten gemäß AnhangII, IV od. V

12 „Übereinkommen über die Er-haltung der europäischen wild-lebenden Pflanzen und Tiereund ihrer natürlichen Lebens-räume“; siehewww.bfn.de/0302_berner.html

13 siehewww.alpconv.org/de/conventi-on/protocols/default.html

14 Übersicht auf www.herden-schutz.at/20.html

QUELLEN ZU BESTÄNDEN & VERBREITUNG:> www.wwf.at/de/artenschutz> www.herdenschutz.at> www.ursina.org> http://naturschutzbund.at> www.wildkatze-inoesterreich.at

WIEDERANSIEDLUNG:> http://luchs.boehmerwald-

natur.at> www.kalkalpen.at > Natur &

Forschung > Biodiversität > Fauna > Luchs

> www.ursina.org

kei. Jährlich wies man zwei bis sieben Tierenach. Nun scheint der Wolf dauerhaft sesshaftzu werden: 2016 wurden in Österreich erstmalsseit über 100 Jahren Wölfe in freier Wildbahngeboren – am Truppenübungsplatz Allentsteigim niederösterreichischen Waldviertel.3

Der Wolf kann manchmal, lokal begrenzt, auchlandwirtschaftliche Nutztiere (v. a. Schafe, Zie-gen) reißen und löst so die momentan größtenNutzungskonflikte aller „Rückkehrer“ aus. Dasbeweisen u. a. die emotionalen Debatten im Salz-burger Flachgau (Hintersee, St. Gilgen) und imPinzgau (Fusch) in den Jahren 2014 und 2016.

LUCHSIn Europa4 leben heute geschätzte 9.000 bis10.000 Luchse, v. a. in Skandinavien (4.200 –5.500 Tiere)5, in den Karpaten (ca. 2.400) und imBaltikum (ca. 1.600). In Mitteleuropa gibt es nurkleine, räumlich getrennte Luchsvorkommen,die allesamt aus Wiederansiedlungsprojektender 1970er und 1980er Jahre stammen. Geradediese kleinen, isolierten Populationen sind heu-te stark gefährdet (u. a. durch Inzucht), währenddie größeren Luchsvorkommen stabil sind.

Österreich hat ausreichend große Waldgebietemit hohem Wildbestand, in denen der Luchslangfristig überleben könnte. Zudem spielt Öster-reich eine Schlüsselrolle beim Vernetzen der mit-teleuropäischen Luchspopulationen, z. B. jenen inBöhmen/Bayern (rd. 50 Luchse), der Schweiz (rd. 130) und im Dinarischen Gebirge (120-130;reicht nördlich bis Slowenien). Dauerhaft heimi-sche Luchse (zusammen 10 bis 15 Tiere) gibt esmomentan nur in zwei kleinen Gebieten: im Na-tionalpark Kalkalpen (OÖ) sowie im Mühl- undWaldviertel (OÖ/NÖ). In beiden Regionen versu-chen Wiederansiedlungsprojekte, überlebensfähi-ge Populationen aufzubauen: der „ArbeitskreisLUKA – Luchs Kalkalpen“6 (mit Unterstützung derBundesforste) und das „Luchsprojekt ÖsterreichNordwest“. Bei beiden Projekten wurden bereitsillegale Luchstötungen nachgewiesen.7 Danebenziehen Einzeltiere durch die Steiermark, Kärnten,Salzburg, Tirol und Vorarlberg.

ANDERE RAUBTIEREAußerdem wandern u. a. Wildkatze, Goldscha-kal und Fischotter nach Österreich ein:

Bei der Wildkatze gab es in Österreich langeZeit nur sporadische Einzelbeobachtungen vonZuwanderern aus den Nachbarstaaten. In denletzten Jahren mehren sich Sichtungen. Den-

noch fehlen Hinweise auf eine ansässige Popu-lation, die Nachkommen erzeugt genauso wiegesicherte heimische Individuenzahlen. Kon-flikte mit dem Menschen ergeben sich kaum.Die Bundesforste unterstützen die Rückkehrder Wildkatze nach Österreich. Durch naturna-he Waldbewirtschaftung schaffen und erhal-ten sie die nötigen Lebensräume und vernet-zen sie untereinander.8

