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Nachteilsausgleiche für Studierende mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen:
Rechtliche Regelungen – Praxiserfahrungen – empirische Ergebnisse
Internationale Fachkonferenz zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention am 8.06.13 in Bochum
Referentin: Ursula Jonas
Informations- und Beratungsstelle Studium und Behinderung (IBS) des Deutschen Studentenwerks
Gliederung
1.Warum werden Nachteilsausgleichsregelungen gebraucht?
2.Rechtliche Grundlagen für Nachteilsausgleiche
3.Wer benötigt Nachteilsausgleiche?
4.Wie nehmen Studierende Regelungen zum Nachteilsausgleich wahr?
5.Wie nutzen Studierende die Angebote zur Beratung?
6.Herausforderungen und Weiterarbeit
Ursula Jonas, Informations- und Beratungsstelle Studium und Behinderung (IBS)
1. Warum werden Nachteilsausgleichsregelungen gebraucht?
3
Barrieren auf dem Weg zur Hochschule
• im Schulbereich: fehlende/nicht angemessene Nachteilsausgleiche in Prüfungen
• beim Hochschulzugang: fehlende /nicht ausreichende Nachteilsausgleichsregelungen für besondere Zugangsvoraussetzungen sowie für Auswahlverfahren
• Berufsfindung: fehlende oder nicht ausreichende Beratung für die Phase des biographischen Übergangs
Ursula Jonas, Informations- und Beratungsstelle Studium und Behinderung (IBS) 4
Barrieren in der Hochschule
• Studienstruktur: z.B. Vielzahl von studienbegleitenden Prüfungen, Anwesenheitspflicht
• Barrieren in den Köpfen• Barrieren in den Gebäuden • Barrieren in der Lehre• Fehlende oder nicht ausreichende
Finanzierung
Ursula Jonas, Informations- und Beratungsstelle Studium und Behinderung (IBS) 5
Ursula Jonas, Informations- und BeratungsstelleStudium und Behinderung (IBS) 6
Barrierefreiheit von Gebäuden/
Raumqualitäten und Raumausstattungen
Bedarf
Bedarf gedeckt/ teilweise gedeckt
Bedarf nicht gedeckt
Bauliche Grundausstattung
6% 74% 26%
Orientierungshilfen 5% 61% 39%
Hörverhältnisse / Akustik
7% 61% 38%
Ruhe- / Rückzugsräume
25% 23% 77%
Ursula Jonas, Informations- und BeratungsstelleStudium und Behinderung (IBS) 7
Bedarf an Begleitangeboten
BedarfBedarf gedeckt / teilweise gedeckt
Bedarf nicht
gedeckt
Studienassistenz 9% 49% 50%
Kommunikationsassistenz 0,5% 45% 54%
Textumsetzungsdienst 2% 35% 65%
Barrierefreiheit im Internet 4% 63% 37%
Angebot Mensen/Cafeterien
16% 36% 64%
Psychologische Beratung 33% 58% 42%
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Schwierigkeiten in der Studienführung gesamt
Irgendwelche Schwierigkeiten 88%
Keine Schwierigkeiten 12%
Zeitliche Vorgaben des Studiengangs 70%
Organisatorische Vorgaben des Studiengangs 61%
Lehr- und Prüfungssituation 63%
Praktika und Exkursionen 17%
2. Rechtliche Grundlagen für Nachteilsausgleichsregelungen
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2. Behinderungsbegriff 2.1 Allgemeiner Behinderungsbegriff im deutschen Recht
10
Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und damit ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist.
(§ 2 Abs. 1 SGB IX und § 3 BGG und viele Landesgleichstellungsgesetze)
Behinderung schließt chronische Krankheiten im Sinne von länger andauernden Krankheiten sowie chronische Krankheiten mit episodischem Verlauf ein, sofern die betroffenen Personen dadurch
in ihrer gesellschaftlichen Teilhabe eingeschränkt werden.
2.2 Behinderungsbegriff der UN-BRK
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„[...] Zu den Menschen mit Behinderungen zählen Menschen, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit verschiedenen (einstellungs- und umweltbedingten) Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können.“
(Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-BRK), Artikel 1 und Präambel Punkt e)
Umgang mit Beeinträchtigungen als Teil menschlicher Vielfalt„Behindert ist man nicht, behindert wird man.“Diversity-Ansatz der UN-BRK
Ursula Jonas, Informations- und BeratungsstelleStudium und Behinderung (IBS)
2.3 Art. 24 Abs. 5 UN-BRK
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„Die Vertragsstaaten stellen sicher, dass Menschen mit Behinderungen ohne Diskriminierung und gleichbe-rechtigt mit andern Zugang zu allgemeiner Hochschulbildung, Berufsbildung, Erwachsenenbildung und lebenslangem Lernen haben. Zu diesem Zweck stellen die Vertragsstaaten sicher, dass für Menschen mit Behinderungen angemessene Vorkehrungen getroffen werden.“
2.4 Grundgesetz (GG)
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Keine Benachteiligung wegen einer Behinderung(Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG)
! Aber: keine Ableitung unmittelbarer Leistungsansprüche
Chancengleichheit in berufsbezogenen Prüfungen (Art. 3 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1)
Anspruch auf Chancengleichheit im Hochschul-bereich unabhängig davon, ob im Gesetz oder in einer Prüfungsordnung Regelungen zum NTA vorhanden sind.
