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Vierteljahrsschrift der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich (1990) 135/2: 97-116 Das Geobotanische Institut an der ETHZ, Stiftung Rübel Elias Landolt, Frank Klötzli, Krystyna Urbanska, Andreas Gigon, Egon Horak und Matthias Baltisberger, ETH Zürich 1 Geschichte Das Wort Geobotanik kommt vom griechischen Geos (= Erde, Umwelt) und Botanik (= Lehre von den Pfl anzen) und bezeichnet die Wissenschaft von den p fl anzlichen Organismen und ihren Beziehungen zur Umwelt im weitesten Sinne. Je nachdem, ob die Umwelt als Zeit, als Raum oder als Standort (Ge- samtheit der an einem Ort wirkenden Umweltfaktoren) verstanden wird, spre- chen wir von historischer Geobotanik (Pflanzengeschichte), chorologischer Geobotanik (Pflanzengeographie) oder ökologischer Geobotanik (Pflanzen- ökologie). Eduard August Rübel (1876-1960) (Bild l), der ursprünglich Chemie stu- dierte, sich aber von Carl Schröter, Professor für spezielle Botanik an der ETH, für Botanik begeistern liess und an der ETH von 1917-1934 als Privat- dozent (seit 1923 als Titularprofessor) wirkte, errichtete 1918 aus seiner wis- Bild 1 Eduard August Rübel (Gründer des Institutes) Fig. 1 Eduard August Rübel (Founder of the Institute)

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Vierteljahrsschrift der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich (1990) 135/2: 97-116

Das Geobotanische Institut an der ETHZ,Stiftung RübelElias Landolt, Frank Klötzli, Krystyna Urbanska, Andreas Gigon, EgonHorak und Matthias Baltisberger, ETH Zürich

1 Geschichte

Das Wort Geobotanik kommt vom griechischen Geos (= Erde, Umwelt) undBotanik (= Lehre von den Pflanzen) und bezeichnet die Wissenschaft von denpflanzlichen Organismen und ihren Beziehungen zur Umwelt im weitestenSinne. Je nachdem, ob die Umwelt als Zeit, als Raum oder als Standort (Ge-samtheit der an einem Ort wirkenden Umweltfaktoren) verstanden wird, spre-chen wir von historischer Geobotanik (Pflanzengeschichte), chorologischerGeobotanik (Pflanzengeographie) oder ökologischer Geobotanik (Pflanzen-ökologie).

Eduard August Rübel (1876-1960) (Bild l), der ursprünglich Chemie stu-dierte, sich aber von Carl Schröter, Professor für spezielle Botanik an derETH, für Botanik begeistern liess und an der ETH von 1917-1934 als Privat-dozent (seit 1923 als Titularprofessor) wirkte, errichtete 1918 aus seiner wis-

Bild 1 Eduard August Rübel (Gründer desInstitutes)

Fig. 1 Eduard August Rübel (Founder of theInstitute)

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Elias Landolt

senschaftlichen Bibliothek, aus dem Herbar und der Instrumentensammlungund einem Stiftungskapital eine öffentliche Stiftung «Geobotanisches InstitutRübel», der 1928 von seinen beiden Schwestern Helene und Cecile Rübel dasneu erbaute, heute noch bestehende Institutsgebäude an der Zürichberg-strasse 38 (Bild 2) geschenkt wurde. Rübel blieb Direktor des Institutes bis1929 und überwachte später als Oberleiter die Tätigkeit des Institutes, bis eres 1958 als Stiftung Rübel der ETH schenkte. Nach einer kurzen Zwischenzeitvon HeinriCh Brockmann-Jerosch (1929-1931) war Werner Lüdi (Bild 3) ab1931 bis 1958 Direktor des Institutes. Auf die Übernahme des Institutes durchdie ETH erfolgte 1958 die Wahl von Heinz Ellenberg (Bild 4) zum Professorfür Geobotanik an der ETH und Leiter des Institutes. Ellenberg folgte 1966einem Ruf nach Göttingen und wurde durch Elias Landolt, damals Professorfür Pflanzensystematik am Institut für spezielle Botanik der ETH, abgelöst.Von den in Bild 5 erwähnten, am Institut tätigen Wissenschaftern gründeteBraun-Blanquet in Montpellier die weltbekannte Station Internationale de

Bild 2 Das Institutsgebäude von 1928 an der Zürichbergstrasse von Osten (rechts). Im Vorder-grund erkennt man eine treppenartige Grundwasserbeckenanlage mit automatischer Bedeckungbei Niederschlägen, dahinter den Labortrakt mit Gewächshaus von 1966.

Fig. 2 The Institute building from 1928 at the Zürichberg Street from the East (to the right). Inthe foreground a stepped construction of groundwater basins can be seen. They get covered auto-matically by a moving roof when rain begins. Behind the basins there is the laboratory building of1966.

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Bild 4 Heinz Ellenberg (1958-1966 Direktordes Institutes)

Fig. 4 Heinz Ellenberg (Director of the Insti-tute from 1958 to 1966)

Das Geobotanische Institut an der ETHZ 99

Bild 3 Werner Lüdi (1931-1958 Direktor desInstitutes)

Fig. 3 Werner Lüdi (Director of the Institutefrom 1931 to 1958)

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Geobotanique Mediterraneenne et Alpine (SIGMA), Vareschi wurde nachmehreren Zwischenstationen Botanikprofessor in Caracas, Venezuela, Stüssiwirkte als Konservator am botanischen Garten der Universität Zürich, Zollerleitete zuletzt als Professor die Botanische Anstalt der Universität Basel,v. Rochow heiratete den Botanikprofessor P. Villaret in Lausanne, undRehder ist Botanikprofessor an der TU MünChen.

Leiter Mitarbeiter

Eduard Rübel (1876-1960) Josias Braun-Blanquet (1884-1980)1918-1928 1915-1926

Heinrich Brockmann (1879-1939) Volkmar Vareschi (*1906)1929-1931 1932-1936

Werner Lüdi (1888-1968) Balthasar Stüssi (*1908)1931-1958 1936-1944

Heinz Ellenberg (1913*) Heinrich Zoller (1923*)1958-1966 1945-1954

Elias Landolt (1926*) Margita von Rochow (1921-1974)seit 1966 1954-1956

Helmut Rehder1958-1962

Frank Klötzli (1934*)seit 1959

Andreas Gigon (1942*)seit 1966

Krystyna Urbanska (1935*)seit 1969

Bild 5 Vorsteher und langjährige Mitarbeiter des Institutes

Fig. 5 Directors and collaborators of many years of the Institute

Die Stiftung hatte zum Ziel, die geobotanische Wissenschaft zu fördernund den freien Meinungsaustausch zwischen den miteinander sonst kaum inKontakt tretenden botanischen Instituten der beiden Zürcher Hochschulenund zwischen versChiedenen geobotanischen Schulen in Europa und derübrigen Welt zu ermöglichen. Rübel schuf dazu bereits 1917 das «Freie Geo-botanische Kolloquium», das dem Institut angegliedert wurde, heute noch