Der Goldschakal tritt in Österreich immer wie-der auf (1987-1992: 11 Nachweise österreich-weit; 2003-2007: 17 Nachweise in NÖ, Stmk.und OÖ; 2007-2014: weitere Nachweise, v. a. imGebiet des Neusiedlersees).9 Da er aber sehrversteckt lebt und ein detailliertes Monitoringfehlt, könnten die tatsächlichen Beständedeutlich unterschätzt werden. Vor allem in derOsthälfte Österreichs könnte der Goldschakalkünftig häufiger in Erscheinung treten – nichtzuletzt aufgrund der rd. 1.000 Individuen, diealleine in Ungarn leben.

Die heimischen Fischotter-Bestände erholensich in den letzten beiden Jahrzehnten lang-sam. Genaue Individuenzahlen für Österreichfehlen, Schätzungen gehen aber von rd. 1.500Tieren österreichweit aus.10 Konflikte mit derFischereiwirtschaft treten auf.

RECHTLICHE SITUATIONÖsterreich ist durch die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der EU verpflichtet, einen „günstigenErhaltungszustand“ für die oben genanntenArten herzustellen bzw. zu erhalten.11 Auch laut„Washingtoner Artenschutzabkommen“ (CI-TES) und „Berner Konvention“12 (ausgenommenGoldschakal) sind diese Arten geschützt. ImNaturschutz- und im Bergwaldprotokoll der Al-penkonvention13 verpflichtet sich Österreichzur Wiederansiedlung und Ausbreitung wildle-bender Tierarten (inklusive Großräubern).Alle genannten Arten (ausgenommen Gold-schakal, tw. auch Fischotter) unterliegen denösterreichischen Landesjagdgesetzen – tw.auch „nur“ den Naturschutzgesetzen (z. B. inWien) – und dürfen – mit bestimmten Ausnah-men – ganzjährig nicht bejagt werden.14

Dass nicht alle LandnutzerInnen die Rückkehrder Raubtiere vorbehaltlos begrüßen, zeigendie folgenden Seiten. Ebenso, welche Interes-senskonflikte dabei auftreten und wo die Mög-lichkeiten und Grenzen bestehender Lösungs-ansätze liegen. <<

NATUR. RAUM. MANAGEMENT | Ausgabe 01/2017 – Nr. 31 7

ANSICHTEN

NATUR.RAUM.MANAGEMENT

Wie umgehen mit Großraub-tieren in Österreich? Wir be-fragten drei ExpertInnen ausNaturschutz, Jagd und Land-wirtschaft. Am intensivstendiskutierten sie über denWolf.

Wozu brauchen wir Bär, Luchs und Wolf inÖsterreich?

Reisenbichler: Jedes Tier, ob Raub-, Nutz- oderWildtier, erfüllt eine wichtige Funktion im Öko-system. Und Tiere, die von alleine zurückkom-men in ihre alte Heimat, sind auch eine Bestäti-gung, wie wertvoll Österreichs Naturräume sind.Zehentner: Da muss man etwas differenzieren.Für die Landwirtschaft sind Luchs und Bär keingroßes Problem. Ein durchziehender Wolf, dereinmal irgendwo ein Schaf reißt – ja, in GottesNamen, der ist auch noch nicht das Problem.Dass er aber bei uns heimisch wird – das gehtnicht. Das ist mit der alpinen Weidewirtschaftunmöglich vereinbar. Voriges Jahr haben wirgesehen, was ein heimischer Wolf heißen wür-de: In Fusch und in Abtenau haben sich einoder zwei Wölfe längere Zeit auf einer Alm auf-gehalten. Von den 150 Schafen in Fusch sind 62verendet, wobei nur ein Bruchteil gefressenwurde. Wenn der Wolf – wie der Luchs – nurdas jagen würde, was er dann frisst, das würdeich ihm vergönnen. Aber das kannst du demWolf halt nicht beibringen.