(nach Ennuschat s. Literaturliste)
2.5 Hochschulrahmengesetz (HRG)
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„Sie (= die Hochschulen) tragen dafür Sorge, dass behindert Studierende in ihrem Studium nicht benachteiligt werden und die Angebote der Hochschule möglichst ohne fremde Hilfe in Anspruch nehmen können.“ (§ 2 Abs. 4 Satz 2 HRG)
„Prüfungsordnungen müssen die besonderen Belange behinderter Studierender zur Wahrung ihrer Chancengleichheit berücksichtigen.
(§ 16 Satz 4 HRG)
Forderung von fast alle Landeshochschulgesetzen übernommen
Konkrete Umsetzung in Prüfungs- und Studienordnungen (Satzungen der
Hochschulen, staatliche Rechtsverordnungen)
„Dreischritt“
• Eine Behinderung/Beeinträchtigung liegt vor• Es besteht eine konkrete Wechselwirkung
zwischen individueller Behinderung und z.B. vorgegebener Prüfungsform oder zeitlichen Vorgaben
• Modifikationen sollen Benachteiligungen aufgrund der individuelle Behinderung in der spezifische Studiensituation im jeweiligen Studienfach angemessen ausgleichen
Ursula Jonas, Informations- und Beratungsstelle Studium und Behinderung (IBS) 15
3. Wer benötigt Nachteilsausgleiche?
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Studierende mit Behinderung
Studieninteressierte und Studierende mit länger andauernden Beeinträchtigungen, die in Wechselwirkung mit verschiedenen einstellungs- und umweltbezogenen Barrieren die Teilhabe in Hochschule und Gesellschaft einschränken können.
potentielle Mitarbeiter/innen in Forschung, Verwaltung und Lehre
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Studierende mit Behinderung/ chronischer Krankheit lt. 18. Sozialerhebung des DSW
•8 % der Studierenden
•wechseln häufiger den Studiengang bzw. die Hochschule
•unterbrechen häufiger und länger ihr Studium
•haben höheren Beratungsbedarf
Ursula Jonas, Informations- und Beratungsstelle Studium und Behinderung (IBS) 18
„beeinträchtigt studieren“
Infos zur Datenerhebung:
•Online-Erhebung
•160 Hochschulen
•15.317 Studierende
•repräsentative Daten
•ausgewertet wurden nur Gruppen ≥ 30 Personen
Ursula Jonas, Informations- und BeratungsstelleStudium und Behinderung (IBS) 19
„beeinträchtigt studieren“
Zentrale Ergebnisse:
•heterogene Gruppe
•Beeinträchtigung bei der Mehrheit (63%) auch auf Dauer nicht wahrnehmbar
•geringer Anteil Studierender mit Schwerbehindertenausweis (8%)
•Auftreten der Beeinträchtigung: nach der Einschulung (57%), nach Beginn des Studiums (25%)
Vielfalt
Ursula Jonas, Informations- und Beratungsstelle Studium und Behinderung (IBS) 20
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Kurzbezeichnung Frauen Männer Gesamt