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besteht und abwechslungsweise vom Geobotanischen Institut ETH und vomInstitut für systematische Botanik der Universität organisiert wird; ferner wer-den vom Institut regelmässig die «Internationalen PflanzengeographischenExkursionen» veranstaltet, die Wissenschafter aus verschiedenen Ländern inausgewählten Gegenden zusammenführen, wo an konkreten Beispielen aktu-elle Probleme der Geobotanik diskutiert werden. Die wissenschaftlichen Er-gebnisse dieser Exkursionen werden regelmässig in Bandform veröffentliCht.Rübel veranlasste für sein Institut zwei Reihen von wissenschaftlichen Publi-kationen, die Reihe «Bericht über das Geobotanische ForschungsinstitutRübel in Zürich», ab 1958 «Berichte des Geobotanischen Institutes derEidgenössischen Technischen Hochschule, Stiftung Rübel» genannt, und die«Veröffentlichungen des Geobotanischen Institutes Rübel in Zürich», ab1958 «Veröffentlichungen des Geobotanischen Institutes der EidgenössischenTechnischen Hochschule, Stiftung Rübel, in Zürich». Die «Berichte», die imallgemeinen ein Kalenderjahr umfassen und 1990 die Nummer 56 erreichen,enthalten neben dem JahresberiCht wissenschaftliche Beiträge von Instituts-angehörigen oder eng mit dem Institut zusammenarbeitenden Wissenschaf-tern. Die «VeröffentliChungen», die bis Ende 1989 103 Bände umfassten, ent-halten Einzelarbeiten (meist Dissertationen) oder mehrere Arbeiten über eingemeinsames Thema. Durch den Versand und Tausch dieser Publikationen inalle Welt wurde das Institut rasch über die ganze Erde bekannt und konntesich auch eine der besten geobotanischen Bibliotheken der Welt aufbauen.Von der Forschung des Geobotanischen Institutes zwischen 1918 und 1958sind die folgenden wichtigeren Ergebnisse zu erwähnen: «Die Pflanzengesell-schaften der Erde» (E. Rübel, 1930), «Flora von Graubünden» (J. Braun-Blanquet und E. Rübel, 1932-1935), «Die Buchenwälder Europas» (E. Rübel,1932), Vegetationskarte der Erde (H. Brockmann-Jerosch, 1935), quartär-botanische Untersuchungen in der Schweiz (verschiedene Arbeiten durchW. Lüdi), «Die Pflanzengesellschaften der Schinigeplatte bei Interlaken undihre Beziehungen zur Umwelt – eine vergleiChend ökologische Untersuchung(W. Lüdi, 1948) sowie zahlreiChe Beschreibungen und naturschützerische Gut-achten über Moore der Schweiz (W. Lüdi). Während bei Lüdi neben pflanzen-ökologischen auch pflanzengeographische und vor allem paläobotanische(pollenanalytische) Arbeiten durchgeführt wurden, konzentrierte sich Ellen-berg in erster Linie auf Pflanzenökologie. Er baute die Standortmessungen(Klima- und Bodenuntersuchungen) aus, förderte die Bioindikation mit Pflan-zen und veranlasste auch experimentelle Arbeiten zur Konkurrenz. Mit demam Geobotanischen Institut entstandenen und 1963 erstmals publiziertenLehr- und Nachschlagewerk «Die Vegetation Mitteleuropas mit den Alpen»wurde Ellenberg weit über sein engeres Fachgebiet hinaus bekannt. Landolthat gemeinsam mit Hans Hess, Professor für Pflanzensystematik am Institutfür spezielle Botanik ETH, der 1980 ebenfalls an das Geobotanische Institutübertrat, und mit der Zeichnerin Rosmarie Hirzel 1967-1972 die grosse drei-bändige «Flora der Schweiz und angrenzender Gebiete» veröffentlicht. 1972

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erschien das Buch «Waldgesellschaften und Waldstandorte der Schweiz»(H. Ellenberg und F. Klötzli).

Neben der institutseigenen Forschung ist besonders die Förderung der geo-botanischen Forschung ausserhalb der Institute zu erwähnen. Viele Wissen-schafter wurden nicht nur in ihren Projekten von der Stiftung finanziell unter-stützt, sondern es wurde ihnen auch die Veröffentlichung der Resultate in deninstitutseigenen Publikationen ermöglicht.

Bei der Übergabe des Institutes an die ETH umfasste die Stiftung nebender Bibliothek, dem Herbarium (ca. 100000 Bogen von Pflanzen, vorwiegendaus Mitteleuropa und dem mediterranen Raum) das 4stöckige Gebäude, dasGrundstück von 1617 m 2 und einen Wertschriftenbestand von l,2 MillionenFranken.

2 Organisation und Aufgaben

Mit der Übernahme des Institutes durch die ETH im Jahre 1958 erhielt dasInstitut auch Lehraufgaben, 1958/59 insgesamt 3 WochensemesterstundenVorlesung und 4 Stunden Übungen. 1980 ist bei der Auflösung des Institutesfür spezielle Botanik die Gruppe Systematik der Phanerogamen (mit Prof.Hans E. Hess, der nach seinem Rücktritt 1987 nicht mehr ersetzt wurde) unddas Phanerogamen- und Kryptogamenherbar der ETH hinzugekommen. Ob-wohl die Lehrbeanspruchung seither etwa 15mal grösser ist (ca. 40 StundenVorlesungen und 100 Stunden Übungen), ist dem Institut wie 1958 nur eineeinzige Professur zugeteilt, und der grösste Teil des Unterrichtes muss imLehrauftrag erteilt werden. Die Lehraufgaben des Institutes umfassen denUnterricht in systematischer Botanik, Vegetationskunde, Pflanzenökologieund Naturschutz sowie teilweise Mykologie an den Abteilungen für Pharma-zie, Forstwirtschaft, Landwirtschaft, Kulturtechnik und Vermessung, Biolo-gie, Umweltnaturwissenschaften und Erdwissenschaften. Auch viele Biologie-und Geographiestudenten der Universität besuchen die Veranstaltungen desGeobotanischen Institutes.

Neben der Lehre und Forschung übernimmt das Institut auch Dienst-leistungen: Pflanzenbestimmen, ökologisChe und Naturschutz-Gutachten,Vegetationskartierungen (z. T. im Auftrag), Erstellen von Listen geschützterPflanzen und roten Listen (mit illustrierten Publikationen) usw. und hat ver-schiedene lehrbuchartige Bücher veröffentlicht, z.B. «Unsere Alpenflora»(E. Landolt, Neubearbeitung 1984), «Ökosysteme» (F. Klötzli, Neubearbei-tung 1989). Ein weiteres Lehrbuch «Grundlage der Pflanzenpopulationsbiolo-gie» (K.M. Urbanska) soll 1990 veröffentlicht werden.