Können Großraubtiere positive Effekte haben?

Völk: Wissenschaftlich nachgewiesen ist: DerWolf trägt dazu bei, dass Beutetierpopulationengesund bleiben, weil er vorwiegend geschwäch-

te Tiere reißt. Im Wildtiermanagement wird erImpulse bringen, unsere Überwinterungskon-zepte im Ostalpenraum zu überdenken.

Inwiefern?

Völk: Sie bauen voll auf Winterfütterung auf.Mit der Fütterung lenken wir das Rotwild1 inBereiche, wo wir es haben wollen, z. B. umSchäden in benachbarten Schutzwäldern zuvermeiden. Diese Lenkungswirkung könnte inFrage gestellt werden. Wir wissen aber nochnicht, wie stark, weil wir nicht wissen, wie dasRotwild reagiert, wenn ein Wolf öfter eine Füt-terung besucht.

Können die wenigen Großräuber momentanüberhaupt einen spürbaren Einfluss aufs Wildausüben?

Völk: Von der Stückzahl her am ehesten derWolf, aber auch der nur lokal. Insgesamt brau-chen wir uns um die Schalenwildbestände2

aber keine Sorgen machen. Sie sind in Mittel-europa die höchsten der Geschichte. Daherwird das, was Raubtiere an Beutetieren ent-nehmen, niemals annähernd die Jagd ersetzenkönnen. Im Alpenraum sind die größtenSchwierigkeiten vermutlich nicht bei Wildtie-ren oder Jagd zu erwarten, sondern in derLandwirtschaft.

8 NATUR. RAUM. MANAGEMENT | Ausgabe 01/2017 – Nr. 31

„ICH WILL KEINEN WOLF!“Großraubtiere in Österreich: Pro & contra

Christina Reisenbichler warbis 12/2016 WWF-Expertin fürgroße Beutegreifer.www.wwf.at

Friedrich Völk ist Verantwortli-cher für das GeschäftsfeldJagd bei den Bundesforsten.www.bundesforste.at

Robert Zehentner ist Landwirtund Landwirtschaftskammer-rat in Salzburg sowie Obmannder „Tauernlamm“-Genossen-schaft.www.tauernlamm.at

Wolf (Canis lupus)

ANMERKUNGEN:1 Rothirsch (männl. & weibl.)2 Hornträger (Gämse, Steinbock,

Mufflon), Geweihträger (Rot-hirsch, Reh, Elch, Damwild) &Wildschweine

3 siehe www.wwf.at/de/wwf-wolfsabschuesse-schuetzen-keine-nutztiere

4 siehe auch S. 75 sie sind im „Managementplan

Wolf“ definiert (siehe Literatur-tipps)

LITERATURTIPPS:> „Wolfsmanagement in Öster-

reich“ (2012):>> www.wwf.at/de/wolf_management

> „Managementplan BraunbärÖsterreich“ (2005):>> www.wwf.at/de/braun-baer_produkte

> Nationale Strategien Bär, Luchs,Wolf (Schweiz):>> www.herdenschutzschweiz.ch/herdenschutz-schweiz/nationa-le-strategie

> Leitfaden „Empfehlungen zurSchalenwildfütterung in Bären-Gebieten“ (2007):>> www.bundesforste.at/file-admin/jagd/Baer_und_Winter-fuetterung_2007.pdf

NATUR. RAUM. MANAGEMENT | Ausgabe 01/2017 – Nr. 31 9

Reisenbichler: Auch Studien zeigen, dass Wölfeeine Art Selbstregulierungsmechanismus ha-ben: Sie werden niemals das Wild in einer Regi-on komplett dezimieren.

Stichwort Regulierung: Im Anlassfall wirdschnell die Forderung nach Abschuss des Wol-fes erhoben.

