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1 Abbildung auf dem Cover: Ausschnitt vom Ischtar Tor. Nachbildung im Berliner Pergamon Museum. Foto: wikimedia.org own work vom 12.06.2006. © by Siegfried F. Weber, Großheide, 2014 Nebukadnezar und Gott – wer sitzt im Regiment? Weltreich kontra Gottesreich

Nebukadnezar und Gott wer sitzt im Regiment? Weltreich ......an die vier wichtigsten strategischen Flüsse: Tigris, Euphrat, Jordan und Nil. Er ist Oberbefehlshaber des babylonischen

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    Abbildung auf dem Cover: Ausschnitt vom Ischtar Tor. Nachbildung im Berliner

    Pergamon Museum. Foto: wikimedia.org – own work vom 12.06.2006.

    © by Siegfried F. Weber, Großheide, 2014

    Nebukadnezar und Gott – wer sitzt im Regiment?

    Weltreich kontra Gottesreich

  • 2

    Inhalt Das Gotteslob eines heidnischen Herrschers ........................................................ 3

    Nebukadnezar – „mein Knecht“ und das Symbol vom Joch ................................ 4

    Assyrien fällt – das Neubabylonische Reich entsteht ........................................... 7

    Josia, Pharao Necho und die Schlacht von Karkemisch ....................................... 9

    Nebukadnezar II. wird König des Neubabylonischen Reiches ........................... 11

    Die monumentalen Bautätigkeiten Nebukadnezars ............................................ 17

    Die Stadt Tachpanches in Ägypten und Nebukadnezar ...................................... 24

    Leben inmitten eines heidnischen Weltreiches (Daniel 1).................................. 31

    Nebukadnezars Traum von den vier Weltreichen (Daniel 2) ............................. 34

    Das große Standbild als Herausforderung des Glaubens (Daniel 3) ................... 38

    Die Wende im Leben Nebukadnezars (Daniel 4) ............................................... 47

    Quellen ................................................................................................................ 54

    Anhang: Zeittafel: Die Neubabylonischen Herrscher ......................................... 54

    Anhang: Karte des Vorderen Orients .................................................................. 55

    Anhang: Karte: Die Ortschaften Ägyptens in der biblischen Prophetie ............. 56

    Hinweise .............................................................................................................. 57

    Literatur ............................................................................................................... 57

  • 3

    Das Gotteslob eines heidnischen Herrschers

    „Darum lobe, ehre und preise ich, Nebukadnezar, den König des Himmels; denn all sein Tun ist Wahrheit, und seine Wege sind recht, und wer stolz ist, den kann er demütigen“ (Daniel 4,34 LUT).

    Ein solches Gottesbekenntnis hören wir aus dem Mund eines großen

    Weltherrschers, vor dem alle Menschen niederfallen müssen. Er heißt

    Nebukadnezar und er ist ehrgeizig, erfolgreich, stolz, reich, beliebt und verhasst.

    Nebukadnezar beherrscht den gesamten Vorderen Orient und er setzt seinen Fuß

    an die vier wichtigsten strategischen Flüsse: Tigris, Euphrat, Jordan und Nil. Er

    ist Oberbefehlshaber des babylonischen Heeres, ein brillanter Stratege und

    König über ein Weltreich. Den lebendigen Gott, den Schöpfer Himmels und der

    Erde, kennt er nicht, beziehungsweise er hat wenig Interesse an ihn, denn mit

    den sogenannten Gottheiten in den 53 Tempeln in seiner Hauptstadt Babylon hat

    er genug Stress.

    Nebukadnezar ist der Eroberer der Stadt Jerusalem, wo im Tempel der Juden der

    lebendige Gott, der höchste Gott (der El ʿillajaʼ – so die aramäische Titulierung

    in Daniel 3,32) im Allerheiligsten mit seiner Lichtherrlichkeit wohnt. Und der

    lebendige Gott lässt es zu, dass Nebukadnezar den Tempel zu Jerusalem

    zerstören darf. Kurz zuvor verlässt die Lichtherrlichkeit Gottes den Tempel und

    verschwindet in den Himmel hinein (Hesekiel 9,3; 10,18; 11,22-23). Wie kommt

    es dann, dass ein solcher stolzer Weltherrscher ein solches Bekenntnis und

    Zeugnis über den Allerhöchsten und Allmächtigen ablegt und ihn allein

    anbetet?! Wir wollen der Ursache in den folgenden Ausführungen, wenn wir das

    Leben Nebukadnezars nachzuzeichnen versuchen, auf den Grund gehen.

    Der jüdische Schriftsteller Josephus schreibt über Nebukadnezar:

    „Als der König Nebukadnezar 43 Jahre regiert hatte, schied er aus dem Leben.

    Er war ein tatkräftiger Mann gewesen und hatte seine Vorgänger an Glück

    übertroffen“ (Jüdische Altertümer, 10. Buch, 11. Kapitel).

    Die Herrschaft Nebukadnezars II. dauerte von 605 bis 562 v. Chr. Er ist der

    Hauptakteur und Architekt des Neubabylonischen Reiches. Dieses

    Neubabylonische Reich beginnt mit seinem Vater Nabopolassar im Jahre 626 v.

    Chr., nachdem er die Stadt Babel erobert hatte und sich zum König ausrufen

    lässt und es endet mit der Eroberung Babels durch den Perserkönig Kyros im

    Jahre 539 v. Chr.

  • 4

    Vorkommen des Namens Nebukadnezar im Alten Testament

    Der Name Nebukadnezar1 bedeutet [Die Gottheit] Nabu schütze meine Krone.

    2

    In den biblischen Texten handelt es sich immer um Nebukadnezar II.3

    Die biblische Schreibweise des Namens lautet entweder Nebukadnezar

    (hebräisch: Neḇukadnʼezar) oder auch Nebukadrezar

    (hebräisch: Neḇukadrʼezar).

    Der Name Nebukadnezar kommt 91-mal im Alten

    Testament vor (ELB 19934), davon 37-mal im

    Propheten Jeremia, 32-mal im Buch Daniel, 6-mal in

    2. Könige, 5-mal im Buch Esra, 4-mal in 2. Chronik,

    4-mal in Hesekiel und je einmal in 2.Chronik,

    Nehemia und Esther. Der Name kommt deshalb so

    häufig in den Büchern Jeremia und Daniel vor, weil

    beide zur Zeit der Herrschaft Nebukadnezars gelebt,

    geweissagt und wie Daniel unter ihm gedient haben.

    Nebukadnezar – „mein Knecht“ und das Symbol vom Joch

    Gott, der HERR, der Schöpfer und Regent des ganzen Universums, bezeichnet

    den babylonischen König Nebukadnezar als „meinen Knecht“. Das bedeutet,

    dass Nebukadnezar in der Hand Gottes ist und dass er die Befehle Gottes

    ausführen muss. Nebukadnezar, der den lebendigen Gott Israels zunächst noch

    nicht näher kennt, ist natürlich der Auffassung, dass seine militärischen

    Unternehmungen und Siege seinem brillanten strategischen Können entspringen

    und auf die tatkräftige Schlagfähigkeit des babylonischen Heeres beruhen. Der

    harte, aufreibende und aufopfernde Einsatz der Soldaten in den Schlachten

    Mann gegen Mann sind selbstverständlich wichtige Voraussetzungen für einen

    Sieg. Aber gibt es noch eine höre unsichtbare Macht im Himmel, die den

    1 Abb. Nebukadnezar II.: Onyxstein auf einer Mardukstatue. Foto von Anton Nystrom.

    Upload in wikimedia.org am 26.11.2006. 2 Der Name Nebukadnezar (spätbabylonisch „Nabu-kudurri-uṣur“, sumerisch „AG.NIG.DU-

    URU“ [auch PA.NIG.DU-PAP], aramäisch „Nebukadser“[nbwkdsr]) bedeutet: „[Die

    Gottheit] Nabu schütze meine Krone (oder mein Gebiet oder meine Nachfolgerechte und

    damit meinen ersten Sohn).“ 3 Nebukadnezar I. (1126-1104) hat zurzeit des Altbabylonischen Reiches gelebt.

    Nebukadnezar III. (522 v. Chr.) versuchte noch einmal unter der Weltherrschaft der Perser die

    Stadt Babel an sich zu reißen, was ihm aber nur drei Monate gelang. Auch Nebukadnezar IV.

    gelingt ein solches Unterfangen nur sieben Monate. 4 ELB = rev. Elberfelder Bibel 1993 nach BibleWorks 9.0.

  • 5

    Ausgang der Schlachten sowohl in Ägypten als auch im Vorderen Orient

    mitbestimmt, mit lenkt und entscheidet. Wir haben es mit der Vorsehung und

    Souveränität des allmächtigen Gottes zu tun. Die Weltherrscher der großen

    Weltreiche erkennen die bewusste Lenkung Gottes nicht und sprechen eher von

    Schicksal oder vom Eingreifen ihrer Götter. Offenbar, also erkennbar aber wird

    das Planen, Regieren und Eingreifen Gottes durch das Auftreten der biblischen

    Propheten, die in ihren Botschaften auf das Wirken des lebendigen Gottes

    hinweisen. Wir lesen einen Text aus dem Propheten Jeremia:

    Im Anfang der Herrschaft Zedekias, des Sohnes Josias, des Königs von Juda, geschah dies Wort vom HERRN zu Jeremia: 2 So spricht der HERR zu mir: Mache dir ein Joch und lege es auf deinen Nacken 3 und schicke Botschaft zum König von Edom, zum König von Moab, zum König der Ammoniter, zum König von Tyrus und zum König von Sidon durch die Boten, die zu Zedekia, dem König von Juda, nach Jerusalem gekommen sind, 4 und befiehl ihnen, dass sie ihren Herren sagen: So spricht der HERR Zebaoth, der Gott Israels: So sollt ihr euren Herren sagen: 5 Ich habe die Erde gemacht und Menschen und Tiere, die auf Erden sind, durch meine große Kraft und meinen ausgereckten Arm und gebe sie, wem ich will. 6 Nun aber habe ich alle diese Länder in die Hand meines Knechts Nebukadnezar, des Königs von Babel, gegeben und auch die Tiere auf dem Felde, dass sie ihm untertan sein sollen. 7 Und es sollen alle Völker ihm dienen und seinem Sohn und seines Sohnes Sohn, bis auch für sein Land die Zeit kommt, dass es vielen Völkern und großen Königen untertan sein muss. (Jeremia 27,1-7 LUT).

    Die Botschaft des Propheten Jeremia stammt aus der Zeit des Königs Zedekia,

    ungefähr aus dem Jahr 597 v. Chr. Der babylonische König Nebukadnezar hat

    selbst Zedekia als König über Juda (Südreich Israel) eingesetzt. Nun verkündigt

    der Prophet, dass nicht nur Juda den Babyloniern dienen soll, sondern auch die

    Nachbarvölker Judas: Edom, Moab, Ammon, Tyrus und Sidon. Sie alle müssen

    ihren Tribut leisten. Sie sind dem König Nebukadnezar unterjocht. Jeremia muss

    diese Botschaft sogar durch ein Anspiel den Zuhörern plastisch vor Augen

    mahlen: Er legt sich ein hölzernes Joch auf den Nacken, geht herum und teilt

    ihnen die Botschaft mit. Diese Botschaft richtet sich nicht nur an Gottes Volk,

    sondern auch an die heidnischen Nachbarvölker. In dieser Botschaft stellt der

    lebendige Gott sich zunächst den Heidenvölkern vor: ER ist der Gott, der

    Himmel und Erde gemacht hat, die Menschen und die Tiere und er gibt sie, wem

    ER will. Gott ist nicht nur der Schöpfer (creator) und der Erhalter (conservator),

    sondern auch der Lenker (rector) und Richter (iudex) der ganzen Schöpfung. ER

    ist es gewesen, der Juda und seine Nachbarstaaten in die Hände Nebukadnezars

  • 6

    gelegt hat. Die Unterjochung ist ein Strafgericht Gottes. Der Grund liegt darin,

    dass sie dem Schöpfer nicht die Ehre geben, sondern Götter anbeten und weil

    Unterdrückung und Ungerechtigkeit herrschen. Das Strafgericht Gottes ist aber

    zugleich eine pädagogische Erziehungsmaßnahme: Wenn sie sich unter die

    Joch-Herrschaft Nebukadnezars beugen und ihren Tribut leisten, dann wird es

    ihnen gut ergehen. „Beugt euren Nacken unter das Joch des Königs von Babel

    und seid ihm und seinem Volk untertan, so sollt ihr am Leben bleiben“ (Jeremia

    27,12). Das ist Gottes erstes Ziel mit seinen Geschöpfen, dass sie am Leben

    bleiben. Selbst ein Strafgericht kann dazu dienen, das der Mensch in der Not

    und in der Zeit der Unterdrückung sein bisheriges Leben bedenkt und zu Gott

    zurückkehrt. Wenn die Völker ab das Joch Nebukadnezars abzuschütteln

    versuchen, dann wird der HERR sie selbst mit Schwert, Hunger und Pest

    heimsuchen. Interessant ist noch die Beobachtung, dass in dieser prophetischen

    Botschaft Juda als das auserwählte Volk Gottes keine Privilegien oder

    Sonderrechte hat, sondern genauso in das Strafgericht eingeschlossen ist wie die

    heidnischen Völker.