Das Personal des Institutes besteht aus einem gewählten Professor, aus5 Dozenten, die je eine Forschungsgruppe leiten, aus 4 Oberassistenten oderAssistenten, aus 8 weiteren Etatstellen der ETH sowie 8 Biologiediploman-den, 27 Doktoranden oder befristet angestellten wissenschaftlichen Mitarbei-

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tern und zahlreichen Hilfsassistenten und wenigen privatwirtschaftlich be-zahlten Stellen. Einige der Mitarbeiter sind in Bild 6 zusammengestellt.

Institutsleitung: Prof. Dr. Elias Landolt

LFW GEO

Biosystematische Biosystematische Genetische Okosystemlehre und SoziologischePflanzenökologie Pflanzenökologie Pflanzenökologie und Physiologische Pflanzenökologie(Pilze) tied (Phanerogamen) und Populationsbiologie Pflanzenökologie (Synökologie)Kryptogamenherbar Phanerogamenherbar

PD Dr. Egon Horak Dr. Matthias Baltisberger Prof. Dr. Krystyna Urbanska Prof. Dr. Andreas Gigon Prof. Dr. Frank Klätzli

Dr. Adrian Leuchtmann Dr. Walter Huber Dr. Martin Schlitz Roland Marti

Bibiothek LFW G arten(Zürichbergstr.und Hönggerberg)Gewichshiiuser

Computer Bibliothek GEO Sekre ariatDr. Hans Rudolf Binz Dr. Regina Müller und Verlag

Chemisches LaborKlimakammem

Bild 6 Organigramm des Institutes mit langjährigen Mitarbeitern in Forschung und Lehre.

Fig. 6 Organigram of the Institute with collaborators of long standing in research and teaching.

Der grösste Teil des Institutes arbeitet heute im ehemaligen Gebäude derStiftung Rübel, das 1966 mit einem Labortrakt und einem grossen klimatisier-baren Gewächshaus erweitert wurde (s. Bild 2). 1969 wurden im Keller desalten Gebäudes 4 Klimakammern eingebaut. Das Institut besitzt eine Vielzahlvon Feldinstrumenten zur Messung von Standortfaktoren und für ökophysio-logische Messungen (darunter Scholanderbomben, Porometer, Tensiometerusw.). Die beiden Gruppen der biosystematischen Ökologie mit dem grossenHerbar sind in den beiden obersten Stockwerken des alten Land- und Forst-wirtschaftlichen Gebäudes (LFW) untergebracht, müssen aber im Laufe desJahres 1990 in das Areal des Botanischen Gartens der Universität an der Zol-likerstrasse umsiedeln, wo die beiden Herbarien der Universität und der ETHmiteinander geographisch, aber nicht eigentumsrechtlich, vereinigt werden.Die Gruppen bleiben mitsamt dem Herbar dem Geobotanischen Institut an-geschlossen. Neben dem Garten an der Zürichbergstrasse betreibt das Instituteinen Versuchs- und Experimentiergarten mit Gewächshaus auf dem Höng-gerberg. Dagegen hat der Botanische Garten Grüningen, der von der ETHunterstützt wird, keine Beziehungen zum Institut.

3 Heutige Forschung

Das Geobotanische Institut befasst sich in der Forschung heute vor allem mitterrestrischen Ökosystemen, ihren p flanzlichen Bestandteilen, ihren Stabilitä-ten und Belastbarkeiten und den Wechselwirkungen zwischen einzelnen

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KlimaMeteorologie

Muttergestein

BodenBodenchemieBodenphysik

V

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Kompartimenten und Faktoren. Bild 7 zeigt ein vereinfachtes Ökosystem, indem die wichtigeren NaChbardisziplinen eingezeichnet sind, mit denen dasGeobotanische Institut oft zusammenarbeitet. Die am Institut durchgeführtenProjekte befassen sich vor allem mit dem Kompartiment «Produzenten»(Phanerogamen, Moose), zu einem kleineren Teil auch mit dem Kom-partiment «Destruenten» (Basidiomyceten, Ascomyceten), mit all ihren Be-ziehungen zueinander, zu den umliegenden Kompartimenten und zu deneinwirkenden Standortfaktoren (Klima, Boden, Mensch), eingeschlossenStoffkreisläufe und Energieflüsse (auf dem Bild nicht eingezeichnet).

Produzenten Botanik

MenschLand- u. Forstwirt-schaftIngenieurbiologieRaumplanungNaturschutz

KonsumentenParasitenZoologieEntomologieParasitologie(Pathologie)

Destruenten BodenbiologieMykologieZoologieEntomologie

Stoffkreisläufe

""'"' komplexe Einwirkungen von aussen

Bild 7 Vereinfachtes Ökosystem mit Kompartimenten, Stoffkreisläufen und äusseren Einwir-kungen sowie den Fachrichtungen, die sich damit befassen.

Fig. 7 Simplified ecosystem wlth compartments, nutrient cycles and external influences. Thefields which deal with the certain aspects are mentioned.

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Neben der Erarbeitung von Grundlagen (60%) dient die Forschung der Be-schaffung von Unterlagen für Naturschutz und Raumplanung sowie fürLand- und Forstwirtschaft und Ingenieurbiologie (40 %). Die Erhaltung derArten- und Biotopvielfalt in der heutigen Zivilisationslandschaft ist ein zen-trales Anliegen. Das Institut umfasst fünf Forschungsrichtungen (Bild 6), dieeng miteinander zusammenarbeiten und personell nicht streng getrennt sind:1. Biosystematische Ökologie von Pilzen, 2. Biosystematische Ökologie vonPhanerogamen, 3. Genetische Pflanzenökologie und Populationsbiologie,4. Ökosystemlehre und physiologische Pflanzenökologie, 5. Pflanzensoziolo-gische Ökologie (Synökologie). Für die einzelnen Richtungen sind in ersterLinie die in Bild 4 fettgedruCkten Wissenschafter zuständig. Die Forschungwird zu einem grossen Teil von Doktoranden und Diplomanden ausgeführt.

3.1 Biosystematische Pflanzenökologie

Die Bedeutung der Systematik wurde während langer Zeit unterschätzt. Auchin Mitteleuropa ist über die Biologie und Abgrenzung vieler Arten noch sehrwenig bekannt. Gerade in der Pflanzenökologie und ihren Anwendungen istdie genaue Kenntnis der systematischen Einheiten und deren Eigenschafteneine wesentliche Voraussetzung für zuverlässige Aussagen. Populationen undniedere systematische Einheiten bilden die Grundlage, um die Vorgänge inÖkosystemen verstehen zu können. Bioindikationen als Mittel zur Ober-wachung der Standortbedingungen und pflanzensoziologische Kartierungenals Grundlage für Naturschutz- und Landnutzungsplanung sind ohne genauessystematisches Wissen nicht denkbar. Schliesslich gibt die Kenntnis der öko-logischen Sippendifferenzierung auch interessante Einblicke in die Evolu-tionsvorgänge auf niederster Stufe. Ein wesentliches Instrument für systemati-sche UntersuChungen ist das Herbarium, das zur Identifizierung, Variabili-täts- und Verbreitungsabklärung und Dokumentierung von untersuchten Ar-ten dient. Das ETH-Herbar des Geobotanischen Institutes wurde als drittälte-stes Herbar der Schweiz (nach Basel und Genf) 1859 gegründet und ist mitetwa 2 Millionen Belegen (davon je die Hälfte Kryptogamen und Phaneroga-men) das zweitgrösste Schweizer Herbar (nach Genf mit 5 Millionen Bele-gen). Es gehört unter den etwa 2000 Herbarien der Welt zu den 30 grössten.Seit einiger Zeit umfasst die Forschung neben den chromosomalen Untersu-chungen auch elektrophoretische Analysen in bezug auf Iso- und Alloenzy-men.