Zehentner: Wenn die Gesellschaft erwartet,dass wir Almen weiter bewirtschaften undman auch Förderungen dafür gewährt, danngeht das mit dem Wolf nicht. Daher muss derWolf in dieser Gegend bejagt werden, sonstwird er sich ansiedeln.Reisenbichler: Studien zeigen, dass der Ab-schuss eines Wolfes kein effizientes Mittel ist,um Nutztierrisse zu verhindern3. Risse könnendanach sogar zunehmen. Außerdem ist derWolf eine national und international geschütz-te Tierart4, ein Abschuss somit gesetzlich nichterlaubt, von wenigen Ausnahmen abgesehen.5

Zehentner: Ich sage: Wir müssen mit allen Mit-teln versuchen, das Gesetz so zu ändern, dassder Wolf geschossen werden kann und nichtbei uns heimisch wird.Reisenbichler: Das Problem ist: Wir haben jah-relang ohne Beutegreifer gelebt und daran hatsich auch die Weidewirtschaft angepasst. DassNutztiere ungeschützt auf den Almen stehen,ist bei uns heute üblich. Jetzt kommen die Beu-tegreifer aber wieder zurück. Die große He-rausforderung ist nun, Maßnahmen zu entwi-ckeln, die auf sie Rücksicht nehmen und nichtauf Kosten Einzelner erfolgen. In dieser Um-stellungsphase ist auch Rückhalt von politi-scher Seite sehr wichtig. Und dass man sichgemeinsam der Herausforderung stellt, anstattden Menschen Hoffnung zu machen, da ir-gendwie durchtauchen zu können, weil dieWölfe wieder verschwinden würden.

Inwieweit sind da Erfahrungen mit Großräubernaus dem Ausland auf Österreich übertragbar?

Völk: Wir müssen sehr vorsichtig sein beimÜbertragen von Erfahrungen. Die landschaftli-chen Rahmenbedingungen jener Gebiete, indenen es Wölfe gibt, sind anders als jene inÖsterreich. Manche Änderungen der Raumnut-zung sind z. B. im alpinen Raum wesentlichheikler: Etwa, wenn ein Rotwildrudel durch ei-nen Beutegreifer von einer Fütterung, wo eswenig Schaden verursachen kann, in denSchutz- oder Bannwald abwandert. Weil nicht

alle Erfahrungen 1:1 übertragbar sind, müssenwir Entwicklungen auch auf uns zukommenlassen und schauen, was passiert, wenn dieBeutegreifer da sind.

Das hieße: Im Anlassfall kurzfristig entschei-den, was zu tun ist, weil wir uns vorab gar nichtvollständig auf Raubtiere vorbereiten können?

Völk: Ja, so sehe ich es, was Wildtiere und Jagdbetrifft.Reisenbichler: Sich vorab perfekt gegen Kon-flikte abzusichern, bevor ein Wolf, Bär oderLuchs in der Region ist, das wird nicht gehen.Wenn dann Beutegreifer da sind, geht es da-rum, die Leute zu informieren, ihnen Ansprech-partner zu anbieten, Erfahrungen mit den Tie-ren zu sammeln und das passende Lösungs-modell zu erarbeiten. Eine effiziente Maßnah-me kann der Herdenschutz sein. Wobei es kei-ne Pauschallösung geben kann, die man über-all einsetzt.Zehentner: Herdenschutz ist insbesondere imhochalpinen Raum nicht machbar. Weil wirdort oben gar keine Herde haben. Die Alm, woich meine Tiere auftreibe, hat 500 ha Fläche.Dort stehen die Schafe in lauter kleinen Grup-

pen zusammen, verteilt aufs gesamte Gebiet.Da kann ich nicht jeden Tag durchgehen unddie Tiere am Abend zusammentreiben. EinenHerdenschutzhund kann ich auch nicht alleinemit den Schafen hinauftreiben. Und bei Schä-den will ich keine Entschädigung, ich will kei-nen Wolf! Die können mir die Schafe vergol-den, das hilft mir nicht!

Was muss passieren, damit die Interessens-gruppen stärker aufeinander zugehen?