  • 7

    Assyrien fällt – das Neubabylonische Reich entsteht

    Der Untergang des großen Weltreiches Assyrien war von Gott besiegelt. Schon

    zu den Lebzeiten Assurbanipals, von dem es heißt, dass er der große und

    berühmte Asnaphar wäre5, der durch seine Bautätigkeit eine hohe

    Kunstfertigkeit zu Tage brachte, musste schwere Gegenschläge hinnehmen.6 Die

    Bedrängnis des alten Weltreiches Assyrien kommt von drei Seiten: Es sind

    zunächst die Skythen7, die Steppenreiter aus den Gebieten Kasachstans, die

    scharenweise in das assyrische Reich eindringen. Gleichzeitig sind es die

    Meder, die sich entlang dem Tigris vorkämpfen. Und schließlich entsteht in

    Babel unter Nabopolassar das Neubabylonische Reich, das eine ernste Gefahr

    für Assyrien darstellt.

    Im Jahre 626 v. Chr. erobern die Chaldäer8 (das sind die Babylonier) unter

    Nabopolassar Babel9. Das ist eine leichte Angelegenheit, denn Babel hat zu

    dieser Zeit keinen assyrischen Statthalter. Nabopolassar, einst ein Offizier des

    assyrischen Heeres, lässt sich in Babel als „König von Akkad“ ausrufen. Als

    historische Quelle für den Untergang Assyriens liegt uns die Babylonische

    Chronik vor.10

    Die Meder erobern 614 v. Chr. die frühere Hauptstadt Assyriens, nämlich

    Assur am Tigris. Auch die Babylonier marschieren heran, aber als sie Assur

    5so GBL, Bd. I, 125f.; auch Illustrated Bible Dictionary, volume I, p. 134

    6 In der Wiener Lesebibel muss es wohl in der Fußnote zu Esra 4,10 Assurbanipal heißen

    7 Sogar in Israel wurden aus jener Zeit skythische Kunstgegenstände gefunden (E. H. Merrill:

    Die Geschichte Israels, 672). Herodot berichtet, dass die Skythen nicht nur die Assyrer

    bedrängten, sondern auch die Meder. Sie drangen sogar bis nach Ägypten vor, so dass sie

    verheerend durch Syrien, Israel und durch das Philisterland zogen und die Stadt Askalon

    eroberten. 28 Jahre lang dauerte ihr Einfall. Allerdings konnten sie Babylon nicht erobern und

    auch die Meder konnten sie auf die Dauer nicht zurückdrängen (Herodot: Historien, Buch I,

    103-107, Deutsche Gesamtausgabe, Stuttgart, 1971). R. K. Harrison listet eine ganze Reihe

    von Auslegern auf, die den Angriff „von Norden her“ unter anderem auf die Skythenheere

    deuten. Dazu gehören B. Duhn; C. Steuernagel; O. Eissfeldt; C. F. Keil; P. Volz; J. Meinhold;

    F. Nötscher; F. Horst; K. Elliger (Harrision: Introduction to the Old Testament, Grand Rapids,

    MICHIGAN, 1982, 803f.).

    Ob allerdings der Prophet Jeremia mit dem uralten Volk, dessen Sprache Israel nicht kennt

    (Jer. 5,15f.) und das auf Pferden daher galoppiert (Jer. 6,23) die Skythen meint, bleibt

    fraglich. 8 Chaldäer ist ein alter Name für die Babylonier.

    9 Zur chronologischen Darstellung der Geschichte Babyloniens vergleiche Fischer

    Weltgeschichte: Die Altorientalischen Reiche, Bd. III, 1984, 93-111. 10

    Jepsen, a.a.O., 182-199. Hier mit Quellenzitaten. Allerdings gibt es zwischen 622-617 v.

    Chr. in den babylonischen Chroniken eine Lücke.

  • 8

    erreichen, ist sie bereits von den Medern erobert. Nabopolassar von Babylon

    und der Mederkönig Kyaxares11

    schließen ein Bündnis miteinander.

    Im Juli / August des Jahres 612 v. Chr. koordiniert die medisch-babylonische

    Koalition ihre Anstrengungen mit mehr Geschick und schlägt Ninive am Tigris,

    die Hauptstadt Assyriens, nach dreimonatiger Belagerung. Die letzten Assyrer

    ziehen sich nach Haran (Ḥarran) zurück.

    Schon der biblische Prophet Nahum weissagt den Untergang Ninives voraus.

    Obwohl Ninive zunächst Buße tut, und zwar unter dem von Gott gesandten

    Mann Jona im 8. Jh. v. Chr., so treibt sie doch Jahrhunderte später wiederum

    Götzendienst. Das Thema des Prophetenbuches Nahum lautet auch deshalb:

    „Das große Gericht über Ninive“. Das Buch beginnt mit der Aussage: "Dies ist

    die Last über Ninive und das Buch der Weissagung Nahums" (Nah. 1,l).

    Der letzte selbstdesignierte König Assyriens Assurballit (Aššur-uballit) regiert

    noch zu Haran12

    . Im Jahre 610 v. Chr. marschieren die Babylonier gegen Haran

    heran, müssen aber wiederum auf die Ankunft der Meder warten, bevor sie die

    Stadt erobern können. Beim Herannahen der Alliierten gibt Assurballit mit

    seinen Truppen und einigen vom Pharao entsandten Hilfskontingenten Haran

    auf und zieht sich auf die Westseite des Euphrat zurück. Einige Monate später

    (609 v. Chr.) setzt Assurballit, diesmal mit der Hilfe des neuen Pharao, Necho

    II., der ihm stärkere ägyptische Einheiten gesandt hatte, wieder nach Osten über

    den Euphrat, um seine Hauptstadt wiederzugewinnen. Er belagert sie zwei

    Monate, aber vergebens. Noch bevor Nabopolassar seiner Garnison in Haran zu

    Hilfe kommt, waren die Belagerer schon zurückgeworfen und geschlagen. Was

    mit Assurballit weiter geschieht, wissen wir nicht. Die babylonische Chronik

    erwähnt seinen Namen nicht mehr. Jedenfalls gibt es fortan kein Assyrien mehr.

    Merrill konstatiert lakonisch: „So verließ Assyrien die Bühne der Weltgeschichte

    nach fast 1200-jähriger Existenz als Nation.“13

    Babylon steht nunmehr der

    Nation Ägypten gegenüber, die die Rolle der Assyrer am Euphrat übernommen

    hat.

    11

    So lautet der griechische Name des Mederkönigs. In der babylonischen Chronik wird er

    „Umakischtar“ genannt. 12

    Die Stadt Haran (auch Harran) liegt ca. 32 km südöstlich von Urfa (Edessa) in der heutigen

    Türkei am Fluss Balich, an der Hauptverbindungsstraße von Ninive nach Aleppo. 13

    E. H. Merrill, a.a.O., 647

  • 9

    Josia, Pharao Necho und die Schlacht von Karkemisch

    Kann der Stamm Juda des Südreiches Israel aufatmen, nachdem das Weltreich

    Assyrien untergegangen war? Sie haben doch nun nichts mehr zu befürchten? Es

    kommt anders. Während Assyrien schwächer wird, kann Ägypten erstarken.

    Necho II. ist Pharao14

    der 26. Dynastie in Ägypten um 610-595 v. Chr.15

    "Zu seiner Zeit zog Pharao Necho, der König von Ägypten, herauf gegen den

    König von Assyrien an den Strom Euphrat", so heißt es in der biblischen

    Berichterstattung (2.Kö. 23,29). Und in 2.Chron. 35,20 heißt es: „Nachdem aber

    Josia das Haus des HERRN hergerichtet hatte, zog Necho, der König von

    Ägypten, herauf, um Krieg zu führen bei Karkemisch am Euphrat…“

    Warum aber ist Pharao Necho so sehr an dem Fluss Euphrat interessiert? Dieser

    Fluss durchzieht Mesopotamien als eine wichtige strategische Linie. Am

    Euphrat liegt die Stadt Karkemisch. Diese will Necho erobern, um dann einen

    Stützpunkt gegen die Babylonier zu haben (609 v. Chr.). Der Bericht aus

    2.Kö. 23,29 ist wahrscheinlich in dem Sinne zu interpretieren, dass Necho

    Karkemisch erobern will, um den letzten Assyrern eine Hilfe anzubieten gegen

    die babylonische Front und um auch selber die Vorherrschaft über Syrien und

    Israel nicht zu verlieren. Die Präposition „gegen“ (den König von Assyrien) ist

    zunächst im Sinne von „in Richtung auf“ zu deuten, was auch die hebräische

    Präposition „‘al“ (l[;) zulässt.16 In diesem Sinne auch die Elberfelder-

    Übersetzung: „In seinen Tagen zog der Pharao Necho, der König von Ägypten,

    zum König Assur hinauf, an den Strom Euphrat…“ (2. Kö. 23,29).

    Andererseits kann es auch sein, dass Pharao Necho zunächst den Assyrern hilft,

    um eine starke Front gegen die Babylonier aufzustellen, dann aber Assyrien

    fallen lässt, weil sie in Haran dem Druck gegen die Babylonier nicht statt halten.

    14

    Necho II. war der erste Pharao, der für Ägypten eine Seestreitmacht aufbaute. Da die

    Ägypter über vergleichsweise wenig nautische Erfahrung verfügten, rekrutierte er die

    Besatzungen im Wesentlichen aus Griechen und Phöniziern. Er begann auch das Projekt eines

    schiffbaren Kanals zwischen dem Roten Meer und dem pelusischen Nilarm. Außerdem

    veranlasste er verschiedene Entdeckungsfahrten, zum Beispiel die Erstumsegelung Afrikas im

    Jahr 596 v. Chr. Vom Roten Meer aus segelte die Mannschaft vorbei an Ostafrika zum Kap

    der guten Hoffnung, von dort weiter an der Küste Westafrikas entlang, um dann durch die

    „Säulen des Herakles“ (zwischen Gibraltar und Marokko) ins Mittelmeer einzubiegen,

    Richtung Ägypten (Herodot: Historien, IV, 42). 15

    C.de Wit in: GBL, Bd. II, 1041f. 16

    D.J.Wiseman in: GBL, Bd. I, 131. Idem Jepsen, a.a.O., 189.

  • 10

    Pharao Necho rechnet vielleicht damit, dass er den Norden noch für sich allein

    gewinnen kann.

    Auf dem Wege nach Karkemisch jedoch wird das Heer des Pharaos bei

    Megiddo (im Norden Israels) durch die Truppen des Josia am Weitermarsch

    gehindert. Josia, König und Reformator des jüdischen Stammes Juda, denkt, er

    könnte den Nachbarn besiegen. Es war nicht der Wille Gottes, dass Josia gegen

    Ägypten Krieg führen sollte. Gott war mit Pharao heißt es in 2. Buch Chronik,

    Kapitel 35, Vers 21. Gott spricht sogar zu Pharao Necho. Deshalb sendet er

    Boten zu Josia mit der Botschaft: "Lass ab von Gott, der mit mir ist, dass ich

    dich nicht verderbe" (2.Chron. 35.21). Josia aber weist die Mahnung ab. Und

    diese Unterlassung wird ihm zum Verhängnis. Es kommt zu einer Schlacht,

    wobei die Schützen des ägyptischen Heeres den Josia so schwer verwunden,

    dass er an den Folgen stirbt (2.Chron. 35.22-24).17

    Daraufhin zieht Necho weiter

    nach Karkemisch (609 v. Chr.). Für eine kurze Zeit kann er sogar die Stadt

    einnehmen (607 v. Chr.).

