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125 C. P. Speer, M. Gahr (Hrsg ), Pädiatrie, DOI 10.1007/978-3-642-34269-1_7, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013 7 Neonatologie C.P. Speer 7.1 Definitionen – 128 7.2 Postnatale Adaptation – 128 7.2.1 Lunge – 129 7.2.2 Herz und Kreislauf – 129 7.2.3 Temperaturregulation – 130 7.2.4 Niere – 130 7.2.5 Gastrointestinaltrakt – 130 7.2.6 Eltern-Kind-Beziehung – 130 7.2.7 Beurteilung der postnatalen Adaptation (Apgar-Schema) – 131 7.2.8 Akut lebensbedrohliche Fehlbildungen der Neugeborenenperiode – 131 7.3 Untersuchung des Neugeborenen – 131 7.3.1 Zeitpunkte der Neugeborenenuntersuchung – 131 7.3.2 Durchführung der Neugeborenenuntersuchung – 131 7.3.3 Neurologische Neugeborenenuntersuchung – 134 7.3.4 Bestimmung der somatischen Reifezeichen – 135 7.4 Reanimation Früh- und Neugeborener – 135 7.4.1 Voraussetzungen zur Reanimation – 135 7.4.2 Maßnahmen der Neugeborenenreanimation – 136 7.5 Perinatale Schäden und ihre Folgen – 138 7.5.1 Asphyxie – 138 7.5.2 Hypoxisch-ischämische Enzephalopathie (HIE) – 139 7.5.3 Geburtstraumatische Schäden – 141 7.6 Das Frühgeborene – 144 7.6.1 Das Atemnotsyndrom Frühgeborener – 146 7.6.2 Persistierender Ductus arteriosus (PDA) – 149 7.6.3 Wilson-Mikity-Syndrom – 149 7.6.4 Bronchopulmonale Dysplasie – 150 7.6.5 Retinopathia praematurorum – 152 7.6.6 Hirnblutungen des Frühgeborenen – 154 7.6.7 Germinale Matrixblutung des Frühgeborenen – 154 7.6.8 Andere intrazerebrale Blutungen bei Frühgeborenen – 156 7.6.9 Periventrikuläre Leukomalazie – 156 7.6.10 Apnoen bei Frühgeborenen – 158

Neonatologie - Springer...7.8.5 Icterus neonatorum und Hyperbilirubinämie – 168 7.8.6 Physiologischer Ikterus – 169 7.8.7 Muttermilchikterus – 169 7.8.8 Ikterus bei Frühgeborenen

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Page 1: Neonatologie - Springer...7.8.5 Icterus neonatorum und Hyperbilirubinämie – 168 7.8.6 Physiologischer Ikterus – 169 7.8.7 Muttermilchikterus – 169 7.8.8 Ikterus bei Frühgeborenen

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C P Speer M Gahr (Hrsg ) PaumldiatrieDOI 101007978-3-642-34269-1_7 copy Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

7

NeonatologieCP Speer

71 Definitionen ndash 128

72 Postnatale Adaptation ndash 128721 Lunge ndash 129722 Herz und Kreislauf ndash 129723 Temperaturregulation ndash 130724 Niere ndash 130725 Gastrointestinaltrakt ndash 130726 Eltern-Kind-Beziehung ndash 130727 Beurteilung der postnatalen Adaptation (Apgar-Schema) ndash 131728 Akut lebensbedrohliche Fehlbildungen der Neugeborenenperiode ndash 131

73 Untersuchung des Neugeborenen ndash 131731 Zeitpunkte der Neugeborenenuntersuchung ndash 131732 Durchfuumlhrung der Neugeborenenuntersuchung ndash 131733 Neurologische Neugeborenenuntersuchung ndash 134734 Bestimmung der somatischen Reifezeichen ndash 135

74 Reanimation Fruumlh- und Neugeborener ndash 135741 Voraussetzungen zur Reanimation ndash 135742 Maszlignahmen der Neugeborenenreanimation ndash 136

75 Perinatale Schaumlden und ihre Folgen ndash 138751 Asphyxie ndash 138752 Hypoxisch-ischaumlmische Enzephalopathie (HIE) ndash 139753 Geburtstraumatische Schaumlden ndash 141

76 Das Fruumlhgeborene ndash 144761 Das Atemnotsyndrom Fruumlhgeborener ndash 146762 Persistierender Ductus arteriosus (PDA) ndash 149763 Wilson-Mikity-Syndrom ndash 149764 Bronchopulmonale Dysplasie ndash 150765 Retinopathia praematurorum ndash 152766 Hirnblutungen des Fruumlhgeborenen ndash 154767 Germinale Matrixblutung des Fruumlhgeborenen ndash 154768 Andere intrazerebrale Blutungen bei Fruumlhgeborenen ndash 156769 Periventrikulaumlre Leukomalazie ndash 1567610 Apnoen bei Fruumlhgeborenen ndash 158

77 Lungenerkrankungen des Neugeborenen ndash 159771 Transitorische Tachypnoe ndash 159772 Mekoniumaspirationssyndrom ndash 160773 Pneumothorax ndash 161774 Kongenitales lobaumlres Emphysem ndash 162775 Lungenhypoplasie ndash 162776 Zwerchfellhernie (Enterothorax) ndash 163777 Neonatale Pneumonien ndash 164778 Persistierende pulmonale Hypertonie

(persistierende fetale Zirkulation) ndash 164779 Lungenblutung ndash 1657710 Chylothorax ndash 1667711 Obstruktion der oberen Atemwege ndash 166

78 Bluterkrankungen ndash 167781 Fetale Erythropoese ndash 167782 Neonatale Anaumlmie ndash 167783 Anaumlmie Fruumlhgeborener ndash 168784 Polyzythaumlmie Hyperviskositaumltssyndrom ndash 168785 Icterus neonatorum und Hyperbilirubinaumlmie ndash 168786 Physiologischer Ikterus ndash 169787 Muttermilchikterus ndash 169788 Ikterus bei Fruumlhgeborenen ndash 170789 Pathologische Hyperbilirubinaumlmie ndash 1707810 Morbus haemolyticus neonatorum ndash 1707811 Kernikterus Bilirubinenzephalopathie ndash 1707812 AB0-Erythroblastose ndash 1717813 Rh-Erythroblastose ndash 1717814 Weitere haumlmolytische Erkrankungen ndash 1737815 Direkte Hyperbilirubinaumlmie ndash 1737816 Weiszliges Blutbild Neugeborener ndash 1737817 Neonatale Thrombozytopenie ndash 1747818 Neonatale Alloimmunthrombozytopenie ndash 1747819 Koagulopathien ndash 1757820 Morbus haemorrhagicus neonatorum (Vitamin-K-Mangel) ndash 175

79 Nekrotisierende Enterokolitis ndash 175

710 Fetale und neonatale Infektionen ndash 1777101 Besonderheiten des Immunsystems Neugeborener ndash 1777102 Nichtbakterielle konnatale Infektionen ndash 1787103 Roumlteln ndash 1787104 Zytomegalie ndash 1797105 Herpes simplex ndash 1797106 Varizella-Zoster-Virus ndash 1807107 Weitere konnatale Virusinfektionen ndash 180

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C P Speer M Gahr (Hrsg) PaumldiatrieDOI 101007978-3-642-34269-1_7 copy Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

7108 Toxoplasmose ndash 1817109 Neugeborenensepsis ndash 18271010 Meningitis ndash 18571011 Osteomyelitis und septische Arthritis ndash 18671012 Haut- und Weichteilinfektionen ndash 18671013 Omphalitis ndash 18771014 Mastitis ndash 18771015 Lokale Candidainfektionen ndash 18771016 Neonataler Tetanus ndash 18771017 Ophthalmia neonatorum ndash 187

711 Neugeborenenkraumlmpfe ndash 187

712 Metabolische Stoumlrungen ndash 1897121 Hyperglykaumlmie ndash 1897122 Hypoglykaumlmie ndash 1897123 Fetopathia diabetica ndash 1907124 Hypokalzaumlmie ndash 190

713 Spezielle Aspekte der Ernaumlhrung Fruumlh- und Neugeborener ndash 1907131 Naumlhrstoffbedarf ndash 1907132 Ernaumlhrung des reifen Neugeborenen ndash 1917133 Ernaumlhrung des Fruumlhgeborenen ndash 191

Literatur ndash 191

Kapitel 7 middot Neonatologie128

7

EinleitungNoch vor 20 Jahren war die haumlufigste Todesursache Fruumlhgeborener das akute Lungenversagen Die sensationellen Ergebnisse von Mary Ellen Avery ebneten dann den Weg fuumlr eine kausale Therapie des Atemnot-syndroms ME Avery beobachtete dass die Lungen eines verstorbenen Fruumlhgeborenen luftleer und raquoschwerlaquo waren und kein raquoschaumlumendes Materiallaquo (raquofoamlaquo) enthielten Wie sie durch Experimente belegen konn-te fehlte diesen Lungen in der Tat eine Substanz die die Oberflaumlchen-spannung in den Alveolen vermindert das pulmonale Surfactant Die 1959 publizierten Ergebnisse ihrer Untersuchungen fanden zunaumlchst nicht die ihnen gebuumlhrende Aufmerksamkeit Um die weitere Resonanz auf ihre Entdeckung zu beschreiben verweist ME Avery gerne darauf hin dass sich neues Wissen in 3 Phasen verbreitet Die 1 Phase in der neue Ergebnisse bekannt gegeben werden wird meist ignoriert In der 2 Phase rufen die inzwischen von anderen nicht mehr zu leugnenden Ergebnisse Feindseligkeiten hervor in der 3 und letzten Phase besteht eine generelle Uumlbereinstimmung daruumlber dass man schon immer von dieser Tatsache ausgegangen sei

71 Definitionen

Die Erfolge der Neonatalmedizin liegen unter anderem an der fruuml-hen Einfuumlhrung qualitaumltssichernder Maszlignahmen durch die Erstel-lung und Auswertung standardisierter Berichte uumlber alle Geburten (Perinatalerhebung) und alle stationaumlren Aufenthalte von Neuge-borenen (Neonatalerhebung)

Fuumlr die Qualitaumltskontrolle und die Vergleichbarkeit von Thera-pieergebnissen in der Neugeborenenmedizin sind einheitliche und verbindliche Definitionen von Krankheitsbildern und Zustaumlnden erstellt worden Diese Einteilungen sind von sehr groszliger klinischer Bedeutung da sie Neugeborene mit unterschiedlichen Erkran-kungsrisiken definieren So machen z B die Neugeborenen mit ei-nem Geburtsgewicht lt1500 g nur 08ndash15 aller Lebendgeborenen aus verursachen aber bis zu 65 der neonatalen Mortalitaumlt Neuge-

borene werden nach dem Gestationsalter dem Geburtsgewicht und dem Geburtsgewicht bezogen auf das Gestationsalter unterteilt ( Abb 71 und Tab 71)

Die Einteilung nach dem Gestationsalter (d h Dauer der Schwangerschaft vom 1 Tag der letzten Menstruation bis zur Geburt) beschreibt den Grad der Organreife Das Gestationsalter kann aber nur selten genau gemessen werden sondern ist eine anamnestische Angabe mit einer gewissen Ungenauigkeit Die Ein-teilung nach dem Geburtsgewicht das eine messbare Groumlszlige ist wird in den USA haumlufig benutzt Dadurch werden allerdings unter dem Begriff raquolow birth-weight infantlaquo hypotrophe Neugeborene und Fruumlhgeborene die beide deutlich unterschiedliche Krankheits-profile haben zusammengefasst Die Einteilung nach dem Ge-burtsgewicht bezogen auf das Gestationsalter ermoumlglicht die Unterscheidung von hypotrophen eutrophen und hypertrophen Neugeborenen

gt Die neonatale Mortalitaumlt (Anzahl der in den ersten 28 Lebenstagen verstorbenen Neugeborenen pro 1000 Lebendgeborene) als Maszlig fuumlr die Qualitaumlt der Neuge-borenenversorgung ist in Deutschland zwischen 1970 und 1991 von 17 auf 41000 gesunken und seither auf diesem geringen Niveau stabil

72 Postnatale Adaptation

Die Geburt ist die dramatischste Aumlnderung der Lebensumstaumlnde im menschlichen Leben Innerhalb weniger Minuten finden zahlreiche physiologische Veraumlnderungen das Kennenlernen der Eltern und das Erleben einer neuen Sinneswelt statt ( Tab 72) Die Aufgabe des Kinderarztes ist es zusammen mit dem Geburtshelfer die post-natale Adaptation zu beobachten und wenn noumltig zu unterstuumltzen ohne durch zu viele Maszlignahmen diesen fuumlr das Neugeborene und seine Eltern wichtigen Augenblick zu stoumlren

Abb 71 Einteilung von Neugeborenen nach Gestationsalter und Geburtsgewicht

Tab 71 Definitionen zur Einteilung von Neugeborenen

Einteilung nach Gestations-alter (GA)

Fruumlhgeborenes GA lt37 Wochen (lt260 Tage)

Termingeborenes GA 37ndash42 Wochen (260ndash293 Tage)

Uumlbertragenes Neugeborenes

GA gt42 Wochen (gt293 Tage)

Einteilung nach Geburts-gewicht

Geburtsgewicht lt2500 g raquolow birth weight infantlaquo

Geburtsgewicht lt1500 g raquovery low birth weight infantlaquo

Geburtsgewicht lt1000 g raquoextremely low birth weight infantlaquo

Einteilung nach Geburts-gewicht bezogen auf das Gestations-alter

Hypotrophes Neu-geborenes (raquosmall for gestational agelaquo SGA)

Geburtsgewicht lt10 Perzentile

Eutrophes Neugeborenes (raquoappropriate for gesta-tional agelaquo AGA)

Geburtsgewicht 10ndash90 Perzentile

Hypertrophes Neuge-borenes (raquolarge for gestational agelaquo LGA)

Geburtsgewicht gt90 Perzentile

712972 middot Postnatale Adaptation

721 Lunge

Intrauterin Die Lunge ist intrauterin ein fluumlssigkeitsgefuumllltes Organ in dem kein Gasaustausch stattfindet Es besteht ein staumln-diger Einstrom von Fluumlssigkeit aus dem Lungengewebe in den sich entwickelnden Bronchialbaum und von dort uumlber die Trachea ins Fruchtwasser Ab der 20 Schwangerschaftswoche lassen sich spo-radische Thoraxbewegungen feststellen mit denen Fluumlssigkeit ein- und ausgeatmet wird Die Surfactantproduktion durch die Typ-II-Pneumozyten nimmt ab 24 Schwangerschaftswochen deutlich zu

CaveEine deutlich verminderte Fluumlssigkeitsfuumlllung der fetalen Lunge bei Ahydramnie oder persistierendem vorzeitigen Blasensprung kann in der vulnerablen Phase der Lungenentwicklung zu einer schweren Lungen-hypoplasie fuumlhren

Fehlende intrauterine Atemexkursionen bei neuromuskulaumlren Er-krankungen der Feten oder schweren Thoraxdysyplasien koumlnnen ebenfalls das normale Lungenwachstum nachhaltig beeintraumlchtigen

Postnatal Innerhalb weniger Atemzuumlge muss sich die Lunge mit Luft fuumlllen durchblutet werden und eine regelmaumlszligige Atmung ein-setzen damit nach der Durchtrennung der Nabelschnur kein Sauer-stoffmangel entsteht

Adaptationsvorgaumlnge Bereits einige Tage vor der Geburt beginnt sich der Fluumlssigkeitsstrom in der Lunge umzukehren anstelle des Fluumlssigkeitseinstroms in die Alveolen beginnt eine Fluumlssigkeitsre-sorption Bereits mit dem ersten Atemzug bei dem das Neuge-borene einen Sog von bis zu 100 cm H2O aufbringt werden groszlige Teile der Lunge mit Luft gefuumlllt der verbleibende Fluumlssigkeitsfilm an der Alveolarwand wird im Lauf der naumlchsten Stunden resorbiert Verzoumlgert sich diese Fluumlssigkeitsresorption so kommt es zur transienten Tachypnoe des Neugeborenen Der in der Lunge vor-handene Surfactant reicht beim Reifgeborenen aus um die an der Grenzflaumlche Luft-Fluumlssigkeit auftretende Oberflaumlchenspannung so zu verringern dass es nicht zu einem Kollaps der Alveolen kommt Der initiale paO2-Abfall und paCO2-Anstieg afferente Reize durch die Lungendehnung und Kaumlltereize setzen die Atem-exkursionen in Gang und fuumlhren zum kontinuierlichen postnatalen Atemtyp

722 Herz und Kreislauf

Intrauterin Zum Blutkreislauf des Feten gehoumlren die Nabelschnur-gefaumlszlige und der fetale Teil der Plazenta Deshalb ist das Blutvolumen des Feten doppelt so groszlig wie das des Neugeborenen Nur 10 des Blutes flieszligen durch die Lunge da der Widerstand im Pulmonal-kreislauf hoch ist 90 des Blutes im rechten Herzen gelangen an der Lunge vorbei uumlber das offene Foramen ovale vom rechten in den linken Vorhof oder uumlber den Ductus arteriosus aus der Arteria pul-monalis in die Aorta ( Abb 72)

Postnatal Foramen ovale und Ductus arteriosus sind verschlossen Das gesamte Herzzeitvolumen flieszligt durch die Lunge

Tab 72 Gegenuumlberstellung der intra- und extrauterinen Lebensumstaumlnde

Organ Intrauterin Extrauterin

Lungen Fluumlssigkeitsgefuumlllt hoher pulmonaler Gefaumlszlig-widerstand sporadische Atemexkursionen

Luftgefuumlllt Abfall des pulmonalen Widerstandes regelmaumlszligige Atemzuumlge

Kreislauf 10 des Herzminutenvolumens durch die Lunge Rechts-links-Shunt uumlber Foramen ovale und Ductus arteriosus

100 des Herzminutenvolumens durch die Lunge Foramen ovale und Ductus arteriosus verschlossen

Thermoregulation Keine Thermoregulation erforderlich Waumlrmeproduktion und Minimierung von Waumlrmeverlusten

Ernaumlhrung Kontinuierlich uumlber Plazenta Intermittierend enteral (Saugen Schlucken Peristaltik Verdauung)

Niere Produktion von Fruchtwasser Regulation von Wasser-Elektrolyt- und Saumlure-Basen-Haushalt

Sinneswelt Dunkel gedaumlmpfte Geraumlusche gleichmaumlszligig warm raquoschwereloslaquo

Hell laut Temperaturwechsel Schwerkraft

Abb 72 Schema des fetalen Kreislaufs mit Sauerstoffpartialdruumlcken in verschiedenen Gefaumlszligen

Kapitel 7 middot Neonatologie130

7Adaptationsvorgaumlnge Die Beluumlftung der Lunge induziert eine Vasodilatation im Pulmonalkreislauf Die Erhoumlhung des paO2 von 30 auf 60ndash99 Torr im Blut das den Ductus arteriosus durchstroumlmt fuumlhrt zu Konstriktion und funktionellem Verschluss des Ductus der Druckanstieg im kindlichen Koumlrperkreislauf leitet nach dem Wegfall des plazentaren Niederdrucksystems den funktionellen Verschluss des Foramen ovale ein

723 Temperaturregulation

Intrauterin Waumlrme ist fuumlr den Feten ein Nebenprodukt des Stoff-wechsels Obwohl ein Groszligteil dieser Waumlrme uumlber die Plazenta ab-gefuumlhrt wird liegt die Koumlrpertemperatur des Feten dadurch um 05degC uumlber der Koumlrpertemperatur der Mutter Intrauterin benoumltigt der Fetus keine eigene Waumlrmeregulation

Postnatal Die Umgebungstemperatur liegt 15ndash20degC unter der Koumlrpertemperatur und es treten Waumlrmeverluste durch Strahlung (kuumlhle Raumwaumlnde) Konvektion (kuumlhle bewegte Luft) und Ver-dunstung (trockene Luft) auf Um die Koumlrpertemperatur konstant zu halten muumlssen die auftretenden Waumlrmeverluste durch Waumlrme-produktion ausgeglichen werden

Adaptationsvorgaumlnge Das Neugeborene verringert Waumlrmever-luste durch Vasokonstriktion in der Haut und produziert Waumlrme im braunen Fettgewebe Nur Neugeborene besitzen dieses braune Fettgewebe das zwischen den Schulterblaumlttern hinter dem Herzen und den groszligen Gefaumlszligen liegt die dort produzierte Waumlrme verteilt sich rasch im Koumlrper Die Braunfaumlrbung des Gewebes entsteht durch den hohen Anteil an Mitochondrien Die Fettoxidation ist durch das so genannte raquouncoupling proteinlaquo von der ATP-Produktion abge-koppelt und erlaubt eine direkte und rasche Waumlrmeproduktion Trotz dieses Adaptationsmechanismus uumlbertreffen die Waumlrmever-luste eines unbekleideten reifen Neugeborenen in Raumtemperatur (22degC) seine Waumlrmeproduktion und es besteht die Gefahr der Aus-kuumlhlung ( Abb 73)

gt Um eine postnatale Auskuumlhlung zu verhindern wird ein reifes Neugeborenes nach der Geburt gut abgetrocknet in direktem Hautkontakt der Mutter auf die Brust gelegt und mit einem trockenen Tuch zugedeckt

724 Niere

Intrauterin Die Plazenta uumlbernimmt die Ausscheidungsfunktion der Nieren Die Aufgabe der fetalen Nieren ist die Produktion von Fruchtwasser das zum groszligen Teil fetaler Urin ist Fehlt das Frucht-wasser kommt es zur Lungenhypoplasie

Postnatal Die Nieren muumlssen die Fluumlssigkeits- und Elektrolytho-moumlostase aufrechterhalten Stoffwechselprodukte ausscheiden und den Saumlure-Basen-Haushalt ausgleichen

Adaptationsvorgaumlnge Der erste Urin wird oft bei oder unmittelbar nach der Geburt abgesetzt und nach einer Pause setzt dann inner-halb von 24 h die Diurese ein In den ersten Lebenstagen reduziert das Neugeborene als Adaptation an das trockene extrauterine Milieu seinen groszligen Extrazellulaumlrraum Durch die Fluumlssigkeitsausschei-dung kommt es zur physiologischen postnatalen Gewichtsabnah-me von maximal 10 des Geburtsgewichts

Die Filtrationsleistung der Nieren betraumlgt beim Neugeborenen nur 110ndash16 des Erwachsenen und auch die Tubuli sind deutlich weniger leistungsfaumlhig Trotzdem kann die Niere des Neugeborenen die Homoumlostase in der Regel aufrechterhalten

gt Da die Regulationsfaumlhigkeit der Niere des Neugeborenen geringer ist ist das Risiko einer Hyperhydratation sowie einer Dehydratation groumlszliger als beim Erwachsenen

725 Gastrointestinaltrakt

Intrauterin Die Ernaumlhrung des Feten erfolgt uumlber die Plazenta Der Fet schluckt und resorbiert Fruchtwasser und reguliert damit das Fruchtwasservolumen

CaveEin Polyhydramnion kann Symptom einer gastrointestina-len Obstruktion (z B Oumlsophagusatresie Duodenalatresie) oder einer Schluckstoumlrung des Feten sein

Postnatal Die Ernaumlhrung erfolgt durch die Resorption von Naumlhr-stoffen aus dem Gastrointestinaltrakt

Adaptationsvorgaumlnge 70 der Neugeborenen setzen innerhalb der ersten 12 Lebensstunden Mekonium den ersten Stuhl ab die restlichen Neugeborenen innerhalb von 48 h Mekonium ist gruumln-lich-schwarz und besteht aus eingedickter Galle Lanugo und Zell-detritus Beim reifen Neugeborenen ist der Saug- und Schluckreflex ausreichend entwickelt so dass orale Nahrung aufgenommen werden kann Die Nahrungsmenge wird langsam gesteigert bis sich eine koordinierte gastrointestinale Peristaltik entwickelt hat

726 Eltern-Kind-Beziehung

Die Geburt ist ein wichtiger Augenblick fuumlr die Entwicklung der Eltern-Kind-Beziehung Die Eltern sehen zum ersten Mal das lange erwartete Kind und auch das gesunde reife Neugeborene ist in der ersten Stunde nach der Geburt wach und aufmerksam Augen- und Hautkontakt zum Neugeborenen sind in dieser Phase der Entwick-lung der Eltern-Kind-Beziehung besonders foumlrderlich Zudem sollte das gesunde reife Neugeborene bereits im Kreiszligsaal an die Brust der Mutter angelegt werden weil dadurch das spaumltere erfolgreiche Stil-len beguumlnstigt wird

Abb 73 Waumlrmebilanz eines unbekleideten reifen Neugeborenen bei Raumtemperatur

713173 middot Untersuchung des Neugeborenen

727 Beurteilung der postnatalen Adaptation (Apgar-Schema)

Zur Beurteilung der postnatalen Adaptation hat sich das von der amerikanischen Anaumlsthesistin Virginia Apgar eingefuumlhrte Apgar-Schema ohne Zweifel bewaumlhrt ( Tab 73) Dr Apgarrsquos primaumlres Ziel war es Neugeborene zu identifizieren die unmittelbar postnatal deprimiert waren und eine unverzuumlgliche Hilfe benoumltigten

gt Der Apgar-Wert wird 1 5 und 10 min nach der Geburt erhoben

Der 1-min-Apgar-Wert dient zur Identifikation der Neugeborenen die sofortiger Hilfe beduumlrfen Fuumlr die neonatale Mortalitaumlt und spaumltere neurologische Morbiditaumlt kommt dem 5-min Apgar-Score eine gewisse prognostische Bedeutung zu

728 Akut lebensbedrohliche Fehlbildungen der Neugeborenenperiode

2ndash3 der Neugeborenen haben angeborene Fehlbildungen die mit bedeutsamer Behinderung einhergehen oder lebensbedrohend sind 3ndash4 der Neugeborenen haben geringfuumlgige Fehlbildungen Durch die praumlnatale Ultraschalldiagnostik koumlnnen zahlreiche angeborene Fehlbildungen bereits vor der Geburt erkannt werden ( Abb 74) Bei intrauteriner Diagnose einer angeborenen Fehlbildung sollten die Eltern von Geburtshelfern Neonatologen und Kinderchirurgen gemeinsam beraten werden und der Geburtsmodus und das post-natale Vorgehen festgelegt werden

73 Untersuchung des Neugeborenen

731 Zeitpunkte der Neugeborenenuntersuchung

4 Bei jedem Neugeborenen werden vorgeschriebene Vorsorge-untersuchungen gemacht

4 die U1 in den ersten 4 Lebensstunden 4 die U2 im Alter von 3ndash10 Tagen 4 die U3 am Ende der Neonatalperiode im Alter von

4ndash6 Wochen

Auszligerdem hat sich eine zusaumltzliche Untersuchung im spaumlteren Ver-lauf des 1 Lebenstages als nuumltzlich erwiesen Jeder Untersuchungs-zeitpunkt hat eigene Untersuchungsschwerpunkte und beinhaltet zusaumltzliche praumlventive Maszlignahmen

732 Durchfuumlhrung der Neugeborenenuntersuchung

AnamneseZuerst sollte die Schwangerschafts- und Geburtsanamnese er-hoben werden 4 Alter der Mutter Anzahl und Ausgang vorausgegangener

Schwangerschaften 4 jetzige Schwangerschaft Dauer Komplikationen oder

Erkrankungen der Mutter in der Schwangerschaft Medi-kamente Blutgruppe der Mutter Schwangerenvorsorge Mutterpass

4 Geburtsmodus Geburtsdauer Risikofaktoren fuumlr eine Amnion infektion (vorzeitiger Blasensprung Fieber bei Ge-burt) Fruchtwasser Nabelarterien-pH

4 Erstversorgung Apgar-Score

Tab 73 Apgar-Schema zur Beurteilung der postnatalen Adaptation

0 Punkte 1 Punkt 2 Punkte

Aussehen Hautfarbe Blass oder zyanotisch Stamm rosig Akrozyanose Ganz rosig

Puls (Herzfrequenz) Keine lt100min gt100min

Gesichtsmimik bei Stimulation Keine Grimassieren Schreien

Aktivitaumlt (Muskeltonus) Schlaff Geringe Extremitaumltenflexion Kraumlftig aktive Bewegung

Respiration (Atmung)Bestimmung nach 12 und 10 min Keine Langsam unregelmaumlszligig Regelmaumlszligig kraumlftig

Abb 74a b Praumlnatale Diagnose eines fetalen Spaltfuszliges mit Hilfe der 3-D-Sonographie (a) klinischer Befund nach der Geburt (b)

a b

Exkurs

Neugeborenenscreening auf Stoffwechselstoumlrungen

Am 5 Lebenstag wird bei allen Neugeborenen ein Screening auf folgende angeborene Stoffwechselstoumlrungen durchgefuumlhrt (7 Kap 51)

4 Hypothyreose (14000 Lebendgeborene) Messung der TSH-Konzentration

4 Phenylketonurie (17000 Lebendgeborene) semiquantitative Bestimmung des Phenylalaninspiegels

4 Galaktosaumlmie (140000 Lebendgeborene) semiquantitative Bestimmung der Uridyltransferaseaktivitaumlt

Kapitel 7 middot Neonatologie132

7

UntersuchungsablaufDie Qualitaumlt einer Neugeborenenuntersuchung haumlngt vom Koumlnnen und der Erfahrung des Untersuchers ab sie erfordert ausreichend Zeit und ein Eingehen auf das Neugeborene und seine Eltern

10 Grundregeln fuumlr die Neugeborenenuntersuchung 4 1 Die Untersuchung soll in einem warmen Raum auf

einer warmen Unterlage erfolgen 4 2 Das Licht soll hell aber nicht grell sein 4 3 Zur Untersuchung soll das Neugeborene vollstaumlndig

entkleidet werden 4 4 Der beste Untersuchungszeitpunkt ist 2ndash3 h nach der

letzten Mahlzeit wenn das Neugeborene wach aber ruhig ist

4 5 Die Eltern sollen bei der Untersuchung anwesend sein 4 6 Das Neugeborene soll immer erst in Ruhe beobachtet

werden bevor Untersuchungen vorgenommen werden 4 7 Immer mit den Untersuchungen beginnen die das

Neugeborene am wenigsten irritieren und belasten 4 8 Bei der Untersuchung soll mit dem Neugeborenen ge-

sprochen werden und nicht nur uumlber das Neugeborene 4 9 Auch harmlose Befunde die aber unerfahrene Eltern

beunruhigen koumlnnen sollen erklaumlrt und demonstriert werden (z B Fuumlhlen der Fontanelle)

4 10 Alle Fragen der Eltern sollen in Ruhe und ausfuumlhrlich beantwortet werden

Der Ablauf der koumlrperlichen Untersuchung soll flexibel dem ein-zelnen Neugeborenen angepasst werden Folgende prinzipielle Vor-gehensweise hat sich bewaumlhrt zuerst wird das Neugeborene be-obachtet ohne es durch raquoAnfassenlaquo zu irritieren Dabei werden Aussehen Spontanatmung Spontanhaltung und Spontanmotorik beurteilt Solange das Neugeborene noch ruhig ist erfolgt danach die Auskultation von Herz und Lunge Die weitere Untersuchung er-folgt vom Kopf zu den Zehen

gt Zur Neugeborenenuntersuchung gehoumlren neben der allgemeinen koumlrperlichen Untersuchung die Bestimmung der somatischen Reifezeichen die Suche nach Geburts-verletzungen und nach Fehlbildungen

Untersuchung der einzelnen KoumlrperregionenIn diesem Abschnitt sind wichtige Untersuchungsinhalte und haumlufi-ge Befunde fuumlr die einzelnen Koumlrperregionen des Neugeborenen aufgefuumlhrt ( Tab 74) Geburtsverletzungen (7 Abschn 753) und Dysmorphiezeichen sind andernorts abgehandelt

Haut Akrozyanose (haumlufig bei kalten Haumlnden Fuumlszligen) zentrale Zyanose (Zunge) Blaumlsse Plethora Oumldeme marmoriertes Haut-kolorit graues Munddreieck Ikterus 4 Storchenbiss (Naevus simplex) angeborene Teleangiektasien

symmetrisch auf Stirn Oberlidern Nase Oberlippe und im Nacken die im Gesicht meist bis zum 3 Lebensjahr verschwin-den im Nacken aber haumlufig persistieren Differenzialdiagnose Naevus flammeus Haumlmangiome

4 Milien zahlreiche punktfoumlrmige weiszlige Papeln auf dem Nasen-ruumlcken und am Kinn durch transiente Keratinzysten Milien verschwinden ohne Therapie

4 Waschfrauenhaumlnde Schuppung und Abschilferung der Haut an Handinnenflaumlchen und Fuszligsohlen bei Uumlbertragung oder Plazentainsuffizienz

4 Neugeborenenexanthem (Erythema toxicum neonatorum) nichtinfektioumlse transiente erythematoumlse Makulae zum Teil mit zentraler gelblicher Papel die meist am Stamm zwischen dem 3 und 7 Lebenstag auftreten ( Abb 75) Im Direktpraumlparat im Wesentlichen eosinophile Granulozyten Differenzialdiag-nose Staphylodermie

4 Transiente neonatale pustuloumlse Melanose Dabei handelt es sich vermutlich um eine selten auftretende Variante des Ery-thema toxicum neonatorum Die Pusteln und Vesikel sind be-reits bei der Geburt vorhanden und nicht von einem erythema-toumlsen Hof umgeben Die abgeheilten Laumlsionen hinterlassen oft hyperpigmentierte Maculae die fuumlr 2ndash3 Monate persistieren koumlnnen ( Abb 76)

Kopf Messung des frontookzipitalen Kopfumfangs (Makrozephalie Mikrozephalie) Groumlszlige und Konsistenz der Fontanellen Schaumldel-naumlhte Die Schaumldelform ist abhaumlngig vom Geburtsmodus nach vagi-naler Entbindung sind haumlufig die Scheitelbeine uumlber die Stirnbeine geschoben

Tab 74 Haumlufige Befunde bei der koumlrperlichen Untersuchung des Neugeborenen

Koumlrperregion Haumlufige Befunde

Haut raquoStorchenbisslaquo Milien Waschfrauenhaumlnde Neugeborenenexanthem

Kopf Geburtsgeschwulst Kephalhaumlmatom

Augen Subkonjunktivale Einblutung Konjunktivitis

Mund Retentionszysten (Epstein-Perlen)

Hals Haumlmatom des M sternocleidomastoideus

Thorax Klavikulafraktur Brustdruumlsenschwellungen

Nabel Naumlssender Nabel Nabelgranulom

Weibliches Genitale Vaginalsekretion Hymenalpolyp

Maumlnnliches Genitale

Physiologische Phimose unvollstaumlndiger Descensus testis

Extremitaumlten Huumlftdysplasie Polydaktylie 4-Fingerfurche Sichelfuszlighaltung

Wirbelsaumlule Lumbosakrales Hautgruumlbchen

Abb 75 Neugeborenenexanthem

713373 middot Untersuchung des Neugeborenen

4 Geburtsgeschwulst oumldematoumls-teigige Kopfhautschwellung meist parietookzipital verschwindet in den ersten Lebens-tagen

4 Kephalhaumlmatom prallelastische Schwellung die durch die Schaumldelnaumlhte begrenzt wird nach subperiostaler Einblutung haumlufig parietookzipital kann uumlber Monate persistieren und am Rand verknoumlchern die raquoVerknoumlcherunglaquo loumlst sich in der Regel bis zum Ende des 1 Lebensjahres wieder auf

Augen Roter Pupillenreflex Konjunktivitis Kolobom Stellung der Lidachsen Kongenitale Katarakt bei direktem Lichteinfall Leuko-korie (weiszliglicher Pupillenreflex) bei seitlichem Lichteinfall raquoPupil-lentruumlbunglaquo Normal sind symmetrische Stellung und koordinierte Bewegungen Bei ploumltzlichem hellen Licht schlieszligt das Neugeborene geblendet die Augen 4 Subkonjunktivale Einblutungen entstehen durch den Press-

druck unter der Geburt harmlos 4 Konjunktivitis meist nichtinfektioumls durch chemische oder

physikalische Irritation Differenzialdiagnose infektioumlse Konjunktivitis (Chlamydien)

gt Das Neugeborene oumlffnet oft spontan die Augen wenn es aufrecht gehalten wird

Mund Physiologische Retrogenie auf Spaltbildungen in Lippen Kiefer hartem und weichem Gaumen achten Mikrogenie Retroge-nie Glossophthose Pierre-Robin-Sequenz raquoneonatalelaquo Zaumlhne 4 Retentionszysten (Epstein-Perlen) weiszligliche Knoumltchen laumlngs

der Mittellinie am Gaumen oder den Zahnleisten 4 Bednarrsquosche Aphthen ulzerative Laumlsionen am Gaumenbogen

aumltiologisch unklare in den ersten Lebenstagen auftretende zT eindrucksvolle ulzerative Laumlsionen transient keine Therapie

Hals Schiefhals Struma Halszysten 4 Sternocleidomastoideushaumlmatom kirschgroszlige harte

schmerzlose Verdickung im Muskel nach geburtstraumatisch bedingter Einblutung Die nachfolgende Vernarbung kann zum Schiefhals fuumlhren mit Neigung des Kopfes zur kranken und Drehung des Kopfes zur gesunden Seite Physiotherapie

Thorax Brustkorb fast kreisrund Rippen weich 4 Brustdruumlsenschwellung treten zwischen dem 3 und 7 Lebens-

tag meist beidseits bei maumlnnlichen und weiblichen Neugebore-nen auf Roumltung und Uumlberwaumlrmung ist moumlglich es kann sogar

zu einer kolostrumaumlhnlichen Sekretion kommen (raquoHexen-milchlaquo) Ursache sind diaplazentar uumlbergetretene muumltterliche Hormone ( Abb 77) Differenzialdiagnose eitrige Mastitis

4 Klavikulafraktur Schmerzempfindung im Bereich der betrof-fenen Schulterregion Schonung des Arms auf der betroffenen Seite nach einer Woche tastbarer Kugelkallus

Herz und Kreislauf Zyanose Blaumlsse Oumldeme Lage des Herzspitzen-stoszliges periphere Pulse an oberer und unterer Extremitaumlt Herz-frequenz und Herzrhythmus Blutdruck Herztoumlne Herzgeraumlusch ( Tab 75) Systolische Herzgeraumlusche in den ersten Lebenstagen sind haumlufig funktionell oder durch einen noch nicht komplett ver-schlossenen Ductus arteriosus verursacht und verschwinden haumlufig nach einigen Tagen Nur 8 der Neugeborenen mit einem Herz-geraumlusch haben ein Vitium cordis

CaveFehlende Pulse an der unteren Extremitaumlt sind pathognomonisch fuumlr eine Aortenisthmusstenose

Lunge Die Atemfrequenz liegt in Ruhe zwischen 22ndash40min Bauchatmung und pueriles Atemgeraumlusch mit houmlrbarem Exspiri-um sind beim Neugeborenen physiologisch Dyspnoezeichen sind Nasenfluumlgeln (Erweiterung der Nasenloumlcher bei der Einatmung) Einziehungen (interkostal subkostal jugulaumlr) Stridor und exspira-torisches Stoumlhnen

Abb 76 Transitorische neonatale pustuloumlse Melanose die bereits bei der Geburt des Neugeborenen nachweisbar war

Abb 77 Brustdruumlsenschwellungen und kolostrumaumlhnliche Sekretion (raquoHexenmilchlaquo) bei einem Neugeborenen

Tab 75 Wichtige Normalwerte bei reifen Neugeborenen

Koumlrpergewicht [g] 3500 (3000ndash4300)

Laumlnge [cm] 50 (46ndash58)

Frontookzipitaler Kopfumfang [cm] 34 (325ndash365)

Herzfrequenz [min] 125 (70ndash190)

Atemfrequenz [min] 30 (22ndash40)

Systolischer Blutdruck [mmHg] 60 (50ndash70)

Diastolischer Blutdruck [mmHg] 35 (28ndash45)

50 Perzentile (10ndash90 Perzentile)

Kapitel 7 middot Neonatologie134

7

Abdomen Das Abdomen des Neugeborenen ist ausladend da die Bauchwandmuskulatur schwach ausgepraumlgt ist haumlufig besteht eine Rektusdiastase Lebergroumlszlige (normal bis 2 cm unter dem Rippen-bogen) Milzgroumlszlige Lage und Aussehen der Analoumlffnung Abdomen-distension und Abwehrspannung sollten untersucht werden 4 Zystische abdominelle Tumoren Hydronephrose multizys-

tisch-dysplastische Nieren Nebennierenblutung Hydrometro-kolpos Darmduplikaturen Choledochuszyste Ovarialzyste

4 Solide abdominelle Tumoren Neuroblastom Wilms-Tumor Teratom Nierenvenenthrombose Pylorushypertrophie

Nabel Sekretion Roumltung Hernie Normalerweise trocknet die Nabelschnur bis zum 6ndash10 Lebenstag ein und faumlllt dann ab

4 Naumlssender Nabel nach Abfallen des Nabelstumpfes auftretende geringe seroumlse Sekretion aus dem Nabel ohne Roumltung Falls 2 Wochen nach dem Abfallen der Nabelschnur der Nabel weiter sezerniert kommen folgende Differenzialdiagnosen in Frage

4 Nabelgranulom am Nabelgrund mit seroumls-blutiger Sekretion 4 Ductus omphaloentericus (zwischen Nabel und Darm) oder

Urachusfistel (zwischen Nabel und Blase) 4 Omphalitis Roumltung und Schwellung des Nabelrings mit

eitriger Sekretion

gt Der Nabel soll nicht mit Puder oder Nabelbinde versorgt sondern unverbunden und trocken belassen werden

Maumlnnliches Genitale Hydrozele Hypospadie Hoden tastbar im Skrotum oder im Leistenkanal Hodengroumlszlige 4 Phimose ist beim Neugeborenen physiologisch

Weibliches Genitale Klitorisgroumlszlige Vaginalsekretion ( Abb 78) 4 Hymenalpolyp Zipfel des hypertrophierten Hymens der aus

der Scheide ragt ndash Normvariante 4 Vaginalsekretion weiszligliches manchmal leicht blutiges Sekret

bei Abstoszligung des durch muumltterliche Hormone proliferierten Endometriums

Extremitaumlten Beweglichkeit Schonhaltung Beinlaumlngendifferenz Huumlftdysplasie 4 Kongenitale Huumlftdysplasie Bei kongenitaler Huumlftdysplasie

sind klinische Zeichen wie Abspreizhemmung der Oberschen-

kel Faltenasymmetrie oder Beinlaumlngendifferenz nicht zuverlaumls-sig Der Ortolani-Test (Ausrenken und Wiedereinrenken der dysplastischen Huumlfte) wird heute nicht mehr empfohlen Bei klinischer Untersuchung auf Instabilitaumlt der Huumlften achten

gt Die adaumlquate Diagnostik zum Ausschluss einer Huumlft-dysplasie ist heute die Ultraschalluntersuchung der Huumlfte

4 Polydaktylie uumlberzaumlhlige haumlufig rudimentaumlre Finger oder Zehen

4 Vierfingerfurche einzelne die gesamte Plantarflaumlche durch-ziehende Furche Kommt bei 5 der Normalbevoumllkerung vor kann jedoch ein unspezifisches Hinweiszeichen auf eine Chromosomenstoumlrung z B Trisomie 21 sein

4 Sichelfuszlighaltung (Pes adductus et supinatus) Supinations-stellung des Vorfuszliges bedingt durch intrauterine Haltung Durch Stimulation der Fuszligauszligenkante vom Neugeborenen aktiv ausgleichbar Differenzialdiagnose Klumpfuszlig

Wirbelsaumlule Achten auf Hinweiszeichen fuumlr eine Spina bifida occulta wie lumbosakral gelegenes Hautgruumlbchen Haarbuumlschel subkutanes Lipom oder Dermalsinus (epithelialisierter Ver-bindungsgang zwischen aumluszligerer Haut und Neuralrohr)

CaveraquoTethered cordlaquo evtl spinale Sonographie

733 Neurologische Neugeborenenuntersuchung

Die Untersuchungsergebnisse der neurologischen Neugeborenen-untersuchung haumlngen sehr vom Verhaltenszustand des Neugebore-nen ab (ruhiger Schlaf ruhiges Wachsein aktives Wachsein Schrei-en) Der Verhaltenszustand muss also dokumentiert und in die Be-urteilung einbezogen werden Die besten Ausgangsbedingungen fuumlr die neurologische Untersuchung sind ruhiges und aktives Wachsein

Die neurologische Untersuchung am 1 Lebenstag hat eher orientierenden Charakter wesentlich aussagekraumlftiger ist die Unter-suchung am 3 Lebenstag Bei der neurologischen Untersuchung des Neugeborenen werden folgende Funktionen beurteilt

Spontanverhalten und Spontanmotorik Das gesunde Neugebore-ne zeigt im Wachzustand eine lebhafte Spontanmotorik mit seiten-gleichem alternierendem Strampeln der Beine und alternierendem Rudern mit den Armen Auffaumlllig sind Apathie oder Hyperexzitabi-litaumlt Das gesunde Neugeborene saugt kraumlftig und trinkt ohne sich zu verschlucken

Muskeltonus Das gesunde Neugeborene haumllt Arme und Beine ge-beugt am Koumlrper Beim Hochziehen des Oberkoumlrpers an den Armen bleiben die Arme leicht gebeugt und der Kopf wird ndash zumindest anfangs ndash mitgenommen Das gesunde Neugeborene kann aus der Bauchlage heraus kurz den Kopf heben

Neugeborenenreflexmuster (Auswahl) 4 Suchreflex Beim Beruumlhren der Wangen wendet sich das Neu-

geborene suchend in Richtung der Beruumlhrung und oumlffnet den Mund

4 Saugreflex Das Neugeborene saugt kraumlftig am Finger 4 Greifreflexe an Haumlnden und Fuumlszligen Das Neugeborene

umfasst den in seine Handinnenflaumlche gelegten Finger des Unter suchers

Abb 78 Vaginalsekretion weiszligliches gelegentlich leicht blutiges Sekret das nach Abstoszligung des durch muumltterlichen Hormoneinfluss pro-liferierten Endometriums auftritt

713574 middot Reanimation Fruumlh- und Neugeborener

4 Arm-Recoil Wenn die Arme des Neugeborenen gestreckt und dann ploumltzlich losgelassen werden federn die Unterarme in den Beugezustand zuruumlck

4 Moro-Reaktion Durch kurzes Zuruumlckfallenlassen des kindlichen Kopfes kommt es zu einer raschen ausfahrenden Bewegung mit Streckung der Arme und Spreizen der Finger ( Abb 79) gefolgt von einem langsameren Zuruumlckholen der Arme an den Rumpf

4 Stuumltzreaktion Das Aufsetzen des Kindes mit beiden Beinen auf eine Unterlage fuumlhrt zu einer kurzen tonischen Streckung des gesamten Koumlrpers

4 Reflexschreiten Ausloumlsen von Schreitbewegungen durch alter-nierendes Aufsetzen der Fuumlszlige auf die Unterlage

4 Asymmetrisch-tonischer Nackenreflex Die Seitwaumlrtsdrehung des Kopfes fuumlhrt zur Streckung des Armes und Beines auf der Gesichtsseite und zur Beugung des Armes und Beines auf der Gegenseite (raquoFechterstellunglaquo Abb 710)

CaveBei der Beurteilung der Seitengleichheit von Bewegungen bei Neugeborenen darf der Kopf nicht zur Seite gedreht sein da sonst durch den asymmetrisch-tonischen Nacken-reflex eine Seitendifferenz vorgetaumluscht wird

734 Bestimmung der somatischen Reifezeichen

Zur klinischen Schaumltzung des Gestationsalters werden somatische und neurologische Merkmale herangezogen Ein gut validiertes Untersuchungsschema zur Schaumltzung des Gestationsalters ist

der Ballard-Score Die klinische Reifealterbestimmung ist auf plusmn15 Wochen genau In Tab 76 sind somatische Reifezeichen eines Fruumlhgeborenen und eines reifen Neugeborenen gegenuumlber-gestellt

74 Reanimation Fruumlh- und Neugeborener

741 Voraussetzungen zur Reanimation

Voraussetzungen zur Durchfuumlhrung Die meisten Neugeborenen durchlaufen eine unproblematische kardiorespiratorische Adapta-tion bei ca 10 der Kinder koumlnnen allerdings mehr oder weniger intensive Reanimationsmaszlignahmen erforderlich sein Ungefaumlhr 23 dieser Patienten lassen sich aufgrund definierter Risiken bereits vor der Geburt identifizieren bei 13 der Neugeborenen tritt die Reani-mationssituation voumlllig unerwartet auf Diese Tatsache unterstreicht die Notwendigkeit dass die essenziellen Wiederbelebungsmaszlignah-men zu jeder Zeit differenziert und kompetent durch ein geschultes neonatologisches Reanimationsteam durchgefuumlhrt werden koumlnnen Weitere Voraussetzungen sind eine optimale Information uumlber maternale und fetale Risiken sowie eine gezielte Vorbereitung auf die spezielle Reanimationssituation

Sind die personellen und apparativen Moumlglichkeiten in einer Geburtsklinik nicht vorhanden um ein Fruumlhgeborenes oder Risiko-neugeborenes optimal zu versorgen so muss die Mutter ndash wenn immer medizinisch vertretbar ndash in ein Perinatalzentrum verlegt werden Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses der Krankenkassen

Der antenatale Transport von Schwangeren und damit von Risiko-fruumlh- und Neugeborenen in ein Perinatalzentrum Level 1 ist bei folgenden Situationen obligat 4 Fruumlhgeborene mit einem Gestationsalter lt290 Wochen

( geschaumltztes Gewicht lt1250 g) 4 Houmlhergradige Mehrlinge (gt2) lt33 Gestationswochen

Abb 79 Moro-Reflex (I) durch kurzes Zuruumlckfallenlassen des Kopfes ploumltzliche Extension und Abduktion der oberen Extremitaumlt sowie Spreizung der Finger

Abb 710 Asymmetrisch tonischer Nackenreflex (Fechterstellung)

Tab 76 Somatische Reifezeichen eines Fruumlhgeborenen und eines reifen Neugeborenen

Fruumlhgeborenes (28 Wochen)

Reifgeborenes (40 Wochen)

Hauttextur Oumldematoumls glaumlnzend transparent

Einzelne Venen sichtbar

Hautfarbe Rot Rosig

Lanugohaare Flaumlchig vorhanden Fehlen

Sohlenfaumlltelung Nur vereinzelt Uumlber ganzer Sohle

Brustwarze Roter Punkt uumlber 1 cm erhaben

Ohrmuschelrand Weich formlos Fest elastisch

Hoden Im Inguinalkanal Im Skrotum

Skrotum Klein wenig Falten Groszlig viele Falten

Groszlige Labien Klaffend Bedecken kleine Labien

Spontanhaltung Extremitaumlten gestreckt

Extremitaumlten gebeugt

Kapitel 7 middot Neonatologie136

7

4 Alle praumlnatal diagnostizierten Erkrankungen bei denen nach der Geburt eine unmittelbare Notfallversorgung erforderlich ist Dies betrifft Erkrankungen der Mutter mit fetaler Gefaumlhr-dung sowie angeborene Fehlbildungen

Postnatale Beurteilung Fuumlr die postnatale Beurteilung reifer Neugeborener hat sich das Apgar-Schema bewaumlhrt Fruumlhgeborene lassen sich aufgrund des vom Gestationsalter abhaumlngigen Muskel-tonus und der Reflexerregbarkeit allerdings nicht adaumlquat beurtei-len Eine allzu schematische Erfassung der einzelnen Apgar-Krite-rien bei der Erstversorgung eines deprimierten reifen Neugebore-nen birgt daruumlber hinaus die Gefahr dass die Wiederbelebungs-maszlignahmen nur verzoumlgert einsetzen Die Bestimmung des Saumlure-Basen-Status ist als ein fester Bestandteil und eine wesent-liche Ergaumlnzung der kindlichen Zustandsbeurteilung anzusehen Diese nur mit einer zeitlichen Latenz verfuumlgbare Diagnostik ist jedoch fuumlr die initialen therapeutischen Entscheidungen in der Regel nicht relevant

742 Maszlignahmen der Neugeborenenreanimation

Drei klinische Kriterien ndash naumlmlich Hautfarbe Atmung und Herzfre-quenz ndash geben ausreichende Informationen um das akute Vorgehen zu planen und die Maszlignahmen die in 3 Stufen erfolgen sollten weder zu spaumlt noch zu voreilig durchzufuumlhren ( Abb 711)

Stufe 1 BasismaszlignahmenDie einfachen Basismaszlignahmen der Reanimation beinhalten Ab-trocknen Stimulation und Absaugen des Neugeborenen Waumlhrend dieser Maszlignahmen ist eine schnelle Beurteilung zum Ausschluss von schweren Fehlbildungen erforderlich

Nach dem Abtrocknen wird das Neugeborene in angewaumlrmte trockene Tuumlcher gehuumlllt Die Erstversorgung erfolgt unter einem Heizstrahler Zugluft im Raum ist zu vermeiden Bei sehr kleinen Fruumlhgeborenen und extrem hypotrophen Neugeborenen ist ein zu-saumltzlicher Waumlrmeschutz durch verschiedenste Folien (u a Plastik-folien) oder Warmluftdecken erforderlich Durch die taktile Stimu-lation u a von Ruumlcken und Fuszligsohlen wird die kindliche Atmung stimuliert Die Mehrzahl der Neugeborenen beginnt innerhalb von 10 s nach der Geburt spontan zu atmen allerdings ist damit zu rech-nen dass ca 10 der Neugeborenen nach 1 Lebensminute noch keine regelmaumlszligige Atemtaumltigkeit aufweisen Bei entsprechender In-dikation wie Verlegung der Atemwege durch Fruchtwasser Blut oder Mekonium erfolgt das Absaugen zuerst des Oropharynx und dann der Nasenwege des Neugeborenen mit einem ausreichend groszliglumigen Katheter (Ch 8ndash10)

CaveMund vor Nase Es besteht eine erhoumlhte Aspirationsgefahr durch die Stimulation der kindlichen Eigenatmung nach nasalem Absaugen

Weiterhin ist unbedingt darauf zu achten dass beim Absaugen keine Bradykardien auftreten (Vagusstimulation) Der Sog am Absaugge-raumlt ist in der Regel auf 200 mbar zu begrenzen um Verletzungen der Schleimhaut zu vermeiden Ein routinemaumlszligiges Absaugen aller Neu-geborenen ist nicht indiziert

Stufe 2 Zusatzmaszlignahmen bei insuffizienter SpontanatmungFuumlhren die beschriebenen Basismaszlignahmen nicht zum Einsetzen der Spontanatmung so sind zur Vermeidung von Bradykardie und Hypoxie weitere Schritte erforderlich

Blaumlhmanoumlver und Beutel-Masken-Beatmung Neugeborene mit fehlender Eigenatmung werden nach 30 s mit einer Beutel-Masken-Beatmung und inspiratorischem Druckplateau behandelt Dieses raquoBlaumlhmanoumlverlaquo besteht aus max 3 Beatmungshuumlben mit einem ho-hen inspiratorischen Beatmungsdruck (ca 20ndash35 cmH2O) und einer langen Inspirationszeit (ca 3ndash5 s) Diese manuelle Maskenbeatmung wurde in vielen neonatologischen Zentren durch ein manometer-kontrolliertes Blaumlhmanoumlver ersetzt Ziel dieser Beatmungsstrategie ist die intraalveolaumlre Lungenfluumlssigkeit in das pulmonale Lymph- und Gefaumlszligsystem zu pressen und somit ndash in Analogie zur Atemtech-nik Neugeborener ndash eine funktionelle Residualkapazitaumlt herzu-stellen Diese Maszlignahme sollte unter Auskultationskontrolle erfol-gen und in eine assistierte den Beduumlrfnissen des Neugeborenen angepasste Beatmung uumlbergehen Runde Silikonmasken eignen sich fuumlr die Maskenbeatmung am besten sie erlauben eine optimale Ab-dichtung

Diese Beatmungsform ist nicht auf sehr unreife Fruumlhgeborene zu uumlbertragen Wie juumlngere Untersuchungen zeigen kann ein inadaumlqua-tes Baro- und Volutrauma im Rahmen der Reanimation gravierende akute und chronische Lungenschaumlden der unreifen Lungenstruktur induzieren die u a durch eine erhoumlhte alveolaumlr-kapillaumlre Leakage charakterisiert sind und moumlglicherweise die pathogenetische Sequenz der pulmonalen Inflammationsreaktion induzieren oder aggravieren Vor dem Hintergrund dieser Beobachtung ist eine dem Fruumlhgeborenen individuell angemessene Beatmungsform zu waumlhlen die das Risiko der mechanischen Traumatisierung so gering wie moumlglich haumllt Juumlngste Untersuchungen belegen dass durch eine un-mittelbar nach der Geburt erfolgte Anlage eines binasalen CPAP-Sys-tems (CPAP = continuous positive airway pressure = kontinuierlicher positiver Atemwegsdruck) eine betraumlchtliche Anzahl sehr unreifer Fruumlhgeborener bereits im Kreiszligsaal stabilisiert werden koumlnnen

Abb 711 3-Stufenmodell der Neugeborenenreanimation

713774 middot Reanimation Fruumlh- und Neugeborener

CaveEine inkorrekte Kopfhaltung oder fehlerhafte Masken-positionierung kann die Atemtaumltigkeit des Fruumlh- und Neu-geborenen empfindlich beeintraumlchtigen (raquoErstickung un-ter der Maskelaquo) Ebenso kann ein inadaumlquates Baro- und Volutrauma im Rahmen einer forcierten Maskenbeatmung zu einer Schaumldigung der Alveolen fuumlhren

Die Indikation fuumlr eine Beutel-Masken-Beatmung reifer Neugebo-rener ist eine fehlende Spontanatmung nach ca 30 s Bei sehr kleinen Fruumlhgeborenen die postnatal nicht schreien sollte sofort mit einer adaumlquaten Beutel-Masken-Beatmung begonnen werden um eine hypoxisch bedingte Bradykardie und somit das Risiko von Fluktua-tionen des zerebralen Blutflusses zu vermeiden (Cave Hirnblutung)

Eine primaumlre Maskenbeatmung sollte bei folgenden Erkrankun-gen des Neugeborenen gaumlnzlich vermieden werden 4 Mekonium- und Blutaspiration 4 Zwerchfellhernie 4 schwerste postnatale Asphyxie

Sauerstoffzufuhr Eine Stabilisierung oder Reanimation erfolgt pri-maumlr mit Raumluft Nur bei unzureichender Oxygenierung wird dem Neugeborenen und unreifen Fruumlhgeborenen unter kontinuierlicher pulsoxymetrischer Uumlberwachung Sauerstoff angeboten Auf Grund der aktuellen Datenlage empfehlen die meisten internationalen Fach-gesellschaften eine primaumlre Reanimation mit Raumluft (21 O2)

Wenn man bedenkt dass der Sauerstoffpartialdruck im fetalen Blut ca 25 mmHg betraumlgt kann eine zu rasche postnatale Hyperoxy-genierung des depremierten Neugeborenen durchaus problematisch sein Dieser Aspekt gilt besonders fuumlr Hochrisikofruumlhgeborene die nicht nur einen Mangel an protektiven Antioxidanzien in allen Ge-weben aufweisen sondern auch ernstzunehmende Spuren einer Ge-websschaumldigung durch Sauerstoffradikale aufweisen In dieser Hochrisikogruppe sollte eine Sauerstofftherapie nur unter Messung der Sauerstoffsaumlttigung erfolgen und auf jeden Fall eine Hyperoxy-genierung bereits waumlhrend der Stabilisierungsphase vermieden wer-den (cave Retinopathia praematurorum)

Intubation Bleibt ein Neugeborenes trotz Beutel-Masken-Beatmung apnoisch oder bradykard so wird das Kind umgehend endotracheal intubiert Fuumlr die Gruppe sehr kleiner Fruumlhgeborener ist inzwischen eindeutig belegt dass die Vermeidung von einer postnatalen Hypoxie zu einer Reduktion der Sterblichkeit und der Inzidenz des Atemnot-syndroms beitraumlgt Dennoch ist von einer generellen Intubation dieser besonderen Patientengruppe abzuraten da gerade bei sehr vitalen Fruumlhgeborenen unter der Intubation transitorische hypoxaumlmische Phasen und Alterationen der zerebralen Zirkulation nicht auszuschlie-szligen sind Es empfiehlt sich die Intubation selektiv durchzufuumlhren In Abhaumlngigkeit vom Schweregrad der Atemnotsymptomatik sollte das Fruumlhgeborene innerhalb von Minuten intubiert oder aber mit einem binasalen CPAP-System versorgt werden (CPAP raquocontinous positive airway pressurelaquo kontinuierlicher positiver Atemwegsdruck)

Waumlhrend der Intubation muss eine kontinuierliche Uumlberwa-chung der kindlichen Herzfrequenz und O2-Saumlttigung (Pulsoxime-ter) erfolgen Bei einer Bradykardie ist der Intubationsversuch un-verzuumlglich abzubrechen und das Kind mit erneuter Beutel-Masken-Beatmung und adaumlquater O2-Zufuhr zu stabilisieren (Cave Hyper-oxie) Die haumlufigsten Komplikationen im Verlauf der Intubation sind die Fehlpositionen des Tubus in den Oumlsophagus und eine ein-seitige selektive Intubation des rechten Hauptbronchus durch ent-sprechende Korrektur der Tubuslage sind diese Situationen leicht zu beheben Ernsthafte Komplikationen stellen die Perforation des

Oumlsophagus und Hypopharynx dar tracheale Perforationen wurden durch Fuumlhrungsstaumlbe von Endotrachealtuben beobachtet Magen-rupturen wurden nach Reanimation Neugeborener mit tracheooumlso-phagealer Fistel beschrieben Subglottische Stenosen koumlnnen sich als chronische Komplikationen eines Intubationsschadens ausbilden

Naloxon Neugeborene deren Muumltter unter der Geburt Opiate er-halten haben fallen haumlufig durch einen fehlenden Atemantrieb nach der Geburt auf Durch die intravenoumlse Gabe des Opiatantagonisten Naloxon (z B Narcanti neonatal) kann die atemdepressive Wirkung diaplazentar uumlbergetretener Morphinderivate aufgehoben werden (Dosierung 001 mgkg KG) Da die Opiatanalgetika eine laumlngere Halbwertszeit als Naloxon haben muss mit symptomatischen Re-boundeffekten beim Kind gerechnet werden sie machen wieder-holte Gaben von Naloxon erforderlich

CaveKinder heroinabhaumlngiger Muumltter duumlrfen kein Naloxon erhalten da schwerste akute Entzugserscheinungen aus-geloumlst werden koumlnnen

Stufe 3 Zusatzmaszlignahmen bei insuffizienter KreislauffunktionDa Bradykardien bei Neugeborenen in der Regel durch eine Hypoxie bedingt sind lassen sich die meisten Kreislaufprobleme durch eine suffiziente Oxygenierung beheben Besteht die Bradykardie trotz ausreichender Lungenbeluumlftung fort so sind weitere Maszlignahmen wie extrathorakale Herzmassage Adrenalingabe Volumensubstitu-tion und Azidosekorrektur angezeigt

Herzmassage Eine externe Herzmassage sollte bei allen Neugebo-renen durchgefuumlhrt werden bei denen die Herzfrequenz lt60 Schlauml-genmin liegt und die nach Beginn der adaumlquaten Ventilation nicht mit einem Anstieg der Herzfrequenz reagieren Bei einer der moumlgli-chen Techniken wird der Thorax des Kindes von beiden Seiten um-fasst und am unteren Teil des Sternums um 1ndash2 cm mit einer Fre-quenz von 100min komprimiert ( Abb 712) Diese Art der Herz-

Abb 712 Reanimation eines Neugeborenen mit Beutel-Masken-Beat-mung und extrathorakaler Herzmassage

Kapitel 7 middot Neonatologie138

7

massage stellt die effektivste Maszlignahme zur Aufrechterhaltung der Kreislauffunktion dar sie setzt aber voraus dass 2 in der Reanima-tion Neugeborener erfahrene Personen die kardiozirkulatorische und respiratorische Reanimation durchfuumlhren Eine Einzelperson ist gezwungen durch Sternumkompression mittels 2 Fingern eine wirksame Herzmassage und gleichzeitig eine effiziente Beatmung zu gewaumlhrleisten

gt Momentan wird ein Verhaumlltnis von 3 Herzkompressionen zu 1 Beatmung empfohlen

Trotz wirksamer Herzmassage muss die Ursache der Bradykardie rasch erkannt und wenn moumlglich kausal behandelt werden

Adrenalin Bleibt der unter externer Herzmassage erwartete Anstieg der Herzfrequenz aus so sollte unverzuumlglich Adrenalin uumlber die ka-theterisierte Nabelvene oder eine periphere Vene (001ndash003 mgkg KG) appliziert werden Ist kein Gefaumlszligzugang moumlglich so sollte Adrenalin (01ndash03 mlkg KG in einer Verduumlnnung von 110000) uumlber den endotrachealen Tubus oder intraossaumlr verabreicht werden Trotz einer geringen Lungendurchblutung kann diese Maszlignahme zu einem raschen Anstieg der Herzfrequenz oder sogar einem erstma-ligen Nachweis der Herzaktion fuumlhren

CaveIntrakardiale Injektionen sind obsolet

Natriumbikarbonat Die Indikation fuumlr die Gabe von Natriumbi-karbonat ist nur bei schwerer protrahierter metabolischer Azidose z B nach intrauteriner Hypoxie und nach laumlnger dauernden Reani-mationsmaszlignahmen insbesondere bei schlechtem Ansprechen auf Adrenalin indiziert Die Gabe von Natriumbikarbonat erfolgt intra-venoumls in einer mindestens 11 verduumlnnten Loumlsung (Aqua destillata) und uumlber einen laumlngeren Zeitraum ndash uumlber 15 Minuten bei Neugebo-renen und uumlber laumlngere Zeit bei Fruumlhgeborenen ndash (Initialdosis 1ndash3 mval NaHCO3kg KG) Da Natriumbikarbonat 84 hyper-osmolar ist besteht die Gefahr dass Fruumlhgeborene im Rahmen der Serumosmolalitaumltspitzen und -schwankungen eine Hirnblutung entwickeln Eine Bikarbonatbehandlung verbietet sich bei einer aus-gepraumlgten respiratorischen Azidose

Volumengabe Bei anamnestischem und klinischem Verdacht auf einen akuten kindlichen Blutverlust sollte unverzuumlglich Volumen zugefuumlhrt werden Fuumlr eine initiale Volumensubstitution bietet sich physiologische Kochsalzloumlsung (10ndash15 mlkg KG) an Als effektivs-te Maszlignahme ist unter kritischer Indikationsstellung die Gabe von 0 Rh negativem lysinfreiem Erythrozytenkonzentrat (10ndash20 mlkg KG) anzusehen Eine entsprechende Notfallkonserve die ohne Kreuzprobe transfundiert werden kann sollte heute fuumlr Risikositu-ationen unmittelbar nach der Geburt verfuumlgbar sein bei haumlmorrha-

gischem Schock ist die Transfusion bis zu einer Stabilisierung des kindlichen Zustandes fortzufuumlhren

Schritte der Reanimation von Neugeborenen 4 Adaumlquate Waumlrmezufuhr Abtrocknen und Zudecken des

Neugeborenen 4 Luftwege freimachen (Mund vor Nase gezielt absaugen) 4 Auskultation (Stethoskop) 4 Anlage eines Pulsoximeters 4 Beutel-Masken-Beatmung mit 21 O2 initiale raquoBlaumlh-

maneuverlaquo (3ndash5 s) danach assistierte Beatmung (Beat-mungsfrequenz 40ndash60min) Bei unzureichender Oxige-nierung zusaumltzlich Sauerstoffzufuhr unter kontinuierli-cher pulsoximetrischer Uumlberwachung

4 Bei Apnoe undoder Bradykardie (Herzfrequenz 60ndash80min unter Beutel-Masken-Beatmung)

ndash Endotracheale Intubation (Tubus 30ndash35 mm) ndash Herzmassage (Beatmungsfrequenz Herzmassage [ 13]) ndash Bei Bedarf Suprarenin 001ndash003 mgkgKG iv bei

fehlendem iv-Zugang evtl Suprarenin 001 mgkg KG ndash 01 mlkg KG der Verduumlnnung 110000 uumlber Endotrache-altubus

ndash Evtl Natriumbikarbonat 84 (11 mit Aqua dest verduumlnnt) 1ndash3 mmolkgKG sehr langsam i v (per infusionem)

ndash Evtl Nabelvenenkatheter Volumenzufuhr 09 NaCl5 Glukose Blut 10ndash20 mlkgKG

ndash Besonderheiten der Reanimation Fruumlhgeborener 7 Text

75 Perinatale Schaumlden und ihre Folgen

751 Asphyxie

kDefinitionEine perinatale Asphyxie stellt einen bedrohlichen Insult fuumlr den Fetus oder das Neugeborene dar der durch eine Hypoxie undoder Ischaumlmie vor unter oder nach der Geburt ausgeloumlst wird Sauerstoff-mangel undoder Ischaumlmie lebenswichtiger Organe sind mit einer mehr oder minder ausgepraumlgten Azidose assoziiert und fuumlhren zu einer stark gestoumlrten postnatalen respiratorischen und kardiozirku-latorischen Adaption

kPathophysiologieDie Risikofaktoren fuumlr die Entwicklung einer perinatalen Asphyxie sind in Tab 77 dargestellt Folgende fetale Warnzeichen weisen auf einen praumlnatalen Sauerstoffmangel hin

Exkurs

Die Geburt Goethes

Die Geburt des Kindes war schwer Sie dauerte 3 Tage So gut wie leblos kam Goethe zur Welt raquoganz schwarzlaquo wie die Mutter spaumlter er-zaumlhlte Ein Arzt war nicht zugegen nur eine Hebamme die sich ungeschickt angestellt haben soll und die Groszligmutter Sie stand hinter den Vorhaumlngen des Bettes das mit blau-gewuumlrfelten Gardinen zugezogen werden

konnte Man schuumlttelte das Kind rieb ihm die Herzgrube mit Wein raquoRaumltin er lebtlaquo rief die alte Frau als das Kind die Augen aufschlug sehr groszlige dunkelbraune fast schwarze Augenlaquo (aus Richard Friedenthal Goethe Sein Leben und seine Zeit Piper 1963)Trotz der vom Autor eindruumlcklich geschilder-ten Zyanose haben taktile Maszlignahmen bei

Goethe zur Initiierung des ersten Atemzuges gefuumlhrt Dieses weist darauf hin dass sich das Neugeborene in einer respiratorischen De-pression befunden hat und keinen Sauerstoff-mangel lebenswichtiger Organe d h keine schwere Asphyxie erfahren hat

713975 middot Perinatale Schaumlden und ihre Folgen

4 Herztondezelerationen (Norm 120ndash160 Schlaumlgemin) 4 pathologisches Herzfrequenzmuster im Kardiotokogramm

Verlust der raquoBeat-to-beat-Variationlaquo spaumlte Dezelerationen (d h fetale Bradykardie die uumlber die Uteruskontraktion hinaus anhaumllt) silentes CTG selten auch fetale Tachykardie

4 gruumlnlich verfaumlrbtes Fruchtwasser (vorzeitige Darmentleerung des Fetus Mekoniumabgang)

4 Laktazidose pH lt72 (kapillaumlre Mikroblutanalyse aus kind-licher Kopfhaut)

Eine chronische intrauterine Hypoxie geht oft mit einer fetalen Hy-pomotorik sowie einem Oligohydramnion aufgrund einer kompro-mittierten Nierenperfusion einher

Bei einer postnatalen HypoxieIschaumlmie faumlllt das Neugeborene unmittelbar nach der Geburt durch eine schwer gestoumlrte kardio-respiratorische Adaption auf Als klinische Zeichen imponieren u a 4 Dyspnoe Atemstillstand 4 Bradykardie 4 Hypotension 4 Zyanose (fruumlher als raquoblaue Asphyxielaquo bezeichnet) 4 extreme Blaumlsse (haumlufig akuter Volumenmangel raquoweiszligelaquo

Asphyxie) 4 muskulaumlre Hypotonie Bewegungslosigkeit

Das Ausmaszlig einer Asphyxie zeigt sich an der Schnelligkeit mit der ein asphyktisches Kind auf Reanimationsmaszlignahmen reagiert For-men der fetalen Depression bei denen eine ausreichende kardiores-piratorische Adaptation nach taktiler Stimulation oder kurzfristiger Maskenbeatmung zu erreichen ist ndash Phase der primaumlren Apnoe ndash koumlnnen nicht als schwere perinatale Asphyxie bezeichnet werden Bei einer terminalen Apnoe dagegen ist das Neugeborene schwerst deprimiert und bedarf einer umgehenden intensiven kardiopulmo-nalen Reanimation

Der durch HypoxieIschaumlmie bedingte Substratmangel hat bei totaler Asphyxie nach spaumltestens 12 min eine irreversible Hirn-schaumldigung zur Folge

Obwohl ein niedriger Apgar-Score die Notwendigkeit von Re-animationsmaszlignahmen anzeigt so ist er aber kein sicherer Indikator

fuumlr eine perinatale Asphyxie und stellt allein kein Prognosekriterium fuumlr die Entwicklung einer Zerebralparese dar Ansteigende Apgar-Werte unter der Reanimation belegen lediglich den Erfolg der durch-gefuumlhrten Maszlignahmen Neugeborene mit einer fuumlr die Prognose relevanten Asphyxie unter der Geburt zeigen in der Regel 4 eine schwere Azidose im Nabelschnurblut (lt70) 4 einen 10-min-Apgarwert von le5 4 eine verzoumlgerte Aufnahme der Eigenatmung (gt10 Minuten) 4 Symptome der hypoxisch-ischaumlmischen Enzephalopathie

(s unten) d h neonatale neurologische Symptome einschlieszlig-lich Krampfanfaumllle

4 hypoxisch-ischaumlmisch bedingte Funktionsstoumlrungen anderer Zielorgane

Allerdings erfuumlllt nur ein Teil der Neugeborenen die nach einer pe-rinatalen Asphyxie eine Zerebralparese entwickeln diese Kriterien In vielen Faumlllen liegt der Schaumldigungszeitpunkt praumlnatal dabei weist das unter der Geburt abgeleitete Kardiotokogramm oft nur geringe Auffaumllligkeiten auf und der Nabelarterien-pH zeigt keine oder nur eine maumlszligige Azidose In solchen Faumlllen liegt offenbar ein Zustand nach vorhergehenden Episoden mit fetaler Asphyxie vor von denen sich das Kind partiell erholt hat Ein wahrscheinlicher Zusammen-hang unmittelbar mit dem Geburtsereignis darf nur angenommen werden wenn die oben genannten Kriterien vorhanden sind

Zielorgane der Asphyxie Hypoxisch-ischaumlmische Laumlsionen koumln-nen sich an verschiedenen Organsystemen manifestieren

4 Zentrales Nervensystem hypoxisch-ischaumlmische Enzephalopa-thie erhoumlhte Inzidenz von Hirnblutungen bei Fruumlhgeborenen

4 Herz-Kreislauf myokardiale Ischaumlmie Hypotension 4 Lunge persistierende fetale Zirkulation (PFC) pulmonale

Hypertension sekundaumlres Atemnotsyndrom (akutes RDS = ARDS)

4 Mikrozirkulation disseminierte intravasale Gerinnung mit Thrombozytenabfall 5 Niere Oligurie Anurie 5 Nebenniere NNR-Blutung 5 Magen-Darmtrakt Perforation Ulzeration nekrotisierende Enterokolitis

4 Leber Leberzellschaumldigung verminderte Syntheseleistung 4 Metabolische Stoumlrungen Hypoglykaumlmie Hypokalzaumlmie

752 Hypoxisch-ischaumlmische Enzephalopathie (HIE)

Pathophysiologie Wie verschiedenste Untersuchungen zur Patho-genese ischaumlmischer Hirnlaumlsionen belegen setzt die Gewebsschaumldi-gung waumlhrend der HypoxieIschaumlmie ein und nimmt in der Reper-fusionsphase weiter zu Die Hauptmediatoren des Reperfusions-schadens sind freie Sauerstoffradikale neutrophile Granulozyten und endotheliale Faktoren wie Stickstoffmonoxid (NO)

Freie Radikale fuumlhren vermutlich uumlber eine Hemmung des trans-membranoumlsen Enzyms Na+-K+-ATPase zum Zusammenbruch des Membranpotenzials Die geschaumldigten Zellen setzen in der Folge die neurotoxischen exzitatorischen Aminosaumluren Glutamat und Aspar-tat frei die durch Aktivierung von Proteasen den Zelltod einleiten

Waumlhrend sich die meisten Organe vom asphyktischen Insult er-holen ist dies beim Gehirn nicht immer der Fall Die Hypoxie und Ischaumlmie fuumlhren zu einer lokalen Laktatakkumulation im Gehirn und zu einer Verminderung energiereicher Phosphate Das Energie-versagen ist in der Regel erst nach 24ndash72 h in voller Auspraumlgung

Tab 77 Risikofaktoren fuumlr die Entwicklung einer perinatalen Asphyxie

Maternale Erkrankungen

Uteroplazentare Insuffizienz Gestose Hyperten-sion Hypotension Diabetes Infektion andere Grunderkrankung

Plazenta Chorioamnionitis vorzeitige Loumlsung Placenta praevia Vasa praevia Randsinusruptur

Nabelschnur-zwischenfaumllle

Prolaps Knoten Kompression Umschlingung kurze Nabelschnur

Geburt Traumatisch (abnorme Lage Missverhaumlltnis von Becken ndash Kind hypertrophes Neugeborenes Schul-terdystokie) langdauernd uumlberstuumlrzt Sturzgeburt

Fetale Ursachen

Fruumlhgeburtlichkeit Infektion Wachstumsretardie-rung Uumlbertragung

Neu-geborenes

Anaumlmie (fetomaternale Transfusion etc) Neuro-muskulaumlre Erkrankungen Erkrankungen der Atem-wege und Lungen (Choanalatresie Trachealagene-sie Lungenhypoplasie Zwerchfellhernie etc)

Kapitel 7 middot Neonatologie140

7

vorhanden (sekundaumlres Energieversagen) Je nach Ausmaszlig der Schaumldigung entwickelt sich eine lokale Hirnlaumlsion oder eine diffuse neuronale Nekrose mit schwerem Hirnoumldem oder Hirntod

kNeuropathologieDie typischen anatomischen Laumlsionen einer HIE sind bei reifen Neugeborenen 4 eine kortikale Nekrose 4 Wasserscheideninfarkte zwischen A cerebri anterior und me-

dia in Form von parasagittalen bilateralen Infarzierungen 4 Thalamus- und Basalgangliennekrose ( Abb 713) 4 Bei Fruumlhgeborenen fuumlhrt eine schwere perinatale Asphyxie in

der Regel zu einer intrazerebralen Blutung (s dort)

kKlinikIn Abhaumlngigkeit vom Ausmaszlig der hypoxisch-ischaumlmischen Schaumldi-gung kann die klinische Symptomatologie von Irritabilitaumlt Trink-schwaumlche und milder Hypotonie bis hin zum Koma reichen Die typischen neurologischen Symptome sind 4 Beeintraumlchtigung der Bewusstseinslage Irritabilitaumlt

Schreckhaftigkeit Somnolenz Lethargie oder Koma 4 Aumlnderung des Muskeltonus Hypotonie Hypertonie 4 Aumlnderung des Reflexverhaltens 4 Auftreten von Krampfanfaumlllen oftmals prolongiert und schwer

zu behandeln

Das EEG zeigt typische Veraumlnderungen in Abhaumlngigkeit vom Schwe-regrad der Hirnschaumldigung Zur klinischen Verlaufsbeurteilung hat sich ein neurologischer Score bewaumlhrt der auch eine gewisse prog-nostische Einschaumltzung erlaubt ( Tab 78) Die Klassifizierung ist allerdings nicht bei Anwendung von Sedativa oder Analgetika ver-wertbar

Trotz genauer Dokumentation aller zur Verfuumlgung stehenden prauml- peri- und postnatalen Befunde laumlsst sich in vielen Faumlllen keine sichere Kausalitaumltskette der Ereignisse die zur Asphyxie und hypo-xisch-ischaumlmischen Enzephalopathie gefuumlhrt haben ermitteln

kPrognoseDurch die Verlaufsbeurteilung der klinischen Symptome der bildge-benden Diagnostik und des EEG lassen sich in vielen Faumlllen schon fruumlh Aussagen zur Prognose der Kinder machen Faktoren die mit einer schlechten Prognose assoziiert sind sind in der Uumlbersicht aufgefuumlhrt Im Ultraschallbild zeigt sich oft eine raquoverwaschenelaquo Parenchymzeich-nung als Ausdruck einer diffusen neuronalen Nekrose oder eines Hirnoumldems Als Zeichen einer Thalamusnekrose koumlnnen in den ersten Lebenswochen ausgepraumlgte Echoverdichtungen in dieser Region dar-stellbar sein Eine Magnetresonanztomographie (MRT) kann bereits in den ersten Lebenstagen deutliche Signalveraumlnderungen aufweisen ( Abb 713) Eine nuumltzliche jedoch nicht immer durchfuumlhrbare Untersuchung ist die Magnetresonanzspektroskopie (MRS) Ein Nachweis von hohen Laktatsignalen im Gehirn sowie niedrigen Signalen fuumlr N-Acetyl-Aspartat einem Marker fuumlr Neuronen spricht fuumlr eine schwere Hirnschaumldigung mit schlechter Prognose

Unguumlnstige Prognosefaktoren bei der HIE Neugeborener 4 Keine Spontanatmung innerhalb der ersten 30 Lebens-

minuten Auf spontane Atemaktivitaumlt achten 4 Notwendigkeit einer Herzmassage 4 Auftreten von Krampfanfaumlllen in den ersten 4 Lebens-

stunden 4 Neurologischer Zustand (Thompson-Score gt15) 4 Sehr flaches EEG oder raquoBurst-supression-Musterlaquo 4 Oligurie am 1 oder 2 Lebenstag (lt1 mlkg KGh)

kDifferenzialdiagnoseVon einer hypoxisch-ischaumlmischen Enzephalopathie sollte nur ge-sprochen werden wenn sich eindeutige Hinweise auf eine vorausge-

Abb 713 Thalamus- und Basalgangliennekrose eines reifen Neugebore-nen mit schwerer intrauteriner Asphyxie

Tab 78 Klinischer Verlaufs- und Prognosescore bei der hypoxisch-ischaumlmischen Enzephalopathie

Punkte 0 1 2 3

Muskel-tonus

Normal Erhoumlht Vermindert Schlaff

Bewusst-seinslage

Normal Schreck-haft

Lethargie Koma

Kraumlmpfe Keine lt3Tag ge3Tag

Haltung Normal Faumlusteln bzw Peda-lieren

Steif distale Flexion

Dezerebra-tion

Moro-Reflex Normal Teilweise ausloumlsbar

Fehlend

Greifreflex Hand

Normal Schwach Fehlend

Saugreflex Normal Schwach Fehlend

Atmung Normal Hyperven-tilation

Kurze Apnoen

Laumlngere Apnoen Beatmung

Fontanelle Normal Gefuumlllt Gespannt

Prognose Maximalscore lt10 oder Score 0 an Tag 7 normales Outcome wahrscheinlich Maximalscore gt15 hohes Risiko von Folgeschaumlden

714175 middot Perinatale Schaumlden und ihre Folgen

hende HypoxieIschaumlmie feststellen lassen Ansonsten wird das Krankheitsbild als neonatale Enzephalopathie bezeichnet Andere Ursachen fuumlr eine Enzephalopathie des Neugeborenen sind 4 Sepsis Meningoenzephalitis Diagnostik Liquorpunktion 4 Maternale Anaumlsthesie Drogeneinnahme vor der Geburt 4 Geburtstraumatische intrazerebrale Blutungen 4 Metabolische Enzephalopathie Die klinische Symptomatolo-

gie tritt meist erst Stunden oder Tage nach der Geburt auf Grund Katabole Stoffwechselsituation oder Zufuhr von Nahrungseiweiszlig bei Aminoazidopathien oder Organoazidopa-thien Diagnostik Ammoniakbestimmung Laktatbestimmung Ketonkoumlrper im Urin spezifische Laboruntersuchungen

4 Hypoglykaumlmie 4 Bilirubinenzephalopathie 4 Intrazerebrale Blutungen bei Gerinnungsstoumlrungen Gefaumlszligmal-

formationen u a 4 Sinusthrombosen u a 4 Konnatale Hirntumoren

kTherapieVentilation Bei unregelmaumlszligiger Atmung oder Apnoen sollte eine fruumlhzeitige Intubation und Beatmung erfolgen Das Ziel ist die Er-haltung der Homoumlostase Der pO2 und pCO2 sollten in normalen Grenzen gehalten werden eine Hyperventilation ist obsolet

Kreislauf Wichtigste Groumlszlige fuumlr ausreichende Hirnperfusion ist der Blutdruck Bei Kindern mit schwerer Asphyxie soll bereits im Kreis-saal ein sicherer intravenoumlser Zugang gelegt werden bei instabilem Blutdruck Gabe von Katecholaminen

Antikonvulsive Therapie Bei Auftreten von Krampfanfaumlllen erfolgt eine Behandlung mit Phenobarbital Phenytoin oder Lorazepam

Hypothermie Wie mehrere kontrolliert-randomisierte Studien be-legen verbessert eine Hypothermiebehandlung von Neugeborenen mit moderater oder schwerer HIE das neurologische Outcome Die Neugeborenen werden fuumlr 72 h auf eine Koumlrpertemperatur von 335degC gekuumlhlt