Bewegung 3% 5% 4%
Hören/ Sprechen 3% 4% 3%
Sehen 5% 6% 5%
Psychisch 47% 42% 45%
Chronisch-somatisch 20% 19% 20%
Teilleistungsstörung 4% 7% 6%
Sonstige 4% 5% 5%
Psychisch + chronisch 4% 3% 3%
Mehrfach 10% 10% 10%
Summe 100% 100% 100%
Art der Beeinträchtigung, die sich am stärksten im Studium auswirkt
Tabelle © Martin Unger, IHS Wien
4. Wie nehmen Studierende Regelungen zum Nachteilsausgleich wahr?
22
Ursula Jonas, Informations- und BeratungsstelleStudium und Behinderung (IBS) 23
Nachteilsausgleiche im Studium
0 20 40 60 80 100
Nutzung
Bewilligung
Wirksamkeit
ja (ganz oder teilweise)
nein
Tabelle © Martin Unger, IHS Wien
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Beantragung von Nachteilsausgleichen
Anteil mit Schwierig-
keiten
davon mind. ein Nachteilsaus-
gleich beantragt
Zeitliche Vorgaben des Studiengangs
70% 23%
Lehr- u. Prüfungssituationen 63% 24%Organisatorische Vorgaben des Studiengangs
61% 19%
Praktika und Exkursionen 17% 18%
Sonstige Bereiche 7% 21%
* Bewilligungsquote: Anteil der bewilligten an allen von 1 Person gestellten Anträgen
Tabelle © Martin Unger, IHS Wien
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Bewilligung von Nachteilsausgleichen
Bewilligungsquote*
Zeitliche Vorgaben des Studiengangs 63%
Lehr- und Prüfungssituationen 62%Organisatorische Vorgaben des Studiengangs
58%
Praktika und Exkursionen 44%
Sonstige Bereiche 28%
Ursula Jonas, Informations- und BeratungsstelleStudium und Behinderung (IBS)
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Ablehnungsgründe von Nachteilsausgleichen
Alle Befragten
Lehrende/r nicht bereit, Lehrroutinen zu ändern 39%
Nachteilsausgleich wird als nicht vereinbar mit der Studien-/Prüfungsordnung angesehen
38%
Beeinträchtigung nicht als Grund akzeptiert 35%
Nachteilsausgleich als Bevorzugung angesehen 19%
Ersatzleistung nicht als gleichwertig angesehen 13%
Technische Probleme (z.B. fehlende Ausstattung) 5%
Ursula Jonas, Informations- und BeratungsstelleStudium und Behinderung (IBS)
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Nachteilsausgleiche / Gründe für Verzicht auf Antrag
Möglichkeit unbekannt 57%
Will keine „Sonderbehandlung“ 44%
Glaube, nicht berechtigt zu sein 43%
Hemmungen, mich an Lehrende / Prüfungsamt zu wenden
37% / 32%
Will nicht, dass Beeinträchtigung bekannt wird 33%
Wusste niemand für Unterstützung / Beratung 26%
Wirksamkeit von Nachteilsausgleichen (NTA)
Nach Abb. 6.1 S. 181 der Datenerhebung 28
Studierende, die mind. 1 NTA beantragt haben(30 % aller Studierender mit beeinträchtigungsbedingten Schwierigkeiten bei
der Studiendurchführung) 100%
Studierende, denen kein
Antrag auf NTA bewilligt wurde
23%
Studierende, denen nur ein
Teil ihrer Anträge auf NTA bewilligt wurde
23%
Studierende, denen alle Anträge auf NTA bewilligt wurden
54%
…mit gar nicht
wirksamen NTA 8%
Studierende mit zum Teil wirksamen NTA 56%
…mit völlig wirksamen
NTA 36%
Selbstwahrnehmung von Studierenden
Sehen sich nicht als behindert, obwohl sie es gemäß der gesetzlichen Definition sind
Wollen sich nicht outen / Angst vor Stigmatisierung Sie nehmen die Beratungsangebote der
Hochschulen/Studentenwerke nicht oder anders wahr
beziehen das Recht auf Nachteilsausgleich nicht auf sich
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5. Wie nutzen Studierende dieAngebote zur Beratung?
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Ursula Jonas, Informations- und BeratungsstelleStudium und Behinderung (IBS) 31
Information und Beratung
0 20 40 60 80 100
Zufriedenheit
Nutzung
Kenntnis
ja
nein
Gründe für die Nichtnutzung von Beratung(Anteil an Nicht-NutzerInnen)
32
Wollte meine Beeinträchtigung nicht preisgeben
44%
Fühle/ fühlte mich nicht angesprochen 36%
Habe/ hatte keinen Bedarf 36%
Gehöre nicht zur Zielgruppe 20%
Wusste nicht, dass ich zur Zielgruppe gehöre
18%
Es war mit zu viel Aufwand verbunden 16%
Andere Gründe 11%
Tabelle © Martin Unger, IHS Wien
Kritik an Beratungsangeboten(Anteil an Nennungen „nicht/nur bedingt hilfreich“)
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Unzufrieden mit Internetangebot 59%
Unzufrieden mit Berater/innen, weil… 79%
..gingen nicht (ausreichend) auf meine Situation ein
55%
..konnten meine Fragen nicht beantworten 36%
..fühlten sich nicht zuständig 18%
..waren nicht erreichbar 8%
Tabelle © Martin Unger, IHS Wien
6. Herausforderungen und Weiterarbeit
•Barrierefreiheit umfassend verwirklichen
•Studierbarkeit verbessern
•Nachteilsausgleiche verankern und umsetzen
•Beratungsangebote und Informationen für Studierende mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen „ansprechend“ ankündigen
•Sensibilisierung und Qualifizierung der Hochschulangehörigen
Ursula Jonas, Informations- und Beratungsstelle Studium und Behinderung (IBS) 34
Ursula Jonas, Informations- und Beratungsstelle Studium und Behinderung (IBS) 35
Plakate
26. Plakatwettbewerb des Deutschen Studentenwerks „Studieren mit Behinderung oder chronischer Krankheit“ 2011/12
„Vielfalt“ Alexandra Wilhelm, Fachhochschule Mainz (3. Preis)
„Bereichernd“ Johannes Hirsekorn, Hochschule Anhalt (3. Preis )
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Abkürzungsverzeichnis
Abs. Absatz
Art. Artikel
GG Grundgesetz
HRG Hochschulrahmengesetz
LHG Landeshochschulgesetz(e)
NTA Nachteilsausgleiche / Nachteilsausgleichsregelungen
UN-BRK Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen
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Kontakt:
Ursula Jonas
Ständige Vertreterin der Leiterin
der Informations- und Beratungsstelle
Studium und Behinderung (IBS)
des Deutschen Studentenwerks
Monbijouplatz 11
D- 10178 Berlin
Tel.: 030/29 77 27 61
www.studentenwerke.de/behinderung
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