    Necho seinerseits hat keine Zeit, um sich um die Neuordnung Judäas, dem

    Südreich Israels, zu kümmern. So machen die Judäer Joahas, einen Sohn Josias,

    zum König. Als aber Necho drei Monate später zurückkehrt, lässt er Joahas zu

    sich nach Ribla in Syrien kommen, bindet ihn und führt ihn nach Ägypten, wo er

    gestorben ist (2.Kö. 23,33; Jer. 22,11-12; Hes. 19,3-4). An seiner Statt erhebt

    Necho einen anderen Sohn Josias, Jojakim, zum König über Juda und

    Jerusalem, von dem er sich besseren Gehorsam verspricht. Juda muss einen

    hohen Tribut zahlen und wird damit Vasallenstaat Ägyptens. In diese Zeit (die

    Monate zwischen Herbst 609 und Frühjahr 608 v. Chr.) spricht die Tempelrede

    Jeremias (Jeremia Kapitel 26) hinein, eine Rede, die das jüdische Volk gerade

    jetzt vor falscher Sicherheit warnen und zur Umkehr rufen will.

    Pharao Necho kann aber nicht lange Karkemisch halten.

    Im Mai / Juni 605 v. Chr. führt der babylonische Kronprinz Nebukadnezar

    (Nabu-kudurri-usur) seine Truppen in einem Überraschungsangriff in die Stadt.

    Die Ägypter werden in einem Kampf Mann gegen Mann in und außerhalb der

    Stadt vernichtend geschlagen und bis nach Hamat verfolgt.18

    Der Prophet

    Jeremia berichtet von dieser entscheidenden Schlacht:

    „Dies ist das Wort des HERRN, das zu dem Propheten Jeremia geschehen ist wider alle Völker.2 Wider Ägypten. Wider das Heer des Pharao Necho, des

    17

    Der Prophet Jeremia schrieb zu Ehren Josias Klagelieder (2.Chron. 35,25). 18

    D. J. Wiseman in: GBL, II, 768

  • 11

    Königs von Ägypten, welches lagerte am Euphratstrom bei Karkemisch und das Nebukadnezar, der König von Babel, schlug im vierten Jahr Jojakims, des Sohnes Josias, des Königs von Juda“ (Jeremia 46, 1-2 LUT).

    Die Zerschlagung Ägyptens am Euphrat verkündigt der Prophet Jeremia sogar

    als Tag Gottes, das heißt als ein beginnendes Gericht über das Weltreich

    Ägypten:

    „Denn dies ist der Tag Gottes, des HERRN Zebaoth, ein Tag der Vergeltung, dass er sich an seinen Feinden räche, wenn das Schwert fressen und von ihrem Blut voll und trunken werden wird. Denn sie müssen Gott, dem HERRN Zebaoth, ein Schlachtopfer werden im Lande des Nordens am Euphratstrom“ (Jeremia 46,10 LUT).

    Im Jahre 601 v. Chr. versucht Nebukadnezar sogar das Land Ägypten

    einzunehmen, aber das gelingt ihm nicht. Die Schlacht endet unentschieden. 597

    v. Chr. ist Ägypten sogar so sehr geschwächt, dass es in der biblischen

    Berichterstattung heißt:

    „Und der König von Ägypten zog nicht mehr aus seinem Lande; denn der

    König von Babel hatte ihm alles genommen, was dem König von Ägypten

    gehörte, vom Bach Ägypten bis an den Strom Euphrat“ (2. Könige 24,7 LUT).

    Nebukadnezar II. wird König des Neubabylonischen Reiches

    In Karkemisch erfährt Nebukadnezar, dass sein Vater Nabopolassar am 17.

    August 605 v. Chr. gestorben ist. Er kehrt in Gewaltmärschen nach Babylon

    zurück und wird sogleich zum neuen König von Babylon ausgerufen (605 – 562

    v. Chr.). Im Herbst desselben Jahres zieht der neue babylonische König sogleich

    nach Syrien (605-604 v. Chr.). Ohne großen Widerstand durchzieht

    Nebukadnezar Syrien und auch Israel. Jedes Jahr befindet sich Nebukadnezar

    auf einem Feldzug, so berichten die babylonischen Chroniken, die 594 v. Chr.

    plötzlich abbrechen. Danach erfährt man über das Leben Nebukadnezars nichts

    mehr. Wir müssen in anderen Quellen weitersuchen, wenn wir etwas über das

    Leben Nebukadnezars erfahren möchten. Die Bibel ist eine gute Quelle, denn sie

    berichtet häufig über ihn.

    Stationen der Wegführung Judas in die Babylonische Gefangenschaft

    Die Wegführung (Deportation) Judas erfolgt in drei Schritten.

  • 12

    Alle drei Deportationen werden durch den babylonischen König

    Nebukadnezar durchgeführt.

    Die drei letzten Könige Judas heißen Jojakim, Jojachin und schließlich

    Zedekia.

    Die Zerstörung Jerusalems und die Verbrennung des Tempels wird auf das

    Jahr 586 v. Chr. festgelegt.19

    Die babylonische Gefangenschaft des Stammes Juda dauert 70 Jahre (Jer.

    25,11).

    Über die Zerstörung Jerusalems wird in folgenden Büchern berichtet: 2.Kö.

    25; 2.Chron. 36; Jeremia 39 und 52.

    Die erste Deportation der Israeliten aus Judäa

    Die erste Deportation wird durch Nebukadnezar durchgeführt. Jojakim regiert

    zu dieser Zeit über Juda (609-597 v. Chr., vgl. Jer. 25,1).20

    Er war noch von

    dem Pharao Necho eingesetzt worden (2.Kö. 23,34). Doch nachdem der

    babylonische König Nebukadnezar die Ägypter vernichtend geschlagen

    hatte, kontrolliert dieser auch die judäischen Gebiete. Als Jojakim gegen Babel

    rebelliert (2.Kö. 24,1), schickt Nebukadnezar zunächst Heere aus dem Norden

    gegen Jerusalem (2. Kö. 24,2). Jerusalem wird erobert, Schätze aus dem

    salomonischen Tempel werden entwendet und nach Babel in den Götzentempel

    gebracht (2.Chron. 36,7; Daniel 1,2). Auch einige Bürger Jerusalems werden

    nach Babel gebracht. Unter diesen ersten Gefangenen ist auch Daniel (Dan.

    1,1-6). Die erste Deportation geschieht ca. 605 v. Chr., denn Daniel spricht

    nach babylonischer Zeitrechnung vom dritten Regierungsjahr Jojakims, als

    Nebukadnezar Jerusalem angriff und einige Einwohner deportiert (Dan. 1,1.6) –

    in Jer. 25,1 und 46,1 wird wohl die jüdische Zeitrechnung verwendet („im

    vierten Jahr Jojakims“). Während dieser Zeit weissagen die Propheten

    Jeremia und Habakuk in Juda. Und wie gesagt, auch Daniel hat es in Babel mit

    dem König Nebukadnezar zu tun. Davon berichten die ersten vier Kapitel des

    Danielbuches. Daniel deutet einen Traum Nebukadnezars, der ihm entfallen

    war. Es war ein Bild von den vier Weltreichen (Babel, Persien, Griechenland

    und Rom).

    19

    andere 587 v. Chr. 20

    Die Regierungsdaten können in der Literatur unterschiedlich sein, weil es in den

    verschiedenen Ländern im Vorderen Orient unterschiedliche Kalender gab. Eugene H.

    Merrill: Die Geschichte Israels (S. 755) hat folgende Daten: Jojakim (608-598), Jojachin

    (598-597), Zedekia (597-586). Kenneth A. Kitchen: Das Alte Testament u. der Vordere

    Orient (S. 41): Jojakim (609-598), Jojachin (598-597, 3 Monate), Zedekia (597-586).

  • 13

    Die zweite Deportation der Israeliten aus Judäa

    Die zweite Deportation erfolgt ebenfalls durch Nebukadnezar, während

    Jojachin über Juda regiert. Er regiert nur 3 Monate über Jerusalem (2.Kö. 24,8).

    Als die babylonischen Heere Jerusalem belagern, bekommt Jojachin es mit

    der Angst zu tun und geht freiwillig aus der Stadt heraus, zusammen mit seiner

    Mutter, um sich zu ergeben. Jojachin wird zusammen mit den obersten 10.000

    nach Babel geführt (2.Kö. 24,10-16). Auch weitere Schätze aus dem Hause des

    Herrn werden geraubt, wie der Prophet Jeremia es vorhergesagt hatte

    (Jer. 20,5). Unter den Gefangenen ist auch wahrscheinlich der Prophet Hesekiel

    (Hes. l, 1-2). Jedenfalls wird er zwischen der ersten und der letzten

    Deportation nach Babel verschleppt. Auf jeden Fall war Mardochai unter den

    Obersten 10.000, die nach Babel geführt werden (Esther 2, 5-6). Die zweite

    Deportation geschieht im Jahre 597 v. Chr.

    Babylonische Rationsliste mit dem Namen „Jojachin“

    Der judäische König Jojachin blieb in Babel am Leben. 18 Jahre alt war der

    König, als er 597 v. Chr. nach Babel geführt wurde, das war im 8.

    Regierungsjahr des Weltherrschers Nebukadnezar (2.Könige 24,8-16). Unter

    den Weggeführten waren auch seine Mutter, Frauen und Kinder. 37 Jahre lang

    war Jojachin in Babel gefangen. Dann kam er frei, und zwar nachdem der neue

    König Babyloniens Ewil-Merodach (babylonisch Awil-Marduk, 562-560 v.

    Chr.) den Thron bestiegen hatte (Jeremia 52,

    31-34). Im letzten Vers von Jeremia 52,34

    heißt es, dass Jojachin seinen Unterhalt

    bekommen hat. Für seine Versorgung gibt es

    in den babylonischen Rationslisten einen

    Hinweis. Dort heißt es auf der sogenannten

    „Tafel des Jojachin“:

    „10 Sila (Öl) für Jaukin (das ist Jojachin),

    König von Juda

    2 ½ Sila (Öl) für 5 Söhne des Königs von Juda

    4 Sila (Öl) für 8 Männer aus Juda.“21

    21

    K.A.Kitchen: Das Alte Testament und der Vordere Orient, S. 660.

    Abb. Tafel des Jojachin 592 v. Chr.: Vorderasiatisches Museum Berlin. Foto G. Stenzel in:

    Welt und Umwelt der Bibel 3/2005, S. 28.

  • 14

    Von dieser zweiten Deportation berichtet wiederum die

    babylonische Chronik22

    :

    „Im 7. Jahr (597 v. Chr.), im Monat Kislimu, bot der König

    von Akkad (Nebukadnezar) sein Heer auf und zog nach dem

    Lande Hatti (Syrien, Israel). Er belagerte die Stadt Judas (Ja-

    a-hu-du), nämlich Jerusalem, eroberte am 2. Tag des Monats

    Adaru die Stadt und nahm den König (das ist Jojachin)

    gefangen. Er setzte dort einen König nach seinem Herzen ein

    (Zedekia), empfing ihren schweren Tribut und schickte ihn

    nach Babylon.“23

    Nebukadnezar der Adler - Hesekiel 17

    Der Prophet Hesekiel bekommt von Gott den Auftrag, dem Volk Israel ein

    Rätsel (hebräisch „Ḥedah“) und ein Gleichnis (hebräisch „maschal“)

    vorzulegen. Auf dem Libanon steht eine große Zeder. Da kommt ein Adler

    (hebräisch „neser“), ergreift den Wipfel der Zeder und trägt ihn fort in das Land

    der Händler und in die Stadt der Krämer. Dann nimmt der Adler ein Gewächs

    des Landes und lässt es auf gutes Land nieder. Dieses Gewächs wird zu einem

    niedrigen Weinstock. Da kommt ein zweiter Adler, der zu dem Weinstock fliegt

    und der Weinstock ist dem zweiten Adler zugeneigt. Dann aber kommt der

    Ostwind (hebräisch „qadim“), so dass der Weinstock verdorrt.

    Der erste Adler ist Nebukadnezar. Er führt den judäischen König Jojachin 597 v.

    Chr. nach Babel, in das Land der Händler und in die Stadt der Krämer. Dann

    setzt Nebukadnezar „ein Gewächs des Landes ein“, das ist Zedekia aus dem

    königlichen Geschlecht Judas. Doch als Nebukadnezar sich wieder nach Babel

    zurückzieht, da kommt ein anderer Adler, das ist der Pharao von Ägypten und

    Zedekia verbündet sich mit ihm. Hätte das Volk Juda das Joch der Babylonier

    als göttliche Erziehungsmaßnahme akzeptiert (vgl. Jeremia 27,12), dann hätte

    sich der HERR zu ihnen gestellt und sie hätten Frieden und Wohlstand gehabt

    (Hes. 17,8). Doch weil sie wiederum auf Ägypten ihr Vertrauen setzen (Hes.