Der besondere FallAnamnese Gegen Ende der Schwangerschaft verspuumlrt eine 32-jaumlhri-ge Zweitgebaumlrende erhebliche Schmerzen im Unterleib und registriert keine sicheren Kindsbewegungen mehr Sie faumlhrt in eine nahe gelege-ne FrauenklinikBefunde In der Notaufnahme stellt der Arzt im Ultraschall eine fetale Bradykardie von 40 Schlaumlgenmin fest es wird umgehend eine Notsec-tio durchgefuumlhrt Das Neugeborene wiegt 3270 g und zeigt nach der Geburt keine Spontanatmung Die Plazenta weist ein retroplazentares Haumlmatom aufTherapie Das Kind wird durch den Anaumlsthesisten intubiert eine Herz-massage begonnen intratracheal Suprarenin verabreicht und der Transportdienst einer Kinderklinik verstaumlndigt Dieser trifft 22 min nach der Geburt ein zu diesem Zeitpunkt ist das Kind schlaff hat eine fehlende Spontanmotorik ein blasses Hautkolorit bei rosigen Lippen die Lungen sind bei Beutelbeatmung uumlber den Trachealtubus seiten-gleich beluumlftet Es wird ein Nabelvenenkatheter gelegt uumlber den das Kind eine Glukoseloumlsung erhaumllt Aufgrund niedriger Blutdrucke (MAD 32 mmHg) wird eine Suprarenindauerinfusion angelegt Noch im Kreis-saal wird der Haumlmoglobin-Wert bestimmt er betraumlgt 15 gdlVerlauf Innerhalb der naumlchsten 2 Stunden kommt es zu einer deutli-chen Zunahme der Spontanmotorik die nach 6 Stunden wieder sis-

tiert Mit 12 Stunden ist das Kind komatoumls es zeigt keinen Saugreflex und keinen Kornealreflex Mit 26 Stunden ist die Fontanelle vorge-woumllbt und hart Das EEG zeigt am Folgetag eine Nulllinie bei der dopplersonographischen Untersuchung der Hirngefaumlszlige zeigt sich ein Pendelfluss Es wird der Hirntod festgestellt und das Kind extubiert es verstirbt sofortBeurteilung Die Schmerzen der Mutter und das retroplazentare Hauml-matom zeigen eine vorzeitige Loumlsung der Plazenta an Die daraus re-sultierende fetale Hypoperfusion fuumlhrte zu einer irreversiblen Hirn-schaumldigung Eine kindliche Anaumlmie trat nicht auf Die unmittelbare postnatale Symptomatik entspricht der akuten ischaumlmischen Beein-traumlchtigung der Beginn des Komas markiert die Phase des sekundaumlren Energieversagens

753 Geburtstraumatische Schaumlden

kGrundlagenAls geburtstraumatische Schaumlden werden Laumlsionen bezeichnet die durch mechanische Faktoren waumlhrend der Geburt entstanden sind Zumeist liegt eine schwierige Kindesentwicklung vor bedingt durch eine atypische Lage eine Makrosomie bzw ein Missverhaumlltnis zwi-schen Kind und Geburtswegen oder eine verzoumlgerte Austreibung mit Notwendigkeit zur Zangengeburt oder Vakuumextraktion Obwohl Fortschritte in der Geburtshilfe zu einer deutlichen Reduktion von geburtstraumatischen Schaumldigungen gefuumlhrt haben sind sie nicht immer vermeidbar Einige als Geburtstraumata imponierende Laumlsi-onen sind intrauterin lagebedingt durch chronischen Druck ent-standen

Traumata im KopfbereichExtrakranielle traumatische Laumlsionen am Kopf des Neugeborenen sind haumlufig Je nach Ausbreitung in den verschiedenen Schichten zwischen Haut und Kalotte (Haut ndash Galea aponeurotica ndash aumluszligeres Periost der Kalotte) unterscheidet man ( Abb 714) 4 Caput succedaneum Diese weiche eindruumlckbare teilweise

auch haumlmmorrhagische Schwellung bildet sich sehr haumlufig am fuumlhrenden Kopfbereich bei vaginaler Geburt aus und hat kei-nen Krankheitswert Es ist zwischen Haut und Schaumldelaponeu-rose gelegen die Grenzen uumlberschreiten die Schaumldelnaumlhte Eine spontane Ruumlckbildung erfolgt in den ersten Tagen nach der Geburt

4 Subgaleale Blutung Dieses bezeichnet eine Blutansammlung zwischen Galea und Kalotte Die Blutung entsteht durch eine Nahtdiastase oder eine Schaumldelfraktur Klinisch zeigt sich eine fluktuierende Schwellung uumlber dem gesamten Schaumldel die Schaumldelnaumlhte werden uumlberschritten Das Blut kann konfluieren und sich im subkutanen Gewebe des Nackens ansammeln Die subgaleale Blutung tritt haumlufiger bei Vakuumextraktion und bei Vitamin-K-Mangel auf Eine Uumlberpruumlfung des Gerinnungssta-tus ist angezeigt

CaveBei der subgalealen Blutung kann es zu erheblichem Blutverlust kommen oft resultiert eine behandlungsbe-duumlrftige Hyperbilirubinaumlmie

4 Kephalhaumlmatom Diese Blutung bildet sich zwischen dem aumlu-szligeren Periost und dem Schaumldelknochen (subperiostal) aus Aufgrund dieser Lage uumlberschreitet sie nie die Schaumldelnaumlhte Klinisch imponiert eine prall elastische fluktuierende Schwel-lung die zumeist parietal gelegen ist und nach der Geburt zu-naumlchst noch an Groumlszlige zunehmen kann Am Rand ist das abge-6

Kapitel 7 middot Neonatologie142

7

hobene Periost meist palpabel Die Blutung kommt bei 2 aller Geburten vor mit einer Haumlufung bei Forcepsentwicklung Eine Schaumldelfraktur kann begleitend vorliegen Eine Therapie ins-besondere eine Punktion ist nicht indiziert die Blutung bildet sich uumlber Wochen bis Monate spontan zuruumlck Manche Blutun-gen verkalken und bilden eine knoumlcherne Protuberanz die sich ebenfalls langsam zuruumlckbildet

Geburtstraumatische Schaumldelfrakturen koumlnnen als nichtimprimie-rende lineare Frakturen oder als Impressionsfrakturen vorliegen Lineare Frakturen koumlnnen mit einem Kephalhaumlmatom einer subga-lealen Blutung und mit einer epi- oder subduralen Blutung einherge-hen Selten sind die begleitenden Blutungen jedoch schwerer Natur Sie sind meist parietal gelegen eine Therapie ist nicht notwendig

CaveIn Ausnahmefaumlllen kann die Dura unter der Fraktur ein-reiszligen und sich eine leptomeningeale Zyste ausbilden die zu einer Ausweitung des Frakturspaltes fuumlhrt (wachsende Fraktur)

Die Impressionsfraktur besteht in einer Impression des weichen Schaumldels nach innen meist ohne Kontinuitaumltsunterbrechung des Knochens (sog Ping-Pong-Fraktur) Eine begleitende intrakranielle Blutung sollte ausgeschlossen werden In der Regel ist eine neuro-chirurgische Versorgung erforderlich

Intrazerebrale BlutungenIntrazerebrale Haumlmorrhagien (ICH) unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Lokalisation ( Abb 814) ihrer Genese sowie ihres Vorkom-mens bei Fruumlhgeborenen und reifen Neugeborenen Der mit Ab-stand haumlufigste Blutungstyp ist die intrazerebrale Blutung des Fruumlh-geborenen die an typischer Lokalisation im Bereich der periventri-kulaumlren germinalen Matrix oder dem angrenzenden Hirnparenchym auftritt (7 Abschn 766) Hirnblutungen bei reifen Neugeborenen sind selten Nicht alle Blutungen sind traumatischer Genese sie werden aber hier gemeinsam behandelt

Subdurale Blutung Die subdurale Blutung ist in der Regel ge-burtstraumatisch bedingt Praumldisponierende Faktoren sind

4 Makrosomie des Kindes 4 extrem kurze oder stark verlaumlngerte Austreibungsperiode

4 besondere Kindslage (Beckenendlage Fuszliglage Gesichtslage) 4 erschwerte Entwicklung mit notwendiger Zangenentbindung

oder Vakuumextraktion

Bei massiven Formen kommt es zum Einriss des Tentoriums mit meist letaler Blutung aus den groszligen Blutleitern Geringere Trauma-ta des Tentoriums koumlnnen zur Ansammlung von Blut in der hinteren Schaumldelgrube fuumlhren die Symptome sind abhaumlngig vom Ausmaszlig der Blutansammlung Eine weitere traumatisch bedingte Schaumldigung ist der Abriss der Bruumlckenvenen uumlber der Hirnkonvexitaumlt mit sub-duraler Blutansammlung Diese kann symptomlos bleiben oder aber mit meist fokalen neurologischen Symptomen in den ersten Lebens-tagen verbunden sein Dabei werden fokale Krampfanfaumllle eine dis-krete Hemisymptomatik oder Blickdeviation in Richtung des Herdes beobachtet Die Diagnose kann mithilfe des Ultraschalls nicht im-mer gestellt werden Eine nichtentdeckte subdurale Blutung kann spaumlter zu einem chronischen subduralen Erguss mit Makrozepha-lie und Hirndrucksymptomatik fuumlhren Bei klinischem Verdacht sollte daher immer eine weitergehende Diagnostik (CT MRT) durchgefuumlhrt werden Bei raumfordernden Befunden ist eine opera-tive Entlastung notwendig

Weitere Lokalisationen Andere traumatisch bedingte Blutungen koumlnnen epidural (zwischen Schaumldel und innerem Periost) intraven-trikulaumlr und intrazerebellaumlr lokalisiert sein In seltenen Faumlllen koumlnnen subarachnoidale Blutungen auch eine hypoxische Genese aufweisen Die Klinik wird von der Ausdehnung des Befundes be-stimmt Subarachnoidale Blutungen sind oft klinisch inapparent und mithilfe des Ultraschalls praktisch nicht zu diagnostizieren Da Erythrozyten im Liquor moumlglicherweise auch durch eine raquotraumati-schelaquo Lumbalpunktion bedingt sind kann ein niedriger Glukose-wert im Liquor (oft unter 30 mgdl Normalwert ca 75 des simul-tan bestimmten Blutzuckerwerts) oder eine Erythrophagozytose ein Hinweis fuumlr eine subarachnoidale Blutung sein Die anderen ge-nannten Blutungen zeigen in der Regel deutliche klinische Sympto-me in Form von Hyperexzitabilitaumlt Stupor Apnoen Krampfanfaumlllen oder einer gespannten Fontanelle Als bildgebende Diagnostik ist bei nicht eindeutigen sonographischen Befunden immer ein CT oder MRT indiziert

Gerinnungsstoumlrungen Stoumlrungen der Blutgerinnung koumlnnen so-wohl prauml- als auch postnatal zu Hirnblutungen beim Neugeborenen fuumlhren Die Ursachen sind eine dissiminierte intravasale Gerinnung bei Schock oder Sepsis Thrombozytopenien (neonatale Isoimmun-thrombozytopenie Thrombozytopenie bei kongenitalen Infektio-nen insbesondere Cytomegalie) oder in seltenen Faumlllen ein isolierter Mangel an einzelnen Gerinnungsfaktoren Der Morbus haumlmorrha-gicus neonatorum bedingt durch einen Vitamin-K-Mangel fuumlhrt in der Neugeborenenzeit nur dann zu einer Hirnblutung wenn er mit anderen Faktoren assoziiert ist (schwere kongenitale Lebererkran-kung maternale antikonvulsive Therapie)

Verletzungen der Hirnnerven des Ruumlckenmarks und der peripheren NervenHirnnervenlaumlsionen Bei einer Fazialisparese zeigt sich ein schiefes Gesicht beim Schreien der Mundwinkel wird auf der gesunden Seite tiefer heruntergezogen In Ruhe haumlngt eher die erkrankte Seite etwas herab die Nasolabialfalte ist verstrichen Bei der meist vorliegenden peripheren Fazialisparese kommt es aufgrund einer Schaumldigung direkt nach dem Austritt aus dem Foramen stylomastoideum zu einer Funktionsstoumlrung sowohl der oberen als auch der unteren Ge-sichtsmuskeln In der Regel findet sich in Ruhe eine Lidspaltendiffe-

Abb 714 Lokalisation geburtstraumatischer extra- und intrakranieller Blutungen 1 Caput succedaneum 2 subgaleale Blutung 3 Kephalhaumlmatom (subperiostal auszligen) 4 epidurale Blutung (subperiostal innen) 5 subdurale Blutung

714375 middot Perinatale Schaumlden und ihre Folgen

renz ( Abb 715) Im Gegensatz dazu sind bei einer zentralen Ge-sichtsnervenlaumlhmung Bewegungen der Stirn und der Augenlider nicht beeintraumlchtigt Ursache der peripheren Laumlhmung kann eine Druckschaumldigung bei Forcepsentwicklung sein Weiterhin kann die Laumlhmung aufgrund einer intrauterin lagebedingten Kompression durch das muumltterliche Promontorium zustande kommen Therapeu-tisch muss bei einer peripheren Fazialisparese die Austrocknung des Auges verhindert werden Traumatische Schaumldigungen bilden sich in der Regel uumlber einige Wochen zuruumlck

gt Die Fazialisparese kann mit dem raquoschiefen Schreigesichtlaquo verwechselt werden

Beim schiefen Schreigesicht wird ausschlieszliglich beim Schreien der Mund auf einer Seite stark herabgezogen Andere Funktionen der Gesichtsmuskulatur wie Stirnrunzeln Augenschluss und Tiefe der Nasolabialfalte sind normal Ursaumlchlich liegt der Anormalie eine Hypoplasie des M depressor anguli oris zugrunde

Plexusschaumlden Die Inzidenz von Verletzungen des Plexus brachia-lis liegt zwischen 05 und 2 pro 1000 Geburten Die obere Plexuslaumlh-mung (Erb-Duchenne) wird am haumlufigsten beobachtet und betrifft die Fasern von C5 und C6 Alle Formen der Nervenlaumlsion koumlnnen vorliegen von Neuropraxie (Schaumldigung der Reizleitung durch Haumlmatom oder Oumldem der Nervenscheide) bis voumllliger Disruption des gesamten Plexusbuumlndels Mit der Entstehung von Plexusschaumlden verbundene Faktoren sind prolongierte Geburt Schulterdystokie Makrosomie abnorme Kindslage und Zeichen fetaler Beeintraumlchti-gung mit niedrigen Apgar-Werten Klinisch faumlllt zunaumlchst ein fehlen-der Moro-Reflex sowie eine Hypomotorik des betroffenen Armes auf Die charakteristische Haltung besteht in einem herabhaumlngenden Arm der in Adduktion und Innenrotation gehalten wird sowie einer Pronationshaltung der Hand Die Motorik der Hand ist ungestoumlrt der Greifreflex kann ausgeloumlst werden ( Abb 716)

gt Die typische Haltung bei oberer Plexuslaumlhmung mit herabhaumlngendem nach innen rotiertem Arm sowie der nach auszligen und oben gerichteten offenen Handflaumlche wird im englischen Schrifttum als raquoWaiterrsquos-Tip-Haltunglaquo bezeichnet

Die physiotherapeutische Behandlung besteht in einer initialen Ruhigstellung des betroffenen Armes Nach der ersten Woche erfolgt eine passive Bewegung der betroffenen Gelenke in allen Freiheits-graden Die Prognose haumlngt ab von der Schwere der Schaumldigung In den meisten Faumlllen kommt es zu einer kompletten Restitutio Je schneller diese Erholung erfolgt umso vollstaumlndiger ist die funktio-nelle Wiederherstellung Wenn es im Alter von 3 Monaten noch nicht zu einer spontanen Erholung gekommen ist sollte eine Vor-stellung in einer mit diesem Krankheitsbild vertrauten neurochirur-gischen Einrichtung erfolgen

Die untere Plexuslaumlhmung betrifft C8 und Th1Sie ist isoliert sehr selten und kommt eher in Kombination mit der oberen Laumlh-mung als komplette Plexuslaumlhmung vor Klinisch imponiert eine Laumlhmung der kleinen Handmuskeln und der Flexoren im Hand-gelenk Der Greifreflex ist nicht ausloumlsbar Aufgrund der beglei-tenden Schaumldigung von sympathischen Fasern in Th1 wird oft ein Horner-Syndrom mit Ptosis Miosis und Enophthalmus be obachtet

Akute schwere Ruumlckenmarkverletzungen Diese werden nach ex-zessiver Rotations- oder Zugbelastung der Wirbelsaumlule vor allem bei Beckenendlagen und Forzepsextraktionen beobachtet Die klinische Symptomatologie die dem Bild eines spinalen Schocks entspricht haumlngt von der Houmlhe der Ruumlckenmarksverletzung ab Am haumlufigsten treten die Verletzungen im Hals- und Brustwirbelbereich auf Bei Einblutungen in das Ruumlckenmark (Haumlmatomyelie) kann eine schwe-re generalisierte Laumlhmung vorhanden sein

Abb 715 Vermutlich traumatisch bedingte periphere Fazialisparese rechts

Abb 716 Neugeborenes mit oberer Plexusparese links Zustand nach Schulterdystokie

Kapitel 7 middot Neonatologie144

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Weichteil- Knochen- und OrganlaumlsionenPetechien und Ekchymosen auf der Haut Sie treten haumlufig an den fuumlhrenden Teilen und bedingt durch venoumlse Kongestion waumlhrend des Geburtsvorganges auf Insbesondere das Gesicht kann aufgrund petechialer Blutungen raquozyanotischlaquo imponieren Blutungen finden sich ebenfalls haumlufig subkonjunktival Das Fehlen einer Blutungsbe-reitschaft an anderen Stellen und die typische Lokalisation unter-scheiden den Befund von einer Koagulopathie

Kongenitaler Tortikollis Der angeborene Schiefhals besteht in ei-ner Kontraktur des M sternocleidomastoideus mit resultierender Drehung des Kopfes zur Laumlsionsseite und Schraumlgstellung des Gesich-tes mit Drehung des Kinns von der Seite weg Er wurde lange als geburtstraumatische Laumlsion angesehen bedingt durch ein Haumlmatom des M sternocleidomastoideus mit subsequenter Fibrose Alle Be-funde sprechen jedoch dafuumlr dass diese Kontraktur durch eine intrauterine lagebedingte Zwangshaltung entstanden ist Die Behandlung ist physiotherapeutisch

Frakturen Die haumlufigste geburtstraumatische Fraktur ist die Klavi-kulafraktur In den meisten Faumlllen liegt eine Gruumlnholzfraktur vor und das Kind zeigt nach der Geburt keine Symptome Bei der Erst-untersuchung wird die Fraktur manchmal nicht erkannt und faumlllt erst bei der Folgeuntersuchung als tastbarer Kallus auf Frakturen mit deutlichen Dislokationen koumlnnen nach der Geburt zu Schonhal-tung und Schmerzen bei der Armbewegung fuumlhren Bei der Unter-suchung laumlsst sich eine Krepitation tasten der Moro-Reflex ist nicht seitengleich ausloumlsbar Eine Roumlntgenuntersuchung ist nur bei klini-schen Symptomen indiziert Die Prognose ist gut Kallus bildet sich bereits nach 7ndash10 Tagen Frakturen der Roumlhrenknochen (Humerus-fraktur Femurfraktur) koumlnnen ebenfalls geburtstraumatisch be-dingt sein Klinisch fallen Schmerzen Krepitation Schwellung und Bewegungsarmut auf Eine Schonhaltung des Arms mit Schwellung im Oberarm-Schulterbereich findet sich bei der akuten Osteoepi-physenloumlsung des Humeruskopfes sie ist klinisch schwer von der oberen Plexuslaumlhmung abzugrenzen Die Diagnose ist in der Regel durch eine Ultraschalluntersuchung zu stellen im Zweifel muss eine radiologische Untersuchung erfolgen

Intraabdominale Verletzungen Die Nebennierenblutung ist rela-tiv haumlufig Sie wird oft im Rahmen einer perinatalen Asphyxie beo-bachtet kann aber auch traumatisch bedingt sein Klinisch faumlllt sie auf durch eine tastbare abdominelle Resistenz einer Anaumlmie in den ersten Lebenstagen oder bei einer Ultraschalluntersuchung des Ab-domens im Rahmen einer Asphyxiediagnostik Die Blutung kann ein- oder beidseitig sein Bei bilateralen Laumlsionen sollte die Neben-nierenfunktion der Blutzucker und Blutdruck uumlberpruumlft werden

gt Differenzialdiagnostisch ist ein zystisches Neuroblastom auszuschlieszligen (Katecholaminbestimmung im Urin)

Die Blutung liquefiziert im weiteren Verlauf und kann spaumlter kalzi-fizieren Die Erkrankung erfordert auszliger bei massiven bilateralen Befunden mit Nebenniereninsuffizienzzeichen keine Behandlung die Prognose ist gut

Subkutane Fettgewebsnekrose Fuumlr die Entwicklung dieses Krankheitsbildes ist offenbar eine Kombination von verminderter Hautperfusion im Rahmen einer fetalen Hypoxie mit einem lokalen Trauma verantwortlich Arme Beine Gesaumlszlig Ruumlcken und Gesicht sind bevorzugt betroffen Klinisch findet sich eine in den ersten Lebenstagen auftretende unregelmaumlszligig begrenzte leicht erhabene derbe Schwellung mit Hautroumltung Im Verlauf werden die Ver-

aumlnderungen weicher und loumlsen sich auf selten resultiert eine lokale Atrophie Pathologisch liegt eine perivaskulaumlre Inflammation der Subkutis vor gefolgt von Nekrose und Ausbildung eines Granu-loms Diese Granulomzellen sind offenbar in der Lage extrarenal 125-Dihydroxyvitamin D zu produzieren das zu einer Hyper-kalzaumlmie fuumlhren kann

Cave3ndash6 Wochen nach Ausbildung einer subkutanen Fett-gewebsnekrose kann sich eine ausgepraumlgte Hyper-kalzaumlmie mit klinischen Symptomen (Erbrechen Somnolenz) entwickeln Entsprechende laborchemische Kontrollen sind erforderlich

76 Das Fruumlhgeborene

kEpidemiologieUngefaumlhr 65 aller Geburten erfolgen vor der vollendeten 37 Schwangerschaftswoche etwa 15 der Kinder sind sehr kleine Fruumlhgeborene (Geburtsgewicht lt1500 g Gestationsalter lt32 vollen-dete Gestationswochen)

kAumltiologieDie Fruumlhgeburtlichkeit traumlgt als wesentlicher Faktor zur peri- und neonatalen Sterblichkeit bei Die Ursachen der Fruumlhgeburtlichkeit lassen sich nur bei einem Teil der Patienten eruieren 4 vorzeitige Wehen 4 vorzeitiger Blasensprung 4 Amnioninfektionssyndrom 4 Mehrlingsschwangerschaften 4 akute Plazentaloumlsung 4 muumltterliche Erkrankungen wie EPH-Gestose

kPrognoseDie Uumlberlebenschance Fruumlhgeborener mit einem Geburtsgewicht lt1500 g hat sich im letzten Jahrzehnt deutlich verbessert Waumlhrend in den fruumlhen 1970er Jahren nur 15ndash40 dieser Risikopatienten die Neonatalperiode uumlberlebten ist 10 Jahre spaumlter die Uumlberlebensrate Fruumlhgeborener auf gt90 angestiegen Die Spaumltprognose ist aller-dings immer noch Anlass zur Besorgnis Zum Zeitpunkt der Ein-schulung weisen 6ndash12 der Fruumlhgeborenen mit einem Geburtsge-wicht zwischen 500ndash1500 g die in den 1990er Jahren geboren wur-den schwere Behinderungen auf Hier werden in verschiedenen Follow-up-Studien Zerebralparesen bei 2ndash9 zum Teil schwerste Sehbehinderungen bei 2ndash18 und Houmlrbehinderungen bei 2ndash14 der Hochrisikofruumlhgeborenen berichtet Partielle Leistungsschwauml-chen und Schulschwierigkeiten wurden bei mehr als 13 der Kinder beobachtet Erste Nachuntersuchungsergebnisse die bei Hochrisi-kofruumlhgeborenen der letzten 10 Jahre durchgefuumlhrt wurden berich-ten erfreulicherweise von einer Abnahme der neurologischen Spaumlt-folgen

Die guumlnstigere Prognose ist zu einem groszligen Teil auf die Ver-besserung der Betreuung und des perinatalen Managements von Risikoschwangeren sowie die Fortschritte der neonatalen Inten-sivmedizin zuruumlckzufuumlhren

kKlinikDas Grundproblem sehr kleiner Fruumlhgeborener bleibt jedoch beste-hen die Unreife von Organsystemen und -funktionen die postnatal zu einer Reihe von akuten Erkrankungen und chronischen pulmo-nalen und neurologischen Folgeschaumlden fuumlhren koumlnnen

714576 middot Das Fruumlhgeborene

4 Atemnotsyndrom chronische Lungenerkrankung broncho-pulmonale Dysplasie

4 intrazerebrale Blutung periventrikulaumlre Leukomalazie 4 persistierender Ductus arteriosus 4 Apnoe Bradykardie 4 nekrotisierende Enterokolitis 4 erhoumlhte Infektionsdisposition nosokomiale Sepsis 4 Hypothermie Hypoglykaumlmie 4 Fruumlhgeborenenretinopathie Taubheit 4 psychomotorische Retardierung neurologische Schaumldigung

In den letzten Jahren gibt es eine zunehmende Anzahl von experi-mentellen Untersuchungen sowie klinischen Beobachtungen und Studien die eine Assoziation zwischen maternaler Chorioamnioni-tis und dem Auftreten einer bronchopulmonalen Dysplasie sowie Hirnblutungen bzw periventrikulaumlrer Leukomalazie nahelegen Eine Chorioamnionitis laumlsst sich bei mehr als 50 aller sehr unreifer Fruumlhgeborener in der Vorgeschichte nachweisen Vermutlich fuumlhrt die im Rahmen einer Chorioamnionitis beschriebene intrauterine Zytokinexposition des Feten zu einer Inflammationsreaktion in der kindlichen Lunge sowie zu einer ersten Schaumldigung der unreifen vaskulaumlren Endothelstrukturen dem sog raquofirst hitlaquo ( Abb 717) Treten unmittelbar nach der Geburt weitere schicksalshafte oder auch vermeidbare Ereignisse auf die zu einer Veraumlnderung der zere-bralen Durchblutung und Fluktuationen des zerebralen Blutflusses fuumlhren so kann eine Hirnblutung oder Minderperfusion vulnerabler Gehirnstrukturen auftreten Die intrauterine pulmonale Inflamma-tionsreaktion wird durch postnatale Sauerstofftoxizitaumlt Baro-Volu-trauma sowie Infektionen verstaumlrkt und kann in eine bronchopul-monale Dysplasie einmuumlnden

Maumlnnliche Fruumlhgeborene und Mehrlinge haben allerdings eine geringere Uumlberlebenschance als weibliche Risikopatienten bzw Ein-zelgeborene gleichen Gestationsalters

kManagementFuumlr eine optimale Betreuung von Risikofruumlhgeborenen muumlssen eine Reihe von Bedingungen erfuumlllt sein Risikoschwangere und Fruumlhge-borene sollten nur in personell und technisch optimal ausgestatteten Perinatalzentren betreut werden Ein In-utero-Transport eines ge-faumlhrdeten Fruumlhgeborenen ist mit ungleich geringeren Risiken ver-bunden als eine postnatale Verlegung Die Inzidenz von bleibenden Behinderungen ist ndash wie in vielen Studien belegt ndash bei einer Behand-lung in Perinatalzentren deutlich geringer als in kleinen Kinder-kliniken die uumlber eine geringere Erfahrung in der Behandlung der Patienten undoder eine unzureichende personelle bzw apparative Ausstattung verfuumlgen

gt Bei einer drohenden Geburt vor der 34 Gestationswoche ist unter maximaler tokolytischer Therapie und kritischer Indikationsstellung eine Lungenreifungsbehandlung mit Betamethason oder Dexamethason durchzufuumlhren

Die Geburt dieser Risikopatienten sollte so atraumatisch wie moumlg-lich erfolgen Durch eine schonende Spontangeburt scheint die Kom-plikationsrate insbesondere zerebraler Schaumldigungen nicht erhoumlht zu sein Eine primaumlre Sectio caesarea ist in jedem Fall bei Kindern mit Beckenendlage drohender intrauteriner Asphyxie Verdacht auf Am-nioninfektionssyndrom sowie jedweder Form relevanter muumltterli-cher und kindlicher Pathologie indiziert Waumlhrend der muumltterlichen Anaumlsthesie muss eine intrauterine und postnatale Depression des Kindes unbedingt vermieden werden Dies setzt eine enge Abstim-mung von Anaumlsthesieverfahren chirurgischem Vorgehen und un-mittelbar postnataler Versorgung der Fruumlhgeborenen voraus

Nach der Erstversorgung der Fruumlhgeborenen im Kreiszligsaal er-folgt die weitere zeit- und personalaufwaumlndige Behandlung und Pfle-ge der Kinder auf einer neonatologischen Intensivstation Die therapeutischen Maszlignahmen zielen auf eine Stabilisierung und Kor-rektur von postnatal einsetzenden Organstoumlrungen ab Da Fruumlhge-borene nicht in der Lage sind die Koumlrpertemperatur selbststaumlndig aufrecht zu erhalten werden die Kinder in einem Inkubator oder in speziellen Waumlrmeeinheiten gepflegt die Temperatur wird den Be-duumlrfnissen der Patienten (thermoneutrale Temperatur ausreichende Luftfeuchtigkeit) angepasst Zur Uumlberwachung der Fruumlhgeborenen werden EKG- und Atmungsmonitore eingesetzt in Abhaumlngigkeit vom postnatalen Verlauf (maschinelle Beatmung Sauerstoffthera-pie) erfolgt eine kontinuierliche transkutane Messung des O2- und CO2-Partialdrucks eine kontinuierliche Pulsoxymetrie repetitive Blutgasanalysen Blutdruckmessungen u a Sehr kleine Fruumlhgebore-ne werden haumlufig parenteral (zentrale Katheter) undoder mithilfe einer Magensonde ernaumlhrt

Das Risiko an einer nosokomialen Sepsis und lokalen noso-komialen Infektionen zu erkranken ist hoch in einigen Perinatal-zentren erkranken bis zu 25 der Hochrisikopatienten an einer Sepsis Die psychische Bindung zwischen Mutter und Fruumlhgebore-nem bzw zwischen Vater und Fruumlhgeborenem soll auch bei be-atmeten aber respiratorisch und zirkulatorisch stabilen Kindern so fruumlh wie moumlglich erfolgen Die sog Kaumlnguru-Methode wird von den meisten Fruumlhgeborenen auszligerordentlich gut toleriert ( Abb 718)

Abb 717 Maternale Chorioamnionitis und intrauterine Zytokinexposi-tion des Feten Proinflammatorische Zytokine wie Tumornekrosefaktor-α (TNF-α) und die Interleukine 1 6 8 (IL-1 IL-6 IL-8) die im Rahmen einer Chorioamnionitis in das Fruchtwasser gelangen koumlnnen bereits intrauterin eine pulmonale Entzuumlndungsreaktion des Feten ausloumlsen Dieses Ereignis ist vermutlich ein bedeutender Risikofaktor fuumlr die Entwicklung einer bron-chopulmonalen Dysplasie Daruumlber hinaus kann eine Chorioamnionitis eine systemische fetale Entzuumlndungsreaktion induzieren die mit einem erhoumlh-ten Risiko fuumlr zerebrale Schaumldigungen assoziiert ist

Kapitel 7 middot Neonatologie146

7

761 Das Atemnotsyndrom Fruumlhgeborener

Die Surfactantsubstitution stellt einen entscheidenden Durchbruch in der Behandlung des Atemnotsyndroms Fruumlhgeborener dar Durch diese kausale Therapiemaszlignahme konnten die akuten pulmonalen Komplikationen beatmeter Fruumlhgeborener um 23 reduziert werden und die Sterblichkeit von Fruumlhgeborenen mit Atemnotsyndrom nahezu halbiert werden

kEpidemiologieDas Atemnotsyndrom Fruumlhgeborener (RDS raquorespiratory distress syndromelaquo syn hyalines Membranensyndrom) stellte vor Einfuumlh-rung der Surfactantsubstitution die haumlufigste Todesursache der Neonatalperiode dar Ungefaumlhr 1 aller Neugeborenen erkranken an einem RDS Die Inzidenz steigt mit abnehmendem Gestationsal-ter bis zu 60 der Fruumlhgeborenen lt30 Gestationswoche entwickeln ein RDS

kPathogeneseWesentliche Ursache des RDS ist der Mangel eines pulmonalen ober-flaumlchenaktiven Surfactantsystems das die Oberflaumlchenspannung der Alveolen vermindert und somit zur Stabilitaumlt des Alveolarsys-tems beitraumlgt es beugt einem Alveolarkollaps in der Exspiration vor (Surfactant raquosurface active agentlaquo) Surfactant das in Pneumozy-ten vom Typ II gebildet und in den Alveolarraum sezerniert wird besteht uumlberwiegend aus verschiedenen Phospholipiden

Bei Patienten mit RDS ist die Surfactant-Hauptkomponente Dipalmitoylphosphatidylcholin (Lecithin) quantitativ vermindert

Phosphatidylcholin fehlt vollstaumlndig Da eine staumlndige Sekretion von Surfactant in das Fruchtwasser stattfindet kann durch eine Bestimmung des LS-Quotienten (LecithinSphingomyelin) die Lungenreife von Fruumlhgeborenen abgeschaumltzt werden Der Sphingo-myelingehalt im Fruchtwasser bleibt im Verlauf der Schwangerschaft konstant Ein LS-Quotient von gt21 weist auf ein ausgereiftes Sur-factantsystem hin

Neben Phospholipiden enthaumllt Surfactant Apoproteine unter-schiedlichen Molekulargewichts (SP raquosurfactant proteinlaquo) Waumlh-rend die hochmolekularen Apoproteine (SP-A) vermutlich die zellulaumlre Sekretion und Wiederaufnahme der Phospholipide regulie-ren sowie lokale Abwehrfunktionen gegen verschiedenste mikro-bielle Erreger uumlbernehmen (SP-A SP-D) kommt den hydrophoben niedermolekularen Apoproteinen (SP-B SP-C) eine besondere funktionelle Bedeutung zu sie verbessern die Absorption und Aus-breitung der Surfactantphospholipide

Die Surfactantdefizienz wird typischerweise durch eine postna-tal einsetzende intraalveolaumlre Akkumulation von Plasmaproteinen kompliziert die nach Schaumldigung des Alveolarepithels und Kapilla-rendothels die Alveoli auskleiden und die Surfactantwirkung direkt inhibieren (hyaline Membranen Abb 719)

Eine ausreichende Surfactantsynthese besteht in der Regel von der 35 Gestationswoche an Eine verzoumlgerte Lungenreifung koumln-nen Kinder diabetischer Muumltter Neugeborene mit Asphyxie oder schwerer Erythroblastose aufweisen Eine beschleunigte Lungen-reifung wird bei Praumleklampsie und Wachstumsretardierung bei intrauterinem Stress durch vorzeitigen Blasensprung (2ndash7 Tage) und durch ein muumltterliches Amnioninfektionssyndrom beobachtet

kPathophysiologieBei einem Surfactantmangel entwickeln sich in den Lungen der Fruumlhgeborenen unmittelbar nach der Geburt zunehmende diffuse Atelektasen die alveolaumlre Minderbeluumlftung fuumlhrt zu einer Hypoxauml-mieHypoxie und zu einem Anstieg des CO2-Partialdruckes Die Folgen sind eine systemische Hypotension und Vasokonstriktion der pulmonalen Gefaumlszlige die eine pulmonale Minderperfusion so-wie eine Ausbildung intrapulmonaler Shunts und eines Rechts-links-Shunts auf Vorhofebene (Foramen ovale) bzw uumlber den Ductus arteriosus nach sich ziehen Der pulmonale Metabolismus

Abb 718 Direkter Koumlrper- und Blickkontakt zwischen Vater und Kind im Rahmen der Kaumlnguru-Methode Fruumlhgeborenes der 25 Gestationswoche 660 g Geburtsgewicht Spontangeburt mittelschweres Atemnotsyndrom und transitorische chronische Lungenerkrankung ohne weitere Komplika-tionen hier im Alter von 6 Lebenswochen

Abb 719 Histologie des Atemnotsyndroms Fruumlhgeborener ausgedehn-te Atelektasen in den wenigen uumlberblaumlhten Alveolen typische hyaline Membranen aus verschiedenen Proteinen Fibrin und zellulaumlrem Detritus (Pfeile rosa gefaumlrbte hyaline Membranen)

714776 middot Das Fruumlhgeborene

wird erheblich eingeschraumlnkt Sowohl Azidose Hypoxie und der veraumlnderte Lungenstoffwechsel inhibieren die postnatal einsetzende De-novo-Synthese von Surfactant In Abb 720 ist der Circulus vitiosus des Atemnotsyndroms dargestellt

kKlinikKlinische Symptome treten unmittelbar nach der Geburt oder in-nerhalb der ersten 3ndash4 Stunden post partum auf 4 Tachypnoe gt60min 4 Nasenfluumlgeln 4 exspiratorisches Stoumlhnen 4 sternale und interkostale Einziehungen 4 abgeschwaumlchtes Atemgeraumlusch 4 Mikrozirkulationsstoumlrungen blass-graues Hautkolorit 4 Temperaturinstabilitaumlt 4 evtl Zyanose (bei insuffizienter Behandlung)

Bei der roumlntgenologischen Untersuchung des Thorax finden sich typische Veraumlnderungen unter zunehmender Verdichtung des Lun-genparenchyms mit Ausloumlschung der Herz- und Zwerchfellkonturen entwickelt sich eine so genannte raquoweiszlige Lungelaquo ( Abb 721)

CaveEine neonatale Infektion mit β-haumlmolysierenden Streptokokken der Gruppe B kann sich unter klinischen und radiologischen Zeichen eines RDS manifestieren

kKomplikationenIm Verlauf der Erkrankung koumlnnen folgende Komplikationen auf-treten 4 extraalveolaumlre Luftansammlung pulmonales interstitielles Em-

physem 4 Pneumothorax 4 Pneumomediastinum 4 Pneumoperitoneum 4 Pneumoperikard

Als Folge der Lungenunreife der Langzeitbeatmung und Sauerstoff-toxizitaumlt in der Einatmungsluft kann sich bei Risikopatienten eine chronische Lungenerkrankung die bronchopulmonale Dysplasie (BPD) entwickeln

kSymptomatische TherapieDie Therapie des RDS wird vom Schweregrad der pulmonalen Er-krankung bestimmt 4 Bei leichtem RDS Nasen-CPAP (raquocontinuous positive airway

pressurelaquo uumlber einen binasalen CPAP) 4 Bei deutlicher Ventilations- und Oxygenierungsstoumlrung in-

termittierende oder kontrollierte maschinelle Beatmung der Patienten uumlber einen trachealen Tubus

4 Uumlberwachung kontinuierliche transkutane Messung des pO2 und pCO2 kontinuierliche Pulsoxymetrie regelmaumlszligige Blut-gasanalysen engmaschige Blutdruckkontrollen evtl Plasma- bzw Bluttransfusionen u a Maszlignahmen

gt Das Grundprinzip besteht im raquominimal handlinglaquo einer moumlglichst geringen Belastung des Fruumlhgeborenen durch diagnostische und therapeutische Maszlignahmen

kSurfactantsubstitutionstherapieIn den letzten 20 Jahren ist mit der Substitution mit natuumlrlichem und synthetischem Surfactant als kausaler Therapie ein entscheidender Fortschritt in der Behandlung des Atemnotsyndroms Fruumlhgebore-ner erzielt worden

Natuumlrliche Surfactantpraumlparate werden durch Lavage von Kaumllber- und Rinderlungen (Alveofact Infasurf) oder Homogenisie-rung von Rinderlungen (Surfactant-TA Survanta) oder Schweine-lungen (Curosurf) extrahiert oder aber wurden fuumlr klinische Studien aus dem menschlichen Fruchtwasser isoliert Die Praumlparate enthal-ten die Apoproteine SP-B und SP-C (ca 1) sie unterscheiden sich aber in der Zusammensetzung der Phospholipidfraktionen der Konzentration und dem Applikationsvolumen

Synthetische Surfactantpraumlparate sind apoproteinfrei Wie in randomisierten Studien belegt wurde uumlberlebten mehr Fruumlhge-borene mit RDS die ein natuumlrliches Surfactantpraumlparat erhielten synthetische Surfactantpraumlparate stehen zur Zeit nicht mehr zur Ver-fuumlgung

Effekte der Surfactantsubstitution Unmittelbar nach intratrache-aler Applikation natuumlrlicher Surfactantpraumlparate konnte bei Fruumlh-geborenen mit manifestem RDS in allen kontrollierten Studien eine ndash wenn auch recht unterschiedliche ndash Verbesserung der Oxigenie-rung und der Beatmungssituation erzielt werden

Abb 720 Circulus vitiosus des Surfactantmangels

Abb 721 Radiologische Veraumlnderungen bei schwerem Atemnotsyn-drom verdichtetes Lungenparenchym Ausloumlschung von Zwerchfell- und Herzkonturen sog raquoweiszlige Lungelaquo

Kapitel 7 middot Neonatologie148

7 Sowohl nach prophylaktischer als auch therapeutischer Surfactantgabe konnte die Pneumothoraxinzidenz um 50ndash70 und die Sterblichkeit um ca 40 reduziert werden Alle anderen akuten und chronischen mit Atemnotsyndrom assoziierten Komplikationen wurden durch eine Surfactanttherapie nicht be-einflusst

Neuere Untersuchungen weisen darauf hin dass eine Surfactant-behandlung in der fruumlhen Phase des Atemnotsyndroms einer Therapie in einer spaumlteren Erkrankungsphase uumlberlegen ist Beson-ders Fruumlhgeborene lt28 Gestationswochen profitieren von einer prophylaktischen oder sehr fruumlhen Surfactantapplikation Wie Me-taanalysen belegen fuumlhrt eine Surfactantsubstitution innerhalb von 15 min nach der Geburt zu einer geringen Auspraumlgung des Atemnotsyndroms zu einer reduzierten Inzidenz der BPD und einer geringen Sterblichkeit in dieser Altersgruppe

Empfehlungen zur postnatalen Surfactantbehandlung 4 Moumlglichst fruumlhzeitige Behandlung im Kreiszligsaal fuumlr sehr

unreife Fruumlhgeborene lt28 Gestationswochen 4 Fruumlhe Surfactantsubstitution bei Fruumlhgeborenen

lt32 Gestationswochen mit klinischen Zeichen des raquorespiratory distress syndromelaquo maschineller Beatmung und O2-Bedarf gt40

4 Spaumltere Behandlung bei etwas raquoreiferenlaquo Fruumlhgebore-nen mit RDS maschineller Beatmung und einem O2-Bedarf gt50ndash60

4 Initialdosis fuumlr die prophylaktische Behandlung mit natuumlrlichen Surfactantpraumlparaten ca 100 mgkg KG bei manifestem RDS 100 bis maximal 200 mgkg KG

4 Innerhalb von 48 h wiederholte Surfactantgaben bei er-neutem O2-Anstieg gt30 und maschineller Beatmung (kumulative Dosis 400 mgkg KG)

4 Unabhaumlngig von der Art der Surfactantpraumlparation muss der behandelnde Kinderarzt mit allen Aspekten der Surfactantapplikation der maschinellen Beatmung sowie allen anderen Maszlignahmen der neonatologischen Intensivmedizin vertraut sein

Surfactant-raquoNonresponderlaquo Eine Reihe von Grunderkrankungen koumlnnen den Effekt einer Surfactanttherapie negativ beeinflussen So muss bei Fruumlhgeborenen mit struktureller Lungenunreife oder Lungenhypoplasie z B nach laumlngerem vorzeitigem Blasensprung sowie bei Kindern mit konnataler und neonataler Pneumonie mit einem fehlenden oder deutlich geringeren Therapieerfolg gerechnet werden Aber auch die perinatale Hypoxie Hypothermie und nicht

zuletzt die systemische Hypotension haben unmittelbaren Einfluss auf die initiale Wirksamkeit der Surfactantbehandlung

Eine nur transitorische Verbesserung der Oxygenierung und des Gasaustauschs wird bei Fruumlhgeborenen beobachtet die im Rahmen eines haumlmodynamisch signifikanten persistierenden Ductus arterio-sus ein intraalveolaumlres Oumldem entwickeln

Nebenwirkungen Unmittelbare Nebenwirkungen einer Behand-lung mit natuumlrlichen Surfactantpraumlparaten sind ndash von Fehlern bei der Anpassung der maschinellen Beatmung abgesehen ndash bisher nicht beschrieben

CaveNach Gabe natuumlrlicher Surfactantpraumlparate kann eine akute Uumlberblaumlhung des Lungenparenchyms (raquoHyperex-pansionlaquo) durch eine ungenuumlgende Anpassung des Beat-mungsdrucks zu ernsthaften Ventilations- und Zirkula-tionsproblemen der behandelten Kinder fuumlhren

Eine Sensibilisierung gegen tierische im Surfactant enthaltende Apoproteine wurde bei keinem Patienten beschrieben In Nachun-tersuchungen von Kindern die mit natuumlrlichen oder synthetischen Praumlparaten behandelt worden waren konnte kein Unterschied in der somatischen oder neurologischen Entwicklung im Vergleich zu un-behandelten Kontrollpatienten festgestellt werden Eine gehaumlufte Infektanfaumllligkeit oder gar ein Auftreten einer chronischen Slow-virus-Infektion wurde nach Behandlung mit natuumlrlichen Surfactant-praumlparaten auch nach einer 23-jaumlhrigen Erfahrung mit diesem neuen Therapieprinzip bisher nicht beobachtet

Andere Indikationen fuumlr eine Surfactanttherapie Neben dem neonatalen Atemnotsyndrom ist eine Surfactantbehandlung auch bei Erkrankungen vorstellbar in deren Verlauf ein sekundaumlrer Surfactantmangel auftritt Zurzeit laufende kontrollierte randomi-sierte Studien evaluieren den Einfluss einer Surfactantbehandlung bei konnataler Pneumonie Mekoniumaspirationssyndrom und Zwerchfellhernie

kPraumlventionDie sog Lungenreifungsbehandlung durch Betamethason oder Dexamethason kann die Inzidenz und den Schweregrad des RDS Fruumlhgeborener durch eine Enzyminduktion vermindern Betame-thason sollte der Schwangeren moumlglichst 48 h vor der Geburt ver-abreicht werden Praumlnatale Kortikosteroide in Kombination mit der postnatalen Surfactantherapie (natuumlrliches Surfactant) reduzieren die Sterblichkeit sowie die Inzidenz pulmonaler sowie extrapulmo-naler Komplikationen (Hirnblutung) Allerdings ist von einer repe-

Exkurs

Surfactantsubstitution ndash ein Meilenstein in der Neonatalmedizin

1959 konnten Avery und Mead Boston bei verstorbenen Fruumlhgeborenen erstmals bele-gen dass das hyaline Membranensyndrom mit dem Mangel des oberflaumlchenaktiven Materials assoziiert war 1967 gelang es Rufer Goumlttin-gen die mechanischen Eigenschaften surfac-tantdepletierter isolierter Tierlungen durch in-trabronchiale Instillation einer oberflaumlchenak-tiven Substanz zu verbessern ein Jahr spaumlter konnte er diesen positiven Effekt einer Surfac-tantwirkung an isolierten Lungen Fruumlhgebore-

ner erbringen die an einem Atemnotsyndrom verstorben waren Enhorning und Robertson Toronto bzw Stockholm publizierten 1972 die vielbeachteten Ergebnisse einer Surfactant-substitutionstherapie bei beatmeten fruumlhge-borenen Kaninchen 1980 berichteten Fujiwara et al Akita erstmals von Fruumlhgeborenen mit manifestem Atemnotsyndrom die nach intrat-rachealer Applikation eines Rindersurfactants deutliche Veraumlnderungen des pulmonalen Gasaustausches zeigten In der folgenden

Dekade wurde die klinische Wirksamkeit der Surfactantbehandlung in sorgfaumlltig geplanten multizentrisch kontrollierten undoder rando-misierten Studien eindrucksvoll belegt welt-weit wurden mehr als 10000 Fruumlhgeborene mit verschiedensten Surfactantpraumlparationen behandelt Die Surfactantsubstitution ist da-mit die am besten untersuchte Therapie der Neonatalmedizin

714976 middot Das Fruumlhgeborene

titiven Gabe die noch in juumlngster Vergangenheit in 8- bis 10-taumlgigen Abstaumlnden bis zum Zeitpunkt der Geburt erfolgte abzuraten Es gibt ernst zu nehmende Hinweise dass die Entwicklung des fetalen Ge-hirns durch diese Strategie beeintraumlchtigt wird

Als weiterer bedeutsamer Faktor in der Praumlvention des RDS ist eine schonende Geburtseinleitung und optimale primaumlre Reani-mation der Risikokinder anzusehen

Der besondere FallAnamnese Nach unauffaumllligem Schwangerschaftsverlauf treten bei einer 24-jaumlhrigen Zweitgebaumlrenden in der 29 Gestationswoche ploumltz-lich vorzeitige Wehen auf dazu rasche Muttermundseroumlffnung unauf-faumllliges kindliches CTG Trotz sofortigen Beginns einer tokolytischen (wehenhemmenden) Therapie erfolgt nach einmaliger Kortisongabe die Spontangeburt wenige Stunden nach stationaumlrer AufnahmeBefund und Erstversorgung Weibliches Fruumlhgeborenes der 29 Ge-stationswoche Geburtsgewicht 1060 g vital Wegen unregelmaumlszligiger Atmung wird nach kurzzeitiger Maskenbeatmung mit 40 O2 ein stabiler klinischer Zustand erreicht mit O2-Saumlttigung von 92 Nach 45 min zeigt sich eine zunehmende Tachypnoe (Atemfrequenz um 70min) raquostoumlhnendelaquo Atmung und beginnende jugulaumlre und inter-kostale Einziehungen Darauf folgt die endotracheale IntubationVerlauf Unter maschineller intermittierender Beatmung nimmt der O2-Bedarf weiter zu im Alter von 3 h unter 80 inspiratorischem O2-Gehalt normale Saumlttigung Ventilation und systemischer BlutdruckRoumlntgenthorax Diffuse feingranulaumlre Verdichtung des Lungenparen-chyms mit beginnender Ausloumlschung des Herzrandes RDS Grad IIITherapie Nach intratrachealer Applikation eines natuumlrlichen Surfac-tantpraumlparats (100 mg Phospholipidekg KG asymp125 ml Fluumlssigkeitkg KG) kann innerhalb weniger Minuten eine Reduktion des inspirato-rischen O2-Gehaltes auf 30 erfolgen Etwa 30 min spaumlter faumlllt dann eine rasch progrediente Verschlechterung der Oxygenierung und der Ventilationssituation auf (inspiratorische O2-Konzentration 100 pCO2 65 mmHg) Radiologisch zeigte die Lunge eine massive Uumlber-blaumlhung mit geringer Gefaumlszligzeichnung Durch drastische Senkung des inspiratorischen Spitzendrucks und Atemwegmitteldrucks normalisiert sich die Beatmungssituation der kindliche Zustands stabilisiert sich Die Extubation erfolgt am 5 Lebenstag Im weiteren Verlauf treten keine pulmonalen und zerebralen Komplikationen (Hirnblutung) nach Atemnotsyndrom auf die Entlassung eines gesunden ehemaligen Fruumlhgeborenen erfolgt in der 10 Lebenswoche bei einem Gewicht von 2560 gBeurteilung Typisches mittelschweres durch Surfactantmangel be-dingtes Atemnotsyndrom erfolgreiche Surfactantsubstitutionsbe-handlung Durch die unterlassene Reduktion des Beatmungsdrucks nach Surfactantapplikation iatrogene Uumlberblaumlhung des Lungenparen-chyms mit schwerer Ventilations- und Oxygenierungsstoumlrung sowie Drosselung der pulmonalen Perfusion

762 Persistierender Ductus arteriosus (PDA)

gt Ein haumlmodynamisch wirksamer persistierender Ductus arteriosus stellt das haumlufigste kardiovaskulaumlre Problem Fruumlhgeborener dar

kPathogenese PathophysiologieBei reifen Neugeborenen setzt mit ansteigenden O2-Partialdrucken nach der Geburt eine Konstriktion des Ductus arteriosus und ein konsekutiver Verschluss ein Der Ductus arteriosus Fruumlhgeborener reagiert schwaumlcher auf die postnatalen Kontraktionsreize Wesent-liche Faktoren duumlrften die unreife Muskulatur des Ductus und der

persistierende vasodilatatorische Effekt hoher Prostaglandinkon-zentrationen (PGE2) bei Fruumlhgeborenen sein Bei ausbleibendem Ductusverschluss entwickelt sich in der akuten Phase des RDS ein Shunt zwischen pulmonaler und systemischer Zirkulation (Rechts-links-Shunt)

Mit Ruumlckbildung des RDS sinkt der pulmonale Gefaumlszligwiderstand ab In dieser Phase kann sich ein haumlmodynamisch signifikanter Links-rechts-Shunt uumlber den PDA entwickeln Die Folge ist eine akute pulmonale Uumlberflutung mit haumlmorrhagischem Lungenoumldem und akuter kardialer Insuffizienz Die Beatmungssituation der Pati-enten verschlechtert sich akut durch Intensivierung der Beatmung und Erhoumlhung der inspiratorischen O2-Konzentration nimmt die Lungenschaumldigung zu (bronchopulmonale Dysplasie) Auch bei pro-trahierter Manifestation eines PDA koumlnnen u a ein interstitielles Lungenoumldem und Veraumlnderungen der Organperfusion (Nieren Magen-Darm-Trakt) auftreten

kKlinikEin PDA manifestiert sich haumlufig zwischen dem 3 und 5 Lebenstag 4 praumlkordiale Hyperaktivitaumlt 4 systolisches Herzgeraumlusch gelegentlich kontinuierlich 4 Pulsus celer et altus (raquospringende Pulselaquo) Tachykardie 4 Verschlechterung der Beatmungssituation evtl feinblasige

Rasselgeraumlusche 4 evtl Hepatomegalie 4 renale Ausscheidungsprobleme 4 Zirkulationsstoumlrungen

CaveEtwa 20 der Fruumlhgeborenen mit haumlmodynamisch signi-fikantem persistierendem Ductus arteriosus haben kein Herzgeraumlusch

Die klinische Verdachtsdiagnose wird durch die Roumlntgenthoraxauf-nahme die 2-dimensionale Echokardiographie und den direkten Shuntnachweis mithilfe der Dopplertechnik und Farbdopplerver-fahren bestaumltigt

kTherapieDie wesentlichen Therapieprinzipien des symptomatischen PDA sind 4 Fluumlssigkeitsrestriktion 4 Prostaglandinsynthesehemmer (Indometacin Ibuprofen) 4 operativer PDA-Verschluss

Durch die Hemmung der Prostaglandinsynthese wird der gefaumlszliger-weiternde Effekt von Prostaglandin E2 antagonisiert Kontraindika-tionen der Indometacinbehandlung sind Thrombozytopenie Serumkreatinin gt18 mgdl und Oligurie Etwa 40 aller Indometa-cinbehandelten Fruumlhgeborenen sprechen auf diese konservative Be-handlung nicht an

763 Wilson-Mikity-Syndrom

kDefinitionDiese chronisch-respiratorische Erkrankung kann auch bei nicht beatmeten Fruumlhgeborenen mit einem Gestationsalter von weniger als 32 Gestationswochen im postnatalen Alter von 10ndash14 Tagen auf-treten Die Kinder haben in der Regel keine oder nur eine milde Atemnotsymptomatik waumlhrend der ersten Lebenstage Der radiolo-gische Befund ist durch diffuse zystisch erscheinende Areale charakterisiert die besonders in den oberen Lungenpartien auf-

Kapitel 7 middot Neonatologie150

7

treten sollen Bei dieser chronisch-pulmonalen Erkrankung duumlrfte es sich um eine der moumlglichen Verlaufsformen der raquobonchopulmo-nalen Dysplasie (BPD)laquo Fruumlhgeborener handeln

kEpidemiologieDie Inzidenz des Wilson-Mikity-Syndroms ist nicht bekannt da eine eindeutig klinische und radiologische Abgrenzung von der raquoBPDlaquo nicht moumlglich ist

kPathogeneseWegweisende Untersuchungen zu pathogenetischen Mechanismen dieser chronischen Lungenerkrankung liegen nicht vor Eine erhoumlh-te Inzidenz von maternaler Chorioamnionitis bei Fruumlhgeborenen mit Wilson-Mikity-Syndrom duumlrfte auf eine moumlgliche Rolle von in-trauterinen bzw prauml- und postnatalen Infektionen hinweisen (s Pathogenese der BPD) Bei japanischen Fruumlhgeborenen mit Wilson-Mikity-Syndrom wurden erhoumlhte Gesamtkonzentrationen des Serumimmunglobulin M sowie erhoumlhte Aktivitaumlten der Granu-lozytenelastase im Tracheobronchialsekret nachgewiesen Es ist vor-stellbar dass das bei der BPD vorhandene pulmonale Entzuumlndungs-geschehen durch verschiedenste Infektionserreger ausgeloumlst oder aggraviert wird

kKlinikDie betroffenen Fruumlhgeborenen entwickeln um den 10ndash14 Lebens-tag langsam progrediente Zeichen der Atemnot (Tachypnoe Dys-pnoe etc) und oftmals einen erhoumlhten O2-Bedarf Die Luftnotsym-ptomatik kann uumlber mehrere Wochen und selten auch uumlber mehrere Monate anhalten

CaveDurch suboptimale O2-Saumlttigung und erniedrigten O2-Partialdruck kann sich eine persistierende pulmonale Hypertonie entwickeln

kTherapieUnter optimalen supportiven Maszlignahmen (7 Abschn 764 Thera-pie) sollte diese Erkrankung in der Regel ohne Folgen ausheilen

764 Bronchopulmonale Dysplasie

kGrundlagen1967 beschrieb Northway erstmalig eine Gruppe von Fruumlhge-borenen die nach maschineller Beatmung wegen eines Atemnot-syndroms keine Besserung der Lungenfunktion zeigten Die Kinder blieben uumlber lange Zeit respiratorabhaumlngig oder verstarben unter der Beatmung Diese vorher nicht beobachtete chronische Lun-genkrankheit wurde als bronchopulmonale Dysplasie (BPD) be-zeichnet

kPathogeneseDie BPD ist eine chronische Lungenkrankheit Fruumlhgeborener Grund-voraussetzung fuumlr die Entstehung ist die Unreife der Lunge welche sowohl die anatomischen Strukturen als auch funktionelle Systeme wie das Surfactantsystem betrifft In der Fruumlhphase liegt eine pulmo-nale Inflammationsreaktion vor die durch ein maschinelles Beat-mungstrauma die Sauerstofftoxizitaumlt in der Einatmungsluft oder eine praumlnatale Infektion im Rahmen einer Chorioamnionitis ausgeloumlst

Abb 722 Moumlgliche pathogenetische Sequenz der bronchopulmonalen Dysplasie

715176 middot Das Fruumlhgeborene

wird Eine postnatale Infektion ist ebenfalls in der Lage eine pulmo-nale Entzuumlndung zu induzieren Folge ist zunaumlchst ein interstitielles und alveolaumlres Oumldem Bei anhaltender Exposition gegenuumlber den No-xen wird der normale Gewebsreparaturprozess in der Lunge gestoumlrt es kommt zur Ausbildung einer Fibrose und eines Lungenemphy-sems ( Abb 722 und Abb 723) Moumlglicherweise beeinflusst die Inflammationsreaktion die physiologische Sequenz des Lungen-wachstums Die Folge ist eine abnorme Lungenent wicklung mit einer Beeintraumlchtigung der Alveolarisierung und der Vaskularisierung

gt Fuumlr die Entwicklung einer bronchopulmonalen Dysplasie ist haumlufig ein Atemnotsyndrom in den ersten Lebenstagen verantwortlich es ist aber keine unbedingte Vorausset-zung ein Teil sehr unreifer Fruumlhgeborener entwickelt eine BPD auch bei initial scheinbar gesunder Lunge

kPathophysiologieDie Lungenfunktion ist durch ein niedriges Lungenvolumen sowie eine erniedrigte Compliance charakterisiert Entwickelt sich in der Folge ein erhoumlhter Atemwegswiderstand so liegt eine Kombination von obstruktiver und restriktiver Ventilationsstoumlrung vor Atelek-tasen und Emphysem fuumlhren zu einer Stoumlrung der Relation zwischen alveolaumlrer Ventilation und Perfusion Der resultierende intrapulmo-nale Rechts-links-Shunt ist die Ursache fuumlr die Hypoxaumlmie bzw den Sauerstoffbedarf Aufgrund der Gefaumlszligrarefizierung und einer Mediahypertrophie entwickelt sich bei fortgeschrittenem Krank-heitsbild ein pulmonaler Hypertonus

kKlinikFruumlhgeborene mit einer BPD zeigen folgende Charakteristika und klinische Symptome

4 Langzeitbeatmung schwierige Entwoumlhnung von der maschi-nellen Beatmung

4 nach der Extubation eine persistierende Atemnot mit an-haltendem Sauerstoffbedarf sternalen und kostalen Ein-ziehungen und Tachypnoe

4 Kardiopulmonale Instabilitaumlt mit Neigung zu haumlufigen O2-Saumlttigungsabfaumlllen und Bradykardien

4 Typisches radiologisches Bild fleckig-steifige roumlntgendichte Veraumlnderungen in Abwechslung mit Regionen erhoumlhter Strah-lentransparenz oder zystisch-emphysematoumlsen Bereichen ( Abb 724)

4 Auf Grund der erhoumlhten Atemarbeit Gedeihstoumlrung

kDiagnoseDer Schweregrad der BPD wird durch Sauerstoffbedarf bzw Beat-mungsform zu bestimmten Zeitpunkten definiert ( Tab 79)

kPraumlventionPrinzipiell ist die Praumlvention der BPD das erste Behandlungsziel

Allgemeine Maszlignahmen zur Praumlvention der bronchopulmonalen Dysplasie

4 Praumlnatale Steroidbehandlung 4 Fruumlhzeitige Surfactanttherapie bei Atemnotsyndrom 4 Fruumlhzeitige Behandlung eines klinisch relevanten

persistierenden Ductus arteriosus 4 Vermeidung einer Fluumlssigkeitsuumlberladung 4 Niedrigste moumlgliche Beatmungsunterstuumltzung

und Sauerstoffgabe zur Aufrechterhaltung eines ausreichenden Gasaustausches

4 Falls moumlglich Vermeidung einer maschinellen Beatmung

4 Bei Beatmung fruumlhzeitige Extubation und CPAP- Behandlung

4 Gewaumlhrleistung einer ausreichenden Ernaumlhrung (parenteralenteral) sowie Versorgung mit Spuren-elementen und Vitaminen (Vitamin A)

Abb 723 Histologie der bronchopulmonalen Dysplasie diffuse Atelekta-sen sowie ausgepraumlgte emphysematoumlse Bezirke verbreitertes Interstitium

Abb 724 Radiologischer Befund einer bronchopulmonale Dysplasie Neben fibrotisch verdichteten und atelektatischen Arealen ( ) finden sich uumlberblaumlhte Bezirke ( )

Tab 79 Definition der BPD

Milde BPD O2 mit 28 Tagen Raumluft mit 36 Wochen PMA oder bei Entlassung

Moderate BPD lt30 O2 mit 36 Wochen PMA oder bei Entlassung

Schwere BPD ge30 O2 undoder BeatmungCPAP mit 36 Wochen PMA oder bei Entlassung

PMA postmenstruelles Alter

Kapitel 7 middot Neonatologie152

7

kTherapieWaumlhrend der stationaumlren Behandlung koumlnnen folgende gut belegte Behandlungsmaszlignahmen sinnvoll sein 4 Koffein Offenbar durch Verbesserung der Lungenmechanik

sowie der diuretischen Wirkung fuumlhrt die Behandlung mit Coffein zu einer Senkung der BPD-Rate

4 Steroide Unter einer postnatalen Behandlung Fruumlhgeborener mit Dexamethason kommt es zu einer Verminderung des pul-monalen Wassergehaltes zu einer Verbesserung des Gasaus-tauschs einer Abnahme der pulmonalen Inflammationsreak-tion sowie der mikrovaskulaumlren Permeabilitaumlt der Lunge Die Therapie ermoumlglicht innerhalb von 2ndash5 Tagen bei der Mehrzahl der behandelten beatmeten Patienten eine Extubation Dexame-thason hat bei einer fruumlhen postnatalen Behandlung eine Fuumllle von Nebenwirkungen und unguumlnstigen Langzeiteffekten

gt Da das Risiko fuumlr die Entwicklung einer Zerebralparese bei der Behandlung mit Dexamethason erhoumlht ist darf eine Therapie nur bei schwerer pulmonaler Insuffizienz eines Fruumlhgeborenen erfolgen

4 Inhalative Kortikosteroide wirken nicht prophylaktisch haben jedoch einen Stellenwert bei etablierter BPD

4 Sauerstoff Bei etablierter BPD insbesondere bei schweren Verlaumlufen besteht eine deutliche Mediahypertrophie der Pulmonalgefaumlszlige In dieser Situation sollte Sauerstoff nicht zu niedrig dosiert werden um die Entwicklung bzw Zunahme einer pulmonalen Hypertonie zu vermeiden (SO2 gt92 pO2 gt55 mmHg) Ausreichende Sauerstoffzufuhr ist ebenfalls erforderlich fuumlr eine befriedigende Gewichtszunahme Eine regelmaumlszligige echokardiographische Uumlberwachung zur Beur-teilung des Lungengefaumlszligwiderstandes ist notwendig

kPrognoseIn den meisten Faumlllen kommt es zu einer Reparatur der pulmonalen Veraumlnderungen dieses zeigt sich am Ruumlckgang der Atemnotsymp-tomatik und des Sauerstoffbedarfs Nur wenige Fruumlhgeborene be-noumltigen auch zum Zeitpunkt der Entlassung aus der Klinik noch Sauerstoff und erhalten eine entsprechende haumlusliche Therapie die in der Regel nicht laumlnger als 3ndash6 Monate erforderlich ist Einzelne Kinder lassen sich nicht von der Beatmung entwoumlhnen

Weiterhin haben Kinder mit BPD nicht selten ein hyperreagib-les Bronchialsystem und erkranken innerhalb der ersten 2 Lebens-jahre haumlufig an einer obstruktiven Bronchitis Virale Infektionen insbesondere die RSV-Bronchiolitis koumlnnen bei BPD-Patienten zu einem schwer verlaufenden Krankheitsbild fuumlhren Auffaumllligkeiten der Lungenfunktion (reversible oder fixierte Obstruktionen erhoumlh-tes intrathorakales Gasvolumen) sind bis ins Erwachsenenalter nachweisbar In der Regel sind die Kinder jedoch koumlrperlich spaumlter gut belastbar und in der Lage Sport zu treiben

765 Retinopathia praematurorum

kDefinitionDie Fruumlhgeborenenretinopathie (raquoretinopathy of prematuritylaquo ROP) ist eine multifaktorielle vasoproliferative Netzhauterkran-kung deren Inzidenz und Schweregrad mit zunehmender Unreife zunimmt 10 der Fruumlhgeborenen mit einem Geburtsgewicht lt1750 g aber fast 50 aller Kinder lt1000 g entwickeln irgendeine Form dieser Erkrankung Sie ist die haumlufigste Ursache von Blindheit bei Kindern unter 6 Jahren

kPathogeneseFuumlr die ROP-Entwicklung sind neben der Unreife postnatale Situa-tionen als Risikofaktoren anzusehen die entweder mit einer retina-len Minderperfusion oder einem erhoumlhten retinalen Sauerstoffan-gebot einhergehen 4 Hyperoxie 4 beatmungsbedingte Hypokapnie 4 Hypotension bei Sepsis 4 rezidivierende Apnoen 4 Fluktuationen der Sauerstoffsaumlttigung 4 intraventrikulaumlre Blutung 4 persisitierender Ductus arteriosus 4 Hyperkapnie

Der Schaumldigungsmechanismus setzt vermutlich zum Zeitpunkt der Geburt sehr unreifer Fruumlhgeborener ein ( Abb 725) Bereits die unmittelbare postnatale Exposition gegenuumlber erhoumlhten Sauerstoff-konzentrationen aber auch Raumluft fuumlhrt bei extrem unreifen

Exkurs

Die Geschichte der Fruumlhgeborenenretinopathie

Die Geschichte der Retinopathia praematuro-rum stellt ein erschreckendes Beispiel dar wie dogmatisch getroffene medizinische Entschei-dungen zu menschlichen Katastrophen fuumlhren koumlnnen Seit Beginn der 1940er Jahre wurden viele Fruumlhgeborene mit zusaumltzlichem Sauer-stoff (O2) behandelt die Konzentrationen lagen bei 70 O2 Erst in den 1950er Jahren wurde von australischen Kinderaumlrzten der freizuumlgige Einsatz von O2 als Ursache des epidemieartigen Auftretens der retrolentalen Fibroplasie (= ROP) und damit der Erblindung von relativ raquoreifenlaquo Fruumlhgeborenen identifi-ziert Eines der beruumlhmtesten Opfer ist Stevie Wonder Jahrgang 1950 der in der 34 Gestati-onswoche geboren wurde Aufgrund dieser alamierenden Ergebnisse wurden strenge Therapierichtlinien mit Limitierung der

O2-Gabe auf 40 eingefuumlhrt Die Folge war ein dramatischer Ruumlckgang der ROP Dieses wurde als uumlberzeugender Beweis fuumlr die Richtigkeit der These angesehen dass Sauerstoff in der Tat die einzige notwendige und ausreichende Ursache der retinalen Erkrankung war Jeder Fall von ROP-bedingter Blindheit wurde als Folge einer fehlerhaften Sauerstofftherapie angesehen und hatte entsprechende juristi-sche FolgenIn der Folge stiegen jedoch die Mortalitaumlt und Morbiditaumlt der Fruumlhgeborenen drastisch an Durch Einfuumlhrung intensivmedizinischer Kon-zepte in die Neonatologie mit der Moumlglichkeit der Blutgasanalyse in den 1970er Jahren sank die Mortalitaumlt von Fruumlhgeborenen waumlhrend die ROP-Inzidenz relativ niedrig war Die Sauer-stofftherapie wurde nach dem arteriell gemes-

senen pO2 gesteuert eine Hyperoxie schien so trotz Verabreichung houmlherer Sauerstoffkonzen-trationen vermeidbar Erneut galt die ROP als eine durch iatrogene Uumlberdosierung von O2 verursachte vermeidbare Erkrankung Auf-grund der zunehmenden Uumlberlebensraten sehr unreifer Fruumlhgeborener kam es in den 1980er Jahren jedoch zu einer deutlichen Wiederzu-nahme der Erkrankung sodass von einer neu-en 2 Epidemie gesprochen wurde Es wurde nun jedoch klar dass die ROP eine multikausa-le Erkrankung war die ihre Hauptursache in der Unreife der Fruumlhgeborenen hat Waumlhrend die Inzidenz der schweren ROP in den meisten westlichen Laumlndern erfreulicherweise ruumlck-laumlufig ist erkranken gerade in den Schwellen-laumlndern wieder relativ reife Fruumlhgeborene an dieser bedrohlichen Retinopathie

715376 middot Das Fruumlhgeborene

Fruumlhgeborenen zu einer relativen Hyperoxie der Retina Dadurch wird ein wichtiger Wachstumsfaktor fuumlr die Gefaumlszligentwicklung der Netzhaut VEGF (raquovascular endothelial growth factorlaquo) herabregu-liert Niedrige Konzentrationen von VEGF fuumlhren zu Arretierung des Gefaumlszligwachstums und zu einer retinalen Vasoobliteration Mit zunehmendem Wachstum der neuralen retinalen Strukturen steigt der metabolische Bedarf der Netzhaut an es entsteht eine relative Gewebshypoxie Hierzu koumlnnen auch die genannten Risikofaktoren beitragen die zu einer retinalen Minderperfusion fuumlhren In dieser Phase induziert die Gewebshypoxie eine massive Uumlberproduktion von angiogenetischen Faktoren wie VEGF als Konsequenz resultiert eine abnorme Neovaskularisierung von retinalen Gefaumlszligen Die Ge-faumlszlige wachsen in den Glaskoumlrper ein aufgrund einer vermehrten Permeabilitaumlt kann es zu Blutungen und Oumldembildung kommen

CaveDurch narbige Traktion kann die Retina an der das vaskulaumlr-fibrotische Gewebe anheftet abgehoben werden

kKlinikWaumlhrend der ROP-Entwicklung zeigen die Fruumlhgeborenen keine typischen klinischen Symptome Aus diesem Grund sind regel-maumlszligige ophthalmologische Kontrolluntersuchungen zwingend notwendig Der Zeitpunkt des Auftretens haumlngt von der retinalen Gefaumlszligentwicklung und somit vom postkonzeptionellen Alter ab Die ersten Veraumlnderungen treten in der Regel in der 34 Woche auf und die ersten Gefaumlszligproliferationen in der 36 Woche

gt Um eine Retinopathie nicht zu uumlbersehen sollte die Erst-untersuchung bei Fruumlhgeborenen mit einem Geburtsge-wicht (GG) lt1000 g im Alter von 6 Wochen oder in der 32 Woche pc erfolgen bei Fruumlhgeborenen mit einem GG zwischen 1000ndash1500 g im Alter von 4 Wochen

Kontrolluntersuchungen werden je nach Befund alle 7ndash14 Tage oder in kuumlrzeren Abstaumlnden durchgefuumlhrt Die letzte Untersuchung er-folgt nach Abschluss der Netzhautvaskularisierung

kKlassifizierungIn die internationale Klassifizierung der ROP (ICROP 1984) geht ein dass die Erkrankung umso schwerer ist je weiter posterior (d h zentral) und je ausgedehnter (d h Anzahl der betroffenen Sektoren)

die Laumlsionen sind Dann folgt die Beurteilung des Schweregrades an der Grenzlinie zwischen vaskularisierter und avaskulaumlrer Retina sowie das Vorhandensein zusaumltzlicher aggravierender Zeichen (raquoplus diseaselaquo) 4 Lokalisation Zone 1ndash3 von zentral nach peripher 4 Ausdehnung Angabe von betroffenen 30deg-Sektoren (12 Stuumlck)

als Uhrzeiten mit Sehnerv als Mittelpunkt 4 Schweregrad

5 Grad 1 duumlnne weiszlige Demarkationslinie zwischen vasku-larisierter und avaskulaumlrer Netzhaut 5 Grad 2 erhabene rosagefaumlrbte Proliferationsleiste 5 Grad 3 extraretinale fibrovaskulaumlre Proliferationen ( Abb 726) 5 Grad 4 partielle Netzhautabloumlsung der Raum zwischen Netzhaut und Aderhaut fuumlllt sich mit seroumlser Fluumlssigkeit 5 Grad 5 komplette Netzhautabloumlsung

4 Plus Disease Auftreten vermehrter Gefaumlszligdilatation und -schlaumlngelung (Tortuositas)

kVerlauf PrognoseDie meisten Kinder mit Erkrankungen des Stadiums 1 und 2 zeigen eine Regression In Stadium 3 haumlngt die Prognose von der Ausdeh-nung des Befundes ab im Stadium 4 insbesondere bei Beteiligung der Makula ist die Prognose sehr schlecht Das Risiko fuumlr eine Er-blindung betraumlgt bei Fruumlhgeborenen unter 750 g 5ndash9 unter 1000 g 2 und uumlber 1000 g 01 Die ROP erhoumlht das Risiko der Kinder fuumlr Myopie Strabismus und andere Visusprobleme

kPraumlvention TherapieEine sicher wirksame Praumlvention der ROP besteht nicht Notwendig ist die Uumlberwachung der Sauerstoffzufuhr Dieses erfolgt bei kleinen Fruumlhgeborenen vorzugsweise uumlber den transkutan gemes senen pO2 anzustreben ist ein pO2 50ndash70 mmHg Die pulsoxi metrisch gemesse-ne Sauerstoffsaumlttigung sollte bei allen Fruumlhge borenen die einen zu-saumltzlichen Sauerstoffbedarf haben zwischen 90 ndash 95 liegen

Therapeutisch wird uumlberwiegend die Lasertherapie seltener eine Kryotherapie angewendet Ziel der Photokoagulation oder Kryotherapie ist die Zerstoumlrung von Gefaumlszligproliferationen und des angiogenem Granulationsgewebe Die Behandlung vermindert die Wahrscheinlichkeit eines Visusverlustes um uumlber 50 Zur Zeit wird in kontrollierten klinischen Studien der Einsatz einer anti-VEGF-

Abb 725 Entstehungsmechanismus der Fruumlhgeborenenretinopathie

Abb 726 Retinopathia praematurorum Stadium III auf der rechten Seite vaskularisierte Netzhaut mit erweiterten Gefaumlszligen die in eine breite Proliferationsleiste uumlbergehen Peripher der Leiste Blutung im Bereich der avaskulaumlren Netzhaut (weiszlige Punkte sind Spiegelungsartefakte)

Kapitel 7 middot Neonatologie154

7

Therapie untersucht Erste Daten bei schwersten Verlaufsformen der ROP lassen hoffen dass sich die therapeutischen Moumlglichkeiten in der Zukunft verbessern werden

766 Hirnblutungen des Fruumlhgeborenen

767 Germinale Matrixblutung des Fruumlhgeborenen

kNeuropathologie und zerebrovaskulaumlre ArchitekturDie typische Hirnblutung Fruumlhgeborener entsteht in der germinalen Matrix einer subventrikulaumlr gelegenen Zone uumlber dem Kopf des Nucleus caudatus Von der germinalen Matrix wandern zerebrale Neuroblasten ab der 10ndash20 Gestationswoche auf die Hirnober-flaumlche aus gefolgt von den Glioblasten nach der 20 Woche Das Matrixgewebe nimmt mit zunehmender Schwangerschaftsdauer an Ausdehnung ab um die 34ndash36 Schwangerschaftswoche kommt es zu einer Involution Es ist sehr zellreich von gelatinoumlser Konsistenz und reich vaskularisiert Den Gefaumlszligen fehlen Charakteristika von Arteriolen und Venolen sie werden als unreifes vaskulaumlres Netz beschrieben Die V terminalis verlaumluft innerhalb der germinalen Matrix

kGradeinteilung nach AusdehnungNach einer Endothellaumlsion im Bereich der germinalen Matrix kann eine Blutung entstehen die subependymal begrenzt bleiben kann oder in das Ventrikelsystem ausdehnen kann (subependymale

Haumlmorrhagie Grad 1 intraventrikulaumlre Haumlmorrhagie Grad 2) Bei intraventrikulaumlrer Ansammlung groszliger Mengen an Blut mit deut licher Dilatation des Ventrikels liegt eine Grad-3-Blutung vor Groumlszligere Ventrikelblutungen behindern den Abfluss aus der Vena terminalis und koumlnnen zu einer Obstruktion mit resulti-erendem haumlmorrhagischen venoumlsen Infarkt fuumlhren Abb 727) Bei einer Ventrikelblutung ist der begleitende Infarkt in der Regel einseitig auf der Seite der ausgedehnteren Blutung zu finden ( Abb 728)

Exkurs

Intrazerebrale Blutung Fruumlhgeborener

Die intrazerebrale Blutung ist eine typische und haumlufige Komplikation Inzidenz und Schweregrad sind direkt abhaumlngig von der Un-reife der Fruumlhgeborenen Innerhalb der letzten Jahre ist die Haumlufigkeit der Hirnblutungen bei Fruumlhgeborenen mit einem Geburtsgewicht lt1500 g insgesamt zuruumlckgegangen Da zur gleichen Zeit die Mortalitaumlt der Fruumlhgeborenen ebenfalls stark abgenommen hat spiegelt die-

ses die erheblich gestiegene Qualitaumlt der neonatalen Versorgung wider Somit gilt eine niedrige Mortalitaumlt in Verbindung mit einer niedrigen Hirnblutungsrate bei Fruumlhgeborenen mit sehr niedrigem Geburtsgewicht als Quali-taumltsmaszligstab einer neonatalen VersorgungUntersuchungen der letzten 6ndash8 Jahre haben jedoch gezeigt dass trotz anhaltend sinkender Mortalitaumltsziffern die Rate der Hirnblutungen

in der Gruppe sehr unreifer Fruumlhgeborener nicht weiter abgenommen hat Dieses beruht darauf dass heute vermehrt extrem unreife Kinder aus der 24-26 Schwangerschaftswo-che uumlberleben Bei diesen Kindern haumlngt das Risiko einer Hirnblutung offenbar mehr von praumlnatalen und unreifeassoziierten Faktoren als von einer weiteren Verbesserung der post-natalen Versorgungsqualitaumlt ab

Abb 727 Schwere intraventrikulaumlre Hirnblutung mit Ventrikeldilatation beidseits sowie rechtsseitige massive intraparenchymatoumlse Blutung

Abb 728a b Intraventrikulaumlre Blutungen a Intraventrikulaumlre dem Plexus aufsitzende Blutung die sich bereits in Aufloumlsung befindet (Schaumldelsonographie Laumlngsschnitt Pfeil) b Sonographischer Befund nach Aufloumlsung der intraventrikulaumlren Blutung nachweisbar ist nur noch eine leichte Erweiterung des Ventrikels

a

b

715576 middot Das Fruumlhgeborene

kKomplikationenBei einer intraventikulaumlrer Blutung kann es zu einer Behinderung des Liquorabflusses oder der Liquorresorption kommen Die resul-tierende Ventrikeldilatation kann sich spontan zuruumlckbilden persis-tieren oder progressiv weiterentwickeln Ein solcher posthaumlmorrha-gischer Hydrozephalus mit Druckentwicklung muss neurochirur-gisch entlastet werden

kPathogeneseFuumlr die Entstehung einer Hirnblutung sind neben der Unreife des vaskulaumlren Gefaumlszlignetzes verschiedene Faktoren von Bedeutung ( Abb 729)

4 postnatale Faktoren Hypo- und Hypertension Hypoxie Ischauml-mie Azidose maschinelle Beatmung Pneumothorax PDA Sepsis Gerinnungsstoumlrungen Volumenexpansion u a

4 perinatale Faktoren Zytokinexposition bei Chorioamnionitis intrauterine Hypoxie

Aufgrund der Gefaumlszligarchitektur liegt eine gesteigerte Vulnerabilitaumlt der Mikrovaskulatur im Bereich der germinalen Matrix sowohl bei Hypotension und bei Hypertension vor Eine zerebrale Hyperper-fusion kann zu einer mechanischen Ruptur der Matrixgefaumlszlige fuumlhren ( Abb 729) Eine zerebrale Hypoperfusion eine Azidose oder Hypoxie fuumlhrt zu einer ischaumlmie-induzierten Laumlsion der Matrixge-faumlszlige Bei einer Chorioamnionitis sind proinflammatorische Zytoki-ne in der fetalen und neonatalen Zirkulation offenbar in der Lage die Gefaumlszlige der germinalen Matrix zu schaumldigen und dadurch eine Hirnblutung zu induzieren Neben einer gestoumlrten Perfusion auf der arteriellen Seite ist ein erhoumlhter venoumlser Druck in der V terminalis ebenfalls von Bedeutung Beatmete Kinder haben ein houmlheres Risiko fuumlr eine Hirnblutung insbesondere bei Entwicklung eines Pneumo-thorax ( Abb 729)

gt Durch Fortschritte in der neonatologischen Intensiv-therapie sind die beschriebenen postnatalen Ursachen der Hirnblutungsgenese in den Hintergrund geruumlckt Perinatale Faktoren haben eine zunehmende Bedeutung erlangt

kKlinikSchwere intraventrikulaumlre und intraparenchymatose Hirnblutungen (Grad 3 und 4) fuumlhren bei sehr kleinen Fruumlhgeborenen praktisch immer zu mehr oder weniger ausgepraumlgten klinischen Symptomen 4 ploumltzliche Aumlnderung der Hautperfusion raquoseptisches Aussehenlaquo

mit blass-grauem oder marmoriertem Hautkolorit und verzouml-gerter Kapillarfuumlllungszeit

4 ploumltzliche Aumlnderung des respiratorischen Status mit erhoumlhtem Sauerstoffbedarf Apnoen oder erhoumlhtem Ventilationsbedarf bei beatmeten Patienten

4 Instabilitaumlt des Blutdrucks 4 bei massiven Blutungen raquogefuumllltelaquo oder gespannte Fontanelle 4 Krampfanfaumllle 4 Abfall von Haumlmoglobin bzw Haumlmatokrit 4 muskulaumlre Hypotonie und Hypomotorik 4 Temperaturinstabilitaumlt

CaveBei entsprechenden Symptomen gehoumlrt die zerebrale Sonographie zu einer Notfalluntersuchung bei fehlender Blutung muumlssen andere Ursachen fuumlr die Zustandsver-schlechterung gesucht werden

80ndash90 der Hirnblutungen treten innerhalb der ersten 48 h nach der Geburt auf

kDiagnoseDie Diagnose wird durch die zerebrale Sonographie gestellt ( Abb 727) eine weitergehende bildgebende Diagnostik ist nicht indiziert Die anfaumlnglich echodichte Blutung wird im Verlauf zuneh-mend echoaumlrmer als Zeichen der Liquefizierung bis sie nicht mehr darstellbar ist Zum Zeitpunkt der Entlassung aus dem Krankenhaus sind bei den meisten Fruumlhgeborenen nach Hirnblutungen vom Grad 1 oder 2 keine Residuen nachweisbar Bei ca 30 der Patienten mit Ventrikelblutung kommt es zu einer Ventrikeldilatation (s un-ten) venoumlse Infarkte im Parenchymbereich hinterlassen eine poren-zephale Zyste

kTherapie PraumlventionEine kausale Therapie der intrazerebralen Blutung gibt es nicht

Abb 729 Pathogenetische Faktoren die an der Entstehung der periventrikulaumlren und intraventrikulaumlren Hirnblutung beteiligt sind

Kapitel 7 middot Neonatologie156

7

Ziel der symptomatischen Therapie ist es die Kreislauffunktion Hirnperfusion und Beatmungssituation zu stabilisieren und Fluktua-tionen der Organdurchblutung zu vermeiden Ein hoher Qualitaumlts-standard der neonatalen Versorgung ist Grundvoraussetzung fuumlr die Praumlvention potenziell vermeidbarer Hirnblutungen Diese betrifft das Vorhalten einer ausreichenden Anzahl gut geschulten Personals sowie die Regionalisierung von extrem unreifen Fruumlhgeborenen in speziell ausgestatteten Zentren Die praumlnatale Behandlung mit Glukokortikoiden und ein spaumltes Abnabeln der Kinder sind wohl die am besten belegten praumlventiven Maszlignahmen

kPrognoseDie Prognose der intrazerebralen Blutung haumlngt vor allem vom Vor-handensein einer Parenchymlaumlsion ab Waumlhrend neurologische Fol-geschaumlden bei einer erst- oder zweitgradigen Blutung nur selten auf-treten zeigen ca 13 der Fruumlhgeborenen mit ausgepraumlgter intravent-rikulaumlrer Blutung neurologische Auffaumllligkeiten Die Ausdehnung dieser Parenchymlaumlsion hat jedoch ebenfalls einen Einfluss auf die Prognose Ausgedehnte Laumlsionen mit Beteiligung der frontoparieto-okzipitalen Regionen gehen nahezu immer mit neurologischen Schaumldigungen und einer mentalen Retardierung einher Bei lokali-sierten Blutungen ist die Schaumldigungswahrscheinlichkeit geringer frontal gelegene Blutungen sind prognostisch guumlnstiger als okzipital gelegene