3.l.1 Pilze (Basidiomycetes, Ascomycetes)

Die Rolle der Pilze als Abbauorganismen der toten organischen Substanz wieauch als Parasiten ist bekannt. Sie ermöglichen erst den Kreislauf der Nähr-stoffe im Naturhaushalt. Das Myzel zahlreicher symbiontischer Pilze ist mit-tels spezifischer Enzymsysteme in der Lage, für die Pflanzenwurzel physika-lisch und biochemisch nicht oder nur schwierig erreichbare Verbindungen

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(Wasser, Mineralsalze, Metallkomplexe, Chelate) im Substrat aufzuschliessenund an ihre Wirtspflanzenpartner im Austausch gegen Kohlehydrate weiter-zugeben. Viele Moose, Farne und Blütenpflanzen sind an das Vorhandenseinvon Pilzmyzelien im Wurzelbereich (Mykorrhizen) gebunden. Von anderenPflanzen ist bekannt, dass sie an Extremstandorten bei Anwesenheit derentsprechenden Pilzsymbionten eine erhöhte Vitalität und Konkurrenzkraftzeigen, weil durch von den Pilzen stammende Stoffwechselprodukte dieChlorophyllsynthese erleiChtert wird und die Resistenz bezüglich Austrock-nung und Kälte zunimmt. Die Arbeitsgruppe stellt die ökologischen Funktio-nen der Pilze (vor allem symbiontischer Basidiomycetes) in den Mittelpunktder Forschung. Daneben werden einzelne Basidiomycetes-Gruppen systema-tisch bearbeitet. Zu erwähnen sind besonders monographische Studien anGattungen der Südhalbkugel. Als Beispiele für die Forschung seien die fol-genden teilweise bereits abgeschlossenen Untersuchungen angeführt:

Ökologischer Zeigerwert von Basidiomycetes (vor allem bezüglich Ekto-mykorrhiza-Bindung zu Wirtspflanzen) in lokal benachbarten, pflanzensoziolo-gisch verschiedenen Habitaten. Im Rahmen eines multidisziplinär konzipiertenProjektes wurde die Grosspilzflora auf fünf VersuchsfläChen in einem Nord-Süd-Talprofil des Unterengadins untersuCht. Im Laufe von 16 Jahren (24 Ex-kursionen) wurden 536 Pilztaxa festgestellt, die sich ökologisCh zwei Gruppenzuordnen lassen: ektotrophe Symbionten der Fichte, Waldföhre, Lärche undGrauerle (31 % der Arten) und Saprobe bzw. Parasiten auf Teilen der amStandort wachsenden Baum- und Krautpflanzen (69 %). Der hohe ökologischeZeigerwert der untersuChten Pilze wird dadurch unterstrichen, dass trotz derlangen Versuchsdauer keine einzige Pilzart in allen 5 Biotopen registriertwurde. Nur drei saprobe Taxa konnten in vier und zehn weitere in drei derinsgesamt fünf Versuchsflächen gefunden werden. Aus diesen Daten lässt sichableiten, dass die Grosspilze an den fünf Stando rten niCht nur in den Artzah-len sehr viel reicher sind als die Phanerogamen, sondern auch als Standorts-treu und damit als ökologisch fein differenzierende pflanzensoziologischeIndikatoren gelten dürfen.

Wirkung landwirtschaftlicher Bewirtschaftungsformen auf die Pilzflora vonWiesenstandorten. Die Untersuchungsflächen (4700 m2) liegen in einem In-stitutsversuchsgelände auf dem Randen bei Merishausen über kalkreichemGestein und sind mit verschiedenen lokalen Ausbildungen des Trespen-Halb-trockenrasens (Mesobrometum) bedeckt. In der drei Jahre dauernden Feld-arbeit wurden folgende Versuchsvarianten berücksichtigt: brachliegend, jähr-lich im Frühling abgebrannt, jedes Jahr (Frühling oder Herbst), jedes zweiteJahr, jedes fünfte Jahr gemäht. FläChen in periodisch gedüngten Mähwiesenund im benachbarten Buchen- und Föhrenwald wurden miteinbezogen. Auf100 Exkursionen wurden insgesamt 195 Grosspilze gefunden, die nach der Ar-tenzahl-Areal-Kurve nur einen Teil des zu erwartenden Pilzinventarsrepräsentieren. Die Auswertung zeigt: a) Die Zusammensetzung der Pilzfloraan den versChiedenen Standorten unterscheidet siCh teilweise deutlich von-

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einander. b) Die Pilzflora ungedüngter gemähter Wiesen ist quantitativ undqualitativ identisch mit jener kurz brachliegender Wiesen. c) Bei mehr als8jähriger Brache nimmt Zahl und Dichte der Arten zu. d) Das Abbrennen för-dert Frequenz und Abundanz nährstoffzeigender saprober Arten. e) In inten-siv bewirtschafteten Wiesen wird die Fruktifikation der Pilze fast vollständigunterdrückt. f) Nur ca. 30% der spontan in den Wiesen aufwachsenden ein-jährigen Waldföhren-Pflanzen zeigten an ihren Kurzwurzeln Myzel einerEktomykorrhiza.

Wirkung der Klärschlammdüngung auf die Pilzflora von Waldbäumen. Ineinem Eichen-Hagebuchenwald bei Genf wurden die Folgen einer einmaligenKlärschlammdüngung mit 200, 400, 600 und 800 m 3 /ha für die Pilze unter-sucht. Die Auswertung zeigte, dass der Klärschlamm vor allem streng obligateMykorrhizapilze in ihrem Fruktifikationsverhalten negativ beein flusst (Aus-fall der meisten Fruchtkörper auch noch nach 10 Jahren bei 200 m 3 /ha). Diegleiche Reaktion zeigten auch fakultative Ektomykorrhizapilze bei der dop-pelten Klärschlamm-Menge. Eine einzige Ausnahme bildete der BlätterpilzLaccaria laccata, eine ruderale Art offener, nährstoffreicher Plätze, der alleKlärschlammstandorte dominierte. Die Fruktifikation der saproben Pilzewurde durch die Düngung nicht beeinflusst, jene des gefürchteten Wurzel-parasiten Halimasch stimuliert, was seine Ausbreitung förderte. Die Resultatelassen vermuten, dass nicht nur der Klärschlamm einen sehr negativen Ein-fluss auf das Waldökosystem hat, sondern dass auch die Nährstoffeintragun-gen durch die Luftverschmutzung ähnlich wirken und der allgemein gemelde-te Rückgang der Pilzflora in unseren Wäldern damit zusammenhängt.