    17,15) und sich der Erziehung Gottes entziehen wollen, so wird Gott das Volk

    Juda in die babylonische Gefangenschaft führen (Hes. 17,21) und auch Zedekia

    wird nach Babel kommen und dort wird er gerichtet werden (Hes. 17,20).

    22

    Abb. Babylonische Chronik: Belagerung Jerusalems 597 v. Chr., in: Uwe Zerbst u. Peter

    van der Veen: Von Ur bis Nazareth – eine biblisch-archäologische Zeitreise, Holzgerlingen,

    2009, S. XII des Kataloges der archäologischen Ausstellung. 23

    Quelle bei Jepsen, a.a.O., 194

  • 15

    Die dritte Deportation der Israeliten aus Judäa

    Die dritte Wegführung geschieht ebenfalls unter Nebukadnezar. Zunächst hat er

    Zedekia, den Onkel Jojachins, zum König über Jerusalem gesetzt. Zedekia ist

    der letzte König Israels, der über das Südreich Juda regiert. Später hat Israel

    nie mehr einen König gehabt!

    Zedekia rebelliert gegen den babylonischen König (2.Kö. 24, 17-20). Daraufhin

    belagern die babylonischen Heere Nebukadnezars fast zwei Jahre lang die

    Stadt Jerusalem, so dass das Volk fast dem Hungertod erliegt (2.Kö. 25,1-3).

    Der Feldherr Nebukadnezars, der in der Bibel sogar mit Namen genannt

    wird, Nebusaradan, erobert dann die Stadt (2.Kö. 25,8). Im Jahre 586 v. Chr.

    fällt Jerusalem in die Hände der Babylonier. Die Stadt wird dem Erdboden

    gleich gemacht. Die letzten Schätze aus dem Tempel werden nach Babel

    gebracht (2.Kö. 25, 13-17). Danach wird der salomonische Tempel zerstört und

    verbrannt. Nachdem auch der königliche Palast verheert worden war, werden

    auch alle Häuser zu Jerusalem verbrannt (2.Kö. 25,9). Und schließlich werden

    die Stadtmauern niedergerissen (2.Kö. 25,10).

    Hesekiel 11,23 ist wohl ein Hinweis auf die Zerstörung des Tempels, denn es

    heißt dort, dass die Herrlichkeit des Herrn den Tempel verlässt.

    Zedekia wird nach Ribla geführt, wo sich augenblicklich Nebukadnezar aufhält.

    Vor seinen Augen werden seine Kinder getötet. Zedekia selbst wird geblendet,

    so dass er blind nach Babel geführt wird (2.Kö. 25,4-7). Auch der Prophet

    Hesekiel deutet auf diese Blendung hin (Hes. 12, 12-13).

    Nun wird auch der letzte Rest des Volkes nach Babel geführt (2.Kö. 25,11).

    Diese dritte Deportation ist somit auch die letzte.

    Im Juni 2007 gelang dem Wiener Altorientalisten

    Michael Jursa im Britischen Museum ein einmaliger

    Fund. Beim Sichten der Tontafeln stieß er auf einen

    Namen, der aus dem Alten Testament bekannt ist: Nabu-

    sharrussu-ukin (so der babylonischer Name).24

    Gemäß dem Text auf dem Täfelchen hat er im Jahr 595

    v.Chr., im zehnten Regierungsjahr von König Nebukadnezar II. 0,75 Kilogramm

    Gold für einen babylonischen Tempel gespendet.

    Dieser Nabu-sharrussu-ukin wird in der Bibel im Buch Jeremia erwähnt: Im 39.

    Kapitel, wird in Vers 3 ein „Samgar-Nebu-Sar-Sechim“ (ELB u. ZUR25

    ) erwähnt.

    Es handelt sich um denselben Namen in etwas anderer Schreibweise. „Samgar-

    24

    Abb. Keilschrifttafel mit dem Namen Nabu-sharrussu-ukin im Britischen Museum. Foto

    Iban Jones in: The Telegraph vom 11.07.2007. 25

    ELB = rev. Elberfelder Übersetzung. ZUR = Zürcher Bibel.

  • 16

    Nebu-Sar-Sechim“ (Nabu-sharrussu-ukin) war einer der obersten babylonischen

    Heerführer bei der Eroberung Jerusalems im Jahr 586 v. Chr.26

    Nach der Zerstörung Jerusalems dürfen einige Weingärtner und Landwirte in

    Juda bleiben (2.Kö. 25,12). Über diese setzt Nebukadnezar den Despoten

    Gedalja (2.Kö. 25,22). Nebukadnezar befiehlt dem Gedalja, dass er den

    Propheten Jeremia aus dem Gefängnis holen soll. Jeremia darf selbst

    entscheiden, wo er bleiben will. Soll er mit den Gefangenen nach Babel gehen

    oder soll er zu Jerusalem bleiben? Jeremia entscheidet sich für Jerusalem (Jer.

    39, 11-14; 40, 1-16). Während dieser Zeit schreibt Jeremia wohl die Klagelieder.

    Er klagt über die Zerstörung Jerusalems (Klg. 1,1; 2,8).

    Einige Leute von dem Überrest des Volkes, die in Juda bleiben durften, zetteln

    einen Aufstand gegen Gedalja an. Er wird in Mizpa ermordet (2.Kö. 25,22-26

    und Jer. 41). Jeremia warnt nun das Volk, nach Ägypten zu ziehen, denn dort

    würde es ihnen noch schlechter ergehen als wenn sie in Juda bleiben würden

    (Jer. 42, 9-16).

    Doch das Volk flieht nach Ägypten, und sie nehmen Jeremia mit dorthin (Jer.

    43,6-7). Dort finden sie Asyl. Doch Jeremia prophezeit ihnen den Untergang

    (Jer. 44,12). Denn Nebukadnezar wird Ägypten schlagen und somit auch die

    Juden (Jer. 43,9-13). Ein kleiner Überrest wird dennoch bleiben (Jer. 44,28).

    Für diese ägyptischen Juden wird später die hebräische Bibel ins Griechische

    übersetzt, da sie die hebräische Sprache nicht mehr beherrschen werden. Diese

    Übersetzung nennt man die Septuaginta.

    Die jüdischen Exilanten (hebräisch die „Gola“, Hesekiel 1,1), die am Fluss (oder

    Kanal) Kebar südöstlich von Babel (in der Nähe von Nippur) angesiedelt

    werden (Hesekiel 1,1-3), dichteten dort in ihrer Trauer den 137. Psalm.

    An den Wassern zu Babel saßen wir und weinten, wenn wir an Zion gedachten. Unsere Harfen hängten wir an die Weiden dort im Lande. Denn die uns gefangen hielten, hießen uns dort singen und in unserm Heulen fröhlich sein: »Singet uns ein Lied von Zion!« Wie könnten wir des HERRN Lied singen in fremdem Lande?

    26

    http://www.telegraph.co.uk/news/uknews/1557124/Tiny-tablet-provides-proof-for-

    Old-Testament.html vom 11.07.2007.

    http://www.telegraph.co.uk/news/uknews/1557124/Tiny-tablet-provides-proof-for-Old-Testament.htmlhttp://www.telegraph.co.uk/news/uknews/1557124/Tiny-tablet-provides-proof-for-Old-Testament.html

  • 17

    Vergesse ich dich, Jerusalem, so verdorre meine Rechte. Meine Zunge soll an meinem Gaumen kleben, wenn ich deiner nicht gedenke, wenn ich nicht lasse Jerusalem meine höchste Freude sein. HERR, vergiss den Söhnen Edom nicht, was sie sagten am Tage Jerusalems: »Reißt nieder, reißt nieder bis auf den Grund!« Tochter Babel, du Verwüsterin, wohl dem, der dir vergilt, was du uns angetan hast! Wohl dem, der deine jungen Kinder nimmt und sie am Felsen zerschmettert! (Psalm 137,1-9 LUT).

    Die monumentalen Bautätigkeiten Nebukadnezars

    Die alte und berühmte Stadt am Euphrat im Alten Orient wird im Alten

    Testament „Babel“ genannt, im Neuen Testament „Babylon“.

    Der akkadische Name „babili“ kann mit „Göttertor“ übersetzt werden. Das Alte

    Testament leitet den Namen „Babel“ von „balal“ ab mit der Bedeutung

    „verwirren“. In Daniel 4,27 lesen wir von einem Ausspruch Nebukadnezars:

    "Das ist das große Babel, das ich erbaut habe ..."

    Doch der lebendige Gott kündigt durch den Propheten Jeremia den Untergang

    Babels an. In diesem Gerichtswort ist von „hohen Toren“ die Rede:

    „Die Mauern des großen Babel sollen geschleift und seine hohen Tore mit Feuer

    verbrannt werden…“, heißt es im Propheten Jeremia, Kapitel 51, Vers 58.

    Im gleichen Kapitel lesen wir auch von dem Reichtum dieser Stadt, die an dem

    berühmten Fluss Euphrat liegt: „Die du an großen Wassern wohnst und große

    Schätze hast, dein Ende ist gekommen, dein Lebensfaden wird abgeschnitten“

    (Jeremia 51,13). Die großen Wasser sind ein Hinweis auf das Zweistromland,

    auf die Flüsse „Euphrat und Tigris“. Weil Babylon sich im Jahre 586 v. Chr.

    über die Maßen hinaus an Jerusalem vergangen hat (vgl. Jeremia 51, 19-25),

    weil das Land ein Götzenland ist (Jeremia 50,38) und weil es sich am Heiligen

    Israels verschuldet hat (Jeremia 50,14; 51,5), darum kommt das Gericht über das

    Land Babylonien und über die Stadt Babel. Babel soll verwüstet werden und

    unbewohnt bleiben (Jeremia 50,13.39). Diese Prophezeiung hat sich in späterer

    Zeit erfüllt. Babel verlor mehr und mehr an Bedeutung. Alexander d. Gr. hatte

    dort residiert, aber das war nur von kurzer Dauer. In der römischen Zeit verfällt

    die Stadt ganz und gar. Sippenverbände siedeln sich in kleinen Ortschaften rings

    um das antike Babel an. Sie nehmen die alten Ziegel der Stadt und bauen damit

    ihre Häuser auf.

  • 18

    Herodot (490 – 424 v. Chr.) berichtet in seinen Historien über die gewaltige

    Größe und majestätische Schönheit der Stadt Babel (1.Buch, Kapitel 180-181):

    „Die Stadt selber zerfällt in zwei Teile. Mitten hindurch fließt nämlich der

    Strom, der den Namen Euphrat trägt und in Armenien entspringt, ein großer,

    tiefer, reißender Strom. Er mündet in das Rote Meer. Auf beiden Seiten ist die

    Mauer bis an den Fluss geführt; von dort aus zieht sich an beiden Flussufern

    eine Ziegelsteinmauer entlang. Die Stadt selber hat durchweg dreistöckige und

    vierstöckige Häuser und wird von geradlinigen Straßen durchzogen, die teils in

    der Richtung des Stromes, teils quer auf den Fluss zu laufen. Jeder dieser

    Querstraßen mündet in ein Tor in der Backsteinmauer längs des Flusses, so dass

    die Zahl dieser Tore gleich der der Querstraßen ist. Auch diese Tore waren aus

    Erz und führten an den Strom hinab. Diese Außenmauern sind gleichsam der

    Panzer der Stadt. Innen läuft aber noch eine zweite Mauer herum, die nicht

    wesentlich schwächer, aber von geringerer Ausdehnung ist. In der Mitte jeder

    Stadthälfte steht ein gewaltiges Gebäude, in der einen der Königspalast, von

    einer hohen starken Mauer umgeben, in der anderen der Tempel der Gottheit

    Belos mit ehernen Toren, der sich bis auf unsere Zeit erhalten hat.“

    Während Herodot seine Historien schreibt, ist die Stadt Babel bereits zerstört.

    Auch hat er wohl selber die Ruine nicht besucht. Seine Beschreibungen

    entstammen ebenfalls schriftlichen Quellen. Allerdings übertreibt Herodot an

    einigen Stellen, zum Beispiel was die Maße Babels anbetrifft.

    Johannes Gustav Robert Koldewey (1855-1925), Architekt und Archäologe aus

    Blankenburg, war ab 1899 insgesamt 18 Jahre lang mit der Ausgrabung Babels

    beschäftigt. Koldewey legte die Festungsmauern frei, das Ischtator mit der

    anschließenden Prozessionsstraße, den Palast Nebukadnezars, das Marduk-

    Heiligtum, den berühmten Stufenturm (Zikkurat mit dem Namen Etemenanki)

    von Babel und eine botanische Anlage, die vielleicht ein Hinweis auf die

    „Hängenden Gärten der Semiramis“ sein könnte. Die "Hängenden Gärten der

    Semiramis", benannt nach der Gattin Nebukadnezars, zählt man zu den "Sieben

    Weltwundern".