Die typische neurologische Konsequenz der unilateralen Hirn-parenchymblutung ist die spastische Hemiparese Wegen der Naumlhe zum Tractus corticospinalis ist dabei ist die untere Extremitaumlt deut-lich bevorzugt beteiligt (s periventrikulaumlre Leukomalazie)

768 Andere intrazerebrale Blutungen bei Fruumlhgeborenen

Ischaumlmischer und haumlmorrhagischer Infarkt (raquoStrokelaquo)Eine vaskulaumlre Minderperfusion oder Okklusion im Bereich der arteriellen Hirngefaumlszlige hat einen ischaumlmischen Infarkt zur Folge dessen Ausdehnung dem Versorgungsgebiet des betroffenen Ge-faumlszliges entspricht Stroumlmt nach Verschluss eines Arterienastes aus der

Umgebung Blut in die nekrotische Region ein oder liegt ein venoumlser Gefaumlszligverschluss vor so entsteht ein haumlmorrhagischer Infarkt Diese Laumlsionen betreffen sowohl Fruumlh- als auch reife Neugeborene Sie sind zu 90 unilateral mit Bevorzugung der linken Seite und betref-fen vor allem die A cerebri media Als Folge des Infarktes entwickelt sich eine porenzephale Zyste Selten fuumlhren praumlnatale bilaterale Ver-schluumlsse zu einer Hydranenzephalie

Die Diagnose wird durch die zerebrale Ultraschallunter-suchung gestellt Bei einigen Kindern ist bereits intrauterin eine unilaterale porenzephale Zyste nachweisbar andere zeigen zum Zeitpunkt der Geburt einen Infarkt an typischer Stelle im arteriellen Versorgungsgebiet Diese isolierten (d h ohne Ventrikelblutung auftretenden) Parenchymlaumlsionen sollten unbedingt von den oben beschriebenen Hirnblutungen vom Grad 4 unterschieden werden

In einigen Faumlllen entstehen zerebrovaskulaumlre Infarkte postnatal Die Gefaumlszligverschluumlsse koumlnnen durch Thrombose (arteriell oder ve-noumls) Embolien Vasospasmus oder Gefaumlszligfehlbidung bedingt sein haumlufig findet sich jedoch keine fassbare Ursache Infarkte die im Rahmen einer schweren arteriellen Hypotension auftreten finden sich in der Regel nicht im Versorgungsgebiet der A cerebri media

Eine spezifische Therapie ist nicht moumlglich Trotz der manchmal groszligen Ausdehnung des Defekts ist die Prognose unilateraler Ge-faumlszligverschluumlsse meist erstaunlich gut durch Hypotension oder Kreis-laufschock bedingte Infarkte haben in der Regel eine sehr schlechte Prognose

769 Periventrikulaumlre Leukomalazie

kGrundlagen

gt Als periventrikulaumlre Leukomalazie (PVL) wird eine Nekrose mit nachfolgender zystischer Umwandlung der weiszligen Substanz lateral der Seitenventrikel bezeichnet die durch eine Ischaumlmie im Grenzgebiet vaskulaumlrer Versorgungsge-biete entsteht

Es ist eine typische Laumlsion Fruumlhgeborener mit einem Maximum um die 28 Schwangerschaftswoche die Inzidenz betraumlgt bei Fruumlhgebo-renen unter der 32 SSW zwischen 3 und 9 Klinisch fuumlhrt sie haumlu-

Abb 730 Faktoren die an der Pathogenese der PVL beteiligt sind

715776 middot Das Fruumlhgeborene

fig zum Bild der spastischen Diplegie Die Diagnose wird durch die zerebrale Ultraschalluntersuchung gestellt

kNeuropathologie und zerebrovaskulaumlre ArchitekturDie pathologischen Veraumlnderungen der PVL bestehen aus einer fokalen periventrikulaumlren Nekrose sowie einer diffusen Laumlsion der umgebenden weiszligen Substanz ( Abb 730) Der fokalen immer symmetrischen bilateralen Laumlsion liegt eine ischaumlmiebedingte Nekrose zugrunde die sich innerhalb von 2ndash4 Wochen in Zysten umwandeln Durch Proliferation von Astrozyten bilden sich diese zystischen Veraumlnderungen innerhalb einiger Monate zuruumlck Diffu-ser Oligodendrogliaverlust Beeintraumlchtigung der Myelinisierung und Proliferation von Astroglia koumlnnen zu einer Verminderung des Volumens der weiszligen Substanz fuumlhren daraus resultiert als Spaumlt-folge eine Dilatation der Seitenventrikel

Die Hauptorte der fokalen Nekrose liegen in der weiszligen Subs-tanz in Houmlhe der Foramina Monroi (anterior) sowie im Trigonum-bereich (posterior) In diesem Bereich liegen die Grenzgebiete der vaskulaumlren Versorgung langer penetrierender Arterien von der Hirnoberflaumlche und der Hirnbasis ( Abb 730) Eine Ischaumlmie in diesen so genannten raquoletzten Wiesenlaquo wird als raquoWasserscheidenin-farktlaquo bezeichnet Bei zunehmender Reife aumlndert sich die Blut-versorgung Aus diesem Grunde wird bei reifen Neugeborenen eine PVL nicht mehr beobachtet

kPathogeneseFuumlr die Entstehung der PVL sind folgende Faktoren von Bedeutung ( Abb 730)

4 anatomische Voraussetzungen spezielle zerebrovaskulaumlre Architektur (s oben)

4 Faktoren die zu einer zerebralen Ischaumlmie fuumlhren 4 eine vermehrte Vulnerabilitaumlt der weiszligen Substanz

Eine zerebrale Ischaumlmie kann bei Fruumlhgeborenen durch eine Vielzahl von Faktoren bedingt sein welche praumlnatal perinatal oder postnatal ihren Ursprung haben Praumlnatale und perinatale Ursachen sind zirkulatorische Beeintraumlchtigungen aufgrund maternaler Blutun-gen waumlhrend der Schwangerschaft Plazentaloumlsungen oder Kompli-kationen bei Mehrlingsgraviditaumlt In solchen Faumlllen zeigen sich bei der Ultraschalluntersuchung unmittelbar nach der Geburt bereits periventrikulaumlre Laumlsionen an typischer Lokalisation

Am haumlufigsten entsteht eine PVL in Verbindung mit einer Chorioamnionitis Vermutlich werden Oligodendrozyten im Rah-men einer fetalen Entzuumlndungsreaktion durch proinflammatorische Zytokine und andere entzuumlndliche Mediatoren geschaumldigt Bei Fruumlh-geborenen mit PVL finden sich zum Zeitpunkt der Geburt haumlufig erhoumlhte Serumkonzentrationen an proinflammatorischen Zytoki-nen (TNF α Interleukin-6) die Hochrisikopatienten zeigen jedoch in der Regel keine Infektionssymptome

gt Eine Chorioamnionitis spielt in der Pathogenese der peri-ventrikulaumlren Leukomalazie eine entscheidende Rolle

Im zerebralen Ultraschall laumlsst sich zum Zeitpunkt der Geburt be-reits eine symmetrische periventrikulaumlre Echoverdichtung darstel-len die spaumlter in zystische Veraumlnderungen uumlbergeht ( Abb 731)

Postnatal kann eine PVL bei schweren kardiorespiratorischen Beeintraumlchtigungen auftreten Dazu gehoumlren ein persistierender Ductus arteriosus Blutdruckabfaumllle im Rahmen einer Sepsis oder eine zerebrale Hirnminderdurchblutung aufgrund einer beatmungs-bedingten ausgepraumlgten Hypokapnie oder schwerer Apnoen In sol-chen Faumlllen sind periventrikulaumlre Echoverdichtungen erst spaumlter im Verlauf sonographisch darstellbar

kKlinikIn den meisten Faumlllen von prauml- und perinatal entstandener PVL sind die Kinder asymptomatisch Eine muskulaumlre Hypotonie und Hypo-motorik wird nur bei ausgedehnten Befunden beobachtet und zeigt sich auch bei kranken Fruumlhgeborenen ohne PVL

Die klinischen Spaumltfolgen der PVL sind durch die Lokalisation der Laumlsionen bedingt ( Abb 730) Eine PVL betrifft vorwiegend die untere Extremitaumlt und fuumlhrt zu einer spastischen Diplegie Ein mas-siver Befund mit lateraler Ausdehnung kann auch zu einer Beeintraumlch-tigung der Funktion der oberen Extremitaumlt und des Intellekts fuumlhren

kPraumlventionEine Praumlvention der PVL ist zur Zeit nur bei den postnatal entstan-denen Laumlsionen moumlglich und hier auch oft nur sehr bedingt Sie besteht in der Vermeidung der Hyperventilation bei beatmeten Fruumlhgeborenen sowie der adaumlquaten Therapie einer Hypotension eines PDA oder schwerer Apnoen Eine kausale Praumlvention der Chorioamnionitis-assoziierten PVL gibt es bisher nicht

Der besondere FallAnamnese Ein weibliches Fruumlhgeborenes wurde spontan nach unauf-haltsamer Wehentaumltigkeit in der 29 Gestationswoche mit einem Ge-burtsgewicht von 1360 g geboren Der Blasensprung erfolgte 4 Tage vor der Geburt das Fruchtwasser war klar Die Mutter zeigte keine Er-houmlhung des C-reaktiven Proteins sie hatte kein Fieber Die histologi-sche Untersuchung der Plazenta aber zeigte deutliche Zeichen einer Chorioamnionitis mit massiver leukozytaumlrer Infiltration der EihaumluteBefunde Postnatal zeigte das Fruumlhgeborene eine rasche und gute cardiopulmonale Adaptation Es entwickelte kein Atemnotsyndrom und keinen zusaumltzlichen Sauerstoffbedarf Eine Ultraschalluntersu-chung des Kopfes am 2 Lebenstag zeigte eine deutliche scharf be-grenzte Echoverdichtung beidseits frontal und lateral der Seitenventri-kel Eine Echoverdichtung im Bereich der germinalen Matrix oder in-nerhalb der Seitenventrikel fand sich nichtKlinischer Verlauf Im Alter von 11 Tagen zeigte das Fruumlhgeborene eine Serie von Apnoen welche nach taktiler Stimulation sistierten Der Muskeltonus war schlaffer als vorher das Kind wies eine diskrete Marmorierung der Haut auf der Blutdruck war instabil und bedurfte einer Volumengabe Es wurde die Verdachtsdiagnose einer Sepsis ge-stellt und nach Abnahme von Blutkulturen eine antibiotische Therapie begonnen Die Blutkultur zeigt ein Wachstum von Staphylococcus

Abb 731 Zystische Erweichungsherde bei periventrikulaumlrer Leukomala-zie (Schaumldelsonographie Laumlngsschnitt)

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Kapitel 7 middot Neonatologie158

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epidermidis Nach einer Woche waren im Ultraschallbild zystische Veraumlnderungen beidseits periventrikulaumlr nachweisbar Das Kind ent-wickelte eine spastische Diplegie bei unauffaumllliger mentaler Ent icklungBeurteilung Das Kind zeigte die typischen sonographischen Befunde einer PVL Die unmittelbar postnatal registrierten periventrikulaumlren Echoverdichtungen weisen auf eine prauml- oder perinatale Genese hin Obwohl die Anamnese keine sicheren maternalen Infektionssymptome zeigte lag histologisch eine Chorioamnionitis vor welche wahrschein-lich mit der Entstehung einer periventrikulaumlren Leukomalazie in Ver-bindung gebracht werden kann Die Chorioamnionitis hatte zu keiner kindlichen Infektion gefuumlhrt Die Atem- und Kreislaufregulations-stoumlrungen sind als Symptome der nosokomialen Sepsis zu deuten

7610 Apnoen bei Fruumlhgeborenen

kGrundlagenFruumlhgeborene insbesondere sehr unreife Kinder mit einem Geburts-gewicht lt1000 g zeigen nach der Geburt uumlber eine lange Zeit eine ausgepraumlgte kardiorespiratorische Instabilitaumlt Ohne Zeichen einer anderen Grunderkrankung treten ploumltzlich Apnoen Bradykardien und Hypoxaumlmien auf Aufgrund der Unreife zentraler Steuerungs-strukturen sind solche Apnoen bei Fruumlhgeborenen regelhaft zu beo-bachten und somit physiologisch (Fruumlhgeborenenapnoen) Sie wer-den jedoch pathologisch durch ihre Dauer und den Schweregrad der begleitenden Hypoxaumlmie undoder Bradykardie Apnoen mit relevan-ten Hypoxaumlmien und Bradykardien sind behandlungsbeduumlrftig Da die Herzauswurfleistung bei Neugeborenen im Wesentlichen durch die Herzfrequenz bestimmt wird kommt es bei solchen Ereignissen stets zu einer betraumlchtlichen Verminderung der Hirnperfusion

gt Schwere Fruumlhgeborenenapnoen koumlnnen vermutlich das Risiko fuumlr ischaumlmische Hirnlaumlsionen sowie fuumlr die Ent-wicklung einer eine Retinopathie erhoumlhen

kDefinitionenApnoen Bradykardien und Hypoxaumlmien werden in der Literatur recht unterschiedlich definiert die folgenden Definitionen werden jedoch fuumlr Fruumlhgeborene zunehmend akzeptiert 4 Apnoe Atempause gt20 s oder Atempause lt20 s mit begleiten-

der BradykardieHypoxaumlmie 4 Bradykardie Abfall der Herzfrequenz lt80min oder Abfall

gt13 des Basalwerts 4 Hypoxaumlmie SO2-Abfall lt80 Dauer ge4 s

kPathogeneseNeben dieser unreifebedingten Genese von Apnoen koumlnnen prolon-gierte Atempausen jedoch auch Symptome einer Grunderkrankung sein (symptomatische Apnoen) Insbesondere bei systemischen Infektionen oder anderen schweren Erkrankungen kommt es haumlufig zur Beeintraumlchtigung der Atemregulation

Ursachen symptomatischer Apnoen 4 Sepsis und Meningitis (besonders bei neuauftretenden

Apnoen) NEC 4 Persistierender Ductus arteriosus (Wiedereroumlffnung

eines bereits verschlossenen Ductus arteriosus) 4 Apnoen als Symptom einer beginnenden respiratori-

schen Insuffizienz bei Atemnotsyndrom Pneumonie oder BPD

4 Zentrale Atemregulationsstoumlrung bei Asphyxie Hirn-blutung Hirnfehlbildung

4 Gastrooumlsophagealer Reflux 4 Obere Luftwegsobstruktion bei Choanalstenose

Pierre-Robin-Sequenz oder Stimmbandlaumlhmung 4 Fuumltterungsbedingte Bradykardien durch Vagusreiz

CavePrinzipiell sind Apnoen solange verdaumlchtig auf eine Sepsis bis das Gegenteil bewiesen ist

Fruumlhgeborenenapnoen besser als Apnoe-Bradykardie-Hypoxaumlmie-Syndrom Fruumlhgeborener beschrieben sind komplexer Genese Zu-grunde liegt eine Kombination unreifebedingter Ursachen ganz verschiedener Organsysteme des Atemzentrums der oberen Luft-wege des Thorax und der Lunge ( Abb 732) Das Atemzentrum in der Medulla oblongata sowie die peripheren Chemorezeptoren zei-gen bei Fruumlhgeborenen eine Persistenz fetaler Reaktionsweisen Im Gegensatz zum reifen Neugeborenen das verstaumlrkt atmet reagiert das Fruumlhgeborene auf eine Hypoxie mit einer Apnoe ( Abb 732) Weiterhin liegt eine verminderte CO2-Responsivitaumlt d h es erfolgt nur eine geringe Atemstimulation bei Hyperkapnie Ein Kollaps der oberen Luftwege kann ebenso wie Thoraxinstabilitaumlt oder eine Ver-minderung des Atemminutenvolumens bei periodischer Atmung eine intermittierende Hypoventilation mit Hypoxie zur Folge haben

kDiagnoseMithilfe der gleichzeitigen Registrierung von thorakaler und nasaler Atmung Herzfrequenz und Sauerstoffsaumlttigung (Oxykardiorespi-rographie) koumlnnen bei Fruumlhgeborenen die oben beschriebenen ver-schiedenen Formen der Atemregulationsstoumlrung dargestellt werden 4 Zentrale Apnoe thorakale Atmungsaktivitaumlt und nasaler Luft-

strom sistieren parallel Herzfrequenz und Sauerstoffsaumlttigung fallen anschlieszligend ab

4 Obstruktive Apnoe thorakale Atmungsaktivitaumlt haumllt an nasaler Luftstom sistiert Herzfrequenz und Sauerstoffsaumlttigung fallen ab

4 Gemischte Apnoe erst obstruktive dann zentrale Apnoe oder umgekehrt

4 Primaumlre Hypoxaumlmie primaumlrer Abfall der Sauerstoffsaumlttigung dann Abfall von Herzfrequenz und Apnoe

gt Aufgrund der Haumlufigkeit von Apoen Bradykardien und Hypoxaumlmien bei Fruumlhgeborenen muumlssen die Vitalparame-ter dieser Kinder in der Regel uumlber lange Zeit auf einer Intensivstation uumlberwacht werden

kTherapieZur Behandlung des Apnoe-Bradykardie-Hypoxaumlmie-Syndroms Fruumlhgeborener stehen verschiedene Optionen zur Verfuumlgung Weiterhin haumlngt die Wahl der Therapiemaszlignahme von der Haumlufig-keit und Schwere der Atemregulationsstoumlrung ab

Therapeutische Maszlignahmen bei Fruumlhgeborenenapnoe 4 Taktile Stimulation Taktile Maszlignahmen wie Streicheln

oder sanftes Schuumltteln fuumlhren in den meisten Faumlllen zur Wiederaufnahme der Atmung

4 Atemstimulation durch Methylxanthine (Coffein Theophyllin) oder Doxapram

6 6

715977 middot Lungenerkrankungen des Neugeborenen

4 Verminderung von Hypoxaumlmien durch Nasen-CPAP undoder geringfuumlgige Anhebung der inspiratorischen Sauerstoffkonzentration (5)

4 Bei Versagen dieser Maszlignahmen ist eine maschinelle Beatmung erforderlich

Es gibt zur Zeit keine sicheren Angaben wie viele Apnoen und welcher Schweregrad toleriert werden koumlnnen und somit keine klaren Indikationen wann die konservative Behandlung beendet und eine maschinelle Beatmung erfolgen soll Wenn bei schweren Apnoen wiederholt eine Maskenbeatmung zur Behandlung der Bradykardie und Hypoxie notwendig ist besteht in der Regel die Indikation zur maschinellen Beatmung

CaveDie auf den Intensivstationen uumlbliche Uumlberwachung der Sauerstofftherapie durch Pulsoxymeter ist nur fuumlr die Erfassung einer Hypoxie sinnvoll und eignet sich nicht gut fuumlr die Kontrolle einer Hyperoxie Diese erfolgt besser durch die transkutane Messung des pO2

77 Lungenerkrankungen des Neugeborenen

771 Transitorische Tachypnoe

kDefinitionDie transitorische Tachypnoe (Synonym transientes Atemnotsyn-drom des Neugeborenen raquofluid lunglaquo Fluumlssigkeitslunge) entwickelt sich in den ersten Lebensstunden nach der Geburt uumlberwiegend bei reifen Neugeborenen oder relativ raquoreifenlaquo Fruumlhgeborenen Charak-teristisch ist die deutlich beschleunigte Atemfrequenz mit minima-len Einziehungen und gelegentlich auftretender leichter Zyanose Die Erkrankung bildet sich in der Regel innerhalb der ersten 2ndash3 Le-benstage spontan zuruumlck

kPathogeneseDie transitorische Tachypnoe wird vermutlich durch eine ver-zoumlgerte Resorption der kindlichen Lungenfluumlssigkeit uumlber die pulmonalen Lymph- und Blutgefaumlszlige oder aber einen vermehrten pulmonalen Fluumlssigkeitsgehalt ausgeloumlst Die praumldisponierenden Faktoren die mit einer normalen Fluumlssigkeitsresorption interferie-ren oder aber zu einer Erhoumlhung des pulmonalen Fluumlssigkeitsgehalts fuumlhren sind in der Uumlbersicht dargestellt

Faktoren die mit verzoumlgerter Fluumlssigkeitsresorption oder vermehrtem pulmonalem Fluumlssigkeitsgehalt einhergehen

4 Sectio caesarea am wehenlosen Uterus 4 raquoWunschlaquosectio vor der 39 Gestationswoche 4 Perinatale Asphyxie 4 Muumltterlicher Diabetes 4 Exzessive muumltterliche Analgesie 4 Oxytocin und vermehrte maternale Fluumlssigkeitszufuhr 4 Polyglobulie (Polyzythaumlmie) des Neugeborenen 4 Erhoumlhter zentraler Venendruck des Neugeborenen 4 Verspaumltetes raquoAbnabelnlaquo

kKlinikDie Neugeborenen fallen durch eine kurze Zeit nach der Geburt einsetzende Tachypnoe (bis zu 120 Atemzuumlgemin) auf die nur von geringen Einziehungen und wechselnd ausgepraumlgtem inspiratori-schem Stoumlhnen begleitet ist die Lungen sind haumlufig uumlberblaumlht Bei Hypoxaumlmie ist in der Regel eine Zufuhr von 30ndash40 O2 in der Inspirationsluft ausreichend um eine suffiziente Oxygenierung zu erzielen Das Roumlntgenthoraxbild zeigt typischerweise vermehrte zen-trale Verdichtungen mit einer peripheren Uumlberblaumlhung der Lunge und gelegentlich interlobaumlren Fluumlssigkeitsansammlungen oder kleinen Pleuraerguumlssen Gelegentlich entwickelt sich auf dem Boden einer massiven pulmonalen Uumlberblaumlhung eine pulmonale Hyper-tonie mit Rechts-links-Shunt die in das gefuumlrchtete Krankheitsbild der persistierenden pulmonalen Hypertonie einmuumlnden kann

Abb 732 Unreifebedingte Faktoren mit Bedeutung fuumlr die Genese von Apnoen Bradykardien undoder Hypoxaumlmien bei Fruumlhgeborenen

Kapitel 7 middot Neonatologie160

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kDiagnoseDie Diagnose der transitorischen Tachypnoe basiert haumlufig auf dem Ausschluss anderer akuter pulmonaler Erkrankungen und wird haumlufig erst retrospektiv gestellt Neonatale Pneumonien insbeson-dere mit β-haumlmolysierenden Streptokokken der Gruppe B koumlnnen unter einer identischen initialen Dynamik verlaufen

kTherapieBei Atemfrequenzen gt80min wegen Aspirationsgefahr keine orale Ernaumlhrung intravenoumlse Fluumlssigkeitszufuhr bei Bedarf O2-Gabe haumlufig ist eine kurzzeitige antibiotische Behandlung indiziert

772 Mekoniumaspirationssyndrom

kDefinitionNach der Aspiration von Mekonium entwickelt sich eine pathogene-tisch komplexe Erkrankung die durch eine akute Atemnotsympto-matik der uumlberwiegend uumlbertragenen oder reifen hypotrophen Neugeborenen und einen kompatiblen radiologischen Lungen-befund charakterisiert ist Mekoniumhaltiges Fruchtwasser ist bei 10ndash18 aller Geburten nachzuweisen

kEpidemiologieDie Inzidenz des schweren Mekoniumaspirationssyndroms liegt zwischen 02ndash6 erkrankten Neugeborenen1000 Lebendgeborene Es bestehen erhebliche geographische und regionale Unterschiede in der Erkrankungshaumlufigkeit

kAumltiopathogeneseMekonium besteht aus eingedickten intestinalen Sekreten und Zellen sowie loumlslichen und zellulaumlren Fruchtwasserbestandteilen Die wasserloumlslichen Festsubstanzen bestehen u a aus Mukopoly-sacchariden Plasmaproteinen Proteasen konjugiertem Bilirubin die fettloumlslichen Bestandteile u a aus Bilirubin Bilirubinoiden freien Fettsaumluren Cholesterin und Glykolipiden Mekonium wird bereits von der 10ndash16 Gestationswoche an im fetalen Gastrointes-tinaltrakt gefunden Aufgrund einer intestinalen Hypomotorik wird

nur selten ein Mekoniumabgang bei Fruumlhgeborenen beobachtet Die Haumlufigkeit des Auftretens von mekoniumhaltigem Fruchtwasser ist direkt mit der Reife der Neugeborenen verbunden und ist mit houmlheren Serumspiegeln des properistaltischen Hormons Motilin as-soziiert Bei fehlenden Hinweisen auf eine intrauterine oder subpar-tale Gefaumlhrdungssituation duumlrfte ein Mekoniumabgang vor allem ein reifeabhaumlngiges Phaumlnomen reflektieren Eine akute intrauterine oder subpartuale kindliche Hypoxie kann gerade in den letzten Gestationswochen einen vorzeitigen Mekoniumabgang ausloumlsen der besonders bei einem Oligohydramnion ein sehr konsistentes raquoerbsbreiartigeslaquo Fruchtwasser hinterlassen kann Der Abgang von partikelhaltigem und dickfluumlssigem Mekonium praumldisponiert zur Entstehung eines Mekoniumaspirationssyndroms und zu kompli-zierten Erkrankungsverlaumlufen

Die konnatale Listerioseinfektion kann eine Ursache fuumlr den vorzeitigen Mekoniumabgang bei Fruumlhgeborenen sein

kPathophysiologieIm Verlauf einer intrauterinen oder subpartualen Hypoxie die zu einer Vasokonstriktion mesenterialer Gefaumlszlige Darmischaumlmie konsekutiver Hyperperistaltik und Sphinkterrelaxation fuumlhrt tritt ein fruumlhzeitiger Mekoniumabgang auf Die Aspiration von Meko-niumpartikeln kann durch eine hypoxieinduzierte vorzeitige Atemtaumltigkeit die ein bestimmtes Muster aufweist bereits in utero erfolgen haumlufiger findet die Aspiration von Mekonium jedoch un-mittelbar nach der Geburt statt Bei gt50 aller Neugeborenen mit mekoniumhaltigem Fruchtwasser lassen sich Mekoniumbestand-teile im Trachealaspirat nachweisen die bei der Mehrzahl der Kinder folgenlos eliminiert werden Groumlszligere Mekoniumpartikel die mit den ersten Atemzuumlgen in die kleineren Luftwege gelangen fuumlhren zu einer partiellen Bronchusobstruktion und Verlegung der Alveolen Die Folgen sind die Ausbildung von Atelektasen uumlberblaumlhten emphysematoumlsen Arealen (raquoair trappinglaquo) und extraalveolaumlre Luftansammlungen (interstitielles Emphysem Pneumothorax Pneumomediastinum etc Abb 83 Abb 733)

Durch im Mekonium enthaltene Substanzen (z B Fettsaumluren) entwickelt sich innerhalb von 24ndash48 h eine chemische Pneumonie Daruumlber hinaus fuumlhren verschiedene Proteine und Phospholipasen zu einer direkten Inaktivierung des Surfactantsystems Haumlufig bilden sich intrapulmonale Shunts und eine durch eine Konstriktion der Lungengefaumlszlige bedingte persistierende pulmonale Hypertonie aus die zu einer Rekonstitution fetaler Zirkulationsverhaumlltnisse fuumlhren kann

kKlinikDas klinische Bild wird vom Schweregrad der intrauterinen Asphyxie und dem Ausmaszlig der Mekoniumaspiration bestimmt Die Neu-geborenen fallen unmittelbar nach Geburt durch schwere Atem depression Schnappatmung Bradykardie Hypotonie Schocksymptome auf die Haut ist mit Mekonium bedeckt Finger-naumlgel und Nabelschnur koumlnnen gruumlnlich verfaumlrbt sein Neuge-borene mit Spontanatmung weisen eine Tachypnoe ausgepraumlgte Dyspnoezeichen und evtl eine Zyanose auf Die Roumlntgenthorax-aufnahme zeigt dichte fleckige Infiltrate neben uumlberblaumlhten Arealen abgeflachte Zwerchfelle und haumlufig extraalveolaumlre Luft ( Abb 734)

kPraumlventionDurch sorgfaumlltiges fetales Monitoring sind die Warnzeichen der intrauterinen Hypoxie zu erkennen Bestehen Hinweise auf eine kindliche Gefaumlhrdung so ist die sofortige Geburtsbeendigung obli-gat Bei allen Geburten die durch mekoniumhaltiges Fruchtwasser

Abb 733 Pathogenetische Sequenz der Mekoniumaspiration neben mechanischen Faktoren die zu einer schweren Beeintraumlchtigung der Lungenfunktion beitragen beguumlnstigt die chemische pulmonale Inflamma-tionsreaktion die Entwicklung von Hypoxie und Azidose

716177 middot Lungenerkrankungen des Neugeborenen

auffallen sollte umgehend ein erfahrener Kinderarzt zur postnatalen Versorgung des Neugeborenen hinzugezogen werden

gt Bei Abgang von mekoniumhaltigem Fruchtwasser muss bereits vor dem ersten Atemzug d h nach der Geburt des kindlichen Kopfes von Geburtshelfer oder Hebamme Mekonium aus dem Oropharynx entfernt werden

Findet sich bei einem klinisch auffaumllligen Neugeborenen waumlhrend der laryngoskopischen Inspektion des Kehlkopfes Mekonium unter-halb der Stimmbaumlnder so ist es unverzuumlglich mit einem dicklumigen Katheter oder evtl direkt uumlber einen Endotrachealtubus abzusau-gen Bei groumlszligeren Mengen erbsbreiartigen Mekoniums in den Luft-wegen sollte eine Bronchiallavage durchgefuumlhrt werden Tierexpe-rimentelle Untersuchungen und einzelne klinische Erfahrungsbe-richte aus juumlngster Zeit weisen darauf hin dass eine Bronchiallavage mit einer verduumlnnten Loumlsung einer natuumlrlichen Surfactantpraumlpara-tion (ca 5 mg Phospholipideml) zu einer deutlichen Verbesserung der Oxygenierung und Ventilation fuumlhren Auf eine primaumlre Mas-kenbeatmung ist ndash wenn moumlglich ndash zu verzichten

kTherapieDie zum Teil auszligerordentlich schwierige Behandlung Neugeborener mit Mekoniumaspirationssyndrom schlieszligt zur Behandlung der Hypoxaumlmie eine konventionelle Beatmungstherapie die Hochfre-quenzoszillationsbeatmung die Surfactantsubstitutionstherapie und den Einsatz von Stickstoffmonoxid (NO) ein Als Ultima-ratio-Therapie ist eine extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO) zu erwaumlgen Einzelheiten der Therapie sind den Lehrbuumlchern der Neonatologie zu entnehmen

773 Pneumothorax

kEpidemiologieEin spontaner asymptomatischer Pneumothorax tritt bei ca 05ndash1 aller Neugeborenen auf Die Pneumothoraxinzidenz bei maschinell beatmeten Fruumlhgeborenen mit Atemnotsyndrom betrug vor Einfuumlh-rung der Surfactanttherapie 15ndash30 Inzwischen wird diese Kompli-kation bei 3ndash6 aller beatmeten Fruumlhgeborenen beobachtet

kAumltiologieEin symptomatischer Pneumothorax kann bei einer Reihe pulmo-naler Erkrankungen Fruumlh- und Neugeborener auftreten Atemnot-syndrom Mekoniumaspiration Lungenhypoplasie kongenitale Zwerchfellhernie transitorische Tachypnoe Aspirationspneumonie Staphylokokkenpneumonie mit Pneumatozele lobaumlres Emphysem nach Thorakotomie Ebenso findet es sich nach unsachgemaumlszliger Reanimation und maschineller Beatmung

kPathogeneseEin hoher intraalveolaumlrer Druck der durch erhoumlhten Spitzendruck und positiv endexspiratorischen Druck (raquopositive endexpiratory pressurelaquo PEEP) bei maschineller Beatmung entsteht oder aber von tachypnoeischen spontanatmenden Kindern durch einen er-houmlhten so genannten raquoAuto-PEEPlaquo gebildet wird kann besonders in ungleich beluumlfteten Lungenarealen zu einer Uumlberblaumlhung von Alveolen und zu einer moumlglichen Ruptur der Alveolarwand fuumlhren Die extraalveolaumlre Luft ist in der Lage durch das interstitielle Ge-webe und entlang der perivaskulaumlren Gefaumlszligscheiden sowie der peribronchialen Lymphgefaumlszlige zu entweichen In Abhaumlngigkeit von der Ausbreitung der Luft ist mit einer Reihe von Komplikationen zu rechnen interstitielles Emphysem Pneumomediastinum Span-nungspneumothorax Pneumoperitoneum Pneumoperikard und subkutanes zervikales oder thorakales Emphysem

Ein Spannungspneumothorax entwickelt sich bei einer druck-wirksamen Ansammlung von Luft im Pleuraspalt Ein einseitiger Spannungspneumothorax fuumlhrt nicht nur zu einer schweren Venti-lationsstoumlrung der betroffenen gelegentlich kollabierten Lungens-eite sondern durch die Mediastinalverlagerung auch der kontralate-ralen Lunge Daneben wird durch Kompression der V cava oder Torsion der groszligen Gefaumlszlige der venoumlse Ruumlckfluss erheblich be-eintraumlchtigt Bei der Entstehung des interstitiellen Emphysems scheinen nicht nur physikalische Faktoren von Bedeutung zu sein sondern auch pulmonale Entzuumlndungsvorgaumlnge und proteolytische Lungengeruumlstschaumldigungen die u a nach praumlnatalen Infektionen beobachtet wurden

kKlinikDie klinischen Leitsymptome des gefuumlrchteten Spannungspneumo-thorax sind

4 ploumltzlich einsetzende Atemnot 4 Zyanose 4 Hypotension 4 Schocksymptome 4 Bradykardie 4 Thoraxasymmetrie 4 Verlagerung der Herztoumlne 4 seitendifferentes Atemgeraumlusch

Gerade bei kleinen Fruumlhgeborenen kann die Diagnose eines Span-nungspneumothorax schwierig sein da bei maschinell beatmeten Patienten nicht immer ein fehlendes oder abgeschwaumlchtes Atem-geraumlusch nachweisbar ist

kDiagnose TherapieIn lebensbedrohlichen Situationen darf keine Zeit durch Anferti-gung einer Roumlntgenaufnahme vergehen es ist eine sofortige Pleura-punktion mit Entlastung des Pneumothorax durchzufuumlhren

Anschlieszligend wird eine Pleuradrainage unter optimalen Bedin-gungen gelegt Die Transillumination des Thorax mit einer fiberop-tischen Kaltlichtlampe erlaubt eine rasche Identifizierung des illumi-nierenden lufthaltigen Pleuraraumes ( Abb 735)

Abb 734 Radiologische Veraumlnderungen bei schwerem Mekonium-aspirationssyndrom neben verdichteten dystelektatischen Arealen finden sich typische uumlberblaumlhte Lungenanteile

Kapitel 7 middot Neonatologie162

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774 Kongenitales lobaumlres Emphysem

kDefinitionDas kongenitale lobaumlre Emphysem ist durch eine Uumlberblaumlhung einer oder mehrerer Lungenlappen charakterisiert ( Abb 736) Meistens sind die Oberlappen oder der rechte Mittellappen be-troffen Ungefaumlhr 10 der betroffenen Kinder haben zusaumltzlich ein Vitium cordis oder andere Fehlbildungen

kAumltiologieAls Ursachen des lobaumlren Emphysems das mit der zunehmenden Uumlberblaumlhung auch normales Lungengewebe komprimiert werden

Stoumlrungen im Aufbau der Bronchialwand (z B Fehlen des bronchia-len Knorpels) intraluminale Bronchusobstruktionen (eingedicktes Sekret Schleimhautfalten) oder extraluminale Bronchusobstruk-tionen (z B Kompression durch aberrierende Gefaumlszlige) gefunden

kKlinik TherapieHaumlufig entwickelt sich die klinische Symptomatologie die durch eine progrediente Tachypnoe und andere Dyspnoezeichen auffaumlllt innerhalb der ersten Lebenswochen Einige Neugeborene erkranken allerdings unmittelbar postnatal an einer akuten progredienten Atemnotsymptomatik Bei diesen Kindern ist eine sofortige Bron-choskopie undoder Resektion des betroffenen uumlberblaumlhten Lun-genteils lebensrettend Bei vital milder aber progredienter Sympto-matik ist eine chirurgische Therapie angezeigt Nur bei asymptoma-tischen Kindern kann unter regelmaumlszligiger Kontrolle auf eine invasive Behandlung verzichtet werden da sich ein lobaumlres Emphysem ge-legentlich zuruumlckbilden kann

775 Lungenhypoplasie

kDefinitionEine Lungenhypoplasie ist entweder Ausdruck einer gestoumlrten Organanlage oder einer Ausreifungsstoumlrung der fetalen Lunge die durch verschiedene mit der normalen Lungenentwicklung inter-ferierende Faktoren ausgeloumlst werden kann

kAumltiopathogeneseEine Anlagestoumlrung der Lunge wird bei seltenen Chromosomen-aberationen beobachtet Wesentlich haumlufiger entwickelt sich eine Lungenhypoplasie im Rahmen fetaler Grunderkrankungen oder Stouml-rungen die mit der normalen Ausbildung der Alveolen inter ferieren Ein Mangel an Fruchtwasser der zu einem Verlust intraalveolaumlrer Fluumlssigkeit in der vulnerablen Phase der Lungenentwicklung (vor der 26 Gestationswoche) fuumlhrt kann eine schwere Lungenhypoplasie

Abb 735a b Diagnose eines linksseitigen Pneumothorax durch Transillumination mit Hilfe einer Kaltlichtlampe (a) linksseitiger Spannungspneumo-thorax mit Verdraumlngung des Mediastinums nach rechts (Roumlntgen-Thorax) (b)

a b

Abb 736 Lobaumlres Emphysem des linken Lungenoberlappens bei einem 4 Wochen alten Fruumlhgeborenen der 36 Gestationswoche Mediastinalver-schiebung nach rechts Kompression des linken Unterlappens

716377 middot Lungenerkrankungen des Neugeborenen

nach sich ziehen Eine bilaterale Nierenagenesie (Potter-Sequenz) Anhydramnie bei vorzeitigem Blasensprung oder Fruchtwasserver-lust nach Amniozentese sind als Ursache der Lungenhypoplasie defi-niert Aber auch fehlende intrauterine Atembewegungen der Feten wie sie bei neuromuskulaumlren Erkrankungen Myasthenia gravis An-enzephalie u a Erkrankungen beobachtet werden koumlnnen die nor-male Entwicklung nachhaltig beeinflussen Eine Kompression der fe-talen Lunge nach Malformation des Thorax fuumlhrt bei verschiedenen Skeletterkrankungen (u a asphyxierende Thoraxdysplasie) zu einer Lungenhypoplasie Auch andere Fehlbildungen wie die Zwerchfellher-nie und Chylothorax koumlnnen uumlber eine Kompression des Lungenge-webes die normale Wachstumsdynamik nachhaltig beeintraumlchtigen

kKlinik DiagnoseDie schwere Lungenhypoplasie manifestiert sich entweder unter dem Bild einer Asphyxie oder aber schwersten respiratorischen Insuffizienz Die hypoplastischen Lungen lassen sich haumlufig auch unter intensiven Beatmungsmaszlignahmen nicht wirksam eroumlffnen Haumlufig treten bilaterale Pneumothoraces auf einige Patienten ent-wickeln auf dem Boden einer primaumlren pulmonalen Hypertonie eine persistierende fetale Zirkulation Bei ausgepraumlgten Formen der Lungenhypoplasie ist die Prognose infaust Die Thoraxaufnahme zeigt typischerweise schmale Lungen mit einem glockenfoumlrmigen Thorax ( Abb 737) Die Diagnose ist allerdings haumlufig nur zu ver-muten und wird anhand anamnestischer Risiken sowie des postna-talen Verlaufs nicht selten retrospektiv gestellt Post mortem kann durch Bestimmung des Lungengewichts sowie mithilfe morphome-trischer Techniken die Verdachtsdiagnose verifiziert werden

kTherapieNur bei weniger ausgepraumlgten Formen der Lungenhypoplasie kann durch differenzierte Beatmungstechniken Einsatz von Stickstoff-monoxid NO und gegebenenfalls Surfactantsubstitution (sekun-

daumlrer Surfactantmangel) eine nachhaltige Stabilisierung der Lungen-funktion erzielt werden

776 Zwerchfellhernie (Enterothorax)

kEpidemiologieDie Inzidenz einer Zwerchfellhernie betraumlgt ca 0251000 Lebend-geborene 80ndash90 der Hernien treten auf der linken Seite auf

kPathogeneseEin Zwerchfelldefekt kann zu einer Verlagerung saumlmtlicher Bauch-organe in die Thoraxhoumlhle fuumlhren ( Abb 738) Dieses Krankheits-bild ist ein dringlicher Notfall der Neugeborenenchirurgie (7 Kap 36) Infolge der Lungenkompression und Herzverlagerung kann sich eine schwerste rasch progrediente respiratorische und kardiozirkulatorische Insuffizienz mit persistierender fetaler Zir-kulation entwickeln ( Abb 739)

gt Die operative Versorgung eines Neugeborenen mit Zwerchfellhernie sollte erst nach optimaler Stabilisierung der respiratorischen und kardiozirkulatorischen Funktio-nen erfolgen

kKlinikDie Leitsymptome der Zwerchfellhernie sind 4 zunehmende Atemnot 4 Zyanose 4 Schocksymptome 4 Verlagerung der Herztoumlne 4 ein asymmetrisch vorgewoumllbter Thorax ohne Atemexkursion 4 fehlendes Atemgeraumlusch 4 evtl Darmgeraumlusche im Thorax 4 ein eingesunkenes raquoleereslaquo Abdomen

Abb 737 Radiologischer Befund einer aumltiologisch ungeklaumlrten Lungen-hypoplasie bei einem Fruumlhgeborenem der 34 Gestationswoche

Abb 738 Linksseitiger Zwerchfelldefekt mit intrathorakal gelegenem Magen und Darmanteilen massive Verlagerung des Herzens nach rechts

Kapitel 7 middot Neonatologie164

7

kTherapieDa mit zunehmender Luftfuumlllung des intrathorakal gelegenen Darmes Lunge Herz und Mediastinum verdraumlngt werden und somit eine Spannungssymptomatik entstehen kann ist eine primaumlre Maskenbeatmung obsolet Die Neugeborenen werden umgehend intubiert erhalten eine offene Magensonde und werden bereits im Kreiszligsaal auf die betroffene Seite gelagert

kPrognoseDie Prognose der Zwerchfellhernie wird entscheidend vom Grad der Lungenhypoplasie der optimalen Erstversorgung der chirurgi-schen Therapie und der anschlieszligenden intensivmedizinischen Behandlung beeinflusst Die Diagnose kann bei bereits zum Unter-suchungszeitpunkt vorliegendem Enterothorax praumlnatal gestellt werden

777 Neonatale Pneumonien

kDefinitionEine neonatale Pneumonie entwickelt sich auf dem Boden einer intrauterinen sub- oder postnatalen Infektion mit muumltterlichen oder nosokomialen Erregern u a durch Aspiration infizierten Fruchtwassers Man kann davon ausgehen dass bakteriell kontami-niertes Fruchtwasser oder infizierte Lungenfluumlssigkeit mit den ers-ten Atemzuumlgen in die terminalen Atemwege gelangt und dort mit einer kurzen Latenz eine Entzuumlndungsreaktion ausloumlst Dieser Mechanismus erklaumlrt das oftmals symptomfreie Intervall nach der Geburt ( Abb 740)

kPathogenesePathogenese Risikofaktoren und Erregerspektrum sind im 7 Ab-schn 7109 abgehandelt

Beatmete und intensivmedizinisch behandelte Fruumlh- und Neugeborene sind besonders gefaumlhrdet eine Pneumonie mit Pseudomonas- oder Klebsiellenspezies zu akquirieren Chlamy-dien und Ureaplasmen kommen ebenfalls als Erreger von Pneu-monien Fruumlhgeborener vor Seltener treten Mykoplasmen als Er-reger auf

gt Bei langzeitbeatmeten Fruumlhgeborenen die uumlber laumlngere Zeit antibiotisch behandelt wurden ist immer an eine Pilzpneumonie insbesondere mit Candida spp zu denken

kKlinikDie klinische Symptomatik einer in den ersten Lebensstunden und Lebenstagen oder auch spaumlter auftretenden neonatalen Pneumonie verlaumluft haumlufig unter dem Bild eines progredienten Atemnot-syndroms mit Tachypnoe Einziehungen und Nasenfluumlgeln

kTherapieDie primaumlre antibiotische Behandlung muss gegen die potenziellen Mikroorganismen gerichtet sein (s Therapie der neonatalen Sepsis) Bei Atem- undoder Kreislaufinsuffizienz der erkrankten Neuge-borenen wird die erforderliche Supportivtherapie durchgefuumlhrt Chlamydien- und Ureaplasmapneumonien werden mit Erythromy-cin behandelt Pneumocystispneumonien mit TrimethoprimSulfa-methoxazol

778 Persistierende pulmonale Hypertonie (persistierende fetale Zirkulation)

kDefinitionDie persistierende pulmonale Hypertonie (PPH syn persistierende fetale Zirkulation) ist ein lebensbedrohliches Krankheitsbild das auf dem Boden eines persistierenden erhoumlhten pulmonalen Gefaumlszlig-druckes durch einen signifikanten Rechts-links-Shunt uumlber das of-fene Foramen ovale uumlber den persistierenden Ductus arteriosus und auch intrapulmonale Shunts ohne Hinweise auf eine strukturel-le Herzerkrankung charakterisiert ist

kAumltiologieDie PPH tritt uumlberwiegend bei reifen und uumlbertragenen Neuge-borenen auf Nach intrauteriner und subpartualer Hypoxie muumltterlicher Aspirin- und Indometacineinnahme waumlhrend der Schwangerschaft wurde eine Verdickung und Ausdehnung der Ge-faumlszligmuskulatur bis in kleine pulmonale Arterien hinein beschrieben Am haumlufigsten entwickelt sich eine PPH sekundaumlr bei Neugeborenen

Abb 739 Charakteristischer radiologischer Befund einer linksseitigen Zwerchfellhernie luftgefuumlllte Darmschlingen Verlagerung des Mediasti-nums und des Herzens nach rechts verdichtete Lunge rechts

Abb 740 Aumltiopathogenese der neonatalen Pneumonie Bakteriell infizierte Lungenfluumlssigkeit gelangt mit den ersten Atemzuumlgen des Neu-geborenen in die terminalen Atemwege

716577 middot Lungenerkrankungen des Neugeborenen

nach Mekoniumaspiration Weitere Erkrankungen in deren Folge sich eine PPH entwickeln kann sind die subpartuale und post-natale Hypoxie die neonatale Sepsis mit β-haumlmolysierenden Streptokokken der Gruppe B und Listerien die Zwerchfellhernie die Lungenhypoplasie Pneumothorax Hyperviskositaumltssyndrom Hypoglykaumlmie und Hypothermie sowie ein Atemnotsyndrom Die PPH ist nicht selten idiopathisch Die Praumlvalenz dieser Erkran-kung wurde auf etwa 1 Neugeborenes pro 1000 Lebendgeborene geschaumltzt

kPathophysiologieBei intranataler oder postnataler Hypoxie entwickelt sich rasch eine metabolisch-respiratorische Azidose Die normalerweise durch Anstieg des paO2 und Abfall der paCO2 unmittelbar nach der Geburt einsetzende Dilatation der Lungenarterien bleibt aus die Azidose induziert uumlber eine pulmonale Vasokonstriktion eine pulmonale Hypertonie die uumlber das Foramen ovale den Ductus arteriosus Bo-talli und intrapulmonale Shunts die Entwicklung eines persistieren-den Rechts-links-Shunts nach sich zieht Es bildet sich eine zuneh-mende Sauerstoffuntersaumlttigung des arteriellen Blutes aus die mit der postnatal einsetzenden Vasodilatation interferiert ( Abb 741) Bei einigen dieser Patienten liegen bereits pulmonale Gefaumlszligveraumlnde-rungen im Sinne einer Mediahypertrophie vor die Ausdruck einer chronischen intrauterinen Hypoxie sein koumlnnten (primaumlrer pulmo-naler Hochdruck andere Kinder haben als Grunderkrankung eine mehr oder weniger ausgepraumlgte Lungenhypoplasie) Potente Stimuli der pulmonalen Vasokonstriktion sind Leukotriene und weitere Lipidmediatoren deren Freisetzung bei allen sekundauml ren Formen der PPH durch Hypoxie Infektionen und die im Verlauf verschie-denster Grunderkrankungen einsetzenden Inflammationsreaktion gefoumlrdert wird

kKlinikDie Neugeborenen erkranken in der Regel innerhalb der ersten 12 Lebensstunden In Abhaumlngigkeit von der Grunderkrankung ste-hen entweder die Zyanose (Polyzythaumlmie idiopatische PPH u a) oder die schwere Atemnotsymptomatik mit Zyanose (Mekoniu-maspiration Zwerchfellhernie u a) im Vordergrund Die Patienten koumlnnen innerhalb kurzer Zeit ein Multiorganversagen oder Myokar-dischaumlmie entwickeln Die klinische Verdachtsdiagnose einer PPH kann durch die prauml- und postduktale O2-Differenz und nicht zuletzt durch die Echokardiographie (einschlieszliglich dopplersonographi-scher Diagnostik) bestaumltigt werden Der Roumlntgenthoraxbefund ist bei einigen Erkrankungen unauffaumlllig (Asphyxie Hyperviskositaumlts-syndrom etc) bei anderen zeigt er die typischen Veraumlnderungen der Grunderkrankung

kTherapieZu einer optimalen Behandlung gehoumlrt ndash wenn immer moumlglich ndash eine Korrektur der Grundproblematik sowie eine gezielte Suppor-tivtherapie und Behandlung aller im Verlauf der Erkrankung auf-getretenen Komplikationen wie z B Hypotension myokardiale Dysfunktion Azidose Die Kinder sind zu sedieren und gegebenen-falls zu relaxieren Der entscheidende therapeutische Ansatz ist eine suffiziente maschinelle Beatmung mit ausreichender Oxyge-nierung Die fruumlher geuumlbte Hyperventilationstherapie mit einem pCO2 von 20ndash25 mmHg ist wegen der Drosselung der zerebralen Durchblutung heute obsolet Zusaumltzlich wird das kurzzeitig wirksa-me und gut steuerbare Prostazyklin auch in inhalativer Form ein-gesetzt

Als vielversprechender neuer therapeutischer Ansatz ist die in-halative Behandlung mit NO (raquonitric oxidelaquo Stickstoffmonoxid)

anzusehen NO fuumlhrt zu einer selektiven Vasodilatation der Pulmo-nalgefaumlszlige in den ventilierten Lungenarealen Zurzeit verfuumlgen nur einige Neonatalzentren uumlber die Therapiemoumlglichkeit Neugebore-ne die auf keine dieser Maszlignahmen ansprechen werden einer Hochfrequenzoszillationsbeatmungstherapie zugefuumlhrt

Reichen diese Maszlignahmen nicht aus um eine ausreichende Oxygenierung zu erreichen so sollte der Patient mit einer extrakor-poralen Membranoxygenierung (ECMO) behandelt werden Die international anerkannten Kriterien fuumlr ECMO-Therapie sind Ge-stationsalter gt34 Wochen Geburtsgewicht gt20 kg keine Gerin-nungsstoumlrung fehlendes Ansprechen auf alle erwaumlhnten therapeuti-schen Maszlignahmen und das Vorliegen eines Oxygenierungsindex (OI) von 25ndash40 (mittlerer Atemwegsdruck [cmH2O] times FiO2 times 100paO2 [mmHg])

kPrognoseDie neonatale Sterblichkeit der PPH liegt bei 20ndash30 In den wenigen Langzeituntersuchungen der uumlberlebenden Kinder wird deutlich dass nur ca 40 diese Erkrankung unbeschadet uumlberste-hen die restlichen Patienten weisen neurologische Folgeschaumlden in unterschiedlichster Auspraumlgung auf Bei 20 der Kinder wurde ein neurosensorischer Houmlrverlust diagnostiziert

779 Lungenblutung

kDefinitionEine akute von den Alveolen ausgehende Lungenblutung tritt uumlberwiegend bei Fruumlhgeborenen und hypotrophen Neugeborenen auf die an verschiedensten Erkrankungen der Neonatalperiode leiden

kEpidemiologieWaumlhrend bei mehr als 10 verstorbener Neugeborener eine Lungen-blutung autoptisch diagnostiziert wird entwickelt sich dieses lebens-bedrohliche Ereignis bei weniger als 5 aller Fruumlhgeborenen mit

Abb 741 Circulus vitiosus der perinatalen Hypoxie und postnataler Risikofaktoren die zur Entwicklung einer pulmonalen Hypertonie und per-sistierenden fetalen Zirkulation fuumlhren

Kapitel 7 middot Neonatologie166

7

einem Geburtsgewicht lt1500 g die an einem Atemnotsyndrom er-krankt sind

kAumltiologiePraumldisponierende Faktoren fuumlr eine Lungenblutung sind eine neo-natale Streptokokkenpneumonie die perinatale Asphyxie Hypo-thermie Azidose Hypoglykaumlmie Gerinnungsstoumlrungen Herzver-sagen schwere Erythroblastose Surfactanttherapie und Sauerstoff-toxizitaumlt

kKlinikAkute Blutung aus Mund Nase und den Atemwegen mit rasch progredientem Kreislauf- und Atmungsversagen In den Roumlnt-genthoraxaufnahmen zeigt sich eine zunehmende Verdichtung der Lunge

kTherapieUnverzuumlgliche Stabilisierung der Beatmungs- und Kreislaufsituation mit allen zur Verfuumlgung stehenden intensivmedizinischen Maszlignah-men sowie ndash wenn immer moumlglich ndash Behandlung der Grundproble-matik

7710 Chylothorax

kDefinitionUnter einem Chylothorax wird eine Ansammlung von chyloumlser Fluumls-sigkeit im Pleuraraum verstanden ( Abb 742)

kEpidemiologieEin angeborener Chylothorax ist ein seltenes Ereignis haumlufiger werden erworbene Ansammlungen chyloumlser Fluumlssigkeit nach kar-diochirurgischen Eingriffen beobachtet Als Folge parenteraler Langzeiternaumlhrung uumlber einen zentralen Venenkatheter wurden Thrombosierungen der oberen Hohlvene mit sekundaumlrem Chy-lothorax beschrieben

kAumltiopathogeneseDie Ursache fuumlr die Entstehung eines angeborenen Chylothorax ist unklar es wird ein angeborener Defekt des Ductus thoracicus ver-mutet Bei Neugeborenen mit Down- Noonan- und Turner-Syn-

drom sowie bei Hydrops fetalis tritt gelegentlich ein Chylothorax auf ebenso wurde nach Geburtstraumata die Entwicklung chyloumlser Effusionen berichtet

kKlinik DiagnoseDie Neugeborenen fallen unmittelbar postnatal oder innerhalb der ersten Lebenstage durch mehr oder minder ausgepraumlgte Zeichen der Atemnot auf Vor Beginn einer oralen Ernaumlhrung enthaumllt die serum-aumlhnliche Pleurafluumlssigkeit mehrere Tausend Leukozytenμl mehr als 90 sind mononukleaumlre Zellen (Lymphozyten) Nach Milchernaumlh-rung nimmt die Pleurafluumlssigkeit eine weiszligliche typisch chyloumlse Farbe an

kTherapieDie kontinuierliche Ableitung der chyloumlsen Fluumlssigkeit fuumlhrt bei den meisten Kindern zu einer Ausheilung Es treten aber z T erheb-liche Eiweiszlig- und Antikoumlrper- sowie Lymphozytenverluste auf Eine orale Ernaumlhrung mit mittelkettigen Triglyzeriden reduziert die Chylusproduktion

kPrognoseBei den meisten Formen eines Chylothoraxes kann man von einer sich selbstlimitierenden Erkrankung ausgehen Selten werden Ver-suche chirurgischer Korrekturmaszlignahmen oder intraperitoneale Shuntableitung allerdings mit unsicherem Ausgang noumltig

7711 Obstruktion der oberen Atemwege

kDefinitionAngeborene Obstruktionen der oberen Luftwege gehen haumlufig mit akuter unmittelbar postnatal auftretender Atemnot einher

kAumltiopathogenese TherapieDa Neugeborene fuumlr eine suffiziente Atmung auf eine ungehin-derte Nasenatmung angewiesen sind fuumlhren saumlmtliche anato-mischen und funktionellen Obstruktionen der oberen Luftwege zu einer akuten Atemnotsymptomatik Trotz deutlicher Atem-exkursionen unmittelbar nach der Geburt koumlnnen Neugeborene mit Choanalatresie oder Pierre-Robin-Sequenz (Mikrognathie Glossophtose Gaumenspalte) kein adaumlquates Atemzugvolumen aufbauen ( Abb 743) Diese bedrohliche Situation ist durch Einfuumlhren eines passenden Guedel-Tubus haumlufig akut zu beheben Die Bauchlage kann das Zuruumlckfallen der Zunge bei Neuge-borenen mit Pierre-Robin- Sequenz haumlufig verhindern und die Luftnotsymptomatik verbessern Eine fruumlhe individuelle kiefer-orthopaumldische Behandlung kann mit Hilfe einer Gaumenplatte und einem integrierten pharyngealen Sporn der das Zuruumlckfallen der Zunge verhindert langfristig zu einer Ausheilung der Fehl-bildung fuumlhren

Larynx- und Trachealatresien verlaufen meistens letal Der kon-genitale laryngeale Stridor auf dem Boden einer Laryngomalazie heilt bei den meisten Kindern im Verlauf des ersten Lebensjahres aus Schwieriger gestaltet sich die Behandlung einer kongenitalen oder haumlufig durch prolongierte Intubation oder Intubationsschaumlden erworbenen subglottischen Stenose Bei dieser Problematik koumln-nen langwierige tracheale Dilatationen Lasertherapien oder auch laryngotracheale Rekonstruktionen angezeigt sein

Abb 742 Linksseitig ausgepraumlgter Pleuraerguss mit Mediastinalverla-gerung nach rechts Durch Punktion Nachweis von lt90 mononukleaumlren Zellen (Lymphozyten) Diagnose linksseitiger Chylothorax

716778 middot Bluterkrankungen

78 Bluterkrankungen

781 Fetale Erythropoese

kPhysiologische BesonderheitenDie Erythropoese die am 20 Gestationstag beginnt findet in der Fetalzeit uumlberwiegend in Leber und Milz statt Erst im letzten Trime-non wird das Knochenmark zum Hauptbildungsort der Erythropo-ese Die Haumlmoglobinkonzentration steigt von 8ndash10 gdl im Alter von 12 Gestationswochen auf 165ndash20 gdl im Alter von 40 Gesta-tionswochen an Nach einem kurzen postnatalen Anstieg der Hauml-moglobinkonzentration innerhalb von 6ndash12 Lebensstunden faumlllt sie kontinuierlich auf 10 gdl im Alter von 3ndash6 Monaten ab Fruumlhgebo-rene unterhalb der 32 Gestationswoche haben niedrigere Ausgangs-haumlmoglobinkonzentrationen und erfahren einen schnelleren Abfall der Haumlmoglobinkonzentration der Tiefpunkt ist 1ndash2 Monate nach der Geburt erreicht Waumlhrend dieser physiologischen Anaumlmisie-rung laumlsst sich kaum Erythropoetin im Plasma nachweisen

kBesonderheiten fetaler ErythrozytenFetale und neonatale Erythrozyten weisen eine kuumlrzere Uumlberlebens-zeit (70ndash90 Tage) und ein groumlszligeres mittleres korpuskulaumlres Volu-men auf (MCV 110ndash120 fl) als Erythrozyten Erwachsener In den ersten Tagen nach der Geburt besteht in der Regel eine Retikulozy-tose von 50ndash120permil Die Erythrozyten enthalten uumlberwiegend feta-les Haumlmoglobin F das aus 2 α-Ketten und 2 γ-Ketten besteht Un-mittelbar vor der Geburt setzt bei einem reifen Neugeborenen die Synthese von β-Haumlmoglobinketten und damit adultem Haumlmoglobin ein (2 α-Ketten und 2 β-Ketten) Zum Zeitpunkt der Geburt haben die Erythrozyten reifer Neugeborener 60ndash90 fetales Haumlmoglobin diese Konzentration sinkt bis zum Alter von 4 Monaten auf lt5 ab

Das Blutvolumen reifer Neugeborener betraumlgt ungefaumlhr 85 mlkg KG Plazenta und Nabelgefaumlszlige enthalten ca 20ndash30 mlkg Blut

Eine spaumlte Abnabelung kann zu voruumlbergehendem Anstieg des neonatalen Blutvolumens fuumlhren (7 Abschn 784) eine zu fruumlhe Ab-nabelung zur Anaumlmie

gt Um diese Komplikationen zu vermeiden sollte die Abnabelung ca 60 s nach der Geburt erfolgen

782 Neonatale Anaumlmie

kDefinitionEine Anaumlmie Neugeborener ist durch Haumlmoglobinkonzentrationen (Hb) lt14 gdl sowie einen Haumlmatokrit (Hkt) von lt40 charakterisiert

kAumltiologieSie kann durch akuten oder chronischen Blutverlust eine ver-minderte Bildung sowie durch eine immunologisch vermittelte oder nichtimmunologisch bedingte Haumlmolyse der Erythrozyten verur-sacht sein ( Tab 710)

Nach einem akuten Blutungsereignis sind die Haumlmoglobin-konzentration und der Haumlmatokrit Fruumlh- und Neugeborener haumlufig normal und fallen erst im Rahmen der Haumlmodilution kontinuierlich ab Das zirkulierende Blutvolumen kann jedoch bereits waumlhrend der Blutungsereignisse bedrohlich vermindert sein Ein chronischer Blutverlust kann u a durch fetomaternale Transfusion zustande kommen die bei ca 50 aller Schwangerschaften beobachtet wird der fetale Blutverlust kann erheblich sein Die Diagnose einer feto-maternalen Transfusion wird durch den Nachweis von HbF-halti-gen kindlichen Erythrozyten im muumltterlichen Blut erbracht

kKlinikLeitsymptome der akuten Blutungsanaumlmie sind Blaumlsse Tachykar-die schwache oder nicht tastbare periphere Pulse Hypotension Tachypnoe und bei massivem Blutverlust Schnappatmung und Schock Die klinischen Symptome bei chronischem Blutverlust sind Blaumlsse bei erhaltener Vitalitaumlt Tachykardie und normaler Blutdruck Haumlufig besteht eine Herzinsuffizienz mit Hepatomegalie Die gele-gentlich nachweisbare Splenomegalie ist Ausdruck der extramedul-laumlren Blutbildung Selten entwickelt sich ein Hydrops fetalis Eine neonatale Anaumlmie die durch eine verminderte Bildung von Eryth-rozyten verursacht wird wie z B bei Blackfan-Diamond-Anaumlmie ist durch niedrige Retikulozytenzahlen und Fehlen von Erythrozy-tenvorstufen im Knochenmark charakterisiert Haumlufigste Ursachen fuumlr eine immunologisch vermittelte Haumlmolyse bei Neugeborenen sind Inkompatibilitaumlten zwischen muumltterlicher und kindlicher Blut-gruppe (s Rh-Erythroblastose AB0-Erythroblastose etc) Nichtim-munologische Erkrankungen die mit einer Haumlmolyse einhergehen sind Defekte der Erythrozytenmembran (hereditaumlre Sphaumlrozytose) Erythrozytenenzymdefekte (Glukose-6-Phosphatdehydrogenase- und Pyruvatkinasemangel) seltene Haumlmoglobinopathien sowie die α-Thalassaumlmie

Abb 743 3 Wochen altes Neugeborenes mit Pierre-Robin-Sequenz Aus-gepraumlgte Mikrognathie und Retrogenie mit rezidivierenden Episoden akuter Atemwegsobstruktion durch Glossophtose Nach Anpassung einer speziel-len Gaumenplatte mit distalem Sporn keine weiteren Hypoxieepisoden

Tab 710 Aumltiologie der neonatalen Anaumlmie

Blutverlust Verminderte Blutbildung

Haumlmolyse

Fetomaternale BlutungPlazenta praumlviaVorzeitige PlazentaloumlsungFetofetale TransfusionNabelschnureinrissVasa praeviaNeonatale Blutung intrakraniell gastro-intestinal u a

Konnatale und perinatale InfektionenBlackfan-Diamond-AnaumlmieKonnatale LeukaumlmieFruumlhgeborenen-anaumlmie

Rh-ErythroblastoseAB0-ErythroblastoseAndere Blutgruppen-inkompatibilitaumltenErythrozyten-membran defekteErythrozytenenzym-defekteSelten Haumlmoglobinopathien

Kapitel 7 middot Neonatologie168

7 kTherapie

gt Neugeborene mit ausgepraumlgtem akutem Blutverlust (hauml-morrhagischer Schock raquoweiszlige Asphyxielaquo) werden notfall-maumlszligig mit 0 Rh-negativem Erythrozytenkonzentrat ohne vorherige Kreuzprobe transfundiert (Hepatitis B Anti-HCV TPHA (Lues) CMV HIV negativ)

Bei allen anderen Indikationen ist vor der Transfusion eine kindliche Blutgruppenbestimmung und Kreuzprobe durchzufuumlhren Bei Verdacht auf Stoumlrung der Erythropoese und haumlmolytische Anaumlmien ist vor Gabe von Blutprodukten kindliches Blut fuumlr die entsprechen-de Spezialdiagnostik abzunehmen (s Rh-Erythroblastose u a)

783 Anaumlmie Fruumlhgeborener

Ein besonderes klinisches Problem stellt die Anaumlmie Fruumlhgeborener dar Die meisten sehr kleinen Fruumlhgeborenen entwickeln bereits waumlhrend der ersten Lebenswochen eine mehr oder weniger ausge-praumlgte Anaumlmie Eine Reihe von Faktoren sind fuumlr die Entstehung der Anaumlmie Fruumlhgeborener verantwortlich u a ein Erythropoetin-mangel der zu einer inadaumlquaten Erythropoese fuumlhrt sowie repeti-tive diagnostische Blutentnahmen Seltener entwickelt sich eine haumlmolytische Anaumlmie durch Vitamin-E-Mangel oder im Verlauf systemischer Infektionen

Bei klinischen Zeichen einer akuten oder chronischen Anaumlmie oder Hinweisen auf eine haumlmodynamisch signifikante Hypovolaumlmie ist eine Transfusion mit bestrahltem CMV-negativen Erythrozyten-konzentrat unabdingbar Eine Erythropoetintherapie kann wie in mehreren randomisierten und kontrollierten Studien belegt die Spaumltanaumlmisierung Fruumlhgeborener zu einem gewissen Grad verhin-dern Da noch eine Reihe klinisch relevanter Fragen der Erythropo-etinsubstitution ungeklaumlrt sind (optimaler Zeitpunkt des Behand-lungsbeginns Dosis Therapiedauer optimale Eisensubstitution u a) kann diese Therapie allerdings nicht als Standardtherapie empfohlen werden

784 Polyzythaumlmie Hyperviskositaumltssyndrom

kDefinitionUnter einer Polyzythaumlmie (Synonym neonatale Polyglobulie) wird ein venoumlser Haumlmatokrit gt65 (Haumlmoglobin gt22 gdl) verstanden der unter dem Bild eines Hyperviskositaumltssyndroms zu einem An-

stieg der Blutviskositaumlt zur vaskulaumlren Stase mit Mikrothrombosie-rung zu Hypoperfusion und Ischaumlmie von Organen fuumlhren kann

kAumltiologieEtwa 3ndash5 aller Neugeborenen weisen nach der Geburt einen Hkt gt65 auf Risikokollektive sind reife oder postmature hypotrophe Neugeborene (intrauterine Wachstumsretardierung chronische fe-tale Hypoxie) Patienten nach fetofetaler oder maternofetaler Trans-fusion Neugeborene nach spaumlter Abnabelung Kinder diabetischer Muumltter Nikotinabusus waumlhrend der Schwangerschaft Neugeborene mit Hyperthyreose oder Kinder mit angeborenen Erkrankungen (adrenogenitales Syndrom Trisomie 21 Beckwith-Wiedemann-Syndrom) Bei einem Haumlmatokrit von gt65 steigt die Blutviskositaumlt exponenziell an

kKlinikDie klinische Symptomatik ist auszligerordentlich vielfaumlltig und reflek-tiert die Mikrozirkulationsstoumlrungen und manifesten Durchblu-tungsstoumlrungen der betroffenen Organsysteme Die Neugebore-nen fallen haumlufig durch ihr plethorisches oder auch blass-graues Hautkolorit und eine Belastungszyanose auf Daneben finden sich Hyperexzitabilitaumlt Myoklonien Hypotonie Lethargie und zerebrale Krampfanfaumllle Bei einigen Kindern steht die kardiopulmonale so-wie renale Symptomatik im Vordergrund Atemnotsyndrom per-sistierende pulmonale Hypertonie mit PFC-Syndrom Herzinsuffi-zienz Oligurie Haumlmaturie und Nierenversagen Die Neugeborenen koumlnnen foudroyante Verlaufsformen einer nekrotisierenden Ente-rokolitis sowie einen Ileus entwickeln Daneben treten zum Teil gra-vierende Thrombozytopenien Hypoglykaumlmien Hypokalzaumlmien und ausgepraumlgte Hyperbilirubinaumlmien auf

kTherapieBeim Auftreten erster Symptome muss unverzuumlglich eine partielle modifizierte Austauschtransfusion durchgefuumlhrt werden Zur Sen-kung des Hkt auf 55 wird kindliches Blut gegen Plasma oder eine Albuminloumlsung simultan ausgetauscht (Haumlmodilution)

785 Icterus neonatorum und Hyperbilirubinaumlmie

Bilirubinstoffwechsel Durch den Abbau von Haumlmoglobin ( Bili-verdin) im retikuloendothelialen System entsteht wasser un loumlsliches unkonjugiertes Bilirubin ① Aus 1 g Haumlmoglobin werden ca 35 mg

Abb 744 Schematische Darstellung des Bilirubinstoffwechsels (ER endoplasmatisches Retikulum GK Gallenkapillare Erlaumluterungen s Text)

716978 middot Bluterkrankungen

Bilirubin gebildet Im Blut bindet sich das unkonjugierte Bilirubin an Albumin Man geht davon aus dass Albumin eine primaumlre und sekundaumlre Bindungsstelle mit unterschiedlicher Affinitaumlt fuumlr Biliru-bin besitzt Nach Transport zur Leberzelle dissoziiert das Bilirubin vom Albumin und wird aktiv mit Hilfe der Transportproteine Y und Z (Ligandine) in das Zellinnere geschleust ② Dort erfolgt die Kon-jugation durch die UDP-Glukuronyltransferase ③ das an Uridin- 5ʹ-di-Phosphat-Glukuronsaumlure gekoppelte Bilirubin ist wasserloumls-lich und wird uumlber das biliaumlre System in den Darm ausgeschieden (④ Abb 744)

Besonderheiten beim Neugeborenen Der Bilirubinstoffwechsel des Neugeborenen weist im Vergleich zum Erwachsenen einige Be-sonderheiten auf die die Entstehung des physiologischen Neugebo-renenikterus erklaumlren 4 eine 2- bis 3-fach houmlhere Bilirubinproduktion bedingt durch

die houmlhere Erythrozytenzahl und Haumlmoglobinkonzentration 4 die verkuumlrzte Erythrozytenuumlberlebenszeit (Neugeborene

70ndash90 Tage Erwachsene 120 Tage) 4 die Hydrolyse des in den Darm gelangten glukuronidierten

Bilirubins durch intestinale Glukuronidasen und vermehrte Ruumlckresorption des Bilirubins aus dem Darm (raquoenterohepati-scher Kreislauflaquo)

Dieser Vorgang wird durch eine verzoumlgerte Darmpassage des mekoniumhaltigen Darms und die fehlende intestinale Kolonisation mit Bakterien die Bilirubin in Urobilinogen und Sterkobilinogen umwandeln verstaumlrkt Weiterhin besteht eine relative Defizienz der hepatischen Transportproteine Y und Z sowie der Glukuronyl-transferaseaktivitaumlt Die Bindungskapazitaumlt des Albumins wird nicht nur von der Gesamtkonzentration des Transporteiweiszliges be-stimmt sondern auch von im Blut vorhandenen Faktoren die mit Bilirubin um die Albuminbindungsstellen konkurrieren Zu diesen Substanzen die zu einer Verdraumlngung des Bilirubins aus der Albu-minbindung fuumlhren koumlnnen gehoumlren freie Fettsaumluren Steroid-hormone und Medikamente (Sulfonamide Salizylate u a) eine verminderte Bindungsaffinitaumlt des Albuminmolekuumlls wird bei Azidose beobachtet

786 Physiologischer Ikterus

kKlinikUnter normalen Bedingungen betraumlgt der Bilirubinspiegel im Nabel-schnurblut 1ndash3 mgdl Vor dem Hintergrund der Besonderheiten des Bilirubinstoffwechsels entwickeln mehr als die Haumllfte aller reifen Neugeborenen und nahezu 80 aller Fruumlhgeborenen 2ndash3 Tage nach der Geburt einen physiologischen Ikterus der am 4ndash5 Le-benstag seinen Houmlhepunkt erreicht und dann langsam abklingt Bis zu 7 aller Neugeborenen haben maximale indirekte Bilirubin-spiegel von mehr als 13 mgdl und nahezu 3 von mehr als 15 mgdl Bei diesen Kindern findet man haumlufig eine Reihe von Risikofaktoren ethnische Zugehoumlrigkeit (Chinesen Koreaner Japa-ner) Houmlhe uumlber Meeresspiegel Polyzythaumlmie maumlnnliches Ge-schlecht Muttermilchernaumlhrung starker Gewichtsverlust verzoumlger-te Stuhlentleerung u a Der Ikterus faumlllt in der Regel bei Bilirubin-konzentrationen von 5 mgdl zuerst im Gesicht auf und breitet sich dann kaudal aus die Kinder sind nicht beeintraumlchtigt Bei Fruumlhge-borenen kann der Ikterus ausgepraumlgter sein das Maximum des Bilirubinanstieges tritt spaumlter auf und der Ikterus haumllt laumlnger an Viele Neugeborene erreichen nach ca 14 Tagen mit Erwachsenen vergleichbare Serumbilirubinspiegel

kTherapieDie meisten Neugeborenen mit physiologischem Ikterus beduumlrfen keiner speziellen Behandlung Eine Phototherapie ist nur bei Uumlber-schreiten eines festgelegten Grenzwertes indiziert

Phototherapie Durch sichtbares Licht (Wellenlaumlnge 425ndash475 nm) wird das in der Haut vorhandene Bilirubin zu nichttoxischen Biliru-binisomeren umgeformt diese wasserloumlslichen Substanzen koumlnnen ohne Glukuronidierung mit der Galle und dem Urin ausgeschieden werden Eine optimale Isomerisierung des Bilirubins findet im Be-reich des normalen Adsorptionsspektrums statt blaues Licht mit einer Wellenlaumlnge von 445 nm ist daher besonders zur Behandlung der Hyperbilirubinaumlmie geeignet Bei reifen Neugeborenen mit phy-siologischem Ikterus ohne weitere Risikofaktoren sollte eine Photo-therapie nach dem 3 Lebenstag erst bei Bilirubinserumspiegeln von gt16 mgdl begonnen werden Neuere deutschsprachige Richt-linien setzen die Behandlungsgrenze in dieser Patientengruppe bei 18 mgdl an

Durch kritiklose Anwendung von speziell fuumlr haumlmolytische Er-krankungen erstellte Therapieschemata werden zu viele Neugebore-ne ohne klare Indikationsstellung einer Phototherapie unterzogen Nebenwirkungen dieser Therapie sind Diarrhouml vermehrter Fluumlssig-keitsverlust Temperaturinstabilitaumlt und Dehydratation

Durch das blaue Licht der Phototherapielampe ist die Hautfarbe des Neugeborenen nicht mehr zu beurteilen bedrohliche klinische Veraumlnderungen und Erkrankungen (u a neonatale Infektion) wer-den moumlglicherweise trotz einer Monitoruumlberwachung zu spaumlt er-kannt Die Neugeborenen muumlssen daher regelmaumlszligig klinisch unter-sucht werden ( Abb 745)

CaveDie zum Schutz von potenziellen Retinaschaumlden zu applizierenden Schutzbrillen koumlnnen zur Verlegung der Nasenwege fuumlhren

787 Muttermilchikterus

kAumltiologieEin laumlnger bekanntes Phaumlnomen ist der deutliche Anstieg des un-konjugierten indirekten Bilirubins unter Muttermilchernaumlhrung Obwohl die exakte Ursache dieser Ikterusform bis heute nicht ge-klaumlrt ist wird vermutet dass entweder Pregnandiol oder nicht ver-

Abb 745 Neugeborenes mit Hyperbilirubinaumlmie waumlhrend einer Photo-therapie mit blauem Licht

Kapitel 7 middot Neonatologie170

7

esterte langkettige Fettsaumluren die konjugierende Aktivitaumlt der hepa-tischen Glukuronyltransferase kompetitiv hemmen Erst vor Kur-zem wurde eine erhoumlhte Aktivitaumlt von β-Glukuronidase in der Mut-termilch nachgewiesen ein erhoumlhtes enterohepatisches raquoRecyclinglaquo koumlnnte ebenfalls die erhoumlhten Bilirubinkonzentrationen erklaumlren

kVerlauf TherapieMit Muttermilch ernaumlhrte Neugeborene haben im Vergleich zu mit Formula ernaumlhrten Kindern haumlufiger houmlhere Bilirubinspiegel thera-peutische Konsequenzen ergeben sich bei den meisten Neugebore-nen nicht Allerdings entwickelt 1 von 200 mit Muttermilch ernaumlhr-ten Neugeborenen zwischen dem 4ndash7 Lebenstag einen deutlichen Anstieg der Bilirubinkonzentration das Maximum wurde bei eini-gen Neugeborenen erst in der 3 Lebenswoche erreicht Nur wenige Neugeborene mit Muttermilchikterus sind mit Phototherapie zu behandeln ein Unterbrechen des Stillens ist in der Regel nicht ange-zeigt

788 Ikterus bei Fruumlhgeborenen

kAumltiopathogeneseEine Reihe von Beobachtungen deuten darauf hin dass sehr kranke kleine Fruumlhgeborene besonders gefaumlhrdet sind eine Bilirubinenze-phalopathie zu entwickeln Die Albuminkonzentrationen sind im Vergleich zu reifen Neugeborenen haumlufig deutlich erniedrigt ver-schiedene Faktoren wie Azidose erhoumlhte Freisetzung von Fettsaumluren waumlhrend einer Hypothermie und Hypoglykaumlmie interferieren mit der Bilirubin-Albumin-Bindung Im Rahmen verschiedener Grund-erkrankungen Fruumlhgeborener kann eine erhoumlhte Permeabilitaumlt der Hirngefaumlszlige zu einem vermehrten Uumlbertritt des Bilirubins in das Hirngewebe fuumlhren Langsamer intestinaler Transport und Nah-rungsaufbau sowie verzoumlgerter Mekoniumabgang koumlnnen zu einem Bilirubinanstieg beitragen

kTherapieEine Phototherapie muss bei Fruumlhgeborenen bereits bei niedrigeren Bilirubinspiegeln als bei Neugeborenen eingeleitet werden Die differenzierten Indikationen sind in den Lehrbuumlchern der Neonato-logie dargestellt

789 Pathologische Hyperbilirubinaumlmie

kAumltiopathogeneseNeben Erkrankungen die mit einer gesteigerten Haumlmolyse ein-hergehen koumlnnen pathologische Erhoumlhungen des indirekten Biliru-bins bei angeborenen Defekten der Glukuronidierung bei erhoumlhtem Bilirubinanfall durch vermehrten Erythrozytenabbau sowie durch eine vermehrte enterale Ruumlckresorption von Bilirubin erfolgen

Aumltiologie der indirekten Hyperbilirubinaumlmie (Erhoumlhung des unkonjugierten Bilirubins)

4 Gesteigerte Haumlmolyse ndash Blutgruppeninkompatibilitaumlt

ndash Rh AB0 Kell Duffy u a ndash Neonatale Infektionen

ndash Bakteriell ndash Viral

ndash Genetisch bedingte haumlmolytische Anaumlmien ndash Enzymdefekte Glukose-6-Phosphatdehydrogenase

Pyruvatkinase ndash Membrandefekte Sphaumlrozytose u a ndash Haumlmoglobinopathien (homozygote a-Thalassaumlmie)

4 Keine Haumlmolyse ndash Verminderte Bilirubinkonjugation

ndash Physiologischer Ikterus ndash Muttermilchikterus ndash Kinder diabetischer Muumltter ndash Crigler-Najjar-Syndrom (genetisch bedingter

Glukuronyltransferasemangel) ndash Gilbert-Meulengracht-Syndrom (verminderte Bilirubin-

aufnahme in Leberzelle) ndash Hypothyreose ndash Medikamente (Pregnandiol)

ndash Vermehrter Bilirubinanfall ndash Polyzythaumlmie ndash Organblutungen Haumlmatome

ndash Vermehrte enterale Ruumlckresorption von Bilirubin ndash Intestinale Obstruktion ndash Unzureichende Ernaumlhrung (verminderte Peristaltik)

7810 Morbus haemolyticus neonatorum

kAllgemeine AumltiopathogeneseDie haumlufigsten Ursachen fuumlr einen Morbus haemolyticus neonato-rum sind Blutgruppenunvertraumlglichkeiten zwischen Mutter und Fetus die Rhesus-Inkompatibilitaumlt (Rh) die AB0-Erythroblastose und seltene Unvertraumlglichkeiten gegen andere erythrozytaumlre Antige-ne (Kell Duffy u a) Durch Uumlbertritt von fetalen inkompatiblen Erythrozyten waumlhrend der Schwangerschaft oder vorherige Transfu-sion mit nicht blutgruppengleichen Erythrozyten (Sensibilisierung) reagiert das muumltterliche Immunsystem mit der Bildung spezifischer IgG-Antikoumlrper Diese Immunglobuline sind plazentagaumlngig und binden sich nach Uumlbertritt auf das Kind an spezifische Antigen-strukturen fetaler Erythrozyten Die Folge ist ein vorzeitiger und vermehrter Abbau der fetalen Erythrozyten der Fetus beantwortet diese In-utero-Haumlmolyse mit einer Steigerung vorwiegend der extramedullaumlren Blutbildung (Leber Milz) es gelangen unreife Erythrozyten (Erythroblasten) in die kindliche Blutbahn Das durch die gesteigerte Haumlmolyse anfallende indirekte Bilirubin wird uumlber die Plazenta transportiert und vom hepatischen Enzymsystem der Mutter glukuronidiert und biliaumlr ausgeschieden selbst bei schwerer fetaler Haumlmolyse sind die kindlichen Bilirubinkonzentrationen int-rauterin kaum erhoumlht

7811 Kernikterus Bilirubinenzephalopathie

kAumltiologieUnkonjugiertes nicht an Albumin gebundenes Bilirubin kann auf-grund seiner lipophilen Eigenschaften leicht in das zentrale Nerven-system eindringen Es inhibiert den neuronalen Metabolismus (eine Hemmung der oxidativen Phosphorylierung) und hinterlaumlsst eine irreversible Schaumldigung im Bereich der Basalganglien des Globus pallidus des Nucleus caudatus (Kernikterus) des Hypothalamus einiger Kerngebiete von Hirnnerven und auch der Groszlighirnrinde ( Abb 746) Bei einer erhoumlhten Permeabilitaumlt der Blut-Hirn-

6

717178 middot Bluterkrankungen

Schranke (schwere Anaumlmie Hypoxie Hydrops) kann auch an Albu-min gebundenes Bilirubin in das Hirngewebe uumlbertreten

kPathogeneseDie Entstehung einer Bilirubinenzephalopathie wird von folgenden Faktoren beeinflusst Lebensalter und Reifegrad der Kinder Uumlber-schreiten der Albuminbindungskapazitaumlt durch zu hohe Bilirubin-spiegel Verminderung der Bindungskapazitaumlt bei Hypalbuminaumlmie Verdraumlngung des Bilirubins durch Gallensaumluren freie Fettsaumluren (Hypoglykaumlmie) oder Medikamente und Veraumlnderungen bzw Schaumldigung der Blut-Hirn-Schranke nach Asphyxie Hypoxie neo-nataler Meningitis und anderen Erkrankungen

kKlinikDie Fruumlhsymptome der Bilirubinenzephalopathie sind Apathie Hypotonie Trinkschwaumlche Erbrechen abgeschwaumlchte Neugebore-nenreflexe und schrilles Schreien Danach fallen die Neugeborenen durch eine vorgewoumllbte Fontanelle eine opisthotone Koumlrperhaltung muskulaumlre Hypertonie und zerebrale Krampfanfaumllle auf Uumlberleben-de Kinder weisen haumlufig eine beidseitige Taubheit choreoathetoi-de Bewegungsmuster sowie eine mentale Retardierung auf

kTherapieKeine therapeutische Maszlignahme kann diese irreversible Schaumldi-gung ruumlckgaumlngig machen In der heutigen Zeit sollte diese vermeid-bare Komplikation nicht mehr auftreten Gerade in den westlichen Industrienationen wird aber inzwischen eine zunehmende Anzahl von Kindern beobachtet die an den Folgen einer Bilirubinenzapha-lopathie leiden Ziel aller in der Peri- und Neonatalmedizin taumltigen Aumlrzte Hebammen und Kinderkrankenschwestern muss es sein die Fruumlh- und Neugeborenen mit einem erhoumlhten Risiko fuumlr eine Hy-perbilirubinaumlmie fruumlhzeitig zu identifizieren und einer adaumlquaten Therapie zuzufuumlhren