Reisenbichler: Basis muss die offene und ehrli-che Kommunikation auf allen Seiten sein. Also,dass man die Dinge so ausspricht, wie sie sind.Befürchtungen der Interessensvertreter müs-sen ernst genommen werden, es wird Zuge-ständnisse auf allen Seiten geben müssen. Daswird nicht leicht werden, aber ich bin zuver-sichtlich, dass wir gemeinsam mit der Aufgabewachsen werden. <<

Die Fragen stellte Uwe Grinzinger.

„ES WIRD ZUGESTÄNDNISSE AUFALLEN SEITEN GEBEN MÜSSEN.“Christina Reisenbichler, WWF

Die Rückkehr wildlebenderRaubtiere erzeugt auch Kon-flikte. Wie lassen sich diesevermindern? Die österrei-chische Beratungsstelle Her-denschutz und die schweizeri-sche Fachstelle Herdenschutzzeigen Lösungsansätze in derNutztierhaltung auf.

M anche NutzerInnen natürlicher Res-sourcen haben Vorbehalte gegen-über Bär, Luchs und Wolf. Ein Haupt-

grund: mögliche wirtschaftliche Einbußendurch Großraubtiere. Angesichts der geringenRaubtierzahlen scheinen solche Schäden inÖsterreich momentan jedoch noch recht über-schaubar zu sein – zumindest großräumig gese-hen1. Lokal kann es für die wenigen LandwirtIn-nen, die betroffen sind, aber sehr wohl einschwerer Schlag sein (wirtschaftlich als auchemotional), wenn Wölfe z. B. ihre Schafe reißen.Und genau dort scheint laut Medienberichter-stattung2 derzeit das größte Konfliktpotenzialin Österreich zu liegen: bei Wolf und landwirt-schaftlichen Nutztieren (siehe dazu auch Seite 8-9). Aber selbst hier gibt es Lösungsansätze:

SCHADENSPRÄVENTIONIm österreichischen Managementplan für denWolf geben zahlreiche ExpertInnen als Ziel vor:Schäden an Nutztieren müssen durch Vorbeu-gemaßnahmen möglichst gering gehalten wer-den.3 Laut der Nationalen Beratungsstelle fürHerdenschutz erscheinen dazu drei Maßnah-men momentan am geeignetsten, die u. U.kombiniert werden müssen.

ZäuneElektrozäune haben sich v. a. auf kleinen Flächenund für kleine bis mittelgroße Herden bewährt,

z. B. im Zuge eines Modellprojektes in Zederhaus(Salzburg)4. Sie lassen sich auch kurzfristig inAkutfällen einsetzen. Bei weitläufigen Almenund mehreren hundert Tieren wird der Geld-und Zeitaufwand (für den Aufbau und die regel-mäßige Kontrolle) jedoch unzumutbar hoch.

Hirten & NachtpfercheUnbeaufsichtigte Herden sind in Österreich dieRegel, v. a. auf Almen. Die Erfahrungen der Na-tionalen Beratungsstelle Herdenschutz zeigen:Hier kann ein ständig anwesender Hirte einenwichtigen Beitrag zum Herdenschutz leisten.Hirten und Zäune haben noch zwei weitere Vor-teile: Kranke oder verletzte Tiere sind schnellerzu erkennen und der Abtrieb am Saisonende er-folgt schneller, weil die Tiere rasch aufgefundenwerden. Schließlich lässt sich durch Behirtungauch die Beweidung gleichmäßiger verteilen,ein Übernutzen der Almen wird so vermieden.Allerdings: Gut ausgebildete, erfahrene HirtIn-nen sind heutzutage schwierig zu finden. Zu-dem stellt sich die Frage der Finanzierung die-ses erheblichen Zusatzaufwandes.