    Die Mauern

  • 19

    Nebukadnezar sicherte die von ihm neu erbaute Stadt27

    mit Mauern und

    Wassergräben. Er schuf damit eine Festung, die für die damalige Zeit

    unbesiegbar war. Babylon war nicht nur die größte Stadt des Orients, sondern

    auch die am besten gesicherte Stadt der Welt.

    Wie viele Herrscher, trachtete auch Nebukadnezar danach, sich die schönsten

    Paläste zu errichten, die herrlichsten Reliefs herstellen zu lassen und den

    reichsten Schmuck zu besitzen. Und seine Palast-Stadt mit ihren emaillierten

    und bunten Ziegelreliefs ist wirklich als eine Augenweide anzusehen.

    Als Nebukadnezar das Herrscheramt übernahm, setzte er die Bautätigkeit seines

    Vaters noch energischer und betriebsamer fort. Babylon lag am Ostufer des

    Euphrat; am anderen Ufer gab es noch einen Vorort. Die Stadt hatte einen

    Umfang von 18 km.

    Das gesamte Areal der Stadt bestand aus verschiedenen Stadtteilen: aus einer

    Innenstadt (Altstadt), einer Außenstadt und auf der Westseite des Euphrats die

    Weststadt (Neustadt). Babylon wurde von mehreren Mauerreihen geschützt. Die

    innerste Mauer hatte einen Durchmesser von 3,72 Metern, die nächste, mittlere

    Mauer hatte eine Stärke von 6,50 Metern. Die dritte Mauer, die Außenmauer,

    hatte eine Stärke von bis zu 8 Metern. Die Mauern waren mit Wehrtürmen

    versehen.

    Ischtar-Tor

    27

    Zur Bautätigkeit Nebukadnezars vergleiche A. Millard: Schätze aus biblischer Zeit, S. 131-

    138. Ferner: Fischer Weltgeschichte: Die Altorientalischen Reiche III: Das neubabylonische

    Reich, S. 100-102. Auch: Flavius Josephus: Jüdische Altertümer, Buch X. Und: Herodot:

    Historien: 1. Buch. Außerdem: Welt und Umwelt der Bibel, Nr. 37, 10. JG, 3/2005.

  • 20

    Acht Stadttore, die als Tor-Gebäude konstruiert waren, führten in die Stadt

    hinein.

    Jeder, der die innere Stadt betreten will, durchschreitet eines dieser imposanten

    Tore. Am prachtvollsten ist das Ischtar-Tor, das neben dem Palast im Norden

    liegt (ein Modell ist im Pergamon-Museum in Berlin zu sehen). Nebukadnezar

    erneuert das Ischtar-Tor dreimal. Jedes Mal schmückt man die Ziegelmauern mit

    reliefartigen Tierfiguren (Stiere, Löwen und Drachen). Bei den letzten

    Bauarbeiten hat man die Ziegel sogar glasiert: Gelbe und braune Tiere zeigen

    sich auf einem blauen Hintergrund28

    .

    28

    Abb. Ischtar-Tor: wikimedia.org vom 15.02.2013.

  • 21

    Prozessionsstraße

    Babylon war ein modernes Beispiel für eine Stadt mit geraden Straßen, die sich

    ungefähr im Winkel von 90 Grad miteinander kreuzen und die sich

    untereinander durch ein exaktes Straßennetz verbinden. Die Hauptstraße ist die

    Prozessionsstraße. Die Straße ist mit weißem Kalkstein gepflastert. Jeder Stein

    ist über einen Quadratmeter groß. Am Rand liegen weiß und rot geäderte Steine.

    In nicht wenigen Steinen ist der Name Nebukadnezar eingemeißelt.

    Von Norden her kommend näherte

    sich der Reisende dem großen Ischtar-

    Tor. Die Prozessionsstraße29

    stieg

    zum Tor hin sanft an und war von

    mächtigen Mauern auf beiden Seiten

    abgesichert. Die Mauern der

    Prozessionsstraße waren mit glasierten

    Ziegeln verkleidet. Auf beiden Seiten

    säumte eine lange Reihe von Löwen

    auf blauem Grund den Weg des

    Besuchers. Die Löwen waren Symbol

    der Macht. War man durch das

    Ischtar-Tor-Gebäude hindurchgegangen, befand sich sogleich auf der rechten

    Seite der Nord-Palast Nebukadnezars. Von dort aus führte die 24 Meter breite

    Prozessionsstraße 900 weiter in gerader Richtung zum Tempelgebäude der

    Gottheit Marduk (gewöhnlich „Bel“ = Herr genannt). Bei diesem

    Tempelgebäude des Marduk handelt es sich um einen Stufenturm namens

    „Etemenanki“, den Nebukadnezar hatte erbauen lassen.

    Insgesamt hatte die Stadt 53 Tempel.

    29

    Abb. Prozessionsstraße. Modell Berlin Pergamon Museum. wikimedia.org. 16.06.2008.

  • 22

    Zikkurat (Etemenanki)

    Berühmt ist der Stufenturm

    (die Zikkurat).30

    Beim

    Stufenturm stehen mehrere

    quadratische Gebäude

    übereinander. Die Zikkurat

    trägt in Babylon den Namen

    „Etemenanki“ („Haus der

    Fundamente von Himmel und

    Erde“). Der Grundriss ist

    quadratisch. Eine Seitenlänge

    beträgt etwa 90 Meter (nach

    einem Satellitenfoto). Die Höhe des Gebäudes betrug nach dem Zeugnis einer

    Tontafel aus Uruk 91 Meter. Oben stand ein Heiligtum. Man nimmt an, dass die

    Zikkurat in Babylon zur Zeit Nebukadnezars eine Nachbildung des Turms zu

    Babel gewesen sein könnte, beziehungsweise, dass der Turm zu Babel (1. Mose

    11) einer Zikkurat ähnlich war.

    Auf der sogenannten Schøyenstele aus der Zeit Nebukadnezars ist die Zikkurat

    mit sieben Stufen in Seitenansicht zu erkennen. Rechts steht Nebukadnezar mit

    seinem kegelförmigen Hut, ein Speer in der linken Hand und eine Schriftrolle

    mit den Wiederaufbauplänen der Zikkurat in der rechten. Seine königliche

    Inschrift lautet:

    „Etemenanki - ich habe ihn zum Wunder für die Völker der Erde gemacht, ich

    habe seine Spitze zum Himmel ragen lassen, Türen für die Pforten gemacht und

    ihn mit Bitumen und Ziegeln ummantelt.“31

    30

    Abb. Etemenanki: Rekonstruktion nach R. Koldewey.1919.wikimedia.org. 29.01.2011. 31

    Welt und Umwelt der Bibel 3/2005, S. 16.

  • 23

    Hängende Gärten der Semiramis

    Johannes Koldeway konnte nur Vermutungen über den Ort der „Hängenden

    Gärten“ anstellen.32

    Was wir bis heute haben, sind nur schriftliche

    Aufzeichnungen (u.a. von Berossos, Josephus, Strabon, Philon von Byzanz).

    Eigentlich müssten wir von den „Hängenden Gärten“ Nebukadnezars sprechen,

    da die babylonische Königin Semiramis 200 Jahre vor Nebukadnezar gelebt

    hat.33

    Über die Hängenden Gärten34

    schreibt der griechische Erfinder vieler

    Antikautomaten Philon von Byzanz (200 v. Chr.) in seinem Buch „Über die

    Sieben Weltwunder“:

    Der sogenannte Hängende Garten hat den Bewuchs überirdisch und wird so in

    der Luft bebaut, wobei er mit den Wurzeln der Bäume wie ein Dach von oben

    den gewachsenen Erdboden überdeckt. Unten sind steinerne Säulen aufgestellt,

    so dass der ganze Ort durch die Pfeiler unterirdisch ist. Auf den Pfeilern liegen

    Palmen als Querbalken. Auf diese Querbalken ist viel tiefe Erde aufgeschüttet,

    und schließlich sind breitblättrige und insbesondere Gartenbäume gepflanzt,

    ebenso vielerlei Blumen aller Art. Bebaut wird der Ort wie der gewachsene

    Boden, ja er lässt den Anbau von Sprösslingen ähnlich wie festes Land zu. Diese

    Äcker also liegen über den Häuptern derer, die bei den Tragpfeilern

    umhergehen. Der Zufuhr von Wasser wird in Spiralen hinaufgedrückt, dabei

    fließt es durch

    mechanische Kräfte

    um die

    Schraubengänge

    der Maschinen. Es

    wird in zahlreiche

    große Bassins

    ausgeschüttet und

    bewässert den

    ganzen Garten,

    tränkt die

    Pflanzenwurzeln in

    der Tiefe und hält

    das Ackerland

    feucht, weshalb eben die Wiesen immer blühend und die Baumblätter, die an

    zarten Zweigen wachsen, taugenährt und windumweht sind.35

    32

    Die Assyrologin Stephanie Dalley vermutet die Hängenden Gärten in Ninive. 33

    „Semiramis“ war 200 Jahre vor Nebukadnezar Königin von Babel. Nebukadnezar ließ aber wohl die

    Hängenden Gärten für seine aus Medien stammende Frau Amyitis bauen. 34

    Abb. Hängende Gärten der Semiramis, Gemälde von Maarten van Heemskerck (1498-1574), wikimedia.org.

    25.02.2005. 35

    Welt und Umwelt der Bibel: Babylon: Stadt zwischen Himmel und Erde, 10.JG, Nr. 37,

    3/2005, S. 23. Siehe auch Flavius Josephus: Jüd. Alt. 10,223ff.

  • 24

    Götterstatue

    Herodot erwähnt noch eine hohe Götterstatue aus reinem Gold, die etwa 6 Meter

    hoch war (Herodot: Historien, Buch I, Kap. 184). Diese monumentale Statue

    erinnert an die Statue, die Nebukadnezar zur Anbetung errichten ließ (Daniel,

    Kapitel 3). Allerdings erreichte diese eine Höhe von 30 Metern (60 Ellen). Man

    sollte dabei beachten, dass das Ellenmaß in den verschiedenen Ländern

    unterschiedlich sein konnte.

    Die Stadt Tachpanches in Ägypten und Nebukadnezar

    Im Jahre 586 v. Chr. wird Jerusalem von Nebukadnezar eingenommen. Die

    Stadt und der Tempel werden zerstört und das Volk Juda in die babylonische

    Gefangenschaft gebracht. Nur ein paar Leute bleiben im Land. Diese fliehen

    schließlich nach Ägypten und nehmen den Propheten Jeremia mit.

    Zu dieser Zeit regiert der Pharao Hophra über Ägypten (Jer. 44,30).

    LUT Jeremiah 44,30 So spricht der HERR: Siehe, ich will den Pharao Hofra, den

    König von Ägypten, übergeben in die Hände seiner Feinde und derer, die ihm nach

    dem Leben trachten, gleichwie ich Zedekia, den König von Juda, übergeben habe in

    die Hand Nebukadnezars, des Königs von Babel, seines Feindes, der ihm nach dem

    Leben trachtete.

    Das 46. Kapitel des Propheten Jeremia bezieht sich auf zwei zeitlich aufeinanderfolgende

    Ereignisse. Die ersten zwölf Verse beziehen sich auf die Schlacht bei

    Karkemisch, wo das ägyptische Heer zum ersten Mal von Nebukadnezar

    geschlagen wird (605 v. Chr.).

    Die Verse 13 – 26 kündigen dann den Untergang Ägyptens an. Nebukadnezar

    wird eines Tages auch in Ägypten einfallen und das Land verheeren. Das

    geschieht dann 568 v. Chr.

    Jeremia 46, 1-12 - Erfüllung: 605 v. Chr.

    Jeremia 46, 13-26 - Erfüllung: 568 v. Chr.

  • 25

    In Ägypten teilt Jeremia die letzte Prophezeiung über Ägypten mit. In

    Tachpanches (im Nildelta gelegen) vergräbt er vor dem Hause Pharaos Steine

    und sagt, dass Nebukadnezar (605 – 562 v. C.) kommen wird, um hier seinen

    Thron zu errichten (Jer. 43, 8 – 13).

    Gründe für die Eroberung Ägyptens – die Götter Ägyptens

    Es sind die Götter Ägyptens, die verehrt werden (Jer. 43, 12-13).

    Da ist einmal „Seth“ (Bruder des Osiris), der Gott des Gewittersturmes, des

    Kampfes und der unfruchtbaren Wüste. Seit ältester Zeit wird er in der Gestalt

    eines Tieres dargestellt, dessen zoologische Art man nicht hat bestimmen

    können.