7812 AB0-Erythroblastose

kEpidemiologieMit einer AB0-Unvertraumlglichkeit ist bei ca 1 von 200 Neugeborenen zu rechnen

kPathogeneseIm Gegensatz zur Rh-Inkompatibilitaumlt tritt die AB0-Erythroblastose haumlufig in der ersten Schwangerschaft auf Muumltter mit der Blutgrup-pe 0 haben natuumlrlich vorkommende Anti-A- und Anti-B-Antikoumlr-per (Isoagglutinine) die zur Gruppe der IgM-Antikoumlrper gehoumlren und deshalb nicht die Plazenta passieren Dennoch bilden einige Schwangere plazentagaumlngige IgG-Antikoumlrper die gegen die kindli-che Blutgruppeneigenschaft A B oder AB gerichtet sind Die muumlt-terliche IgG-Antikoumlrperbildung kann vermutlich durch exogene Ursachen wie z B Darmparasiten stimuliert werden Als weitere Ursache wird der Uumlbertritt kindlicher Erythrozyten in die muumltterli-che Zirkulation vermutet da die Antigenitaumlt der kindlichen Blut-gruppeneigenschaften erst gegen Ende der Schwangerschaft voll ausgebildet ist erklaumlrt sich der im Vergleich zur Rh-Inkompatibilitaumlt milde Verlauf der haumlmolytischen Erkrankung beim ersten Neugebo-renen sowie die Tatsache dass Fruumlhgeborene nur extrem selten an einer AB0-Inkompatibilitaumlt erkranken Der Schweregrad der haumlmo-lytischen Erkrankung Neugeborener nimmt bei nachfolgenden Schwangerschaften in der Regel nicht zu Der Grund liegt vermutlich in einer Suppression der IgG-Antikoumlrperbildung durch die natuumlrlich vorkommenden IgM-Anti-A- oder Anti-B-Antikoumlrper

kKlinikDie Neugeborenen weisen meistens nur eine geringgradige Anaumlmie auf es besteht nur selten eine Hepatosplenomegalie die Kinder entwickeln keinen Hydrops Im peripheren Blut finden sich neben Retikulozyten und Erythroblasten als Ausdruck der gesteigerten Erythropoese Sphaumlrozyten die infolge der komplementvermittelten Haumlmolyse durch Fragmentation entstehen Erkrankte Neugeborene sind lediglich durch die Hyperbilirubinaumlmie und das damit verbun-dene Risiko einer Bilirubinenzephalopathie gefaumlhrdet

kDiagnoseDie wesentlichen diagnostischen Merkmale der AB0-Inkompatibi-litaumlt im Vergleich zur Rh-Inkompatibilitaumlt sind in der Tab 711 zusammengefasst

kTherapieDurch eine rechtzeitig begonnene und konsequent durchgefuumlhrte Phototherapie koumlnnen bei den meisten Kindern kritische Bilirubin-serumkonzentrationen vermieden werden Eine Austauschtrans-fusion ist nur extrem selten durchzufuumlhren Durch zirkulierende Antikoumlrper kann sich in den ersten Lebenswochen eine in der Regel blande verlaufende Anaumlmie entwickeln

7813 Rh-Erythroblastose

kEpidemiologieUngefaumlhr 15 der europaumlischen Bevoumllkerung sind Rh-negativ ca 5 der amerikanischen schwarzen Bevoumllkerung Vor Einfuumlhrung der Anti-D-Prophylaxe betrug die Praumlvalenz der Rh-Inkompatibili-taumlt 45 erkrankte Kinder pro 10000 Lebendgeborene Die Erkran-kungshaumlufigkeit konnte um weit mehr als 90 reduziert werden

kAumltiopathogeneseDas erythrozytaumlre Rhesusantigensystem besteht aus 5 Antigenen C D E c und e d hat keine antigenen Eigenschaften Bei ca 90 der Faumllle von Rhesusinkompatibilitaumlt sensibilisiert das D-Antigen des Fetus die Rh(d)-negative Mutter die in der Folge IgG-Antikoumlrper (Anti-D-Antikoumlrper) bildet Da in der Fruumlhschwangerschaft nur

Abb 746 Charakteristische Bilirubinablagerungen in den Stammgang-lien bei Bilirubinenzephalopathie

Kapitel 7 middot Neonatologie172

7

ausnahmsweise kindliche Erythrozyten in den Kreislauf der Mutter gelangen bildet die Mutter keine oder nur geringe Mengen an Anti-D-Antikoumlrpern Das erste Kind bleibt entweder gesund oder entwi-ckelt nur eine haumlmolytische Anaumlmie undoder Hyperbilirubinaumlmie vorausgesetzt dass eine fruumlhere Sensibilisierung durch Aborte oder Bluttransfusionen ausgeschlossen ist Unter der Geburt und bei der Plazentaloumlsung kann eine groumlszligere Menge kindlicher Erythrozyten in die muumltterliche Blutbahn uumlbertreten Die Rh-Erythroblastose bei unterlassener Rh-Prophylaxe manifestiert sich typischerweise waumlh-rend der 2 und weiteren Schwangerschaften mit zunehmendem Schweregrad der fetalen Erkrankung die in einen Hydrops fetalis einmuumlnden kann

kKlinikIn Abhaumlngigkeit vom Schweregrad der Erkrankung bestehen eine mehr oder weniger ausgepraumlgte Anaumlmie ein Icterus praecox (Ge-samtbilirubin gt7 mgdl innerhalb der ersten 24 Lebensstunden) ein Icterus gravis (Gesamtbilirubin gt15 mgdl bei reifen Neugebore-nen) und als Ausdruck der extramedullaumlren Blutbildung eine Hepa-tosplenomegalie Als Zeichen der gesteigerten Haumlmatopoese sind Erythroblasten und Retikulozyten im peripheren Blut in groszliger Zahl nachweisbar

Hydrops fetalis Bei schwerer fetaler Anaumlmie (Haumlmoglobin lt8 gdl) koumlnnen sich eine intrauterine Hypoxie und Hypoproteinaumlmie infol-ge einer verminderten Albuminsynthese entwickeln Veraumlnderun-gen der Zellpermeabilitaumlt und Verminderungen des onkotischen Drucks fuumlhren zu generalisierten Oumldemen Houmlhlenerguumlssen (Aszi-tes Pleuraerguss Perikarderguss) Hypervolaumlmie und Herzinsuffizi-enz ( Abb 747) Beim generalisierten Hydrops kann bereits ein intrauteriner Fruchttod oder eine irreparable zerebrale Schaumldigung auftreten

kDiagnoseIm Rahmen der Schwangerschaftsvorsorge wird bei allen Frauen im Verlauf der Schwangerschaft nach irregulaumlren Antikoumlrpern gesucht um Inkompatibilitaumlten in Rh- Duffy- Kell- oder anderen Blut-gruppensystemen zu erkennen Mit dem indirekten Coombs-Test werden plazentagaumlngige IgG-Antikoumlrper nachgewiesen Bei vorhan-denen Antikoumlrpern ist eine engmaschige fetale Ultraschalldiag-nostik imperativ Da keine Korrelation zwischen der Houmlhe vorhan-

dener Antikoumlrper und dem Schweregrad der moumlglichen kindlichen Erkrankung besteht ist bei vorhandenen Antikoumlrpern eine sequen-zielle Bestimmung der fetalen zerebralen Durchblutung indiziert Die dopplersonographische Messung der Flussgeschwindigkeit kor-reliert mit dem Grad der Anaumlmisierung Nur noch selten wird eine Fruchtwasseruntersuchung (Amniozentese) zur Bilirubinbestim-mung durchgefuumlhrt Das Ausmaszlig der Haumlmolyse laumlsst sich durch spektrophotometrische Analyse der optischen Dichte (450 nm) des Fruchtwassers ablesen (Liley-Diagramm) Durch Zuordnung in 3 Gefahrenzonen kann der kindliche Zustand beurteilt und ent-sprechende therapeutische Konsequenzen eingeleitet werden

Nach der Geburt sind beim Neugeborenen unverzuumlglich folgen-de Bestimmungen durchzufuumlhren 4 Haumlmoglobinkonzentration 4 Serumbilirubinspiegel 4 Blutgruppenbestimmung 4 Coombs-Test 4 Retikulozytenzahl 4 Blutausstrich

Bei Neugeborenen mit Rh-Erythroblastose ist neben den beschrie-benen haumlmatologischen Auffaumllligkeiten immer ein positiver direk-ter Coombs-Test zu finden (Nachweis von inkompletten an kind-liche Erythrozyten gebundene Antikoumlrper) Unmittelbar nach der Geburt kann die Konzentration des indirekten Bilirubins stark an-steigen es sind daher engstmaschige Bilirubinbestimmungen erfor-derlich

Tab 711 Unterschiede zwischen der Rh- und ABO-Inkompatibilitaumlt

Inkompatibilitaumlt

Rh ABO

Erkrankung bei erster Schwangerschaft Selten Haumlufig

Fruumlhzeitige Anaumlmisierung des Kindes ++ +

Hyperbilirubinaumlmie waumlhrend der ersten 24 h post partum

++ +

Erythroblasten +++ +

Sphaumlrozyten plusmn ++

Retikulozyten ++ + bis ++

Direkter Coombs-Test (Kind) +++ ndash bis +

Indirekter Coombs-Test (Mutter) +++ plusmn

Abb 747a b Fruumlhgeborenes der 35 Gestationswoche mit Hydrops fetalis bei Erythroblastosis fetalis Uumlbersicht (a) deutliche Oumldeme der linken unteren Extremitaumlt (b) Neben generalisierten Oumldemen wies das Fruumlhge-borene einen ausgepraumlgten Aszites sowie beidseitige Pleuraerguumlsse auf

a

b

717378 middot Bluterkrankungen

kTherapieIntrauterine Therapie des Feten Bei ausgepraumlgter fetaler Anaumlmie ist eine intrauterine Transfusion in die kindliche Bauchhoumlhle oder neuerdings durch Kordozentese in die Nabelvene erforderlich bei ersten Zeichen eines Hydrops fetalis ist eine vorzeitige Beendigung der Schwangerschaft durch Sectio caesarea notwendig

Phototherapie Bei leichten Verlaumlufen (einer Rh-Inkompatibilitaumlt) kann eine Phototherapie unter Umstaumlnden in 2 Ebenen zur Behand-lung der Hyperbilirubinaumlmie ausreichen Die Indikation fuumlr den Beginn einer Phototherapie haumlngt vom Gestationsalter Lebensalter Houmlhe der Bilirubinkonzentration Dynamik des Bilirubinanstieges von dem Ausmaszlig der Anaumlmie und anderen Risikofaktoren ab

Austauschtransfusion Zur Vermeidung der Bilirubinenzephalopa-thie wird nach wie vor eine Austauschtransfusion reifer Neugebo-rener bei Bilirubinserumkonzentrationen gt20 mgdl empfohlen bei schweren Grunderkrankungen (Asphyxie neonatale Sepsis haumlmo-lytische Anaumlmie u a) sowie einer Hyperbilirubinaumlmie in den ersten 3 Lebenstagen liegt die Austauschgrenze in dieser Gruppe niedriger Fuumlr Fruumlhgeborene gelten besondere Austauschgrenzen (Fruumlhge-borene mit einem Gewicht von gt1500 g gt15 mgdl Fruumlhgeborene gt1000 g gt10 mgdl) Der Blutaustausch erfolgt mit kompatiblem Spendervollblut in 5ndash20-ml-Portionen uumlber einen liegenden Nabel-venenkatheter durch diese Maszlignahme wird das 2- bis 3fache Blut-volumen eines Neugeborenen ausgetauscht d h ca 90 der kind-lichen Erythrozyten werden neben muumltterlichen Antikoumlrpern und verfuumlgbarem Bilirubin eliminiert Als Komplikationen der Blut-austauschtransfusion koumlnnen Infektionen (u a Sepsis) Katheter-perforation Pfortaderthrombose Hypotension Azidose nekrotisie-rende Enterokolitis und Elektrolytentgleisungen auftreten Nach ei-nem Blutaustausch besteht haumlufig eine Anaumlmie und Thrombozyto-penie durch eine zusaumltzliche kontinuierlich durchgefuumlhrte Phototherapie kann die Zahl von mehrfachen Austauschtransfusio-nen gesenkt werden

kPraumlventionDurch Gabe eines Anti-D-Immunglobulins innerhalb von 72 h nach der Geburt kann die Sensibilisierung einer Rh-negativen Mutter durch die Rh-positiven fetalen Erythrozyten haumlufig vermieden wer-den Die Anti-D-Prophylaxe muss bei Rh-negativen Frauen auch nach Aborten Amniozentesen oder unsachgemaumlszliger Transfusion mit Rh-positivem Blut durchgefuumlhrt werden

gt In der ersten Schwangerschaft kann eine maternale Im-munglobulinprophylaxe in der 28 Gestationswoche und unmittelbar postnatal die Sensibilisierung auf weniger als 1 reduzieren

Nach bisherigen Kenntnissen scheint die im letzten Trimenon durchgefuumlhrte Anti-D-Prophylaxe beim Neugeborenen keine kli-nisch signifikante Haumlmolyse auszuloumlsen

kPrognoseTrotz adaumlquater Initialbehandlung entwickeln die Kinder aufgrund der noch vorhandenen Anti-D-Antikoumlrper haumlufig eine uumlber mehrere Wochen anhaltende Spaumltanaumlmie Bei erhoumlhten Retikulozytenzahlen und asymptomatischem Kind ist keine weitere Therapie notwendig Stellen sich eine persistierende Tachykardie sowie andere Zeichen der chronischen Anaumlmie ein so ist eine weitere Transfusion in-diziert Selten wird eine Pfortaderthrombose nach Austauschtrans-fusion beobachtet diese schwerwiegende Komplikation ist thera-peutisch nicht zu beeinflussen

7814 Weitere haumlmolytische Erkrankungen

Blutgruppenunvertraumlglichkeiten gegen andere Erythrozytenanti-gene [c E Kell (K) Duffy u a] sind fuumlr weniger als 5 aller haumlmo-lytischen Erkrankungen der Neonatalperiode verantwortlich Der direkte Coombs-Test ist bei diesen Unvertraumlglichkeiten immer posi-tiv Kongenitale Infektionen mit verschiedenen Erregern sowie neo-natale Infektionen koumlnnen eine nichtimmunologische Haumlmolyse induzieren Die homozygote α-Thalassaumlmie kann sich ebenfalls un-ter dem Bild einer schweren haumlmolytischen Anaumlmie mit Hydrops fetalis praumlsentieren auch bei dieser und den folgenden Erkrankun-gen ist der direkte Coombs-Test negativ Haumlmolytische Anaumlmie und ausgepraumlgte Hyperbilirubinaumlmie mit Gefahr der Bilirubinenzepha-lopathie werden bei Neugeborenen mit hereditaumlrer Sphaumlrozytose oder angeborenen Enzymdefekten wie dem Pyruvatkinase- oder Glukose-6-Phosphatdehydrogenasemangel beobachtet

7815 Direkte Hyperbilirubinaumlmie

Eine direkte Hyperbilirubinaumlmie (direktes konjugiertes Bilirubin gt2 mgdl) wird bei einer Reihe angeborener und erworbener hepa-tischer sowie extrahepatischer Erkrankungen gefunden Groumlszligere Schwierigkeiten bereitet es die extrahepatische Gallengangsatresie von der neonatalen Hepatitis abzugrenzen Bei einigen Kindern konn-te inzwischen belegt werden dass eine Hepatitis der Entwicklung einer Gallengangsatresie vorausging Eine nicht unerhebliche Anzahl Neu-geborener mit prolongierter direkter Hyperbilirubinaumlmie hat als Grund erkrankung einen α1-Antitrypsinmangel (α1-Proteinase-In-hibitor) Ebenso wird ein cholestatischer passagerer Ikterus haumlufig bei Fruumlh- und Neugeborenen beobachtet die eine langzeitige parenterale Ernaumlhrung erhalten Als Ursache wird weniger die Infusion mit Lipi-den als die Gabe bestimmter Aminosaumluren vermutet

Aumltiologie der direkten Hyperbilirubinaumlmie (Erhoumlhung des konjugierten Bilirubins)

4 Intrahepatische Cholestase ndash Neonatale Hepatitis (B) ndash Perinatale Infektionen (CMV u a) ndash Syndrom der eingedickten Galle ndash Parenterale Ernaumlhrung ndash α1-Antitrypsinmangel (= α1-Proteinasemangel) ndash Galaktosaumlmie Tyrosinose ndash Intrahepatische Gallengangshypoplasie (Alagille-

Syndrom) 4 Extrahepatische Cholestase

ndash Gallengangsatresie ndash Choledochuszyste ndash Zystische Fibrose (Mukoviszidose)

7816 Weiszliges Blutbild Neugeborener

Die peripheren Gesamtleukozytenzahlen sowie die Verteilung der einzelnen Leukozytensubpopulationen unterscheiden sich waumlhrend der Neonatalperiode deutlich von denen spaumlterer Lebensalter Im Zusammenhang mit dem Geburtsvorgang werden physiologischer-weise die Knochenmarksreserven der Fruumlh- und Neugeborenen mobilisiert d h die Zahl unreifer und reifer Granulozyten steigt in der Peripherie an Das Maximum der Granulozytose ist 12 h post

Kapitel 7 middot Neonatologie174

7partum erreicht im Verlauf der ersten 3 Lebenstage faumlllt die Zellzahl kontinuierlich ab Eine stabile obere Normgrenze findet sich vom 5 Lebenstag an In Abb 748 sind die Gesamtzahl der neutrophilen Granulozyten und der unreifen Granulozyten (Stabkernige und ju-gendliche Formen) waumlhrend der Neonatalperiode dargestellt

Erniedrigte Gesamtzahlen der neutrophilen Granulozyten werden nach muumltterlicher Hypertonie EPH-Gestose und viralen konnatalen Infektionen beobachtet sie sind moumlglicherweise Aus-druck einer verminderten Bildung von Granulozyten im kindlichen Knochenmark Daneben tritt eine Neutrozytopenie haumlufig bei Neu-geborenen mit neonataler Sepsis auf im Verlauf der Erkrankung werden uumlberwiegend periphere neutrophile Granulozyten ver-braucht die Knochenmarkreserven sind durch die geburtsbedingte Mobilisierung der Granulozyten erschoumlpft

Nach Regeneration der Knochenmarksreserven entwickeln Neugeborene die nach dem 3 Lebenstag an einer Sepsis erkranken haumlufig eine Granulozytose In der Regenerationsphase einer neona-talen Infektion kann gelegentlich eine leukaumlmoide Reaktion be o-bachtet werden

7817 Neonatale Thrombozytopenie

kAumltiologieDie wesentlichen maternalen und kindlichen Ursachen und Erkran-kungen die eine neonatale Thrombozytopenie (lt150000 Thrombo-zytenμl) ausloumlsen koumlnnen sind in Tab 712 dargestellt

Maternale Ursachen Im Rahmen einer aktiven idiopatisch throm-bozytopenischen Purpura (ITP) oder eines Lupus erythematodes koumlnnen die maternalen Autoantikoumlrper durch diaplazentaren Uumlber-tritt beim Neugeborenen eine Immunthrombozytopenie induzie-ren Bei Muumlttern die sich gegen Medikamente sensibilisiert haben wurde nach Anlagerung des Antigen(Medikament)-Antikoumlrper-Komplexes an fetale Blutplaumlttchen von der Entwicklung einer Thrombozytopenie berichtet

Kindliche Ursachen Unter den kindlichen Ursachen ist das Wiskott-Aldrich-Syndrom hervorzuheben Aufgrund eines intrinsi-schen Thrombozytendefekts ist die Uumlberlebenszeit der Blutplaumlttchen deutlich vermindert Die Thrombozyten sind bei dieser Erkrankung deutlich kleiner als bei allen anderen Formen der neonatalen Throm-bozytopenie Mithilfe moderner haumlmatologischer Analysegeraumlte soll-te die Diagnose dieser komplexen Immundefizienzerkrankung noch vor Auftreten der typischen Manifestationszeichen gestellt werden

7818 Neonatale Alloimmunthrombozytopenie

kDefinitionBei der neonatalen Alloimmunthrombozytopenie handelt es sich um eine fetomaternale Thrombozyteninkompatibilitaumlt

kPathogeneseKindliche Thrombozyten die spezifische inkompatible Antigene tragen und im Verlauf der Schwangerschaft in den muumltterlichen Blutkreislauf gelangen koumlnnen bei den Muumlttern eine humorale Im-munantwort gegen das fremde Plaumlttchenantigen ausloumlsen die ma-ternalen Thrombozyten weisen dieses Antigenmerkmal nicht auf In der Folge treten die im muumltterlichen Organismus gebildeten IgG-Iso-Antikoumlrper diaplazentar auf das Kind uumlber binden an die kindlichen Thrombozyten und fuumlhren zu einem beschleunigten Abbau der Blutplaumlttchen Die maternalen Thrombozytenzahlen sind normal

kEpidemiologieDie Inzidenz der Alloimmunthrombozytopenie wird mit 12ndash3000 Neugeborenen angegeben Verantwortlich fuumlr die muumltter-liche Sensibilisierung ist in mehr als 75 der Faumllle das plaumlttchenspe-zifische Antigen PLA1 das bereits in der 19 Schwangerschaftswoche von den fetalen Thrombozyten exprimiert wird 98 der Bevoumllke-rung besitzen PLA1-positive Thrombozyten Weitere Plaumlttchenanti-gene fuumlr die Sensibilisierungen beschrieben wurden sind PLA2 PLE1 PLE2 u a Bis zu 15 der betroffenen Neugeborenen koumlnnen an den Folgen einer zu spaumlt erkannten Alloimmunthrombozytope-nie versterben Bei komplikationslosen Verlaumlufen limitiert sich die Krankheit innerhalb der ersten 4ndash6 Lebenswochen durch Elimina-tion der zirkulierenden Antikoumlrper in der Regel von selbst Eine Sen-sibilisierung mit Entwicklung der Thrombozyteninkompatibilitaumlt tritt im Verlauf der 1 Schwangerschaft bei ca 50 der Risikokons-tellationen auf das Wiederholungsrisiko steigt bei weiteren Schwan-gerschaften auf 85 an

kKlinikKlinisch symptomatische Neugeborene mit Alloimmunothrombo-zytopenie fallen durch Petechien Purpura und gelegentlich Schleimhautblutungen auf Neben renalen und gastrointestinalen Blutungen ist die gefuumlrchtete Komplikation eine innerhalb der ersten

Tab 712 Ursachen der neonatalen Thrombozytopenie

Muumltterliche Ursachen Kindliche Ursachen

Idiopathisch thrombozyto-penische Purpura der MutterLupus erythematodes der MutterMedikamente waumlhrend der SchwangerschaftThrombozyten-Inkompatibi-litaumlt Alloimmunthrombozy-topenie

Konnatale Infektionen Toxoplas-mose Roumlteln Zytomegalie Herpes simplex LuesNeonatale Infektionen Sepsis neonatorumDisseminierte intravaskulaumlre Gerinnungsstoumlrung nach Asphyxie Schock etcNekrotisierende EnterokolitisAustauschtransfusionSelten aplastische Anaumlmie kongeni-tale Leukaumlmie Wiskott-Aldrich-Syndrom Riesenhaumlmangiom u aRetardierungPolyzythaumlmie

Abb 748 Gesamtzahl der neutrophilen Granulozyten gesunder Neuge-borener im Verlauf der ersten 28 Lebenstage

717579 middot Nekrotisierende Enterokolitis

Lebenstage auftretende Hirnblutung Einige Neugeborene sind auch bei ausgepraumlgten Thrombozytopenien symptomfrei

kDiagnoseDie Diagnose wird durch Nachweis spezifischer Thrombozyten-merkmale und Antikoumlrpernachweis bei Mutter und Kind gestellt

kTherapieBei Thrombozytenzahlen lt50000μl oder klinischen Blutungs-zeichen ist eine sofortige Transfusion eines kompatiblen Thrombo-zytenkonzentrats angezeigt Ein Problem stellt jedoch die Selektion geeigneter Thrombozytenspender dar da 98 der Bevoumllkerung PLA1-positive Thrombozyten besitzen und somit als Spender aus-scheiden Eine Thrombozytentypisierung potenzieller Spender ist nur in wenigen Blutbanken vorhanden

gt Als idealer Spender kompatibler Thrombozyten kommt daher nur die Mutter in Frage Das Verfahren der Thrombo-zytenisolierung durch Zellseparation wird auch unmittel-bar nach der Geburt von den Muumlttern gut toleriert

Einige Neugeborene sprechen auch auf eine hochdosierte intra-venoumlse Immunglobulintherapie an

Bei erneuter Schwangerschaft einer sensibilisierten Mutter be-steht ein hohes Risiko fuumlr das Kind an einer Alloimmunthrombozy-topenie zu erkranken Der durch Nabelschnurpunktion erfolgte Nachweis einer fetalen Thrombozytopenie kann eine repetitive In-utero-Transfusion von kompatiblen Thrombozyten erfordern Der therapeutische Effekt einer hochdosierten muumltterlichen Thera-pie mit Gammaglobulinpraumlparaten ist aufgrund der unzureichenden Datenlage noch nicht zu beurteilen

7819 Koagulopathien

In der Neonatalperiode werden nicht selten Stoumlrungen der plasma-tischen Blutgerinnung beobachtet sie koumlnnen Ausdruck einer an-geborenen Defizienz an Gerinnungsfaktoren (s Haumlmophilie u a) eines Vitamin-K-Mangels oder einer disseminierten intravasalen Gerinnungsstoumlrung (DIC raquodisseminated intravascular coagulati-onlaquo) sein Neugeborene haben erniedrigte Plasmakonzentrationen nahezu aller Gerinnungsfaktoren besonders die Synthese der vita-min-K-abhaumlngigen Faktoren II VII IX und X ist gestoumlrt Es gibt keinen diaplazentaren Uumlbertritt von Gerinnungsfaktoren

7820 Morbus haemorrhagicus neonatorum (Vitamin-K-Mangel)

kDefinitionDer Morbus haemorrhagicus neonatorum ist eine durch einen Vita-min-K-Mangel ausgeloumlste potenziell lebensbedrohliche Erkrankung die durch praumlventive Vitamin-K-Substitution verhindert werden kann

kEpidemiologieBei ca 1 von 200 Neugeborenen die keine postnatale Vitamin-K-Prophylaxe erhalten haben tritt ein unerwartetes Blutungsereignis innerhalb der ersten Lebenswochen auf

kAumltiologieVitamin K ist fuumlr die hepatische Synthese von Prothrombin Faktor VII IX und X verantwortlich Ein Vitamin-K-Mangel kann sich bei Neugeborenen zu verschiedenen Zeitpunkten manifestieren

Eine am 1 Lebenstag aufgetretene Blutung wird nach muumltter-licher Medikamenteneinnahme beobachtet Phenytoin Phenobar-bital Primidon Salizylate Antikoagulanzien u a beeintraumlchtigen den Vitamin-K-Metabolismus Neugeborener eine muumltterliche Heparinbehandlung dagegen hat keine Auswirkungen auf das kind-liche Gerinnungssystem Die typische Vitamin-K-Mangelblutung des reifen Neugeborenen tritt vom 3ndash7 Lebenstag uumlberwiegend bei mit Muttermilch ernaumlhrten Kindern auf Muttermilch hat nur einen geringen Vitamin-K-Gehalt Bei allen Fruumlh- und Neugeborenen die einer antibiotischen Langzeitbehandlung oder einer parenteralen Ernaumlhrung unterzogen sind koumlnnen sich bei mangelnder Vitamin-K-Substitution im Verlauf der Neonatalperiode bedrohliche Blutun-gen entwickeln Eine Spaumltmanifestation des Vitamin-K-Mangels im Alter von 4ndash12 Wochen kann bei mit Muttermilch ernaumlhrten Saumluglingen besonders aber bei Kindern mit einer Vitamin-K-Malab-sorption auftreten (Mukoviszidose cholestatischer Ikterus u a bei Gallengangsatresie Wachstumshemmung der vitamin-K-produzie-renden intestinalen mikrobiellen Flora durch Antibiotika)

kKlinikEine Vitamin-K-Mangelblutung ist immer dann zu vermuten wenn ein gesund wirkendes Neugeborenes spontane Haumlmorrhagien ent-wickelt Haumlmatemesis gatrointestinale Blutung (Melaena vera) Epi-staxis Nabelschnur- und Hautblutungen intrakranielle Blutung u a

kDifferenzialdiagnoseEine in den ersten Lebenstagen auftretende Haumlmatemesis oder Melaumlna kann auch durch muumltterliches bei der Geburt verschlucktes Blut verursacht sein

gt Mithilfe des Alkaliresistenztests (Apt-Test) kann in kuumlrzester Zeit entschieden werden ob es sich um kind-liches oder muumltterliches Blut handelt

Kindliche Erythrozyten enthalten uumlberwiegend alkaliresistentes Haumlmoglobin F sie werden in einer Loumlsung von 1 Natronlauge nicht denaturiert die Loumlsung bleibt roumltlich gefaumlrbt Die muumltterlichen Haumlmoglobin A enthaltenen Erythrozyten dagegen werden sofort zerstoumlrt die Loumlsung bekommt eine gelblich-braune Farbe

kPraumlvention TherapieBei manifester Vitamin-K-Mangelblutung (Risikopatienten Vita-min-K-Malabsorption) muss unverzuumlglich Vitamin K iv appliziert werden zusaumltzlich kann die Gabe von Frischplasma notwendig sein Houmlhere Dosen von Vitamin K sind bei muumltterlicher Medikamenten-einnahme oder Lebererkrankung des Neugeborenen indiziert Der Verdacht dass intramuskulaumlr injiziertes Vitamin K zu einem er-houmlhten Krebsrisiko bei Kindern fuumlhrt konnte inzwischen eindeutig widerlegt werden

gt Durch routinemaumlszligig prophylaktische Gabe von Vitamin K an alle Neugeborenen unmittelbar post partum sowie am 5 und 28 Lebenstag laumlsst sich ein Morbus haumlmorrhagicus neonatorum vermeiden (jeweils 2 mg Vitamin K oral)

79 Nekrotisierende Enterokolitis

kGrundlagenDie nekrotisierende Enterokolitis (NEC) ist eine akut auftretende inflammatorische Erkrankung des Duumlnn- und Dickdarms welche im Verlauf zu einem septischen Krankheitsbild mit disseminierten Darmnekrosen fuumlhrt Die Ursache ist multifaktoriell Die NEC ist die

Kapitel 7 middot Neonatologie176

7

haumlufigste Ursache gastrointestinaler Notfallsituationen Neugebore-ner vor allem erkranken Fruumlhgeborene mit einem Geburtsgewicht unter 1500 g Neben einzelnen sporadischen Faumlllen wird haumlufig ein gruppenweises Auftreten der Erkrankung beobachtet

kPathogeneseEine Erklaumlrung der Genese der Erkrankung muss folgende Faktoren beruumlcksichtigen 90 der Faumllle treten bei Fruumlhgeborenen auf Fast alle erkrankten Kinder sind oral ernaumlhrt worden Die NEC tritt er-heblich seltener auf bei Ernaumlhrung mit Muttermilch Viele Faumllle tre-ten endemisch auf ohne dass sich oft ein gemeinsamer Erreger iso-lieren laumlsst Es ist somit offensichtlich dass die NEC multifaktoriell verursacht wird Dabei koumlnnen verschiedene pathogenetische Fak-toren identifiziert werden ( Abb 749) 4 Unreife der intestinalen Abwehrmechanismen 4 bakterielle Uumlberwucherung des Darmes 4 orale Ernaumlhrung

Die intestinale Abwehr gegenuumlber pathogenen Erregern ist bei Fruumlhgeborenen beeintraumlchtigt Neben einer verminderten Konzent-ration des sekretorischen IgA auf der Darmschleimhaut finden sich eine geringe Anzahl an intestinalen T-Lymphozyten ein relativ hoher pH-Wert der Magensaumlure und weitere Defizienzen der lokalen Immunitaumlt Die geringe Darmmotilitaumlt beguumlnstigt ebenfalls die Bak-terienadhaumlsion Die herabgesetzte lokale Immunitaumlt ist einer der wesentlichen pathogenetischen Faktoren der NEC

Die bakterielle Besiedlung des Darmes ist ebenfalls von Bedeu-tung In der Tat lassen sich bei einer NEC haumlufig bakterielle Erreger vor allem gramnegative Keime wie Klebsiella Enterobacter- und Pseudomonas-Spezies oder Escherichia coli aus der Peritonealfluumlssig-keit der Blutkultur oder aus dem Stuhl isolieren Aber auch Infektio-nen mit Staphylokkokus epidermidis oder Rotaviren werden bei einer NEC beobachtet Die Pneumatosis als pathognomonisches Symptom entsteht durch intraluminale Ausbreitung der bakteriellen H2-Bildung im Rahmen der Kohlenhydratvergaumlrung des Darminhalts

Die orale Ernaumlhrung ist ein weiterer pathogenetischer Faktor Eine NEC tritt praktisch nur bei oral ernaumlhrten Neugeborenen auf Eine zu rasche Steigerung der Nahrung (gt20 kalkg KGTag) kann bei der bestehenden Immaturitaumlt des Verdauungsapparats zu einer Verbesserung der Wachstumsbedingungen von Bakterien mit nach-folgender bakterieller Uumlberwucherung fuumlhren Bei Fuumltterung mit Frauenmilch kommt eine NEC seltener vor als bei Ernaumlhrung mit einer Kuhmilchpraumlparation Dieses kann daran liegen dass die lokale Schleimhautabwehr sowie die Verdauung der Nahrung durch Frauenmilch guumlnstig beeinflusst wird

kKlinikKinder mit NEC praumlsentieren sich mit folgenden Symptomen 4 geblaumlhtes meist druckschmerzhaftes Abdomen 4 blutige Stuumlhle 4 Erbrechen Nahrungs- oder Sekretruumlckstau im Magen 4 haumlufig lokalisierte Resistenz im Abdomen 4 livide oder roumltlich verfaumlrbte Bauchhaut 4 bei fortschreitender Erkrankung mit diffuser Peritonitis

gesamte Bauchhaut glaumlnzend und oumldematoumls 4 fehlende Darmgeraumlusche

Neben den lokalen Befunden zeigen die Kinder Symptome einer systemischen Infektion 4 Temperaturinstabilitaumlt 4 Apnoen 4 Muskelhypotonie 4 Hypomotorik bis Lethargie 4 Bei schweren Verlaumlufen zusaumltzlich 4 Hypotension 4 Azidose 4 dissiminierte intravasale Gerinnung mit Thrombozytopenie

Die Erkrankung verlaumluft progressiv klinisch hat sich eine Einteilung in 3 Stadien bewaumlhrt ( Tab 713)

Abb 749 Pathogenetische Faktoren bei der Entstehung der nekrotisierenden Enterokolitis

7177710 middot Fetale und neonatale Infektionen

kLabordiagnostikTypische laborchemische Befunde gibt es nicht sie entsprechen der einer Sepsis (Leukozytose oder Leukozytopenie raquoLinksverschie-bunglaquo im Verlauf erhoumlhte Serumkonzentrationen des C-reaktiven Proteins)

kRoumlntgendiagnostikRadiologisch findet sich in den fruumlhen Stadien der Erkrankung eine lokalisierte oder generalisierte Dilatation von Darmschlingen so-wie eine Verdickung der Darmwand Das typische Symptom einer NEC ist die Pneumatosis intestinalis mit einer perlschnurartigen Ansammlung von Gasblasen in der Darmwand Bei Extension dieser Gasansammlung uumlber die Mesenterialgefaumlszlige in die Lebervenen laumlsst sich intrahepatische Luft nachweisen Eine Perforation des Darms fuumlhrt zum Auftreten freier Luft im Abdomen Das Pneumoperito-neum imponiert in Ruumlckenlage oft als rundliche strahlentranspa-rente Figur in Bauchmitte die Perforation laumlsst sich meist besser bei einer Aufnahme in Linksseitenlage als sichelartige Luftdarstellung uumlber der Leber nachweisen

kTherapieDie Behandlung der NEC haumlngt ab von der Schwere der Erkrankungsbquo Bei Verdacht auf NEC erfolgt eine konservative Behandlung mit Nahrungspause (keine oralen Medikamente) Magenablaufsonde und breiter antibiotischer Therapie Die Fluumlssigkeits- und Elektro-lyttherapie ist von besonderer Bedeutung da es zu erheblichen Ver-lusten von Fluumlssigkeit in den Darm kommen kann (sog dritter Raum) in der Regel ist die Gabe von isotoner Elektrolytloumlsung erforderlich Bei definitiver NEC oder Ileussymptomatik ist unbe-dingt eine Mitbeurteilung des klinischen Befundes durch einen Kinderchirurgen notwendig um eine rechtzeitige Indikation zu ope-rativem Vorgehen stellen zu koumlnnen Eine Operationsindikation ist gegeben bei Perforation klinischen Peritonitissymptomen oder deutlichen Pneumatosiszeichen Ein toxisches Krankheitsbild erfor-dert eine notfallmaumlszligige operative Therapie

710 Fetale und neonatale Infektionen

7101 Besonderheiten des Immunsystems Neugeborener

Waumlhrend der 2 Schwangerschaftshaumllfte entwickelt der Fetus die Faumlhigkeit zur zellulaumlren und humoralen Immunabwehr jedoch ist das Immunsystem des Feten in seiner Aktivitaumlt supprimiert um Abstoszligungsreaktionen zwischen Feten und Mutter zu vermeiden

Die Umstellung des Immunsystems auf die aktive Bekaumlmpfung von invasiven Erregern erfolgt erst postnatal Deshalb sind viele immu-nologische Effektorsysteme beim Neugeborenen und noch ausge-praumlgter beim Fruumlhgeborenen weniger funktionsfaumlhig als beim Er-wachsenen ( Tab 714)

Immunglobuline Fetale B-Lymphozyten sind in der Lage bei intra-uterinen Infektionen IgM-Antikoumlrper zu bilden Die IgG-Antikoumlr-per des Neugeborenen sind dagegen IgG-Antikoumlrper der Mutter die uumlber einen aktiven Transportmechanismus der Plazenta auf das Neugeborenen uumlbertragen werden und ihm den so genannten Nest-schutz vor Infektionen vermitteln Der protektive Effekt von muumltter-lichen IgG-Antikoumlrpern z B gegen β-haumlmolysierende Streptokok-ken der Gruppe B oder Herpes simplex ist eindeutig belegt Dieser transplazentare Transport beginnt mit 20 Schwangerschaftswochen und fuumlhrt zu mit dem Gestationsalter zunehmenden IgG-Konzent-rationen beim Neugeborenen Fruumlhgeborene haben deshalb nur einen ungenuumlgenden Nestschutz IgA passiert die Plazenta nicht und ist beim Neugeborenen nicht nachzuweisen

gt Beim Neugeborenen nachweisbares IgM ist ein Hinweis auf eine intrauterine Infektion da muumltterliche IgM-Anti-koumlrper wegen ihrer Groumlszlige die Plazenta nicht passieren

Komplementsystem Die Serumkonzentrationen der meisten Kom-plementfaktoren und Komplementaktivitaumlt betragen beim reifen Neugeborenen nur ca 50 der Erwachsenenwerte Dadurch ist die Opsonisierung von Erregern verringert und somit die opsoninab-haumlngige Phagozytose eingeschraumlnkt

Granulozyten Das Neugeborene hat nur geringe Granulozytenre-serven im Knochenmark Die Granulozyten zeigen normales Phago-zytoseverhalten und Bakterizidie jedoch eine eingeschraumlnkte Adhauml-renz und Chemotaxis

Makrophagen Neonatale Makrophagen zeigen eine verringerte Chemotaxis und Aktivierbarkeit

T-Lymphozyten Mit 15ndash20 Schwangerschaftswochen haben Feten eine nachweisbare T-Zell-Population im peripheren Blut Diese ist allerdings in ihrer Aktivitaumlt supprimiert und zeigt eine verringerte

Tab 713 Stadien der nekrotisierenden Enterokolitis (NEC) nach Bell

Stadium 1 Ver-dacht auf NEC

Systemische Symptome und Distension des Darmes (A ohne B mit blutigen Stuumlhlen)

Stadium 2 defini-tive NEC

Zunahme der systemischen Symptome Ileus als diagnostisches Symptom Nachweis einer Pneumatosis intestinalis (A ohne B mit deut-lichen abdominellen Lokalbefunden ndash Ab-wehrspannung Bauchwandinfiltration abdominelle Resistenz Aszites)

Stadium 3 fortge-schrittene NEC

Schwere systemische Infektionssymptome sehr krankes Kind deutliche Zeichen der Peritonitis (A ohne B mit Darmperforation)

Tab 714 Funktionseinschraumlnkungen des neonatalen Immun-system

Immun-globuline

IgG von der Mutter uumlbertragen (Nestschutz)Evtl Mangel an spezifischen AntikoumlrpernIgG bei Fruumlhgeborenen deutlich vermindertIgM-Produktion bei intrauteriner Infektion moumlglich

Komple-mentsystem

Serumspiegel nur 50ndash75 des Erwachsenen

Granulo-zyten

Geringe KnochenmarksreservenVerminderte Adhaumlrenz und Chemotaxis

Makro-phagen

Verringerte Chemotaxis und Aktivierbarkeit

T-Lympho-zyten

Verringerte MitogenstimulierbarkeitVerringerte ZytokinproduktionVerringerte Faumlhigkeit B-Zellen und Makrophagen zu stimulieren

Kapitel 7 middot Neonatologie178

7

Mitogenstimulierbarkeit eine verminderte Faumlhigkeit B-Zellen und Makrophagen durch eine eingeschraumlnkte Zytokinproduktion z B von γ-Interferon zu aktivieren

7102 Nichtbakterielle konnatale Infektionen

kGrundlagenDie nichtbakteriellen Erreger konnataler Infektionen werden haumlufig unter dem Merkwort TORCH zusammengefasst 4 T Toxoplasma gondii 4 O Others (HIV Varizella-Zoster-Virus Hepatitis-B-Virus

Parvovirus-B19) 4 R Roumltelnvirus 4 C Zytomegalievirus 4 H Herpes-simplex-Virus Typ 1 und 2

kUumlbertragungDiese Erreger koumlnnen auf verschiedenen Wegen von der Mutter auf das Kind uumlbertragen werden ( Tab 715)

4 Transplazentare Infektion der Erreger im muumltterlichen Blut durchdringt die Plazentaschranke und infiziert das Kind Die Durchlaumlssigkeit der Plazentaschranke haumlngt von der Art des Erregers und vom Zeitpunkt der Gestation ab so wird die Plazenta z B mit zunehmendem Gestationsalter durchlaumlssiger fuumlr Toxoplasmen

4 Perinatale Infektion das Kind infiziert sich beim Durchtritt durch den Geburtskanal

4 Postnatale Infektion die Infektion erfolgt durch Muttermilch oder Kontakt mit infektioumlsem Material von der Mutter

kKlinikDie Symptomatik der TORCH-Infektionen reicht von der asympto-matischen Infektion bis zur toumldlichen Erkrankung ( Tab 716)

Folgende Symptome bei Geburt sind verdaumlchtig auf eine intra-uterin uumlbertragene TORCH-Infektion 4 Untergewicht 4 Mikrozephalie intrazerebrale Verkalkungen Krampfanfaumllle

(Enzephalitis) 4 Netzhautverkalkungen Mikrophthalmie (Chorioretinitis) 4 Anaumlmie Thrombozytopenie (Knochenmarkdepression) 4 Hepatomegalie Ikterus (Hepatitis)

kDiagnoseDiagnostisch stehen der direkte Erregernachweis in Urin Speichel oder anderen Koumlrpersekreten zur Verfuumlgung die Erregerausschei-dung persistiert oft uumlber Monate Die Nachweis von IgM-Antikoumlr-pern gelingt oft nicht deshalb sind Verlaufsuntersuchungen des IgG-Titers erforderlich

7103 Roumlteln

kEpidemiologieDas Risiko einer Roumltelnembryofetopathie betraumlgt 30 bei einer muumltterlichen Infektion vor der 12 Schwangerschaftswoche und 10 bei einer muumltterlichen Infektion zwischen 13 und 20 Schwanger-schaftswochen Die Haumlufigkeit der Roumltelnembryopathie hat in Deutschland durch die Impfung und die verbesserte praumlnatale Diagnostik auf 1 pro 10000 Geburten abgenommen

kPathogeneseDas Roumltelnvirus wird waumlhrend der muumltterlichen Viraumlmie trans-plazentar uumlbertragen 50 der infizierten Schwangeren sind selbst asymptomatisch Bei unbeabsichtigter Roumltelnimpfung einer Schwan-geren kann es zwar selten zu einer kindlichen Infektion kommen aber nicht zu einer Roumltelnembryopathie

kKlinikTypisch ist die Roumltelnembryopathie mit der Fehlbildungstrias In-nenohrschwerhoumlrigkeit Herzfehler (persistierender Ductus arte-riosus) und Katarakt die auch als Gregg-Syndrom bezeichnet wird Es kann aber auch zum Abort zur intrauterinen Infektion ohne Fehlbildung zu transienten neonatalen Symptomen oder zur persis-tierenden Infektion mit permanenten Organschaumlden kommen

Tab 715 Bedeutung der verschiedenen Infektionswege bei nicht-bakteriellen konnatalen Infektionen

Erreger Transplazentare Infektion

Perinatale Infektion

Postnatale Infektion

Toxoplasmose ++ ndash ndash

HIV + ++ +

Parvovirus ++ ndash ndash

Hepatitis-B-Virus + ++ +

Varicella-Zoster-Virus ++ + +

Roumlteln ++ ndash ndash

Zytomegalie ++ ++ +

Herpes simplex ndash ++ +

Tab 716 Symptome der nichtbakteriellen konnatalen Infektionen

Erreger Symptomatik

Roumlteln Embryopathie mit Trias Innenohrschwerhoumlrigkeit Herzfehler Katarakt

Zytomegalie 90 bei Geburt asymptomatisch (Spaumltschaumlden psychomotorische Retardierung Schwerhoumlrigkeit)10 bei Geburt symptomatisch (Enzephalitis Hepatitis Chorioretinitis Wachstumsretardierung)

Herpes sim-plex (Typ 2)

Generalisiert-septische Infektion oder lokalisierte Herpeslaumlsionen an Haut Auge und Mund oder isolierte Enzephalitis

Varicella Zoster

Varizellenembryopathie (Hautnarben Extremitauml-tenhypoplasie) neonatale Varizellen

Hepatitis B Hepatitis haumlufig mit chronischem Verlauf

HIV Bei Geburt meist asymptomatisch in den ersten Lebensmonaten Lymphadenopathie Gedeihstoumlrung rezidivierende Diarrhouml oder Atemwegsinfektionen

Parvovirus B19 Transiente intrauterine Anaumlmie

Toxoplas mose 90 bei Geburt asymptomatisch (Spaumltschaumlden Chorioretinits psychomotor Retardierung Hydro-zephalus)10 bei Geburt symptomatisch (Enzephalitis Hepatitis Chorioretinitis Gedeihstoumlrung)

7179710 middot Fetale und neonatale Infektionen

CaveMeningoenzephalitis Chorioretinitis Glaukom Hepatitis etc

kDiagnoseZur Diagnose tragen Anamnese und Virusnachweis in Speichel Blut oder Urin bei Die Virusausscheidung ist 1ndash3 Monate nach der Geburt am houmlchsten und kann bis zu 1 Jahr persistieren Positives Roumlteln-IgM in der Serologie persistierender oder ansteigender Roumlteln-IgG-Titer sind diagnostisch wegweisend

kDifferenzialdiagnoseZytomegalie Toxoplasmose

kTherapieBei hohem Verdacht auf eine Roumltelnembryopathie kann eine Schwangerschaftsunterbrechung erwogen werden

gt Entscheidend ist die Sicherstellung des Roumltelnimpf schutzes bei allen Maumldchen vor Eintritt der Pubertaumlt denn bei intra-uteriner Infektion ist keine spezifische Therapie moumlglich

kPrognoseDie Gesamtmortalitaumlt infizierter Neugeborener betraumlgt 10 davon 35 im 1 Lebensjahr

7104 Zytomegalie

kEpidemiologieDie Zytomegalie ist die haumlufigste nichtbakterielle konnatale Infekti-on 1 aller Neugeborenen sind bei Geburt mit dem Zytomegalie-virus infiziert 10 der infizierten Neugeborenen sind bei Geburt symptomatisch (7 Kap 154)

kPathogeneseDas Zytomegalievirus persistiert lebenslaumlnglich in Lymphozyten und anderen Koumlrperzellen ( Abb 750) Die Infektion wird in der Schwan-gerschaft haumlufig reaktiviert Bei einer Erstinfektion der Mutter in der Schwangerschaft kommt es zu einem wesentlich schwereren fetalen Krankheitsverlauf als bei transplazentarer Erregeruumlbertragung im Rahmen einer in der Schwangerschaft reaktivierten Zytomegalie-infektion Daneben ist auch eine perinatale Uumlbertragung durch infek-tioumlse Genitalsekrete und eine postnatale Uumlbertragung durch Mutter-milch oder eine Bluttransfusion moumlglich Eine postnatale CMV-Infek-tion ist vermutlich nur fuumlr sehr unreife Fruumlhgeborene problematisch sie koumlnnen von einem Sepsis-aumlhnlichen Krankheitsbild betroffen sein

kKlinik90 der intrauterin infizierten Neugeborenen sind bei Geburt asym-ptomatisch scheiden allerdings das Virus uumlber Monate im Urin Traumlnen Blut und Rachensekret aus 10 der bei Geburt symptom-freien Neugeborenen entwickeln im Verlauf Spaumltmanifestationen (Houmlrstoumlrung psychomotorische Retardierung) Die 10 bei Geburt symptomatischen Neugeborenen koumlnnen verschiedenste Organ-schaumlden aufweisen (Enzephalitis mit periventrikulaumlren Kalzifikatio-nen Mikrozephalie Taubheit Hepatitis Wachstumsretardierung Chorioretinitis petechialer Hautausschlag Thrombozytopenie) und entwickeln zu 90 bleibende Organschaumlden

kKomplikationenEntwicklung von bleibenden Organschaumlden vor allem im Gehirn ( Abb 750) Gehoumlr und am Auge durch die persistierende Infektion

kDiagnoseDurch direkten Erregernachweis (Early Antigen Virus-PCR) und Viruskultur von Urin Speichel wird die Infektion nachgewiesen IgM-Antikoumlrper sind auch bei florider Zytomegalieinfektion nicht immer nachzuweisen deshalb erfolgt die Kontrolle des IgG-Titer-verlaufs

kDifferenzialdiagnoseKonnatale Roumlteln Toxoplasmose bakterielle Sepsis

kTherapieEine mehrwoumlchige Behandlung mit Ganciclovir scheint den Grad der Schwerhoumlrigkeit und moumlglicherweise auch der neurologischen Schaumldigung guumlnstig zu beeinflussen

gt Die konnatale Zytomegalieinfektion ist eine fuumlhrende Ursache von geistiger Behinderung und Schwerhoumlrigkeit

7105 Herpes simplex

kEpidemiologieDie Haumlufigkeit der konnatalen Herpes-simplex-Infektion betraumlgt 1 auf 7500 Neugeborene In 85 der Faumllle wird sie durch den Virustyp 2 (Herpes genitalis) verursacht (7 Kap 151)

kPathogenese90 der Infektionen finden perinatal beim Durchtritt durch den Geburtskanal statt Das Uumlbertragungsrisiko ist bei einer primaumlren Herpes-genitalis-Infektion der Mutter 10-mal houmlher (50) als bei einer rekurrierenden muumltterlichen Infektion Die Herpes-simplex-Typ-1-Infektion (Herpes labialis) beim Neugeborenen wird meist postnatal durch Kontakt mit infektioumlsem Sekret uumlbertragen

kKlinikBei der peri- oder postnatalen Infektion kann es zu einer generali-sierten Infektion kommen zur einer auf Haut Augen und Mund beschraumlnkten Infektion oder zur Enzephalitis Die generalisierte Infektion hat unspezifische Symptome wie bei einer Sepsis (Apnoen Lethargie oder Hepatosplenomegalie) Hauteffloreszenzen kommen nur bei 70ndash80 der Neugeborenen mit HSV-Sepsis vor Die lokali-sierte Infektion zeigt Herpeslaumlsionen auf der Haut Keratokonjunk-

Abb 750 Typische im Nierenparenchym gelegene Riesenzellen die aus Virusaggregaten bestehende Zelleinschlusskoumlrperchen (sog Eulenaugen-zellen) enthalten

Kapitel 7 middot Neonatologie180

7

tivitis und Chorioretinitis Die isolierte Enzephalitis manifestiert sich mit Fieber Irritabilitaumlt Lethargie Koma fokalen und generali-sierten Krampfanfaumlllen und gespannter Fontanelle Hautlaumlsionen sind dabei selten Im CT findet man typischerweise fokale Laumlsionen im Temporallappen

kKomplikationenSchock disseminierte intravasale Koagulopathie

kDiagnoseZur Diagnose fuumlhren die charakteristischen Hauteffloreszenzen sowie der Virusnachweis aus Blaumlscheninhalt und Blut (Nachweis von HSV-Antigen und HSV-DNA) Bei der Enzephalitis laumlsst sich das Virus in 25ndash40 der Faumllle im Liquor nachweisen Die Serologie ist in der Regel nicht hilfreich

kDifferenzialdiagnoseToxoplasmose Zytomegalie Roumlteln intrakranielle Blutung Sepsis

kTherapieBei primaumlrer Herpes-genitalis-Infektion der Mutter zum Zeitpunkt der Geburt sollte die Entbindung per Kaiserschnitt durchgefuumlhrt werden um das Infektionsrisiko zu reduzieren Beim geringsten klinischen Verdacht auf eine neonatale Herpesinfektion sollte eine antivirale Therapie mit Aciclovir begonnen werden Die fruumlh ein-setzende antivirale Therapie verbessert die Prognose und eine Gene-ralisierung kann verhindert werden

kPrognoseBei einer generalisierten Infektion betraumlgt die Letatlitaumlt 60 Uumlber-lebende haben meist schwere neurologische und okulaumlre Schaumlden

7106 Varizella-Zoster-Virus

kEpidemiologieDie Inzidenz muumltterlicher Windpocken in der Schwangerschaft betraumlgt nur 1ndash510000 Schwangerschaften Bei muumltterlichen Wind-pocken in der Schwangerschaft werden 25 der Feten infiziert

kPathogeneseDie fruumlhe transplanzentare Infektion fuumlhrt zur Varizellenembryo-pathie die spaumlte transplazentare Infektion in den letzten 3 Schwan-gerschaftswochen zu neonatalen Windpocken

kKlinikDie Varizellenembryopathie geht mit Enzephalitis Chorioretinitis Hypoplasie von Gliedmaszligen und dermatombezogenen Hautnarben einher Neonatale Windpocken verlaufen je nach Infektionszeit-punkt unterschiedlich schwer 4 Auftreten der muumltterlichen Windpocken 5ndash21 Tage vor der

Geburt Die Infektion erfolgt transplazentar Die Inkubations-zeit nach transplazentarer Infektion ist kuumlrzer (10 statt 14 Tage) als nach Infektion uumlber den Nasopharynx Das Neugeborene zeigt innerhalb weniger Tage nach Geburt in der Regel milde Symptome da es auch muumltterliche Antikoumlrper uumlber die Plazenta bekommt

4 Auftreten der muumltterlichen Windpocken 4 Tage vor dem Ent-bindungstermin bis 2 Tage nach Geburt Das Neugeborenes wird 5ndash10 Tage post partum symptomatisch Die Erkrankung kann in 20 der Faumllle schwer verlaufen mit sich rasch aus-breitendem haumlmorrhagischem Exanthem Pneumonie Enzephalitis und Tod da das Neugeborene keine muumltterlichen Antikoumlrper mehr erhalten hat

4 Postnatale Infektion Wird ein NeugeborenesSaumlugling postnatal uumlber den Nasopharynx infiziert hat es kein houmlheres Erkrankungsrisiko als aumlltere Kinder

kKomplikationenNach neonatalen oder postnatalen Windpocken tritt in den ersten 10 Lebensjahren haumlufig ein Zoster auf

kDiagnoseAnamnese und Nachweis des typischen Exanthems Virusisolie-rung aus Effloreszenzen und Serologie ermoumlglichen die Diagnose-stellung

kDifferenzialdiagnoseKonnatale Herpes-simplex-Virus-Infektion

kTherapieBei muumltterlichen Varizellen kurz vor dem Entbindungstermin erhaumllt die Mutter sofort und das Kind nach der Geburt ein Varizellen- Hyperimmunglobulin auszligerdem werden beide mit Aciclovir be-handelt

kPrognoseDie Letalitaumlt der Varizellenembryopathie betraumlgt 47

7107 Weitere konnatale Virusinfektionen

Hepatitis B kEpidemiologie

1 der Schwangeren sind HBs-Antigen positiv und etwa 6 ihrer Neugeborenen werden infiziert Ist die Mutter HBs- und HBe-Anti-gen positiv verzehnfacht sich das Infektionsrisiko fuumlr den Feten 20ndash30 der infizierten Neugeborenen werden zu chronischen He-patitis-B-Traumlgern

kPathogeneseDie Uumlbertragung des Hepatitis-B-Virus erfolgt perinatal

Abb 751 Periventrikulaumlre Echogenitaumltsvermehrung und Hydrozephalus im zerebralen Ultraschall als Ausdruck einer VentrikulitisEnzephalitis bei neonataler Zytomegalieinfektion

7181710 middot Fetale und neonatale Infektionen

kDiagnoseDer Nachweis von HBs-Antigen bei der Mutter erfolgt im Rahmen der Schwangerenvorsorge

kTherapieDurch die unmittelbar postnatal durchgefuumlhrte aktive und passive Immunisierung des Neugeborenen gegen Hepatitis B lassen sich 80 der neonatalen Infektionen verhindern

HIV-Infektion kPathogenese

Der wichtigste Infektionsmodus ist die perinatale Infektion jedoch kann die Infektion auch transplazentar oder postnatal z B durch Muttermilch erfolgen

kKlinikDie Neugeborenen sind bei Geburt meist symptomfrei In den ersten Lebensmonaten entwickeln sich Symptome wie Mikrozephalie psychomotorische Retardierung Gedeihstoumlrung persistierende Candidainfektionen oder Diarrhouml Lymphadenopathie oder rezidi-vierende Atemwegsinfektionen

kDiagnoseDie Diagnose der HIV-Infektion beim Neugeborenen oder Saumlugling kann nur durch HIV-PCR oder Viruskultur gefuumlhrt werden

CaveDer Nachweis von HIV-Antikoumlrpern beim Neugeborenen ist nicht beweisend fuumlr eine HIV-Infektion da es sich um muumltterliche Leihantikoumlrper handeln kann

kTherapieDurch die antiretrovirale Behandlung der Mutter ab 34 Schwanger-schaftswochen die Kaiserschnittentbindung mit 38 Schwanger-schaftswochen und die sofortige postnatale Azidothymidinbehand-lung des Neugeborenen konnte die Rate der perinatalen Infektionen auf unter 2 gesenkt werden HIV-infizierte Muumltter sollen nicht stillen

Parvovirus-B19-Infektion kPathogenese

Parvovirus B19 wird transplazentar uumlbertragen Bei der Mutter ver-laumluft die Infektion haumlufig subklinisch und nicht mit dem fuumlr den Parvovirus B19 typischen Exanthem der Ringelroumlteln

kKlinikBeim Feten fuumlhrt die Infektion zu einer transienten Depression der Erythropoese und zur Entwicklung einer intrauterinen Anaumlmie die so ausgepraumlgt sein kann dass sich ein Hydrops fetalis entwickelt

kDiagnoseParvovirus-B19-Serologie bei der Mutter positives IgM beim Kind

kTherapieBei nachgewiesener muumltterlicher Infektion engmaschige Ultra-schallkontrolle des Feten Bei drohendem Hydrops fetalis Bestim-mung des fetalen Haumlmatokrits und intrauterine Transfusion Nach erfolgreicher intrauteriner Behandlung ist die Prognose der Kinder als gut anzusehen

7108 Toxoplasmose

kEpidemiologieDie Haumlufigkeit der konnatalen Toxoplasmose betraumlgt 3ndash6 auf 1000 Lebendgeborene (7 Kap 177)

kPathogeneseDie Erstinfektion fuumlhrt beim Erwachsenen zu grippalen Symptomen mit Lymphknotenschwellungen Bei einer Erstinfektion in der Schwangerschaft kommt es in ca 50 der Faumllle zu einer Infektion des Feten Dabei uumlberwindet der Erreger die Planzenta im 3 Trime-non leichter als im 2 Trimenon die Erkrankung verlaumluft allerdings bei Infektion im 3 Trimenon wesentlich leichter

kKlinik10 der infizierten Feten entwickeln eine symptomatische ge-neralisierte Infektion mit Enzephalitis Hepatitis Chorioretinitis ( Abb 752) Pneumonie und Myokarditis 90 haben primaumlr einen subklinischen Krankheitsverlauf und werden asymptomatisch ge-boren

kKomplikationenRezidivierende Chorioretinitis

kDiagnoseIm Vordergrund steht die serologische Diagnostik In 70 der Faumllle gelingt ein Nachweis von IgM-Antikoumlrpern Antigennachweise sind in Erprobung

kDifferenzialdiagnoseZytomegalie Roumlteln

kTherapieBei muumltterlicher Erstinfektion in der Schwangerschaft wird die Mutter mit Spiramycin Sulfonamiden und Pyrimethamin be-handelt Dieselbe Therapie wird postnatal einem infizierten Neuge-borenen verabreicht

kPrognoseEin Teil der asymptomatischen Neugeborenen entwickelt postenze-phalitische Spaumltschaumlden (intrazerebrale Verkalkungen Hydroze-

Abb 752 Chorioretinitis bei konnataler Toxoplasmose

Kapitel 7 middot Neonatologie182

7

phalus und Chorioretinitis) Kinder mit angeborener Toxoplasmose sollten bis zum 10 Lebensjahr in regelmaumlszligigen Abstaumlnden ophtal-mologisch und neurologisch untersucht werden

7109 Neugeborenensepsis

kDefinitionDie neonatale Sepsis stellt nach wie vor eines der Hauptprobleme der Neugeborenenmedizin dar sie ist eine disseminierte mikrobielle Erkrankung die durch die klinischen Symptome einer systemischen Infektion und die Septikaumlmie d h den kulturellen Nachweis patho-gener Erreger in der Blutkultur charakterisiert ist Im Rahmen des septischen Schocks kann sich ein Multiorganversagen ausbilden

kEpidemiologieIn Westeuropa und den USA erkranken 1ndash4 Neugeborene1000 Le-bendgeboreneJahr an einer neonatalen Sepsis 10ndash25 der Patien-ten versterben an den Komplikationen dieser oftmals foudroyant verlaufenden Infektion bis zu frac14 der Kinder entwickeln als Folge einer zu spaumlt diagnostizierten Sepsis eine eitrige Meningitis Diese Komplikation tritt in Deutschland inzwischen bei weniger als 10 der Fruumlh- und Neugeborenen auf Besonders kritisch ist die Situation auf neonatologischen Intensivstationen hier kann bei 25 der Kindern im Verlauf der Intensivtherapie eine Sepsis nachgewiesen werden Wie eine Reihe von epidemiologischen Untersuchungen belegen hat die Inzidenz der neonatalen Sepsis in den letzten 20 Jah-ren zugenommen

kVerlaufDie neonatale Sepsis manifestiert sich in 2 Verlaufsformen 4 fruumlheinsetzende Form (Fruumlhsepsis) 4 spaumlteinsetzende Form (Spaumltsepsis)

Die fruumlheinsetzende Form zeichnet sich durch den Krankheitsbeginn in den ersten Lebenstagen das typische Erregerspektrum (s unten) und die fulminante Verlaufsform aus Haumlufig entwickelt sich die sys-temische Infektion auf dem Boden einer neonatalen Pneumonie Bei vielen Kindern sind geburtshilfliche Risikofaktoren vorhanden

Die spaumlteinsetzende Form tritt in der Regel nach dem 5 Le-benstag auf der klinische Verlauf kann entweder foudroyant oder langsamer fortschreitend sein die Neugeborenen erkranken haumlufig an einer Meningitis Die Erreger stammen haumlufig aus dem postnata-len Umfeld Besonders intensivmedizinisch behandelte Fruumlh- und Neugeborene sind gefaumlhrdet an einer spaumlteinsetzenden nosoko-mialen Sepsis zu erkranken

kPathogenese RisikofaktorenDie geburtshilflichen Risikofaktoren der fruumlheinsetzenden Sepsis sind 4 vorzeitiger Blasensprung 4 Amnioninfektionssyndrom 4 Fieber Bakteriaumlmie der Mutter 4 Fruumlhgeburtlichkeit

Durch vorzeitigen Blasensprung Aszension vaginaler Erreger (as-zendierende Infektion) oder im Rahmen einer muumltterlichen Bakte-riaumlmie (deszendierende Infektion) kann das Neugeborene bereits in utero infiziert werden und manifest erkranken ( Abb 753)

Bei einer muumltterlichen vaginalen und rektalen Kolonisierung mit pathogenen Erregern kann ein Neugeborenes daruumlber hinaus auf dem Geburtsweg infiziert werden Bis zu 30 der amerikanischen und westeuropaumlischen Schwangeren weisen eine vaginale Besiedlung mit β-haumlmolysierenden Streptokokken der Gruppe B auf maximal 50 mit pathogenen E coli Nach einer vaginalen Geburt sind bis zu 70 der Neugeborenen mit diesen pathogenen Bakterien auf Haut- und Schleimhaumluten kolonisiert Das Ausmaszlig der Besiedlung erhoumlht das Risiko an einer Sepsis zu erkranken Man kann davon ausgehen dass ca 1 von 100 Neugeborenen die mit β-haumlmolysierenden Strep-tokokken der Gruppe B besiedelt sind an einer Sepsis erkrankt

Eine Gruppe von Risikopatienten ist in einem hohen Maszlig gefaumlhrdet eine nosokomiale Sepsis zu akquirieren intensivmedizi-nisch behandelte Fruumlh- und Neugeborene Die gut belegten Risiko-faktoren sind in Tab 717 zusammengefasst

gt Eine Uumlbertragung von pathogenen Erregern erfolgt uumlber-wiegend durch unzureichende Handwaschpraktiken der betreuenden Schwestern und Aumlrzte

Abb 753 Prauml- und postnatale Infektionswege der neonatalen Sepsis

7183710 middot Fetale und neonatale Infektionen

In einzelnen amerikanischen Intensivstationen wurden bei 15 aller Hochrisikofruumlhgeborenen systemische Infektionen mit Candida spp diagnostiziert In Tab 718 sind die wesentlichen Erreger der neonatalen Sepsis zusammengefasst

kKlinikDie klinische Symptomatik der Neugeborenensepsis ist uncharak-teristisch und variabel bleiben die oftmals diskreten klinischen Zeichen unerkannt so kann sich innerhalb kurzer Zeit das Vollbild des septischen Schocks entwickeln Einer der wichtigsten Hinwei-se ist das von einer erfahrenen Kinderkrankenschwester registrierte raquoschlechte Aussehenlaquo des Neugeborenen Neben Stoumlrungen der Temperaturregulation und der Atmungsfunktion werden gastro-intestinale Symptome beobachtet Phasenweise nachweisbare Veraumlnderungen des Hautkolorits weisen auf die im Rahmen der Bakteriaumlmie auftretende Mikrozirkulationsstoumlrung hin Daneben koumlnnen Hyperexzitabilitaumlt Hypotonie Apathie und zerebrale Krampfanfaumllle auftreten Petechien verstaumlrkte Blutungsneigung Hypotension und septischer Schock entwickeln sich im Verlauf der Erkrankung

Wesentliche Symptome der neonatalen Sepsis 4 Temperaturinstabilitaumlt Hyper- Hypothermie 4 Atemstoumlrungen Tachypnoe Dyspnoe Apnoe 4 Gastrointestinale Symptome Trinkschwaumlche

Erbrechen abdominelle Distension

4 Zirkulatorische Insuffizienz periphere Mikrozirkulati-onsstoumlrungen Blaumlsse grau-marmoriertes Hautkolorit septischer Schock Multiorganversagen disseminierte intravasale Gerinnung

4 Neurologische Stoumlrungen Hyperexzitabilitaumlt Lethargie Krampfanfaumllle

Bei klinischen Warnzeichen muss solange der Verdacht auf eine neo-natale Sepsis bestehen bis das Gegenteil bewiesen ist also eine In-fektion ausgeschlossen oder eine andere Ursache fuumlr die Verschlech-terung des kindlichen Zustandes gefunden wurde

gt Der Verlauf der Neugeborenensepsis wird entscheidend vom Zeitpunkt der Diagnose bzw des Behandlungsbe-ginns beeinflusst

kErregernachweisMit Blutkulturen (aerob anaerob) gegebenenfalls Liquorkulturen Urinstatus und -kultur Haut- und Schleimhautabstrichen sowie Un-tersuchung von Magensekret erfolgt der Erregernachweis Bei jedem isolierten Erreger ist eine Resistenztestung durchzufuumlhren

kLabordiagnostikVerschiedene Entzuumlndungsparameter koumlnnen als Warnzeichen einer neonatalen Infektion angesehen werden und zur Fruumlherken-nung der neonatalen Sepsis beitragen

Tab 717 Risikofaktoren der nosokomialen Sepsis

Intensivmedizinische Maszlignahmen

Endotracheale IntubationMaschinelle BeatmungZentrale Katheter Lipidinfusionen

Mangelhafte Stationshygiene

Unzureichende HandwaschpraktikenUumlberbelegung der IntensivstationPersonelle Unterbesetzung

Kontamination InkubatorenWaschbeckenAndere Gegenstaumlnde

Tab 718 Wesentliche Erreger der fruumlh oder spaumlt einsetzenden neonatalen Sepsis

Fruumlheinsetzende Sepsis Spaumlteinsetzende Sepsis

Streptokokken Gruppe BEscherichia coliStaphylococcus aureusListeria monocytogenesEnterokokken u a

Escherichia coliStaphylococcus epidermidisKlebsiella-Enterobacter-SpeziesPseudomonas aeruginosaProteus-SpeziesStreptokokken Gruppe BCandida albicans u a

Exkurs

Erregerspektrum der Neugeborenensepsis

Eines der faszinierenden aber immer noch nicht geklaumlrten Phaumlnomene neonataler In-fektionen ist ein von Zeit zu Zeit auftretender Wechsel im bakteriologischen SpektrumSo wurden in den USA in den 1930er-Jahren β-haumlmolysierende Streptokokken der Grup-pe A als haumlufigste Erreger der neonatalen Sepsis identifiziert In den naumlchsten Dekaden folgten Escherichia coli Staphylococcus aureus erneut E coli und schlieszliglich in den 1970er-Jahren β-haumlmolysierende Streptokok-ken der Gruppe B Das Verschwinden von haumlmolysierenden Streptokokken der Gruppe A sowie von Staph aureus in der vorantibioti-

schen Aumlra kann nicht auf medizinische oder hygienische Maszlignahmen zuruumlckgefuumlhrt werden Das Auftreten von Streptokokken der Gruppe B faumlllt in eine Periode in der Penicillin zum meist verwendeten Antibiotikum wurde bis heute haben diese Erreger ihr Resistenz-verhalten nicht veraumlndertIn Deutschland wurden β-haumlmolysierende Streptokokken der Gruppe B erstmals Ende der 70er-Jahre beobachtet sie sind inzwischen in den meisten Regionen die haumlufigsten Er-reger der neonatalen Sepsis Weiterhin sind E coli Listerien Enterokokken und Staph aureus typische Erreger der Fruumlhsepsis

Es gilt jedoch festzustellen dass nicht nur zwischen geographisch definierten Regionen sondern auch zwischen einzelnen Hospitaumllern mit unterschiedlichen Infektionserregern zu rechnen ist In vielen neonatologischen Zent-ren wird Staph epidermidis als haumlufigster Er-reger von spaumlteinsetzenden nosokomialen In-fektionen isoliert dieser Erreger fuumlhrt daruumlber hinaus immer wieder zu raquoAusbruumlchenlaquo von Hospitalinfektionen Daneben spielen Klebsiel-la- Enterobacter- und Pseudomonas-Spezies Staph aureus und andere pathogene Mikroor-ganismen eine unveraumlnderte Rolle als gefuumlrch-tete Erreger einer nosokomialen Spaumltsepsis

6

Kapitel 7 middot Neonatologie184

7

Fruumlherkennung und Warnzeichen neonataler Infektionen 4 Geburtshilfliche Risikofaktoren 4 Klinische Zeichen 4 Entzuumlndungsparameter

ndash Leukozytose (Gesamtzahl aller neutrophiler Granulozyten)

ndash IT-Quotient ndash CRP ndash Interleukin-6 u a

4 Erregernachweis

Zu diesen Entzuumlndungsindikatoren gehoumlren die Gesamtzahl der Leukozyten am 1 Lebenstag (lt10000 Leukozytenμl) die Gesamt-zahl aller neutrophilen Granulozyten sowie der unreifen Granulo-zyten sowie der IT-Quotient (ImmatureTotal neutrophils d h Gesamtzahl aller unreifen GranulozytenGesamtzahl aller Granulo-zyten gt02) Eine Thrombozytopenie tritt bei ca 30 der Neugebo-renen mit neonataler Sepsis im Verlauf der Infektion auf

Auch erhoumlhte Konzentrationen des C-reaktiven Proteins (CRP) und des Interleukin-6 (IL-6) weisen auf eine Infektion hin Die Sensitivitaumlt und Spezifitaumlt dieser Entzuumlndungszeichen wird von verschiedensten internationalen Arbeitsgruppen unterschiedlich beurteilt Die Wertigkeit der verschiedenen Infektionszeichen als so genannte raquoFruumlherkennungsparameterlaquo sollte auf keinen Fall uumlber-schaumltzt werden

Der Stellenwert der einzelnen Parameter wird am ehesten deut-lich wenn man sich die Sequenz des Entzuumlndungsgeschehens vor Augen fuumlhrt ( Abb 754) Nach Keiminvasion werden mit einer kurzen Latenz neutrophile Granulozyten rekrutiert die moumlglicher-weise im Verlauf des initialen Abwehrgeschehens bereits verbraucht werden ndash die Patienten entwickeln eine Neutrozytopenie ndash oder aber es werden vermehrt unreife und reife Granulozyten aus dem Kno-chenmark freigesetzt Erst im Rahmen der Makrophagenaktivierung werden der Tumornekrosefaktor Interleukin-1 und Interleukin-6 sezerniert diese immunologischen Hormone (Zytokine) stimulie-ren die Synthese des CRP in der Leber sie lassen sich relativ fruumlh und zum Teil nur innerhalb eines kurzen Zeitfensters sicher identifizie-ren Mit einem Konzentrationsanstieg dieses Akutphaseproteins ist

erst 4ndash6 h nach Keiminvasion oder lokaler Inflammation zu rech-nen Das CRP ist allerdings als idealer Verlaufsparameter einer neo-natalen Infektion anzusehen

kDifferenzialdiagnoseVerschiedene Erkrankungen Fruumlh- und Neugeborener koumlnnen sich unter nahezu identischer Symptomatologie manifestieren wie die neonatale Sepsis Bei Fruumlhgeborenen kann eine Infektion mit Strep-tokokken der Gruppe B unter dem Bild eines Atemnotsyndroms verlaufen Weitere Erkrankungen akute pulmonale Erkrankungen des Neugeborenen persistierende fetale Zirkulation Hyperviskosi-taumltssyndrom kardiale Erkrankungen nekrotisierende Enterokolitis zerebrale Blutungen metabolische Stoumlrungen intrauterine Infektio-nen u a

kTherapieNach Durchfuumlhrung der Sepsisdiagnostik ist unverzuumlglich eine int-ravenoumlse antibiotische Therapie durchzufuumlhren

Antibiotische Therapie Bei der Fruumlhsepsis wird von vielen klini-schen Gruppen an einer Kombinationsbehandlung mit Ampicillin und einem Aminoglykosid (z B Gentamicin) festgehalten alter-nativ wird eine empirische Therapie mit Ampicillin und einem Cephalosporin der 3 Generation (z B Cefotaxim) praktiziert Beide Therapiestrategien wurden von der raquoAmerican Academy of Pediatricslaquo empfohlen Der Hauptgrund fuumlr die Gabe von Ampicillin ist die unzulaumlngliche Aktivitaumlt der Cephalosporine gegen Listeria monocytogenes und Enterokokken Bei Verdacht auf eine Staphylo-kokkeninfektion muss die verwendete Kombination um ein gegen Staphylokokken wirksames Mittel erweitert werden Bestehen durch bakteriologische Untersuchungen der Mutter Hinweise auf einen seltenen Erreger der Fruumlhsepsis (Klebsiella Pseudomonas Serratia etc) sollte eine Kombinationstherapie mit einem Cephalosporin und einem Aminoglykosid gewaumlhlt werden Nach Vorliegen der bakteriologischen Resistenztestung (Blut- Liquorkulturen) wer-den die Patienten meist in einer Zweierkombination weiterbe-handelt

Vor einigen Jahren wurde im Rahmen einer Standardtherapie mit Cefotaxim eine rasche Selektion von cefotaximresistenten En-terobacter-Spezies (Enterobacter cloacae) nachgewiesen diese Erreger waren auch gegen neuere Cephalosporine resistent

gt Eine Anwendung von Cephalosporinen sollte daher nur unter strenger Indikationsstellung erfolgen

Bei Staph-epidermidis-Sepsis kann eine Vancomycintherapie erfor-derlich sein Infektionen mit Anaerobiern werden mit Metronidazol und Infektionen mit Candida spp bzw Aspergillus spp mit 5ndashFluo-rocytosin und Amphotericin B behandelt

Die Behandlungsdauer fuumlr eine neonatale Sepsis ohne Menin-gitis oder andere schwere Begleitinfektionen betraumlgt in der Regel 10ndash14 Tage

Supportivtherapie Eine optimale Supportivtherapie saumlmtlicher im Verlauf der Sepsis auftretender Funktionsstoumlrungen von Organsys-temen (Herz-Kreislauf Atmung Saumlure-Basen-Haushalt Gerinnung u a) ist eine wesentliche Voraussetzung in der Behandlung dieser lebensbedrohlichen Erkrankung

Ein Therapiekonzept sollte sich immer nach dem lokalen Erre-gerspektrum richten Daher ist es sinnvoll durch regelmaumlszligige bak-teriologische Untersuchungen von Patienten und Gegenstaumlnden der neonatalen Intensivstation Aumlnderungen im Resistenzverhalten von Problemkeimen fruumlhzeitig zu erfassen

Abb 754 Hypothetische Sequenz des Entzuumlndungsgeschehens im Ver-lauf einer Sepsis die Zytokine TNF-α IL-1 und IL-6 stimulieren die Synthese von CRP in der Leber

7185710 middot Fetale und neonatale Infektionen

kProphylaxeEine Immunprophylaxe gegen das breite Erregerspektrum der neo-natalen Sepsis existiert nicht Die Entwicklung eines speziellen Impf-stoffes gegen Streptokokken der Gruppe B duumlrfte erst in einigen Jahren gelingen

Einen weiteren praumlventiven Ansatz stellt die sog Chemoprophy-laxe dar Schwangere die vaginal und zervikal mit B-Streptokokken besiedelt sind zusaumltzlich vorzeitige Wehen undoder einen vorzeiti-gen Blasensprung von gt12 h haben erhielten eine selektive intrapar-tale Chemoprophylaxe mit Penicillin Durch diese Maszlignahme konnte die Kolonisierung Neugeborener und die Sepsisinzidenz durch Streptokokken der Gruppe B eindeutig gesenkt werden Aller-dings ist diese Maszlignahme nur dann wirksam wenn die antibiotische Prophylaxe mindestens gt4 h praumlpartal verabreicht wird

Seit 1996 wird in den USA ein generelles Screening bei allen Schwangeren in der 35ndash37 Gestationswoche durchgefuumlhrt um eine maternale Kolonisierung mit B-Streptokokken zum Zeitpunkt der Geburt zu erfassen Trotz der erheblichen Kosten und der potenziel-len Risiken einer Penicillinallergie erhalten alle Schwangeren prauml-partal eine Penicillingabe Durch diese Strategie konnte eine fruumlh einsetzende neonatale Sepsis mit B-Streptokokken wirksamer ver-hindert werden als durch eine Identifizierung Schwangerer mit be-kannten Risikofaktoren Bis zu 60 aller reifen Neugeborenen mit B-Streptokokkenerkrankungen hatten symptomfreie Muumltter die keinen Risikofaktor aufwiesen Durch die Screeningstrategie koumlnnen bis zu 70 aller fruumlh einsetzenden Septikaumlmien mit B-Streptokok-ken verhindert werden

71010 Meningitis

kDefinitionDie neonatale MeningitisMeningoenzephalitis ist eine mikrobielle Infektion der Hirnhaumlute des Gehirns und haumlufig auch der Ventrikel sie wird durch die typischen Erreger neonataler Infektionen ver-ursacht

kEpidemiologieDie Inzidenz der neonatalen Meningitis hat in den letzten 10 Jahren abgenommen vermutlich haben die verbesserte Perinatalver-sorgung und Fruumlherfassung neonataler Infektionen sowie die recht-zeitige antibiotische Behandlung zu diesem Ruumlckgang beigetragen Die durchschnittliche Erkrankungsrate liegt zwischen 01ndash04 pro 1000 Lebendgeborene

kAumltiologieIn Mitteleuropa und in Nordamerika werden bis zu 23 aller neona-talen Meningitiden durch Streptokokken der Gruppe B und E coli verursacht Fuumlr die in den ersten Lebenstagen auftretende Strepto-kokkenmeningitis sind uumlberwiegend die Serotypen I und II verant-wortlich sie stammen aus der muumltterlichen Vaginal- und Rektal-flora Bei der Spaumltform der Streptokokkenmeningitis wird der Serotyp III isoliert Die verantwortlichen E coli besitzen ein Kapsel-polysaccharidantigen K1 das die Virulenz der Erreger erhoumlht (Eli-mination der Bakterien nur bei kompletter Opsonierung)

In einzelnen Regionen werden gehaumluft Listerien (L monocyto-genes) als Meningitiserreger identifiziert Eine nosokomiale Menin-gitis wird in Abhaumlngigkeit vom lokalen Erregerspektrum am haumlu-figsten durch Klebsiella- und Enterobacter-Spezies Pseudomonas aeruginosa u a hervorgerufen Bei intensivmedizinisch behandel-ten Fruumlhgeborenen die an einer unklaren systemischen Infektion erkrankt sind muss immer an eine Candida-Meningitis gedacht

werden Wenn auch selten so koumlnnen doch die typischen Erreger der eitrigen Hirnhautentzuumlndung im Kindesalter eine neonatale Menin-gitis verursachen

kPathogenese RisikofaktorenDie bekannten geburtshilflichen praumlnatalen und postnatalen Risiko-faktoren der neonatalen Sepsis lassen sich uneingeschraumlnkt bei der Meningitis Neugeborener nachweisen Eine Meningitis entwickelt sich haumlufig als Folge einer zu spaumlt diagnostizierten Sepsis Ausgangs-punkte fuumlr die haumlmatogene Streuung sind Pneumonien Hautin-fektionen infizierter Nabel Harnwegsinfektionen Otitis media etc

gt Neugeborene mit Liquorshuntsystemen sind besonders gefaumlhrdet uumlber eine Bakteriaumlmie eine Ventilinfektion zu entwickeln der haumlufigste Erreger ist Staph epidermidis

kKlinikDie klinischen Zeichen der neonatalen Meningitis sind unspezifisch und in der Regel nicht von den Symptomen der Neugeborenensepsis zu unterscheiden Als zusaumltzliche Symptome koumlnnen Beruumlhrungs-empfindlichkeit spaumlrliche Spontanbewegungen und schrilles Schreien hinzukommen Eine gespannte Fontanelle die opistho-tone Koumlrperhaltung oder gar Nackensteifigkeit treten insgesamt selten und erst im fortgeschrittenen Stadium der Meningitis auf Krampfanfaumllle werden bei ca 15 der erkrankten Neugeborenen beobachtet

kDiagnoseAufgrund der uncharakteristischen Symptomatologie sollte bei je-dem Patienten bei dem eine neonatale Sepsis zu vermuten ist eine Liquoruntersuchung erfolgen Bei ausgepraumlgter Instabilitaumlt der Kinder kann man jedoch gezwungen sein die erforderliche Lumbal-punktion erst nach Therapiebeginn durchzufuumlhren Die Besonder-heiten der Liquordiagnostik im Neugeborenenalter sind an anderer Stelle ausgefuumlhrt Repetitive Sonographien und eventuell MRT- Untersuchungen sind zur Erfassung von Komplikationen durchzu-fuumlhren

kTherapieDie Prognose der neonatalen Meningitis wird entscheidend vom Therapiebeginn und der Wahl der Antibiotika bestimmt die anti-biotische Behandlung muss sich gegen das besondere Spektrum der zu vermutenden Erreger neonataler Infektionen richten (s neonata-le Sepsis) Eine zuverlaumlssige Liquorgaumlngigkeit sowie eine ausreichen-de Dosierung der Antibiotika ist unbedingt zu beachten die Dosie-rung der verschiedenen Praumlparate liegt in der Regel houmlher als bei der neonatalen Sepsis

kPrognoseDie Prognose der neonatalen Meningitis ist trotz aller Behandlungs-fortschritte immer noch als ernst anzusehen Die Letalitaumlt betraumlgt 20ndash50 Akute Komplikationen sind ein kommunizierender oder nicht-kommunizierender Hydrozephalus subdurale Effusionen Taubheit und Blindheit ( Abb 755) Bis zu 70 aller Patienten mit E-coli-Meningitis entwickeln eine Ventrikulitis Selten werden Hirnabszesse beobachtet sie treten u a bei Infektionen mit Citro-bacter diversus Proteus mirabilis und Enterobacter-Spezies auf

Schwere neurologische Spaumltschaumlden (Zerebralparesen An-fallsleiden mentale Retardierung Taubheit Blindheit) sind bei un-gefaumlhr 10 der Patienten nachweisbar ein Viertel aller erkrankter Kinder weist leichte bis mittelschwere neurologische und psycho-mentale Beeintraumlchtigungen auf Uumlber den Effekt einer im akuten