Eine neue Arbeitsgruppe untersucht mittels elektrophoretischen Methoden(Untersuchungen von Iso- und Alloenzymen) ökologisch-systematische Diffe-renzierungsmuster bei Ascomyceten, die als Endophyten in Gräsern leben.

3.1.2 PhanerogamenIn der Systematik der Blütenpflanzen werden einzelne taxonomische Grup-pen möglichst vielseitig auf ihre Eigenschaften untersucht, um einerseits Evo-lutionsvorgänge, andererseits aber auch das ökologisChe Verhalten besser zuverstehen. Es werden morphologisch-anatomische, karyologische, biochemi-sche und physiologisch-ökologische Merkmale studiert und auch die geneti-schen Beziehungen abgeklä rt . Der Schwerpunkt der Untersuchungen liegt beiArtengruppen der mittel- und südeuropäischen Gebirge.

Chemische Naturstoffe als taxonomische Merkmale. In Zusammenarbeit mitdem Pharmazeutischen Institut werden mittel- und südeuropäische Arten-gruppen auf gewisse chemische Inhaltsstoffe (Flavonoide, Iridoide) mitchromatographischen Methoden untersucht und die Ergebnisse mit morpho-logisch-ökologischen und karyologischen Messungen verglichen. Die Ver-wandtschaft der Arten wird ebenfalls anhand von Kreuzungsexperimentenüberprüft. Die untersuchten chemischen Stoffe und die Mengenverhältnisseder einzelnen Stoffe eignen sich zum Teil gut zur Stützung von taxonomischen

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Einteilungen.. Bei den chemischen UntersuChungen konnten einige neue Stof-fe aufgeklärt werden. Die bis heute bearbeiteten Gruppen gehören zu denGattungen Stachys und Betonica, beides Lippenblütler. Es ist geplant, ähn-liche Untersuchungen auch bei Doldenblütlern durchzuführen. Zusätzlichwerden isoenzymatische Untersuchungen angewendet.

Experimentelle Sippendifferenzierungen bei Scabiosa columbaria s.l. (Tau-ben-Skabiose). Die Gruppe, die aus zahlreichen Arten mit unterschiedlichengeographischen und ökologischen Verbreitungen besteht, ist im Alpengebietexperimentell-taxonomisch bereits früher abgeklärt worden. In einem über15jährigen Versuch wurden drei verschiedene Arten, die miteinander freibastardieren, unter verschiedenen Temperatur-, Nährstoff- und Wasserbedin-gungen kultiviert und die Entwicklung der verschiedenen Populationen unterden vorhandenen Selektionsbedingungen verfolgt, wobei freier Genaustauschzwischen den Arten der gleichen Bedingungen möglich war. Es zeigte sich,dass sich in dieser relativ kurzen Zeitspanne unter den gegebenen Bedingun-gen aus allen Populationen ähnliche , Merkmalskombinationen entwickelt ha-ben, die sich zwischen den verschiedenen Bedingungen teilweise signifikantunterschieden und zu einem grossen Teil genetisch bedingt sind. Es konntenalso kurzfristig auf experimentellem Wege Ökotypen hergestellt werden.

Biosystematische Untersuchungen bei der Familie der Lemnaceae (Wasser-linsen). Die kleine weltweit verbreitete Familie der Wasserlinsen besteht ausvier Gattungen und 34 Arten, die durch ihre flutende Lebensweise auf oderunter der Wasseroberfläche gekennzeichnet sind. Die P flanzen lassen sichaseptisch in Reagenzröhren oder Erlenmeyer-Kolben kultivieren und pflan-zen sich vorwiegend vegetativ durch Tochterglieder fort. Im günstigsten Fallkönnen sie ihre Gliederzahl in weniger als einem Tag verdoppeln. Sie eignensich deshalb sehr gut als physiologische Versuchs- und als Testpflanzen fürden Nachweis von bestimmten chemischen Bedingungen. Als Proteinlieferan-ten (bis zu 45 % des Trockengewichtes besteht aus Aminosäuren) und zur Ent-fernung von Schmutzstoffen in Gewässern haben sie eine gewisse ökonomi-sche Bedeutung erlangt. Am Institut wurden insgesamt gegen 3000 lebendeKlone von Lemnaceen aus aller Welt morphologisch untersucht, von vielenKlonen die Chromosomen gezählt, chemische Eigenschaften studiert (zusam-men mit dem Agrikulturchemischen Institut) und der Nährstoffbedarf und an-dere physiologische Eigenschaften abgeklärt. Die geographische Verbreitungund die physiologischen Erkenntnisse ermöglichten die Grenzen der Verbrei-tung der einzelnen Arten in der Natur mit einzelnen klimatischen Faktoren inBeziehung zu setzen. Auf Grund dieser Untersuchungen und unter Verwen-dung der sehr zahlreichen Literatur wurde die Familie taxonomisch gegliedertund eine zweibändige Monographie erarbeitet (E. Landolt 1987, 1988), dieden zahlreichen Institutionen, die heute weltweit mit Vertretern dieser Familiearbeiten, als Nachschlagewerk dienen kann. Am Institut werden noch heuteetwa 1200 lebende Klone kultiviert, von denen laufend einzelne an auswärtigeInstitute versandt werden.

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3.2 Genetische Pflanzenökologie und Populationsbiologie

Die Arbeitsgruppe untersucht die Beziehungen zwisChen Standortfaktorenund Variation innerhalb von Pflanzenarten, Populationsstrukturen, Fortpflan-zungs- und Keimungsstrategien und Verbreitung vieler Sippen. Die Untersu-chungen werden heute fast ausschliesslich in der alpinen Stufe von Davosdurchgeführt, wo drei unterschiedliche Gesteinsunterlagen vorherrschen:Dolomit, saures Silikat und Serpentin. Auf der einen Seite wird in der Grund-lagenforschung das Verhalten von alpinen Sippen abgeklärt, auf der anderenSeite anwendungsorientiert über biologische Erosionsbekämpfung oberhalbder Waldgrenze gearbeitet.

Populationsbiologie und Fortpflanzungsstrategien. Die Fortpflanzungsstrate-gien verschiedener alpiner Pflanzenarten, darunter besonders die asexuellen(Agamospermie, vegetative Propagulenbildung, Klonfragmentation), stehenheute im Vordergrund der Grundlagenforschung. Biscutella levigata ist einBeispiel von untersuchten Arten. Sie ist allogam und selbststeril. Der Genaus-tausch ist indessen offensichtlich eingeschränkt durCh Faktoren, die die Be-stäubung, Samenentwicklung und Samenverbreitung beeinflussen. Dolomit-und Serpentinpflanzen weisen eine deutliche Adaptation an das jeweiligeSubstrat auf: Sowohl die Samenkeimung wie auch die Sterblichkeit und Ent-wicklung der Jungpflanzen war in der Klimakammer, im Gewächshaus und inFeldversuchen stark vom Substrat und von der Herkunft abhängig. B. levigatabildet edaphische Rassen auf verschiedenen alpinen Substraten. Danebenwurde noch eine klinale Differenzierung auf Dolomit gefunden. Subpopula-tionen im dichten Dolomitrasen sind klein, die klonalen Einheiten haben einegeringe Dichte, und Keimpflanzen sind selten. Subpopulationen auf Dolomit-schutt sind gross, haben eine hohe Dichte von klonalen Einheiten und häufigKeimlinge. Subpopulationen auf intermediären Dolomitflächen stehen da-zwischen. Im Gegensatz zum Verbreitungsmuster auf Dolomit ist das demo-graphische Verhalten von B. levigata auf Serpentin einheitlich und gleicht je-nem auf Dolomitschutt.