HerdenschutzhundeIn der Schweiz arbeiten rd. 200 anerkannte Her-denschutzhunde, z. T. auch als „mobile Wolfsfeu-erwehr“ in „Akutsituationen“. Sie können Ein-dringlinge effektiv vertreiben. Allerdings ist dieArbeit mit ihnen aufwendig und funktioniert

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ANSICHTEN

NATUR.RAUM.MANAGEMENT

LÖSUNG IN SICHT?Raubtiere & Nutztiere in der Kulturlandschaft

Herdenschutzhund

NATUR. RAUM. MANAGEMENT | Ausgabe 01/2017 – Nr. 31 11

nicht immer nach Wunsch, v. a. wenn zu wenigVorlaufzeit vorhanden ist, etwa zum Züchten undAusbilden der Hunde oder zum Gewöhnen an dieHerde. Das hat u. a. ein Modellprojekt in Kals (Ost-tirol) gezeigt, bei dem rd. 1.200 Schafe ständigdurch Hirten und Herdenschutzhunde betreutwurden.5 Auch kann nicht ausgeschlossen wer-den, dass Hunde die Herde auch gegenüber Wan-derern verteidigen. Soweit die Erkenntnis aus ei-nem Herdenschutzprojekt des WWF Schweiz.Das Modellprojekt in Kals zeigte auch Grenzender Rentabilität auf: Sowohl Herdenschutzhun-de als auch Behirtung rechnen sich nur beigroßen Herden (möglichst über 500 Tiere). AufÖsterreichs Almen sind jedoch kleinere Herdender Normalfall. Sie könnte man aus Rentabili-tätsgründen zusammenlegen. Das hat in Kalsaber nur teilweise funktioniert, ebenso die In-tegration von Herdenschutzhunden in „frem-de“ Herden.

SCHADENSABGELTUNGSchon beim ÖBf-ExpertInnenforum „GroßeBeutegreifer“ im Jahr 20096 war man sich ei-nig: Betroffene dürfen mit Kosten und Mehr-aufwand für Präventionsmaßnahmen undSchäden nicht alleine gelassen werden. Ausrei-chende, rasche und unkomplizierte Entschädi-gung ist eine wesentliche Voraussetzung fürdie Akzeptanz von Großraubtieren in der Bevöl-kerung. Sie sollte zu einem Gutteil von der öf-fentlichen Hand kommen – vor allem, wenn es

das klare Bekenntnis gibt, dass Großräuber zudulden sind, nicht zuletzt aufgrund EU-rechtli-cher Rahmenbedingungen.7

Die österreichischen Landesjagdverbände ha-ben eine freiwillige Versicherung für Schädenabgeschlossen, die große Beutegreifer an land-wirtschaftlichen Nutztieren verursachen. Alsoetwa für gerissene Schafe oder Ziegen. In man-chen Bundesländern bestehen auch Entschädi-gungsfonds der Landesregierungen. Nicht ent-schädigt werden jagdliche Schäden (gerissenesWild). Die Bundesforste haben eine Versiche-rung für Jagdkunden abgeschlossen, um einenAkzeptanzbeitrag im Fall jagdbetrieblicherNachteile zu leisten.

Die Rückkehr von Bär, Luchs und Wolf hängtalso nicht nur von der Eignung der Lebensräu-me ab, sondern ist auch eine (gesellschafts)po-litische Grundsatzentscheidung: Wollen wirwilde Tiere in Österreich haben? „Wenn ja,dann müssen wir auch alle Konsequenzen ak-zeptieren, nicht nur erwünschte“, meint Chris-tian Pichler, Experte für große Beutegreiferbeim WWF. „Zum Beispiel, dass Raubtiere ebenBeutetiere reißen. Daher wird es neben den po-sitiven Effekten, die der Wolf mit sich bringt,auch immer wieder zu Schäden kommen. Diesemüssen wenn möglich vermieden oder finan-ziell ausgeglichen werden.“ Denn trotz allerPräventionsmaßnahmen: ganz verhindert wer-den können Schäden nie. <<

ANMERKUNGEN:1 z. B.: jährl. entschädigte Nutz-

tierrisse in Österreich (2008-2015) 16 - 100 Stk. (Bär) bzw. 14 - 136 Stk. (Wolf);Quelle: www.herdenschutz.at

2 siehe u. a.http://salzburg.orf.at/news/stories/2782736, http://salzburg.orf.at/news/stories/2755468

3 auch lt. § 19 Tierschutzgesetzsind frei weidende Nutztiereschon jetzt vor Raubtieren zuschützen

4 www.herdenschutz.at/8.html5 www.herdenschutz.at/9.html6 www.bundesforste.at/

produkte-leistungen/fachdialo-ge/expertinnenforum/2-forum.html

7 Vgl.: In der Schweiz werden Prä-ventions- und Ausgleichsmaß-nahmen zu einem großen Teilzentral vom Bundesamt fürUmwelt finanziert.