Kapitel 7 middot Neonatologie186

7

Erkrankungsstadium durchgefuumlhrten Dexamethasontherapie auf die Komplikationsrate der neonatalen Meningitis liegen zurzeit noch keine Ergebnisse vor Aspekte zur Prophylaxe der neonatalen Meningitis sind im Kapitel raquoneonatale Sepsislaquo abgehandelt

71011 Osteomyelitis und septische Arthritis

kEpidemiologie AumltiologieDie Osteomyelitis und bakterielle Arthritis sind seltene Erkrankun-gen im Neugeborenenalter verlaumlssliche Angaben zur Inzidenz liegen nicht vor Staphylococcus aureus wird bei bis zu 8 der Patienten mit Osteomyelitis als kausaler Erreger identifiziert Daneben werden Streptokokken der Gruppen A und B Staph epidermidis und Strep-tococcus pneumoniae sowie eine Reihe gramnegativer Erreger nach-gewiesen Besonders bei der septischen Arthritis lassen sich neben Staph aureus auch E coli Klebsiella- und Enterobacter-Spezies Pseudomonas Salmonellen Serratia Neisseria gonorrhoeae und auch Candida albicans isolieren

kPathogeneseAufgrund der besonderen ossaumlren Gefaumlszligversorgung bei Neugebore-nen und Saumluglingen treten Osteomyelitis und septische Arthritis haumlufig zusammen auf Diaphyse Metaphyse und Epiphyse werden uumlber gemeinsame Arterien versorgt Als Konsequenz koumlnnen sich Erreger die in die Metaphyse der langen Roumlhrenknochen gelangt sind uumlber diese Gefaumlszligverbindungen zur Epiphyse ausbreiten und das Gelenk in das Infektionsgeschehen einbeziehen Erst gegen Ende des ersten Lebensjahres werden diese Gefaumlszligverbindungen und somit die ungehinderte Infektionsausbreitung unterbrochen

Die meisten Osteomyelitiden treten haumlmatogen auf systemi-sche bakterielle Infektionen koumlnnen ebenso wie lokale Infektionen (Pyodermie Omphalitis Mastitis u a) oder infizierte Infusions-systeme (Nabelgefaumlszligkatheter zentrale Silastic-Katheter u a) im Rahmen einer Bakteriaumlmie zu einer Absiedlung von Erregern in Knochen und Gelenk fuumlhren Bei einem Teil der Patienten lassen sich multiple Knochenherde nachweisen Neben der haumlmatogenen Genese kann auch ein lokales Entzuumlndungsgeschehen per continu-itatem eine Osteomyelitis induzieren (Abszess infiziertes Kephal-haumlmatom etc) Durch repetitive Fersenpunktionen zur kapillaren Blutentnahme kann sich eine Kalkaneusosteomyelitis entwickeln

kKlinikHaumlufig finden sich eine lokalisierte Schwellung im Bereich der be-troffenen Knochen bzw Gelenke sowie eine eingeschraumlnkte Be-weglichkeit mit Schonhaltung der Extremitaumlt (sog Pseudoparalyse) Am haumlufigsten sind die langen Roumlhrenknochen Femur Humerus und Tibia betroffen Aber auch die Maxilla und andere Schaumldel-knochen koumlnnen ebenso wie Finger- oder Wirbelknochen infiziert sein Die haumlufigsten eitrigen Arthritiden treten in Huumlft- Knie- und Schultergelenken auf

kDiagnoseBlutkultur(en) Entzuumlndungszeichen im Blut roumlntgenologische Un-tersuchung Szintigraphie und bei septischer Arthritis Sonographien und Gelenkpunktionen ermoumlglichen die Diagnosestellung Bei der Differenzialdiagnose muumlssen neben Frakturen und Paresen Weich-teilinfektionen sowie ossaumlre Veraumlnderungen durch intrauterine In-fektionen von der Osteomyelitis abgegrenzt werden

kTherapie PrognoseBei dem infrage kommenden Erregerspektrum empfiehlt sich eine antibiotische Initialbehandlung in Analogie zur Sepsistherapie zusaumltzlich sollte in jedem Fall ein staphylokokkenwirksames Medi-kament (z B Oxacillin) eingesetzt werden

Die Langzeitprognose der NeugeborenenosteomyelitisArthri-tis ist immer noch alles andere als zufriedenstellend Eine chronische Osteomyelitis Skelett- oder Knochendeformitaumlten und gestoumlrtes Knochenwachstum sind bei 25ndash50 aller Kinder zu erwarten

71012 Haut- und Weichteilinfektionen

kKlinikDas Spektrum neonataler Hautinfektionen die durch Bakterien Viren oder Pilze hervorgerufen werden reicht von unproblema-tischen lokalen Affektionen bis hin zu lebensgefaumlhrlichen Erkran-kungen

Pustuloumlse und bulloumlse Hautveraumlnderungen Die Impetigo neona-torum eine oberflaumlchliche pustuloumlse Pyodermie ist die haumlufigste Hautinfektion der Neugeborenenperiode Die Pusteln sind haumlufig in der Inguinalregion periumbilikal nuchal und retroaurikulaumlr zu fin-den Erreger Staph aureus Lokale Behandlungsmaszlignahmen sind ausreichend Kontaktinfektionen sind unbedingt zu vermeiden In der Differenzialdiagnose sind folgende Erkrankungen abzugrenzen Erythema toxicum neonatorum (roumltliche Flecken die von einer gelblichen Pustel besetzt sein koumlnnen treten am ganzen Koumlrper auf Direktpraumlparat der Pustel eosinophile Granulozyten) Milien (weiszlig-lich-gelbliche Talgretention an Nase Wange oder Stirn)

Eine weitere Staphylokokkenerkrankung ist die Impetigo bullosa oder Pemphigus neonatorum Durch intra- oder post-natale Besiedlung mit Staph aureus (Phagengruppe II Produktion des Exotoxins Exfoliatin) kann das Neugeborene diese ernste Hauterkrankung akquirieren Es bilden sich groumlszligere von einem roten Hof umgebene Blasen aus diese hinterlassen nach Platzen geroumltete naumlssende Hautstellen 3ndash5 Tage nach Erkrankungsbeginn tritt eine Desquamation von epidermalen Teilen auf (Nikolsky-Phaumlnomen negativ) Die schwerste Verlaufsform einer durch Staph-aureus-Enterotoxin ausgeloumlsten Hautinfektion ist die Dermatitis exfoliativa neonatorum (Ritter von Rittershain Abb 756) Im Bereich groszligflaumlchiger unscharf begrenzter Ery-theme entstehen nach Hautabloumlsung groszlige Wundflaumlchen (Nikolsky-Phaumlnomen positiv)

Abb 755 Ausgepraumlgte im MRT nachweisbare uumlberwiegend okzipital gelegene subkortikale Substanzdefekte bei einem Neugeborenem mit Meningoenzephalitis

7187711 middot Neugeborenenkraumlmpfe

kDifferenzialdiagnoseDie Differenzialdiagnose umfasst vesikulaumlre Effloreszenzen bei neo-nataler Herpes simplex Zytomegalie- und Varizelleninfektion sowie bulloumlse Veraumlnderungen bei der Lues connata (Pemphigus syphili-ticus)

kTherapieDie antibiotische Behandlung beider Verlaufsformen muss immer systemisch (intravenoumls) erfolgen Die Supportivtherapie der Derma-titis exfoliativa erfolgt nach den Prinzipien der Verbrennungsthera-pie Als Komplikationen sind die neonatale Sepsis Meningitis Osteomyelitis und andere Organmanifestationen gefuumlrchtet

71013 Omphalitis

kAumltiologieBevorzugter Erreger der Omphalitis ist Staph aureus aber auch andere Erreger der Neonatalperiode koumlnnen eine Nabelinfektion ausloumlsen Durch konsequente prophylaktische Nabelhygiene ist die-se Infektion selten geworden

kKlinikDie eitrige Entzuumlndung des Nabels manifestiert sich durch eine periumbilikale Roumltung derbe Infiltration und gegebenenfalls Ulze-ration Der Nabelgrund kann eitrig belegt sein haumlufig entleert sich purulentes Sekret Im Rahmen der Diagnostik werden Abstriche und Blutkulturen abgenommen sowie zur Verlaufskontrolle Ent-zuumlndungszeichen bestimmt Als Komplikationen koumlnnen eine Nabelphlegmone Nabelsepsis Infektion der Nabelgefaumlszlige u a auf-treten Die Therapie besteht in einer Lokalbehandlung und syste-misch intravenoumlsen Antibiotikatherapie

71014 Mastitis

kEpidemiologieEine Mastitis entwickelt sich in der Regel zwischen der 2 bis 3 Lebens woche weibliche Neugeborene erkranken haumlufiger als maumlnnliche Diese Erkrankung tritt vermutlich wegen der noch nicht entsprechend entwickelten Brustdruumlsen bei Fruumlhgeborenen nicht auf Eine beidseitige Affektion ist selten Haumlufigster Erreger ist Staph aureus zunehmend auch E coli und Streptokokken der Gruppe B Der Entstehungsmechanismus ist unklar es ist nicht auszuschlieszligen dass Manipulationen an der geschwollenen Brust die Infektion beguumlnstigen

kDiagnose TherapieDirektpraumlparat des Brustdruumlsensekrets und Abstriche Die Therapie erfolgt immer mit intravenoumlsen Antibiotika bei ausgepraumlgten Be-funden kann eine chirurgische Intervention notwendig werden Langzeitnachuntersuchungen lassen nicht ausschlieszligen dass einige der erkrankten Maumldchen ein vermindertes Brustgewebe auf der erkrankten Seite zuruumlckbehalten

Weitere recht haumlufige bakterielle Lokalinfektionen des Neuge-borenen sind

4 Kopfschwartenabszess (Verletzung durch CTG-Elektroden Erreger Staph aureus Streptokokken der Gruppe B u a Erreger neonataler Infektionen)

4 infiziertes Kephalhaumlmatom (s Kopfschwartenabszess) 4 Paronychien (wichtigste Erreger Staph aureus Streptokokken

der Gruppe B)

71015 Lokale Candidainfektionen

Der Mundsoor ist eine haumlufig auftretende Lokalinfektion des Neu-geborenen weiszligliche Belaumlge die im Gegensatz zu Milchresten nicht abwischbar sind kleiden uumlberwiegend die Wangenschleimhaut Neugeborener aus Diese Infektion mit Candida albicans wird ent-weder unter der Geburt oder durch postnatale Kontamination von verschiedenen Gegenstaumlnden uumlbertragen Sie verheilt unter konse-quenter lokaler antimykotischer Behandlung Eine Candidiasis tritt haumlufig auch als perianale intertriginoumlse Dermatitis auf neben blass-gelblichen makuloumlsen Veraumlnderungen finden sich feuerrote leicht schaumllende Areale Die Behandlung erfolgt durch orale und lokale Applikation von Antimykotika

71016 Neonataler Tetanus

In einigen Teilen der Welt stellt der neonatale Tetanus eine ernsthafte Bedrohung Neugeborener dar Von einer Infektion des Nabels ausge-hend entwickeln die Neugeborenen gegen Ende der ersten Lebens-woche Trinkschwaumlche muskulaumlre Hypertonie und generalisierte Spasmen Die akute Erkrankung kann nur durch neuromuskulaumlre Blockade und maschinelle Beatmung wirksam behandelt werden

71017 Ophthalmia neonatorum

7 Kap 33

711 Neugeborenenkraumlmpfe

kGrundlagenVon Krampfanfaumlllen spricht man wenn aufgrund einer voruumlberge-henden Beeintraumlchtigung der Hirnfunktion eine abnormale motori-sche undoder vegetative Aktivitaumlt mit oder ohne Aumlnderung der

Abb 756 Dermatitis exfoliativa neonatorum durch S aureus

Kapitel 7 middot Neonatologie188

7

Bewusstseinslage auftritt die von einer paroxysmalen elektrischen Aktivitaumlt des Gehirns begleitet wird Typisch fuumlr Neugeborene ist dass nicht alle als Krampfanfall imponierende motorische Aktivitauml-ten mit Veraumlnderungen des EEG einher gehen Da es bei Krampfan-faumlllen zu einer Auschuumlttung von Katecholaminen kommt sind sie oft mit autonom-vegetativen Phaumlnomenen wie Tachykardie und einem Blutdruckanstieg verbunden

gt Im Gegensatz zu Krampfanfaumlllen bei aumllteren Saumluglingen und Kindern sind Krampfanfaumllle beim Neugeborenen in der uumlberwiegenden Mehrzahl nicht idiopathisch sondern beruhen auf einer akuten zerebralen Funktionsstoumlrung

Die Inzidenz wird mit 05 aller Neugeborenen angegeben Die klinische Diagnose neonataler Kraumlmpfe ist nicht immer einfach aus diesem Grund ist immer eine genaue Beobachtung und Beschrei-bung der registrierten Phaumlnomene notwendig

kKlinikKlinisch koumlnnen spezifische Typen neonataler Anfaumllle unterschie-den werden 4 Klonische Kraumlmpfe rhythmische Zuckungen mit einer Fre-

quenz von 1ndash2 pro Sekunde wobei Hin- und Ruumlckbewegung von unterschiedlicher Geschwindigkeit sind (meist schnelle Hin- und langsamere Ruumlckbewegung) auf einer oder beiden Koumlrperseiten (fokal oder generalisiert)

4 Tonische Kraumlmpfe fokale tonische Anfaumllle manifestieren sich als einseitige anhaltende tonische Beugung oder Streckung einer Extremitaumlt des Halses oder Rumpfes Bei der generali-sierten Form betreffen diese Bewegungen beide Koumlrperseiten z T mit Streckung der Beine und Beugung der Arme

4 Myoklonische Kraumlmpfe Ploumltzlich einschieszligende rasche Kon-traktion eines Beugemuskels entweder fokal oder multifokal d h asynchrone alternierende Myoklonien unterschiedlicher Koumlrperteile Myoklonische Kraumlmpfe sind in der Regel ohne EEG-Veraumlnderungen Im Schlaf werden fokale Myoklonien bei Neugeborenen insbesondere bei Fruumlhgeborenen sehr haumlufig gesehen Diese Schlafmyoklonien sind physiologisch und kein Ausdruck einer Hirnfunktionsstoumlrung beim Erwecken der sbquoNeugeborenen sistieren sie unverzuumlglich

4 Subtile Kraumlmpfe orale Automatismen stereotype komplexe Bewegungsmuster wie Pedalieren der Beine tonische Augen-deviation Selten koumlnnen sich Kraumlmpfe auch als Apnoe praumlsen-tieren die dann in der Regel mit einer Tachykardie einhergeht (differenzialdiagnostisch wichtiges Kriterium zu anderen Apnoeformen)

kAumltiologie DiagnostikSehr verschiedene Grundkrankheiten koumlnnen sich mit Kraumlmpfen in der Neugeborenenperiode praumlsentieren und die Prognose der Kin-der wird in der Regel durch diese zugrundeliegenden Erkrankungen bestimmt Die basale Diagnostik bei Neugeborenenkraumlmpfen um-fasst neben der Anamnese und der klinischen Untersuchung be-stimmte Laboruntersuchungen (Blutzucker Elektrolyte Kalzium gr Blutbild Blutgasanalyse CRP Urinstatus) die Sonographie des Kopfes und das EEG Weitere Untersuchungen erfolgen entspre-chend spezifischer Auffaumllligkeiten

Ursache von Neugeborenenkrampfanfaumlllen 4 Akute metabolische Stoumlrungen

ndash Hypoglykaumlmie ndash Hypokalzaumlmie ndash Hyponatriaumlmie ndash Hypernatriaumlmie ndash Hypomagnesiaumlmie

4 Asphyxie 4 ZNS-Infektion

ndash Meningitis ndash Enzephalitis

4 Hirnblutung Hirninfarkt 4 Periventrikulaumlre Leukomalazie 4 Sinusvenenthrombose 4 Hirnfehlbildungen 4 Angeborene Stoffwechselerkrankungen

ndash Aminoazidopathien ndash Organoazidurien

4 Benigne Neugeborenenkraumlmpfe ndash Familiaumlr ndash Fifth-day fits (Kraumlmpfe am 5 Lebenstag) ndash Pyridoxinabhaumlngige Kraumlmpfe

4 Angeborene peroxisomale Erkrankungen 4 Neurokutane Sydrome 4 Toxine

ndash Bilirubin ndash Heroin ndash Kokain ndash Lokalanaumlsthetika

Akute metabolische Stoumlrungen Eine unverzuumlgliche Therapie dieser Stoumlrungen stellt die Erstmaszlignahme bei Neugeborenenkraumlmpfen dar

Asphyxie Dieses ist die haumlufigste Ursache fuumlr Krampfanfaumllle inner-halb der ersten 2 Lebenstage Das fruumlhe Auftreten innerhalb der ers-ten 4ndash6 h spricht fuumlr eine sehr schlechte Prognose

ZNS-Infektion Bei nicht sicher einzuordnenden Kraumlmpfen oder bei entsprechender klinischer Symptomatik ist immer eine Liquor-punktion indiziert Bei pathologischen Befunden differenzierte Diagnostik

Hirnblutungen Sowohl traumatisch bedingte Hirnblutungen reifer Neugeborener als auch intrazerebrale Blutungen bei Fruumlhgeborenen koumlnnen mit Krampfanfaumlllen einhergehen Bei Fruumlhgeborenen ist die sonographische Untersuchung ausreichend bei Reifgeborenen ist meist ein CT oder MRT notwendig

Hirnfehlbildungen Lissenzephalie Holoprosenzephalie Porenze-phalie Bei Verdacht im Ultraschallbild ist eine genaue weitergehen-de bildgebende Diagnostik erforderlich

Angeborene Stoffwechselerkrankungen Dieses sind vor allem Aminoazidopathien (Ahornsirupkrankheit Hyperglyzinaumlmie) oder Organoazidurien (Propionaziaumlmie) Aufgrund eines Abbau- oder Synthesedefektes kommt es zur Akkumulation toxischer Meta-bolite Die Symptome treten dann auf wenn die Kinder eine gewisse Nahrungsmenge erhalten haben oder sich in einer katabolen Stoff-wechselsituation befinden (Abbau von koumlrpereigenem Eiweiszlig) Toxinentfernung Begrenzung der Eiweiszligzufuhr und Beseitigung

7189712 middot Metabolische Stoumlrungen

der Katabolie sind die Hauptmaszlignahmen Diagnostik Ammoniak Laktat Blutzucker im Serum Ketonkoumlrper im Urin sofortige Asser-vierung von Urin zur spezifischen Diagnostik

Benigne Neugeborenenkraumlmpfe Ein recht groszliger Anteil der Kraumlmpfe in der Neugeborenenperiode sind benigner Natur Sie tre-ten in der ersten Lebenswoche auf sind transient und die Kinder entwickeln sich unauffaumlllig Die Diagnose erfolg per Ausschluss an-derer Ursachen Eine familiaumlre Form wird autosomal-dominant ver-erbt der Genort liegt auf Chromosom 20q Eine weitere Sonderform sind Kraumlmpfe die typischerweise am 5 Lebenstag auftreten (raquofifth-day fitslaquo) Die Ursache ist ungeklaumlrt die Bedeutung eines Zinkman-gels unklar Aumltiologisch unklare Kraumlmpfe sollten als Neugeborenen-kraumlmpfe ohne Dignitaumltsangabe bezeichnet werden erst die unauffaumll-lige weitere Entwicklung erlaubt es die Diagnose benigner Anfaumllle sicher zu stellen

Pyridoxinabhaumlngige Kraumlmpfe Diesem seltenen Krankheitsbild liegt wahrscheinlich ein GABA-Sythesedefekt zugrunde Die Krampfan-faumllle treten am ersten Lebenstag auf und sind gegenuumlber den uumlblichen Antikonvulsiva therapieresistent Vitamin B6 stellt einen Cofaktor fuumlr die Sythese von GABA dar und ist therapeutisch wirksam Trotz der Seltenheit dieses Krankheitsbildes ist bei therapieresistenten Krampf-anfaumlllen ein Behandlungsversuch mit Vitamin B6 sinnvoll

Angeborene peroxisomale Erkrankungen (Zellweger-Syndrom neonatale Adrenoleukodystrophie) Klinisch finden sich bei die-sen selteneren Erkrankungen in der Neonatalphase neben den Krampfanfaumlllen eine kraniofaziale Dysmorphie Muskelhypotonie Trinkschwaumlche Optikusatrophie oder Katarakt Die Diagnose er-folgt uumlber die Bestimmung biochemischer Marker im Blut insbe-sondere den sehr langen Fettsaumluren (VLFA)

Neurokutane Sydrome Diese angeborenen Erkrankungen koumlnnen selten ebenfalls mit Krampfanfaumlllen im Neugeborenenalter ein-hergehen Klinisch ist auf kutane Depigmentierungen (tuberoumlse Sklerose) Cafeacute-au-lait-Flecken (Neurofibromatose) oder faziale Portwein-Naevi (Sturge-Weber) zu achten

Toxine Die Bilirubinenzephalopathie ist eine Raritaumlt geworden Bei maternaler Heroineinnahme koumlnnen Neugeborenenkraumlmpfe als neonatales Entzugssyndrom auftreten Nach maternaler Kokain-einnahme kann es zu intrazerebralen Gefaumlszligverschluumlssen kommen Die akzidentelle Injektion eines Lokalanaumlsthetikums in den Fetus bei Pudendusanaumlsthesie kann zu Kraumlmpfen fuumlhren klinisch finden sich eine muskulaumlre Hypotonie und dilatierte Pupillen

kTherapieBei Neugeborenenkraumlmpfen muss Diagnostik und Therapie parallel erfolgen Da die Hypoglykaumlmie sofort behandelbar und ihre Folgen schwerwiegend sind erfolgt als erste Maszlignahme die Bestimmung des Blutzuckers als kapillaumlrer Schnelltest und sofort nach Blutab-nahme moumlglichst durch eine 2 Person Verabreichung von Glukose 10 iv 2 mlkg KG Unter der Glukosezufuhr sollte der Krampf-anfall beobachtet und beschrieben werden Krampftyp ein- oder beidseitig vegetative Symptome Dauer Anschlieszligend Blutab-nahme fuumlr Kalzium Natrium Magnesium und Kalium Wenn der Krampfanfall nicht innerhalb von einigen Minuten sistiert werden intravenoumls Antikonvulsiva verabreicht (Mittel der ersten Wahl Lorazepam Midazolam oder Clonazepam dann Phenobarbital und Phenytoin) Findet sich keine Krampfursache sollte bei persistieren-den Kraumlmpfen Pyridoxin (VitaminB6) verabreicht werden

712 Metabolische Stoumlrungen

7121 Hyperglykaumlmie

Eine Hyperglykaumlmie ist bei Neugeborenen wesentlich seltener als die Hypoglykaumlmie

kPathogeneseDie neonatale Hyperglykaumlmie kann verursacht werden durch eine zu hohe parenterale Glukosezufuhr durch eine eingeschraumlnkte Gluko-setoleranz z B bei Fruumlhgeborenen oder bei neonataler Sepsis Selten besteht ein transitorischer neonataler Diabetes mellitus

kKlinikDurch eine osmotische Diurese kommt es zur Dehydratation

kDiagnoseEin Blutzucker gt125 mgdl (7 mmoll) ist eine Hyperglykaumlmie Ebenfalls bestimmt werden sollten Serumelektrolyte Saumlure-Basen-Status Urinzucker Urinausscheidung und Veraumlnderungen des Koumlrpergewichts

kTherapieIn der Regel durch eine Reduktion der Glukosezufuhr

CaveEine Insulingabe sollte nur in Ausnahmefaumlllen erfolgen da die Insulintherapie bei Neugeborenen sehr schwer steuerbar ist

7122 Hypoglykaumlmie

kEpidemiologieEine symptomatische Hypoglykaumlmie ereignet sich bei 1ndash3 von 1000 Neugeborenen Deutlich houmlher ist das Hypoglykaumlmierisiko bei dystrophen Neugeborenen (5ndash15) und bei Fruumlhgeborenen Weite-re Risikofaktoren fuumlr eine Hypoglykaumlmie sind Hypothermie Hypo-xie muumltterlicher Gestationsdiabetes oder Diabetes mellitus und Polyzythaumlmie

kPathogeneseHypoglykaumlmien bei Neugeborenen koumlnnen folgende Ursachen haben 4 Der Glukoseverbrauch uumlbersteigt die Glukosezufuhr bzw die

Glukoseproduktion Da Neugeborene nur einen geringen Glykogenvorrat (1 des Koumlrpergewichts) haben kommt es bei Ausbleiben einer exogenen Glukosezufuhr rasch zu Hypo-glykaumlmien Dies ist die haumlufigste Ursache von Hypoglykaumlmien beim Neugeborenen

4 Ein Hyperinsulinismus liegt bei Kindern diabetischer Muumltter (transient) beim Beckwith-Wiedemann-Syndrom und bei der Nesidioblastose (diffuse Inselzellhyperplasie) vor

4 Kongenitale Stoffwechseldefekte Aminosaumlurestoffwechsel-stoumlrungen (z B Ahornsirupkrankheit) stoumlren die Glukoneoge-nese Glykogenspeicherkrankheiten Galaktosaumlmie und Fruk-toseintoleranz verringern die Verfuumlgbarkeit von Glukose aus Glykogen

4 Polyglobulie Die Ursache der Hypoglykaumlmien bei Polyglobu-lie ist nicht bekannt

Kapitel 7 middot Neonatologie190

7

kKlinikDie Symptome der Hypoglykaumlmie sind unspezifisch und umfassen Zittrigkeit Apathie Krampfanfaumllle Apnoen muskulaumlre Hypotonie und Trinkschwaumlche

kDiagnoseDie Definition der Hypoglykaumlmie beim Neugeborenen ist schwierig da Neugeborene auch bei niedrigen Blutzuckerwerten haumlufig asym-ptomatisch sind

Laborchemische Definition der Hypoglykaumlmie 4 FruumlhgeboreneReifgeborene (gt24 h) Plasmaglukose

lt35 mgdl 4 FruumlhgeboreneReifgeborene (gt24 h) Plasmaglukose

lt45 mgdl

Risikokinder sollten eine Blutzuckerbestimmung 1 h postnatal er-halten und danach 3-stuumlndliche Blutzuckerkontrollen fuumlr die naumlchs-ten 24 h Bei persistierender Hypoglykaumlmie sollte nach einem ange-borenen Stoffwechseldefekt gesucht und Insulin Kortisol und Wachstumshormon bestimmt werden

kTherapieBei einer Hypoglykaumlmie mit klinischer Symptomatik erfolgt die int-ravenoumlse Gabe von 2 mlkg KG Glukose 10 uumlber 10 min gefolgt von einer Glukoseinfusion mit 8 mg Glukosekg KGmin Neugebo-rene mit besonderem Risiko fuumlr eine Hypoglykaumlmie sollten eine Fruumlhfuumltterung mit Glukose 5 oder Dextrinloumlsungen erhalten

kPrognoseWenn die Hypoglykaumlmie nur kurz dauert ist die Prognose gut Prolongierte oder tiefe Hypoglykaumlmien sind mit neurologischen Folgeschaumlden assoziiert

7123 Fetopathia diabetica

kPathogeneseBei optimaler Einstellung und Uumlberwachung des muumltterlichen Dia-betes mellitus waumlhrend der Schwangerschaft kann sich die fetale intrauterine Entwicklung voumlllig normal vollziehen Bei schlechter Einstellung besteht ein deutlich erhoumlhtes Risiko fuumlr den Feten intra-uterin zu versterben die Neugeborenen sind entweder makrosom oder hypotroph und weisen eine Reihe schwerwiegender postnata-ler Adaptionsstoumlrungen auf Da Glukose ungehindert durch die Pla-zenta diffundiert fuumlhrt eine anhaltende muumltterliche Hyperglykaumlmie zu erhoumlhten Blutzuckerkonzentrationen beim Feten der als Folge mit einem kompensatorischen Hyperinsulinismus reagiert Dieser Hyperinsulininismus ist fuumlr das typische Organwachstum der mak-rosomen Neugeborenen verantwortlich Bei einer schweren diabe-tischen Plazentainsuffizienz koumlnnen Neugeborene aber auch eine ausgepraumlgte Hypotrophie aufweisen Die Neugeborenen sind post-natal extrem Hypoglykaumlmiegefaumlhrdet da sich der Hyperinsulinis-mus nur langsam zuruumlckbildet

Das klinische Bild ist aumluszligerst eindrucksvoll und durch eine Rei-he von Funktionsstoumlrungen charakterisiert 4 Makrosomie cushingoides Aussehen 4 Hepatomegalie hypertrophe Kardiomyophathie (Glykogenein-

lagerungen) 4 Atemnotsyndrom durch beeintraumlchtigte Surfactantproduktion

4 Plethora Polyzythaumlmie Hyperviskositaumltssyndrom Hyperbilirubinaumlmie

4 Geburtstraumatische Komplikationen Plexuslaumlhmung Asphyxie u a

4 metabolische Entgleisungen Hypoglykaumlmie Hypokalzaumlmie Hypomagnesiaumlmie

4 evtl Fehlbildungen kaudales Regressionssyndrom Mikrokolon Vitium cordis

kTherapieZeitgerechte und konsequente Behandlung aller klinischen und metabolischen Stoumlrungen

7124 Hypokalzaumlmie

Je unreifer ein Neugeborenes ist desto haumlufiger tritt eine Hypokalzauml-mie auf

kPathogeneseAls Ursache fuumlr die fruumlhe Hypokalzaumlmie (Lebenstag 1ndash3) wird die nach der Geburt ploumltzlich ausbleibende hohe intrauterine Kalzium-zufuhr angenommen Ein erhoumlhtes Hypokalzaumlmierisiko besteht bei Kindern diabetischer Muumltter bei Sepsis und nach Asphyxie Die spauml-te Hypokalzaumlmie (nach dem 3 Lebenstag) kann durch hohe Phos-phatzufuhr mit der Nahrung bei verfruumlhter Kuhmilchfuumltterung oder durch Vitamin-D-Mangel verursacht werden

kKlinikLaborchemisch liegt eine Hypokalzaumlmie vor wenn das Serum-kalzium lt18 mmoll ist Die klinischen Symptome der Hypokal-zaumlmie sind unspezifisch (Zittrigkeit Tremor Hyperexzitaumlbilitaumlt oder Krampfanfaumllle) Die fruumlhe Hypokalzaumlmie ist meist asymptoma-tisch

kDifferenzialdiagnoseHypoglykaumlmie Hypomagnesiaumlmie

kTherapieBei klinischer Symptomatik langsame intravenoumlse Gabe von 1ndash2 mlkg KG Kalziumglukonat 10 Bei asymptomatischer Hypo-kalzaumlmie Erhoumlhung der taumlglichen Kalziumzufuhr auf 5ndash10 mlkg Kalziumglukonat

CaveSchnelle intravenoumlse Kalziumgabe fuumlhrt zur Bradykardie Paravenoumlse Kalziumgabe fuumlhrt zu schweren Gewebsnek-rosen

Persistiert die Symptomatik trotz Kalziumsubstitution kann eine Hypomagnesiaumlmie vorliegen

713 Spezielle Aspekte der Ernaumlhrung Fruumlh- und Neugeborener

7131 Naumlhrstoffbedarf

Der Fluumlssigkeitsbedarf des Neugeborenen ist deutlich houmlher als beim Erwachsenen weil der Wasserumsatz des Neugeborenen we-gen der geringeren Konzentrationsfaumlhigkeit der Niere des hohen insensiblen Wasserverlustes uumlber Haut und Lunge und des hohen Energieumsatzes sehr hoch ist

7191Literatur

Der Kalorien- und Eiweiszligbedarf des Neugeborenen ist wegen des raschen Wachstums ebenfalls houmlher als beim Erwachsenen ( Tab 719)

7132 Ernaumlhrung des reifen Neugeborenen

Die optimale Ernaumlhrung fuumlr das reife Neugeborene ist Muttermilch Um die Muttermilchproduktion anzuregen soll das Neugeborene anfangs alle 3ndash4 h an beiden Bruumlsten saugen Mit zunehmender Muttermilchmenge muss kein starrer Stillrhythmus mehr eingehal-ten werden sondern das Kind wird dann angelegt wenn es Hunger hat Die Muttermilchmenge deckt in der Regel am Ende der 1 Le-benswoche den Bedarf des Neugeborenen

gt Das reife Neugeborene soll in den ersten Lebenstagen zusaumltzlich zum regelmaumlszligigen Anlegen an der Brust nur Fluumlssigkeit angeboten bekommen bei normalem Anstieg der Muttermilchmenge ist keine Zufuumltterung von Milch-nahrung notwendig

7133 Ernaumlhrung des Fruumlhgeborenen

Aktivitaumlt von Verdauungsenzymen ist im Gastrointestinaltrakt be-reits ab 20 Schwangerschaftswochen nachzuweisen Deshalb ist die Resorption von kurzkettigen Kohlenhydraten und Protein auch bei unreifen Fruumlhgeborenen gut Fett wird allerdings von Fruumlhgebore-nen wegen geringer Lipaseaktivitaumlt und geringer Gallensaumlurenmen-ge nur unvollstaumlndig resorbiert

Auch wenn Saugbewegungen intrauterin bereits mit 22 Gestati-onswochen stattfinden wird eine effektive Saug-Schluck-Koordina-tion erst mit 32ndash34 Gestationswochen erreicht Auch die koordinier-te antegrade Peristaltik im Magen-Darm-Trakt entwickelt sich in diesem Zeitraum erst allmaumlhlich ( Abb 725)

Bei unreiferen Fruumlhgeborenen muss deshalb mit sehr kleinen Nahrungsmengen (3ndash5 ml pro Mahlzeit) begonnen und die Nah-rung in den Magen sondiert werden bis das Kind die Faumlhigkeit selbst zu trinken entwickelt hat

Die beste enterale Nahrung ist auch fuumlr das Fruumlhgeborene Muttermilch die allerdings wegen des hohen Naumlhrstoffbedarfs Fruumlhgeborener mit Kalorien Protein und Mineralstoffen angerei-

chert werden muss Da Fruumlhgeborene anfangs nur sehr kleine e nterale Nahrungsmengen vertragen ist eine zusaumltzliche parente-rale Ernaumlhrung notwendig bis der enterale Nahrungsaufbau voll-staumlndig ist

Literatur

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Tab 719 Bedarf an Fluumlssigkeit und Naumlhrstoffen von Fruumlh- und Neugeborenen in den ersten Lebenswochen im Vergleich zum Erwachsenen

Fruumlh-geborenes

Reif-geborenes

Erwachsener

Fluumlssigkeit [mlkg KGTag]

180 130 40ndash50

Kalorien [kcalkg KGTag]

130 110 30ndash40

Protein [gkg KGTag]

3 2ndash3 08

Gewichtszunahme [gkg KGTag]

15 8 0

Abb 757 Entwicklung der gastrointestinalen Motorik

  • III13Neonatologie und paumldiatrische Intensivmedizin
    • 713Neonatologie
      • Definitionen
      • Postnatale Adaptation
        • Lunge
        • Herz und Kreislauf
        • Temperaturregulation
        • Niere
        • Gastrointestinaltrakt
        • Eltern-Kind-Beziehung
        • Beurteilung der postnatalen Adaptation (Apgar-Schema)
        • Akut lebensbedrohliche Fehlbildungen der Neugeborenenperiode
          • Untersuchung des Neugeborenen
            • Zeitpunkte der Neugeborenenuntersuchung
            • Durchfuumlhrung der Neugeborenenuntersuchung
            • Neurologische Neugeborenenuntersuchung
            • Bestimmung der somatischen Reifezeichen
              • Reanimation Fruumlhund Neugeborener
                • Voraussetzungen zur Reanimation
                • Maszlignahmen der Neugeborenenreanimation
                  • Perinatale Schaumlden und ihre Folgen
                    • Asphyxie
                    • Hypoxisch-ischaumlmische Enzephalopathie (HIE)
                    • Geburtstraumatische Schaumlden
                      • Das Fruumlhgeborene
                        • Das Atemnotsyndrom Fruumlhgeborener
                        • Persistierender Ductus arteriosus (PDA)
                        • Wilson-Mikity-Syndrom
                        • Bronchopulmonale Dysplasie
                        • Retinopathia praematurorum
                        • Hirnblutungen des Fruumlhgeborenen
                        • Germinale Matrixblutung des Fruumlhgeborenen
                        • Andere intrazerebrale Blutungen bei Fruumlhgeborenen
                        • Periventrikulaumlre Leukomalazie
                        • Apnoen bei Fruumlhgeborenen
                          • Lungenerkrankungen des Neugeborenen
                            • Transitorische Tachypnoe
                            • Mekoniumaspirationssyndrom
                            • Pneumothorax
                            • Kongenitales lobaumlres Emphysem
                            • Lungenhypoplasie
                            • Zwerchfellhernie (Enterothorax)
                            • Neonatale Pneumonien
                            • Persistierende pulmonale Hypertonie (persistierende fetale Zirkulation)
                            • Lungenblutung
                            • Chylothorax
                            • Obstruktion der oberen Atemwege
                              • Bluterkrankungen
                                • Fetale Erythropoese
                                • Neonatale Anaumlmie
                                • Anaumlmie Fruumlhgeborener
                                • Polyzythaumlmie Hyperviskositaumltssyndrom
                                • Icterus neonatorum und Hyperbilirubinaumlmie
                                • Physiologischer Ikterus
                                • Muttermilchikterus
                                • Ikterus bei Fruumlhgeborenen
                                • Pathologische Hyperbilirubinaumlmie
                                • Morbus haemolyticus neonatorum
                                • Kernikterus Bilirubinenzephalopathie
                                • AB0-Erythroblastose
                                • Rh-Erythroblastose
                                • Weitere haumlmolytische Erkrankungen
                                • Direkte Hyperbilirubinaumlmie
                                • Weiszliges Blutbild Neugeborener
                                • Neonatale Thrombozytopenie
                                • Neonatale Alloimmunthrombozytopenie
                                • Koagulopathien
                                • Morbus haemorrhagicus neonatorum (Vitamin-K-Mangel)
                                  • Nekrotisierende Enterokolitis
                                  • Fetale und neonatale Infektionen
                                    • Besonderheiten des Immunsystems Neugeborener
                                    • Nichtbakterielle konnatale Infektionen
                                    • Roumlteln
                                    • Zytomegalie
                                    • Herpes simplex
                                    • Varizella-Zoster-Virus
                                    • Weitere konnatale Virusinfektionen
                                    • Toxoplasmose
                                    • Neugeborenensepsis
                                    • Meningitis
                                    • Osteomyelitis und septische Arthritis
                                    • Hautund Weichteilinfektionen
                                    • Omphalitis
                                    • Mastitis
                                    • Lokale Candidainfektionen
                                    • Neonataler Tetanus
                                    • Ophthalmia neonatorum
                                      • Neugeborenenkraumlmpfe
                                      • Metabolische Stoumlrungen
                                        • Hyperglykaumlmie
                                        • Hypoglykaumlmie
                                        • Fetopathia diabetica
                                        • Hypokalzaumlmie
                                          • Spezielle Aspekte der Ernaumlhrung Fruumlhund Neugeborener
                                            • Naumlhrstoffbedarf
                                            • Ernaumlhrung des reifen Neugeborenen
                                            • Ernaumlhrung des Fruumlhgeborenen
Page 2: Neonatologie - Springer...7.8.5 Icterus neonatorum und Hyperbilirubinämie – 168 7.8.6 Physiologischer Ikterus – 169 7.8.7 Muttermilchikterus – 169 7.8.8 Ikterus bei Frühgeborenen

77 Lungenerkrankungen des Neugeborenen ndash 159771 Transitorische Tachypnoe ndash 159772 Mekoniumaspirationssyndrom ndash 160773 Pneumothorax ndash 161774 Kongenitales lobaumlres Emphysem ndash 162775 Lungenhypoplasie ndash 162776 Zwerchfellhernie (Enterothorax) ndash 163777 Neonatale Pneumonien ndash 164778 Persistierende pulmonale Hypertonie

(persistierende fetale Zirkulation) ndash 164779 Lungenblutung ndash 1657710 Chylothorax ndash 1667711 Obstruktion der oberen Atemwege ndash 166

78 Bluterkrankungen ndash 167781 Fetale Erythropoese ndash 167782 Neonatale Anaumlmie ndash 167783 Anaumlmie Fruumlhgeborener ndash 168784 Polyzythaumlmie Hyperviskositaumltssyndrom ndash 168785 Icterus neonatorum und Hyperbilirubinaumlmie ndash 168786 Physiologischer Ikterus ndash 169787 Muttermilchikterus ndash 169788 Ikterus bei Fruumlhgeborenen ndash 170789 Pathologische Hyperbilirubinaumlmie ndash 1707810 Morbus haemolyticus neonatorum ndash 1707811 Kernikterus Bilirubinenzephalopathie ndash 1707812 AB0-Erythroblastose ndash 1717813 Rh-Erythroblastose ndash 1717814 Weitere haumlmolytische Erkrankungen ndash 1737815 Direkte Hyperbilirubinaumlmie ndash 1737816 Weiszliges Blutbild Neugeborener ndash 1737817 Neonatale Thrombozytopenie ndash 1747818 Neonatale Alloimmunthrombozytopenie ndash 1747819 Koagulopathien ndash 1757820 Morbus haemorrhagicus neonatorum (Vitamin-K-Mangel) ndash 175

79 Nekrotisierende Enterokolitis ndash 175

710 Fetale und neonatale Infektionen ndash 1777101 Besonderheiten des Immunsystems Neugeborener ndash 1777102 Nichtbakterielle konnatale Infektionen ndash 1787103 Roumlteln ndash 1787104 Zytomegalie ndash 1797105 Herpes simplex ndash 1797106 Varizella-Zoster-Virus ndash 1807107 Weitere konnatale Virusinfektionen ndash 180

127

C P Speer M Gahr (Hrsg) PaumldiatrieDOI 101007978-3-642-34269-1_7 copy Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

7108 Toxoplasmose ndash 1817109 Neugeborenensepsis ndash 18271010 Meningitis ndash 18571011 Osteomyelitis und septische Arthritis ndash 18671012 Haut- und Weichteilinfektionen ndash 18671013 Omphalitis ndash 18771014 Mastitis ndash 18771015 Lokale Candidainfektionen ndash 18771016 Neonataler Tetanus ndash 18771017 Ophthalmia neonatorum ndash 187

711 Neugeborenenkraumlmpfe ndash 187

712 Metabolische Stoumlrungen ndash 1897121 Hyperglykaumlmie ndash 1897122 Hypoglykaumlmie ndash 1897123 Fetopathia diabetica ndash 1907124 Hypokalzaumlmie ndash 190

713 Spezielle Aspekte der Ernaumlhrung Fruumlh- und Neugeborener ndash 1907131 Naumlhrstoffbedarf ndash 1907132 Ernaumlhrung des reifen Neugeborenen ndash 1917133 Ernaumlhrung des Fruumlhgeborenen ndash 191

Literatur ndash 191

Kapitel 7 middot Neonatologie128

7

EinleitungNoch vor 20 Jahren war die haumlufigste Todesursache Fruumlhgeborener das akute Lungenversagen Die sensationellen Ergebnisse von Mary Ellen Avery ebneten dann den Weg fuumlr eine kausale Therapie des Atemnot-syndroms ME Avery beobachtete dass die Lungen eines verstorbenen Fruumlhgeborenen luftleer und raquoschwerlaquo waren und kein raquoschaumlumendes Materiallaquo (raquofoamlaquo) enthielten Wie sie durch Experimente belegen konn-te fehlte diesen Lungen in der Tat eine Substanz die die Oberflaumlchen-spannung in den Alveolen vermindert das pulmonale Surfactant Die 1959 publizierten Ergebnisse ihrer Untersuchungen fanden zunaumlchst nicht die ihnen gebuumlhrende Aufmerksamkeit Um die weitere Resonanz auf ihre Entdeckung zu beschreiben verweist ME Avery gerne darauf hin dass sich neues Wissen in 3 Phasen verbreitet Die 1 Phase in der neue Ergebnisse bekannt gegeben werden wird meist ignoriert In der 2 Phase rufen die inzwischen von anderen nicht mehr zu leugnenden Ergebnisse Feindseligkeiten hervor in der 3 und letzten Phase besteht eine generelle Uumlbereinstimmung daruumlber dass man schon immer von dieser Tatsache ausgegangen sei

71 Definitionen

Die Erfolge der Neonatalmedizin liegen unter anderem an der fruuml-hen Einfuumlhrung qualitaumltssichernder Maszlignahmen durch die Erstel-lung und Auswertung standardisierter Berichte uumlber alle Geburten (Perinatalerhebung) und alle stationaumlren Aufenthalte von Neuge-borenen (Neonatalerhebung)

Fuumlr die Qualitaumltskontrolle und die Vergleichbarkeit von Thera-pieergebnissen in der Neugeborenenmedizin sind einheitliche und verbindliche Definitionen von Krankheitsbildern und Zustaumlnden erstellt worden Diese Einteilungen sind von sehr groszliger klinischer Bedeutung da sie Neugeborene mit unterschiedlichen Erkran-kungsrisiken definieren So machen z B die Neugeborenen mit ei-nem Geburtsgewicht lt1500 g nur 08ndash15 aller Lebendgeborenen aus verursachen aber bis zu 65 der neonatalen Mortalitaumlt Neuge-

borene werden nach dem Gestationsalter dem Geburtsgewicht und dem Geburtsgewicht bezogen auf das Gestationsalter unterteilt ( Abb 71 und Tab 71)

Die Einteilung nach dem Gestationsalter (d h Dauer der Schwangerschaft vom 1 Tag der letzten Menstruation bis zur Geburt) beschreibt den Grad der Organreife Das Gestationsalter kann aber nur selten genau gemessen werden sondern ist eine anamnestische Angabe mit einer gewissen Ungenauigkeit Die Ein-teilung nach dem Geburtsgewicht das eine messbare Groumlszlige ist wird in den USA haumlufig benutzt Dadurch werden allerdings unter dem Begriff raquolow birth-weight infantlaquo hypotrophe Neugeborene und Fruumlhgeborene die beide deutlich unterschiedliche Krankheits-profile haben zusammengefasst Die Einteilung nach dem Ge-burtsgewicht bezogen auf das Gestationsalter ermoumlglicht die Unterscheidung von hypotrophen eutrophen und hypertrophen Neugeborenen

gt Die neonatale Mortalitaumlt (Anzahl der in den ersten 28 Lebenstagen verstorbenen Neugeborenen pro 1000 Lebendgeborene) als Maszlig fuumlr die Qualitaumlt der Neuge-borenenversorgung ist in Deutschland zwischen 1970 und 1991 von 17 auf 41000 gesunken und seither auf diesem geringen Niveau stabil

72 Postnatale Adaptation

Die Geburt ist die dramatischste Aumlnderung der Lebensumstaumlnde im menschlichen Leben Innerhalb weniger Minuten finden zahlreiche physiologische Veraumlnderungen das Kennenlernen der Eltern und das Erleben einer neuen Sinneswelt statt ( Tab 72) Die Aufgabe des Kinderarztes ist es zusammen mit dem Geburtshelfer die post-natale Adaptation zu beobachten und wenn noumltig zu unterstuumltzen ohne durch zu viele Maszlignahmen diesen fuumlr das Neugeborene und seine Eltern wichtigen Augenblick zu stoumlren

Abb 71 Einteilung von Neugeborenen nach Gestationsalter und Geburtsgewicht

Tab 71 Definitionen zur Einteilung von Neugeborenen

Einteilung nach Gestations-alter (GA)

Fruumlhgeborenes GA lt37 Wochen (lt260 Tage)

Termingeborenes GA 37ndash42 Wochen (260ndash293 Tage)

Uumlbertragenes Neugeborenes

GA gt42 Wochen (gt293 Tage)

Einteilung nach Geburts-gewicht

Geburtsgewicht lt2500 g raquolow birth weight infantlaquo

Geburtsgewicht lt1500 g raquovery low birth weight infantlaquo

Geburtsgewicht lt1000 g raquoextremely low birth weight infantlaquo

Einteilung nach Geburts-gewicht bezogen auf das Gestations-alter

Hypotrophes Neu-geborenes (raquosmall for gestational agelaquo SGA)

Geburtsgewicht lt10 Perzentile

Eutrophes Neugeborenes (raquoappropriate for gesta-tional agelaquo AGA)

Geburtsgewicht 10ndash90 Perzentile

Hypertrophes Neuge-borenes (raquolarge for gestational agelaquo LGA)

Geburtsgewicht gt90 Perzentile

712972 middot Postnatale Adaptation

721 Lunge

Intrauterin Die Lunge ist intrauterin ein fluumlssigkeitsgefuumllltes Organ in dem kein Gasaustausch stattfindet Es besteht ein staumln-diger Einstrom von Fluumlssigkeit aus dem Lungengewebe in den sich entwickelnden Bronchialbaum und von dort uumlber die Trachea ins Fruchtwasser Ab der 20 Schwangerschaftswoche lassen sich spo-radische Thoraxbewegungen feststellen mit denen Fluumlssigkeit ein- und ausgeatmet wird Die Surfactantproduktion durch die Typ-II-Pneumozyten nimmt ab 24 Schwangerschaftswochen deutlich zu

CaveEine deutlich verminderte Fluumlssigkeitsfuumlllung der fetalen Lunge bei Ahydramnie oder persistierendem vorzeitigen Blasensprung kann in der vulnerablen Phase der Lungenentwicklung zu einer schweren Lungen-hypoplasie fuumlhren

Fehlende intrauterine Atemexkursionen bei neuromuskulaumlren Er-krankungen der Feten oder schweren Thoraxdysyplasien koumlnnen ebenfalls das normale Lungenwachstum nachhaltig beeintraumlchtigen

Postnatal Innerhalb weniger Atemzuumlge muss sich die Lunge mit Luft fuumlllen durchblutet werden und eine regelmaumlszligige Atmung ein-setzen damit nach der Durchtrennung der Nabelschnur kein Sauer-stoffmangel entsteht

Adaptationsvorgaumlnge Bereits einige Tage vor der Geburt beginnt sich der Fluumlssigkeitsstrom in der Lunge umzukehren anstelle des Fluumlssigkeitseinstroms in die Alveolen beginnt eine Fluumlssigkeitsre-sorption Bereits mit dem ersten Atemzug bei dem das Neuge-borene einen Sog von bis zu 100 cm H2O aufbringt werden groszlige Teile der Lunge mit Luft gefuumlllt der verbleibende Fluumlssigkeitsfilm an der Alveolarwand wird im Lauf der naumlchsten Stunden resorbiert Verzoumlgert sich diese Fluumlssigkeitsresorption so kommt es zur transienten Tachypnoe des Neugeborenen Der in der Lunge vor-handene Surfactant reicht beim Reifgeborenen aus um die an der Grenzflaumlche Luft-Fluumlssigkeit auftretende Oberflaumlchenspannung so zu verringern dass es nicht zu einem Kollaps der Alveolen kommt Der initiale paO2-Abfall und paCO2-Anstieg afferente Reize durch die Lungendehnung und Kaumlltereize setzen die Atem-exkursionen in Gang und fuumlhren zum kontinuierlichen postnatalen Atemtyp

722 Herz und Kreislauf

Intrauterin Zum Blutkreislauf des Feten gehoumlren die Nabelschnur-gefaumlszlige und der fetale Teil der Plazenta Deshalb ist das Blutvolumen des Feten doppelt so groszlig wie das des Neugeborenen Nur 10 des Blutes flieszligen durch die Lunge da der Widerstand im Pulmonal-kreislauf hoch ist 90 des Blutes im rechten Herzen gelangen an der Lunge vorbei uumlber das offene Foramen ovale vom rechten in den linken Vorhof oder uumlber den Ductus arteriosus aus der Arteria pul-monalis in die Aorta ( Abb 72)

Postnatal Foramen ovale und Ductus arteriosus sind verschlossen Das gesamte Herzzeitvolumen flieszligt durch die Lunge

Tab 72 Gegenuumlberstellung der intra- und extrauterinen Lebensumstaumlnde

Organ Intrauterin Extrauterin

Lungen Fluumlssigkeitsgefuumlllt hoher pulmonaler Gefaumlszlig-widerstand sporadische Atemexkursionen

Luftgefuumlllt Abfall des pulmonalen Widerstandes regelmaumlszligige Atemzuumlge

Kreislauf 10 des Herzminutenvolumens durch die Lunge Rechts-links-Shunt uumlber Foramen ovale und Ductus arteriosus

100 des Herzminutenvolumens durch die Lunge Foramen ovale und Ductus arteriosus verschlossen

Thermoregulation Keine Thermoregulation erforderlich Waumlrmeproduktion und Minimierung von Waumlrmeverlusten

Ernaumlhrung Kontinuierlich uumlber Plazenta Intermittierend enteral (Saugen Schlucken Peristaltik Verdauung)

Niere Produktion von Fruchtwasser Regulation von Wasser-Elektrolyt- und Saumlure-Basen-Haushalt

Sinneswelt Dunkel gedaumlmpfte Geraumlusche gleichmaumlszligig warm raquoschwereloslaquo

Hell laut Temperaturwechsel Schwerkraft

Abb 72 Schema des fetalen Kreislaufs mit Sauerstoffpartialdruumlcken in verschiedenen Gefaumlszligen

Kapitel 7 middot Neonatologie130

7Adaptationsvorgaumlnge Die Beluumlftung der Lunge induziert eine Vasodilatation im Pulmonalkreislauf Die Erhoumlhung des paO2 von 30 auf 60ndash99 Torr im Blut das den Ductus arteriosus durchstroumlmt fuumlhrt zu Konstriktion und funktionellem Verschluss des Ductus der Druckanstieg im kindlichen Koumlrperkreislauf leitet nach dem Wegfall des plazentaren Niederdrucksystems den funktionellen Verschluss des Foramen ovale ein

723 Temperaturregulation

Intrauterin Waumlrme ist fuumlr den Feten ein Nebenprodukt des Stoff-wechsels Obwohl ein Groszligteil dieser Waumlrme uumlber die Plazenta ab-gefuumlhrt wird liegt die Koumlrpertemperatur des Feten dadurch um 05degC uumlber der Koumlrpertemperatur der Mutter Intrauterin benoumltigt der Fetus keine eigene Waumlrmeregulation

Postnatal Die Umgebungstemperatur liegt 15ndash20degC unter der Koumlrpertemperatur und es treten Waumlrmeverluste durch Strahlung (kuumlhle Raumwaumlnde) Konvektion (kuumlhle bewegte Luft) und Ver-dunstung (trockene Luft) auf Um die Koumlrpertemperatur konstant zu halten muumlssen die auftretenden Waumlrmeverluste durch Waumlrme-produktion ausgeglichen werden

Adaptationsvorgaumlnge Das Neugeborene verringert Waumlrmever-luste durch Vasokonstriktion in der Haut und produziert Waumlrme im braunen Fettgewebe Nur Neugeborene besitzen dieses braune Fettgewebe das zwischen den Schulterblaumlttern hinter dem Herzen und den groszligen Gefaumlszligen liegt die dort produzierte Waumlrme verteilt sich rasch im Koumlrper Die Braunfaumlrbung des Gewebes entsteht durch den hohen Anteil an Mitochondrien Die Fettoxidation ist durch das so genannte raquouncoupling proteinlaquo von der ATP-Produktion abge-koppelt und erlaubt eine direkte und rasche Waumlrmeproduktion Trotz dieses Adaptationsmechanismus uumlbertreffen die Waumlrmever-luste eines unbekleideten reifen Neugeborenen in Raumtemperatur (22degC) seine Waumlrmeproduktion und es besteht die Gefahr der Aus-kuumlhlung ( Abb 73)

gt Um eine postnatale Auskuumlhlung zu verhindern wird ein reifes Neugeborenes nach der Geburt gut abgetrocknet in direktem Hautkontakt der Mutter auf die Brust gelegt und mit einem trockenen Tuch zugedeckt

724 Niere

Intrauterin Die Plazenta uumlbernimmt die Ausscheidungsfunktion der Nieren Die Aufgabe der fetalen Nieren ist die Produktion von Fruchtwasser das zum groszligen Teil fetaler Urin ist Fehlt das Frucht-wasser kommt es zur Lungenhypoplasie

Postnatal Die Nieren muumlssen die Fluumlssigkeits- und Elektrolytho-moumlostase aufrechterhalten Stoffwechselprodukte ausscheiden und den Saumlure-Basen-Haushalt ausgleichen

Adaptationsvorgaumlnge Der erste Urin wird oft bei oder unmittelbar nach der Geburt abgesetzt und nach einer Pause setzt dann inner-halb von 24 h die Diurese ein In den ersten Lebenstagen reduziert das Neugeborene als Adaptation an das trockene extrauterine Milieu seinen groszligen Extrazellulaumlrraum Durch die Fluumlssigkeitsausschei-dung kommt es zur physiologischen postnatalen Gewichtsabnah-me von maximal 10 des Geburtsgewichts

Die Filtrationsleistung der Nieren betraumlgt beim Neugeborenen nur 110ndash16 des Erwachsenen und auch die Tubuli sind deutlich weniger leistungsfaumlhig Trotzdem kann die Niere des Neugeborenen die Homoumlostase in der Regel aufrechterhalten

gt Da die Regulationsfaumlhigkeit der Niere des Neugeborenen geringer ist ist das Risiko einer Hyperhydratation sowie einer Dehydratation groumlszliger als beim Erwachsenen

725 Gastrointestinaltrakt

Intrauterin Die Ernaumlhrung des Feten erfolgt uumlber die Plazenta Der Fet schluckt und resorbiert Fruchtwasser und reguliert damit das Fruchtwasservolumen

CaveEin Polyhydramnion kann Symptom einer gastrointestina-len Obstruktion (z B Oumlsophagusatresie Duodenalatresie) oder einer Schluckstoumlrung des Feten sein

Postnatal Die Ernaumlhrung erfolgt durch die Resorption von Naumlhr-stoffen aus dem Gastrointestinaltrakt

Adaptationsvorgaumlnge 70 der Neugeborenen setzen innerhalb der ersten 12 Lebensstunden Mekonium den ersten Stuhl ab die restlichen Neugeborenen innerhalb von 48 h Mekonium ist gruumln-lich-schwarz und besteht aus eingedickter Galle Lanugo und Zell-detritus Beim reifen Neugeborenen ist der Saug- und Schluckreflex ausreichend entwickelt so dass orale Nahrung aufgenommen werden kann Die Nahrungsmenge wird langsam gesteigert bis sich eine koordinierte gastrointestinale Peristaltik entwickelt hat

726 Eltern-Kind-Beziehung

Die Geburt ist ein wichtiger Augenblick fuumlr die Entwicklung der Eltern-Kind-Beziehung Die Eltern sehen zum ersten Mal das lange erwartete Kind und auch das gesunde reife Neugeborene ist in der ersten Stunde nach der Geburt wach und aufmerksam Augen- und Hautkontakt zum Neugeborenen sind in dieser Phase der Entwick-lung der Eltern-Kind-Beziehung besonders foumlrderlich Zudem sollte das gesunde reife Neugeborene bereits im Kreiszligsaal an die Brust der Mutter angelegt werden weil dadurch das spaumltere erfolgreiche Stil-len beguumlnstigt wird

Abb 73 Waumlrmebilanz eines unbekleideten reifen Neugeborenen bei Raumtemperatur

713173 middot Untersuchung des Neugeborenen

727 Beurteilung der postnatalen Adaptation (Apgar-Schema)

Zur Beurteilung der postnatalen Adaptation hat sich das von der amerikanischen Anaumlsthesistin Virginia Apgar eingefuumlhrte Apgar-Schema ohne Zweifel bewaumlhrt ( Tab 73) Dr Apgarrsquos primaumlres Ziel war es Neugeborene zu identifizieren die unmittelbar postnatal deprimiert waren und eine unverzuumlgliche Hilfe benoumltigten

gt Der Apgar-Wert wird 1 5 und 10 min nach der Geburt erhoben

Der 1-min-Apgar-Wert dient zur Identifikation der Neugeborenen die sofortiger Hilfe beduumlrfen Fuumlr die neonatale Mortalitaumlt und spaumltere neurologische Morbiditaumlt kommt dem 5-min Apgar-Score eine gewisse prognostische Bedeutung zu

728 Akut lebensbedrohliche Fehlbildungen der Neugeborenenperiode

2ndash3 der Neugeborenen haben angeborene Fehlbildungen die mit bedeutsamer Behinderung einhergehen oder lebensbedrohend sind 3ndash4 der Neugeborenen haben geringfuumlgige Fehlbildungen Durch die praumlnatale Ultraschalldiagnostik koumlnnen zahlreiche angeborene Fehlbildungen bereits vor der Geburt erkannt werden ( Abb 74) Bei intrauteriner Diagnose einer angeborenen Fehlbildung sollten die Eltern von Geburtshelfern Neonatologen und Kinderchirurgen gemeinsam beraten werden und der Geburtsmodus und das post-natale Vorgehen festgelegt werden

73 Untersuchung des Neugeborenen

731 Zeitpunkte der Neugeborenenuntersuchung

4 Bei jedem Neugeborenen werden vorgeschriebene Vorsorge-untersuchungen gemacht

4 die U1 in den ersten 4 Lebensstunden 4 die U2 im Alter von 3ndash10 Tagen 4 die U3 am Ende der Neonatalperiode im Alter von

4ndash6 Wochen

Auszligerdem hat sich eine zusaumltzliche Untersuchung im spaumlteren Ver-lauf des 1 Lebenstages als nuumltzlich erwiesen Jeder Untersuchungs-zeitpunkt hat eigene Untersuchungsschwerpunkte und beinhaltet zusaumltzliche praumlventive Maszlignahmen

732 Durchfuumlhrung der Neugeborenenuntersuchung

AnamneseZuerst sollte die Schwangerschafts- und Geburtsanamnese er-hoben werden 4 Alter der Mutter Anzahl und Ausgang vorausgegangener

Schwangerschaften 4 jetzige Schwangerschaft Dauer Komplikationen oder

Erkrankungen der Mutter in der Schwangerschaft Medi-kamente Blutgruppe der Mutter Schwangerenvorsorge Mutterpass

4 Geburtsmodus Geburtsdauer Risikofaktoren fuumlr eine Amnion infektion (vorzeitiger Blasensprung Fieber bei Ge-burt) Fruchtwasser Nabelarterien-pH

4 Erstversorgung Apgar-Score

Tab 73 Apgar-Schema zur Beurteilung der postnatalen Adaptation

0 Punkte 1 Punkt 2 Punkte

Aussehen Hautfarbe Blass oder zyanotisch Stamm rosig Akrozyanose Ganz rosig

Puls (Herzfrequenz) Keine lt100min gt100min

Gesichtsmimik bei Stimulation Keine Grimassieren Schreien

Aktivitaumlt (Muskeltonus) Schlaff Geringe Extremitaumltenflexion Kraumlftig aktive Bewegung

Respiration (Atmung)Bestimmung nach 12 und 10 min Keine Langsam unregelmaumlszligig Regelmaumlszligig kraumlftig

Abb 74a b Praumlnatale Diagnose eines fetalen Spaltfuszliges mit Hilfe der 3-D-Sonographie (a) klinischer Befund nach der Geburt (b)

a b

Exkurs

Neugeborenenscreening auf Stoffwechselstoumlrungen

Am 5 Lebenstag wird bei allen Neugeborenen ein Screening auf folgende angeborene Stoffwechselstoumlrungen durchgefuumlhrt (7 Kap 51)

4 Hypothyreose (14000 Lebendgeborene) Messung der TSH-Konzentration

4 Phenylketonurie (17000 Lebendgeborene) semiquantitative Bestimmung des Phenylalaninspiegels

4 Galaktosaumlmie (140000 Lebendgeborene) semiquantitative Bestimmung der Uridyltransferaseaktivitaumlt

Kapitel 7 middot Neonatologie132

7

UntersuchungsablaufDie Qualitaumlt einer Neugeborenenuntersuchung haumlngt vom Koumlnnen und der Erfahrung des Untersuchers ab sie erfordert ausreichend Zeit und ein Eingehen auf das Neugeborene und seine Eltern

10 Grundregeln fuumlr die Neugeborenenuntersuchung 4 1 Die Untersuchung soll in einem warmen Raum auf

einer warmen Unterlage erfolgen 4 2 Das Licht soll hell aber nicht grell sein 4 3 Zur Untersuchung soll das Neugeborene vollstaumlndig

entkleidet werden 4 4 Der beste Untersuchungszeitpunkt ist 2ndash3 h nach der

letzten Mahlzeit wenn das Neugeborene wach aber ruhig ist

4 5 Die Eltern sollen bei der Untersuchung anwesend sein 4 6 Das Neugeborene soll immer erst in Ruhe beobachtet

werden bevor Untersuchungen vorgenommen werden 4 7 Immer mit den Untersuchungen beginnen die das

Neugeborene am wenigsten irritieren und belasten 4 8 Bei der Untersuchung soll mit dem Neugeborenen ge-

sprochen werden und nicht nur uumlber das Neugeborene 4 9 Auch harmlose Befunde die aber unerfahrene Eltern

beunruhigen koumlnnen sollen erklaumlrt und demonstriert werden (z B Fuumlhlen der Fontanelle)

4 10 Alle Fragen der Eltern sollen in Ruhe und ausfuumlhrlich beantwortet werden

Der Ablauf der koumlrperlichen Untersuchung soll flexibel dem ein-zelnen Neugeborenen angepasst werden Folgende prinzipielle Vor-gehensweise hat sich bewaumlhrt zuerst wird das Neugeborene be-obachtet ohne es durch raquoAnfassenlaquo zu irritieren Dabei werden Aussehen Spontanatmung Spontanhaltung und Spontanmotorik beurteilt Solange das Neugeborene noch ruhig ist erfolgt danach die Auskultation von Herz und Lunge Die weitere Untersuchung er-folgt vom Kopf zu den Zehen

gt Zur Neugeborenenuntersuchung gehoumlren neben der allgemeinen koumlrperlichen Untersuchung die Bestimmung der somatischen Reifezeichen die Suche nach Geburts-verletzungen und nach Fehlbildungen

Untersuchung der einzelnen KoumlrperregionenIn diesem Abschnitt sind wichtige Untersuchungsinhalte und haumlufi-ge Befunde fuumlr die einzelnen Koumlrperregionen des Neugeborenen aufgefuumlhrt ( Tab 74) Geburtsverletzungen (7 Abschn 753) und Dysmorphiezeichen sind andernorts abgehandelt

Haut Akrozyanose (haumlufig bei kalten Haumlnden Fuumlszligen) zentrale Zyanose (Zunge) Blaumlsse Plethora Oumldeme marmoriertes Haut-kolorit graues Munddreieck Ikterus 4 Storchenbiss (Naevus simplex) angeborene Teleangiektasien

symmetrisch auf Stirn Oberlidern Nase Oberlippe und im Nacken die im Gesicht meist bis zum 3 Lebensjahr verschwin-den im Nacken aber haumlufig persistieren Differenzialdiagnose Naevus flammeus Haumlmangiome

4 Milien zahlreiche punktfoumlrmige weiszlige Papeln auf dem Nasen-ruumlcken und am Kinn durch transiente Keratinzysten Milien verschwinden ohne Therapie

4 Waschfrauenhaumlnde Schuppung und Abschilferung der Haut an Handinnenflaumlchen und Fuszligsohlen bei Uumlbertragung oder Plazentainsuffizienz

4 Neugeborenenexanthem (Erythema toxicum neonatorum) nichtinfektioumlse transiente erythematoumlse Makulae zum Teil mit zentraler gelblicher Papel die meist am Stamm zwischen dem 3 und 7 Lebenstag auftreten ( Abb 75) Im Direktpraumlparat im Wesentlichen eosinophile Granulozyten Differenzialdiag-nose Staphylodermie

4 Transiente neonatale pustuloumlse Melanose Dabei handelt es sich vermutlich um eine selten auftretende Variante des Ery-thema toxicum neonatorum Die Pusteln und Vesikel sind be-reits bei der Geburt vorhanden und nicht von einem erythema-toumlsen Hof umgeben Die abgeheilten Laumlsionen hinterlassen oft hyperpigmentierte Maculae die fuumlr 2ndash3 Monate persistieren koumlnnen ( Abb 76)

Kopf Messung des frontookzipitalen Kopfumfangs (Makrozephalie Mikrozephalie) Groumlszlige und Konsistenz der Fontanellen Schaumldel-naumlhte Die Schaumldelform ist abhaumlngig vom Geburtsmodus nach vagi-naler Entbindung sind haumlufig die Scheitelbeine uumlber die Stirnbeine geschoben

Tab 74 Haumlufige Befunde bei der koumlrperlichen Untersuchung des Neugeborenen

Koumlrperregion Haumlufige Befunde

Haut raquoStorchenbisslaquo Milien Waschfrauenhaumlnde Neugeborenenexanthem

Kopf Geburtsgeschwulst Kephalhaumlmatom

Augen Subkonjunktivale Einblutung Konjunktivitis

Mund Retentionszysten (Epstein-Perlen)

Hals Haumlmatom des M sternocleidomastoideus

Thorax Klavikulafraktur Brustdruumlsenschwellungen

Nabel Naumlssender Nabel Nabelgranulom

Weibliches Genitale Vaginalsekretion Hymenalpolyp

Maumlnnliches Genitale

Physiologische Phimose unvollstaumlndiger Descensus testis

Extremitaumlten Huumlftdysplasie Polydaktylie 4-Fingerfurche Sichelfuszlighaltung

Wirbelsaumlule Lumbosakrales Hautgruumlbchen

Abb 75 Neugeborenenexanthem

713373 middot Untersuchung des Neugeborenen

4 Geburtsgeschwulst oumldematoumls-teigige Kopfhautschwellung meist parietookzipital verschwindet in den ersten Lebens-tagen

4 Kephalhaumlmatom prallelastische Schwellung die durch die Schaumldelnaumlhte begrenzt wird nach subperiostaler Einblutung haumlufig parietookzipital kann uumlber Monate persistieren und am Rand verknoumlchern die raquoVerknoumlcherunglaquo loumlst sich in der Regel bis zum Ende des 1 Lebensjahres wieder auf

Augen Roter Pupillenreflex Konjunktivitis Kolobom Stellung der Lidachsen Kongenitale Katarakt bei direktem Lichteinfall Leuko-korie (weiszliglicher Pupillenreflex) bei seitlichem Lichteinfall raquoPupil-lentruumlbunglaquo Normal sind symmetrische Stellung und koordinierte Bewegungen Bei ploumltzlichem hellen Licht schlieszligt das Neugeborene geblendet die Augen 4 Subkonjunktivale Einblutungen entstehen durch den Press-

druck unter der Geburt harmlos 4 Konjunktivitis meist nichtinfektioumls durch chemische oder

physikalische Irritation Differenzialdiagnose infektioumlse Konjunktivitis (Chlamydien)

gt Das Neugeborene oumlffnet oft spontan die Augen wenn es aufrecht gehalten wird

Mund Physiologische Retrogenie auf Spaltbildungen in Lippen Kiefer hartem und weichem Gaumen achten Mikrogenie Retroge-nie Glossophthose Pierre-Robin-Sequenz raquoneonatalelaquo Zaumlhne 4 Retentionszysten (Epstein-Perlen) weiszligliche Knoumltchen laumlngs

der Mittellinie am Gaumen oder den Zahnleisten 4 Bednarrsquosche Aphthen ulzerative Laumlsionen am Gaumenbogen

aumltiologisch unklare in den ersten Lebenstagen auftretende zT eindrucksvolle ulzerative Laumlsionen transient keine Therapie

Hals Schiefhals Struma Halszysten 4 Sternocleidomastoideushaumlmatom kirschgroszlige harte

schmerzlose Verdickung im Muskel nach geburtstraumatisch bedingter Einblutung Die nachfolgende Vernarbung kann zum Schiefhals fuumlhren mit Neigung des Kopfes zur kranken und Drehung des Kopfes zur gesunden Seite Physiotherapie

Thorax Brustkorb fast kreisrund Rippen weich 4 Brustdruumlsenschwellung treten zwischen dem 3 und 7 Lebens-

tag meist beidseits bei maumlnnlichen und weiblichen Neugebore-nen auf Roumltung und Uumlberwaumlrmung ist moumlglich es kann sogar

zu einer kolostrumaumlhnlichen Sekretion kommen (raquoHexen-milchlaquo) Ursache sind diaplazentar uumlbergetretene muumltterliche Hormone ( Abb 77) Differenzialdiagnose eitrige Mastitis

4 Klavikulafraktur Schmerzempfindung im Bereich der betrof-fenen Schulterregion Schonung des Arms auf der betroffenen Seite nach einer Woche tastbarer Kugelkallus

Herz und Kreislauf Zyanose Blaumlsse Oumldeme Lage des Herzspitzen-stoszliges periphere Pulse an oberer und unterer Extremitaumlt Herz-frequenz und Herzrhythmus Blutdruck Herztoumlne Herzgeraumlusch ( Tab 75) Systolische Herzgeraumlusche in den ersten Lebenstagen sind haumlufig funktionell oder durch einen noch nicht komplett ver-schlossenen Ductus arteriosus verursacht und verschwinden haumlufig nach einigen Tagen Nur 8 der Neugeborenen mit einem Herz-geraumlusch haben ein Vitium cordis

CaveFehlende Pulse an der unteren Extremitaumlt sind pathognomonisch fuumlr eine Aortenisthmusstenose

Lunge Die Atemfrequenz liegt in Ruhe zwischen 22ndash40min Bauchatmung und pueriles Atemgeraumlusch mit houmlrbarem Exspiri-um sind beim Neugeborenen physiologisch Dyspnoezeichen sind Nasenfluumlgeln (Erweiterung der Nasenloumlcher bei der Einatmung) Einziehungen (interkostal subkostal jugulaumlr) Stridor und exspira-torisches Stoumlhnen

Abb 76 Transitorische neonatale pustuloumlse Melanose die bereits bei der Geburt des Neugeborenen nachweisbar war

Abb 77 Brustdruumlsenschwellungen und kolostrumaumlhnliche Sekretion (raquoHexenmilchlaquo) bei einem Neugeborenen

Tab 75 Wichtige Normalwerte bei reifen Neugeborenen

Koumlrpergewicht [g] 3500 (3000ndash4300)

Laumlnge [cm] 50 (46ndash58)

Frontookzipitaler Kopfumfang [cm] 34 (325ndash365)

Herzfrequenz [min] 125 (70ndash190)

Atemfrequenz [min] 30 (22ndash40)

Systolischer Blutdruck [mmHg] 60 (50ndash70)

Diastolischer Blutdruck [mmHg] 35 (28ndash45)

50 Perzentile (10ndash90 Perzentile)

Kapitel 7 middot Neonatologie134

7

Abdomen Das Abdomen des Neugeborenen ist ausladend da die Bauchwandmuskulatur schwach ausgepraumlgt ist haumlufig besteht eine Rektusdiastase Lebergroumlszlige (normal bis 2 cm unter dem Rippen-bogen) Milzgroumlszlige Lage und Aussehen der Analoumlffnung Abdomen-distension und Abwehrspannung sollten untersucht werden 4 Zystische abdominelle Tumoren Hydronephrose multizys-

tisch-dysplastische Nieren Nebennierenblutung Hydrometro-kolpos Darmduplikaturen Choledochuszyste Ovarialzyste

4 Solide abdominelle Tumoren Neuroblastom Wilms-Tumor Teratom Nierenvenenthrombose Pylorushypertrophie

Nabel Sekretion Roumltung Hernie Normalerweise trocknet die Nabelschnur bis zum 6ndash10 Lebenstag ein und faumlllt dann ab

4 Naumlssender Nabel nach Abfallen des Nabelstumpfes auftretende geringe seroumlse Sekretion aus dem Nabel ohne Roumltung Falls 2 Wochen nach dem Abfallen der Nabelschnur der Nabel weiter sezerniert kommen folgende Differenzialdiagnosen in Frage

4 Nabelgranulom am Nabelgrund mit seroumls-blutiger Sekretion 4 Ductus omphaloentericus (zwischen Nabel und Darm) oder

Urachusfistel (zwischen Nabel und Blase) 4 Omphalitis Roumltung und Schwellung des Nabelrings mit

eitriger Sekretion

gt Der Nabel soll nicht mit Puder oder Nabelbinde versorgt sondern unverbunden und trocken belassen werden

Maumlnnliches Genitale Hydrozele Hypospadie Hoden tastbar im Skrotum oder im Leistenkanal Hodengroumlszlige 4 Phimose ist beim Neugeborenen physiologisch

Weibliches Genitale Klitorisgroumlszlige Vaginalsekretion ( Abb 78) 4 Hymenalpolyp Zipfel des hypertrophierten Hymens der aus

der Scheide ragt ndash Normvariante 4 Vaginalsekretion weiszligliches manchmal leicht blutiges Sekret

bei Abstoszligung des durch muumltterliche Hormone proliferierten Endometriums

Extremitaumlten Beweglichkeit Schonhaltung Beinlaumlngendifferenz Huumlftdysplasie 4 Kongenitale Huumlftdysplasie Bei kongenitaler Huumlftdysplasie

sind klinische Zeichen wie Abspreizhemmung der Oberschen-

kel Faltenasymmetrie oder Beinlaumlngendifferenz nicht zuverlaumls-sig Der Ortolani-Test (Ausrenken und Wiedereinrenken der dysplastischen Huumlfte) wird heute nicht mehr empfohlen Bei klinischer Untersuchung auf Instabilitaumlt der Huumlften achten

gt Die adaumlquate Diagnostik zum Ausschluss einer Huumlft-dysplasie ist heute die Ultraschalluntersuchung der Huumlfte

4 Polydaktylie uumlberzaumlhlige haumlufig rudimentaumlre Finger oder Zehen

4 Vierfingerfurche einzelne die gesamte Plantarflaumlche durch-ziehende Furche Kommt bei 5 der Normalbevoumllkerung vor kann jedoch ein unspezifisches Hinweiszeichen auf eine Chromosomenstoumlrung z B Trisomie 21 sein

4 Sichelfuszlighaltung (Pes adductus et supinatus) Supinations-stellung des Vorfuszliges bedingt durch intrauterine Haltung Durch Stimulation der Fuszligauszligenkante vom Neugeborenen aktiv ausgleichbar Differenzialdiagnose Klumpfuszlig

Wirbelsaumlule Achten auf Hinweiszeichen fuumlr eine Spina bifida occulta wie lumbosakral gelegenes Hautgruumlbchen Haarbuumlschel subkutanes Lipom oder Dermalsinus (epithelialisierter Ver-bindungsgang zwischen aumluszligerer Haut und Neuralrohr)

CaveraquoTethered cordlaquo evtl spinale Sonographie

733 Neurologische Neugeborenenuntersuchung

Die Untersuchungsergebnisse der neurologischen Neugeborenen-untersuchung haumlngen sehr vom Verhaltenszustand des Neugebore-nen ab (ruhiger Schlaf ruhiges Wachsein aktives Wachsein Schrei-en) Der Verhaltenszustand muss also dokumentiert und in die Be-urteilung einbezogen werden Die besten Ausgangsbedingungen fuumlr die neurologische Untersuchung sind ruhiges und aktives Wachsein

Die neurologische Untersuchung am 1 Lebenstag hat eher orientierenden Charakter wesentlich aussagekraumlftiger ist die Unter-suchung am 3 Lebenstag Bei der neurologischen Untersuchung des Neugeborenen werden folgende Funktionen beurteilt

Spontanverhalten und Spontanmotorik Das gesunde Neugebore-ne zeigt im Wachzustand eine lebhafte Spontanmotorik mit seiten-gleichem alternierendem Strampeln der Beine und alternierendem Rudern mit den Armen Auffaumlllig sind Apathie oder Hyperexzitabi-litaumlt Das gesunde Neugeborene saugt kraumlftig und trinkt ohne sich zu verschlucken

Muskeltonus Das gesunde Neugeborene haumllt Arme und Beine ge-beugt am Koumlrper Beim Hochziehen des Oberkoumlrpers an den Armen bleiben die Arme leicht gebeugt und der Kopf wird ndash zumindest anfangs ndash mitgenommen Das gesunde Neugeborene kann aus der Bauchlage heraus kurz den Kopf heben

Neugeborenenreflexmuster (Auswahl) 4 Suchreflex Beim Beruumlhren der Wangen wendet sich das Neu-

geborene suchend in Richtung der Beruumlhrung und oumlffnet den Mund

4 Saugreflex Das Neugeborene saugt kraumlftig am Finger 4 Greifreflexe an Haumlnden und Fuumlszligen Das Neugeborene

umfasst den in seine Handinnenflaumlche gelegten Finger des Unter suchers

Abb 78 Vaginalsekretion weiszligliches gelegentlich leicht blutiges Sekret das nach Abstoszligung des durch muumltterlichen Hormoneinfluss pro-liferierten Endometriums auftritt

713574 middot Reanimation Fruumlh- und Neugeborener

4 Arm-Recoil Wenn die Arme des Neugeborenen gestreckt und dann ploumltzlich losgelassen werden federn die Unterarme in den Beugezustand zuruumlck

4 Moro-Reaktion Durch kurzes Zuruumlckfallenlassen des kindlichen Kopfes kommt es zu einer raschen ausfahrenden Bewegung mit Streckung der Arme und Spreizen der Finger ( Abb 79) gefolgt von einem langsameren Zuruumlckholen der Arme an den Rumpf

4 Stuumltzreaktion Das Aufsetzen des Kindes mit beiden Beinen auf eine Unterlage fuumlhrt zu einer kurzen tonischen Streckung des gesamten Koumlrpers

4 Reflexschreiten Ausloumlsen von Schreitbewegungen durch alter-nierendes Aufsetzen der Fuumlszlige auf die Unterlage

4 Asymmetrisch-tonischer Nackenreflex Die Seitwaumlrtsdrehung des Kopfes fuumlhrt zur Streckung des Armes und Beines auf der Gesichtsseite und zur Beugung des Armes und Beines auf der Gegenseite (raquoFechterstellunglaquo Abb 710)

CaveBei der Beurteilung der Seitengleichheit von Bewegungen bei Neugeborenen darf der Kopf nicht zur Seite gedreht sein da sonst durch den asymmetrisch-tonischen Nacken-reflex eine Seitendifferenz vorgetaumluscht wird

734 Bestimmung der somatischen Reifezeichen

Zur klinischen Schaumltzung des Gestationsalters werden somatische und neurologische Merkmale herangezogen Ein gut validiertes Untersuchungsschema zur Schaumltzung des Gestationsalters ist

der Ballard-Score Die klinische Reifealterbestimmung ist auf plusmn15 Wochen genau In Tab 76 sind somatische Reifezeichen eines Fruumlhgeborenen und eines reifen Neugeborenen gegenuumlber-gestellt

74 Reanimation Fruumlh- und Neugeborener

741 Voraussetzungen zur Reanimation

Voraussetzungen zur Durchfuumlhrung Die meisten Neugeborenen durchlaufen eine unproblematische kardiorespiratorische Adapta-tion bei ca 10 der Kinder koumlnnen allerdings mehr oder weniger intensive Reanimationsmaszlignahmen erforderlich sein Ungefaumlhr 23 dieser Patienten lassen sich aufgrund definierter Risiken bereits vor der Geburt identifizieren bei 13 der Neugeborenen tritt die Reani-mationssituation voumlllig unerwartet auf Diese Tatsache unterstreicht die Notwendigkeit dass die essenziellen Wiederbelebungsmaszlignah-men zu jeder Zeit differenziert und kompetent durch ein geschultes neonatologisches Reanimationsteam durchgefuumlhrt werden koumlnnen Weitere Voraussetzungen sind eine optimale Information uumlber maternale und fetale Risiken sowie eine gezielte Vorbereitung auf die spezielle Reanimationssituation

Sind die personellen und apparativen Moumlglichkeiten in einer Geburtsklinik nicht vorhanden um ein Fruumlhgeborenes oder Risiko-neugeborenes optimal zu versorgen so muss die Mutter ndash wenn immer medizinisch vertretbar ndash in ein Perinatalzentrum verlegt werden Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses der Krankenkassen

Der antenatale Transport von Schwangeren und damit von Risiko-fruumlh- und Neugeborenen in ein Perinatalzentrum Level 1 ist bei folgenden Situationen obligat 4 Fruumlhgeborene mit einem Gestationsalter lt290 Wochen

( geschaumltztes Gewicht lt1250 g) 4 Houmlhergradige Mehrlinge (gt2) lt33 Gestationswochen

Abb 79 Moro-Reflex (I) durch kurzes Zuruumlckfallenlassen des Kopfes ploumltzliche Extension und Abduktion der oberen Extremitaumlt sowie Spreizung der Finger

Abb 710 Asymmetrisch tonischer Nackenreflex (Fechterstellung)

Tab 76 Somatische Reifezeichen eines Fruumlhgeborenen und eines reifen Neugeborenen

Fruumlhgeborenes (28 Wochen)

Reifgeborenes (40 Wochen)

Hauttextur Oumldematoumls glaumlnzend transparent

Einzelne Venen sichtbar

Hautfarbe Rot Rosig

Lanugohaare Flaumlchig vorhanden Fehlen

Sohlenfaumlltelung Nur vereinzelt Uumlber ganzer Sohle

Brustwarze Roter Punkt uumlber 1 cm erhaben

Ohrmuschelrand Weich formlos Fest elastisch

Hoden Im Inguinalkanal Im Skrotum

Skrotum Klein wenig Falten Groszlig viele Falten

Groszlige Labien Klaffend Bedecken kleine Labien

Spontanhaltung Extremitaumlten gestreckt

Extremitaumlten gebeugt

Kapitel 7 middot Neonatologie136

7

4 Alle praumlnatal diagnostizierten Erkrankungen bei denen nach der Geburt eine unmittelbare Notfallversorgung erforderlich ist Dies betrifft Erkrankungen der Mutter mit fetaler Gefaumlhr-dung sowie angeborene Fehlbildungen

Postnatale Beurteilung Fuumlr die postnatale Beurteilung reifer Neugeborener hat sich das Apgar-Schema bewaumlhrt Fruumlhgeborene lassen sich aufgrund des vom Gestationsalter abhaumlngigen Muskel-tonus und der Reflexerregbarkeit allerdings nicht adaumlquat beurtei-len Eine allzu schematische Erfassung der einzelnen Apgar-Krite-rien bei der Erstversorgung eines deprimierten reifen Neugebore-nen birgt daruumlber hinaus die Gefahr dass die Wiederbelebungs-maszlignahmen nur verzoumlgert einsetzen Die Bestimmung des Saumlure-Basen-Status ist als ein fester Bestandteil und eine wesent-liche Ergaumlnzung der kindlichen Zustandsbeurteilung anzusehen Diese nur mit einer zeitlichen Latenz verfuumlgbare Diagnostik ist jedoch fuumlr die initialen therapeutischen Entscheidungen in der Regel nicht relevant