    In Ägypten war vor allen Dingen der Sonnenkult ausgeprägt. „Re“ war der

    Sonnengott. Die Sonne spendet das Leben.

    Besonders im Neuen Reich wird „Re“ oft mit dem falkenköpfigen Horachte

    identifiziert. Der Hauptkultort des Sonnengottes war Heliopolis (hebräisch On,

    hellenistisch Heliopolis im Nil-Delta oberhalb von Kairo, in Jer. 43,13 auch

    Beth Schemesch, Haus der Sonne, genannt).

    „Er soll die Steinmale von Bet-Schemesch (Heliopolis/On) in Ägyptenland

    zerbrechen und die Götzentempel in Ägypten mit Feuer verbrennen.“ (Jeremia

    43,13).

    Im Mittleren Reich wurde Theben (Oberägypten am Nil, auch No) die

    Hauptstadt des Reiches. Ein Lokalgott „Amun“ (Amon) wurde jetzt mit „Re“

    identifiziert und als Sonnengott verehrt (Amon-Re).

    „Der HERR Zebaoth, der Gott Israels, spricht: Siehe, ich will heimsuchen den

    Amon zu No und den Pharao und Ägypten samt seinen Göttern und Königen,

    ja, den Pharao mit allen, die sich auf ihn verlassen.“ (Jeremia 46,25).

    Auch der Nil wurde als Gottheit verehrt; sie heißt „Hapi“ und wird als Spender

    der Nahrung gefeiert.

    „Hathor“ ist die Himmelskuh, die Schutzpatronin des Königtums, Beschützerin

    der Toten und die Baumgöttin, die das Leben spendet. Neben Isis erscheint

    Hathor als die wichtigste Göttin der alten Ägypter.

  • 26

    „Toth“ ist vor allem der Gott von Hermopolis. Er ist der Friedensstifter (vor

    allem zwischen Ober- und Unterägypten). Er ist auch weise und somit die

    Gottheit der Schreibkunst und der Wissenschaften. Beim Totengericht zeichnet

    er das Ergebnis der Prüfung auf.

    Der eigentliche Totengott ist „Osiris“. Er tritt stets in Menschengestalt auf.

    Seine Macht offenbart sich in den überflutenden Wassern des Nils. Osiris ist von

    seinem Bruder Seth ermordet worden. Seine Gattin Isis findet die Leiche,

    bekommt von ihm einen Sohn „Horus“, der der Nachfolger von Osiris wird.

    Osiris, ins Dasein zurückgekehrt, zieht sich ins Totenreich zurück und wird

    Herrscher der Verstorbenen. Osiris war fortan der Richter der Unterwelt, vor

    dessen Gericht jeder Tote erscheinen musste.

    Der Prophet Hesekiel und Ägypten

    Der Prophet Hesekiel schaut ebenfalls in der babylonischen Gefangenschaft

    den Untergang Ägyptens, und zwar im 10. Jahr seiner Wegführung, also 587 v.

    Chr., wenn er 597 v. Chr. verschleppt worden ist.

    Vier ganze Kapitel widmet der Prophet dem Gericht über Ägypten (Hesekiel 29

    – 32).

    Gottgleichheit und Reichtum

    Ein weiterer Grund für die Eroberung Ägyptens liegt in dem Hochmut und

    darin, dass der Pharao sich zum Schöpfer des Nils erklärt: „Der Strom ist mein

    und ich habe ihn gemacht“ (Hesekiel 29,3).

    Auch will der HERR den Reichtum Ägyptens wegnehmen: „Ich will dem

    Reichtum Ägyptens ein Ende machen durch Nebukadnezar, den König von

    Babel“ (Hesekiel 30,10).

    In Hesekiel 30 werden mehrere Städte Ägyptens namentlich aufgelistet, die alle

    vernichtet werden (siehe Karte im Anhang): 13 So spricht Gott der HERR: Ich will von Memfis die Götzen ausrotten und die Abgötter vertilgen, und Ägypten soll keinen Fürsten mehr haben, und ich will Schrecken über Ägyptenland bringen. 14 Ich will Patros zur Wüste machen und an Zoan Feuer legen und das Gericht über No ergehen lassen 15 und will meinen Grimm ausschütten über Sin, die Festung Ägyptens, und will den Reichtum von No vernichten. 16 Ich will Feuer an Ägypten legen, und Sin soll es angst und bange werden, und No soll erobert und Nof täglich geängstigt werden.

  • 27

    17 Die junge Mannschaft von On und Pi-Beset soll durchs Schwert fallen und die Frauen gefangen weggeführt werden. 18 In Tachpanhes wird sich der Tag verfinstern, wenn ich dort das Zepter Ägyptens

    zerbreche und seine stolze Macht ein Ende nimmt. Die Stadt wird mit Wolken

    bedeckt werden, und ihre Töchter werden gefangen weggeführt werden. (Hesekiel

    30, 13-18 LUT).

    Gottes Ziel mit der Eroberung Ägyptens

    „Damit sie erfahren, dass allein GOTT der HERR dieser Welt ist.“

    (Hesekiel 30,19).

    Wie kann ein so mächtiges Reich wie Ägypten durch die Babylonier, die mit

    ihrer Armee ganz vom Euphrat bis zum Nil marschieren müssen, erobert

    werden? Auch diese Antwort lässt nicht lange auf sich warten, denn es heißt in

    Hesekiel 30, 24-25: 24 Aber die Arme des Königs von Babel will ich stärken und ihm mein Schwert in die Hand geben und will die Arme des Pharao zerbrechen, dass er vor ihm stöhnen soll wie ein tödlich Verwundeter. 25 Ja, ich will die Arme des Königs von Babel stärken, aber die Arme des Pharao sollen sinken, damit sie erfahren, dass ich der HERR bin, wenn ich mein Schwert dem König von Babel in die Hand gebe, damit er's gegen Ägyptenland zücke. (Hesekiel 30, 24-25 LUT).

    Der Zedernbaum im Garten Eden

    Die Pracht und die Herrlichkeit Pharaos und Ägyptens werden in dem Gleichnis

    vom „Zedernbaum im Garten Eden“ beschrieben (Hesekiel 31).

    Die berühmte Libanon-Zeder erreicht eine Höhe von Meter und mehr. Die

    mächtige Krone ist tafelförmig. Der Stamm wird sehr dick. Eine 2500 Jahre alte

    Libanon-Zeder hat einen Umfang von 15m. Sie wächst auf einer Höhe von 1500

    – 1900 m. Seit seiner frühesten Geschichte importierte Ägypten Zedernholz für

    Gebäude, Schiffe, Throne und Altäre wegen seiner überragenden Qualität, seiner

    Widerstandsfähigkeit und seinem Duft. Die Verhandlungen zwischen König

    Salomo und Hiram, dem König von Tyrus, über Bauholz für den Tempel und

    andere Gebäude sind ein Beispiel für den Holztransport vom Libanon

    (2.Chronik 2, 3-8). Sowohl im ersten als auch im zweiten Tempel zu Jerusalem

    wurde Zedernholz verwendet. Das Holz symbolisiert Stärke, Adel und Würde.36

    Die Zeder ist der König der Bäume. Allein in zwei Gleichnissen verwendet der

    Prophet Hesekiel das Bild von der Zeder Libanons (Hesekiel 17 und 31).Die

    36

    Vgl. Michael Zohary: Pflanzen der Bibel, Stuttgart, 1986 (2.Auflage), 104f.

  • 28

    Pracht der Zedernwälder auf dem Libanon ist sprichwörtlich: Die „Herrlichkeit

    des Libanon“ wird als ein Bild für das messianische Friedensreich genommen

    (Jesaja 35,2).

    Im Gleichnis vom Pharao (einschließlich Ägypten) wird die Herrlichkeit einer

    besonders prächtigen Libanonzeder beschrieben, gewaltig, hoch, schön,

    majestätisch und mit einer breiten Krone. Die Äste sind stark und weit. Eine

    gute Quelle speist den Baum regelmäßig mit Wasser. Die Vögel des Himmels

    nisten auf seinen Zweigen und die Tiere des Feldes suchen gerne den Schatten

    in der Mittagshitze. Sie alle finden bei ihm Nahrung und Schutz. Kein

    Zedernbaum ist ihm gleich im Garten Eden. Gott, der Schöpfer Himmels und

    der Erde, hat selbst dafür gesorgt, dass gerade dieser eine Zedernbaum so schön,

    prächtig und mächtig heranwächst. Alle übrigen Bäume im Garten Gottes

    beneiden ihn. Doch dann geschieht etwas Außergewöhnliches. Der Wipfel des

    Zedernbaumes wächst immer weiter, bis er schließlich an den Himmel

    heranreicht. Sein Herz hat sich erhoben, so heißt es weiter in dem Gleichnis und

    damit macht er sich Gott gleich. Das ist zugleich sein Fall nach unten. Gott gab

    den Zedernbaum dem Mächtigsten unter den Völkern in die Hände und das ist

    der babylonische König Nebukadnezar. Er eilt herbei und haut mit der Axt die

    prächtige Zeder um. Die schöne und mächtige Zeder fällt zu Boden, die Äste

    brechen entzwei, die Blätter verdorren. Gedemütigt, hilflos und einsam liegt sie

    da und keiner kommt zu Hilfe. Die einst lebensfrohe und lebensspendete Zeder

    verdorrt und wird nie wieder aufstehen. Alle Tiere des Feldes und die Vögel des

    Himmels ergreifen die Flucht, denn sie haben keine Bleibe mehr. Und der

    Zedernbaum muss nun hinab in die dunkle Tiefe fahren, weit unter die Erde,

    dorthin, wo alle Bäume des Gartens Eden bei der Sintflut hinuntergefahren sind.

    Dort ist er nun einer von vielen. Das ist der Wille Gottes und das ist der

    Beschluss Gottes, des HERRN und des Schöpfers der Welt. So ist es dem

    Pharao ergangen und mit ihm ist ganz Ägypten betroffen. Nebukadnezar wird

    kommen und auch Ägypten einnehmen – darum, weil Ägypten sich bis zum

    Himmel empor gehoben hat. Darum wird auch das Gericht Gottes über Ägypten

    kommen. Und wenn das Gericht Gottes über Ägypten kommt, dann werden alle

    Völker, die dort Schutz und Wohlstand gesucht haben, fliehen. Der Holzfäller ist

    Nebukadnezar. Seine Arbeit verrichtet er 568 v. Chr. und gründlich.

    Er führt Ägypten ein so verheerende Niederlage bei, dass es von dem Tage an

    nie wieder zu einer Weltmacht aufstehen wird.

  • 29

    Ägypten als Geschenk für Nebukadnezar

    Nebukadnezar hat dreizehn Jahre lang Tyrus belagert. Die Stadt ergab sich

    freiwillig im Jahre 568 v. Chr. Weil der babylonische Herrscher mit so viel

    Akribie Tyrus umzingelte und nicht aufgab, will Gott ihm nun Ägypten als

    Geschenk geben (Hes. 29, 17-21). Ganz Oberägypten (vgl. die Aufzählung der

    Städte in Hes. 30) wird zerstört werden. 40 Jahre lang wird Ägypten wüst liegen

    (Hes. 29, 12-13), so dass die Völker ihre wirtschaftlichen Beziehungen

    abbrechen müssen, die zur Blüte des Landes beigetragen hatten (vgl.

    Hes. 30, 10). Nach dieser Zeit wird der HERR zwar die deportierten Ägypter

    wieder zurückholen (Hes. 29,13), aber das Land wird nie mehr zur Großmacht

    werden (Hes. 29, 14-15).

    Im Jahre 568 v. C. gingen die Prophezeiungen der Propheten Jeremia und

    Hesekiel in Erfüllung. Nebukadnezar erobert Ägypten.

    Israeliten in Ägypten

    Bei diesen Eroberungszügen durch Nebukadnezar waren natürlich auch die

    Juden betroffen. Der Prophet Jeremia hatte es ihnen im Lande Juda

    vorhergesagt: Unterwerft euch im Lande Israel dem Nebukadnezar und flieht

    nicht nach Ägypten, denn auch dort wird euch das Schwert des Königs, vor dem

    ihr euch jetzt fürchtet, treffen:

    „Nun, so höret des HERRN Wort, ihr Übriggebliebenen von Juda! So spricht

    der HERR Zebaoth, der Gott Israels: Werdet ihr euer Angesicht nach

    Ägyptenland richten, um dorthin zu ziehen und dort zu wohnen, so soll euch

    das Schwert, vor dem ihr euch fürchtet, in Ägyptenland treffen, und der

    Hunger, vor dem ihr euch sorgt, soll stets hinter euch her sein in Ägypten, und

    ihr sollt dort sterben. (Jeremia 42,16).