8 Für Bär und Wolf in Österreichexistieren z. B. bereits Manage-mentpläne, für den Luchs nicht

LITERATURTIPPS:> Richtlinie zum Herden- und Bie-

nenschutz (Schweiz, 2016):>>www.herdenschutzschweiz.ch/downloads

> „Herdenschutz – Leitfaden fürTierhalterinnen und Tierhalter“(WWF, 2005):>>www.wwf.ch/de/projekte/schweiz/herdenschutz

> Österr. Herdenschutzkonzept:>>www.herdenschutz.at/21.html

WEBTIPPS:> Herdenschutz:

>>www.herdenschutz.at>>www.herdenschutzschweiz.ch>>www.hsh-ch.ch>>www.zalp.ch>>www.LfL.bayern.de/herden-schutz

> Kooperationen:>>KOST: siehe S. 5>>www.anl.bayern.de/projekte/beutegreifer>>www.lcie.org>>WISO-Plattform: www.alpconv.org/de/organization/groups/wgcarnivores/default.html

Wie steht die Jagd zu Bär, Luchs und Wolf?Die Jagd gibt es nicht, aber der Luchs ist wohl diekonfliktfreieste Art. Danach folgen Bär und Wolf.V. a. in der Landwirtschaft sind mögliche Proble-me zu nennen. Oder beim Wolf im Gebirgslebens-raum, wo Rotwild im Winter künstlich in diesenHabitaten gehalten werden muss, weil Wande-rungen in die ursprünglichen Wintereinständedurch Lebensraumverlust und -zerschneidungnicht mehr möglich sind.

Welche Befürchtungen bestehen hinsichtlich sol-cher Raubtiere?Dass indirekt Schäden durch Schalenwild im Waldentstehen, die durch den Jäger schuldunabhängigbezahlt werden müssen. Außerdem, dass behörd-liche Abschusspläne nicht mehr erfüllt werdenkönnen und ebenfalls der Jäger bestraft wird. Schließlich müssen die z. T. hohen Jagdpachtenauch bezahlt werden, wenn weniger Wild vorhan-den bzw. die Bejagung um ein Vielfaches er-schwert ist.

Ist eine Wiederansiedlung für Sie vorstellbar?In unserer Kulturlandschaft nur bedingt. Die Rah-menbedingungen müssen genau untersucht wer-den. Meist wird dadurch ein Wildnisgedanke for-ciert, der bei uns leider nicht mehr umsetzbar ist– die Akzeptanz aller Bevölkerungsschichten vorOrt ist dabei relevant! Der Wolf kommt sowiesovon alleine. Der Bär von Süden eigentlich auch.Beim Luchs ist das Bild differenzierter, denn dieseWildart wandert nicht so weit.

Bei Anwesenheit von Großraubtieren: Wo wäredie Jagd zum Umdenken gezwungen?Einerseits in der Strategie der Bejagung (Hundewerden von Wölfen getötet, Bewegungsjagdensind somit problematisch). Andererseits in derTatsache, dass wir in einer intensiven Kulturland-schaft leben. Hier müssen auch die Landwirt-schaft und die Bevölkerung vor Ort viel mehr ein-bezogen werden, und nicht zuletzt der Tourismus.Wir sitzen eben nicht alleine im Boot und müssendie Komplexität des Themas erfassen.>> www.ooeljv.at

NACHGEFRAGT BEI CHRISTOPHER BÖCK, GESCHÄFTSFÜHRER & WILDBIOLOGE BEIM OÖ. LANDESJAGDVERBAND

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