742 Maszlignahmen der Neugeborenenreanimation

Drei klinische Kriterien ndash naumlmlich Hautfarbe Atmung und Herzfre-quenz ndash geben ausreichende Informationen um das akute Vorgehen zu planen und die Maszlignahmen die in 3 Stufen erfolgen sollten weder zu spaumlt noch zu voreilig durchzufuumlhren ( Abb 711)

Stufe 1 BasismaszlignahmenDie einfachen Basismaszlignahmen der Reanimation beinhalten Ab-trocknen Stimulation und Absaugen des Neugeborenen Waumlhrend dieser Maszlignahmen ist eine schnelle Beurteilung zum Ausschluss von schweren Fehlbildungen erforderlich

Nach dem Abtrocknen wird das Neugeborene in angewaumlrmte trockene Tuumlcher gehuumlllt Die Erstversorgung erfolgt unter einem Heizstrahler Zugluft im Raum ist zu vermeiden Bei sehr kleinen Fruumlhgeborenen und extrem hypotrophen Neugeborenen ist ein zu-saumltzlicher Waumlrmeschutz durch verschiedenste Folien (u a Plastik-folien) oder Warmluftdecken erforderlich Durch die taktile Stimu-lation u a von Ruumlcken und Fuszligsohlen wird die kindliche Atmung stimuliert Die Mehrzahl der Neugeborenen beginnt innerhalb von 10 s nach der Geburt spontan zu atmen allerdings ist damit zu rech-nen dass ca 10 der Neugeborenen nach 1 Lebensminute noch keine regelmaumlszligige Atemtaumltigkeit aufweisen Bei entsprechender In-dikation wie Verlegung der Atemwege durch Fruchtwasser Blut oder Mekonium erfolgt das Absaugen zuerst des Oropharynx und dann der Nasenwege des Neugeborenen mit einem ausreichend groszliglumigen Katheter (Ch 8ndash10)

CaveMund vor Nase Es besteht eine erhoumlhte Aspirationsgefahr durch die Stimulation der kindlichen Eigenatmung nach nasalem Absaugen

Weiterhin ist unbedingt darauf zu achten dass beim Absaugen keine Bradykardien auftreten (Vagusstimulation) Der Sog am Absaugge-raumlt ist in der Regel auf 200 mbar zu begrenzen um Verletzungen der Schleimhaut zu vermeiden Ein routinemaumlszligiges Absaugen aller Neu-geborenen ist nicht indiziert

Stufe 2 Zusatzmaszlignahmen bei insuffizienter SpontanatmungFuumlhren die beschriebenen Basismaszlignahmen nicht zum Einsetzen der Spontanatmung so sind zur Vermeidung von Bradykardie und Hypoxie weitere Schritte erforderlich

Blaumlhmanoumlver und Beutel-Masken-Beatmung Neugeborene mit fehlender Eigenatmung werden nach 30 s mit einer Beutel-Masken-Beatmung und inspiratorischem Druckplateau behandelt Dieses raquoBlaumlhmanoumlverlaquo besteht aus max 3 Beatmungshuumlben mit einem ho-hen inspiratorischen Beatmungsdruck (ca 20ndash35 cmH2O) und einer langen Inspirationszeit (ca 3ndash5 s) Diese manuelle Maskenbeatmung wurde in vielen neonatologischen Zentren durch ein manometer-kontrolliertes Blaumlhmanoumlver ersetzt Ziel dieser Beatmungsstrategie ist die intraalveolaumlre Lungenfluumlssigkeit in das pulmonale Lymph- und Gefaumlszligsystem zu pressen und somit ndash in Analogie zur Atemtech-nik Neugeborener ndash eine funktionelle Residualkapazitaumlt herzu-stellen Diese Maszlignahme sollte unter Auskultationskontrolle erfol-gen und in eine assistierte den Beduumlrfnissen des Neugeborenen angepasste Beatmung uumlbergehen Runde Silikonmasken eignen sich fuumlr die Maskenbeatmung am besten sie erlauben eine optimale Ab-dichtung

Diese Beatmungsform ist nicht auf sehr unreife Fruumlhgeborene zu uumlbertragen Wie juumlngere Untersuchungen zeigen kann ein inadaumlqua-tes Baro- und Volutrauma im Rahmen der Reanimation gravierende akute und chronische Lungenschaumlden der unreifen Lungenstruktur induzieren die u a durch eine erhoumlhte alveolaumlr-kapillaumlre Leakage charakterisiert sind und moumlglicherweise die pathogenetische Sequenz der pulmonalen Inflammationsreaktion induzieren oder aggravieren Vor dem Hintergrund dieser Beobachtung ist eine dem Fruumlhgeborenen individuell angemessene Beatmungsform zu waumlhlen die das Risiko der mechanischen Traumatisierung so gering wie moumlglich haumllt Juumlngste Untersuchungen belegen dass durch eine un-mittelbar nach der Geburt erfolgte Anlage eines binasalen CPAP-Sys-tems (CPAP = continuous positive airway pressure = kontinuierlicher positiver Atemwegsdruck) eine betraumlchtliche Anzahl sehr unreifer Fruumlhgeborener bereits im Kreiszligsaal stabilisiert werden koumlnnen

Abb 711 3-Stufenmodell der Neugeborenenreanimation

713774 middot Reanimation Fruumlh- und Neugeborener

CaveEine inkorrekte Kopfhaltung oder fehlerhafte Masken-positionierung kann die Atemtaumltigkeit des Fruumlh- und Neu-geborenen empfindlich beeintraumlchtigen (raquoErstickung un-ter der Maskelaquo) Ebenso kann ein inadaumlquates Baro- und Volutrauma im Rahmen einer forcierten Maskenbeatmung zu einer Schaumldigung der Alveolen fuumlhren

Die Indikation fuumlr eine Beutel-Masken-Beatmung reifer Neugebo-rener ist eine fehlende Spontanatmung nach ca 30 s Bei sehr kleinen Fruumlhgeborenen die postnatal nicht schreien sollte sofort mit einer adaumlquaten Beutel-Masken-Beatmung begonnen werden um eine hypoxisch bedingte Bradykardie und somit das Risiko von Fluktua-tionen des zerebralen Blutflusses zu vermeiden (Cave Hirnblutung)

Eine primaumlre Maskenbeatmung sollte bei folgenden Erkrankun-gen des Neugeborenen gaumlnzlich vermieden werden 4 Mekonium- und Blutaspiration 4 Zwerchfellhernie 4 schwerste postnatale Asphyxie

Sauerstoffzufuhr Eine Stabilisierung oder Reanimation erfolgt pri-maumlr mit Raumluft Nur bei unzureichender Oxygenierung wird dem Neugeborenen und unreifen Fruumlhgeborenen unter kontinuierlicher pulsoxymetrischer Uumlberwachung Sauerstoff angeboten Auf Grund der aktuellen Datenlage empfehlen die meisten internationalen Fach-gesellschaften eine primaumlre Reanimation mit Raumluft (21 O2)

Wenn man bedenkt dass der Sauerstoffpartialdruck im fetalen Blut ca 25 mmHg betraumlgt kann eine zu rasche postnatale Hyperoxy-genierung des depremierten Neugeborenen durchaus problematisch sein Dieser Aspekt gilt besonders fuumlr Hochrisikofruumlhgeborene die nicht nur einen Mangel an protektiven Antioxidanzien in allen Ge-weben aufweisen sondern auch ernstzunehmende Spuren einer Ge-websschaumldigung durch Sauerstoffradikale aufweisen In dieser Hochrisikogruppe sollte eine Sauerstofftherapie nur unter Messung der Sauerstoffsaumlttigung erfolgen und auf jeden Fall eine Hyperoxy-genierung bereits waumlhrend der Stabilisierungsphase vermieden wer-den (cave Retinopathia praematurorum)

Intubation Bleibt ein Neugeborenes trotz Beutel-Masken-Beatmung apnoisch oder bradykard so wird das Kind umgehend endotracheal intubiert Fuumlr die Gruppe sehr kleiner Fruumlhgeborener ist inzwischen eindeutig belegt dass die Vermeidung von einer postnatalen Hypoxie zu einer Reduktion der Sterblichkeit und der Inzidenz des Atemnot-syndroms beitraumlgt Dennoch ist von einer generellen Intubation dieser besonderen Patientengruppe abzuraten da gerade bei sehr vitalen Fruumlhgeborenen unter der Intubation transitorische hypoxaumlmische Phasen und Alterationen der zerebralen Zirkulation nicht auszuschlie-szligen sind Es empfiehlt sich die Intubation selektiv durchzufuumlhren In Abhaumlngigkeit vom Schweregrad der Atemnotsymptomatik sollte das Fruumlhgeborene innerhalb von Minuten intubiert oder aber mit einem binasalen CPAP-System versorgt werden (CPAP raquocontinous positive airway pressurelaquo kontinuierlicher positiver Atemwegsdruck)

Waumlhrend der Intubation muss eine kontinuierliche Uumlberwa-chung der kindlichen Herzfrequenz und O2-Saumlttigung (Pulsoxime-ter) erfolgen Bei einer Bradykardie ist der Intubationsversuch un-verzuumlglich abzubrechen und das Kind mit erneuter Beutel-Masken-Beatmung und adaumlquater O2-Zufuhr zu stabilisieren (Cave Hyper-oxie) Die haumlufigsten Komplikationen im Verlauf der Intubation sind die Fehlpositionen des Tubus in den Oumlsophagus und eine ein-seitige selektive Intubation des rechten Hauptbronchus durch ent-sprechende Korrektur der Tubuslage sind diese Situationen leicht zu beheben Ernsthafte Komplikationen stellen die Perforation des

Oumlsophagus und Hypopharynx dar tracheale Perforationen wurden durch Fuumlhrungsstaumlbe von Endotrachealtuben beobachtet Magen-rupturen wurden nach Reanimation Neugeborener mit tracheooumlso-phagealer Fistel beschrieben Subglottische Stenosen koumlnnen sich als chronische Komplikationen eines Intubationsschadens ausbilden

Naloxon Neugeborene deren Muumltter unter der Geburt Opiate er-halten haben fallen haumlufig durch einen fehlenden Atemantrieb nach der Geburt auf Durch die intravenoumlse Gabe des Opiatantagonisten Naloxon (z B Narcanti neonatal) kann die atemdepressive Wirkung diaplazentar uumlbergetretener Morphinderivate aufgehoben werden (Dosierung 001 mgkg KG) Da die Opiatanalgetika eine laumlngere Halbwertszeit als Naloxon haben muss mit symptomatischen Re-boundeffekten beim Kind gerechnet werden sie machen wieder-holte Gaben von Naloxon erforderlich

CaveKinder heroinabhaumlngiger Muumltter duumlrfen kein Naloxon erhalten da schwerste akute Entzugserscheinungen aus-geloumlst werden koumlnnen

Stufe 3 Zusatzmaszlignahmen bei insuffizienter KreislauffunktionDa Bradykardien bei Neugeborenen in der Regel durch eine Hypoxie bedingt sind lassen sich die meisten Kreislaufprobleme durch eine suffiziente Oxygenierung beheben Besteht die Bradykardie trotz ausreichender Lungenbeluumlftung fort so sind weitere Maszlignahmen wie extrathorakale Herzmassage Adrenalingabe Volumensubstitu-tion und Azidosekorrektur angezeigt

Herzmassage Eine externe Herzmassage sollte bei allen Neugebo-renen durchgefuumlhrt werden bei denen die Herzfrequenz lt60 Schlauml-genmin liegt und die nach Beginn der adaumlquaten Ventilation nicht mit einem Anstieg der Herzfrequenz reagieren Bei einer der moumlgli-chen Techniken wird der Thorax des Kindes von beiden Seiten um-fasst und am unteren Teil des Sternums um 1ndash2 cm mit einer Fre-quenz von 100min komprimiert ( Abb 712) Diese Art der Herz-

Abb 712 Reanimation eines Neugeborenen mit Beutel-Masken-Beat-mung und extrathorakaler Herzmassage

Kapitel 7 middot Neonatologie138

7

massage stellt die effektivste Maszlignahme zur Aufrechterhaltung der Kreislauffunktion dar sie setzt aber voraus dass 2 in der Reanima-tion Neugeborener erfahrene Personen die kardiozirkulatorische und respiratorische Reanimation durchfuumlhren Eine Einzelperson ist gezwungen durch Sternumkompression mittels 2 Fingern eine wirksame Herzmassage und gleichzeitig eine effiziente Beatmung zu gewaumlhrleisten

gt Momentan wird ein Verhaumlltnis von 3 Herzkompressionen zu 1 Beatmung empfohlen

Trotz wirksamer Herzmassage muss die Ursache der Bradykardie rasch erkannt und wenn moumlglich kausal behandelt werden

Adrenalin Bleibt der unter externer Herzmassage erwartete Anstieg der Herzfrequenz aus so sollte unverzuumlglich Adrenalin uumlber die ka-theterisierte Nabelvene oder eine periphere Vene (001ndash003 mgkg KG) appliziert werden Ist kein Gefaumlszligzugang moumlglich so sollte Adrenalin (01ndash03 mlkg KG in einer Verduumlnnung von 110000) uumlber den endotrachealen Tubus oder intraossaumlr verabreicht werden Trotz einer geringen Lungendurchblutung kann diese Maszlignahme zu einem raschen Anstieg der Herzfrequenz oder sogar einem erstma-ligen Nachweis der Herzaktion fuumlhren

CaveIntrakardiale Injektionen sind obsolet

Natriumbikarbonat Die Indikation fuumlr die Gabe von Natriumbi-karbonat ist nur bei schwerer protrahierter metabolischer Azidose z B nach intrauteriner Hypoxie und nach laumlnger dauernden Reani-mationsmaszlignahmen insbesondere bei schlechtem Ansprechen auf Adrenalin indiziert Die Gabe von Natriumbikarbonat erfolgt intra-venoumls in einer mindestens 11 verduumlnnten Loumlsung (Aqua destillata) und uumlber einen laumlngeren Zeitraum ndash uumlber 15 Minuten bei Neugebo-renen und uumlber laumlngere Zeit bei Fruumlhgeborenen ndash (Initialdosis 1ndash3 mval NaHCO3kg KG) Da Natriumbikarbonat 84 hyper-osmolar ist besteht die Gefahr dass Fruumlhgeborene im Rahmen der Serumosmolalitaumltspitzen und -schwankungen eine Hirnblutung entwickeln Eine Bikarbonatbehandlung verbietet sich bei einer aus-gepraumlgten respiratorischen Azidose

Volumengabe Bei anamnestischem und klinischem Verdacht auf einen akuten kindlichen Blutverlust sollte unverzuumlglich Volumen zugefuumlhrt werden Fuumlr eine initiale Volumensubstitution bietet sich physiologische Kochsalzloumlsung (10ndash15 mlkg KG) an Als effektivs-te Maszlignahme ist unter kritischer Indikationsstellung die Gabe von 0 Rh negativem lysinfreiem Erythrozytenkonzentrat (10ndash20 mlkg KG) anzusehen Eine entsprechende Notfallkonserve die ohne Kreuzprobe transfundiert werden kann sollte heute fuumlr Risikositu-ationen unmittelbar nach der Geburt verfuumlgbar sein bei haumlmorrha-

gischem Schock ist die Transfusion bis zu einer Stabilisierung des kindlichen Zustandes fortzufuumlhren

Schritte der Reanimation von Neugeborenen 4 Adaumlquate Waumlrmezufuhr Abtrocknen und Zudecken des

Neugeborenen 4 Luftwege freimachen (Mund vor Nase gezielt absaugen) 4 Auskultation (Stethoskop) 4 Anlage eines Pulsoximeters 4 Beutel-Masken-Beatmung mit 21 O2 initiale raquoBlaumlh-

maneuverlaquo (3ndash5 s) danach assistierte Beatmung (Beat-mungsfrequenz 40ndash60min) Bei unzureichender Oxige-nierung zusaumltzlich Sauerstoffzufuhr unter kontinuierli-cher pulsoximetrischer Uumlberwachung

4 Bei Apnoe undoder Bradykardie (Herzfrequenz 60ndash80min unter Beutel-Masken-Beatmung)

ndash Endotracheale Intubation (Tubus 30ndash35 mm) ndash Herzmassage (Beatmungsfrequenz Herzmassage [ 13]) ndash Bei Bedarf Suprarenin 001ndash003 mgkgKG iv bei

fehlendem iv-Zugang evtl Suprarenin 001 mgkg KG ndash 01 mlkg KG der Verduumlnnung 110000 uumlber Endotrache-altubus

ndash Evtl Natriumbikarbonat 84 (11 mit Aqua dest verduumlnnt) 1ndash3 mmolkgKG sehr langsam i v (per infusionem)

ndash Evtl Nabelvenenkatheter Volumenzufuhr 09 NaCl5 Glukose Blut 10ndash20 mlkgKG

ndash Besonderheiten der Reanimation Fruumlhgeborener 7 Text

75 Perinatale Schaumlden und ihre Folgen

751 Asphyxie

kDefinitionEine perinatale Asphyxie stellt einen bedrohlichen Insult fuumlr den Fetus oder das Neugeborene dar der durch eine Hypoxie undoder Ischaumlmie vor unter oder nach der Geburt ausgeloumlst wird Sauerstoff-mangel undoder Ischaumlmie lebenswichtiger Organe sind mit einer mehr oder minder ausgepraumlgten Azidose assoziiert und fuumlhren zu einer stark gestoumlrten postnatalen respiratorischen und kardiozirku-latorischen Adaption

kPathophysiologieDie Risikofaktoren fuumlr die Entwicklung einer perinatalen Asphyxie sind in Tab 77 dargestellt Folgende fetale Warnzeichen weisen auf einen praumlnatalen Sauerstoffmangel hin

Exkurs

Die Geburt Goethes

Die Geburt des Kindes war schwer Sie dauerte 3 Tage So gut wie leblos kam Goethe zur Welt raquoganz schwarzlaquo wie die Mutter spaumlter er-zaumlhlte Ein Arzt war nicht zugegen nur eine Hebamme die sich ungeschickt angestellt haben soll und die Groszligmutter Sie stand hinter den Vorhaumlngen des Bettes das mit blau-gewuumlrfelten Gardinen zugezogen werden

konnte Man schuumlttelte das Kind rieb ihm die Herzgrube mit Wein raquoRaumltin er lebtlaquo rief die alte Frau als das Kind die Augen aufschlug sehr groszlige dunkelbraune fast schwarze Augenlaquo (aus Richard Friedenthal Goethe Sein Leben und seine Zeit Piper 1963)Trotz der vom Autor eindruumlcklich geschilder-ten Zyanose haben taktile Maszlignahmen bei

Goethe zur Initiierung des ersten Atemzuges gefuumlhrt Dieses weist darauf hin dass sich das Neugeborene in einer respiratorischen De-pression befunden hat und keinen Sauerstoff-mangel lebenswichtiger Organe d h keine schwere Asphyxie erfahren hat

713975 middot Perinatale Schaumlden und ihre Folgen

4 Herztondezelerationen (Norm 120ndash160 Schlaumlgemin) 4 pathologisches Herzfrequenzmuster im Kardiotokogramm

Verlust der raquoBeat-to-beat-Variationlaquo spaumlte Dezelerationen (d h fetale Bradykardie die uumlber die Uteruskontraktion hinaus anhaumllt) silentes CTG selten auch fetale Tachykardie

4 gruumlnlich verfaumlrbtes Fruchtwasser (vorzeitige Darmentleerung des Fetus Mekoniumabgang)

4 Laktazidose pH lt72 (kapillaumlre Mikroblutanalyse aus kind-licher Kopfhaut)

Eine chronische intrauterine Hypoxie geht oft mit einer fetalen Hy-pomotorik sowie einem Oligohydramnion aufgrund einer kompro-mittierten Nierenperfusion einher

Bei einer postnatalen HypoxieIschaumlmie faumlllt das Neugeborene unmittelbar nach der Geburt durch eine schwer gestoumlrte kardio-respiratorische Adaption auf Als klinische Zeichen imponieren u a 4 Dyspnoe Atemstillstand 4 Bradykardie 4 Hypotension 4 Zyanose (fruumlher als raquoblaue Asphyxielaquo bezeichnet) 4 extreme Blaumlsse (haumlufig akuter Volumenmangel raquoweiszligelaquo

Asphyxie) 4 muskulaumlre Hypotonie Bewegungslosigkeit

Das Ausmaszlig einer Asphyxie zeigt sich an der Schnelligkeit mit der ein asphyktisches Kind auf Reanimationsmaszlignahmen reagiert For-men der fetalen Depression bei denen eine ausreichende kardiores-piratorische Adaptation nach taktiler Stimulation oder kurzfristiger Maskenbeatmung zu erreichen ist ndash Phase der primaumlren Apnoe ndash koumlnnen nicht als schwere perinatale Asphyxie bezeichnet werden Bei einer terminalen Apnoe dagegen ist das Neugeborene schwerst deprimiert und bedarf einer umgehenden intensiven kardiopulmo-nalen Reanimation

Der durch HypoxieIschaumlmie bedingte Substratmangel hat bei totaler Asphyxie nach spaumltestens 12 min eine irreversible Hirn-schaumldigung zur Folge

Obwohl ein niedriger Apgar-Score die Notwendigkeit von Re-animationsmaszlignahmen anzeigt so ist er aber kein sicherer Indikator

fuumlr eine perinatale Asphyxie und stellt allein kein Prognosekriterium fuumlr die Entwicklung einer Zerebralparese dar Ansteigende Apgar-Werte unter der Reanimation belegen lediglich den Erfolg der durch-gefuumlhrten Maszlignahmen Neugeborene mit einer fuumlr die Prognose relevanten Asphyxie unter der Geburt zeigen in der Regel 4 eine schwere Azidose im Nabelschnurblut (lt70) 4 einen 10-min-Apgarwert von le5 4 eine verzoumlgerte Aufnahme der Eigenatmung (gt10 Minuten) 4 Symptome der hypoxisch-ischaumlmischen Enzephalopathie

(s unten) d h neonatale neurologische Symptome einschlieszlig-lich Krampfanfaumllle

4 hypoxisch-ischaumlmisch bedingte Funktionsstoumlrungen anderer Zielorgane

Allerdings erfuumlllt nur ein Teil der Neugeborenen die nach einer pe-rinatalen Asphyxie eine Zerebralparese entwickeln diese Kriterien In vielen Faumlllen liegt der Schaumldigungszeitpunkt praumlnatal dabei weist das unter der Geburt abgeleitete Kardiotokogramm oft nur geringe Auffaumllligkeiten auf und der Nabelarterien-pH zeigt keine oder nur eine maumlszligige Azidose In solchen Faumlllen liegt offenbar ein Zustand nach vorhergehenden Episoden mit fetaler Asphyxie vor von denen sich das Kind partiell erholt hat Ein wahrscheinlicher Zusammen-hang unmittelbar mit dem Geburtsereignis darf nur angenommen werden wenn die oben genannten Kriterien vorhanden sind

Zielorgane der Asphyxie Hypoxisch-ischaumlmische Laumlsionen koumln-nen sich an verschiedenen Organsystemen manifestieren

4 Zentrales Nervensystem hypoxisch-ischaumlmische Enzephalopa-thie erhoumlhte Inzidenz von Hirnblutungen bei Fruumlhgeborenen

4 Herz-Kreislauf myokardiale Ischaumlmie Hypotension 4 Lunge persistierende fetale Zirkulation (PFC) pulmonale

Hypertension sekundaumlres Atemnotsyndrom (akutes RDS = ARDS)

4 Mikrozirkulation disseminierte intravasale Gerinnung mit Thrombozytenabfall 5 Niere Oligurie Anurie 5 Nebenniere NNR-Blutung 5 Magen-Darmtrakt Perforation Ulzeration nekrotisierende Enterokolitis

4 Leber Leberzellschaumldigung verminderte Syntheseleistung 4 Metabolische Stoumlrungen Hypoglykaumlmie Hypokalzaumlmie

752 Hypoxisch-ischaumlmische Enzephalopathie (HIE)

Pathophysiologie Wie verschiedenste Untersuchungen zur Patho-genese ischaumlmischer Hirnlaumlsionen belegen setzt die Gewebsschaumldi-gung waumlhrend der HypoxieIschaumlmie ein und nimmt in der Reper-fusionsphase weiter zu Die Hauptmediatoren des Reperfusions-schadens sind freie Sauerstoffradikale neutrophile Granulozyten und endotheliale Faktoren wie Stickstoffmonoxid (NO)

Freie Radikale fuumlhren vermutlich uumlber eine Hemmung des trans-membranoumlsen Enzyms Na+-K+-ATPase zum Zusammenbruch des Membranpotenzials Die geschaumldigten Zellen setzen in der Folge die neurotoxischen exzitatorischen Aminosaumluren Glutamat und Aspar-tat frei die durch Aktivierung von Proteasen den Zelltod einleiten

Waumlhrend sich die meisten Organe vom asphyktischen Insult er-holen ist dies beim Gehirn nicht immer der Fall Die Hypoxie und Ischaumlmie fuumlhren zu einer lokalen Laktatakkumulation im Gehirn und zu einer Verminderung energiereicher Phosphate Das Energie-versagen ist in der Regel erst nach 24ndash72 h in voller Auspraumlgung

Tab 77 Risikofaktoren fuumlr die Entwicklung einer perinatalen Asphyxie

Maternale Erkrankungen

Uteroplazentare Insuffizienz Gestose Hyperten-sion Hypotension Diabetes Infektion andere Grunderkrankung

Plazenta Chorioamnionitis vorzeitige Loumlsung Placenta praevia Vasa praevia Randsinusruptur

Nabelschnur-zwischenfaumllle

Prolaps Knoten Kompression Umschlingung kurze Nabelschnur

Geburt Traumatisch (abnorme Lage Missverhaumlltnis von Becken ndash Kind hypertrophes Neugeborenes Schul-terdystokie) langdauernd uumlberstuumlrzt Sturzgeburt

Fetale Ursachen

Fruumlhgeburtlichkeit Infektion Wachstumsretardie-rung Uumlbertragung

Neu-geborenes

Anaumlmie (fetomaternale Transfusion etc) Neuro-muskulaumlre Erkrankungen Erkrankungen der Atem-wege und Lungen (Choanalatresie Trachealagene-sie Lungenhypoplasie Zwerchfellhernie etc)

Kapitel 7 middot Neonatologie140

7

vorhanden (sekundaumlres Energieversagen) Je nach Ausmaszlig der Schaumldigung entwickelt sich eine lokale Hirnlaumlsion oder eine diffuse neuronale Nekrose mit schwerem Hirnoumldem oder Hirntod

kNeuropathologieDie typischen anatomischen Laumlsionen einer HIE sind bei reifen Neugeborenen 4 eine kortikale Nekrose 4 Wasserscheideninfarkte zwischen A cerebri anterior und me-

dia in Form von parasagittalen bilateralen Infarzierungen 4 Thalamus- und Basalgangliennekrose ( Abb 713) 4 Bei Fruumlhgeborenen fuumlhrt eine schwere perinatale Asphyxie in

der Regel zu einer intrazerebralen Blutung (s dort)

kKlinikIn Abhaumlngigkeit vom Ausmaszlig der hypoxisch-ischaumlmischen Schaumldi-gung kann die klinische Symptomatologie von Irritabilitaumlt Trink-schwaumlche und milder Hypotonie bis hin zum Koma reichen Die typischen neurologischen Symptome sind 4 Beeintraumlchtigung der Bewusstseinslage Irritabilitaumlt

Schreckhaftigkeit Somnolenz Lethargie oder Koma 4 Aumlnderung des Muskeltonus Hypotonie Hypertonie 4 Aumlnderung des Reflexverhaltens 4 Auftreten von Krampfanfaumlllen oftmals prolongiert und schwer

zu behandeln

Das EEG zeigt typische Veraumlnderungen in Abhaumlngigkeit vom Schwe-regrad der Hirnschaumldigung Zur klinischen Verlaufsbeurteilung hat sich ein neurologischer Score bewaumlhrt der auch eine gewisse prog-nostische Einschaumltzung erlaubt ( Tab 78) Die Klassifizierung ist allerdings nicht bei Anwendung von Sedativa oder Analgetika ver-wertbar

Trotz genauer Dokumentation aller zur Verfuumlgung stehenden prauml- peri- und postnatalen Befunde laumlsst sich in vielen Faumlllen keine sichere Kausalitaumltskette der Ereignisse die zur Asphyxie und hypo-xisch-ischaumlmischen Enzephalopathie gefuumlhrt haben ermitteln

kPrognoseDurch die Verlaufsbeurteilung der klinischen Symptome der bildge-benden Diagnostik und des EEG lassen sich in vielen Faumlllen schon fruumlh Aussagen zur Prognose der Kinder machen Faktoren die mit einer schlechten Prognose assoziiert sind sind in der Uumlbersicht aufgefuumlhrt Im Ultraschallbild zeigt sich oft eine raquoverwaschenelaquo Parenchymzeich-nung als Ausdruck einer diffusen neuronalen Nekrose oder eines Hirnoumldems Als Zeichen einer Thalamusnekrose koumlnnen in den ersten Lebenswochen ausgepraumlgte Echoverdichtungen in dieser Region dar-stellbar sein Eine Magnetresonanztomographie (MRT) kann bereits in den ersten Lebenstagen deutliche Signalveraumlnderungen aufweisen ( Abb 713) Eine nuumltzliche jedoch nicht immer durchfuumlhrbare Untersuchung ist die Magnetresonanzspektroskopie (MRS) Ein Nachweis von hohen Laktatsignalen im Gehirn sowie niedrigen Signalen fuumlr N-Acetyl-Aspartat einem Marker fuumlr Neuronen spricht fuumlr eine schwere Hirnschaumldigung mit schlechter Prognose

Unguumlnstige Prognosefaktoren bei der HIE Neugeborener 4 Keine Spontanatmung innerhalb der ersten 30 Lebens-

minuten Auf spontane Atemaktivitaumlt achten 4 Notwendigkeit einer Herzmassage 4 Auftreten von Krampfanfaumlllen in den ersten 4 Lebens-

stunden 4 Neurologischer Zustand (Thompson-Score gt15) 4 Sehr flaches EEG oder raquoBurst-supression-Musterlaquo 4 Oligurie am 1 oder 2 Lebenstag (lt1 mlkg KGh)

kDifferenzialdiagnoseVon einer hypoxisch-ischaumlmischen Enzephalopathie sollte nur ge-sprochen werden wenn sich eindeutige Hinweise auf eine vorausge-

Abb 713 Thalamus- und Basalgangliennekrose eines reifen Neugebore-nen mit schwerer intrauteriner Asphyxie

Tab 78 Klinischer Verlaufs- und Prognosescore bei der hypoxisch-ischaumlmischen Enzephalopathie

Punkte 0 1 2 3

Muskel-tonus

Normal Erhoumlht Vermindert Schlaff

Bewusst-seinslage

Normal Schreck-haft

Lethargie Koma

Kraumlmpfe Keine lt3Tag ge3Tag

Haltung Normal Faumlusteln bzw Peda-lieren

Steif distale Flexion

Dezerebra-tion

Moro-Reflex Normal Teilweise ausloumlsbar

Fehlend

Greifreflex Hand

Normal Schwach Fehlend

Saugreflex Normal Schwach Fehlend

Atmung Normal Hyperven-tilation

Kurze Apnoen

Laumlngere Apnoen Beatmung

Fontanelle Normal Gefuumlllt Gespannt

Prognose Maximalscore lt10 oder Score 0 an Tag 7 normales Outcome wahrscheinlich Maximalscore gt15 hohes Risiko von Folgeschaumlden

714175 middot Perinatale Schaumlden und ihre Folgen

hende HypoxieIschaumlmie feststellen lassen Ansonsten wird das Krankheitsbild als neonatale Enzephalopathie bezeichnet Andere Ursachen fuumlr eine Enzephalopathie des Neugeborenen sind 4 Sepsis Meningoenzephalitis Diagnostik Liquorpunktion 4 Maternale Anaumlsthesie Drogeneinnahme vor der Geburt 4 Geburtstraumatische intrazerebrale Blutungen 4 Metabolische Enzephalopathie Die klinische Symptomatolo-

gie tritt meist erst Stunden oder Tage nach der Geburt auf Grund Katabole Stoffwechselsituation oder Zufuhr von Nahrungseiweiszlig bei Aminoazidopathien oder Organoazidopa-thien Diagnostik Ammoniakbestimmung Laktatbestimmung Ketonkoumlrper im Urin spezifische Laboruntersuchungen

4 Hypoglykaumlmie 4 Bilirubinenzephalopathie 4 Intrazerebrale Blutungen bei Gerinnungsstoumlrungen Gefaumlszligmal-

formationen u a 4 Sinusthrombosen u a 4 Konnatale Hirntumoren

kTherapieVentilation Bei unregelmaumlszligiger Atmung oder Apnoen sollte eine fruumlhzeitige Intubation und Beatmung erfolgen Das Ziel ist die Er-haltung der Homoumlostase Der pO2 und pCO2 sollten in normalen Grenzen gehalten werden eine Hyperventilation ist obsolet

Kreislauf Wichtigste Groumlszlige fuumlr ausreichende Hirnperfusion ist der Blutdruck Bei Kindern mit schwerer Asphyxie soll bereits im Kreis-saal ein sicherer intravenoumlser Zugang gelegt werden bei instabilem Blutdruck Gabe von Katecholaminen

Antikonvulsive Therapie Bei Auftreten von Krampfanfaumlllen erfolgt eine Behandlung mit Phenobarbital Phenytoin oder Lorazepam

Hypothermie Wie mehrere kontrolliert-randomisierte Studien be-legen verbessert eine Hypothermiebehandlung von Neugeborenen mit moderater oder schwerer HIE das neurologische Outcome Die Neugeborenen werden fuumlr 72 h auf eine Koumlrpertemperatur von 335degC gekuumlhlt

Der besondere FallAnamnese Gegen Ende der Schwangerschaft verspuumlrt eine 32-jaumlhri-ge Zweitgebaumlrende erhebliche Schmerzen im Unterleib und registriert keine sicheren Kindsbewegungen mehr Sie faumlhrt in eine nahe gelege-ne FrauenklinikBefunde In der Notaufnahme stellt der Arzt im Ultraschall eine fetale Bradykardie von 40 Schlaumlgenmin fest es wird umgehend eine Notsec-tio durchgefuumlhrt Das Neugeborene wiegt 3270 g und zeigt nach der Geburt keine Spontanatmung Die Plazenta weist ein retroplazentares Haumlmatom aufTherapie Das Kind wird durch den Anaumlsthesisten intubiert eine Herz-massage begonnen intratracheal Suprarenin verabreicht und der Transportdienst einer Kinderklinik verstaumlndigt Dieser trifft 22 min nach der Geburt ein zu diesem Zeitpunkt ist das Kind schlaff hat eine fehlende Spontanmotorik ein blasses Hautkolorit bei rosigen Lippen die Lungen sind bei Beutelbeatmung uumlber den Trachealtubus seiten-gleich beluumlftet Es wird ein Nabelvenenkatheter gelegt uumlber den das Kind eine Glukoseloumlsung erhaumllt Aufgrund niedriger Blutdrucke (MAD 32 mmHg) wird eine Suprarenindauerinfusion angelegt Noch im Kreis-saal wird der Haumlmoglobin-Wert bestimmt er betraumlgt 15 gdlVerlauf Innerhalb der naumlchsten 2 Stunden kommt es zu einer deutli-chen Zunahme der Spontanmotorik die nach 6 Stunden wieder sis-

tiert Mit 12 Stunden ist das Kind komatoumls es zeigt keinen Saugreflex und keinen Kornealreflex Mit 26 Stunden ist die Fontanelle vorge-woumllbt und hart Das EEG zeigt am Folgetag eine Nulllinie bei der dopplersonographischen Untersuchung der Hirngefaumlszlige zeigt sich ein Pendelfluss Es wird der Hirntod festgestellt und das Kind extubiert es verstirbt sofortBeurteilung Die Schmerzen der Mutter und das retroplazentare Hauml-matom zeigen eine vorzeitige Loumlsung der Plazenta an Die daraus re-sultierende fetale Hypoperfusion fuumlhrte zu einer irreversiblen Hirn-schaumldigung Eine kindliche Anaumlmie trat nicht auf Die unmittelbare postnatale Symptomatik entspricht der akuten ischaumlmischen Beein-traumlchtigung der Beginn des Komas markiert die Phase des sekundaumlren Energieversagens

753 Geburtstraumatische Schaumlden

kGrundlagenAls geburtstraumatische Schaumlden werden Laumlsionen bezeichnet die durch mechanische Faktoren waumlhrend der Geburt entstanden sind Zumeist liegt eine schwierige Kindesentwicklung vor bedingt durch eine atypische Lage eine Makrosomie bzw ein Missverhaumlltnis zwi-schen Kind und Geburtswegen oder eine verzoumlgerte Austreibung mit Notwendigkeit zur Zangengeburt oder Vakuumextraktion Obwohl Fortschritte in der Geburtshilfe zu einer deutlichen Reduktion von geburtstraumatischen Schaumldigungen gefuumlhrt haben sind sie nicht immer vermeidbar Einige als Geburtstraumata imponierende Laumlsi-onen sind intrauterin lagebedingt durch chronischen Druck ent-standen

Traumata im KopfbereichExtrakranielle traumatische Laumlsionen am Kopf des Neugeborenen sind haumlufig Je nach Ausbreitung in den verschiedenen Schichten zwischen Haut und Kalotte (Haut ndash Galea aponeurotica ndash aumluszligeres Periost der Kalotte) unterscheidet man ( Abb 714) 4 Caput succedaneum Diese weiche eindruumlckbare teilweise

auch haumlmmorrhagische Schwellung bildet sich sehr haumlufig am fuumlhrenden Kopfbereich bei vaginaler Geburt aus und hat kei-nen Krankheitswert Es ist zwischen Haut und Schaumldelaponeu-rose gelegen die Grenzen uumlberschreiten die Schaumldelnaumlhte Eine spontane Ruumlckbildung erfolgt in den ersten Tagen nach der Geburt

4 Subgaleale Blutung Dieses bezeichnet eine Blutansammlung zwischen Galea und Kalotte Die Blutung entsteht durch eine Nahtdiastase oder eine Schaumldelfraktur Klinisch zeigt sich eine fluktuierende Schwellung uumlber dem gesamten Schaumldel die Schaumldelnaumlhte werden uumlberschritten Das Blut kann konfluieren und sich im subkutanen Gewebe des Nackens ansammeln Die subgaleale Blutung tritt haumlufiger bei Vakuumextraktion und bei Vitamin-K-Mangel auf Eine Uumlberpruumlfung des Gerinnungssta-tus ist angezeigt

CaveBei der subgalealen Blutung kann es zu erheblichem Blutverlust kommen oft resultiert eine behandlungsbe-duumlrftige Hyperbilirubinaumlmie

4 Kephalhaumlmatom Diese Blutung bildet sich zwischen dem aumlu-szligeren Periost und dem Schaumldelknochen (subperiostal) aus Aufgrund dieser Lage uumlberschreitet sie nie die Schaumldelnaumlhte Klinisch imponiert eine prall elastische fluktuierende Schwel-lung die zumeist parietal gelegen ist und nach der Geburt zu-naumlchst noch an Groumlszlige zunehmen kann Am Rand ist das abge-6

Kapitel 7 middot Neonatologie142

7

hobene Periost meist palpabel Die Blutung kommt bei 2 aller Geburten vor mit einer Haumlufung bei Forcepsentwicklung Eine Schaumldelfraktur kann begleitend vorliegen Eine Therapie ins-besondere eine Punktion ist nicht indiziert die Blutung bildet sich uumlber Wochen bis Monate spontan zuruumlck Manche Blutun-gen verkalken und bilden eine knoumlcherne Protuberanz die sich ebenfalls langsam zuruumlckbildet

Geburtstraumatische Schaumldelfrakturen koumlnnen als nichtimprimie-rende lineare Frakturen oder als Impressionsfrakturen vorliegen Lineare Frakturen koumlnnen mit einem Kephalhaumlmatom einer subga-lealen Blutung und mit einer epi- oder subduralen Blutung einherge-hen Selten sind die begleitenden Blutungen jedoch schwerer Natur Sie sind meist parietal gelegen eine Therapie ist nicht notwendig

CaveIn Ausnahmefaumlllen kann die Dura unter der Fraktur ein-reiszligen und sich eine leptomeningeale Zyste ausbilden die zu einer Ausweitung des Frakturspaltes fuumlhrt (wachsende Fraktur)

Die Impressionsfraktur besteht in einer Impression des weichen Schaumldels nach innen meist ohne Kontinuitaumltsunterbrechung des Knochens (sog Ping-Pong-Fraktur) Eine begleitende intrakranielle Blutung sollte ausgeschlossen werden In der Regel ist eine neuro-chirurgische Versorgung erforderlich

Intrazerebrale BlutungenIntrazerebrale Haumlmorrhagien (ICH) unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Lokalisation ( Abb 814) ihrer Genese sowie ihres Vorkom-mens bei Fruumlhgeborenen und reifen Neugeborenen Der mit Ab-stand haumlufigste Blutungstyp ist die intrazerebrale Blutung des Fruumlh-geborenen die an typischer Lokalisation im Bereich der periventri-kulaumlren germinalen Matrix oder dem angrenzenden Hirnparenchym auftritt (7 Abschn 766) Hirnblutungen bei reifen Neugeborenen sind selten Nicht alle Blutungen sind traumatischer Genese sie werden aber hier gemeinsam behandelt

Subdurale Blutung Die subdurale Blutung ist in der Regel ge-burtstraumatisch bedingt Praumldisponierende Faktoren sind

4 Makrosomie des Kindes 4 extrem kurze oder stark verlaumlngerte Austreibungsperiode

4 besondere Kindslage (Beckenendlage Fuszliglage Gesichtslage) 4 erschwerte Entwicklung mit notwendiger Zangenentbindung

oder Vakuumextraktion

Bei massiven Formen kommt es zum Einriss des Tentoriums mit meist letaler Blutung aus den groszligen Blutleitern Geringere Trauma-ta des Tentoriums koumlnnen zur Ansammlung von Blut in der hinteren Schaumldelgrube fuumlhren die Symptome sind abhaumlngig vom Ausmaszlig der Blutansammlung Eine weitere traumatisch bedingte Schaumldigung ist der Abriss der Bruumlckenvenen uumlber der Hirnkonvexitaumlt mit sub-duraler Blutansammlung Diese kann symptomlos bleiben oder aber mit meist fokalen neurologischen Symptomen in den ersten Lebens-tagen verbunden sein Dabei werden fokale Krampfanfaumllle eine dis-krete Hemisymptomatik oder Blickdeviation in Richtung des Herdes beobachtet Die Diagnose kann mithilfe des Ultraschalls nicht im-mer gestellt werden Eine nichtentdeckte subdurale Blutung kann spaumlter zu einem chronischen subduralen Erguss mit Makrozepha-lie und Hirndrucksymptomatik fuumlhren Bei klinischem Verdacht sollte daher immer eine weitergehende Diagnostik (CT MRT) durchgefuumlhrt werden Bei raumfordernden Befunden ist eine opera-tive Entlastung notwendig

Weitere Lokalisationen Andere traumatisch bedingte Blutungen koumlnnen epidural (zwischen Schaumldel und innerem Periost) intraven-trikulaumlr und intrazerebellaumlr lokalisiert sein In seltenen Faumlllen koumlnnen subarachnoidale Blutungen auch eine hypoxische Genese aufweisen Die Klinik wird von der Ausdehnung des Befundes be-stimmt Subarachnoidale Blutungen sind oft klinisch inapparent und mithilfe des Ultraschalls praktisch nicht zu diagnostizieren Da Erythrozyten im Liquor moumlglicherweise auch durch eine raquotraumati-schelaquo Lumbalpunktion bedingt sind kann ein niedriger Glukose-wert im Liquor (oft unter 30 mgdl Normalwert ca 75 des simul-tan bestimmten Blutzuckerwerts) oder eine Erythrophagozytose ein Hinweis fuumlr eine subarachnoidale Blutung sein Die anderen ge-nannten Blutungen zeigen in der Regel deutliche klinische Sympto-me in Form von Hyperexzitabilitaumlt Stupor Apnoen Krampfanfaumlllen oder einer gespannten Fontanelle Als bildgebende Diagnostik ist bei nicht eindeutigen sonographischen Befunden immer ein CT oder MRT indiziert

Gerinnungsstoumlrungen Stoumlrungen der Blutgerinnung koumlnnen so-wohl prauml- als auch postnatal zu Hirnblutungen beim Neugeborenen fuumlhren Die Ursachen sind eine dissiminierte intravasale Gerinnung bei Schock oder Sepsis Thrombozytopenien (neonatale Isoimmun-thrombozytopenie Thrombozytopenie bei kongenitalen Infektio-nen insbesondere Cytomegalie) oder in seltenen Faumlllen ein isolierter Mangel an einzelnen Gerinnungsfaktoren Der Morbus haumlmorrha-gicus neonatorum bedingt durch einen Vitamin-K-Mangel fuumlhrt in der Neugeborenenzeit nur dann zu einer Hirnblutung wenn er mit anderen Faktoren assoziiert ist (schwere kongenitale Lebererkran-kung maternale antikonvulsive Therapie)

Verletzungen der Hirnnerven des Ruumlckenmarks und der peripheren NervenHirnnervenlaumlsionen Bei einer Fazialisparese zeigt sich ein schiefes Gesicht beim Schreien der Mundwinkel wird auf der gesunden Seite tiefer heruntergezogen In Ruhe haumlngt eher die erkrankte Seite etwas herab die Nasolabialfalte ist verstrichen Bei der meist vorliegenden peripheren Fazialisparese kommt es aufgrund einer Schaumldigung direkt nach dem Austritt aus dem Foramen stylomastoideum zu einer Funktionsstoumlrung sowohl der oberen als auch der unteren Ge-sichtsmuskeln In der Regel findet sich in Ruhe eine Lidspaltendiffe-

Abb 714 Lokalisation geburtstraumatischer extra- und intrakranieller Blutungen 1 Caput succedaneum 2 subgaleale Blutung 3 Kephalhaumlmatom (subperiostal auszligen) 4 epidurale Blutung (subperiostal innen) 5 subdurale Blutung

714375 middot Perinatale Schaumlden und ihre Folgen

renz ( Abb 715) Im Gegensatz dazu sind bei einer zentralen Ge-sichtsnervenlaumlhmung Bewegungen der Stirn und der Augenlider nicht beeintraumlchtigt Ursache der peripheren Laumlhmung kann eine Druckschaumldigung bei Forcepsentwicklung sein Weiterhin kann die Laumlhmung aufgrund einer intrauterin lagebedingten Kompression durch das muumltterliche Promontorium zustande kommen Therapeu-tisch muss bei einer peripheren Fazialisparese die Austrocknung des Auges verhindert werden Traumatische Schaumldigungen bilden sich in der Regel uumlber einige Wochen zuruumlck

gt Die Fazialisparese kann mit dem raquoschiefen Schreigesichtlaquo verwechselt werden

Beim schiefen Schreigesicht wird ausschlieszliglich beim Schreien der Mund auf einer Seite stark herabgezogen Andere Funktionen der Gesichtsmuskulatur wie Stirnrunzeln Augenschluss und Tiefe der Nasolabialfalte sind normal Ursaumlchlich liegt der Anormalie eine Hypoplasie des M depressor anguli oris zugrunde

Plexusschaumlden Die Inzidenz von Verletzungen des Plexus brachia-lis liegt zwischen 05 und 2 pro 1000 Geburten Die obere Plexuslaumlh-mung (Erb-Duchenne) wird am haumlufigsten beobachtet und betrifft die Fasern von C5 und C6 Alle Formen der Nervenlaumlsion koumlnnen vorliegen von Neuropraxie (Schaumldigung der Reizleitung durch Haumlmatom oder Oumldem der Nervenscheide) bis voumllliger Disruption des gesamten Plexusbuumlndels Mit der Entstehung von Plexusschaumlden verbundene Faktoren sind prolongierte Geburt Schulterdystokie Makrosomie abnorme Kindslage und Zeichen fetaler Beeintraumlchti-gung mit niedrigen Apgar-Werten Klinisch faumlllt zunaumlchst ein fehlen-der Moro-Reflex sowie eine Hypomotorik des betroffenen Armes auf Die charakteristische Haltung besteht in einem herabhaumlngenden Arm der in Adduktion und Innenrotation gehalten wird sowie einer Pronationshaltung der Hand Die Motorik der Hand ist ungestoumlrt der Greifreflex kann ausgeloumlst werden ( Abb 716)

gt Die typische Haltung bei oberer Plexuslaumlhmung mit herabhaumlngendem nach innen rotiertem Arm sowie der nach auszligen und oben gerichteten offenen Handflaumlche wird im englischen Schrifttum als raquoWaiterrsquos-Tip-Haltunglaquo bezeichnet

Die physiotherapeutische Behandlung besteht in einer initialen Ruhigstellung des betroffenen Armes Nach der ersten Woche erfolgt eine passive Bewegung der betroffenen Gelenke in allen Freiheits-graden Die Prognose haumlngt ab von der Schwere der Schaumldigung In den meisten Faumlllen kommt es zu einer kompletten Restitutio Je schneller diese Erholung erfolgt umso vollstaumlndiger ist die funktio-nelle Wiederherstellung Wenn es im Alter von 3 Monaten noch nicht zu einer spontanen Erholung gekommen ist sollte eine Vor-stellung in einer mit diesem Krankheitsbild vertrauten neurochirur-gischen Einrichtung erfolgen

Die untere Plexuslaumlhmung betrifft C8 und Th1Sie ist isoliert sehr selten und kommt eher in Kombination mit der oberen Laumlh-mung als komplette Plexuslaumlhmung vor Klinisch imponiert eine Laumlhmung der kleinen Handmuskeln und der Flexoren im Hand-gelenk Der Greifreflex ist nicht ausloumlsbar Aufgrund der beglei-tenden Schaumldigung von sympathischen Fasern in Th1 wird oft ein Horner-Syndrom mit Ptosis Miosis und Enophthalmus be obachtet

Akute schwere Ruumlckenmarkverletzungen Diese werden nach ex-zessiver Rotations- oder Zugbelastung der Wirbelsaumlule vor allem bei Beckenendlagen und Forzepsextraktionen beobachtet Die klinische Symptomatologie die dem Bild eines spinalen Schocks entspricht haumlngt von der Houmlhe der Ruumlckenmarksverletzung ab Am haumlufigsten treten die Verletzungen im Hals- und Brustwirbelbereich auf Bei Einblutungen in das Ruumlckenmark (Haumlmatomyelie) kann eine schwe-re generalisierte Laumlhmung vorhanden sein

Abb 715 Vermutlich traumatisch bedingte periphere Fazialisparese rechts

Abb 716 Neugeborenes mit oberer Plexusparese links Zustand nach Schulterdystokie

Kapitel 7 middot Neonatologie144

7

Weichteil- Knochen- und OrganlaumlsionenPetechien und Ekchymosen auf der Haut Sie treten haumlufig an den fuumlhrenden Teilen und bedingt durch venoumlse Kongestion waumlhrend des Geburtsvorganges auf Insbesondere das Gesicht kann aufgrund petechialer Blutungen raquozyanotischlaquo imponieren Blutungen finden sich ebenfalls haumlufig subkonjunktival Das Fehlen einer Blutungsbe-reitschaft an anderen Stellen und die typische Lokalisation unter-scheiden den Befund von einer Koagulopathie

Kongenitaler Tortikollis Der angeborene Schiefhals besteht in ei-ner Kontraktur des M sternocleidomastoideus mit resultierender Drehung des Kopfes zur Laumlsionsseite und Schraumlgstellung des Gesich-tes mit Drehung des Kinns von der Seite weg Er wurde lange als geburtstraumatische Laumlsion angesehen bedingt durch ein Haumlmatom des M sternocleidomastoideus mit subsequenter Fibrose Alle Be-funde sprechen jedoch dafuumlr dass diese Kontraktur durch eine intrauterine lagebedingte Zwangshaltung entstanden ist Die Behandlung ist physiotherapeutisch

Frakturen Die haumlufigste geburtstraumatische Fraktur ist die Klavi-kulafraktur In den meisten Faumlllen liegt eine Gruumlnholzfraktur vor und das Kind zeigt nach der Geburt keine Symptome Bei der Erst-untersuchung wird die Fraktur manchmal nicht erkannt und faumlllt erst bei der Folgeuntersuchung als tastbarer Kallus auf Frakturen mit deutlichen Dislokationen koumlnnen nach der Geburt zu Schonhal-tung und Schmerzen bei der Armbewegung fuumlhren Bei der Unter-suchung laumlsst sich eine Krepitation tasten der Moro-Reflex ist nicht seitengleich ausloumlsbar Eine Roumlntgenuntersuchung ist nur bei klini-schen Symptomen indiziert Die Prognose ist gut Kallus bildet sich bereits nach 7ndash10 Tagen Frakturen der Roumlhrenknochen (Humerus-fraktur Femurfraktur) koumlnnen ebenfalls geburtstraumatisch be-dingt sein Klinisch fallen Schmerzen Krepitation Schwellung und Bewegungsarmut auf Eine Schonhaltung des Arms mit Schwellung im Oberarm-Schulterbereich findet sich bei der akuten Osteoepi-physenloumlsung des Humeruskopfes sie ist klinisch schwer von der oberen Plexuslaumlhmung abzugrenzen Die Diagnose ist in der Regel durch eine Ultraschalluntersuchung zu stellen im Zweifel muss eine radiologische Untersuchung erfolgen

Intraabdominale Verletzungen Die Nebennierenblutung ist rela-tiv haumlufig Sie wird oft im Rahmen einer perinatalen Asphyxie beo-bachtet kann aber auch traumatisch bedingt sein Klinisch faumlllt sie auf durch eine tastbare abdominelle Resistenz einer Anaumlmie in den ersten Lebenstagen oder bei einer Ultraschalluntersuchung des Ab-domens im Rahmen einer Asphyxiediagnostik Die Blutung kann ein- oder beidseitig sein Bei bilateralen Laumlsionen sollte die Neben-nierenfunktion der Blutzucker und Blutdruck uumlberpruumlft werden

gt Differenzialdiagnostisch ist ein zystisches Neuroblastom auszuschlieszligen (Katecholaminbestimmung im Urin)

Die Blutung liquefiziert im weiteren Verlauf und kann spaumlter kalzi-fizieren Die Erkrankung erfordert auszliger bei massiven bilateralen Befunden mit Nebenniereninsuffizienzzeichen keine Behandlung die Prognose ist gut

Subkutane Fettgewebsnekrose Fuumlr die Entwicklung dieses Krankheitsbildes ist offenbar eine Kombination von verminderter Hautperfusion im Rahmen einer fetalen Hypoxie mit einem lokalen Trauma verantwortlich Arme Beine Gesaumlszlig Ruumlcken und Gesicht sind bevorzugt betroffen Klinisch findet sich eine in den ersten Lebenstagen auftretende unregelmaumlszligig begrenzte leicht erhabene derbe Schwellung mit Hautroumltung Im Verlauf werden die Ver-

aumlnderungen weicher und loumlsen sich auf selten resultiert eine lokale Atrophie Pathologisch liegt eine perivaskulaumlre Inflammation der Subkutis vor gefolgt von Nekrose und Ausbildung eines Granu-loms Diese Granulomzellen sind offenbar in der Lage extrarenal 125-Dihydroxyvitamin D zu produzieren das zu einer Hyper-kalzaumlmie fuumlhren kann

Cave3ndash6 Wochen nach Ausbildung einer subkutanen Fett-gewebsnekrose kann sich eine ausgepraumlgte Hyper-kalzaumlmie mit klinischen Symptomen (Erbrechen Somnolenz) entwickeln Entsprechende laborchemische Kontrollen sind erforderlich

76 Das Fruumlhgeborene

kEpidemiologieUngefaumlhr 65 aller Geburten erfolgen vor der vollendeten 37 Schwangerschaftswoche etwa 15 der Kinder sind sehr kleine Fruumlhgeborene (Geburtsgewicht lt1500 g Gestationsalter lt32 vollen-dete Gestationswochen)

kAumltiologieDie Fruumlhgeburtlichkeit traumlgt als wesentlicher Faktor zur peri- und neonatalen Sterblichkeit bei Die Ursachen der Fruumlhgeburtlichkeit lassen sich nur bei einem Teil der Patienten eruieren 4 vorzeitige Wehen 4 vorzeitiger Blasensprung 4 Amnioninfektionssyndrom 4 Mehrlingsschwangerschaften 4 akute Plazentaloumlsung 4 muumltterliche Erkrankungen wie EPH-Gestose

kPrognoseDie Uumlberlebenschance Fruumlhgeborener mit einem Geburtsgewicht lt1500 g hat sich im letzten Jahrzehnt deutlich verbessert Waumlhrend in den fruumlhen 1970er Jahren nur 15ndash40 dieser Risikopatienten die Neonatalperiode uumlberlebten ist 10 Jahre spaumlter die Uumlberlebensrate Fruumlhgeborener auf gt90 angestiegen Die Spaumltprognose ist aller-dings immer noch Anlass zur Besorgnis Zum Zeitpunkt der Ein-schulung weisen 6ndash12 der Fruumlhgeborenen mit einem Geburtsge-wicht zwischen 500ndash1500 g die in den 1990er Jahren geboren wur-den schwere Behinderungen auf Hier werden in verschiedenen Follow-up-Studien Zerebralparesen bei 2ndash9 zum Teil schwerste Sehbehinderungen bei 2ndash18 und Houmlrbehinderungen bei 2ndash14 der Hochrisikofruumlhgeborenen berichtet Partielle Leistungsschwauml-chen und Schulschwierigkeiten wurden bei mehr als 13 der Kinder beobachtet Erste Nachuntersuchungsergebnisse die bei Hochrisi-kofruumlhgeborenen der letzten 10 Jahre durchgefuumlhrt wurden berich-ten erfreulicherweise von einer Abnahme der neurologischen Spaumlt-folgen

Die guumlnstigere Prognose ist zu einem groszligen Teil auf die Ver-besserung der Betreuung und des perinatalen Managements von Risikoschwangeren sowie die Fortschritte der neonatalen Inten-sivmedizin zuruumlckzufuumlhren

kKlinikDas Grundproblem sehr kleiner Fruumlhgeborener bleibt jedoch beste-hen die Unreife von Organsystemen und -funktionen die postnatal zu einer Reihe von akuten Erkrankungen und chronischen pulmo-nalen und neurologischen Folgeschaumlden fuumlhren koumlnnen

714576 middot Das Fruumlhgeborene

4 Atemnotsyndrom chronische Lungenerkrankung broncho-pulmonale Dysplasie

4 intrazerebrale Blutung periventrikulaumlre Leukomalazie 4 persistierender Ductus arteriosus 4 Apnoe Bradykardie 4 nekrotisierende Enterokolitis 4 erhoumlhte Infektionsdisposition nosokomiale Sepsis 4 Hypothermie Hypoglykaumlmie 4 Fruumlhgeborenenretinopathie Taubheit 4 psychomotorische Retardierung neurologische Schaumldigung

In den letzten Jahren gibt es eine zunehmende Anzahl von experi-mentellen Untersuchungen sowie klinischen Beobachtungen und Studien die eine Assoziation zwischen maternaler Chorioamnioni-tis und dem Auftreten einer bronchopulmonalen Dysplasie sowie Hirnblutungen bzw periventrikulaumlrer Leukomalazie nahelegen Eine Chorioamnionitis laumlsst sich bei mehr als 50 aller sehr unreifer Fruumlhgeborener in der Vorgeschichte nachweisen Vermutlich fuumlhrt die im Rahmen einer Chorioamnionitis beschriebene intrauterine Zytokinexposition des Feten zu einer Inflammationsreaktion in der kindlichen Lunge sowie zu einer ersten Schaumldigung der unreifen vaskulaumlren Endothelstrukturen dem sog raquofirst hitlaquo ( Abb 717) Treten unmittelbar nach der Geburt weitere schicksalshafte oder auch vermeidbare Ereignisse auf die zu einer Veraumlnderung der zere-bralen Durchblutung und Fluktuationen des zerebralen Blutflusses fuumlhren so kann eine Hirnblutung oder Minderperfusion vulnerabler Gehirnstrukturen auftreten Die intrauterine pulmonale Inflamma-tionsreaktion wird durch postnatale Sauerstofftoxizitaumlt Baro-Volu-trauma sowie Infektionen verstaumlrkt und kann in eine bronchopul-monale Dysplasie einmuumlnden

Maumlnnliche Fruumlhgeborene und Mehrlinge haben allerdings eine geringere Uumlberlebenschance als weibliche Risikopatienten bzw Ein-zelgeborene gleichen Gestationsalters

kManagementFuumlr eine optimale Betreuung von Risikofruumlhgeborenen muumlssen eine Reihe von Bedingungen erfuumlllt sein Risikoschwangere und Fruumlhge-borene sollten nur in personell und technisch optimal ausgestatteten Perinatalzentren betreut werden Ein In-utero-Transport eines ge-faumlhrdeten Fruumlhgeborenen ist mit ungleich geringeren Risiken ver-bunden als eine postnatale Verlegung Die Inzidenz von bleibenden Behinderungen ist ndash wie in vielen Studien belegt ndash bei einer Behand-lung in Perinatalzentren deutlich geringer als in kleinen Kinder-kliniken die uumlber eine geringere Erfahrung in der Behandlung der Patienten undoder eine unzureichende personelle bzw apparative Ausstattung verfuumlgen

gt Bei einer drohenden Geburt vor der 34 Gestationswoche ist unter maximaler tokolytischer Therapie und kritischer Indikationsstellung eine Lungenreifungsbehandlung mit Betamethason oder Dexamethason durchzufuumlhren

Die Geburt dieser Risikopatienten sollte so atraumatisch wie moumlg-lich erfolgen Durch eine schonende Spontangeburt scheint die Kom-plikationsrate insbesondere zerebraler Schaumldigungen nicht erhoumlht zu sein Eine primaumlre Sectio caesarea ist in jedem Fall bei Kindern mit Beckenendlage drohender intrauteriner Asphyxie Verdacht auf Am-nioninfektionssyndrom sowie jedweder Form relevanter muumltterli-cher und kindlicher Pathologie indiziert Waumlhrend der muumltterlichen Anaumlsthesie muss eine intrauterine und postnatale Depression des Kindes unbedingt vermieden werden Dies setzt eine enge Abstim-mung von Anaumlsthesieverfahren chirurgischem Vorgehen und un-mittelbar postnataler Versorgung der Fruumlhgeborenen voraus

Nach der Erstversorgung der Fruumlhgeborenen im Kreiszligsaal er-folgt die weitere zeit- und personalaufwaumlndige Behandlung und Pfle-ge der Kinder auf einer neonatologischen Intensivstation Die therapeutischen Maszlignahmen zielen auf eine Stabilisierung und Kor-rektur von postnatal einsetzenden Organstoumlrungen ab Da Fruumlhge-borene nicht in der Lage sind die Koumlrpertemperatur selbststaumlndig aufrecht zu erhalten werden die Kinder in einem Inkubator oder in speziellen Waumlrmeeinheiten gepflegt die Temperatur wird den Be-duumlrfnissen der Patienten (thermoneutrale Temperatur ausreichende Luftfeuchtigkeit) angepasst Zur Uumlberwachung der Fruumlhgeborenen werden EKG- und Atmungsmonitore eingesetzt in Abhaumlngigkeit vom postnatalen Verlauf (maschinelle Beatmung Sauerstoffthera-pie) erfolgt eine kontinuierliche transkutane Messung des O2- und CO2-Partialdrucks eine kontinuierliche Pulsoxymetrie repetitive Blutgasanalysen Blutdruckmessungen u a Sehr kleine Fruumlhgebore-ne werden haumlufig parenteral (zentrale Katheter) undoder mithilfe einer Magensonde ernaumlhrt

Das Risiko an einer nosokomialen Sepsis und lokalen noso-komialen Infektionen zu erkranken ist hoch in einigen Perinatal-zentren erkranken bis zu 25 der Hochrisikopatienten an einer Sepsis Die psychische Bindung zwischen Mutter und Fruumlhgebore-nem bzw zwischen Vater und Fruumlhgeborenem soll auch bei be-atmeten aber respiratorisch und zirkulatorisch stabilen Kindern so fruumlh wie moumlglich erfolgen Die sog Kaumlnguru-Methode wird von den meisten Fruumlhgeborenen auszligerordentlich gut toleriert ( Abb 718)

Abb 717 Maternale Chorioamnionitis und intrauterine Zytokinexposi-tion des Feten Proinflammatorische Zytokine wie Tumornekrosefaktor-α (TNF-α) und die Interleukine 1 6 8 (IL-1 IL-6 IL-8) die im Rahmen einer Chorioamnionitis in das Fruchtwasser gelangen koumlnnen bereits intrauterin eine pulmonale Entzuumlndungsreaktion des Feten ausloumlsen Dieses Ereignis ist vermutlich ein bedeutender Risikofaktor fuumlr die Entwicklung einer bron-chopulmonalen Dysplasie Daruumlber hinaus kann eine Chorioamnionitis eine systemische fetale Entzuumlndungsreaktion induzieren die mit einem erhoumlh-ten Risiko fuumlr zerebrale Schaumldigungen assoziiert ist

Kapitel 7 middot Neonatologie146

7

761 Das Atemnotsyndrom Fruumlhgeborener

Die Surfactantsubstitution stellt einen entscheidenden Durchbruch in der Behandlung des Atemnotsyndroms Fruumlhgeborener dar Durch diese kausale Therapiemaszlignahme konnten die akuten pulmonalen Komplikationen beatmeter Fruumlhgeborener um 23 reduziert werden und die Sterblichkeit von Fruumlhgeborenen mit Atemnotsyndrom nahezu halbiert werden

kEpidemiologieDas Atemnotsyndrom Fruumlhgeborener (RDS raquorespiratory distress syndromelaquo syn hyalines Membranensyndrom) stellte vor Einfuumlh-rung der Surfactantsubstitution die haumlufigste Todesursache der Neonatalperiode dar Ungefaumlhr 1 aller Neugeborenen erkranken an einem RDS Die Inzidenz steigt mit abnehmendem Gestationsal-ter bis zu 60 der Fruumlhgeborenen lt30 Gestationswoche entwickeln ein RDS

kPathogeneseWesentliche Ursache des RDS ist der Mangel eines pulmonalen ober-flaumlchenaktiven Surfactantsystems das die Oberflaumlchenspannung der Alveolen vermindert und somit zur Stabilitaumlt des Alveolarsys-tems beitraumlgt es beugt einem Alveolarkollaps in der Exspiration vor (Surfactant raquosurface active agentlaquo) Surfactant das in Pneumozy-ten vom Typ II gebildet und in den Alveolarraum sezerniert wird besteht uumlberwiegend aus verschiedenen Phospholipiden

Bei Patienten mit RDS ist die Surfactant-Hauptkomponente Dipalmitoylphosphatidylcholin (Lecithin) quantitativ vermindert

Phosphatidylcholin fehlt vollstaumlndig Da eine staumlndige Sekretion von Surfactant in das Fruchtwasser stattfindet kann durch eine Bestimmung des LS-Quotienten (LecithinSphingomyelin) die Lungenreife von Fruumlhgeborenen abgeschaumltzt werden Der Sphingo-myelingehalt im Fruchtwasser bleibt im Verlauf der Schwangerschaft konstant Ein LS-Quotient von gt21 weist auf ein ausgereiftes Sur-factantsystem hin

Neben Phospholipiden enthaumllt Surfactant Apoproteine unter-schiedlichen Molekulargewichts (SP raquosurfactant proteinlaquo) Waumlh-rend die hochmolekularen Apoproteine (SP-A) vermutlich die zellulaumlre Sekretion und Wiederaufnahme der Phospholipide regulie-ren sowie lokale Abwehrfunktionen gegen verschiedenste mikro-bielle Erreger uumlbernehmen (SP-A SP-D) kommt den hydrophoben niedermolekularen Apoproteinen (SP-B SP-C) eine besondere funktionelle Bedeutung zu sie verbessern die Absorption und Aus-breitung der Surfactantphospholipide

Die Surfactantdefizienz wird typischerweise durch eine postna-tal einsetzende intraalveolaumlre Akkumulation von Plasmaproteinen kompliziert die nach Schaumldigung des Alveolarepithels und Kapilla-rendothels die Alveoli auskleiden und die Surfactantwirkung direkt inhibieren (hyaline Membranen Abb 719)

Eine ausreichende Surfactantsynthese besteht in der Regel von der 35 Gestationswoche an Eine verzoumlgerte Lungenreifung koumln-nen Kinder diabetischer Muumltter Neugeborene mit Asphyxie oder schwerer Erythroblastose aufweisen Eine beschleunigte Lungen-reifung wird bei Praumleklampsie und Wachstumsretardierung bei intrauterinem Stress durch vorzeitigen Blasensprung (2ndash7 Tage) und durch ein muumltterliches Amnioninfektionssyndrom beobachtet

kPathophysiologieBei einem Surfactantmangel entwickeln sich in den Lungen der Fruumlhgeborenen unmittelbar nach der Geburt zunehmende diffuse Atelektasen die alveolaumlre Minderbeluumlftung fuumlhrt zu einer Hypoxauml-mieHypoxie und zu einem Anstieg des CO2-Partialdruckes Die Folgen sind eine systemische Hypotension und Vasokonstriktion der pulmonalen Gefaumlszlige die eine pulmonale Minderperfusion so-wie eine Ausbildung intrapulmonaler Shunts und eines Rechts-links-Shunts auf Vorhofebene (Foramen ovale) bzw uumlber den Ductus arteriosus nach sich ziehen Der pulmonale Metabolismus

Abb 718 Direkter Koumlrper- und Blickkontakt zwischen Vater und Kind im Rahmen der Kaumlnguru-Methode Fruumlhgeborenes der 25 Gestationswoche 660 g Geburtsgewicht Spontangeburt mittelschweres Atemnotsyndrom und transitorische chronische Lungenerkrankung ohne weitere Komplika-tionen hier im Alter von 6 Lebenswochen

Abb 719 Histologie des Atemnotsyndroms Fruumlhgeborener ausgedehn-te Atelektasen in den wenigen uumlberblaumlhten Alveolen typische hyaline Membranen aus verschiedenen Proteinen Fibrin und zellulaumlrem Detritus (Pfeile rosa gefaumlrbte hyaline Membranen)

714776 middot Das Fruumlhgeborene

wird erheblich eingeschraumlnkt Sowohl Azidose Hypoxie und der veraumlnderte Lungenstoffwechsel inhibieren die postnatal einsetzende De-novo-Synthese von Surfactant In Abb 720 ist der Circulus vitiosus des Atemnotsyndroms dargestellt

kKlinikKlinische Symptome treten unmittelbar nach der Geburt oder in-nerhalb der ersten 3ndash4 Stunden post partum auf 4 Tachypnoe gt60min 4 Nasenfluumlgeln 4 exspiratorisches Stoumlhnen 4 sternale und interkostale Einziehungen 4 abgeschwaumlchtes Atemgeraumlusch 4 Mikrozirkulationsstoumlrungen blass-graues Hautkolorit 4 Temperaturinstabilitaumlt 4 evtl Zyanose (bei insuffizienter Behandlung)

Bei der roumlntgenologischen Untersuchung des Thorax finden sich typische Veraumlnderungen unter zunehmender Verdichtung des Lun-genparenchyms mit Ausloumlschung der Herz- und Zwerchfellkonturen entwickelt sich eine so genannte raquoweiszlige Lungelaquo ( Abb 721)

CaveEine neonatale Infektion mit β-haumlmolysierenden Streptokokken der Gruppe B kann sich unter klinischen und radiologischen Zeichen eines RDS manifestieren

kKomplikationenIm Verlauf der Erkrankung koumlnnen folgende Komplikationen auf-treten 4 extraalveolaumlre Luftansammlung pulmonales interstitielles Em-

physem 4 Pneumothorax 4 Pneumomediastinum 4 Pneumoperitoneum 4 Pneumoperikard

Als Folge der Lungenunreife der Langzeitbeatmung und Sauerstoff-toxizitaumlt in der Einatmungsluft kann sich bei Risikopatienten eine chronische Lungenerkrankung die bronchopulmonale Dysplasie (BPD) entwickeln

kSymptomatische TherapieDie Therapie des RDS wird vom Schweregrad der pulmonalen Er-krankung bestimmt 4 Bei leichtem RDS Nasen-CPAP (raquocontinuous positive airway

pressurelaquo uumlber einen binasalen CPAP) 4 Bei deutlicher Ventilations- und Oxygenierungsstoumlrung in-

termittierende oder kontrollierte maschinelle Beatmung der Patienten uumlber einen trachealen Tubus

4 Uumlberwachung kontinuierliche transkutane Messung des pO2 und pCO2 kontinuierliche Pulsoxymetrie regelmaumlszligige Blut-gasanalysen engmaschige Blutdruckkontrollen evtl Plasma- bzw Bluttransfusionen u a Maszlignahmen

gt Das Grundprinzip besteht im raquominimal handlinglaquo einer moumlglichst geringen Belastung des Fruumlhgeborenen durch diagnostische und therapeutische Maszlignahmen

kSurfactantsubstitutionstherapieIn den letzten 20 Jahren ist mit der Substitution mit natuumlrlichem und synthetischem Surfactant als kausaler Therapie ein entscheidender Fortschritt in der Behandlung des Atemnotsyndroms Fruumlhgebore-ner erzielt worden

Natuumlrliche Surfactantpraumlparate werden durch Lavage von Kaumllber- und Rinderlungen (Alveofact Infasurf) oder Homogenisie-rung von Rinderlungen (Surfactant-TA Survanta) oder Schweine-lungen (Curosurf) extrahiert oder aber wurden fuumlr klinische Studien aus dem menschlichen Fruchtwasser isoliert Die Praumlparate enthal-ten die Apoproteine SP-B und SP-C (ca 1) sie unterscheiden sich aber in der Zusammensetzung der Phospholipidfraktionen der Konzentration und dem Applikationsvolumen

Synthetische Surfactantpraumlparate sind apoproteinfrei Wie in randomisierten Studien belegt wurde uumlberlebten mehr Fruumlhge-borene mit RDS die ein natuumlrliches Surfactantpraumlparat erhielten synthetische Surfactantpraumlparate stehen zur Zeit nicht mehr zur Ver-fuumlgung

Effekte der Surfactantsubstitution Unmittelbar nach intratrache-aler Applikation natuumlrlicher Surfactantpraumlparate konnte bei Fruumlh-geborenen mit manifestem RDS in allen kontrollierten Studien eine ndash wenn auch recht unterschiedliche ndash Verbesserung der Oxigenie-rung und der Beatmungssituation erzielt werden

Abb 720 Circulus vitiosus des Surfactantmangels

Abb 721 Radiologische Veraumlnderungen bei schwerem Atemnotsyn-drom verdichtetes Lungenparenchym Ausloumlschung von Zwerchfell- und Herzkonturen sog raquoweiszlige Lungelaquo

Kapitel 7 middot Neonatologie148

7 Sowohl nach prophylaktischer als auch therapeutischer Surfactantgabe konnte die Pneumothoraxinzidenz um 50ndash70 und die Sterblichkeit um ca 40 reduziert werden Alle anderen akuten und chronischen mit Atemnotsyndrom assoziierten Komplikationen wurden durch eine Surfactanttherapie nicht be-einflusst

Neuere Untersuchungen weisen darauf hin dass eine Surfactant-behandlung in der fruumlhen Phase des Atemnotsyndroms einer Therapie in einer spaumlteren Erkrankungsphase uumlberlegen ist Beson-ders Fruumlhgeborene lt28 Gestationswochen profitieren von einer prophylaktischen oder sehr fruumlhen Surfactantapplikation Wie Me-taanalysen belegen fuumlhrt eine Surfactantsubstitution innerhalb von 15 min nach der Geburt zu einer geringen Auspraumlgung des Atemnotsyndroms zu einer reduzierten Inzidenz der BPD und einer geringen Sterblichkeit in dieser Altersgruppe

Empfehlungen zur postnatalen Surfactantbehandlung 4 Moumlglichst fruumlhzeitige Behandlung im Kreiszligsaal fuumlr sehr

unreife Fruumlhgeborene lt28 Gestationswochen 4 Fruumlhe Surfactantsubstitution bei Fruumlhgeborenen

lt32 Gestationswochen mit klinischen Zeichen des raquorespiratory distress syndromelaquo maschineller Beatmung und O2-Bedarf gt40

4 Spaumltere Behandlung bei etwas raquoreiferenlaquo Fruumlhgebore-nen mit RDS maschineller Beatmung und einem O2-Bedarf gt50ndash60

4 Initialdosis fuumlr die prophylaktische Behandlung mit natuumlrlichen Surfactantpraumlparaten ca 100 mgkg KG bei manifestem RDS 100 bis maximal 200 mgkg KG

4 Innerhalb von 48 h wiederholte Surfactantgaben bei er-neutem O2-Anstieg gt30 und maschineller Beatmung (kumulative Dosis 400 mgkg KG)

4 Unabhaumlngig von der Art der Surfactantpraumlparation muss der behandelnde Kinderarzt mit allen Aspekten der Surfactantapplikation der maschinellen Beatmung sowie allen anderen Maszlignahmen der neonatologischen Intensivmedizin vertraut sein

Surfactant-raquoNonresponderlaquo Eine Reihe von Grunderkrankungen koumlnnen den Effekt einer Surfactanttherapie negativ beeinflussen So muss bei Fruumlhgeborenen mit struktureller Lungenunreife oder Lungenhypoplasie z B nach laumlngerem vorzeitigem Blasensprung sowie bei Kindern mit konnataler und neonataler Pneumonie mit einem fehlenden oder deutlich geringeren Therapieerfolg gerechnet werden Aber auch die perinatale Hypoxie Hypothermie und nicht

zuletzt die systemische Hypotension haben unmittelbaren Einfluss auf die initiale Wirksamkeit der Surfactantbehandlung

Eine nur transitorische Verbesserung der Oxygenierung und des Gasaustauschs wird bei Fruumlhgeborenen beobachtet die im Rahmen eines haumlmodynamisch signifikanten persistierenden Ductus arterio-sus ein intraalveolaumlres Oumldem entwickeln

Nebenwirkungen Unmittelbare Nebenwirkungen einer Behand-lung mit natuumlrlichen Surfactantpraumlparaten sind ndash von Fehlern bei der Anpassung der maschinellen Beatmung abgesehen ndash bisher nicht beschrieben

CaveNach Gabe natuumlrlicher Surfactantpraumlparate kann eine akute Uumlberblaumlhung des Lungenparenchyms (raquoHyperex-pansionlaquo) durch eine ungenuumlgende Anpassung des Beat-mungsdrucks zu ernsthaften Ventilations- und Zirkula-tionsproblemen der behandelten Kinder fuumlhren

Eine Sensibilisierung gegen tierische im Surfactant enthaltende Apoproteine wurde bei keinem Patienten beschrieben In Nachun-tersuchungen von Kindern die mit natuumlrlichen oder synthetischen Praumlparaten behandelt worden waren konnte kein Unterschied in der somatischen oder neurologischen Entwicklung im Vergleich zu un-behandelten Kontrollpatienten festgestellt werden Eine gehaumlufte Infektanfaumllligkeit oder gar ein Auftreten einer chronischen Slow-virus-Infektion wurde nach Behandlung mit natuumlrlichen Surfactant-praumlparaten auch nach einer 23-jaumlhrigen Erfahrung mit diesem neuen Therapieprinzip bisher nicht beobachtet

Andere Indikationen fuumlr eine Surfactanttherapie Neben dem neonatalen Atemnotsyndrom ist eine Surfactantbehandlung auch bei Erkrankungen vorstellbar in deren Verlauf ein sekundaumlrer Surfactantmangel auftritt Zurzeit laufende kontrollierte randomi-sierte Studien evaluieren den Einfluss einer Surfactantbehandlung bei konnataler Pneumonie Mekoniumaspirationssyndrom und Zwerchfellhernie

kPraumlventionDie sog Lungenreifungsbehandlung durch Betamethason oder Dexamethason kann die Inzidenz und den Schweregrad des RDS Fruumlhgeborener durch eine Enzyminduktion vermindern Betame-thason sollte der Schwangeren moumlglichst 48 h vor der Geburt ver-abreicht werden Praumlnatale Kortikosteroide in Kombination mit der postnatalen Surfactantherapie (natuumlrliches Surfactant) reduzieren die Sterblichkeit sowie die Inzidenz pulmonaler sowie extrapulmo-naler Komplikationen (Hirnblutung) Allerdings ist von einer repe-

Exkurs

Surfactantsubstitution ndash ein Meilenstein in der Neonatalmedizin

1959 konnten Avery und Mead Boston bei verstorbenen Fruumlhgeborenen erstmals bele-gen dass das hyaline Membranensyndrom mit dem Mangel des oberflaumlchenaktiven Materials assoziiert war 1967 gelang es Rufer Goumlttin-gen die mechanischen Eigenschaften surfac-tantdepletierter isolierter Tierlungen durch in-trabronchiale Instillation einer oberflaumlchenak-tiven Substanz zu verbessern ein Jahr spaumlter konnte er diesen positiven Effekt einer Surfac-tantwirkung an isolierten Lungen Fruumlhgebore-

ner erbringen die an einem Atemnotsyndrom verstorben waren Enhorning und Robertson Toronto bzw Stockholm publizierten 1972 die vielbeachteten Ergebnisse einer Surfactant-substitutionstherapie bei beatmeten fruumlhge-borenen Kaninchen 1980 berichteten Fujiwara et al Akita erstmals von Fruumlhgeborenen mit manifestem Atemnotsyndrom die nach intrat-rachealer Applikation eines Rindersurfactants deutliche Veraumlnderungen des pulmonalen Gasaustausches zeigten In der folgenden

Dekade wurde die klinische Wirksamkeit der Surfactantbehandlung in sorgfaumlltig geplanten multizentrisch kontrollierten undoder rando-misierten Studien eindrucksvoll belegt welt-weit wurden mehr als 10000 Fruumlhgeborene mit verschiedensten Surfactantpraumlparationen behandelt Die Surfactantsubstitution ist da-mit die am besten untersuchte Therapie der Neonatalmedizin

714976 middot Das Fruumlhgeborene

titiven Gabe die noch in juumlngster Vergangenheit in 8- bis 10-taumlgigen Abstaumlnden bis zum Zeitpunkt der Geburt erfolgte abzuraten Es gibt ernst zu nehmende Hinweise dass die Entwicklung des fetalen Ge-hirns durch diese Strategie beeintraumlchtigt wird

Als weiterer bedeutsamer Faktor in der Praumlvention des RDS ist eine schonende Geburtseinleitung und optimale primaumlre Reani-mation der Risikokinder anzusehen

Der besondere FallAnamnese Nach unauffaumllligem Schwangerschaftsverlauf treten bei einer 24-jaumlhrigen Zweitgebaumlrenden in der 29 Gestationswoche ploumltz-lich vorzeitige Wehen auf dazu rasche Muttermundseroumlffnung unauf-faumllliges kindliches CTG Trotz sofortigen Beginns einer tokolytischen (wehenhemmenden) Therapie erfolgt nach einmaliger Kortisongabe die Spontangeburt wenige Stunden nach stationaumlrer AufnahmeBefund und Erstversorgung Weibliches Fruumlhgeborenes der 29 Ge-stationswoche Geburtsgewicht 1060 g vital Wegen unregelmaumlszligiger Atmung wird nach kurzzeitiger Maskenbeatmung mit 40 O2 ein stabiler klinischer Zustand erreicht mit O2-Saumlttigung von 92 Nach 45 min zeigt sich eine zunehmende Tachypnoe (Atemfrequenz um 70min) raquostoumlhnendelaquo Atmung und beginnende jugulaumlre und inter-kostale Einziehungen Darauf folgt die endotracheale IntubationVerlauf Unter maschineller intermittierender Beatmung nimmt der O2-Bedarf weiter zu im Alter von 3 h unter 80 inspiratorischem O2-Gehalt normale Saumlttigung Ventilation und systemischer BlutdruckRoumlntgenthorax Diffuse feingranulaumlre Verdichtung des Lungenparen-chyms mit beginnender Ausloumlschung des Herzrandes RDS Grad IIITherapie Nach intratrachealer Applikation eines natuumlrlichen Surfac-tantpraumlparats (100 mg Phospholipidekg KG asymp125 ml Fluumlssigkeitkg KG) kann innerhalb weniger Minuten eine Reduktion des inspirato-rischen O2-Gehaltes auf 30 erfolgen Etwa 30 min spaumlter faumlllt dann eine rasch progrediente Verschlechterung der Oxygenierung und der Ventilationssituation auf (inspiratorische O2-Konzentration 100 pCO2 65 mmHg) Radiologisch zeigte die Lunge eine massive Uumlber-blaumlhung mit geringer Gefaumlszligzeichnung Durch drastische Senkung des inspiratorischen Spitzendrucks und Atemwegmitteldrucks normalisiert sich die Beatmungssituation der kindliche Zustands stabilisiert sich Die Extubation erfolgt am 5 Lebenstag Im weiteren Verlauf treten keine pulmonalen und zerebralen Komplikationen (Hirnblutung) nach Atemnotsyndrom auf die Entlassung eines gesunden ehemaligen Fruumlhgeborenen erfolgt in der 10 Lebenswoche bei einem Gewicht von 2560 gBeurteilung Typisches mittelschweres durch Surfactantmangel be-dingtes Atemnotsyndrom erfolgreiche Surfactantsubstitutionsbe-handlung Durch die unterlassene Reduktion des Beatmungsdrucks nach Surfactantapplikation iatrogene Uumlberblaumlhung des Lungenparen-chyms mit schwerer Ventilations- und Oxygenierungsstoumlrung sowie Drosselung der pulmonalen Perfusion

762 Persistierender Ductus arteriosus (PDA)

gt Ein haumlmodynamisch wirksamer persistierender Ductus arteriosus stellt das haumlufigste kardiovaskulaumlre Problem Fruumlhgeborener dar

kPathogenese PathophysiologieBei reifen Neugeborenen setzt mit ansteigenden O2-Partialdrucken nach der Geburt eine Konstriktion des Ductus arteriosus und ein konsekutiver Verschluss ein Der Ductus arteriosus Fruumlhgeborener reagiert schwaumlcher auf die postnatalen Kontraktionsreize Wesent-liche Faktoren duumlrften die unreife Muskulatur des Ductus und der

persistierende vasodilatatorische Effekt hoher Prostaglandinkon-zentrationen (PGE2) bei Fruumlhgeborenen sein Bei ausbleibendem Ductusverschluss entwickelt sich in der akuten Phase des RDS ein Shunt zwischen pulmonaler und systemischer Zirkulation (Rechts-links-Shunt)