    Josephus schreibt, dass Nebukadnezar gegen Ägypten zog, um die dort

    lebenden Juden nach Babylonien zu verschleppen (Jos., Jüd. Alt., 10. 9,5-7).

    Gottes Handeln mit den Nationen in der Gegenwart und der Zukunft

    Dieser kurze historische Abriss zeigt uns das Handeln Gottes mit Ägypten. Aus

    der Sicht des Historikers mag es sich einfach um politische Geschehnisse

    handeln. Aber das, was sich in den Nationen auf dieser Erde in der sichtbaren

    Sphäre abspielt, ist auch sichtbar für die unsichtbare Welt. Und noch mehr: Die

  • 30

    unsichtbare Welt greift aktiv in das politische Weltgeschehen ein. Das Buch

    Daniel gibt uns an dieser Stelle einen tiefen Einblick. In Dan. 10 wird uns

    beschrieben, wie die unsichtbaren Welten um die Nationen ringen.

    Gott kennt jede einzelne Stadt Ägyptens

    Wenn wir uns die Karte Ägyptens noch einmal vor Augen führen, dann fallen

    uns die vielen Städte auf, die Gott erwähnt. Der HERR kennt jede einzelne Stadt

    in Ägypten. Er kennt sie mit Namen. Und er weiß auch, was in jeder Stadt

    abläuft. Er weiß wie die Menschen dort leben und was sie treiben.

    Das Leben der Menschen in diesen Städten ist für Gott nicht belanglos. Das

    gottlose Treiben ist für Gott Sünde. Und Sünde richtet der HERR!

    Die Völker dieser Welt können also nicht so dahin leben wie sie es gerade für

    richtig achten. Das zeigen die Sintflutgeschichte und der Turmbau zu Babel.

    Jede Gesellschaft ist dem lebendigen Schöpfer gegenüber verantwortlich. Gott

    richtet sie gemäß ihren Sünden, auch wenn sie selbst Gott nicht kennen

    (Jer. 46,10). Dennoch haben sie keine Entschuldigung vor Gott (Röm. 1,20). Ein

    Beispiel ist uns wiederum durch Sodom und Gomorra gegeben.

    Die Schlusskapitel des Jeremiabuches Kapitel 46 – 51 können wir unter dem

    Thema der „Nationenrede des Propheten Jeremia“ zusammenfassen. Gott

    kündigt in dieser Nationenrede das Gericht über Ägypten, über die Philister,

    über die Moabiter, über die Ammoniter, über Edom, über Syrien, über weitere

    arabische Stämme und über Babel an.

    Gott ist eben ein Gott der Nationen (Röm. 3,29). ER ist ihr Lenker und Richter

    (Spr. 14,34). ER gab ihnen Grenzen (Apg. 17,26). ER ist ihnen nahe (Apg.

    17,27). ER stößt die Gewaltigen vom Thron (Nebukadnezar, Belsazar) und

    erhebt die Niedrigen (Lk. 1, 52). Der Höchste hat Gewalt über die Königreiche

    (Dan. 4,14). ER verleiht die Königreiche, wem er will (Dan. 5,21).

    Gott will das Heil für die Nationen. Einzelne, wie Rahab und Ruth, gliederte er

    in das Volk Israel ein. Der HERR hat sich über die ganze Stadt Ninive erbarmt.

    ER wird sich auch über Ägypten erbarmen, und zwar im Millennium (Jes. 19,

    16-25). Im Tausendjährigen Reich werden viele Völker sich zum HERRN

    wenden und sein Volk werden (Sach. 2,15).

    Das große Thema von Gericht und Gnade gilt eben auch den Nationen dieser

    Welt.

  • 31

    Die Beispiele in Bezug auf das Handeln Gottes mit den Nationen zur Zeit des

    Alten Testamentes weisen uns nun auch in die Gegenwart. Gott hat sich nicht

    zurückgezogen. Auch wenn das manchmal den Anschein hat. ER ist derselbe.

    ER handelt auch heute mit den Völkern dieser Welt. ER hat einen Plan mit

    ihnen. Das Buch Daniel und die Offenbarung des Johannes zeigen uns Gottes

    Handeln mit den Völkern in der Endzeit und im Millennium. Alles, was

    gegenwärtig geschieht, läuft also nicht rein zufällig ab. Das macht uns getrost,

    denn auch, wenn der Abfall bei uns im Lande zunimmt, so wissen wir, dass Gott

    wohl den Durchblick hat. ER weiß, warum dieses oder jenes Ereignis geschieht.

    Leben inmitten eines heidnischen Weltreiches (Daniel 1)

    Die Schlacht von Karkemisch hatten die Babylonier gewonnen. Der Weg nach

    Jerusalem ist jetzt für die Babylonier frei. Nebukadnezar nimmt Daniel,

    Chananja, Mischael und Asarja mit nach Babylon. Das ist die erste Deportation

    (Wegführung) Judas in die babylonische Gefangenschaft37

    .

    Es wird in Vers 2 daraufhin gewiesen, dass Gott den König von Juda in die

    Hände Nebukadnezars gab. Das Gericht Gottes, das die Propheten immer wieder

    angekündigt hatten, wird über Jerusalem ausgeführt. Auch die heiligen Geräte

    aus dem Tempel werden ins Land Sinear (Babylonien) gebracht. Sie kommen in

    die Schatzkammer seines Gottes, das heißt der bevorzugten Gottheit

    Nebukadnezars und das war die Gottheit Marduk. Diese Tempelgeräte spielen

    später in Daniel Kapitel 5 wieder eine Rolle. Daniel (Gott ist mein Richter),

    Chananja (Jahweh ist gnädig), Mischael (wer ist wie Gott?) und Asarja (Jahweh

    ist Rettung) waren von königlicher Herkunft.

    Alle ihre hebräischen Namen haben einen Gottesbezug, einen Bezug zu Jahweh,

    dem lebendigen und einzigen Gott Israels.

    37

    Daniel berichtet von der ersten Wegführung, dass sie im dritten Jahr Jojakims geschah.

    Jeremia berichtet, dass Nebukadnezar im vierten Jahr Jojakims Jerusalem angriff (Jer. 25,1).

    Zwei Deutungsmöglichkeiten gibt es. Es gibt zwei verschiedene Kalender. Der babylonische

    Kalender beginnt im März/April. Daran würde sich Jeremia orientieren (das vierte Jahr

    Jojakims). Der jüdische Kalender beginnt jeweils mit dem Monat Tischri (September /

    Oktober). Das wäre das dritte Jahr Jojakims, so wie es Daniel berichtet. Eine zweite

    Möglichkeit besteht darin, dass Jeremia das Krönungsjahr schon mitzählt (viertes Jahr

    Jojakims). Nach einer anderen Zählung zählt das Thronbesteigungsjahr noch nicht zum ersten

    Regierungsjahr. Somit spricht Daniel erst vom dritten Regierungsjahr Jojakims.

  • 32

    Nebukadnezar hat für die zukünftigen Ratgeber ganz bestimmte

    Auswahlkriterien: Sie sollen weise sein (hebräisch chochmah), klug (hebräisch

    jadaʿ) und einsichtig (hebräisch binah). Diese Auswahlkriterien beziehen sich

    seitens der Babylonier natürlich auf die menschlichen Fähigkeiten.

    Aber bei den vier jüdischen Männern kommt noch hinzu, dass sich diese

    Begabungen auch auf den geistlichen Bereich beziehen. Im Judentum ist zum

    Beispiel die Gottesfurcht der Anfang der Weisheit. Und die Klugheit

    (Erkenntnis) bezieht sich im Judentum auch auf die Gottes-Erkenntnis. Und die

    Einsicht (Durchsicht, Übersicht) bezieht sich im Judentum auf die Durchsicht

    geistlicher Ereignisse, das heißt man muss im heidnisch-religiös-okkult-

    ideologisch unterwanderten Babel bei Entscheidungsprozessen auch hinter die

    Kulissen schauen können. Und diese geistlichen Fähigkeiten brachten diese vier

    jüdischen Männer mit.

    An der königlichen Akademie absolvieren sie ihr Studium. Sie lernen die

    Weltsprache Aramäisch sowie die alte mesopotamische Sprache Akkadisch

    kennen. Akkadisch wurde in Keilschriftzeichen dargestellt. Sie werden diese

    Sprachen sprechen und schreiben können. Sie werden die Annalen (die

    königlichen Berichte aller babylonischen Könige) lesen und selber verfassen

    können. Somit lernen sie die babylonische Geschichte kennen. Ferner werden

    sie sich in diesen sechs Semestern intensiv mit Mathematik, Astronomie,

    Astrologie, Agrarwirtschaft, Architektur, Jura und mit Religion beschäftigen.

    Gleichzeitig lernen sie die kulturellen Bräuche und die religiös bestimmten

    Festzeiten kennen. Den Glauben an den Gott Israels bewahren inmitten dieser

    intensiven heidnischen Ausbildung, das war für die vier jüdischen Männer

    wirklich eine Herausforderung. Und sie stellen sich dieser geistlichen

    Herausforderung. Sie fliehen nicht, aber sie bleiben standhaft. Zu Beginn ihrer

    Ausbildung bekommen sie auch noch neue Namen, heidnische Namen, die auf

    die Götter Babels hinweisen. Die alten hebräischen Namen werden ausgelöscht.

    Soll damit der „alte Glaube“ ausgelöscht werden? Wird das gelingen? Auch

    dieser Herausforderung stellen sich die vier jüdischen Männer. Auch wenn die

    Babylonier versuchen, alle äußeren Werte zu verändern, den Glauben im

    Herzen, können sie nicht antasten.

    Aus Daniel wird Beltschazar (akkadisch „Belet-sarusur“ = Bel schütze sein

    Leben).

    Aus Chanaja wird Schadrach („ich fürchte mich“ vor Bel).

  • 33

    Aus Mischael wird Meschach („ich bin verachtet, nichtswürdig, demütig“ vor

    Bel).

    Aus Asarja wird Abed-Nego („Knecht Nebos“). Nebo, erwähnt in Jesaja 46,1,

    war die Gottheit des Schreibens und der Vegetation; er war der Sohn von Bel.

    Daniel trifft im Herzen eine Entscheidung. Daniel geht voran. Die Freunde

    folgen. Daniel trifft eine zentrale, zukunftsweisende, Entscheidung. Er studiert

    eifrig, aber er lässt sein Denken, sein Bewusstsein, nicht verändern. Das gilt

    auch für die Freunde (Vers 17). Dort in Vers 17 heißt es, dass Gott ihnen sogar

    im Studium beistand. Denn Gott hatte einen Plan mit ihnen. Je intensiver das

    Studium wird, desto mehr geben sie sich mit ihrem Verstand, ihrem Willen und

    ihrem Herzen dem lebendigen Gott Israels hin. Das ist das Entscheidende!

    Daniel will sich mit den Speisen des Königs nicht unrein machen lassen. Das

    Essen wurde von Heiden zugerichtet und das machte die Speisen unrein.

    Außerdem konnte das Essen vor dem Servieren heidnischen Göttern geopfert

    worden sein. Das hätte eine Verletzung des Verbotes aus 2. Mose 34,15

    dargestellt. Ähnliche Schwierigkeiten hätten sich beim Wein ergeben. Um das

    Verbot von „starkem Getränk“ (Spr. 20,1; Jes. 5,11) nicht zu verletzen, tranken

    die Juden den Wein gewöhnlich mit Wasser vermischt. Darum wollte Daniel

    lieber nur Gemüse und Wasser zu sich nehmen. Das hebräische Wort lautet

    „Ausgesätes“, wozu dann auch wohl das Korn gehört haben mag.

    Überhaupt steht die Stadt Babel für Unreinheit (Offb. 17,4). Die Unreinen

    kommen nicht ins Reich Gottes, heißt es in Offb. 21,27; 22,11. Im Neuen

    Testament finden wir die Trilogie „Unreinheit, Ausschweifung und Unzucht“

    (2.Kor. 12,11; Gal. 5,19). Hinzu kommt noch die „Habsucht“ (Eph. 4,19; 5,3.5;

    Kol. 3,5). Darum heißt es im Neuen Testament: „Gott hat uns nicht berufen zur

    Unreinheit, sondern zur Heiligung“ (1.Thess. 4,7).

    Daniel hat den Mut zu handeln (Verse 9-16), geistliche Entscheidungen inmitten

    seiner heidnisch-religiösen Umwelt zu treffen. Er verhandelt mit dem Aufseher.