Begrünung von hochalpinen Skipistenplanien. Die Kenntnis der Vielfalt derArten mit unterschiedlichen Standortansprüchen, Wuchsformen und Fort-pflanzungsstrategien bildet die Grundlage für die neu entwickelten Methodender Standortbegrünung. Bereits früher wurden die Keim- und Aufwuchs-bedingungen vieler Arten abgeklärt. Die bisherigen Verfahren bei der Be-grünung von hochalpinen Skipistenplanien mit Samengut des Tie flandes undintensiver Düngung (z.T. mit Klärschlamm) haben sich als nicht geeignet er-wiesen, verhinderten sie doch die Einwanderung der einheimischen Pflanzen,nicht aber die Erosion der Feinerde, wie bereits frühere Untersuchungen amInstitut nachwiesen. Zudem belasten sie die Landschaft mit Düngestoffenund z.T. auch mit Schwermetallen, da die Böden wegen der Flachgründigkeitin hohen Lagen über ein geringes Adsorptionsvermögen verfügen. Die Folgesind grossflächige, besonders im Sommer unangenehm auffallende Stein-

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wüsten. Die Methode der standortgerechten Begrünung, die von der Arbeits-gruppe entwickelt wurde, arbeitet einerseits mit Saatgut, andererseits mitAnpflanzungen von einheimischen Pflanzen. Es werden besonders Pflanzen-arten, die auch in der umgebenden Natur Rutschhänge und Geröllhalden undanschliessende Sukzessionsstadien besiedeln, verwendet. Die Samen stammenentweder direkt aus der Umgebung oder von vorher in Versuchsgärten ver-mehrten Pflanzungen. Samen aus Gärten haben den Vorteil, dass sie in grös-serer Quantität und immer von gleich guter Qualität (mit bedeutend mehrReservestoffen) zur Verfügung stehen. Die Samen werden, sofern nötig, zurbesseren Keimung vorbehandelt, und die Bedingungen am Ort der Aussaatdurch biologisch abbaubare Textilien vor Ausschwemmung und Austrock-nung geschützt. Eine Umgehung der sChwierigen Keimungs- und Aufwuchs-phase wird möglich, wenn bereits ausgewachsene Individuen am Ort ausge-pflanzt werden (Bild 8). Diese werden durch ein besonderes am Institut ent-wickeltes Klonierungsverfahren (Einzelrametklonierung) bereitgestellt. DieBepflanzungen sind sehr arbeitsintensiv und teuer, aber erfolgversprechendund deshalb wesentlich besser als bisherige Methoden. Die erfolgreiChen Er-gebnisse der Untersuchungen sollen aber keinesfalls ein Alibi geben für weite-

Bild 8 Aufwuchs von klonierten und eingepflanzten Individuen von Hallers Margerite (Chrys-anthemum hallen) auf Skipistenplanien am Strelahorn (2400 m ü.M.) im ersten Jahr nach derPflanzung.

Fig. 8 Growth of cloned and planted individuals of Chrysanthemum hallen on levelled skirunsbelow Strelahorn, Davos (2400 m a.s.!.), one year after plantation.

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re gross flächige Planierungen, sondern lediglich auf kleineren Flächen von3-5 Aren die Beseitung von gefahrvollen Pistenstellen ermöglichen, ohnenachhaltige Eingriffe in die Landschaft.

Polymorphismus der Cyanogenese beim Hornklee (Lotus). Lotus corniculatuss.l. wurde nicht nur in bezug auf die Verbreitung von Chromosomenzahlen(diploide und tetraploide Pflanzen), sondern auch von cyanogenen undacyanogenen Pflanzen untersucht. Bei der alpinen Sippe (L. alpinus) wurdenverschiedenartige Verbreitungsmuster von Phänotypen und Allelen beobach-tet, die vermuten lassen, dass unterschiedliche Selektionsfaktoren auf den bei-den Unterlagen wirken. Auf Silikatunterlage waren die P flanzen weitgehendacyanogen, während auf Karbonatunterlage cyanogene Pflanzen vorherrsch-ten. Der Polymorphismus der Cyanogenese zeigte sich nicht nur in den haupt-sächlichen Phänotypen, sondern auch in der Allelzusammensetzung. Über dieHintergründe der untersChiedliChen Selektionswirkung auf Populationenverschiedener Gesteinsunterlagen können bis heute nur Vermutungen aufge-stellt werden.

3.3 Ökosystemlehre und physiologische Pflanzenökologie

Einenteils stehen Untersuchungen zwischen Standortfaktoren und physio-logischen Merkmalen im Vordergrund, wobei neben Klima- und Bodenmess-geräten auch pflanzenphysiologische Apparaturen (Scholander-Bomben, Po-rometer u.a.m.) verwendet werden. Andererseits werden anhand experimen-teller pflanzenökologischer Ergebnisse Modelle und Theorien über das Funk-tionieren von Ökosystemen (insbesondere ihrer Stabilität) erarbeitet. DieZusammenhänge der Arbeiten innerhalb der Gruppe sind in Bild 9 darge-stellt.

Erfassung, Messung und Erhaltung der ökologischen Stabilität. Es handeltsich um eine Konzeptarbeit zu Fragen wie: «Was ist ökologische Stabilität?Wie kann sie quantitativ erfasst und wie bewertet werden? Wie kann sie wie-derhergestellt werden und wo ist dies überhaupt sinnvoll?» Die Konkretisie-rung und Überprüfung der Konzeptarbeit erfolgt anhand von Literaturstudienüber Urwald- und Sukzessionsforschung, Naturschutzbewirtschaftung, Wald-schadenforschung, Ökotoxikologie, systemökologische Modellierung usw.Das Gesamtziel ist ein Lehrbuch über «Ökologische Stabilität und biologi-sches Gleichgewicht» (A. Gigon).