Mit Ruumlckbildung des RDS sinkt der pulmonale Gefaumlszligwiderstand ab In dieser Phase kann sich ein haumlmodynamisch signifikanter Links-rechts-Shunt uumlber den PDA entwickeln Die Folge ist eine akute pulmonale Uumlberflutung mit haumlmorrhagischem Lungenoumldem und akuter kardialer Insuffizienz Die Beatmungssituation der Pati-enten verschlechtert sich akut durch Intensivierung der Beatmung und Erhoumlhung der inspiratorischen O2-Konzentration nimmt die Lungenschaumldigung zu (bronchopulmonale Dysplasie) Auch bei pro-trahierter Manifestation eines PDA koumlnnen u a ein interstitielles Lungenoumldem und Veraumlnderungen der Organperfusion (Nieren Magen-Darm-Trakt) auftreten

kKlinikEin PDA manifestiert sich haumlufig zwischen dem 3 und 5 Lebenstag 4 praumlkordiale Hyperaktivitaumlt 4 systolisches Herzgeraumlusch gelegentlich kontinuierlich 4 Pulsus celer et altus (raquospringende Pulselaquo) Tachykardie 4 Verschlechterung der Beatmungssituation evtl feinblasige

Rasselgeraumlusche 4 evtl Hepatomegalie 4 renale Ausscheidungsprobleme 4 Zirkulationsstoumlrungen

CaveEtwa 20 der Fruumlhgeborenen mit haumlmodynamisch signi-fikantem persistierendem Ductus arteriosus haben kein Herzgeraumlusch

Die klinische Verdachtsdiagnose wird durch die Roumlntgenthoraxauf-nahme die 2-dimensionale Echokardiographie und den direkten Shuntnachweis mithilfe der Dopplertechnik und Farbdopplerver-fahren bestaumltigt

kTherapieDie wesentlichen Therapieprinzipien des symptomatischen PDA sind 4 Fluumlssigkeitsrestriktion 4 Prostaglandinsynthesehemmer (Indometacin Ibuprofen) 4 operativer PDA-Verschluss

Durch die Hemmung der Prostaglandinsynthese wird der gefaumlszliger-weiternde Effekt von Prostaglandin E2 antagonisiert Kontraindika-tionen der Indometacinbehandlung sind Thrombozytopenie Serumkreatinin gt18 mgdl und Oligurie Etwa 40 aller Indometa-cinbehandelten Fruumlhgeborenen sprechen auf diese konservative Be-handlung nicht an

763 Wilson-Mikity-Syndrom

kDefinitionDiese chronisch-respiratorische Erkrankung kann auch bei nicht beatmeten Fruumlhgeborenen mit einem Gestationsalter von weniger als 32 Gestationswochen im postnatalen Alter von 10ndash14 Tagen auf-treten Die Kinder haben in der Regel keine oder nur eine milde Atemnotsymptomatik waumlhrend der ersten Lebenstage Der radiolo-gische Befund ist durch diffuse zystisch erscheinende Areale charakterisiert die besonders in den oberen Lungenpartien auf-

Kapitel 7 middot Neonatologie150

7

treten sollen Bei dieser chronisch-pulmonalen Erkrankung duumlrfte es sich um eine der moumlglichen Verlaufsformen der raquobonchopulmo-nalen Dysplasie (BPD)laquo Fruumlhgeborener handeln

kEpidemiologieDie Inzidenz des Wilson-Mikity-Syndroms ist nicht bekannt da eine eindeutig klinische und radiologische Abgrenzung von der raquoBPDlaquo nicht moumlglich ist

kPathogeneseWegweisende Untersuchungen zu pathogenetischen Mechanismen dieser chronischen Lungenerkrankung liegen nicht vor Eine erhoumlh-te Inzidenz von maternaler Chorioamnionitis bei Fruumlhgeborenen mit Wilson-Mikity-Syndrom duumlrfte auf eine moumlgliche Rolle von in-trauterinen bzw prauml- und postnatalen Infektionen hinweisen (s Pathogenese der BPD) Bei japanischen Fruumlhgeborenen mit Wilson-Mikity-Syndrom wurden erhoumlhte Gesamtkonzentrationen des Serumimmunglobulin M sowie erhoumlhte Aktivitaumlten der Granu-lozytenelastase im Tracheobronchialsekret nachgewiesen Es ist vor-stellbar dass das bei der BPD vorhandene pulmonale Entzuumlndungs-geschehen durch verschiedenste Infektionserreger ausgeloumlst oder aggraviert wird

kKlinikDie betroffenen Fruumlhgeborenen entwickeln um den 10ndash14 Lebens-tag langsam progrediente Zeichen der Atemnot (Tachypnoe Dys-pnoe etc) und oftmals einen erhoumlhten O2-Bedarf Die Luftnotsym-ptomatik kann uumlber mehrere Wochen und selten auch uumlber mehrere Monate anhalten

CaveDurch suboptimale O2-Saumlttigung und erniedrigten O2-Partialdruck kann sich eine persistierende pulmonale Hypertonie entwickeln

kTherapieUnter optimalen supportiven Maszlignahmen (7 Abschn 764 Thera-pie) sollte diese Erkrankung in der Regel ohne Folgen ausheilen

764 Bronchopulmonale Dysplasie

kGrundlagen1967 beschrieb Northway erstmalig eine Gruppe von Fruumlhge-borenen die nach maschineller Beatmung wegen eines Atemnot-syndroms keine Besserung der Lungenfunktion zeigten Die Kinder blieben uumlber lange Zeit respiratorabhaumlngig oder verstarben unter der Beatmung Diese vorher nicht beobachtete chronische Lun-genkrankheit wurde als bronchopulmonale Dysplasie (BPD) be-zeichnet

kPathogeneseDie BPD ist eine chronische Lungenkrankheit Fruumlhgeborener Grund-voraussetzung fuumlr die Entstehung ist die Unreife der Lunge welche sowohl die anatomischen Strukturen als auch funktionelle Systeme wie das Surfactantsystem betrifft In der Fruumlhphase liegt eine pulmo-nale Inflammationsreaktion vor die durch ein maschinelles Beat-mungstrauma die Sauerstofftoxizitaumlt in der Einatmungsluft oder eine praumlnatale Infektion im Rahmen einer Chorioamnionitis ausgeloumlst

Abb 722 Moumlgliche pathogenetische Sequenz der bronchopulmonalen Dysplasie

715176 middot Das Fruumlhgeborene

wird Eine postnatale Infektion ist ebenfalls in der Lage eine pulmo-nale Entzuumlndung zu induzieren Folge ist zunaumlchst ein interstitielles und alveolaumlres Oumldem Bei anhaltender Exposition gegenuumlber den No-xen wird der normale Gewebsreparaturprozess in der Lunge gestoumlrt es kommt zur Ausbildung einer Fibrose und eines Lungenemphy-sems ( Abb 722 und Abb 723) Moumlglicherweise beeinflusst die Inflammationsreaktion die physiologische Sequenz des Lungen-wachstums Die Folge ist eine abnorme Lungenent wicklung mit einer Beeintraumlchtigung der Alveolarisierung und der Vaskularisierung

gt Fuumlr die Entwicklung einer bronchopulmonalen Dysplasie ist haumlufig ein Atemnotsyndrom in den ersten Lebenstagen verantwortlich es ist aber keine unbedingte Vorausset-zung ein Teil sehr unreifer Fruumlhgeborener entwickelt eine BPD auch bei initial scheinbar gesunder Lunge

kPathophysiologieDie Lungenfunktion ist durch ein niedriges Lungenvolumen sowie eine erniedrigte Compliance charakterisiert Entwickelt sich in der Folge ein erhoumlhter Atemwegswiderstand so liegt eine Kombination von obstruktiver und restriktiver Ventilationsstoumlrung vor Atelek-tasen und Emphysem fuumlhren zu einer Stoumlrung der Relation zwischen alveolaumlrer Ventilation und Perfusion Der resultierende intrapulmo-nale Rechts-links-Shunt ist die Ursache fuumlr die Hypoxaumlmie bzw den Sauerstoffbedarf Aufgrund der Gefaumlszligrarefizierung und einer Mediahypertrophie entwickelt sich bei fortgeschrittenem Krank-heitsbild ein pulmonaler Hypertonus

kKlinikFruumlhgeborene mit einer BPD zeigen folgende Charakteristika und klinische Symptome

4 Langzeitbeatmung schwierige Entwoumlhnung von der maschi-nellen Beatmung

4 nach der Extubation eine persistierende Atemnot mit an-haltendem Sauerstoffbedarf sternalen und kostalen Ein-ziehungen und Tachypnoe

4 Kardiopulmonale Instabilitaumlt mit Neigung zu haumlufigen O2-Saumlttigungsabfaumlllen und Bradykardien

4 Typisches radiologisches Bild fleckig-steifige roumlntgendichte Veraumlnderungen in Abwechslung mit Regionen erhoumlhter Strah-lentransparenz oder zystisch-emphysematoumlsen Bereichen ( Abb 724)

4 Auf Grund der erhoumlhten Atemarbeit Gedeihstoumlrung

kDiagnoseDer Schweregrad der BPD wird durch Sauerstoffbedarf bzw Beat-mungsform zu bestimmten Zeitpunkten definiert ( Tab 79)

kPraumlventionPrinzipiell ist die Praumlvention der BPD das erste Behandlungsziel

Allgemeine Maszlignahmen zur Praumlvention der bronchopulmonalen Dysplasie

4 Praumlnatale Steroidbehandlung 4 Fruumlhzeitige Surfactanttherapie bei Atemnotsyndrom 4 Fruumlhzeitige Behandlung eines klinisch relevanten

persistierenden Ductus arteriosus 4 Vermeidung einer Fluumlssigkeitsuumlberladung 4 Niedrigste moumlgliche Beatmungsunterstuumltzung

und Sauerstoffgabe zur Aufrechterhaltung eines ausreichenden Gasaustausches

4 Falls moumlglich Vermeidung einer maschinellen Beatmung

4 Bei Beatmung fruumlhzeitige Extubation und CPAP- Behandlung

4 Gewaumlhrleistung einer ausreichenden Ernaumlhrung (parenteralenteral) sowie Versorgung mit Spuren-elementen und Vitaminen (Vitamin A)

Abb 723 Histologie der bronchopulmonalen Dysplasie diffuse Atelekta-sen sowie ausgepraumlgte emphysematoumlse Bezirke verbreitertes Interstitium

Abb 724 Radiologischer Befund einer bronchopulmonale Dysplasie Neben fibrotisch verdichteten und atelektatischen Arealen ( ) finden sich uumlberblaumlhte Bezirke ( )

Tab 79 Definition der BPD

Milde BPD O2 mit 28 Tagen Raumluft mit 36 Wochen PMA oder bei Entlassung

Moderate BPD lt30 O2 mit 36 Wochen PMA oder bei Entlassung

Schwere BPD ge30 O2 undoder BeatmungCPAP mit 36 Wochen PMA oder bei Entlassung

PMA postmenstruelles Alter

Kapitel 7 middot Neonatologie152

7

kTherapieWaumlhrend der stationaumlren Behandlung koumlnnen folgende gut belegte Behandlungsmaszlignahmen sinnvoll sein 4 Koffein Offenbar durch Verbesserung der Lungenmechanik

sowie der diuretischen Wirkung fuumlhrt die Behandlung mit Coffein zu einer Senkung der BPD-Rate

4 Steroide Unter einer postnatalen Behandlung Fruumlhgeborener mit Dexamethason kommt es zu einer Verminderung des pul-monalen Wassergehaltes zu einer Verbesserung des Gasaus-tauschs einer Abnahme der pulmonalen Inflammationsreak-tion sowie der mikrovaskulaumlren Permeabilitaumlt der Lunge Die Therapie ermoumlglicht innerhalb von 2ndash5 Tagen bei der Mehrzahl der behandelten beatmeten Patienten eine Extubation Dexame-thason hat bei einer fruumlhen postnatalen Behandlung eine Fuumllle von Nebenwirkungen und unguumlnstigen Langzeiteffekten

gt Da das Risiko fuumlr die Entwicklung einer Zerebralparese bei der Behandlung mit Dexamethason erhoumlht ist darf eine Therapie nur bei schwerer pulmonaler Insuffizienz eines Fruumlhgeborenen erfolgen

4 Inhalative Kortikosteroide wirken nicht prophylaktisch haben jedoch einen Stellenwert bei etablierter BPD

4 Sauerstoff Bei etablierter BPD insbesondere bei schweren Verlaumlufen besteht eine deutliche Mediahypertrophie der Pulmonalgefaumlszlige In dieser Situation sollte Sauerstoff nicht zu niedrig dosiert werden um die Entwicklung bzw Zunahme einer pulmonalen Hypertonie zu vermeiden (SO2 gt92 pO2 gt55 mmHg) Ausreichende Sauerstoffzufuhr ist ebenfalls erforderlich fuumlr eine befriedigende Gewichtszunahme Eine regelmaumlszligige echokardiographische Uumlberwachung zur Beur-teilung des Lungengefaumlszligwiderstandes ist notwendig

kPrognoseIn den meisten Faumlllen kommt es zu einer Reparatur der pulmonalen Veraumlnderungen dieses zeigt sich am Ruumlckgang der Atemnotsymp-tomatik und des Sauerstoffbedarfs Nur wenige Fruumlhgeborene be-noumltigen auch zum Zeitpunkt der Entlassung aus der Klinik noch Sauerstoff und erhalten eine entsprechende haumlusliche Therapie die in der Regel nicht laumlnger als 3ndash6 Monate erforderlich ist Einzelne Kinder lassen sich nicht von der Beatmung entwoumlhnen

Weiterhin haben Kinder mit BPD nicht selten ein hyperreagib-les Bronchialsystem und erkranken innerhalb der ersten 2 Lebens-jahre haumlufig an einer obstruktiven Bronchitis Virale Infektionen insbesondere die RSV-Bronchiolitis koumlnnen bei BPD-Patienten zu einem schwer verlaufenden Krankheitsbild fuumlhren Auffaumllligkeiten der Lungenfunktion (reversible oder fixierte Obstruktionen erhoumlh-tes intrathorakales Gasvolumen) sind bis ins Erwachsenenalter nachweisbar In der Regel sind die Kinder jedoch koumlrperlich spaumlter gut belastbar und in der Lage Sport zu treiben

765 Retinopathia praematurorum

kDefinitionDie Fruumlhgeborenenretinopathie (raquoretinopathy of prematuritylaquo ROP) ist eine multifaktorielle vasoproliferative Netzhauterkran-kung deren Inzidenz und Schweregrad mit zunehmender Unreife zunimmt 10 der Fruumlhgeborenen mit einem Geburtsgewicht lt1750 g aber fast 50 aller Kinder lt1000 g entwickeln irgendeine Form dieser Erkrankung Sie ist die haumlufigste Ursache von Blindheit bei Kindern unter 6 Jahren

kPathogeneseFuumlr die ROP-Entwicklung sind neben der Unreife postnatale Situa-tionen als Risikofaktoren anzusehen die entweder mit einer retina-len Minderperfusion oder einem erhoumlhten retinalen Sauerstoffan-gebot einhergehen 4 Hyperoxie 4 beatmungsbedingte Hypokapnie 4 Hypotension bei Sepsis 4 rezidivierende Apnoen 4 Fluktuationen der Sauerstoffsaumlttigung 4 intraventrikulaumlre Blutung 4 persisitierender Ductus arteriosus 4 Hyperkapnie

Der Schaumldigungsmechanismus setzt vermutlich zum Zeitpunkt der Geburt sehr unreifer Fruumlhgeborener ein ( Abb 725) Bereits die unmittelbare postnatale Exposition gegenuumlber erhoumlhten Sauerstoff-konzentrationen aber auch Raumluft fuumlhrt bei extrem unreifen

Exkurs

Die Geschichte der Fruumlhgeborenenretinopathie

Die Geschichte der Retinopathia praematuro-rum stellt ein erschreckendes Beispiel dar wie dogmatisch getroffene medizinische Entschei-dungen zu menschlichen Katastrophen fuumlhren koumlnnen Seit Beginn der 1940er Jahre wurden viele Fruumlhgeborene mit zusaumltzlichem Sauer-stoff (O2) behandelt die Konzentrationen lagen bei 70 O2 Erst in den 1950er Jahren wurde von australischen Kinderaumlrzten der freizuumlgige Einsatz von O2 als Ursache des epidemieartigen Auftretens der retrolentalen Fibroplasie (= ROP) und damit der Erblindung von relativ raquoreifenlaquo Fruumlhgeborenen identifi-ziert Eines der beruumlhmtesten Opfer ist Stevie Wonder Jahrgang 1950 der in der 34 Gestati-onswoche geboren wurde Aufgrund dieser alamierenden Ergebnisse wurden strenge Therapierichtlinien mit Limitierung der

O2-Gabe auf 40 eingefuumlhrt Die Folge war ein dramatischer Ruumlckgang der ROP Dieses wurde als uumlberzeugender Beweis fuumlr die Richtigkeit der These angesehen dass Sauerstoff in der Tat die einzige notwendige und ausreichende Ursache der retinalen Erkrankung war Jeder Fall von ROP-bedingter Blindheit wurde als Folge einer fehlerhaften Sauerstofftherapie angesehen und hatte entsprechende juristi-sche FolgenIn der Folge stiegen jedoch die Mortalitaumlt und Morbiditaumlt der Fruumlhgeborenen drastisch an Durch Einfuumlhrung intensivmedizinischer Kon-zepte in die Neonatologie mit der Moumlglichkeit der Blutgasanalyse in den 1970er Jahren sank die Mortalitaumlt von Fruumlhgeborenen waumlhrend die ROP-Inzidenz relativ niedrig war Die Sauer-stofftherapie wurde nach dem arteriell gemes-

senen pO2 gesteuert eine Hyperoxie schien so trotz Verabreichung houmlherer Sauerstoffkonzen-trationen vermeidbar Erneut galt die ROP als eine durch iatrogene Uumlberdosierung von O2 verursachte vermeidbare Erkrankung Auf-grund der zunehmenden Uumlberlebensraten sehr unreifer Fruumlhgeborener kam es in den 1980er Jahren jedoch zu einer deutlichen Wiederzu-nahme der Erkrankung sodass von einer neu-en 2 Epidemie gesprochen wurde Es wurde nun jedoch klar dass die ROP eine multikausa-le Erkrankung war die ihre Hauptursache in der Unreife der Fruumlhgeborenen hat Waumlhrend die Inzidenz der schweren ROP in den meisten westlichen Laumlndern erfreulicherweise ruumlck-laumlufig ist erkranken gerade in den Schwellen-laumlndern wieder relativ reife Fruumlhgeborene an dieser bedrohlichen Retinopathie

715376 middot Das Fruumlhgeborene

Fruumlhgeborenen zu einer relativen Hyperoxie der Retina Dadurch wird ein wichtiger Wachstumsfaktor fuumlr die Gefaumlszligentwicklung der Netzhaut VEGF (raquovascular endothelial growth factorlaquo) herabregu-liert Niedrige Konzentrationen von VEGF fuumlhren zu Arretierung des Gefaumlszligwachstums und zu einer retinalen Vasoobliteration Mit zunehmendem Wachstum der neuralen retinalen Strukturen steigt der metabolische Bedarf der Netzhaut an es entsteht eine relative Gewebshypoxie Hierzu koumlnnen auch die genannten Risikofaktoren beitragen die zu einer retinalen Minderperfusion fuumlhren In dieser Phase induziert die Gewebshypoxie eine massive Uumlberproduktion von angiogenetischen Faktoren wie VEGF als Konsequenz resultiert eine abnorme Neovaskularisierung von retinalen Gefaumlszligen Die Ge-faumlszlige wachsen in den Glaskoumlrper ein aufgrund einer vermehrten Permeabilitaumlt kann es zu Blutungen und Oumldembildung kommen

CaveDurch narbige Traktion kann die Retina an der das vaskulaumlr-fibrotische Gewebe anheftet abgehoben werden

kKlinikWaumlhrend der ROP-Entwicklung zeigen die Fruumlhgeborenen keine typischen klinischen Symptome Aus diesem Grund sind regel-maumlszligige ophthalmologische Kontrolluntersuchungen zwingend notwendig Der Zeitpunkt des Auftretens haumlngt von der retinalen Gefaumlszligentwicklung und somit vom postkonzeptionellen Alter ab Die ersten Veraumlnderungen treten in der Regel in der 34 Woche auf und die ersten Gefaumlszligproliferationen in der 36 Woche

gt Um eine Retinopathie nicht zu uumlbersehen sollte die Erst-untersuchung bei Fruumlhgeborenen mit einem Geburtsge-wicht (GG) lt1000 g im Alter von 6 Wochen oder in der 32 Woche pc erfolgen bei Fruumlhgeborenen mit einem GG zwischen 1000ndash1500 g im Alter von 4 Wochen

Kontrolluntersuchungen werden je nach Befund alle 7ndash14 Tage oder in kuumlrzeren Abstaumlnden durchgefuumlhrt Die letzte Untersuchung er-folgt nach Abschluss der Netzhautvaskularisierung

kKlassifizierungIn die internationale Klassifizierung der ROP (ICROP 1984) geht ein dass die Erkrankung umso schwerer ist je weiter posterior (d h zentral) und je ausgedehnter (d h Anzahl der betroffenen Sektoren)

die Laumlsionen sind Dann folgt die Beurteilung des Schweregrades an der Grenzlinie zwischen vaskularisierter und avaskulaumlrer Retina sowie das Vorhandensein zusaumltzlicher aggravierender Zeichen (raquoplus diseaselaquo) 4 Lokalisation Zone 1ndash3 von zentral nach peripher 4 Ausdehnung Angabe von betroffenen 30deg-Sektoren (12 Stuumlck)

als Uhrzeiten mit Sehnerv als Mittelpunkt 4 Schweregrad

5 Grad 1 duumlnne weiszlige Demarkationslinie zwischen vasku-larisierter und avaskulaumlrer Netzhaut 5 Grad 2 erhabene rosagefaumlrbte Proliferationsleiste 5 Grad 3 extraretinale fibrovaskulaumlre Proliferationen ( Abb 726) 5 Grad 4 partielle Netzhautabloumlsung der Raum zwischen Netzhaut und Aderhaut fuumlllt sich mit seroumlser Fluumlssigkeit 5 Grad 5 komplette Netzhautabloumlsung

4 Plus Disease Auftreten vermehrter Gefaumlszligdilatation und -schlaumlngelung (Tortuositas)

kVerlauf PrognoseDie meisten Kinder mit Erkrankungen des Stadiums 1 und 2 zeigen eine Regression In Stadium 3 haumlngt die Prognose von der Ausdeh-nung des Befundes ab im Stadium 4 insbesondere bei Beteiligung der Makula ist die Prognose sehr schlecht Das Risiko fuumlr eine Er-blindung betraumlgt bei Fruumlhgeborenen unter 750 g 5ndash9 unter 1000 g 2 und uumlber 1000 g 01 Die ROP erhoumlht das Risiko der Kinder fuumlr Myopie Strabismus und andere Visusprobleme

kPraumlvention TherapieEine sicher wirksame Praumlvention der ROP besteht nicht Notwendig ist die Uumlberwachung der Sauerstoffzufuhr Dieses erfolgt bei kleinen Fruumlhgeborenen vorzugsweise uumlber den transkutan gemes senen pO2 anzustreben ist ein pO2 50ndash70 mmHg Die pulsoxi metrisch gemesse-ne Sauerstoffsaumlttigung sollte bei allen Fruumlhge borenen die einen zu-saumltzlichen Sauerstoffbedarf haben zwischen 90 ndash 95 liegen

Therapeutisch wird uumlberwiegend die Lasertherapie seltener eine Kryotherapie angewendet Ziel der Photokoagulation oder Kryotherapie ist die Zerstoumlrung von Gefaumlszligproliferationen und des angiogenem Granulationsgewebe Die Behandlung vermindert die Wahrscheinlichkeit eines Visusverlustes um uumlber 50 Zur Zeit wird in kontrollierten klinischen Studien der Einsatz einer anti-VEGF-

Abb 725 Entstehungsmechanismus der Fruumlhgeborenenretinopathie

Abb 726 Retinopathia praematurorum Stadium III auf der rechten Seite vaskularisierte Netzhaut mit erweiterten Gefaumlszligen die in eine breite Proliferationsleiste uumlbergehen Peripher der Leiste Blutung im Bereich der avaskulaumlren Netzhaut (weiszlige Punkte sind Spiegelungsartefakte)

Kapitel 7 middot Neonatologie154

7

Therapie untersucht Erste Daten bei schwersten Verlaufsformen der ROP lassen hoffen dass sich die therapeutischen Moumlglichkeiten in der Zukunft verbessern werden

766 Hirnblutungen des Fruumlhgeborenen

767 Germinale Matrixblutung des Fruumlhgeborenen

kNeuropathologie und zerebrovaskulaumlre ArchitekturDie typische Hirnblutung Fruumlhgeborener entsteht in der germinalen Matrix einer subventrikulaumlr gelegenen Zone uumlber dem Kopf des Nucleus caudatus Von der germinalen Matrix wandern zerebrale Neuroblasten ab der 10ndash20 Gestationswoche auf die Hirnober-flaumlche aus gefolgt von den Glioblasten nach der 20 Woche Das Matrixgewebe nimmt mit zunehmender Schwangerschaftsdauer an Ausdehnung ab um die 34ndash36 Schwangerschaftswoche kommt es zu einer Involution Es ist sehr zellreich von gelatinoumlser Konsistenz und reich vaskularisiert Den Gefaumlszligen fehlen Charakteristika von Arteriolen und Venolen sie werden als unreifes vaskulaumlres Netz beschrieben Die V terminalis verlaumluft innerhalb der germinalen Matrix

kGradeinteilung nach AusdehnungNach einer Endothellaumlsion im Bereich der germinalen Matrix kann eine Blutung entstehen die subependymal begrenzt bleiben kann oder in das Ventrikelsystem ausdehnen kann (subependymale

Haumlmorrhagie Grad 1 intraventrikulaumlre Haumlmorrhagie Grad 2) Bei intraventrikulaumlrer Ansammlung groszliger Mengen an Blut mit deut licher Dilatation des Ventrikels liegt eine Grad-3-Blutung vor Groumlszligere Ventrikelblutungen behindern den Abfluss aus der Vena terminalis und koumlnnen zu einer Obstruktion mit resulti-erendem haumlmorrhagischen venoumlsen Infarkt fuumlhren Abb 727) Bei einer Ventrikelblutung ist der begleitende Infarkt in der Regel einseitig auf der Seite der ausgedehnteren Blutung zu finden ( Abb 728)

Exkurs

Intrazerebrale Blutung Fruumlhgeborener

Die intrazerebrale Blutung ist eine typische und haumlufige Komplikation Inzidenz und Schweregrad sind direkt abhaumlngig von der Un-reife der Fruumlhgeborenen Innerhalb der letzten Jahre ist die Haumlufigkeit der Hirnblutungen bei Fruumlhgeborenen mit einem Geburtsgewicht lt1500 g insgesamt zuruumlckgegangen Da zur gleichen Zeit die Mortalitaumlt der Fruumlhgeborenen ebenfalls stark abgenommen hat spiegelt die-

ses die erheblich gestiegene Qualitaumlt der neonatalen Versorgung wider Somit gilt eine niedrige Mortalitaumlt in Verbindung mit einer niedrigen Hirnblutungsrate bei Fruumlhgeborenen mit sehr niedrigem Geburtsgewicht als Quali-taumltsmaszligstab einer neonatalen VersorgungUntersuchungen der letzten 6ndash8 Jahre haben jedoch gezeigt dass trotz anhaltend sinkender Mortalitaumltsziffern die Rate der Hirnblutungen

in der Gruppe sehr unreifer Fruumlhgeborener nicht weiter abgenommen hat Dieses beruht darauf dass heute vermehrt extrem unreife Kinder aus der 24-26 Schwangerschaftswo-che uumlberleben Bei diesen Kindern haumlngt das Risiko einer Hirnblutung offenbar mehr von praumlnatalen und unreifeassoziierten Faktoren als von einer weiteren Verbesserung der post-natalen Versorgungsqualitaumlt ab

Abb 727 Schwere intraventrikulaumlre Hirnblutung mit Ventrikeldilatation beidseits sowie rechtsseitige massive intraparenchymatoumlse Blutung

Abb 728a b Intraventrikulaumlre Blutungen a Intraventrikulaumlre dem Plexus aufsitzende Blutung die sich bereits in Aufloumlsung befindet (Schaumldelsonographie Laumlngsschnitt Pfeil) b Sonographischer Befund nach Aufloumlsung der intraventrikulaumlren Blutung nachweisbar ist nur noch eine leichte Erweiterung des Ventrikels

a

b

715576 middot Das Fruumlhgeborene

kKomplikationenBei einer intraventikulaumlrer Blutung kann es zu einer Behinderung des Liquorabflusses oder der Liquorresorption kommen Die resul-tierende Ventrikeldilatation kann sich spontan zuruumlckbilden persis-tieren oder progressiv weiterentwickeln Ein solcher posthaumlmorrha-gischer Hydrozephalus mit Druckentwicklung muss neurochirur-gisch entlastet werden

kPathogeneseFuumlr die Entstehung einer Hirnblutung sind neben der Unreife des vaskulaumlren Gefaumlszlignetzes verschiedene Faktoren von Bedeutung ( Abb 729)

4 postnatale Faktoren Hypo- und Hypertension Hypoxie Ischauml-mie Azidose maschinelle Beatmung Pneumothorax PDA Sepsis Gerinnungsstoumlrungen Volumenexpansion u a

4 perinatale Faktoren Zytokinexposition bei Chorioamnionitis intrauterine Hypoxie

Aufgrund der Gefaumlszligarchitektur liegt eine gesteigerte Vulnerabilitaumlt der Mikrovaskulatur im Bereich der germinalen Matrix sowohl bei Hypotension und bei Hypertension vor Eine zerebrale Hyperper-fusion kann zu einer mechanischen Ruptur der Matrixgefaumlszlige fuumlhren ( Abb 729) Eine zerebrale Hypoperfusion eine Azidose oder Hypoxie fuumlhrt zu einer ischaumlmie-induzierten Laumlsion der Matrixge-faumlszlige Bei einer Chorioamnionitis sind proinflammatorische Zytoki-ne in der fetalen und neonatalen Zirkulation offenbar in der Lage die Gefaumlszlige der germinalen Matrix zu schaumldigen und dadurch eine Hirnblutung zu induzieren Neben einer gestoumlrten Perfusion auf der arteriellen Seite ist ein erhoumlhter venoumlser Druck in der V terminalis ebenfalls von Bedeutung Beatmete Kinder haben ein houmlheres Risiko fuumlr eine Hirnblutung insbesondere bei Entwicklung eines Pneumo-thorax ( Abb 729)

gt Durch Fortschritte in der neonatologischen Intensiv-therapie sind die beschriebenen postnatalen Ursachen der Hirnblutungsgenese in den Hintergrund geruumlckt Perinatale Faktoren haben eine zunehmende Bedeutung erlangt

kKlinikSchwere intraventrikulaumlre und intraparenchymatose Hirnblutungen (Grad 3 und 4) fuumlhren bei sehr kleinen Fruumlhgeborenen praktisch immer zu mehr oder weniger ausgepraumlgten klinischen Symptomen 4 ploumltzliche Aumlnderung der Hautperfusion raquoseptisches Aussehenlaquo

mit blass-grauem oder marmoriertem Hautkolorit und verzouml-gerter Kapillarfuumlllungszeit

4 ploumltzliche Aumlnderung des respiratorischen Status mit erhoumlhtem Sauerstoffbedarf Apnoen oder erhoumlhtem Ventilationsbedarf bei beatmeten Patienten

4 Instabilitaumlt des Blutdrucks 4 bei massiven Blutungen raquogefuumllltelaquo oder gespannte Fontanelle 4 Krampfanfaumllle 4 Abfall von Haumlmoglobin bzw Haumlmatokrit 4 muskulaumlre Hypotonie und Hypomotorik 4 Temperaturinstabilitaumlt

CaveBei entsprechenden Symptomen gehoumlrt die zerebrale Sonographie zu einer Notfalluntersuchung bei fehlender Blutung muumlssen andere Ursachen fuumlr die Zustandsver-schlechterung gesucht werden

80ndash90 der Hirnblutungen treten innerhalb der ersten 48 h nach der Geburt auf

kDiagnoseDie Diagnose wird durch die zerebrale Sonographie gestellt ( Abb 727) eine weitergehende bildgebende Diagnostik ist nicht indiziert Die anfaumlnglich echodichte Blutung wird im Verlauf zuneh-mend echoaumlrmer als Zeichen der Liquefizierung bis sie nicht mehr darstellbar ist Zum Zeitpunkt der Entlassung aus dem Krankenhaus sind bei den meisten Fruumlhgeborenen nach Hirnblutungen vom Grad 1 oder 2 keine Residuen nachweisbar Bei ca 30 der Patienten mit Ventrikelblutung kommt es zu einer Ventrikeldilatation (s un-ten) venoumlse Infarkte im Parenchymbereich hinterlassen eine poren-zephale Zyste

kTherapie PraumlventionEine kausale Therapie der intrazerebralen Blutung gibt es nicht

Abb 729 Pathogenetische Faktoren die an der Entstehung der periventrikulaumlren und intraventrikulaumlren Hirnblutung beteiligt sind

Kapitel 7 middot Neonatologie156

7

Ziel der symptomatischen Therapie ist es die Kreislauffunktion Hirnperfusion und Beatmungssituation zu stabilisieren und Fluktua-tionen der Organdurchblutung zu vermeiden Ein hoher Qualitaumlts-standard der neonatalen Versorgung ist Grundvoraussetzung fuumlr die Praumlvention potenziell vermeidbarer Hirnblutungen Diese betrifft das Vorhalten einer ausreichenden Anzahl gut geschulten Personals sowie die Regionalisierung von extrem unreifen Fruumlhgeborenen in speziell ausgestatteten Zentren Die praumlnatale Behandlung mit Glukokortikoiden und ein spaumltes Abnabeln der Kinder sind wohl die am besten belegten praumlventiven Maszlignahmen

kPrognoseDie Prognose der intrazerebralen Blutung haumlngt vor allem vom Vor-handensein einer Parenchymlaumlsion ab Waumlhrend neurologische Fol-geschaumlden bei einer erst- oder zweitgradigen Blutung nur selten auf-treten zeigen ca 13 der Fruumlhgeborenen mit ausgepraumlgter intravent-rikulaumlrer Blutung neurologische Auffaumllligkeiten Die Ausdehnung dieser Parenchymlaumlsion hat jedoch ebenfalls einen Einfluss auf die Prognose Ausgedehnte Laumlsionen mit Beteiligung der frontoparieto-okzipitalen Regionen gehen nahezu immer mit neurologischen Schaumldigungen und einer mentalen Retardierung einher Bei lokali-sierten Blutungen ist die Schaumldigungswahrscheinlichkeit geringer frontal gelegene Blutungen sind prognostisch guumlnstiger als okzipital gelegene

Die typische neurologische Konsequenz der unilateralen Hirn-parenchymblutung ist die spastische Hemiparese Wegen der Naumlhe zum Tractus corticospinalis ist dabei ist die untere Extremitaumlt deut-lich bevorzugt beteiligt (s periventrikulaumlre Leukomalazie)

768 Andere intrazerebrale Blutungen bei Fruumlhgeborenen

Ischaumlmischer und haumlmorrhagischer Infarkt (raquoStrokelaquo)Eine vaskulaumlre Minderperfusion oder Okklusion im Bereich der arteriellen Hirngefaumlszlige hat einen ischaumlmischen Infarkt zur Folge dessen Ausdehnung dem Versorgungsgebiet des betroffenen Ge-faumlszliges entspricht Stroumlmt nach Verschluss eines Arterienastes aus der

Umgebung Blut in die nekrotische Region ein oder liegt ein venoumlser Gefaumlszligverschluss vor so entsteht ein haumlmorrhagischer Infarkt Diese Laumlsionen betreffen sowohl Fruumlh- als auch reife Neugeborene Sie sind zu 90 unilateral mit Bevorzugung der linken Seite und betref-fen vor allem die A cerebri media Als Folge des Infarktes entwickelt sich eine porenzephale Zyste Selten fuumlhren praumlnatale bilaterale Ver-schluumlsse zu einer Hydranenzephalie

Die Diagnose wird durch die zerebrale Ultraschallunter-suchung gestellt Bei einigen Kindern ist bereits intrauterin eine unilaterale porenzephale Zyste nachweisbar andere zeigen zum Zeitpunkt der Geburt einen Infarkt an typischer Stelle im arteriellen Versorgungsgebiet Diese isolierten (d h ohne Ventrikelblutung auftretenden) Parenchymlaumlsionen sollten unbedingt von den oben beschriebenen Hirnblutungen vom Grad 4 unterschieden werden

In einigen Faumlllen entstehen zerebrovaskulaumlre Infarkte postnatal Die Gefaumlszligverschluumlsse koumlnnen durch Thrombose (arteriell oder ve-noumls) Embolien Vasospasmus oder Gefaumlszligfehlbidung bedingt sein haumlufig findet sich jedoch keine fassbare Ursache Infarkte die im Rahmen einer schweren arteriellen Hypotension auftreten finden sich in der Regel nicht im Versorgungsgebiet der A cerebri media

Eine spezifische Therapie ist nicht moumlglich Trotz der manchmal groszligen Ausdehnung des Defekts ist die Prognose unilateraler Ge-faumlszligverschluumlsse meist erstaunlich gut durch Hypotension oder Kreis-laufschock bedingte Infarkte haben in der Regel eine sehr schlechte Prognose

769 Periventrikulaumlre Leukomalazie

kGrundlagen

gt Als periventrikulaumlre Leukomalazie (PVL) wird eine Nekrose mit nachfolgender zystischer Umwandlung der weiszligen Substanz lateral der Seitenventrikel bezeichnet die durch eine Ischaumlmie im Grenzgebiet vaskulaumlrer Versorgungsge-biete entsteht

Es ist eine typische Laumlsion Fruumlhgeborener mit einem Maximum um die 28 Schwangerschaftswoche die Inzidenz betraumlgt bei Fruumlhgebo-renen unter der 32 SSW zwischen 3 und 9 Klinisch fuumlhrt sie haumlu-

Abb 730 Faktoren die an der Pathogenese der PVL beteiligt sind

715776 middot Das Fruumlhgeborene

fig zum Bild der spastischen Diplegie Die Diagnose wird durch die zerebrale Ultraschalluntersuchung gestellt

kNeuropathologie und zerebrovaskulaumlre ArchitekturDie pathologischen Veraumlnderungen der PVL bestehen aus einer fokalen periventrikulaumlren Nekrose sowie einer diffusen Laumlsion der umgebenden weiszligen Substanz ( Abb 730) Der fokalen immer symmetrischen bilateralen Laumlsion liegt eine ischaumlmiebedingte Nekrose zugrunde die sich innerhalb von 2ndash4 Wochen in Zysten umwandeln Durch Proliferation von Astrozyten bilden sich diese zystischen Veraumlnderungen innerhalb einiger Monate zuruumlck Diffu-ser Oligodendrogliaverlust Beeintraumlchtigung der Myelinisierung und Proliferation von Astroglia koumlnnen zu einer Verminderung des Volumens der weiszligen Substanz fuumlhren daraus resultiert als Spaumlt-folge eine Dilatation der Seitenventrikel

Die Hauptorte der fokalen Nekrose liegen in der weiszligen Subs-tanz in Houmlhe der Foramina Monroi (anterior) sowie im Trigonum-bereich (posterior) In diesem Bereich liegen die Grenzgebiete der vaskulaumlren Versorgung langer penetrierender Arterien von der Hirnoberflaumlche und der Hirnbasis ( Abb 730) Eine Ischaumlmie in diesen so genannten raquoletzten Wiesenlaquo wird als raquoWasserscheidenin-farktlaquo bezeichnet Bei zunehmender Reife aumlndert sich die Blut-versorgung Aus diesem Grunde wird bei reifen Neugeborenen eine PVL nicht mehr beobachtet

kPathogeneseFuumlr die Entstehung der PVL sind folgende Faktoren von Bedeutung ( Abb 730)

4 anatomische Voraussetzungen spezielle zerebrovaskulaumlre Architektur (s oben)

4 Faktoren die zu einer zerebralen Ischaumlmie fuumlhren 4 eine vermehrte Vulnerabilitaumlt der weiszligen Substanz

Eine zerebrale Ischaumlmie kann bei Fruumlhgeborenen durch eine Vielzahl von Faktoren bedingt sein welche praumlnatal perinatal oder postnatal ihren Ursprung haben Praumlnatale und perinatale Ursachen sind zirkulatorische Beeintraumlchtigungen aufgrund maternaler Blutun-gen waumlhrend der Schwangerschaft Plazentaloumlsungen oder Kompli-kationen bei Mehrlingsgraviditaumlt In solchen Faumlllen zeigen sich bei der Ultraschalluntersuchung unmittelbar nach der Geburt bereits periventrikulaumlre Laumlsionen an typischer Lokalisation

Am haumlufigsten entsteht eine PVL in Verbindung mit einer Chorioamnionitis Vermutlich werden Oligodendrozyten im Rah-men einer fetalen Entzuumlndungsreaktion durch proinflammatorische Zytokine und andere entzuumlndliche Mediatoren geschaumldigt Bei Fruumlh-geborenen mit PVL finden sich zum Zeitpunkt der Geburt haumlufig erhoumlhte Serumkonzentrationen an proinflammatorischen Zytoki-nen (TNF α Interleukin-6) die Hochrisikopatienten zeigen jedoch in der Regel keine Infektionssymptome

gt Eine Chorioamnionitis spielt in der Pathogenese der peri-ventrikulaumlren Leukomalazie eine entscheidende Rolle

Im zerebralen Ultraschall laumlsst sich zum Zeitpunkt der Geburt be-reits eine symmetrische periventrikulaumlre Echoverdichtung darstel-len die spaumlter in zystische Veraumlnderungen uumlbergeht ( Abb 731)

Postnatal kann eine PVL bei schweren kardiorespiratorischen Beeintraumlchtigungen auftreten Dazu gehoumlren ein persistierender Ductus arteriosus Blutdruckabfaumllle im Rahmen einer Sepsis oder eine zerebrale Hirnminderdurchblutung aufgrund einer beatmungs-bedingten ausgepraumlgten Hypokapnie oder schwerer Apnoen In sol-chen Faumlllen sind periventrikulaumlre Echoverdichtungen erst spaumlter im Verlauf sonographisch darstellbar

kKlinikIn den meisten Faumlllen von prauml- und perinatal entstandener PVL sind die Kinder asymptomatisch Eine muskulaumlre Hypotonie und Hypo-motorik wird nur bei ausgedehnten Befunden beobachtet und zeigt sich auch bei kranken Fruumlhgeborenen ohne PVL

Die klinischen Spaumltfolgen der PVL sind durch die Lokalisation der Laumlsionen bedingt ( Abb 730) Eine PVL betrifft vorwiegend die untere Extremitaumlt und fuumlhrt zu einer spastischen Diplegie Ein mas-siver Befund mit lateraler Ausdehnung kann auch zu einer Beeintraumlch-tigung der Funktion der oberen Extremitaumlt und des Intellekts fuumlhren

kPraumlventionEine Praumlvention der PVL ist zur Zeit nur bei den postnatal entstan-denen Laumlsionen moumlglich und hier auch oft nur sehr bedingt Sie besteht in der Vermeidung der Hyperventilation bei beatmeten Fruumlhgeborenen sowie der adaumlquaten Therapie einer Hypotension eines PDA oder schwerer Apnoen Eine kausale Praumlvention der Chorioamnionitis-assoziierten PVL gibt es bisher nicht

Der besondere FallAnamnese Ein weibliches Fruumlhgeborenes wurde spontan nach unauf-haltsamer Wehentaumltigkeit in der 29 Gestationswoche mit einem Ge-burtsgewicht von 1360 g geboren Der Blasensprung erfolgte 4 Tage vor der Geburt das Fruchtwasser war klar Die Mutter zeigte keine Er-houmlhung des C-reaktiven Proteins sie hatte kein Fieber Die histologi-sche Untersuchung der Plazenta aber zeigte deutliche Zeichen einer Chorioamnionitis mit massiver leukozytaumlrer Infiltration der EihaumluteBefunde Postnatal zeigte das Fruumlhgeborene eine rasche und gute cardiopulmonale Adaptation Es entwickelte kein Atemnotsyndrom und keinen zusaumltzlichen Sauerstoffbedarf Eine Ultraschalluntersu-chung des Kopfes am 2 Lebenstag zeigte eine deutliche scharf be-grenzte Echoverdichtung beidseits frontal und lateral der Seitenventri-kel Eine Echoverdichtung im Bereich der germinalen Matrix oder in-nerhalb der Seitenventrikel fand sich nichtKlinischer Verlauf Im Alter von 11 Tagen zeigte das Fruumlhgeborene eine Serie von Apnoen welche nach taktiler Stimulation sistierten Der Muskeltonus war schlaffer als vorher das Kind wies eine diskrete Marmorierung der Haut auf der Blutdruck war instabil und bedurfte einer Volumengabe Es wurde die Verdachtsdiagnose einer Sepsis ge-stellt und nach Abnahme von Blutkulturen eine antibiotische Therapie begonnen Die Blutkultur zeigt ein Wachstum von Staphylococcus

Abb 731 Zystische Erweichungsherde bei periventrikulaumlrer Leukomala-zie (Schaumldelsonographie Laumlngsschnitt)

6

Kapitel 7 middot Neonatologie158

7

epidermidis Nach einer Woche waren im Ultraschallbild zystische Veraumlnderungen beidseits periventrikulaumlr nachweisbar Das Kind ent-wickelte eine spastische Diplegie bei unauffaumllliger mentaler Ent icklungBeurteilung Das Kind zeigte die typischen sonographischen Befunde einer PVL Die unmittelbar postnatal registrierten periventrikulaumlren Echoverdichtungen weisen auf eine prauml- oder perinatale Genese hin Obwohl die Anamnese keine sicheren maternalen Infektionssymptome zeigte lag histologisch eine Chorioamnionitis vor welche wahrschein-lich mit der Entstehung einer periventrikulaumlren Leukomalazie in Ver-bindung gebracht werden kann Die Chorioamnionitis hatte zu keiner kindlichen Infektion gefuumlhrt Die Atem- und Kreislaufregulations-stoumlrungen sind als Symptome der nosokomialen Sepsis zu deuten

7610 Apnoen bei Fruumlhgeborenen

kGrundlagenFruumlhgeborene insbesondere sehr unreife Kinder mit einem Geburts-gewicht lt1000 g zeigen nach der Geburt uumlber eine lange Zeit eine ausgepraumlgte kardiorespiratorische Instabilitaumlt Ohne Zeichen einer anderen Grunderkrankung treten ploumltzlich Apnoen Bradykardien und Hypoxaumlmien auf Aufgrund der Unreife zentraler Steuerungs-strukturen sind solche Apnoen bei Fruumlhgeborenen regelhaft zu beo-bachten und somit physiologisch (Fruumlhgeborenenapnoen) Sie wer-den jedoch pathologisch durch ihre Dauer und den Schweregrad der begleitenden Hypoxaumlmie undoder Bradykardie Apnoen mit relevan-ten Hypoxaumlmien und Bradykardien sind behandlungsbeduumlrftig Da die Herzauswurfleistung bei Neugeborenen im Wesentlichen durch die Herzfrequenz bestimmt wird kommt es bei solchen Ereignissen stets zu einer betraumlchtlichen Verminderung der Hirnperfusion

gt Schwere Fruumlhgeborenenapnoen koumlnnen vermutlich das Risiko fuumlr ischaumlmische Hirnlaumlsionen sowie fuumlr die Ent-wicklung einer eine Retinopathie erhoumlhen

kDefinitionenApnoen Bradykardien und Hypoxaumlmien werden in der Literatur recht unterschiedlich definiert die folgenden Definitionen werden jedoch fuumlr Fruumlhgeborene zunehmend akzeptiert 4 Apnoe Atempause gt20 s oder Atempause lt20 s mit begleiten-

der BradykardieHypoxaumlmie 4 Bradykardie Abfall der Herzfrequenz lt80min oder Abfall

gt13 des Basalwerts 4 Hypoxaumlmie SO2-Abfall lt80 Dauer ge4 s

kPathogeneseNeben dieser unreifebedingten Genese von Apnoen koumlnnen prolon-gierte Atempausen jedoch auch Symptome einer Grunderkrankung sein (symptomatische Apnoen) Insbesondere bei systemischen Infektionen oder anderen schweren Erkrankungen kommt es haumlufig zur Beeintraumlchtigung der Atemregulation

Ursachen symptomatischer Apnoen 4 Sepsis und Meningitis (besonders bei neuauftretenden

Apnoen) NEC 4 Persistierender Ductus arteriosus (Wiedereroumlffnung

eines bereits verschlossenen Ductus arteriosus) 4 Apnoen als Symptom einer beginnenden respiratori-

schen Insuffizienz bei Atemnotsyndrom Pneumonie oder BPD

4 Zentrale Atemregulationsstoumlrung bei Asphyxie Hirn-blutung Hirnfehlbildung

4 Gastrooumlsophagealer Reflux 4 Obere Luftwegsobstruktion bei Choanalstenose

Pierre-Robin-Sequenz oder Stimmbandlaumlhmung 4 Fuumltterungsbedingte Bradykardien durch Vagusreiz

CavePrinzipiell sind Apnoen solange verdaumlchtig auf eine Sepsis bis das Gegenteil bewiesen ist

Fruumlhgeborenenapnoen besser als Apnoe-Bradykardie-Hypoxaumlmie-Syndrom Fruumlhgeborener beschrieben sind komplexer Genese Zu-grunde liegt eine Kombination unreifebedingter Ursachen ganz verschiedener Organsysteme des Atemzentrums der oberen Luft-wege des Thorax und der Lunge ( Abb 732) Das Atemzentrum in der Medulla oblongata sowie die peripheren Chemorezeptoren zei-gen bei Fruumlhgeborenen eine Persistenz fetaler Reaktionsweisen Im Gegensatz zum reifen Neugeborenen das verstaumlrkt atmet reagiert das Fruumlhgeborene auf eine Hypoxie mit einer Apnoe ( Abb 732) Weiterhin liegt eine verminderte CO2-Responsivitaumlt d h es erfolgt nur eine geringe Atemstimulation bei Hyperkapnie Ein Kollaps der oberen Luftwege kann ebenso wie Thoraxinstabilitaumlt oder eine Ver-minderung des Atemminutenvolumens bei periodischer Atmung eine intermittierende Hypoventilation mit Hypoxie zur Folge haben

kDiagnoseMithilfe der gleichzeitigen Registrierung von thorakaler und nasaler Atmung Herzfrequenz und Sauerstoffsaumlttigung (Oxykardiorespi-rographie) koumlnnen bei Fruumlhgeborenen die oben beschriebenen ver-schiedenen Formen der Atemregulationsstoumlrung dargestellt werden 4 Zentrale Apnoe thorakale Atmungsaktivitaumlt und nasaler Luft-

strom sistieren parallel Herzfrequenz und Sauerstoffsaumlttigung fallen anschlieszligend ab

4 Obstruktive Apnoe thorakale Atmungsaktivitaumlt haumllt an nasaler Luftstom sistiert Herzfrequenz und Sauerstoffsaumlttigung fallen ab

4 Gemischte Apnoe erst obstruktive dann zentrale Apnoe oder umgekehrt

4 Primaumlre Hypoxaumlmie primaumlrer Abfall der Sauerstoffsaumlttigung dann Abfall von Herzfrequenz und Apnoe

gt Aufgrund der Haumlufigkeit von Apoen Bradykardien und Hypoxaumlmien bei Fruumlhgeborenen muumlssen die Vitalparame-ter dieser Kinder in der Regel uumlber lange Zeit auf einer Intensivstation uumlberwacht werden

kTherapieZur Behandlung des Apnoe-Bradykardie-Hypoxaumlmie-Syndroms Fruumlhgeborener stehen verschiedene Optionen zur Verfuumlgung Weiterhin haumlngt die Wahl der Therapiemaszlignahme von der Haumlufig-keit und Schwere der Atemregulationsstoumlrung ab

Therapeutische Maszlignahmen bei Fruumlhgeborenenapnoe 4 Taktile Stimulation Taktile Maszlignahmen wie Streicheln

oder sanftes Schuumltteln fuumlhren in den meisten Faumlllen zur Wiederaufnahme der Atmung

4 Atemstimulation durch Methylxanthine (Coffein Theophyllin) oder Doxapram

6 6

715977 middot Lungenerkrankungen des Neugeborenen

4 Verminderung von Hypoxaumlmien durch Nasen-CPAP undoder geringfuumlgige Anhebung der inspiratorischen Sauerstoffkonzentration (5)

4 Bei Versagen dieser Maszlignahmen ist eine maschinelle Beatmung erforderlich

Es gibt zur Zeit keine sicheren Angaben wie viele Apnoen und welcher Schweregrad toleriert werden koumlnnen und somit keine klaren Indikationen wann die konservative Behandlung beendet und eine maschinelle Beatmung erfolgen soll Wenn bei schweren Apnoen wiederholt eine Maskenbeatmung zur Behandlung der Bradykardie und Hypoxie notwendig ist besteht in der Regel die Indikation zur maschinellen Beatmung

CaveDie auf den Intensivstationen uumlbliche Uumlberwachung der Sauerstofftherapie durch Pulsoxymeter ist nur fuumlr die Erfassung einer Hypoxie sinnvoll und eignet sich nicht gut fuumlr die Kontrolle einer Hyperoxie Diese erfolgt besser durch die transkutane Messung des pO2

77 Lungenerkrankungen des Neugeborenen

771 Transitorische Tachypnoe

kDefinitionDie transitorische Tachypnoe (Synonym transientes Atemnotsyn-drom des Neugeborenen raquofluid lunglaquo Fluumlssigkeitslunge) entwickelt sich in den ersten Lebensstunden nach der Geburt uumlberwiegend bei reifen Neugeborenen oder relativ raquoreifenlaquo Fruumlhgeborenen Charak-teristisch ist die deutlich beschleunigte Atemfrequenz mit minima-len Einziehungen und gelegentlich auftretender leichter Zyanose Die Erkrankung bildet sich in der Regel innerhalb der ersten 2ndash3 Le-benstage spontan zuruumlck

kPathogeneseDie transitorische Tachypnoe wird vermutlich durch eine ver-zoumlgerte Resorption der kindlichen Lungenfluumlssigkeit uumlber die pulmonalen Lymph- und Blutgefaumlszlige oder aber einen vermehrten pulmonalen Fluumlssigkeitsgehalt ausgeloumlst Die praumldisponierenden Faktoren die mit einer normalen Fluumlssigkeitsresorption interferie-ren oder aber zu einer Erhoumlhung des pulmonalen Fluumlssigkeitsgehalts fuumlhren sind in der Uumlbersicht dargestellt

Faktoren die mit verzoumlgerter Fluumlssigkeitsresorption oder vermehrtem pulmonalem Fluumlssigkeitsgehalt einhergehen

4 Sectio caesarea am wehenlosen Uterus 4 raquoWunschlaquosectio vor der 39 Gestationswoche 4 Perinatale Asphyxie 4 Muumltterlicher Diabetes 4 Exzessive muumltterliche Analgesie 4 Oxytocin und vermehrte maternale Fluumlssigkeitszufuhr 4 Polyglobulie (Polyzythaumlmie) des Neugeborenen 4 Erhoumlhter zentraler Venendruck des Neugeborenen 4 Verspaumltetes raquoAbnabelnlaquo

kKlinikDie Neugeborenen fallen durch eine kurze Zeit nach der Geburt einsetzende Tachypnoe (bis zu 120 Atemzuumlgemin) auf die nur von geringen Einziehungen und wechselnd ausgepraumlgtem inspiratori-schem Stoumlhnen begleitet ist die Lungen sind haumlufig uumlberblaumlht Bei Hypoxaumlmie ist in der Regel eine Zufuhr von 30ndash40 O2 in der Inspirationsluft ausreichend um eine suffiziente Oxygenierung zu erzielen Das Roumlntgenthoraxbild zeigt typischerweise vermehrte zen-trale Verdichtungen mit einer peripheren Uumlberblaumlhung der Lunge und gelegentlich interlobaumlren Fluumlssigkeitsansammlungen oder kleinen Pleuraerguumlssen Gelegentlich entwickelt sich auf dem Boden einer massiven pulmonalen Uumlberblaumlhung eine pulmonale Hyper-tonie mit Rechts-links-Shunt die in das gefuumlrchtete Krankheitsbild der persistierenden pulmonalen Hypertonie einmuumlnden kann

Abb 732 Unreifebedingte Faktoren mit Bedeutung fuumlr die Genese von Apnoen Bradykardien undoder Hypoxaumlmien bei Fruumlhgeborenen

Kapitel 7 middot Neonatologie160

7

kDiagnoseDie Diagnose der transitorischen Tachypnoe basiert haumlufig auf dem Ausschluss anderer akuter pulmonaler Erkrankungen und wird haumlufig erst retrospektiv gestellt Neonatale Pneumonien insbeson-dere mit β-haumlmolysierenden Streptokokken der Gruppe B koumlnnen unter einer identischen initialen Dynamik verlaufen

kTherapieBei Atemfrequenzen gt80min wegen Aspirationsgefahr keine orale Ernaumlhrung intravenoumlse Fluumlssigkeitszufuhr bei Bedarf O2-Gabe haumlufig ist eine kurzzeitige antibiotische Behandlung indiziert

772 Mekoniumaspirationssyndrom

kDefinitionNach der Aspiration von Mekonium entwickelt sich eine pathogene-tisch komplexe Erkrankung die durch eine akute Atemnotsympto-matik der uumlberwiegend uumlbertragenen oder reifen hypotrophen Neugeborenen und einen kompatiblen radiologischen Lungen-befund charakterisiert ist Mekoniumhaltiges Fruchtwasser ist bei 10ndash18 aller Geburten nachzuweisen

kEpidemiologieDie Inzidenz des schweren Mekoniumaspirationssyndroms liegt zwischen 02ndash6 erkrankten Neugeborenen1000 Lebendgeborene Es bestehen erhebliche geographische und regionale Unterschiede in der Erkrankungshaumlufigkeit

kAumltiopathogeneseMekonium besteht aus eingedickten intestinalen Sekreten und Zellen sowie loumlslichen und zellulaumlren Fruchtwasserbestandteilen Die wasserloumlslichen Festsubstanzen bestehen u a aus Mukopoly-sacchariden Plasmaproteinen Proteasen konjugiertem Bilirubin die fettloumlslichen Bestandteile u a aus Bilirubin Bilirubinoiden freien Fettsaumluren Cholesterin und Glykolipiden Mekonium wird bereits von der 10ndash16 Gestationswoche an im fetalen Gastrointes-tinaltrakt gefunden Aufgrund einer intestinalen Hypomotorik wird

nur selten ein Mekoniumabgang bei Fruumlhgeborenen beobachtet Die Haumlufigkeit des Auftretens von mekoniumhaltigem Fruchtwasser ist direkt mit der Reife der Neugeborenen verbunden und ist mit houmlheren Serumspiegeln des properistaltischen Hormons Motilin as-soziiert Bei fehlenden Hinweisen auf eine intrauterine oder subpar-tale Gefaumlhrdungssituation duumlrfte ein Mekoniumabgang vor allem ein reifeabhaumlngiges Phaumlnomen reflektieren Eine akute intrauterine oder subpartuale kindliche Hypoxie kann gerade in den letzten Gestationswochen einen vorzeitigen Mekoniumabgang ausloumlsen der besonders bei einem Oligohydramnion ein sehr konsistentes raquoerbsbreiartigeslaquo Fruchtwasser hinterlassen kann Der Abgang von partikelhaltigem und dickfluumlssigem Mekonium praumldisponiert zur Entstehung eines Mekoniumaspirationssyndroms und zu kompli-zierten Erkrankungsverlaumlufen

Die konnatale Listerioseinfektion kann eine Ursache fuumlr den vorzeitigen Mekoniumabgang bei Fruumlhgeborenen sein

kPathophysiologieIm Verlauf einer intrauterinen oder subpartualen Hypoxie die zu einer Vasokonstriktion mesenterialer Gefaumlszlige Darmischaumlmie konsekutiver Hyperperistaltik und Sphinkterrelaxation fuumlhrt tritt ein fruumlhzeitiger Mekoniumabgang auf Die Aspiration von Meko-niumpartikeln kann durch eine hypoxieinduzierte vorzeitige Atemtaumltigkeit die ein bestimmtes Muster aufweist bereits in utero erfolgen haumlufiger findet die Aspiration von Mekonium jedoch un-mittelbar nach der Geburt statt Bei gt50 aller Neugeborenen mit mekoniumhaltigem Fruchtwasser lassen sich Mekoniumbestand-teile im Trachealaspirat nachweisen die bei der Mehrzahl der Kinder folgenlos eliminiert werden Groumlszligere Mekoniumpartikel die mit den ersten Atemzuumlgen in die kleineren Luftwege gelangen fuumlhren zu einer partiellen Bronchusobstruktion und Verlegung der Alveolen Die Folgen sind die Ausbildung von Atelektasen uumlberblaumlhten emphysematoumlsen Arealen (raquoair trappinglaquo) und extraalveolaumlre Luftansammlungen (interstitielles Emphysem Pneumothorax Pneumomediastinum etc Abb 83 Abb 733)

Durch im Mekonium enthaltene Substanzen (z B Fettsaumluren) entwickelt sich innerhalb von 24ndash48 h eine chemische Pneumonie Daruumlber hinaus fuumlhren verschiedene Proteine und Phospholipasen zu einer direkten Inaktivierung des Surfactantsystems Haumlufig bilden sich intrapulmonale Shunts und eine durch eine Konstriktion der Lungengefaumlszlige bedingte persistierende pulmonale Hypertonie aus die zu einer Rekonstitution fetaler Zirkulationsverhaumlltnisse fuumlhren kann

kKlinikDas klinische Bild wird vom Schweregrad der intrauterinen Asphyxie und dem Ausmaszlig der Mekoniumaspiration bestimmt Die Neu-geborenen fallen unmittelbar nach Geburt durch schwere Atem depression Schnappatmung Bradykardie Hypotonie Schocksymptome auf die Haut ist mit Mekonium bedeckt Finger-naumlgel und Nabelschnur koumlnnen gruumlnlich verfaumlrbt sein Neuge-borene mit Spontanatmung weisen eine Tachypnoe ausgepraumlgte Dyspnoezeichen und evtl eine Zyanose auf Die Roumlntgenthorax-aufnahme zeigt dichte fleckige Infiltrate neben uumlberblaumlhten Arealen abgeflachte Zwerchfelle und haumlufig extraalveolaumlre Luft ( Abb 734)

kPraumlventionDurch sorgfaumlltiges fetales Monitoring sind die Warnzeichen der intrauterinen Hypoxie zu erkennen Bestehen Hinweise auf eine kindliche Gefaumlhrdung so ist die sofortige Geburtsbeendigung obli-gat Bei allen Geburten die durch mekoniumhaltiges Fruchtwasser

Abb 733 Pathogenetische Sequenz der Mekoniumaspiration neben mechanischen Faktoren die zu einer schweren Beeintraumlchtigung der Lungenfunktion beitragen beguumlnstigt die chemische pulmonale Inflamma-tionsreaktion die Entwicklung von Hypoxie und Azidose

716177 middot Lungenerkrankungen des Neugeborenen

auffallen sollte umgehend ein erfahrener Kinderarzt zur postnatalen Versorgung des Neugeborenen hinzugezogen werden

gt Bei Abgang von mekoniumhaltigem Fruchtwasser muss bereits vor dem ersten Atemzug d h nach der Geburt des kindlichen Kopfes von Geburtshelfer oder Hebamme Mekonium aus dem Oropharynx entfernt werden

Findet sich bei einem klinisch auffaumllligen Neugeborenen waumlhrend der laryngoskopischen Inspektion des Kehlkopfes Mekonium unter-halb der Stimmbaumlnder so ist es unverzuumlglich mit einem dicklumigen Katheter oder evtl direkt uumlber einen Endotrachealtubus abzusau-gen Bei groumlszligeren Mengen erbsbreiartigen Mekoniums in den Luft-wegen sollte eine Bronchiallavage durchgefuumlhrt werden Tierexpe-rimentelle Untersuchungen und einzelne klinische Erfahrungsbe-richte aus juumlngster Zeit weisen darauf hin dass eine Bronchiallavage mit einer verduumlnnten Loumlsung einer natuumlrlichen Surfactantpraumlpara-tion (ca 5 mg Phospholipideml) zu einer deutlichen Verbesserung der Oxygenierung und Ventilation fuumlhren Auf eine primaumlre Mas-kenbeatmung ist ndash wenn moumlglich ndash zu verzichten

kTherapieDie zum Teil auszligerordentlich schwierige Behandlung Neugeborener mit Mekoniumaspirationssyndrom schlieszligt zur Behandlung der Hypoxaumlmie eine konventionelle Beatmungstherapie die Hochfre-quenzoszillationsbeatmung die Surfactantsubstitutionstherapie und den Einsatz von Stickstoffmonoxid (NO) ein Als Ultima-ratio-Therapie ist eine extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO) zu erwaumlgen Einzelheiten der Therapie sind den Lehrbuumlchern der Neonatologie zu entnehmen

773 Pneumothorax

kEpidemiologieEin spontaner asymptomatischer Pneumothorax tritt bei ca 05ndash1 aller Neugeborenen auf Die Pneumothoraxinzidenz bei maschinell beatmeten Fruumlhgeborenen mit Atemnotsyndrom betrug vor Einfuumlh-rung der Surfactanttherapie 15ndash30 Inzwischen wird diese Kompli-kation bei 3ndash6 aller beatmeten Fruumlhgeborenen beobachtet

kAumltiologieEin symptomatischer Pneumothorax kann bei einer Reihe pulmo-naler Erkrankungen Fruumlh- und Neugeborener auftreten Atemnot-syndrom Mekoniumaspiration Lungenhypoplasie kongenitale Zwerchfellhernie transitorische Tachypnoe Aspirationspneumonie Staphylokokkenpneumonie mit Pneumatozele lobaumlres Emphysem nach Thorakotomie Ebenso findet es sich nach unsachgemaumlszliger Reanimation und maschineller Beatmung

kPathogeneseEin hoher intraalveolaumlrer Druck der durch erhoumlhten Spitzendruck und positiv endexspiratorischen Druck (raquopositive endexpiratory pressurelaquo PEEP) bei maschineller Beatmung entsteht oder aber von tachypnoeischen spontanatmenden Kindern durch einen er-houmlhten so genannten raquoAuto-PEEPlaquo gebildet wird kann besonders in ungleich beluumlfteten Lungenarealen zu einer Uumlberblaumlhung von Alveolen und zu einer moumlglichen Ruptur der Alveolarwand fuumlhren Die extraalveolaumlre Luft ist in der Lage durch das interstitielle Ge-webe und entlang der perivaskulaumlren Gefaumlszligscheiden sowie der peribronchialen Lymphgefaumlszlige zu entweichen In Abhaumlngigkeit von der Ausbreitung der Luft ist mit einer Reihe von Komplikationen zu rechnen interstitielles Emphysem Pneumomediastinum Span-nungspneumothorax Pneumoperitoneum Pneumoperikard und subkutanes zervikales oder thorakales Emphysem

Ein Spannungspneumothorax entwickelt sich bei einer druck-wirksamen Ansammlung von Luft im Pleuraspalt Ein einseitiger Spannungspneumothorax fuumlhrt nicht nur zu einer schweren Venti-lationsstoumlrung der betroffenen gelegentlich kollabierten Lungens-eite sondern durch die Mediastinalverlagerung auch der kontralate-ralen Lunge Daneben wird durch Kompression der V cava oder Torsion der groszligen Gefaumlszlige der venoumlse Ruumlckfluss erheblich be-eintraumlchtigt Bei der Entstehung des interstitiellen Emphysems scheinen nicht nur physikalische Faktoren von Bedeutung zu sein sondern auch pulmonale Entzuumlndungsvorgaumlnge und proteolytische Lungengeruumlstschaumldigungen die u a nach praumlnatalen Infektionen beobachtet wurden

kKlinikDie klinischen Leitsymptome des gefuumlrchteten Spannungspneumo-thorax sind

4 ploumltzlich einsetzende Atemnot 4 Zyanose 4 Hypotension 4 Schocksymptome 4 Bradykardie 4 Thoraxasymmetrie 4 Verlagerung der Herztoumlne 4 seitendifferentes Atemgeraumlusch

Gerade bei kleinen Fruumlhgeborenen kann die Diagnose eines Span-nungspneumothorax schwierig sein da bei maschinell beatmeten Patienten nicht immer ein fehlendes oder abgeschwaumlchtes Atem-geraumlusch nachweisbar ist

kDiagnose TherapieIn lebensbedrohlichen Situationen darf keine Zeit durch Anferti-gung einer Roumlntgenaufnahme vergehen es ist eine sofortige Pleura-punktion mit Entlastung des Pneumothorax durchzufuumlhren

Anschlieszligend wird eine Pleuradrainage unter optimalen Bedin-gungen gelegt Die Transillumination des Thorax mit einer fiberop-tischen Kaltlichtlampe erlaubt eine rasche Identifizierung des illumi-nierenden lufthaltigen Pleuraraumes ( Abb 735)

Abb 734 Radiologische Veraumlnderungen bei schwerem Mekonium-aspirationssyndrom neben verdichteten dystelektatischen Arealen finden sich typische uumlberblaumlhte Lungenanteile

Kapitel 7 middot Neonatologie162

7

774 Kongenitales lobaumlres Emphysem

kDefinitionDas kongenitale lobaumlre Emphysem ist durch eine Uumlberblaumlhung einer oder mehrerer Lungenlappen charakterisiert ( Abb 736) Meistens sind die Oberlappen oder der rechte Mittellappen be-troffen Ungefaumlhr 10 der betroffenen Kinder haben zusaumltzlich ein Vitium cordis oder andere Fehlbildungen

kAumltiologieAls Ursachen des lobaumlren Emphysems das mit der zunehmenden Uumlberblaumlhung auch normales Lungengewebe komprimiert werden

Stoumlrungen im Aufbau der Bronchialwand (z B Fehlen des bronchia-len Knorpels) intraluminale Bronchusobstruktionen (eingedicktes Sekret Schleimhautfalten) oder extraluminale Bronchusobstruk-tionen (z B Kompression durch aberrierende Gefaumlszlige) gefunden

kKlinik TherapieHaumlufig entwickelt sich die klinische Symptomatologie die durch eine progrediente Tachypnoe und andere Dyspnoezeichen auffaumlllt innerhalb der ersten Lebenswochen Einige Neugeborene erkranken allerdings unmittelbar postnatal an einer akuten progredienten Atemnotsymptomatik Bei diesen Kindern ist eine sofortige Bron-choskopie undoder Resektion des betroffenen uumlberblaumlhten Lun-genteils lebensrettend Bei vital milder aber progredienter Sympto-matik ist eine chirurgische Therapie angezeigt Nur bei asymptoma-tischen Kindern kann unter regelmaumlszligiger Kontrolle auf eine invasive Behandlung verzichtet werden da sich ein lobaumlres Emphysem ge-legentlich zuruumlckbilden kann

775 Lungenhypoplasie

kDefinitionEine Lungenhypoplasie ist entweder Ausdruck einer gestoumlrten Organanlage oder einer Ausreifungsstoumlrung der fetalen Lunge die durch verschiedene mit der normalen Lungenentwicklung inter-ferierende Faktoren ausgeloumlst werden kann

kAumltiopathogeneseEine Anlagestoumlrung der Lunge wird bei seltenen Chromosomen-aberationen beobachtet Wesentlich haumlufiger entwickelt sich eine Lungenhypoplasie im Rahmen fetaler Grunderkrankungen oder Stouml-rungen die mit der normalen Ausbildung der Alveolen inter ferieren Ein Mangel an Fruchtwasser der zu einem Verlust intraalveolaumlrer Fluumlssigkeit in der vulnerablen Phase der Lungenentwicklung (vor der 26 Gestationswoche) fuumlhrt kann eine schwere Lungenhypoplasie

Abb 735a b Diagnose eines linksseitigen Pneumothorax durch Transillumination mit Hilfe einer Kaltlichtlampe (a) linksseitiger Spannungspneumo-thorax mit Verdraumlngung des Mediastinums nach rechts (Roumlntgen-Thorax) (b)

a b

Abb 736 Lobaumlres Emphysem des linken Lungenoberlappens bei einem 4 Wochen alten Fruumlhgeborenen der 36 Gestationswoche Mediastinalver-schiebung nach rechts Kompression des linken Unterlappens

716377 middot Lungenerkrankungen des Neugeborenen

nach sich ziehen Eine bilaterale Nierenagenesie (Potter-Sequenz) Anhydramnie bei vorzeitigem Blasensprung oder Fruchtwasserver-lust nach Amniozentese sind als Ursache der Lungenhypoplasie defi-niert Aber auch fehlende intrauterine Atembewegungen der Feten wie sie bei neuromuskulaumlren Erkrankungen Myasthenia gravis An-enzephalie u a Erkrankungen beobachtet werden koumlnnen die nor-male Entwicklung nachhaltig beeinflussen Eine Kompression der fe-talen Lunge nach Malformation des Thorax fuumlhrt bei verschiedenen Skeletterkrankungen (u a asphyxierende Thoraxdysplasie) zu einer Lungenhypoplasie Auch andere Fehlbildungen wie die Zwerchfellher-nie und Chylothorax koumlnnen uumlber eine Kompression des Lungenge-webes die normale Wachstumsdynamik nachhaltig beeintraumlchtigen

kKlinik DiagnoseDie schwere Lungenhypoplasie manifestiert sich entweder unter dem Bild einer Asphyxie oder aber schwersten respiratorischen Insuffizienz Die hypoplastischen Lungen lassen sich haumlufig auch unter intensiven Beatmungsmaszlignahmen nicht wirksam eroumlffnen Haumlufig treten bilaterale Pneumothoraces auf einige Patienten ent-wickeln auf dem Boden einer primaumlren pulmonalen Hypertonie eine persistierende fetale Zirkulation Bei ausgepraumlgten Formen der Lungenhypoplasie ist die Prognose infaust Die Thoraxaufnahme zeigt typischerweise schmale Lungen mit einem glockenfoumlrmigen Thorax ( Abb 737) Die Diagnose ist allerdings haumlufig nur zu ver-muten und wird anhand anamnestischer Risiken sowie des postna-talen Verlaufs nicht selten retrospektiv gestellt Post mortem kann durch Bestimmung des Lungengewichts sowie mithilfe morphome-trischer Techniken die Verdachtsdiagnose verifiziert werden

kTherapieNur bei weniger ausgepraumlgten Formen der Lungenhypoplasie kann durch differenzierte Beatmungstechniken Einsatz von Stickstoff-monoxid NO und gegebenenfalls Surfactantsubstitution (sekun-

daumlrer Surfactantmangel) eine nachhaltige Stabilisierung der Lungen-funktion erzielt werden

776 Zwerchfellhernie (Enterothorax)

kEpidemiologieDie Inzidenz einer Zwerchfellhernie betraumlgt ca 0251000 Lebend-geborene 80ndash90 der Hernien treten auf der linken Seite auf

kPathogeneseEin Zwerchfelldefekt kann zu einer Verlagerung saumlmtlicher Bauch-organe in die Thoraxhoumlhle fuumlhren ( Abb 738) Dieses Krankheits-bild ist ein dringlicher Notfall der Neugeborenenchirurgie (7 Kap 36) Infolge der Lungenkompression und Herzverlagerung kann sich eine schwerste rasch progrediente respiratorische und kardiozirkulatorische Insuffizienz mit persistierender fetaler Zir-kulation entwickeln ( Abb 739)

gt Die operative Versorgung eines Neugeborenen mit Zwerchfellhernie sollte erst nach optimaler Stabilisierung der respiratorischen und kardiozirkulatorischen Funktio-nen erfolgen

kKlinikDie Leitsymptome der Zwerchfellhernie sind 4 zunehmende Atemnot 4 Zyanose 4 Schocksymptome 4 Verlagerung der Herztoumlne 4 ein asymmetrisch vorgewoumllbter Thorax ohne Atemexkursion 4 fehlendes Atemgeraumlusch 4 evtl Darmgeraumlusche im Thorax 4 ein eingesunkenes raquoleereslaquo Abdomen

Abb 737 Radiologischer Befund einer aumltiologisch ungeklaumlrten Lungen-hypoplasie bei einem Fruumlhgeborenem der 34 Gestationswoche

Abb 738 Linksseitiger Zwerchfelldefekt mit intrathorakal gelegenem Magen und Darmanteilen massive Verlagerung des Herzens nach rechts

Kapitel 7 middot Neonatologie164

7

kTherapieDa mit zunehmender Luftfuumlllung des intrathorakal gelegenen Darmes Lunge Herz und Mediastinum verdraumlngt werden und somit eine Spannungssymptomatik entstehen kann ist eine primaumlre Maskenbeatmung obsolet Die Neugeborenen werden umgehend intubiert erhalten eine offene Magensonde und werden bereits im Kreiszligsaal auf die betroffene Seite gelagert

kPrognoseDie Prognose der Zwerchfellhernie wird entscheidend vom Grad der Lungenhypoplasie der optimalen Erstversorgung der chirurgi-schen Therapie und der anschlieszligenden intensivmedizinischen Behandlung beeinflusst Die Diagnose kann bei bereits zum Unter-suchungszeitpunkt vorliegendem Enterothorax praumlnatal gestellt werden

777 Neonatale Pneumonien

kDefinitionEine neonatale Pneumonie entwickelt sich auf dem Boden einer intrauterinen sub- oder postnatalen Infektion mit muumltterlichen oder nosokomialen Erregern u a durch Aspiration infizierten Fruchtwassers Man kann davon ausgehen dass bakteriell kontami-niertes Fruchtwasser oder infizierte Lungenfluumlssigkeit mit den ers-ten Atemzuumlgen in die terminalen Atemwege gelangt und dort mit einer kurzen Latenz eine Entzuumlndungsreaktion ausloumlst Dieser Mechanismus erklaumlrt das oftmals symptomfreie Intervall nach der Geburt ( Abb 740)

kPathogenesePathogenese Risikofaktoren und Erregerspektrum sind im 7 Ab-schn 7109 abgehandelt

Beatmete und intensivmedizinisch behandelte Fruumlh- und Neugeborene sind besonders gefaumlhrdet eine Pneumonie mit Pseudomonas- oder Klebsiellenspezies zu akquirieren Chlamy-dien und Ureaplasmen kommen ebenfalls als Erreger von Pneu-monien Fruumlhgeborener vor Seltener treten Mykoplasmen als Er-reger auf

gt Bei langzeitbeatmeten Fruumlhgeborenen die uumlber laumlngere Zeit antibiotisch behandelt wurden ist immer an eine Pilzpneumonie insbesondere mit Candida spp zu denken

kKlinikDie klinische Symptomatik einer in den ersten Lebensstunden und Lebenstagen oder auch spaumlter auftretenden neonatalen Pneumonie verlaumluft haumlufig unter dem Bild eines progredienten Atemnot-syndroms mit Tachypnoe Einziehungen und Nasenfluumlgeln

kTherapieDie primaumlre antibiotische Behandlung muss gegen die potenziellen Mikroorganismen gerichtet sein (s Therapie der neonatalen Sepsis) Bei Atem- undoder Kreislaufinsuffizienz der erkrankten Neuge-borenen wird die erforderliche Supportivtherapie durchgefuumlhrt Chlamydien- und Ureaplasmapneumonien werden mit Erythromy-cin behandelt Pneumocystispneumonien mit TrimethoprimSulfa-methoxazol

778 Persistierende pulmonale Hypertonie (persistierende fetale Zirkulation)

kDefinitionDie persistierende pulmonale Hypertonie (PPH syn persistierende fetale Zirkulation) ist ein lebensbedrohliches Krankheitsbild das auf dem Boden eines persistierenden erhoumlhten pulmonalen Gefaumlszlig-druckes durch einen signifikanten Rechts-links-Shunt uumlber das of-fene Foramen ovale uumlber den persistierenden Ductus arteriosus und auch intrapulmonale Shunts ohne Hinweise auf eine strukturel-le Herzerkrankung charakterisiert ist

kAumltiologieDie PPH tritt uumlberwiegend bei reifen und uumlbertragenen Neuge-borenen auf Nach intrauteriner und subpartualer Hypoxie muumltterlicher Aspirin- und Indometacineinnahme waumlhrend der Schwangerschaft wurde eine Verdickung und Ausdehnung der Ge-faumlszligmuskulatur bis in kleine pulmonale Arterien hinein beschrieben Am haumlufigsten entwickelt sich eine PPH sekundaumlr bei Neugeborenen

Abb 739 Charakteristischer radiologischer Befund einer linksseitigen Zwerchfellhernie luftgefuumlllte Darmschlingen Verlagerung des Mediasti-nums und des Herzens nach rechts verdichtete Lunge rechts

Abb 740 Aumltiopathogenese der neonatalen Pneumonie Bakteriell infizierte Lungenfluumlssigkeit gelangt mit den ersten Atemzuumlgen des Neu-geborenen in die terminalen Atemwege

716577 middot Lungenerkrankungen des Neugeborenen

nach Mekoniumaspiration Weitere Erkrankungen in deren Folge sich eine PPH entwickeln kann sind die subpartuale und post-natale Hypoxie die neonatale Sepsis mit β-haumlmolysierenden Streptokokken der Gruppe B und Listerien die Zwerchfellhernie die Lungenhypoplasie Pneumothorax Hyperviskositaumltssyndrom Hypoglykaumlmie und Hypothermie sowie ein Atemnotsyndrom Die PPH ist nicht selten idiopathisch Die Praumlvalenz dieser Erkran-kung wurde auf etwa 1 Neugeborenes pro 1000 Lebendgeborene geschaumltzt

kPathophysiologieBei intranataler oder postnataler Hypoxie entwickelt sich rasch eine metabolisch-respiratorische Azidose Die normalerweise durch Anstieg des paO2 und Abfall der paCO2 unmittelbar nach der Geburt einsetzende Dilatation der Lungenarterien bleibt aus die Azidose induziert uumlber eine pulmonale Vasokonstriktion eine pulmonale Hypertonie die uumlber das Foramen ovale den Ductus arteriosus Bo-talli und intrapulmonale Shunts die Entwicklung eines persistieren-den Rechts-links-Shunts nach sich zieht Es bildet sich eine zuneh-mende Sauerstoffuntersaumlttigung des arteriellen Blutes aus die mit der postnatal einsetzenden Vasodilatation interferiert ( Abb 741) Bei einigen dieser Patienten liegen bereits pulmonale Gefaumlszligveraumlnde-rungen im Sinne einer Mediahypertrophie vor die Ausdruck einer chronischen intrauterinen Hypoxie sein koumlnnten (primaumlrer pulmo-naler Hochdruck andere Kinder haben als Grunderkrankung eine mehr oder weniger ausgepraumlgte Lungenhypoplasie) Potente Stimuli der pulmonalen Vasokonstriktion sind Leukotriene und weitere Lipidmediatoren deren Freisetzung bei allen sekundauml ren Formen der PPH durch Hypoxie Infektionen und die im Verlauf verschie-denster Grunderkrankungen einsetzenden Inflammationsreaktion gefoumlrdert wird

kKlinikDie Neugeborenen erkranken in der Regel innerhalb der ersten 12 Lebensstunden In Abhaumlngigkeit von der Grunderkrankung ste-hen entweder die Zyanose (Polyzythaumlmie idiopatische PPH u a) oder die schwere Atemnotsymptomatik mit Zyanose (Mekoniu-maspiration Zwerchfellhernie u a) im Vordergrund Die Patienten koumlnnen innerhalb kurzer Zeit ein Multiorganversagen oder Myokar-dischaumlmie entwickeln Die klinische Verdachtsdiagnose einer PPH kann durch die prauml- und postduktale O2-Differenz und nicht zuletzt durch die Echokardiographie (einschlieszliglich dopplersonographi-scher Diagnostik) bestaumltigt werden Der Roumlntgenthoraxbefund ist bei einigen Erkrankungen unauffaumlllig (Asphyxie Hyperviskositaumlts-syndrom etc) bei anderen zeigt er die typischen Veraumlnderungen der Grunderkrankung

kTherapieZu einer optimalen Behandlung gehoumlrt ndash wenn immer moumlglich ndash eine Korrektur der Grundproblematik sowie eine gezielte Suppor-tivtherapie und Behandlung aller im Verlauf der Erkrankung auf-getretenen Komplikationen wie z B Hypotension myokardiale Dysfunktion Azidose Die Kinder sind zu sedieren und gegebenen-falls zu relaxieren Der entscheidende therapeutische Ansatz ist eine suffiziente maschinelle Beatmung mit ausreichender Oxyge-nierung Die fruumlher geuumlbte Hyperventilationstherapie mit einem pCO2 von 20ndash25 mmHg ist wegen der Drosselung der zerebralen Durchblutung heute obsolet Zusaumltzlich wird das kurzzeitig wirksa-me und gut steuerbare Prostazyklin auch in inhalativer Form ein-gesetzt

Als vielversprechender neuer therapeutischer Ansatz ist die in-halative Behandlung mit NO (raquonitric oxidelaquo Stickstoffmonoxid)

anzusehen NO fuumlhrt zu einer selektiven Vasodilatation der Pulmo-nalgefaumlszlige in den ventilierten Lungenarealen Zurzeit verfuumlgen nur einige Neonatalzentren uumlber die Therapiemoumlglichkeit Neugebore-ne die auf keine dieser Maszlignahmen ansprechen werden einer Hochfrequenzoszillationsbeatmungstherapie zugefuumlhrt