    Und Gott stimmt den Aufseher günstig. Daniel und seine Gefährten essen zehn

    Tage lang Gemüse und sie trinken Wasser. Und das Ergebnis kann sich sehen

    lassen, so dass sie sich fortan an das Schonprogramm halten dürfen. Daniel hält

    sich auch im Exil an Gottes Wort, an seine Gebote. Er orientiert sich an den

    Willen Gottes, fragt nach dem Willen Gottes. Er lässt sich nicht manipulieren.

    Er richtet sein Herz auf Gott. Und Gott segnet ihn und seine Gefährten.

    Und nun werden diese vier Männer auch Vorbilder für alle jüdischen Exilanten.

    Das spornt auch die anderen Juden in ganz Babylonien an, ein geheiligtes Leben

  • 34

    inmitten einer heidnischen Umwelt zu leben. Ja noch mehr: in diesem Sinne

    sollten sie sogar zu einem Segen für ihre ganze Stadt werden (Jer. 29,7). Gott

    segnet ihr Studium (Verse 17-21). Gott gibt ihnen Erkenntnis (hebräisch jadaʿ)

    und Verstand (hebräisch sechel). Sie waren fähig, alle Abläufe,

    Entscheidungsprozesse und Entwicklungen, zu beurteilen, einzuordnen,

    vorherzuerkennen und gleichzeitig auch geistlich zu beurteilen.

    Daniel und seine Gefährten waren weiser als alle Gelehrten, Magier, Zauberer,

    Astrologen und Wahrsager. Denn Daniel und seine Gefährten hatten göttliche

    Weisheit. Sie wurden nun als Diener am königlichen Hof eingesetzt. Daniel

    verstand sich noch auf Träume und Visionen. Damit war Nebukadnezar in seiner

    ganzen Regierungszeit von Daniel abhängig, um die zukünftigen Ereignisse zu

    verstehen, die ihm durch Träume und Visionen gezeigt wurden.

    Nebukadnezars Traum von den vier Weltreichen (Daniel 2)

    Einzigartigkeit der Visionen

    Die Visionen über die Weltreiche dieses Äons, die im Laufe von Jahrhunderten

    aufeinander folgen, stehen im Buch Daniel in einzigartiger Weise wie erhabene

    und zugleich erschreckende Monumente da. Die Visionen werden nicht wie

    üblich nur vom Propheten geschaut, sondern auch von einem Weltherrscher

    namens Nebukadnezar. Und Daniel schaut die Gesichte von den Weltreichen

    eben nicht in Jerusalem, sondern inmitten der heidnischen Herrschaften Babel

    (Daniel Kapitel 1 und 5), Susa in Persien (Daniel 8,2) und am Tigris (biblischer

    Name Hiddekel, Daniel 10,4). Von den Visionen der Weltreiche ist zugleich das

    Volk Gottes, Israel, das Volk der Heiligen, unmittelbar betroffen, denn sowohl

    die Exilanten als auch die Zurückgekehrten befinden sich auf dem Boden der

    geschauten Weltreiche, beziehungsweise unter ihrer Herrschaft. Schrecklich,

    mächtig und gottlos werden die Regierungen dem Leser vor Augen gemalt, doch

    darf er wissen, dass die Reiche dieses Äons nur für die festgesetzte Zeit und

    Stunde nach ihrem Ermessen agieren können und nicht ein Maß darüber hinaus.

    Denn sie alle unterliegen dem allmächtigen Walten Gottes, dem Gott des

    Himmels, wie er im Danielbuch genannt wird, das ist der Gott des ganzen

    Universums, aber auch zugleich der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs und den

    Daniel in seinem persönlichen Gebetsleben Jahweh nennt, der über alles regiert,

    was existiert und was atmet. Die mächtigen Reiche mit ihren Regenten müssen

  • 35

    sich diesem allmächtigen, einzigen und lebendigen Gott ergeben und

    unterordnen.

    Die Reiche dieser Welt haben nicht das letzte Wort. Das letzte Wort hat der sich

    offenbarende Menschensohn des Buches Daniel, der mit den Wolken des

    Himmels kommt, um die Reiche dieses Äons wie mit einem Stein zu

    zerschlagen und sein ewiges Reich, das nie aufhören wird, aufzurichten. Und die

    Heiligen, also die Gläubigen, haben Anteil an diesem Königreich Gottes für alle

    Zeit und Ewigkeit. Das ist die einzigartige und für den Leser und Ausleger

    herausfordernde Botschaft Gottes im Buch Daniel.

    Kommen wir zu den 4 Weltreichen, die nicht nur einen geschichtlichen Abriss

    über mehrere Jahrhunderte darstellen (603 v. Chr. [Dan. 2,1: im 2. Jahr

    Nebukadnezars] bis ca. 400 n. Chr. gemäß Dan. 2, 41-43), sondern sie weisen

    auch in die Zukunft (Dan. 7 u. Offb. 13 + 17).

    Die Visionen von den 4 Weltreichen sind einzigartig. Wiederum offenbaren sie

    das Handeln Gottes mit den Weltmächten auf unserem Planeten. Gott weiß nicht

    nur um ihr Geschick – er bestimmt auch ihre Politik. Der HERR allein hat

    Macht über die Weltmächte (Dan. 4,14), ER verleiht die Königreiche, wem ER

    will (Dan. 5,21) und ER bestimmt auch ihre Legislaturperiode (Dan. 7,12).

    Einzigartig sind die Visionen von den 4 Weltreichen auch darin, dass sie in

    Daniel 2 von einem heidnischen Weltherrscher geschaut werden und in Kapitel

    7 von dem Propheten Daniel.

    Es ist schon überraschend, dass das erste Weltreich nicht mit Assyrien beginnt,

    sondern mit Babylonien. Das kann damit zu tun haben, dass eben diese 4

    Weltreiche sich im antichristlichen Regime wieder finden (vgl. Offb. 13). Und

    außerdem beginnt die Vision von den vier Reichen erst mit Nebukadnezar38

    ,

    denn schließlich hatte er den Traum und er ist das Haupt.

    Ein weiteres Indiz dafür, warum die vier Weltreiche mit Babel beginnen, mag in

    dem Ausdruck „Zeiten der Nationen“ (Lk. 21, 24) zu finden sein. Unter

    Assyrien zwar wurde zunächst das Nordreich weggeführt, aber das Südreich

    Juda mit der Stadt Jerusalem blieb noch erhalten bis zur Eroberung durch den

    babylonischen König Nebukadnezar. Die Verwüstung, Belagerung und

    Beherrschung Jerusalems beginnt also erst mit den babylonischen Königen.

    Darum also ist Babylon das erste der vier Weltreiche.

    38

    Bedeutung des Namens Nebukadnezar II. (ca. 640 – 562 v. Chr.), des Sohnes

    Nabopolassars: Die Gottheit Nabu beschütze meinen ersten Sohn.

  • 36

    JESUS spricht in seiner Endzeit-Rede über die „Zeiten der Nationen“: „…und sie

    werden fallen durch die Schärfe des Schwertes und gefangen weggeführt unter alle

    Völker, und Jerusalem wird zertreten werden von den Heiden, bis die Zeiten der

    Heiden erfüllt sind.“ (Lukas 21,24).

    Nachdem Daniel den Traum ausgelegt hatte, lobt Nebukadnezar den Gott

    Daniels. Aber wahrscheinlich ist das eher ein Bekenntnis – eine persönliche

    Beziehung zu dem lebendigen allwissenden Gott hat der König noch nicht.

    Daniel wird als Fürst über das ganze Land Babel eingesetzt.

    Die 4 Weltreiche und das Reich Gottes

    Die 4 Weltreiche erhalten eine globale Macht. Israel, das Volk Gottes, kann sich

    ihnen nicht entgegen stellen. Alle 4 Reiche besetzen das Land Israel!

    Bei allen 4 Reichen handelt es sich um heidnische Reiche, also um

    gottlose Mächte, die kontradiktorisch zum Reich Gottes stehen.

    Im 4. Reich bekommt die Gottlosigkeit ihren Höhepunkt. Es will

    das Reich Gottes ersetzen. Der Pantokrator des 4. Reiches macht

    sich selbst zu Gott.

    Es gibt nur ein Reich, das die gottlosen Reiche vernichten und

    ablösen kann: das Reich Christi. JESUS selbst wird erscheinen und

    ihnen ein endgültiges Ende bereiten. ER selbst wird sein Reich des

    Friedens und der Gerechtigkeit aufrichten. Von diesem Reich

    Christi wird ebenfalls in den Träumen von den 4 Weltreichen

    gesprochen (Dan. 2, 34-35.44-45; 7,13-14.18.26-27).

    JESUS Christus ist der lebendige Stein, der ohne Hilfe (ohne

    Zutun von Menschenhänden: Dan. 2,34) das Standbild der 4

    Weltreiche zermalmt. Dieser lebendige Stein ist stärker als die mächtigen

    Reiche dieser Welt. Wer sich mit diesem Stein anlegt, der wird zerschellen

    (Mt. 21,44; Lk. 20,18).

    „Und wer auf diesen Stein fällt, der wird zerschellen; auf wen aber er fällt, den wird

    er zermalmen“ (Matthäus 21,44).

    Die Weltreiche werden zu Spreu und vom Winde verweht. Man wird sie nicht

    mehr finden (Dan. 2,35).

    Dass der Stein nur die Füße trifft und dass dadurch zugleich das ganze Bild auf

    einmal zusammenfällt (und nicht chronologisch-historisch nacheinander) zeigt

    an, dass alle 4 Reiche sich im antichristlichen Regime wieder finden, das bei der

    Parusie Jesu vernichtet werden wird.

  • 37

    Dieser lebendige Stein (vgl. Ps. 118,22; Jes. 28,16) wird zu einem großen Berg,

    der die ganze Welt erfüllt (Dan. 2,35b). Das Reich Christi wird im

    Tausendjährigen Reich die ganze Welt einnehmen. JESUS wird dann König

    sein. Damit gehen zeitgleich die davidischen Verheißungen in Erfüllung

    (2.Sam. 7,13).

    Manche sehen in dem lebendigen Stein die neutestamentliche Gemeinde Jesu.

    Die Gemeindeglieder sind ebenfalls lebendige Steine (1.Petr. 2, 4 f.). Die

    Gemeinde gehört ja de facto zum Reich Gottes dazu. Vielleicht taucht sie auch

    wieder in Dan. 7,27 auf, wo von dem Volk der Heiligen die Rede ist, die

    mitregieren werden.

    Doch haben wir primär den lebendigen Stein auf JESUS selbst zu deuten, denn

    nur ER allein kann die vier Weltreiche besiegen.39

    Das Reich Christi bleibt ewig (Dan. 2,44). Es wird seinen Bestand im

    Tausendjährigen Reich haben, aber auch in der neuen Schöpfung.

    In Daniel 7, 13-14 wird dieser lebendige Stein als der Sohn des Menschen

    (aramäisch „bar ’enosch“) beschrieben, der in den Wolken des Himmels auf die

    Erde herabsteigt, um das ewige Reich einzunehmen.

    ER wird nach den letzten 3 ½ Jahren (2 Zeiten, 1 Zeit und ½ Zeit: Dan. 7,25)

    das 4. Reich überwinden und sein ewiges Reich aufrichten. Die Macht über alle

    Königreiche wird dem Volk der Heiligen des Höchsten gegeben werden

    (Dan. 7,27). Das Volk des Höchsten ist im Kontext des Danielbuches Israel

    („dein Volk“: 9,24; vgl. Ex. 19,6; Deut. 7,6). Geistlich-neutestamentlich stellen

    die Heiligen auch die Gemeinde aus allen Völkern dar (1.Petr. 2,9), die auch mit

    Christus regieren werden (2.Tim. 2,12). Wie aber genau diese Regentschaft der

    Gemeinde aussieht, bleibt stückweit offen. In Dan. 7 wird primär das geistlich

    erneuerte Israel als die Heiligen des Höchsten beschrieben.

    39

    Die vier Weltreiche stellen ja politische Reiche dar und damit hat die Gemeinde nichts zu

    tun. Die Gemeinde hat nicht den Auftrag, sie zu bezwingen und zu zerstören, sondern ihnen

    das Evangelium, die Frohe Botschaft, zu bringen.

  • 38

    Das große Standbild als Herausforderung des Glaubens

    (Daniel 3)

    Mit Gott leben in einer gottlosen Welt (Dan. 3, Vers1)

    Kapitel 3 schließt chronologisch an Daniel 2,49 an (vgl. auch 3,12).

    Wo ist