Experimentelle Untersuchungen zur Erhaltung artenreicher Trockenrasen.Die Untersuchungen zu den Trockenrasen, die auf dem Schaffhauser Randenbei Merishausen durchgeführt werden, bilden eine konkrete Fallstudie, zurKonzeptarbeit über die ökologische Stabilität. Ein Hauptinteresse liegt aufden Fragen, warum die dort vorhandenen Trespen-Halbtrockenrasen so arten-reich sind (bis zu 40 Arten/m 2), auf welche Weise diese vielen Pflanzenartenkoexistieren können und wie der Artenreichtum langfristig (und mit möglichstgeringem Aufwand) erhalten werden kann. Es geht also um die Erfassung der

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44 schaftlicheModellierung

vonÖkosystemen

Konzepte vonökol. Stabiltät

und biolog.Gleichgewicht

Sozial-wissen-

Aspekte

A

1

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Vielfalt an Pflanzenarten und der Änderung ihrer Dominanzverhältnisse inAbhängigkeit von Klima und Bewirtschaftung. Dabei werden ausgewählteMikroklima- und Bodenfaktoren gemessen und Feldexperimente zur Konkur-renz und zu positiven Interaktionen zwisChen den Pflanzenarten durch-geführt, um ihre Koexistenz zu verstehen. Als Beispiel seien die Untersuchun-gen der Auswirkungen von ausgewachsenen P flanzen auf die Etablierung vonKeimlingen erwähnt (Bild 10). Diese und die nachfolgende Entwicklung derJungpflanzen wurde an verschiedenen Mikrostandorten in der Umgebung derausgewachsenen Pflanzen untersucht und der Ein fluss der ausgewaChsenenPflanzen auf den Bodenwasserhaushalt dieser Mikrostandorte gemessen. Es

ERFASSUNG, MESSUNGUND ERHALTUNG DER

ÖKOLOGISCHENSTABILITÄT

Bedeutung derKleinsäuger Naturschutz-

für dieKoexistenz

von Pflanzen

Lehrbuch

Fallstudie Trockenrasenbei Schaffhausen

4- Management

tabgeschlossen

A

• NKonkurrenz,Koexistenzund positiveInteraktionen

zwischenPflanzen

►HeteIogenitätdeI Pflanzen

im H,0- Hauslalt,

Chemismus,usw.

HeteIogenitätin

Mikroklima,Bodenwasser-haushalt und-chemismus

4

Bild 9 Übersicht über die verschiedenen Teilprojekte der Arbeitsgruppe Ökosystemlehre undphysiologische Pflanzenôkologie. Dünne Linien bedeuten interdisziplinäre Verknüpfungen.

Fig. 9 A survey on the different partial projects of the working group dealing with ecosystemsand physiological ecology. Thin lines show interdisciplinary connections.

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Bromus erectus-Horst Vegetationslos

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Arabis hirsuta-Keimling, gekeimt in Herbst 1987, lebt noch im Mai 1988

O Arabis hirsuta- Keimling, gekeimt in Herbst 1987, tot lm Mai 1988

Bild 10 Das Überleben von Keimlingen der Rauhhaarigen Gänsekresse (Arabis hirsuta) an ver-schledenen Mikrostandorten um einen Horst der Aufrechten Trespe (Bromus erectus) in Trocken-rasen im Randen (Schaffhausen). Man sieht, dass die Keimlinge unmittelbar neben und im Horstbesser überleben als an vegetationslosen Stellen. B. erectus hat also einen positiven Einfluss aufdie Etablierung von A. hirsuta.

Fig. 10 Surviving of seedlings of Arabis hirsuta on different microhabitats around a tussock ofBromus erectus in a dry meadow of the Randen (mountain near Schaffhausen). Seedlings aroundthe tussock survive better than on the bare ground. B. erectus shows a positive microclimatic in-fluence on the establishment of A. hirsuta.

zeigte sich, dass im Bereich eines Horstes der Aufrechten Trespe der Boden-wasserhaushalt an der Oberfläche günstiger ist als im vegetationslosenBereich der Kahlstellen dazwischen, was sich in einem deutlich höherenÜberlebensprozent der Keimlinge äussert. In Graslandökosystemen spielenalso neben der Konkurrenz auch positive Wechselwirkungen eine Rolle, wiebereits früher in Untersuchungen zu Pflanzen-Tierbeziehungen (z.B. Einwir-kung von Mäusen und Ameisen) gezeigt werden konnte. Die Ergebnisse wer-den zur systemökologischen Modellierung verwendet.

In den Wiesen im Randengebiet werden seit 15 Jahren auCh Bewirtschaf-tungsversuche (Mand, verschieden lange Brachen, Brand) durchgeführt, umMethoden für eine langfristige Erhaltung der Artenvielfalt zu entwickeln.

3.4 Pflanzensoziologische Ökologie

Jede Pflanzengesellschaft hat nicht nur eine spezifische Artengruppenkombi-nation, sondern zeigt auch spezifische Standortverhältnisse an in bezug auf

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Licht, Wasser und Nährstoffe sowie auf mechanische und biotische Faktoren.Die Kenntnisse dieser Vegetations- und Standorteigenheiten liefern besondersder Land- und Forstwirtschaft, aber auch der naturschützerischen Praxiswichtige Entscheidungsgrundlagen für Bewirtschaftung und Schutz. Es lassensich Angaben ableiten über Belastbarkeit, Stabilität und natürliche Fluk-tuationen solcher Ökosysteme. Pflanzensoziologische Arbeiten sind oft auchverbunden mit der kartographischen Erfassung der Vegetation, um zuflächenhaften Aussagen zu gelangen. Bei mehrfacher Ausführung in ver-schiedenen Jahren werden auf diese Weise unerwünschte oder gewollte Ver-änderungen der Vegetationsdecken festgestellt. So können beispielsweiseSChutz- und Pflegemassnahmen besser umrissen und für die Erhaltung selte-ner Vegetationseinheiten genauer formuliert und unerlaubte Eingriffe nachge-wiesen werden.

Zur Kenntnis und Erhaltung von Feuchtgebiets-Ökosystemen. Am Institutwurden neben den bereits erwähnten mageren Halbtrockenrasen vor allemseltene Gesellschaften der Feuchtgebiete bearbeitet. Bei zunehmender Eutro-phierung der Boden- und Wasserverhältnisse durch Düngemitteleintrag undangereicherten Niederschlag interessiert hier vor allem die Überlebensmög-lichkeit ausgeprägt oligotropher Pflanzengesellschaften in unserer Kultur-und Zivilisationslandschaft und die Erfassung der Randbedingungen zu ihrerErhaltung. Deshalb wurden und werden die Standortverhältnisse, Belastbar-keit und Abschirmungsmöglichkeiten von Pfeifengraswiesen, Kleinseggenrie-dem, Grossseggenriedern sowie Schwingrasen an oligotrophen Seen und imHochmoorbereich untersucht. Auch die Umwandlungsgeschwindigkeit emp-findlicher Pflanzengesellschaften in Abhängigkeit von der Nährstoffzufuhrwurde besonders beaChtet. Um zu gesicherten Ergebnissen zu gelangen, sindmit Vorteil die Wasser- und Nährstoffverhältnisse entlang von Transsekten zuuntersuchen, die parallel den entsprechenden Gradienten von reich zu arm,von trocken zu feucht usw. verlaufen. Damit verbunden werden oft auch dieentsprechenden Gesellschaften inventarisiert, um Seltenheit, Repräsentanzund Flächengrössen zu erfassen. Aus diesen Unterlagen lassen sich die Rah-menbedingungen für die Erhaltung seltener Einheiten umschreiben. Als Bei-spiel für solChe Untersuchungen sind Arbeiten im Urner Reussdelta zu erwäh-nen. Dort ist das Öffnen beider Reussdämme im Uferbereich vorgesehen. Umdie Folgen auf die Vegetation überwachen zu können, müssen die Vegetation(durch pflanzensoziologische Aufnahmen, Kartierungen, Einrichten von Dau-erflächen) und der Standort (durch Wasser- und Bodenanalysen, Grundwas-serstandsmessungen) sowie der Uferbereich und die Gräben (durCh Erfassungchemischer und physikalischer Parameter, Algen und Makroinvertebraten imJahresverlauf) erforscht werden. Im Verlauf der Hochwasserkatastrophe imSommer 1987 wurde das ganze Gebiet überschlickt, so dass jetzt mit denbereits erfolgten Untersuchungen günstige Voraussetzungen bestehen, dieVegetationssukzession auf den Flächen zu verfolgen.

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Rückgang der Schilfbestände. Auch an unseren Seeufern haben siCh die Be-dingungen in den letzten 40 Jahren grundlegend geändert. Besonders dieSchilfbestände sind an vielen O rten in katastrophalem Masse zurückgegan-gen. In verschiedenen Arbeiten zur Ursächlichkeit des Rückganges und zurpraktischen Erhaltung von Restbeständen, konnte gezeigt werden, dass dieEutrophierung u.a. die mechanischen Eigenschaften der Schilfhalme ver-ändert, und dass, solange die Seenverschmutzung nicht rückgängig gemachtwird, ein mechanischer Schutz vor Wellen, Algenwatten und Getreibsel dieSchilfbestände retten kann.

Ökologische Grenzen von dominierenden Waldbäumen. Etwas anders ge-lagert sind die Themenkreise im Waldbereich. Das Schwergewicht der Unter-suchungen liegt hier bei der Erfassung von Grenzbedingungen dominierenderBaumarten und Waldgesellschaften. Neben der Tanne, Fichte, Föhre, Eiche,Linde und anderen Edellaubhölzern interessiert vor allem die soziologischeund synökologische Stellung der BuChe in den von ihr beherrschten Pflanzen-gesellschaften, insbesondere das Verhalten und die Vitalität bzw. Überlebens-möglichkeit dieser Baumarten in Grenzlagen, also unter dem Stress von Trok-kenheit, Nässe, Nährstoffmangel oder verstärkten mechanischen Faktoren.Auch diese Faktoren werden entlang von Transsekten in der Wirkungsrich-tung analysiert. In diesem Zusammenhang konnten weitere Erkenntnisse zurVerbreitung der Schweizer Waldgesellschaften gewonnen, neue seltenereWaldgesellschaften erfasst und ihre spezifischen Standortverhältnisse fest-gestellt werden. Zusätzliche Informationen lieferten die zahlreichen Waldkar-tierungen im Mittelland, in den Voralpen und in den nördlichen und zentra-len Alpen, die im Auftrag von Kantonen und anderen Stellen durchgeführtwurden. Es ist vorgesehen, diese Erkenntnisse in eine Neuauflage derWaldgesellschaften und Waldstandorte der Schweiz einfliessen zu lassen. – Inden letzten Jahren ergaben sich auch Gelegenheiten, Vegetationsverhältnisseim Ausland zu bearbeiten. Dabei konnten nicht nur Grenzlagen, Belastbar-keit, Stabilität und Bewirtschaftung tropischer Grasländer von Niederungs-und Gebirgslagen erfasst werden, sondern auch benachbarte Wälder. In ersterLinie wurden so die Grenzlagen weiterer Fagaceen-Gattungen (Quercus,Lithocarpus, Nothofagus) im Bereich der (Mit-)Herrschaft von Myrtaceae,Pinaceae, Podocarpaceae und Lauraceae verfolgt.

Stadtvegetation. In neuerer Zeit ist auch mit Untersuchungen über dieStadtvegetation begonnen worden. Ziel dieser Forschung ist es, die vielfälti-gen städtischen Ökosysteme mit dem grossen Artenreservoir zu erhalten oderzu fördern, um einer Reihe von Arten, die in der intensiv genutzten Land-sChaft heute keinen Platz mehr haben, das Überleben zu ermöglichen. So wer-den u.a. Schutt- und Ruderalgesellschaften, Rasen- und Weidengesellschaftensowie Sukzessionen auf verbrachten Flächen studiert, um Artengarnitur undStandorterfordernisse der versChiedenen Einheiten festzustellen und die fürdie Erhaltung der Artenvielfalt wichtigen Faktoren kennenzulernen.

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4 Ausblick

Das Institut ist gegenwärtig immer noch in einer Expansionsphase, bedingtdurch die stets wachsende Zahl von Studenten, die Unterricht in systemati-scher und ökologischer Botanik brauChen, und vor allem auch im Hinblickauf die neue Abteilung für Umweltnaturwissenschaften, von der zahlreicheDiplomanden und Doktoranden zu erwarten sind. Die grossen Umweltpro-bleme fordern vom Institut auch stets grösseren Einsatz für die Bearbeitungvon Naturschutzanliegen. Das Institut wird gegenwärtig von grossen Platzsor-gen geplagt. Reserven bestehen am Institut keine. Seit Beginn des Jahres 1990sind die Professoren und Institute der ETH forschungsmässig zu Departemen-ten vereinigt. Unser Institut gehört zum Departement für Umweltnaturwissen-schaften. Es ist geplant, dass in naher Zukunft neue ökologische Professurengeschaffen werden, die unserem Institut Entlastung bringen sollen. So istbereits eine Professur für experimentelle Ökologie ausgeschrieben, die aller-dings an unserem Institut keinen Platz hat, sondern mit den Professuren fürBodenchemie, Bodenphysik, Bodenschutz und einer neuen Professur fürBodenbiologie in Schlieren zu einem neugeschaffenen Institut für terrestri-sche Ökologie vereinigt wird. Ob später einmal alle Mitglieder des Departe-mentes für Umweltnaturwissenschaften unter einem Dach und mit genügendPlatzreserven vereinigt werden können (z.B. in Dübendorf auf dem Areal derEAWAG) ist noch ungewiss.

Es bleibt eine verpflichtende, aber auch faszinierende Aufgabe für dasInstitut, die vielfältigen Beziehungen der Pflanzen zur Umwelt zu erforschensowie die Studierenden für die Natur zu begeistern und sie zur Lösung dermit der heutigen Zivilisation und Wohlstandsgesellschaft verbundenenschwerwiegenden Probleme zu engagieren. Damit hoffen wir, zur Erhaltungdes Reichtums und der Stabilität von Natur und Landschaft beitragen zu kön-nen.

Prof. Dr. E. Landolt, Prof. Dr. F. Klötzli, Prof. Dr. K.M. Urbanska, Prof. Dr. A. Gigon, PD Dr.E. Horak und Dr. M. Baltisberger, Geobotanisches Institut ETH, Stiftung Rübel, Zürichbergstras-se 38, CH-8044 Zürich