Reichen diese Maszlignahmen nicht aus um eine ausreichende Oxygenierung zu erreichen so sollte der Patient mit einer extrakor-poralen Membranoxygenierung (ECMO) behandelt werden Die international anerkannten Kriterien fuumlr ECMO-Therapie sind Ge-stationsalter gt34 Wochen Geburtsgewicht gt20 kg keine Gerin-nungsstoumlrung fehlendes Ansprechen auf alle erwaumlhnten therapeuti-schen Maszlignahmen und das Vorliegen eines Oxygenierungsindex (OI) von 25ndash40 (mittlerer Atemwegsdruck [cmH2O] times FiO2 times 100paO2 [mmHg])

kPrognoseDie neonatale Sterblichkeit der PPH liegt bei 20ndash30 In den wenigen Langzeituntersuchungen der uumlberlebenden Kinder wird deutlich dass nur ca 40 diese Erkrankung unbeschadet uumlberste-hen die restlichen Patienten weisen neurologische Folgeschaumlden in unterschiedlichster Auspraumlgung auf Bei 20 der Kinder wurde ein neurosensorischer Houmlrverlust diagnostiziert

779 Lungenblutung

kDefinitionEine akute von den Alveolen ausgehende Lungenblutung tritt uumlberwiegend bei Fruumlhgeborenen und hypotrophen Neugeborenen auf die an verschiedensten Erkrankungen der Neonatalperiode leiden

kEpidemiologieWaumlhrend bei mehr als 10 verstorbener Neugeborener eine Lungen-blutung autoptisch diagnostiziert wird entwickelt sich dieses lebens-bedrohliche Ereignis bei weniger als 5 aller Fruumlhgeborenen mit

Abb 741 Circulus vitiosus der perinatalen Hypoxie und postnataler Risikofaktoren die zur Entwicklung einer pulmonalen Hypertonie und per-sistierenden fetalen Zirkulation fuumlhren

Kapitel 7 middot Neonatologie166

7

einem Geburtsgewicht lt1500 g die an einem Atemnotsyndrom er-krankt sind

kAumltiologiePraumldisponierende Faktoren fuumlr eine Lungenblutung sind eine neo-natale Streptokokkenpneumonie die perinatale Asphyxie Hypo-thermie Azidose Hypoglykaumlmie Gerinnungsstoumlrungen Herzver-sagen schwere Erythroblastose Surfactanttherapie und Sauerstoff-toxizitaumlt

kKlinikAkute Blutung aus Mund Nase und den Atemwegen mit rasch progredientem Kreislauf- und Atmungsversagen In den Roumlnt-genthoraxaufnahmen zeigt sich eine zunehmende Verdichtung der Lunge

kTherapieUnverzuumlgliche Stabilisierung der Beatmungs- und Kreislaufsituation mit allen zur Verfuumlgung stehenden intensivmedizinischen Maszlignah-men sowie ndash wenn immer moumlglich ndash Behandlung der Grundproble-matik

7710 Chylothorax

kDefinitionUnter einem Chylothorax wird eine Ansammlung von chyloumlser Fluumls-sigkeit im Pleuraraum verstanden ( Abb 742)

kEpidemiologieEin angeborener Chylothorax ist ein seltenes Ereignis haumlufiger werden erworbene Ansammlungen chyloumlser Fluumlssigkeit nach kar-diochirurgischen Eingriffen beobachtet Als Folge parenteraler Langzeiternaumlhrung uumlber einen zentralen Venenkatheter wurden Thrombosierungen der oberen Hohlvene mit sekundaumlrem Chy-lothorax beschrieben

kAumltiopathogeneseDie Ursache fuumlr die Entstehung eines angeborenen Chylothorax ist unklar es wird ein angeborener Defekt des Ductus thoracicus ver-mutet Bei Neugeborenen mit Down- Noonan- und Turner-Syn-

drom sowie bei Hydrops fetalis tritt gelegentlich ein Chylothorax auf ebenso wurde nach Geburtstraumata die Entwicklung chyloumlser Effusionen berichtet

kKlinik DiagnoseDie Neugeborenen fallen unmittelbar postnatal oder innerhalb der ersten Lebenstage durch mehr oder minder ausgepraumlgte Zeichen der Atemnot auf Vor Beginn einer oralen Ernaumlhrung enthaumllt die serum-aumlhnliche Pleurafluumlssigkeit mehrere Tausend Leukozytenμl mehr als 90 sind mononukleaumlre Zellen (Lymphozyten) Nach Milchernaumlh-rung nimmt die Pleurafluumlssigkeit eine weiszligliche typisch chyloumlse Farbe an

kTherapieDie kontinuierliche Ableitung der chyloumlsen Fluumlssigkeit fuumlhrt bei den meisten Kindern zu einer Ausheilung Es treten aber z T erheb-liche Eiweiszlig- und Antikoumlrper- sowie Lymphozytenverluste auf Eine orale Ernaumlhrung mit mittelkettigen Triglyzeriden reduziert die Chylusproduktion

kPrognoseBei den meisten Formen eines Chylothoraxes kann man von einer sich selbstlimitierenden Erkrankung ausgehen Selten werden Ver-suche chirurgischer Korrekturmaszlignahmen oder intraperitoneale Shuntableitung allerdings mit unsicherem Ausgang noumltig

7711 Obstruktion der oberen Atemwege

kDefinitionAngeborene Obstruktionen der oberen Luftwege gehen haumlufig mit akuter unmittelbar postnatal auftretender Atemnot einher

kAumltiopathogenese TherapieDa Neugeborene fuumlr eine suffiziente Atmung auf eine ungehin-derte Nasenatmung angewiesen sind fuumlhren saumlmtliche anato-mischen und funktionellen Obstruktionen der oberen Luftwege zu einer akuten Atemnotsymptomatik Trotz deutlicher Atem-exkursionen unmittelbar nach der Geburt koumlnnen Neugeborene mit Choanalatresie oder Pierre-Robin-Sequenz (Mikrognathie Glossophtose Gaumenspalte) kein adaumlquates Atemzugvolumen aufbauen ( Abb 743) Diese bedrohliche Situation ist durch Einfuumlhren eines passenden Guedel-Tubus haumlufig akut zu beheben Die Bauchlage kann das Zuruumlckfallen der Zunge bei Neuge-borenen mit Pierre-Robin- Sequenz haumlufig verhindern und die Luftnotsymptomatik verbessern Eine fruumlhe individuelle kiefer-orthopaumldische Behandlung kann mit Hilfe einer Gaumenplatte und einem integrierten pharyngealen Sporn der das Zuruumlckfallen der Zunge verhindert langfristig zu einer Ausheilung der Fehl-bildung fuumlhren

Larynx- und Trachealatresien verlaufen meistens letal Der kon-genitale laryngeale Stridor auf dem Boden einer Laryngomalazie heilt bei den meisten Kindern im Verlauf des ersten Lebensjahres aus Schwieriger gestaltet sich die Behandlung einer kongenitalen oder haumlufig durch prolongierte Intubation oder Intubationsschaumlden erworbenen subglottischen Stenose Bei dieser Problematik koumln-nen langwierige tracheale Dilatationen Lasertherapien oder auch laryngotracheale Rekonstruktionen angezeigt sein

Abb 742 Linksseitig ausgepraumlgter Pleuraerguss mit Mediastinalverla-gerung nach rechts Durch Punktion Nachweis von lt90 mononukleaumlren Zellen (Lymphozyten) Diagnose linksseitiger Chylothorax

716778 middot Bluterkrankungen

78 Bluterkrankungen

781 Fetale Erythropoese

kPhysiologische BesonderheitenDie Erythropoese die am 20 Gestationstag beginnt findet in der Fetalzeit uumlberwiegend in Leber und Milz statt Erst im letzten Trime-non wird das Knochenmark zum Hauptbildungsort der Erythropo-ese Die Haumlmoglobinkonzentration steigt von 8ndash10 gdl im Alter von 12 Gestationswochen auf 165ndash20 gdl im Alter von 40 Gesta-tionswochen an Nach einem kurzen postnatalen Anstieg der Hauml-moglobinkonzentration innerhalb von 6ndash12 Lebensstunden faumlllt sie kontinuierlich auf 10 gdl im Alter von 3ndash6 Monaten ab Fruumlhgebo-rene unterhalb der 32 Gestationswoche haben niedrigere Ausgangs-haumlmoglobinkonzentrationen und erfahren einen schnelleren Abfall der Haumlmoglobinkonzentration der Tiefpunkt ist 1ndash2 Monate nach der Geburt erreicht Waumlhrend dieser physiologischen Anaumlmisie-rung laumlsst sich kaum Erythropoetin im Plasma nachweisen

kBesonderheiten fetaler ErythrozytenFetale und neonatale Erythrozyten weisen eine kuumlrzere Uumlberlebens-zeit (70ndash90 Tage) und ein groumlszligeres mittleres korpuskulaumlres Volu-men auf (MCV 110ndash120 fl) als Erythrozyten Erwachsener In den ersten Tagen nach der Geburt besteht in der Regel eine Retikulozy-tose von 50ndash120permil Die Erythrozyten enthalten uumlberwiegend feta-les Haumlmoglobin F das aus 2 α-Ketten und 2 γ-Ketten besteht Un-mittelbar vor der Geburt setzt bei einem reifen Neugeborenen die Synthese von β-Haumlmoglobinketten und damit adultem Haumlmoglobin ein (2 α-Ketten und 2 β-Ketten) Zum Zeitpunkt der Geburt haben die Erythrozyten reifer Neugeborener 60ndash90 fetales Haumlmoglobin diese Konzentration sinkt bis zum Alter von 4 Monaten auf lt5 ab

Das Blutvolumen reifer Neugeborener betraumlgt ungefaumlhr 85 mlkg KG Plazenta und Nabelgefaumlszlige enthalten ca 20ndash30 mlkg Blut

Eine spaumlte Abnabelung kann zu voruumlbergehendem Anstieg des neonatalen Blutvolumens fuumlhren (7 Abschn 784) eine zu fruumlhe Ab-nabelung zur Anaumlmie

gt Um diese Komplikationen zu vermeiden sollte die Abnabelung ca 60 s nach der Geburt erfolgen

782 Neonatale Anaumlmie

kDefinitionEine Anaumlmie Neugeborener ist durch Haumlmoglobinkonzentrationen (Hb) lt14 gdl sowie einen Haumlmatokrit (Hkt) von lt40 charakterisiert

kAumltiologieSie kann durch akuten oder chronischen Blutverlust eine ver-minderte Bildung sowie durch eine immunologisch vermittelte oder nichtimmunologisch bedingte Haumlmolyse der Erythrozyten verur-sacht sein ( Tab 710)

Nach einem akuten Blutungsereignis sind die Haumlmoglobin-konzentration und der Haumlmatokrit Fruumlh- und Neugeborener haumlufig normal und fallen erst im Rahmen der Haumlmodilution kontinuierlich ab Das zirkulierende Blutvolumen kann jedoch bereits waumlhrend der Blutungsereignisse bedrohlich vermindert sein Ein chronischer Blutverlust kann u a durch fetomaternale Transfusion zustande kommen die bei ca 50 aller Schwangerschaften beobachtet wird der fetale Blutverlust kann erheblich sein Die Diagnose einer feto-maternalen Transfusion wird durch den Nachweis von HbF-halti-gen kindlichen Erythrozyten im muumltterlichen Blut erbracht

kKlinikLeitsymptome der akuten Blutungsanaumlmie sind Blaumlsse Tachykar-die schwache oder nicht tastbare periphere Pulse Hypotension Tachypnoe und bei massivem Blutverlust Schnappatmung und Schock Die klinischen Symptome bei chronischem Blutverlust sind Blaumlsse bei erhaltener Vitalitaumlt Tachykardie und normaler Blutdruck Haumlufig besteht eine Herzinsuffizienz mit Hepatomegalie Die gele-gentlich nachweisbare Splenomegalie ist Ausdruck der extramedul-laumlren Blutbildung Selten entwickelt sich ein Hydrops fetalis Eine neonatale Anaumlmie die durch eine verminderte Bildung von Eryth-rozyten verursacht wird wie z B bei Blackfan-Diamond-Anaumlmie ist durch niedrige Retikulozytenzahlen und Fehlen von Erythrozy-tenvorstufen im Knochenmark charakterisiert Haumlufigste Ursachen fuumlr eine immunologisch vermittelte Haumlmolyse bei Neugeborenen sind Inkompatibilitaumlten zwischen muumltterlicher und kindlicher Blut-gruppe (s Rh-Erythroblastose AB0-Erythroblastose etc) Nichtim-munologische Erkrankungen die mit einer Haumlmolyse einhergehen sind Defekte der Erythrozytenmembran (hereditaumlre Sphaumlrozytose) Erythrozytenenzymdefekte (Glukose-6-Phosphatdehydrogenase- und Pyruvatkinasemangel) seltene Haumlmoglobinopathien sowie die α-Thalassaumlmie

Abb 743 3 Wochen altes Neugeborenes mit Pierre-Robin-Sequenz Aus-gepraumlgte Mikrognathie und Retrogenie mit rezidivierenden Episoden akuter Atemwegsobstruktion durch Glossophtose Nach Anpassung einer speziel-len Gaumenplatte mit distalem Sporn keine weiteren Hypoxieepisoden

Tab 710 Aumltiologie der neonatalen Anaumlmie

Blutverlust Verminderte Blutbildung

Haumlmolyse

Fetomaternale BlutungPlazenta praumlviaVorzeitige PlazentaloumlsungFetofetale TransfusionNabelschnureinrissVasa praeviaNeonatale Blutung intrakraniell gastro-intestinal u a

Konnatale und perinatale InfektionenBlackfan-Diamond-AnaumlmieKonnatale LeukaumlmieFruumlhgeborenen-anaumlmie

Rh-ErythroblastoseAB0-ErythroblastoseAndere Blutgruppen-inkompatibilitaumltenErythrozyten-membran defekteErythrozytenenzym-defekteSelten Haumlmoglobinopathien

Kapitel 7 middot Neonatologie168

7 kTherapie

gt Neugeborene mit ausgepraumlgtem akutem Blutverlust (hauml-morrhagischer Schock raquoweiszlige Asphyxielaquo) werden notfall-maumlszligig mit 0 Rh-negativem Erythrozytenkonzentrat ohne vorherige Kreuzprobe transfundiert (Hepatitis B Anti-HCV TPHA (Lues) CMV HIV negativ)

Bei allen anderen Indikationen ist vor der Transfusion eine kindliche Blutgruppenbestimmung und Kreuzprobe durchzufuumlhren Bei Verdacht auf Stoumlrung der Erythropoese und haumlmolytische Anaumlmien ist vor Gabe von Blutprodukten kindliches Blut fuumlr die entsprechen-de Spezialdiagnostik abzunehmen (s Rh-Erythroblastose u a)

783 Anaumlmie Fruumlhgeborener

Ein besonderes klinisches Problem stellt die Anaumlmie Fruumlhgeborener dar Die meisten sehr kleinen Fruumlhgeborenen entwickeln bereits waumlhrend der ersten Lebenswochen eine mehr oder weniger ausge-praumlgte Anaumlmie Eine Reihe von Faktoren sind fuumlr die Entstehung der Anaumlmie Fruumlhgeborener verantwortlich u a ein Erythropoetin-mangel der zu einer inadaumlquaten Erythropoese fuumlhrt sowie repeti-tive diagnostische Blutentnahmen Seltener entwickelt sich eine haumlmolytische Anaumlmie durch Vitamin-E-Mangel oder im Verlauf systemischer Infektionen

Bei klinischen Zeichen einer akuten oder chronischen Anaumlmie oder Hinweisen auf eine haumlmodynamisch signifikante Hypovolaumlmie ist eine Transfusion mit bestrahltem CMV-negativen Erythrozyten-konzentrat unabdingbar Eine Erythropoetintherapie kann wie in mehreren randomisierten und kontrollierten Studien belegt die Spaumltanaumlmisierung Fruumlhgeborener zu einem gewissen Grad verhin-dern Da noch eine Reihe klinisch relevanter Fragen der Erythropo-etinsubstitution ungeklaumlrt sind (optimaler Zeitpunkt des Behand-lungsbeginns Dosis Therapiedauer optimale Eisensubstitution u a) kann diese Therapie allerdings nicht als Standardtherapie empfohlen werden

784 Polyzythaumlmie Hyperviskositaumltssyndrom

kDefinitionUnter einer Polyzythaumlmie (Synonym neonatale Polyglobulie) wird ein venoumlser Haumlmatokrit gt65 (Haumlmoglobin gt22 gdl) verstanden der unter dem Bild eines Hyperviskositaumltssyndroms zu einem An-

stieg der Blutviskositaumlt zur vaskulaumlren Stase mit Mikrothrombosie-rung zu Hypoperfusion und Ischaumlmie von Organen fuumlhren kann

kAumltiologieEtwa 3ndash5 aller Neugeborenen weisen nach der Geburt einen Hkt gt65 auf Risikokollektive sind reife oder postmature hypotrophe Neugeborene (intrauterine Wachstumsretardierung chronische fe-tale Hypoxie) Patienten nach fetofetaler oder maternofetaler Trans-fusion Neugeborene nach spaumlter Abnabelung Kinder diabetischer Muumltter Nikotinabusus waumlhrend der Schwangerschaft Neugeborene mit Hyperthyreose oder Kinder mit angeborenen Erkrankungen (adrenogenitales Syndrom Trisomie 21 Beckwith-Wiedemann-Syndrom) Bei einem Haumlmatokrit von gt65 steigt die Blutviskositaumlt exponenziell an

kKlinikDie klinische Symptomatik ist auszligerordentlich vielfaumlltig und reflek-tiert die Mikrozirkulationsstoumlrungen und manifesten Durchblu-tungsstoumlrungen der betroffenen Organsysteme Die Neugebore-nen fallen haumlufig durch ihr plethorisches oder auch blass-graues Hautkolorit und eine Belastungszyanose auf Daneben finden sich Hyperexzitabilitaumlt Myoklonien Hypotonie Lethargie und zerebrale Krampfanfaumllle Bei einigen Kindern steht die kardiopulmonale so-wie renale Symptomatik im Vordergrund Atemnotsyndrom per-sistierende pulmonale Hypertonie mit PFC-Syndrom Herzinsuffi-zienz Oligurie Haumlmaturie und Nierenversagen Die Neugeborenen koumlnnen foudroyante Verlaufsformen einer nekrotisierenden Ente-rokolitis sowie einen Ileus entwickeln Daneben treten zum Teil gra-vierende Thrombozytopenien Hypoglykaumlmien Hypokalzaumlmien und ausgepraumlgte Hyperbilirubinaumlmien auf

kTherapieBeim Auftreten erster Symptome muss unverzuumlglich eine partielle modifizierte Austauschtransfusion durchgefuumlhrt werden Zur Sen-kung des Hkt auf 55 wird kindliches Blut gegen Plasma oder eine Albuminloumlsung simultan ausgetauscht (Haumlmodilution)

785 Icterus neonatorum und Hyperbilirubinaumlmie

Bilirubinstoffwechsel Durch den Abbau von Haumlmoglobin ( Bili-verdin) im retikuloendothelialen System entsteht wasser un loumlsliches unkonjugiertes Bilirubin ① Aus 1 g Haumlmoglobin werden ca 35 mg

Abb 744 Schematische Darstellung des Bilirubinstoffwechsels (ER endoplasmatisches Retikulum GK Gallenkapillare Erlaumluterungen s Text)

716978 middot Bluterkrankungen

Bilirubin gebildet Im Blut bindet sich das unkonjugierte Bilirubin an Albumin Man geht davon aus dass Albumin eine primaumlre und sekundaumlre Bindungsstelle mit unterschiedlicher Affinitaumlt fuumlr Biliru-bin besitzt Nach Transport zur Leberzelle dissoziiert das Bilirubin vom Albumin und wird aktiv mit Hilfe der Transportproteine Y und Z (Ligandine) in das Zellinnere geschleust ② Dort erfolgt die Kon-jugation durch die UDP-Glukuronyltransferase ③ das an Uridin- 5ʹ-di-Phosphat-Glukuronsaumlure gekoppelte Bilirubin ist wasserloumls-lich und wird uumlber das biliaumlre System in den Darm ausgeschieden (④ Abb 744)

Besonderheiten beim Neugeborenen Der Bilirubinstoffwechsel des Neugeborenen weist im Vergleich zum Erwachsenen einige Be-sonderheiten auf die die Entstehung des physiologischen Neugebo-renenikterus erklaumlren 4 eine 2- bis 3-fach houmlhere Bilirubinproduktion bedingt durch

die houmlhere Erythrozytenzahl und Haumlmoglobinkonzentration 4 die verkuumlrzte Erythrozytenuumlberlebenszeit (Neugeborene

70ndash90 Tage Erwachsene 120 Tage) 4 die Hydrolyse des in den Darm gelangten glukuronidierten

Bilirubins durch intestinale Glukuronidasen und vermehrte Ruumlckresorption des Bilirubins aus dem Darm (raquoenterohepati-scher Kreislauflaquo)

Dieser Vorgang wird durch eine verzoumlgerte Darmpassage des mekoniumhaltigen Darms und die fehlende intestinale Kolonisation mit Bakterien die Bilirubin in Urobilinogen und Sterkobilinogen umwandeln verstaumlrkt Weiterhin besteht eine relative Defizienz der hepatischen Transportproteine Y und Z sowie der Glukuronyl-transferaseaktivitaumlt Die Bindungskapazitaumlt des Albumins wird nicht nur von der Gesamtkonzentration des Transporteiweiszliges be-stimmt sondern auch von im Blut vorhandenen Faktoren die mit Bilirubin um die Albuminbindungsstellen konkurrieren Zu diesen Substanzen die zu einer Verdraumlngung des Bilirubins aus der Albu-minbindung fuumlhren koumlnnen gehoumlren freie Fettsaumluren Steroid-hormone und Medikamente (Sulfonamide Salizylate u a) eine verminderte Bindungsaffinitaumlt des Albuminmolekuumlls wird bei Azidose beobachtet

786 Physiologischer Ikterus

kKlinikUnter normalen Bedingungen betraumlgt der Bilirubinspiegel im Nabel-schnurblut 1ndash3 mgdl Vor dem Hintergrund der Besonderheiten des Bilirubinstoffwechsels entwickeln mehr als die Haumllfte aller reifen Neugeborenen und nahezu 80 aller Fruumlhgeborenen 2ndash3 Tage nach der Geburt einen physiologischen Ikterus der am 4ndash5 Le-benstag seinen Houmlhepunkt erreicht und dann langsam abklingt Bis zu 7 aller Neugeborenen haben maximale indirekte Bilirubin-spiegel von mehr als 13 mgdl und nahezu 3 von mehr als 15 mgdl Bei diesen Kindern findet man haumlufig eine Reihe von Risikofaktoren ethnische Zugehoumlrigkeit (Chinesen Koreaner Japa-ner) Houmlhe uumlber Meeresspiegel Polyzythaumlmie maumlnnliches Ge-schlecht Muttermilchernaumlhrung starker Gewichtsverlust verzoumlger-te Stuhlentleerung u a Der Ikterus faumlllt in der Regel bei Bilirubin-konzentrationen von 5 mgdl zuerst im Gesicht auf und breitet sich dann kaudal aus die Kinder sind nicht beeintraumlchtigt Bei Fruumlhge-borenen kann der Ikterus ausgepraumlgter sein das Maximum des Bilirubinanstieges tritt spaumlter auf und der Ikterus haumllt laumlnger an Viele Neugeborene erreichen nach ca 14 Tagen mit Erwachsenen vergleichbare Serumbilirubinspiegel

kTherapieDie meisten Neugeborenen mit physiologischem Ikterus beduumlrfen keiner speziellen Behandlung Eine Phototherapie ist nur bei Uumlber-schreiten eines festgelegten Grenzwertes indiziert

Phototherapie Durch sichtbares Licht (Wellenlaumlnge 425ndash475 nm) wird das in der Haut vorhandene Bilirubin zu nichttoxischen Biliru-binisomeren umgeformt diese wasserloumlslichen Substanzen koumlnnen ohne Glukuronidierung mit der Galle und dem Urin ausgeschieden werden Eine optimale Isomerisierung des Bilirubins findet im Be-reich des normalen Adsorptionsspektrums statt blaues Licht mit einer Wellenlaumlnge von 445 nm ist daher besonders zur Behandlung der Hyperbilirubinaumlmie geeignet Bei reifen Neugeborenen mit phy-siologischem Ikterus ohne weitere Risikofaktoren sollte eine Photo-therapie nach dem 3 Lebenstag erst bei Bilirubinserumspiegeln von gt16 mgdl begonnen werden Neuere deutschsprachige Richt-linien setzen die Behandlungsgrenze in dieser Patientengruppe bei 18 mgdl an

Durch kritiklose Anwendung von speziell fuumlr haumlmolytische Er-krankungen erstellte Therapieschemata werden zu viele Neugebore-ne ohne klare Indikationsstellung einer Phototherapie unterzogen Nebenwirkungen dieser Therapie sind Diarrhouml vermehrter Fluumlssig-keitsverlust Temperaturinstabilitaumlt und Dehydratation

Durch das blaue Licht der Phototherapielampe ist die Hautfarbe des Neugeborenen nicht mehr zu beurteilen bedrohliche klinische Veraumlnderungen und Erkrankungen (u a neonatale Infektion) wer-den moumlglicherweise trotz einer Monitoruumlberwachung zu spaumlt er-kannt Die Neugeborenen muumlssen daher regelmaumlszligig klinisch unter-sucht werden ( Abb 745)

CaveDie zum Schutz von potenziellen Retinaschaumlden zu applizierenden Schutzbrillen koumlnnen zur Verlegung der Nasenwege fuumlhren

787 Muttermilchikterus

kAumltiologieEin laumlnger bekanntes Phaumlnomen ist der deutliche Anstieg des un-konjugierten indirekten Bilirubins unter Muttermilchernaumlhrung Obwohl die exakte Ursache dieser Ikterusform bis heute nicht ge-klaumlrt ist wird vermutet dass entweder Pregnandiol oder nicht ver-

Abb 745 Neugeborenes mit Hyperbilirubinaumlmie waumlhrend einer Photo-therapie mit blauem Licht

Kapitel 7 middot Neonatologie170

7

esterte langkettige Fettsaumluren die konjugierende Aktivitaumlt der hepa-tischen Glukuronyltransferase kompetitiv hemmen Erst vor Kur-zem wurde eine erhoumlhte Aktivitaumlt von β-Glukuronidase in der Mut-termilch nachgewiesen ein erhoumlhtes enterohepatisches raquoRecyclinglaquo koumlnnte ebenfalls die erhoumlhten Bilirubinkonzentrationen erklaumlren

kVerlauf TherapieMit Muttermilch ernaumlhrte Neugeborene haben im Vergleich zu mit Formula ernaumlhrten Kindern haumlufiger houmlhere Bilirubinspiegel thera-peutische Konsequenzen ergeben sich bei den meisten Neugebore-nen nicht Allerdings entwickelt 1 von 200 mit Muttermilch ernaumlhr-ten Neugeborenen zwischen dem 4ndash7 Lebenstag einen deutlichen Anstieg der Bilirubinkonzentration das Maximum wurde bei eini-gen Neugeborenen erst in der 3 Lebenswoche erreicht Nur wenige Neugeborene mit Muttermilchikterus sind mit Phototherapie zu behandeln ein Unterbrechen des Stillens ist in der Regel nicht ange-zeigt

788 Ikterus bei Fruumlhgeborenen

kAumltiopathogeneseEine Reihe von Beobachtungen deuten darauf hin dass sehr kranke kleine Fruumlhgeborene besonders gefaumlhrdet sind eine Bilirubinenze-phalopathie zu entwickeln Die Albuminkonzentrationen sind im Vergleich zu reifen Neugeborenen haumlufig deutlich erniedrigt ver-schiedene Faktoren wie Azidose erhoumlhte Freisetzung von Fettsaumluren waumlhrend einer Hypothermie und Hypoglykaumlmie interferieren mit der Bilirubin-Albumin-Bindung Im Rahmen verschiedener Grund-erkrankungen Fruumlhgeborener kann eine erhoumlhte Permeabilitaumlt der Hirngefaumlszlige zu einem vermehrten Uumlbertritt des Bilirubins in das Hirngewebe fuumlhren Langsamer intestinaler Transport und Nah-rungsaufbau sowie verzoumlgerter Mekoniumabgang koumlnnen zu einem Bilirubinanstieg beitragen

kTherapieEine Phototherapie muss bei Fruumlhgeborenen bereits bei niedrigeren Bilirubinspiegeln als bei Neugeborenen eingeleitet werden Die differenzierten Indikationen sind in den Lehrbuumlchern der Neonato-logie dargestellt

789 Pathologische Hyperbilirubinaumlmie

kAumltiopathogeneseNeben Erkrankungen die mit einer gesteigerten Haumlmolyse ein-hergehen koumlnnen pathologische Erhoumlhungen des indirekten Biliru-bins bei angeborenen Defekten der Glukuronidierung bei erhoumlhtem Bilirubinanfall durch vermehrten Erythrozytenabbau sowie durch eine vermehrte enterale Ruumlckresorption von Bilirubin erfolgen

Aumltiologie der indirekten Hyperbilirubinaumlmie (Erhoumlhung des unkonjugierten Bilirubins)

4 Gesteigerte Haumlmolyse ndash Blutgruppeninkompatibilitaumlt

ndash Rh AB0 Kell Duffy u a ndash Neonatale Infektionen

ndash Bakteriell ndash Viral

ndash Genetisch bedingte haumlmolytische Anaumlmien ndash Enzymdefekte Glukose-6-Phosphatdehydrogenase

Pyruvatkinase ndash Membrandefekte Sphaumlrozytose u a ndash Haumlmoglobinopathien (homozygote a-Thalassaumlmie)

4 Keine Haumlmolyse ndash Verminderte Bilirubinkonjugation

ndash Physiologischer Ikterus ndash Muttermilchikterus ndash Kinder diabetischer Muumltter ndash Crigler-Najjar-Syndrom (genetisch bedingter

Glukuronyltransferasemangel) ndash Gilbert-Meulengracht-Syndrom (verminderte Bilirubin-

aufnahme in Leberzelle) ndash Hypothyreose ndash Medikamente (Pregnandiol)

ndash Vermehrter Bilirubinanfall ndash Polyzythaumlmie ndash Organblutungen Haumlmatome

ndash Vermehrte enterale Ruumlckresorption von Bilirubin ndash Intestinale Obstruktion ndash Unzureichende Ernaumlhrung (verminderte Peristaltik)

7810 Morbus haemolyticus neonatorum

kAllgemeine AumltiopathogeneseDie haumlufigsten Ursachen fuumlr einen Morbus haemolyticus neonato-rum sind Blutgruppenunvertraumlglichkeiten zwischen Mutter und Fetus die Rhesus-Inkompatibilitaumlt (Rh) die AB0-Erythroblastose und seltene Unvertraumlglichkeiten gegen andere erythrozytaumlre Antige-ne (Kell Duffy u a) Durch Uumlbertritt von fetalen inkompatiblen Erythrozyten waumlhrend der Schwangerschaft oder vorherige Transfu-sion mit nicht blutgruppengleichen Erythrozyten (Sensibilisierung) reagiert das muumltterliche Immunsystem mit der Bildung spezifischer IgG-Antikoumlrper Diese Immunglobuline sind plazentagaumlngig und binden sich nach Uumlbertritt auf das Kind an spezifische Antigen-strukturen fetaler Erythrozyten Die Folge ist ein vorzeitiger und vermehrter Abbau der fetalen Erythrozyten der Fetus beantwortet diese In-utero-Haumlmolyse mit einer Steigerung vorwiegend der extramedullaumlren Blutbildung (Leber Milz) es gelangen unreife Erythrozyten (Erythroblasten) in die kindliche Blutbahn Das durch die gesteigerte Haumlmolyse anfallende indirekte Bilirubin wird uumlber die Plazenta transportiert und vom hepatischen Enzymsystem der Mutter glukuronidiert und biliaumlr ausgeschieden selbst bei schwerer fetaler Haumlmolyse sind die kindlichen Bilirubinkonzentrationen int-rauterin kaum erhoumlht

7811 Kernikterus Bilirubinenzephalopathie

kAumltiologieUnkonjugiertes nicht an Albumin gebundenes Bilirubin kann auf-grund seiner lipophilen Eigenschaften leicht in das zentrale Nerven-system eindringen Es inhibiert den neuronalen Metabolismus (eine Hemmung der oxidativen Phosphorylierung) und hinterlaumlsst eine irreversible Schaumldigung im Bereich der Basalganglien des Globus pallidus des Nucleus caudatus (Kernikterus) des Hypothalamus einiger Kerngebiete von Hirnnerven und auch der Groszlighirnrinde ( Abb 746) Bei einer erhoumlhten Permeabilitaumlt der Blut-Hirn-

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717178 middot Bluterkrankungen

Schranke (schwere Anaumlmie Hypoxie Hydrops) kann auch an Albu-min gebundenes Bilirubin in das Hirngewebe uumlbertreten

kPathogeneseDie Entstehung einer Bilirubinenzephalopathie wird von folgenden Faktoren beeinflusst Lebensalter und Reifegrad der Kinder Uumlber-schreiten der Albuminbindungskapazitaumlt durch zu hohe Bilirubin-spiegel Verminderung der Bindungskapazitaumlt bei Hypalbuminaumlmie Verdraumlngung des Bilirubins durch Gallensaumluren freie Fettsaumluren (Hypoglykaumlmie) oder Medikamente und Veraumlnderungen bzw Schaumldigung der Blut-Hirn-Schranke nach Asphyxie Hypoxie neo-nataler Meningitis und anderen Erkrankungen

kKlinikDie Fruumlhsymptome der Bilirubinenzephalopathie sind Apathie Hypotonie Trinkschwaumlche Erbrechen abgeschwaumlchte Neugebore-nenreflexe und schrilles Schreien Danach fallen die Neugeborenen durch eine vorgewoumllbte Fontanelle eine opisthotone Koumlrperhaltung muskulaumlre Hypertonie und zerebrale Krampfanfaumllle auf Uumlberleben-de Kinder weisen haumlufig eine beidseitige Taubheit choreoathetoi-de Bewegungsmuster sowie eine mentale Retardierung auf

kTherapieKeine therapeutische Maszlignahme kann diese irreversible Schaumldi-gung ruumlckgaumlngig machen In der heutigen Zeit sollte diese vermeid-bare Komplikation nicht mehr auftreten Gerade in den westlichen Industrienationen wird aber inzwischen eine zunehmende Anzahl von Kindern beobachtet die an den Folgen einer Bilirubinenzapha-lopathie leiden Ziel aller in der Peri- und Neonatalmedizin taumltigen Aumlrzte Hebammen und Kinderkrankenschwestern muss es sein die Fruumlh- und Neugeborenen mit einem erhoumlhten Risiko fuumlr eine Hy-perbilirubinaumlmie fruumlhzeitig zu identifizieren und einer adaumlquaten Therapie zuzufuumlhren

7812 AB0-Erythroblastose

kEpidemiologieMit einer AB0-Unvertraumlglichkeit ist bei ca 1 von 200 Neugeborenen zu rechnen

kPathogeneseIm Gegensatz zur Rh-Inkompatibilitaumlt tritt die AB0-Erythroblastose haumlufig in der ersten Schwangerschaft auf Muumltter mit der Blutgrup-pe 0 haben natuumlrlich vorkommende Anti-A- und Anti-B-Antikoumlr-per (Isoagglutinine) die zur Gruppe der IgM-Antikoumlrper gehoumlren und deshalb nicht die Plazenta passieren Dennoch bilden einige Schwangere plazentagaumlngige IgG-Antikoumlrper die gegen die kindli-che Blutgruppeneigenschaft A B oder AB gerichtet sind Die muumlt-terliche IgG-Antikoumlrperbildung kann vermutlich durch exogene Ursachen wie z B Darmparasiten stimuliert werden Als weitere Ursache wird der Uumlbertritt kindlicher Erythrozyten in die muumltterli-che Zirkulation vermutet da die Antigenitaumlt der kindlichen Blut-gruppeneigenschaften erst gegen Ende der Schwangerschaft voll ausgebildet ist erklaumlrt sich der im Vergleich zur Rh-Inkompatibilitaumlt milde Verlauf der haumlmolytischen Erkrankung beim ersten Neugebo-renen sowie die Tatsache dass Fruumlhgeborene nur extrem selten an einer AB0-Inkompatibilitaumlt erkranken Der Schweregrad der haumlmo-lytischen Erkrankung Neugeborener nimmt bei nachfolgenden Schwangerschaften in der Regel nicht zu Der Grund liegt vermutlich in einer Suppression der IgG-Antikoumlrperbildung durch die natuumlrlich vorkommenden IgM-Anti-A- oder Anti-B-Antikoumlrper

kKlinikDie Neugeborenen weisen meistens nur eine geringgradige Anaumlmie auf es besteht nur selten eine Hepatosplenomegalie die Kinder entwickeln keinen Hydrops Im peripheren Blut finden sich neben Retikulozyten und Erythroblasten als Ausdruck der gesteigerten Erythropoese Sphaumlrozyten die infolge der komplementvermittelten Haumlmolyse durch Fragmentation entstehen Erkrankte Neugeborene sind lediglich durch die Hyperbilirubinaumlmie und das damit verbun-dene Risiko einer Bilirubinenzephalopathie gefaumlhrdet

kDiagnoseDie wesentlichen diagnostischen Merkmale der AB0-Inkompatibi-litaumlt im Vergleich zur Rh-Inkompatibilitaumlt sind in der Tab 711 zusammengefasst

kTherapieDurch eine rechtzeitig begonnene und konsequent durchgefuumlhrte Phototherapie koumlnnen bei den meisten Kindern kritische Bilirubin-serumkonzentrationen vermieden werden Eine Austauschtrans-fusion ist nur extrem selten durchzufuumlhren Durch zirkulierende Antikoumlrper kann sich in den ersten Lebenswochen eine in der Regel blande verlaufende Anaumlmie entwickeln

7813 Rh-Erythroblastose

kEpidemiologieUngefaumlhr 15 der europaumlischen Bevoumllkerung sind Rh-negativ ca 5 der amerikanischen schwarzen Bevoumllkerung Vor Einfuumlhrung der Anti-D-Prophylaxe betrug die Praumlvalenz der Rh-Inkompatibili-taumlt 45 erkrankte Kinder pro 10000 Lebendgeborene Die Erkran-kungshaumlufigkeit konnte um weit mehr als 90 reduziert werden

kAumltiopathogeneseDas erythrozytaumlre Rhesusantigensystem besteht aus 5 Antigenen C D E c und e d hat keine antigenen Eigenschaften Bei ca 90 der Faumllle von Rhesusinkompatibilitaumlt sensibilisiert das D-Antigen des Fetus die Rh(d)-negative Mutter die in der Folge IgG-Antikoumlrper (Anti-D-Antikoumlrper) bildet Da in der Fruumlhschwangerschaft nur

Abb 746 Charakteristische Bilirubinablagerungen in den Stammgang-lien bei Bilirubinenzephalopathie

Kapitel 7 middot Neonatologie172

7

ausnahmsweise kindliche Erythrozyten in den Kreislauf der Mutter gelangen bildet die Mutter keine oder nur geringe Mengen an Anti-D-Antikoumlrpern Das erste Kind bleibt entweder gesund oder entwi-ckelt nur eine haumlmolytische Anaumlmie undoder Hyperbilirubinaumlmie vorausgesetzt dass eine fruumlhere Sensibilisierung durch Aborte oder Bluttransfusionen ausgeschlossen ist Unter der Geburt und bei der Plazentaloumlsung kann eine groumlszligere Menge kindlicher Erythrozyten in die muumltterliche Blutbahn uumlbertreten Die Rh-Erythroblastose bei unterlassener Rh-Prophylaxe manifestiert sich typischerweise waumlh-rend der 2 und weiteren Schwangerschaften mit zunehmendem Schweregrad der fetalen Erkrankung die in einen Hydrops fetalis einmuumlnden kann

kKlinikIn Abhaumlngigkeit vom Schweregrad der Erkrankung bestehen eine mehr oder weniger ausgepraumlgte Anaumlmie ein Icterus praecox (Ge-samtbilirubin gt7 mgdl innerhalb der ersten 24 Lebensstunden) ein Icterus gravis (Gesamtbilirubin gt15 mgdl bei reifen Neugebore-nen) und als Ausdruck der extramedullaumlren Blutbildung eine Hepa-tosplenomegalie Als Zeichen der gesteigerten Haumlmatopoese sind Erythroblasten und Retikulozyten im peripheren Blut in groszliger Zahl nachweisbar

Hydrops fetalis Bei schwerer fetaler Anaumlmie (Haumlmoglobin lt8 gdl) koumlnnen sich eine intrauterine Hypoxie und Hypoproteinaumlmie infol-ge einer verminderten Albuminsynthese entwickeln Veraumlnderun-gen der Zellpermeabilitaumlt und Verminderungen des onkotischen Drucks fuumlhren zu generalisierten Oumldemen Houmlhlenerguumlssen (Aszi-tes Pleuraerguss Perikarderguss) Hypervolaumlmie und Herzinsuffizi-enz ( Abb 747) Beim generalisierten Hydrops kann bereits ein intrauteriner Fruchttod oder eine irreparable zerebrale Schaumldigung auftreten

kDiagnoseIm Rahmen der Schwangerschaftsvorsorge wird bei allen Frauen im Verlauf der Schwangerschaft nach irregulaumlren Antikoumlrpern gesucht um Inkompatibilitaumlten in Rh- Duffy- Kell- oder anderen Blut-gruppensystemen zu erkennen Mit dem indirekten Coombs-Test werden plazentagaumlngige IgG-Antikoumlrper nachgewiesen Bei vorhan-denen Antikoumlrpern ist eine engmaschige fetale Ultraschalldiag-nostik imperativ Da keine Korrelation zwischen der Houmlhe vorhan-

dener Antikoumlrper und dem Schweregrad der moumlglichen kindlichen Erkrankung besteht ist bei vorhandenen Antikoumlrpern eine sequen-zielle Bestimmung der fetalen zerebralen Durchblutung indiziert Die dopplersonographische Messung der Flussgeschwindigkeit kor-reliert mit dem Grad der Anaumlmisierung Nur noch selten wird eine Fruchtwasseruntersuchung (Amniozentese) zur Bilirubinbestim-mung durchgefuumlhrt Das Ausmaszlig der Haumlmolyse laumlsst sich durch spektrophotometrische Analyse der optischen Dichte (450 nm) des Fruchtwassers ablesen (Liley-Diagramm) Durch Zuordnung in 3 Gefahrenzonen kann der kindliche Zustand beurteilt und ent-sprechende therapeutische Konsequenzen eingeleitet werden

Nach der Geburt sind beim Neugeborenen unverzuumlglich folgen-de Bestimmungen durchzufuumlhren 4 Haumlmoglobinkonzentration 4 Serumbilirubinspiegel 4 Blutgruppenbestimmung 4 Coombs-Test 4 Retikulozytenzahl 4 Blutausstrich

Bei Neugeborenen mit Rh-Erythroblastose ist neben den beschrie-benen haumlmatologischen Auffaumllligkeiten immer ein positiver direk-ter Coombs-Test zu finden (Nachweis von inkompletten an kind-liche Erythrozyten gebundene Antikoumlrper) Unmittelbar nach der Geburt kann die Konzentration des indirekten Bilirubins stark an-steigen es sind daher engstmaschige Bilirubinbestimmungen erfor-derlich

Tab 711 Unterschiede zwischen der Rh- und ABO-Inkompatibilitaumlt

Inkompatibilitaumlt

Rh ABO

Erkrankung bei erster Schwangerschaft Selten Haumlufig

Fruumlhzeitige Anaumlmisierung des Kindes ++ +

Hyperbilirubinaumlmie waumlhrend der ersten 24 h post partum

++ +

Erythroblasten +++ +

Sphaumlrozyten plusmn ++

Retikulozyten ++ + bis ++

Direkter Coombs-Test (Kind) +++ ndash bis +

Indirekter Coombs-Test (Mutter) +++ plusmn

Abb 747a b Fruumlhgeborenes der 35 Gestationswoche mit Hydrops fetalis bei Erythroblastosis fetalis Uumlbersicht (a) deutliche Oumldeme der linken unteren Extremitaumlt (b) Neben generalisierten Oumldemen wies das Fruumlhge-borene einen ausgepraumlgten Aszites sowie beidseitige Pleuraerguumlsse auf

a

b

717378 middot Bluterkrankungen

kTherapieIntrauterine Therapie des Feten Bei ausgepraumlgter fetaler Anaumlmie ist eine intrauterine Transfusion in die kindliche Bauchhoumlhle oder neuerdings durch Kordozentese in die Nabelvene erforderlich bei ersten Zeichen eines Hydrops fetalis ist eine vorzeitige Beendigung der Schwangerschaft durch Sectio caesarea notwendig

Phototherapie Bei leichten Verlaumlufen (einer Rh-Inkompatibilitaumlt) kann eine Phototherapie unter Umstaumlnden in 2 Ebenen zur Behand-lung der Hyperbilirubinaumlmie ausreichen Die Indikation fuumlr den Beginn einer Phototherapie haumlngt vom Gestationsalter Lebensalter Houmlhe der Bilirubinkonzentration Dynamik des Bilirubinanstieges von dem Ausmaszlig der Anaumlmie und anderen Risikofaktoren ab

Austauschtransfusion Zur Vermeidung der Bilirubinenzephalopa-thie wird nach wie vor eine Austauschtransfusion reifer Neugebo-rener bei Bilirubinserumkonzentrationen gt20 mgdl empfohlen bei schweren Grunderkrankungen (Asphyxie neonatale Sepsis haumlmo-lytische Anaumlmie u a) sowie einer Hyperbilirubinaumlmie in den ersten 3 Lebenstagen liegt die Austauschgrenze in dieser Gruppe niedriger Fuumlr Fruumlhgeborene gelten besondere Austauschgrenzen (Fruumlhge-borene mit einem Gewicht von gt1500 g gt15 mgdl Fruumlhgeborene gt1000 g gt10 mgdl) Der Blutaustausch erfolgt mit kompatiblem Spendervollblut in 5ndash20-ml-Portionen uumlber einen liegenden Nabel-venenkatheter durch diese Maszlignahme wird das 2- bis 3fache Blut-volumen eines Neugeborenen ausgetauscht d h ca 90 der kind-lichen Erythrozyten werden neben muumltterlichen Antikoumlrpern und verfuumlgbarem Bilirubin eliminiert Als Komplikationen der Blut-austauschtransfusion koumlnnen Infektionen (u a Sepsis) Katheter-perforation Pfortaderthrombose Hypotension Azidose nekrotisie-rende Enterokolitis und Elektrolytentgleisungen auftreten Nach ei-nem Blutaustausch besteht haumlufig eine Anaumlmie und Thrombozyto-penie durch eine zusaumltzliche kontinuierlich durchgefuumlhrte Phototherapie kann die Zahl von mehrfachen Austauschtransfusio-nen gesenkt werden

kPraumlventionDurch Gabe eines Anti-D-Immunglobulins innerhalb von 72 h nach der Geburt kann die Sensibilisierung einer Rh-negativen Mutter durch die Rh-positiven fetalen Erythrozyten haumlufig vermieden wer-den Die Anti-D-Prophylaxe muss bei Rh-negativen Frauen auch nach Aborten Amniozentesen oder unsachgemaumlszliger Transfusion mit Rh-positivem Blut durchgefuumlhrt werden

gt In der ersten Schwangerschaft kann eine maternale Im-munglobulinprophylaxe in der 28 Gestationswoche und unmittelbar postnatal die Sensibilisierung auf weniger als 1 reduzieren

Nach bisherigen Kenntnissen scheint die im letzten Trimenon durchgefuumlhrte Anti-D-Prophylaxe beim Neugeborenen keine kli-nisch signifikante Haumlmolyse auszuloumlsen

kPrognoseTrotz adaumlquater Initialbehandlung entwickeln die Kinder aufgrund der noch vorhandenen Anti-D-Antikoumlrper haumlufig eine uumlber mehrere Wochen anhaltende Spaumltanaumlmie Bei erhoumlhten Retikulozytenzahlen und asymptomatischem Kind ist keine weitere Therapie notwendig Stellen sich eine persistierende Tachykardie sowie andere Zeichen der chronischen Anaumlmie ein so ist eine weitere Transfusion in-diziert Selten wird eine Pfortaderthrombose nach Austauschtrans-fusion beobachtet diese schwerwiegende Komplikation ist thera-peutisch nicht zu beeinflussen

7814 Weitere haumlmolytische Erkrankungen

Blutgruppenunvertraumlglichkeiten gegen andere Erythrozytenanti-gene [c E Kell (K) Duffy u a] sind fuumlr weniger als 5 aller haumlmo-lytischen Erkrankungen der Neonatalperiode verantwortlich Der direkte Coombs-Test ist bei diesen Unvertraumlglichkeiten immer posi-tiv Kongenitale Infektionen mit verschiedenen Erregern sowie neo-natale Infektionen koumlnnen eine nichtimmunologische Haumlmolyse induzieren Die homozygote α-Thalassaumlmie kann sich ebenfalls un-ter dem Bild einer schweren haumlmolytischen Anaumlmie mit Hydrops fetalis praumlsentieren auch bei dieser und den folgenden Erkrankun-gen ist der direkte Coombs-Test negativ Haumlmolytische Anaumlmie und ausgepraumlgte Hyperbilirubinaumlmie mit Gefahr der Bilirubinenzepha-lopathie werden bei Neugeborenen mit hereditaumlrer Sphaumlrozytose oder angeborenen Enzymdefekten wie dem Pyruvatkinase- oder Glukose-6-Phosphatdehydrogenasemangel beobachtet

7815 Direkte Hyperbilirubinaumlmie

Eine direkte Hyperbilirubinaumlmie (direktes konjugiertes Bilirubin gt2 mgdl) wird bei einer Reihe angeborener und erworbener hepa-tischer sowie extrahepatischer Erkrankungen gefunden Groumlszligere Schwierigkeiten bereitet es die extrahepatische Gallengangsatresie von der neonatalen Hepatitis abzugrenzen Bei einigen Kindern konn-te inzwischen belegt werden dass eine Hepatitis der Entwicklung einer Gallengangsatresie vorausging Eine nicht unerhebliche Anzahl Neu-geborener mit prolongierter direkter Hyperbilirubinaumlmie hat als Grund erkrankung einen α1-Antitrypsinmangel (α1-Proteinase-In-hibitor) Ebenso wird ein cholestatischer passagerer Ikterus haumlufig bei Fruumlh- und Neugeborenen beobachtet die eine langzeitige parenterale Ernaumlhrung erhalten Als Ursache wird weniger die Infusion mit Lipi-den als die Gabe bestimmter Aminosaumluren vermutet

Aumltiologie der direkten Hyperbilirubinaumlmie (Erhoumlhung des konjugierten Bilirubins)

4 Intrahepatische Cholestase ndash Neonatale Hepatitis (B) ndash Perinatale Infektionen (CMV u a) ndash Syndrom der eingedickten Galle ndash Parenterale Ernaumlhrung ndash α1-Antitrypsinmangel (= α1-Proteinasemangel) ndash Galaktosaumlmie Tyrosinose ndash Intrahepatische Gallengangshypoplasie (Alagille-

Syndrom) 4 Extrahepatische Cholestase

ndash Gallengangsatresie ndash Choledochuszyste ndash Zystische Fibrose (Mukoviszidose)

7816 Weiszliges Blutbild Neugeborener

Die peripheren Gesamtleukozytenzahlen sowie die Verteilung der einzelnen Leukozytensubpopulationen unterscheiden sich waumlhrend der Neonatalperiode deutlich von denen spaumlterer Lebensalter Im Zusammenhang mit dem Geburtsvorgang werden physiologischer-weise die Knochenmarksreserven der Fruumlh- und Neugeborenen mobilisiert d h die Zahl unreifer und reifer Granulozyten steigt in der Peripherie an Das Maximum der Granulozytose ist 12 h post

Kapitel 7 middot Neonatologie174

7partum erreicht im Verlauf der ersten 3 Lebenstage faumlllt die Zellzahl kontinuierlich ab Eine stabile obere Normgrenze findet sich vom 5 Lebenstag an In Abb 748 sind die Gesamtzahl der neutrophilen Granulozyten und der unreifen Granulozyten (Stabkernige und ju-gendliche Formen) waumlhrend der Neonatalperiode dargestellt

Erniedrigte Gesamtzahlen der neutrophilen Granulozyten werden nach muumltterlicher Hypertonie EPH-Gestose und viralen konnatalen Infektionen beobachtet sie sind moumlglicherweise Aus-druck einer verminderten Bildung von Granulozyten im kindlichen Knochenmark Daneben tritt eine Neutrozytopenie haumlufig bei Neu-geborenen mit neonataler Sepsis auf im Verlauf der Erkrankung werden uumlberwiegend periphere neutrophile Granulozyten ver-braucht die Knochenmarkreserven sind durch die geburtsbedingte Mobilisierung der Granulozyten erschoumlpft

Nach Regeneration der Knochenmarksreserven entwickeln Neugeborene die nach dem 3 Lebenstag an einer Sepsis erkranken haumlufig eine Granulozytose In der Regenerationsphase einer neona-talen Infektion kann gelegentlich eine leukaumlmoide Reaktion be o-bachtet werden

7817 Neonatale Thrombozytopenie

kAumltiologieDie wesentlichen maternalen und kindlichen Ursachen und Erkran-kungen die eine neonatale Thrombozytopenie (lt150000 Thrombo-zytenμl) ausloumlsen koumlnnen sind in Tab 712 dargestellt

Maternale Ursachen Im Rahmen einer aktiven idiopatisch throm-bozytopenischen Purpura (ITP) oder eines Lupus erythematodes koumlnnen die maternalen Autoantikoumlrper durch diaplazentaren Uumlber-tritt beim Neugeborenen eine Immunthrombozytopenie induzie-ren Bei Muumlttern die sich gegen Medikamente sensibilisiert haben wurde nach Anlagerung des Antigen(Medikament)-Antikoumlrper-Komplexes an fetale Blutplaumlttchen von der Entwicklung einer Thrombozytopenie berichtet

Kindliche Ursachen Unter den kindlichen Ursachen ist das Wiskott-Aldrich-Syndrom hervorzuheben Aufgrund eines intrinsi-schen Thrombozytendefekts ist die Uumlberlebenszeit der Blutplaumlttchen deutlich vermindert Die Thrombozyten sind bei dieser Erkrankung deutlich kleiner als bei allen anderen Formen der neonatalen Throm-bozytopenie Mithilfe moderner haumlmatologischer Analysegeraumlte soll-te die Diagnose dieser komplexen Immundefizienzerkrankung noch vor Auftreten der typischen Manifestationszeichen gestellt werden

7818 Neonatale Alloimmunthrombozytopenie

kDefinitionBei der neonatalen Alloimmunthrombozytopenie handelt es sich um eine fetomaternale Thrombozyteninkompatibilitaumlt

kPathogeneseKindliche Thrombozyten die spezifische inkompatible Antigene tragen und im Verlauf der Schwangerschaft in den muumltterlichen Blutkreislauf gelangen koumlnnen bei den Muumlttern eine humorale Im-munantwort gegen das fremde Plaumlttchenantigen ausloumlsen die ma-ternalen Thrombozyten weisen dieses Antigenmerkmal nicht auf In der Folge treten die im muumltterlichen Organismus gebildeten IgG-Iso-Antikoumlrper diaplazentar auf das Kind uumlber binden an die kindlichen Thrombozyten und fuumlhren zu einem beschleunigten Abbau der Blutplaumlttchen Die maternalen Thrombozytenzahlen sind normal

kEpidemiologieDie Inzidenz der Alloimmunthrombozytopenie wird mit 12ndash3000 Neugeborenen angegeben Verantwortlich fuumlr die muumltter-liche Sensibilisierung ist in mehr als 75 der Faumllle das plaumlttchenspe-zifische Antigen PLA1 das bereits in der 19 Schwangerschaftswoche von den fetalen Thrombozyten exprimiert wird 98 der Bevoumllke-rung besitzen PLA1-positive Thrombozyten Weitere Plaumlttchenanti-gene fuumlr die Sensibilisierungen beschrieben wurden sind PLA2 PLE1 PLE2 u a Bis zu 15 der betroffenen Neugeborenen koumlnnen an den Folgen einer zu spaumlt erkannten Alloimmunthrombozytope-nie versterben Bei komplikationslosen Verlaumlufen limitiert sich die Krankheit innerhalb der ersten 4ndash6 Lebenswochen durch Elimina-tion der zirkulierenden Antikoumlrper in der Regel von selbst Eine Sen-sibilisierung mit Entwicklung der Thrombozyteninkompatibilitaumlt tritt im Verlauf der 1 Schwangerschaft bei ca 50 der Risikokons-tellationen auf das Wiederholungsrisiko steigt bei weiteren Schwan-gerschaften auf 85 an

kKlinikKlinisch symptomatische Neugeborene mit Alloimmunothrombo-zytopenie fallen durch Petechien Purpura und gelegentlich Schleimhautblutungen auf Neben renalen und gastrointestinalen Blutungen ist die gefuumlrchtete Komplikation eine innerhalb der ersten

Tab 712 Ursachen der neonatalen Thrombozytopenie

Muumltterliche Ursachen Kindliche Ursachen

Idiopathisch thrombozyto-penische Purpura der MutterLupus erythematodes der MutterMedikamente waumlhrend der SchwangerschaftThrombozyten-Inkompatibi-litaumlt Alloimmunthrombozy-topenie

Konnatale Infektionen Toxoplas-mose Roumlteln Zytomegalie Herpes simplex LuesNeonatale Infektionen Sepsis neonatorumDisseminierte intravaskulaumlre Gerinnungsstoumlrung nach Asphyxie Schock etcNekrotisierende EnterokolitisAustauschtransfusionSelten aplastische Anaumlmie kongeni-tale Leukaumlmie Wiskott-Aldrich-Syndrom Riesenhaumlmangiom u aRetardierungPolyzythaumlmie

Abb 748 Gesamtzahl der neutrophilen Granulozyten gesunder Neuge-borener im Verlauf der ersten 28 Lebenstage

717579 middot Nekrotisierende Enterokolitis

Lebenstage auftretende Hirnblutung Einige Neugeborene sind auch bei ausgepraumlgten Thrombozytopenien symptomfrei

kDiagnoseDie Diagnose wird durch Nachweis spezifischer Thrombozyten-merkmale und Antikoumlrpernachweis bei Mutter und Kind gestellt

kTherapieBei Thrombozytenzahlen lt50000μl oder klinischen Blutungs-zeichen ist eine sofortige Transfusion eines kompatiblen Thrombo-zytenkonzentrats angezeigt Ein Problem stellt jedoch die Selektion geeigneter Thrombozytenspender dar da 98 der Bevoumllkerung PLA1-positive Thrombozyten besitzen und somit als Spender aus-scheiden Eine Thrombozytentypisierung potenzieller Spender ist nur in wenigen Blutbanken vorhanden

gt Als idealer Spender kompatibler Thrombozyten kommt daher nur die Mutter in Frage Das Verfahren der Thrombo-zytenisolierung durch Zellseparation wird auch unmittel-bar nach der Geburt von den Muumlttern gut toleriert

Einige Neugeborene sprechen auch auf eine hochdosierte intra-venoumlse Immunglobulintherapie an

Bei erneuter Schwangerschaft einer sensibilisierten Mutter be-steht ein hohes Risiko fuumlr das Kind an einer Alloimmunthrombozy-topenie zu erkranken Der durch Nabelschnurpunktion erfolgte Nachweis einer fetalen Thrombozytopenie kann eine repetitive In-utero-Transfusion von kompatiblen Thrombozyten erfordern Der therapeutische Effekt einer hochdosierten muumltterlichen Thera-pie mit Gammaglobulinpraumlparaten ist aufgrund der unzureichenden Datenlage noch nicht zu beurteilen

7819 Koagulopathien

In der Neonatalperiode werden nicht selten Stoumlrungen der plasma-tischen Blutgerinnung beobachtet sie koumlnnen Ausdruck einer an-geborenen Defizienz an Gerinnungsfaktoren (s Haumlmophilie u a) eines Vitamin-K-Mangels oder einer disseminierten intravasalen Gerinnungsstoumlrung (DIC raquodisseminated intravascular coagulati-onlaquo) sein Neugeborene haben erniedrigte Plasmakonzentrationen nahezu aller Gerinnungsfaktoren besonders die Synthese der vita-min-K-abhaumlngigen Faktoren II VII IX und X ist gestoumlrt Es gibt keinen diaplazentaren Uumlbertritt von Gerinnungsfaktoren

7820 Morbus haemorrhagicus neonatorum (Vitamin-K-Mangel)

kDefinitionDer Morbus haemorrhagicus neonatorum ist eine durch einen Vita-min-K-Mangel ausgeloumlste potenziell lebensbedrohliche Erkrankung die durch praumlventive Vitamin-K-Substitution verhindert werden kann

kEpidemiologieBei ca 1 von 200 Neugeborenen die keine postnatale Vitamin-K-Prophylaxe erhalten haben tritt ein unerwartetes Blutungsereignis innerhalb der ersten Lebenswochen auf

kAumltiologieVitamin K ist fuumlr die hepatische Synthese von Prothrombin Faktor VII IX und X verantwortlich Ein Vitamin-K-Mangel kann sich bei Neugeborenen zu verschiedenen Zeitpunkten manifestieren

Eine am 1 Lebenstag aufgetretene Blutung wird nach muumltter-licher Medikamenteneinnahme beobachtet Phenytoin Phenobar-bital Primidon Salizylate Antikoagulanzien u a beeintraumlchtigen den Vitamin-K-Metabolismus Neugeborener eine muumltterliche Heparinbehandlung dagegen hat keine Auswirkungen auf das kind-liche Gerinnungssystem Die typische Vitamin-K-Mangelblutung des reifen Neugeborenen tritt vom 3ndash7 Lebenstag uumlberwiegend bei mit Muttermilch ernaumlhrten Kindern auf Muttermilch hat nur einen geringen Vitamin-K-Gehalt Bei allen Fruumlh- und Neugeborenen die einer antibiotischen Langzeitbehandlung oder einer parenteralen Ernaumlhrung unterzogen sind koumlnnen sich bei mangelnder Vitamin-K-Substitution im Verlauf der Neonatalperiode bedrohliche Blutun-gen entwickeln Eine Spaumltmanifestation des Vitamin-K-Mangels im Alter von 4ndash12 Wochen kann bei mit Muttermilch ernaumlhrten Saumluglingen besonders aber bei Kindern mit einer Vitamin-K-Malab-sorption auftreten (Mukoviszidose cholestatischer Ikterus u a bei Gallengangsatresie Wachstumshemmung der vitamin-K-produzie-renden intestinalen mikrobiellen Flora durch Antibiotika)

kKlinikEine Vitamin-K-Mangelblutung ist immer dann zu vermuten wenn ein gesund wirkendes Neugeborenes spontane Haumlmorrhagien ent-wickelt Haumlmatemesis gatrointestinale Blutung (Melaena vera) Epi-staxis Nabelschnur- und Hautblutungen intrakranielle Blutung u a

kDifferenzialdiagnoseEine in den ersten Lebenstagen auftretende Haumlmatemesis oder Melaumlna kann auch durch muumltterliches bei der Geburt verschlucktes Blut verursacht sein

gt Mithilfe des Alkaliresistenztests (Apt-Test) kann in kuumlrzester Zeit entschieden werden ob es sich um kind-liches oder muumltterliches Blut handelt

Kindliche Erythrozyten enthalten uumlberwiegend alkaliresistentes Haumlmoglobin F sie werden in einer Loumlsung von 1 Natronlauge nicht denaturiert die Loumlsung bleibt roumltlich gefaumlrbt Die muumltterlichen Haumlmoglobin A enthaltenen Erythrozyten dagegen werden sofort zerstoumlrt die Loumlsung bekommt eine gelblich-braune Farbe

kPraumlvention TherapieBei manifester Vitamin-K-Mangelblutung (Risikopatienten Vita-min-K-Malabsorption) muss unverzuumlglich Vitamin K iv appliziert werden zusaumltzlich kann die Gabe von Frischplasma notwendig sein Houmlhere Dosen von Vitamin K sind bei muumltterlicher Medikamenten-einnahme oder Lebererkrankung des Neugeborenen indiziert Der Verdacht dass intramuskulaumlr injiziertes Vitamin K zu einem er-houmlhten Krebsrisiko bei Kindern fuumlhrt konnte inzwischen eindeutig widerlegt werden

gt Durch routinemaumlszligig prophylaktische Gabe von Vitamin K an alle Neugeborenen unmittelbar post partum sowie am 5 und 28 Lebenstag laumlsst sich ein Morbus haumlmorrhagicus neonatorum vermeiden (jeweils 2 mg Vitamin K oral)

79 Nekrotisierende Enterokolitis

kGrundlagenDie nekrotisierende Enterokolitis (NEC) ist eine akut auftretende inflammatorische Erkrankung des Duumlnn- und Dickdarms welche im Verlauf zu einem septischen Krankheitsbild mit disseminierten Darmnekrosen fuumlhrt Die Ursache ist multifaktoriell Die NEC ist die

Kapitel 7 middot Neonatologie176

7

haumlufigste Ursache gastrointestinaler Notfallsituationen Neugebore-ner vor allem erkranken Fruumlhgeborene mit einem Geburtsgewicht unter 1500 g Neben einzelnen sporadischen Faumlllen wird haumlufig ein gruppenweises Auftreten der Erkrankung beobachtet

kPathogeneseEine Erklaumlrung der Genese der Erkrankung muss folgende Faktoren beruumlcksichtigen 90 der Faumllle treten bei Fruumlhgeborenen auf Fast alle erkrankten Kinder sind oral ernaumlhrt worden Die NEC tritt er-heblich seltener auf bei Ernaumlhrung mit Muttermilch Viele Faumllle tre-ten endemisch auf ohne dass sich oft ein gemeinsamer Erreger iso-lieren laumlsst Es ist somit offensichtlich dass die NEC multifaktoriell verursacht wird Dabei koumlnnen verschiedene pathogenetische Fak-toren identifiziert werden ( Abb 749) 4 Unreife der intestinalen Abwehrmechanismen 4 bakterielle Uumlberwucherung des Darmes 4 orale Ernaumlhrung

Die intestinale Abwehr gegenuumlber pathogenen Erregern ist bei Fruumlhgeborenen beeintraumlchtigt Neben einer verminderten Konzent-ration des sekretorischen IgA auf der Darmschleimhaut finden sich eine geringe Anzahl an intestinalen T-Lymphozyten ein relativ hoher pH-Wert der Magensaumlure und weitere Defizienzen der lokalen Immunitaumlt Die geringe Darmmotilitaumlt beguumlnstigt ebenfalls die Bak-terienadhaumlsion Die herabgesetzte lokale Immunitaumlt ist einer der wesentlichen pathogenetischen Faktoren der NEC

Die bakterielle Besiedlung des Darmes ist ebenfalls von Bedeu-tung In der Tat lassen sich bei einer NEC haumlufig bakterielle Erreger vor allem gramnegative Keime wie Klebsiella Enterobacter- und Pseudomonas-Spezies oder Escherichia coli aus der Peritonealfluumlssig-keit der Blutkultur oder aus dem Stuhl isolieren Aber auch Infektio-nen mit Staphylokkokus epidermidis oder Rotaviren werden bei einer NEC beobachtet Die Pneumatosis als pathognomonisches Symptom entsteht durch intraluminale Ausbreitung der bakteriellen H2-Bildung im Rahmen der Kohlenhydratvergaumlrung des Darminhalts

Die orale Ernaumlhrung ist ein weiterer pathogenetischer Faktor Eine NEC tritt praktisch nur bei oral ernaumlhrten Neugeborenen auf Eine zu rasche Steigerung der Nahrung (gt20 kalkg KGTag) kann bei der bestehenden Immaturitaumlt des Verdauungsapparats zu einer Verbesserung der Wachstumsbedingungen von Bakterien mit nach-folgender bakterieller Uumlberwucherung fuumlhren Bei Fuumltterung mit Frauenmilch kommt eine NEC seltener vor als bei Ernaumlhrung mit einer Kuhmilchpraumlparation Dieses kann daran liegen dass die lokale Schleimhautabwehr sowie die Verdauung der Nahrung durch Frauenmilch guumlnstig beeinflusst wird

kKlinikKinder mit NEC praumlsentieren sich mit folgenden Symptomen 4 geblaumlhtes meist druckschmerzhaftes Abdomen 4 blutige Stuumlhle 4 Erbrechen Nahrungs- oder Sekretruumlckstau im Magen 4 haumlufig lokalisierte Resistenz im Abdomen 4 livide oder roumltlich verfaumlrbte Bauchhaut 4 bei fortschreitender Erkrankung mit diffuser Peritonitis

gesamte Bauchhaut glaumlnzend und oumldematoumls 4 fehlende Darmgeraumlusche

Neben den lokalen Befunden zeigen die Kinder Symptome einer systemischen Infektion 4 Temperaturinstabilitaumlt 4 Apnoen 4 Muskelhypotonie 4 Hypomotorik bis Lethargie 4 Bei schweren Verlaumlufen zusaumltzlich 4 Hypotension 4 Azidose 4 dissiminierte intravasale Gerinnung mit Thrombozytopenie

Die Erkrankung verlaumluft progressiv klinisch hat sich eine Einteilung in 3 Stadien bewaumlhrt ( Tab 713)

Abb 749 Pathogenetische Faktoren bei der Entstehung der nekrotisierenden Enterokolitis

7177710 middot Fetale und neonatale Infektionen

kLabordiagnostikTypische laborchemische Befunde gibt es nicht sie entsprechen der einer Sepsis (Leukozytose oder Leukozytopenie raquoLinksverschie-bunglaquo im Verlauf erhoumlhte Serumkonzentrationen des C-reaktiven Proteins)

kRoumlntgendiagnostikRadiologisch findet sich in den fruumlhen Stadien der Erkrankung eine lokalisierte oder generalisierte Dilatation von Darmschlingen so-wie eine Verdickung der Darmwand Das typische Symptom einer NEC ist die Pneumatosis intestinalis mit einer perlschnurartigen Ansammlung von Gasblasen in der Darmwand Bei Extension dieser Gasansammlung uumlber die Mesenterialgefaumlszlige in die Lebervenen laumlsst sich intrahepatische Luft nachweisen Eine Perforation des Darms fuumlhrt zum Auftreten freier Luft im Abdomen Das Pneumoperito-neum imponiert in Ruumlckenlage oft als rundliche strahlentranspa-rente Figur in Bauchmitte die Perforation laumlsst sich meist besser bei einer Aufnahme in Linksseitenlage als sichelartige Luftdarstellung uumlber der Leber nachweisen

kTherapieDie Behandlung der NEC haumlngt ab von der Schwere der Erkrankungsbquo Bei Verdacht auf NEC erfolgt eine konservative Behandlung mit Nahrungspause (keine oralen Medikamente) Magenablaufsonde und breiter antibiotischer Therapie Die Fluumlssigkeits- und Elektro-lyttherapie ist von besonderer Bedeutung da es zu erheblichen Ver-lusten von Fluumlssigkeit in den Darm kommen kann (sog dritter Raum) in der Regel ist die Gabe von isotoner Elektrolytloumlsung erforderlich Bei definitiver NEC oder Ileussymptomatik ist unbe-dingt eine Mitbeurteilung des klinischen Befundes durch einen Kinderchirurgen notwendig um eine rechtzeitige Indikation zu ope-rativem Vorgehen stellen zu koumlnnen Eine Operationsindikation ist gegeben bei Perforation klinischen Peritonitissymptomen oder deutlichen Pneumatosiszeichen Ein toxisches Krankheitsbild erfor-dert eine notfallmaumlszligige operative Therapie

710 Fetale und neonatale Infektionen

7101 Besonderheiten des Immunsystems Neugeborener

Waumlhrend der 2 Schwangerschaftshaumllfte entwickelt der Fetus die Faumlhigkeit zur zellulaumlren und humoralen Immunabwehr jedoch ist das Immunsystem des Feten in seiner Aktivitaumlt supprimiert um Abstoszligungsreaktionen zwischen Feten und Mutter zu vermeiden

Die Umstellung des Immunsystems auf die aktive Bekaumlmpfung von invasiven Erregern erfolgt erst postnatal Deshalb sind viele immu-nologische Effektorsysteme beim Neugeborenen und noch ausge-praumlgter beim Fruumlhgeborenen weniger funktionsfaumlhig als beim Er-wachsenen ( Tab 714)

Immunglobuline Fetale B-Lymphozyten sind in der Lage bei intra-uterinen Infektionen IgM-Antikoumlrper zu bilden Die IgG-Antikoumlr-per des Neugeborenen sind dagegen IgG-Antikoumlrper der Mutter die uumlber einen aktiven Transportmechanismus der Plazenta auf das Neugeborenen uumlbertragen werden und ihm den so genannten Nest-schutz vor Infektionen vermitteln Der protektive Effekt von muumltter-lichen IgG-Antikoumlrpern z B gegen β-haumlmolysierende Streptokok-ken der Gruppe B oder Herpes simplex ist eindeutig belegt Dieser transplazentare Transport beginnt mit 20 Schwangerschaftswochen und fuumlhrt zu mit dem Gestationsalter zunehmenden IgG-Konzent-rationen beim Neugeborenen Fruumlhgeborene haben deshalb nur einen ungenuumlgenden Nestschutz IgA passiert die Plazenta nicht und ist beim Neugeborenen nicht nachzuweisen

gt Beim Neugeborenen nachweisbares IgM ist ein Hinweis auf eine intrauterine Infektion da muumltterliche IgM-Anti-koumlrper wegen ihrer Groumlszlige die Plazenta nicht passieren

Komplementsystem Die Serumkonzentrationen der meisten Kom-plementfaktoren und Komplementaktivitaumlt betragen beim reifen Neugeborenen nur ca 50 der Erwachsenenwerte Dadurch ist die Opsonisierung von Erregern verringert und somit die opsoninab-haumlngige Phagozytose eingeschraumlnkt

Granulozyten Das Neugeborene hat nur geringe Granulozytenre-serven im Knochenmark Die Granulozyten zeigen normales Phago-zytoseverhalten und Bakterizidie jedoch eine eingeschraumlnkte Adhauml-renz und Chemotaxis

Makrophagen Neonatale Makrophagen zeigen eine verringerte Chemotaxis und Aktivierbarkeit

T-Lymphozyten Mit 15ndash20 Schwangerschaftswochen haben Feten eine nachweisbare T-Zell-Population im peripheren Blut Diese ist allerdings in ihrer Aktivitaumlt supprimiert und zeigt eine verringerte

Tab 713 Stadien der nekrotisierenden Enterokolitis (NEC) nach Bell

Stadium 1 Ver-dacht auf NEC

Systemische Symptome und Distension des Darmes (A ohne B mit blutigen Stuumlhlen)

Stadium 2 defini-tive NEC

Zunahme der systemischen Symptome Ileus als diagnostisches Symptom Nachweis einer Pneumatosis intestinalis (A ohne B mit deut-lichen abdominellen Lokalbefunden ndash Ab-wehrspannung Bauchwandinfiltration abdominelle Resistenz Aszites)

Stadium 3 fortge-schrittene NEC

Schwere systemische Infektionssymptome sehr krankes Kind deutliche Zeichen der Peritonitis (A ohne B mit Darmperforation)

Tab 714 Funktionseinschraumlnkungen des neonatalen Immun-system

Immun-globuline

IgG von der Mutter uumlbertragen (Nestschutz)Evtl Mangel an spezifischen AntikoumlrpernIgG bei Fruumlhgeborenen deutlich vermindertIgM-Produktion bei intrauteriner Infektion moumlglich

Komple-mentsystem

Serumspiegel nur 50ndash75 des Erwachsenen

Granulo-zyten

Geringe KnochenmarksreservenVerminderte Adhaumlrenz und Chemotaxis

Makro-phagen

Verringerte Chemotaxis und Aktivierbarkeit

T-Lympho-zyten

Verringerte MitogenstimulierbarkeitVerringerte ZytokinproduktionVerringerte Faumlhigkeit B-Zellen und Makrophagen zu stimulieren

Kapitel 7 middot Neonatologie178

7

Mitogenstimulierbarkeit eine verminderte Faumlhigkeit B-Zellen und Makrophagen durch eine eingeschraumlnkte Zytokinproduktion z B von γ-Interferon zu aktivieren

7102 Nichtbakterielle konnatale Infektionen

kGrundlagenDie nichtbakteriellen Erreger konnataler Infektionen werden haumlufig unter dem Merkwort TORCH zusammengefasst 4 T Toxoplasma gondii 4 O Others (HIV Varizella-Zoster-Virus Hepatitis-B-Virus

Parvovirus-B19) 4 R Roumltelnvirus 4 C Zytomegalievirus 4 H Herpes-simplex-Virus Typ 1 und 2

kUumlbertragungDiese Erreger koumlnnen auf verschiedenen Wegen von der Mutter auf das Kind uumlbertragen werden ( Tab 715)

4 Transplazentare Infektion der Erreger im muumltterlichen Blut durchdringt die Plazentaschranke und infiziert das Kind Die Durchlaumlssigkeit der Plazentaschranke haumlngt von der Art des Erregers und vom Zeitpunkt der Gestation ab so wird die Plazenta z B mit zunehmendem Gestationsalter durchlaumlssiger fuumlr Toxoplasmen

4 Perinatale Infektion das Kind infiziert sich beim Durchtritt durch den Geburtskanal

4 Postnatale Infektion die Infektion erfolgt durch Muttermilch oder Kontakt mit infektioumlsem Material von der Mutter

kKlinikDie Symptomatik der TORCH-Infektionen reicht von der asympto-matischen Infektion bis zur toumldlichen Erkrankung ( Tab 716)

Folgende Symptome bei Geburt sind verdaumlchtig auf eine intra-uterin uumlbertragene TORCH-Infektion 4 Untergewicht 4 Mikrozephalie intrazerebrale Verkalkungen Krampfanfaumllle

(Enzephalitis) 4 Netzhautverkalkungen Mikrophthalmie (Chorioretinitis) 4 Anaumlmie Thrombozytopenie (Knochenmarkdepression) 4 Hepatomegalie Ikterus (Hepatitis)

kDiagnoseDiagnostisch stehen der direkte Erregernachweis in Urin Speichel oder anderen Koumlrpersekreten zur Verfuumlgung die Erregerausschei-dung persistiert oft uumlber Monate Die Nachweis von IgM-Antikoumlr-pern gelingt oft nicht deshalb sind Verlaufsuntersuchungen des IgG-Titers erforderlich

7103 Roumlteln

kEpidemiologieDas Risiko einer Roumltelnembryofetopathie betraumlgt 30 bei einer muumltterlichen Infektion vor der 12 Schwangerschaftswoche und 10 bei einer muumltterlichen Infektion zwischen 13 und 20 Schwanger-schaftswochen Die Haumlufigkeit der Roumltelnembryopathie hat in Deutschland durch die Impfung und die verbesserte praumlnatale Diagnostik auf 1 pro 10000 Geburten abgenommen

kPathogeneseDas Roumltelnvirus wird waumlhrend der muumltterlichen Viraumlmie trans-plazentar uumlbertragen 50 der infizierten Schwangeren sind selbst asymptomatisch Bei unbeabsichtigter Roumltelnimpfung einer Schwan-geren kann es zwar selten zu einer kindlichen Infektion kommen aber nicht zu einer Roumltelnembryopathie

kKlinikTypisch ist die Roumltelnembryopathie mit der Fehlbildungstrias In-nenohrschwerhoumlrigkeit Herzfehler (persistierender Ductus arte-riosus) und Katarakt die auch als Gregg-Syndrom bezeichnet wird Es kann aber auch zum Abort zur intrauterinen Infektion ohne Fehlbildung zu transienten neonatalen Symptomen oder zur persis-tierenden Infektion mit permanenten Organschaumlden kommen

Tab 715 Bedeutung der verschiedenen Infektionswege bei nicht-bakteriellen konnatalen Infektionen

Erreger Transplazentare Infektion

Perinatale Infektion

Postnatale Infektion

Toxoplasmose ++ ndash ndash

HIV + ++ +

Parvovirus ++ ndash ndash

Hepatitis-B-Virus + ++ +

Varicella-Zoster-Virus ++ + +

Roumlteln ++ ndash ndash

Zytomegalie ++ ++ +

Herpes simplex ndash ++ +

Tab 716 Symptome der nichtbakteriellen konnatalen Infektionen

Erreger Symptomatik

Roumlteln Embryopathie mit Trias Innenohrschwerhoumlrigkeit Herzfehler Katarakt

Zytomegalie 90 bei Geburt asymptomatisch (Spaumltschaumlden psychomotorische Retardierung Schwerhoumlrigkeit)10 bei Geburt symptomatisch (Enzephalitis Hepatitis Chorioretinitis Wachstumsretardierung)

Herpes sim-plex (Typ 2)

Generalisiert-septische Infektion oder lokalisierte Herpeslaumlsionen an Haut Auge und Mund oder isolierte Enzephalitis

Varicella Zoster

Varizellenembryopathie (Hautnarben Extremitauml-tenhypoplasie) neonatale Varizellen

Hepatitis B Hepatitis haumlufig mit chronischem Verlauf

HIV Bei Geburt meist asymptomatisch in den ersten Lebensmonaten Lymphadenopathie Gedeihstoumlrung rezidivierende Diarrhouml oder Atemwegsinfektionen

Parvovirus B19 Transiente intrauterine Anaumlmie

Toxoplas mose 90 bei Geburt asymptomatisch (Spaumltschaumlden Chorioretinits psychomotor Retardierung Hydro-zephalus)10 bei Geburt symptomatisch (Enzephalitis Hepatitis Chorioretinitis Gedeihstoumlrung)

7179710 middot Fetale und neonatale Infektionen

CaveMeningoenzephalitis Chorioretinitis Glaukom Hepatitis etc

kDiagnoseZur Diagnose tragen Anamnese und Virusnachweis in Speichel Blut oder Urin bei Die Virusausscheidung ist 1ndash3 Monate nach der Geburt am houmlchsten und kann bis zu 1 Jahr persistieren Positives Roumlteln-IgM in der Serologie persistierender oder ansteigender Roumlteln-IgG-Titer sind diagnostisch wegweisend

kDifferenzialdiagnoseZytomegalie Toxoplasmose

kTherapieBei hohem Verdacht auf eine Roumltelnembryopathie kann eine Schwangerschaftsunterbrechung erwogen werden

gt Entscheidend ist die Sicherstellung des Roumltelnimpf schutzes bei allen Maumldchen vor Eintritt der Pubertaumlt denn bei intra-uteriner Infektion ist keine spezifische Therapie moumlglich

kPrognoseDie Gesamtmortalitaumlt infizierter Neugeborener betraumlgt 10 davon 35 im 1 Lebensjahr

7104 Zytomegalie

kEpidemiologieDie Zytomegalie ist die haumlufigste nichtbakterielle konnatale Infekti-on 1 aller Neugeborenen sind bei Geburt mit dem Zytomegalie-virus infiziert 10 der infizierten Neugeborenen sind bei Geburt symptomatisch (7 Kap 154)

kPathogeneseDas Zytomegalievirus persistiert lebenslaumlnglich in Lymphozyten und anderen Koumlrperzellen ( Abb 750) Die Infektion wird in der Schwan-gerschaft haumlufig reaktiviert Bei einer Erstinfektion der Mutter in der Schwangerschaft kommt es zu einem wesentlich schwereren fetalen Krankheitsverlauf als bei transplazentarer Erregeruumlbertragung im Rahmen einer in der Schwangerschaft reaktivierten Zytomegalie-infektion Daneben ist auch eine perinatale Uumlbertragung durch infek-tioumlse Genitalsekrete und eine postnatale Uumlbertragung durch Mutter-milch oder eine Bluttransfusion moumlglich Eine postnatale CMV-Infek-tion ist vermutlich nur fuumlr sehr unreife Fruumlhgeborene problematisch sie koumlnnen von einem Sepsis-aumlhnlichen Krankheitsbild betroffen sein

kKlinik90 der intrauterin infizierten Neugeborenen sind bei Geburt asym-ptomatisch scheiden allerdings das Virus uumlber Monate im Urin Traumlnen Blut und Rachensekret aus 10 der bei Geburt symptom-freien Neugeborenen entwickeln im Verlauf Spaumltmanifestationen (Houmlrstoumlrung psychomotorische Retardierung) Die 10 bei Geburt symptomatischen Neugeborenen koumlnnen verschiedenste Organ-schaumlden aufweisen (Enzephalitis mit periventrikulaumlren Kalzifikatio-nen Mikrozephalie Taubheit Hepatitis Wachstumsretardierung Chorioretinitis petechialer Hautausschlag Thrombozytopenie) und entwickeln zu 90 bleibende Organschaumlden

kKomplikationenEntwicklung von bleibenden Organschaumlden vor allem im Gehirn ( Abb 750) Gehoumlr und am Auge durch die persistierende Infektion

kDiagnoseDurch direkten Erregernachweis (Early Antigen Virus-PCR) und Viruskultur von Urin Speichel wird die Infektion nachgewiesen IgM-Antikoumlrper sind auch bei florider Zytomegalieinfektion nicht immer nachzuweisen deshalb erfolgt die Kontrolle des IgG-Titer-verlaufs

kDifferenzialdiagnoseKonnatale Roumlteln Toxoplasmose bakterielle Sepsis

kTherapieEine mehrwoumlchige Behandlung mit Ganciclovir scheint den Grad der Schwerhoumlrigkeit und moumlglicherweise auch der neurologischen Schaumldigung guumlnstig zu beeinflussen

gt Die konnatale Zytomegalieinfektion ist eine fuumlhrende Ursache von geistiger Behinderung und Schwerhoumlrigkeit

7105 Herpes simplex

kEpidemiologieDie Haumlufigkeit der konnatalen Herpes-simplex-Infektion betraumlgt 1 auf 7500 Neugeborene In 85 der Faumllle wird sie durch den Virustyp 2 (Herpes genitalis) verursacht (7 Kap 151)

kPathogenese90 der Infektionen finden perinatal beim Durchtritt durch den Geburtskanal statt Das Uumlbertragungsrisiko ist bei einer primaumlren Herpes-genitalis-Infektion der Mutter 10-mal houmlher (50) als bei einer rekurrierenden muumltterlichen Infektion Die Herpes-simplex-Typ-1-Infektion (Herpes labialis) beim Neugeborenen wird meist postnatal durch Kontakt mit infektioumlsem Sekret uumlbertragen

kKlinikBei der peri- oder postnatalen Infektion kann es zu einer generali-sierten Infektion kommen zur einer auf Haut Augen und Mund beschraumlnkten Infektion oder zur Enzephalitis Die generalisierte Infektion hat unspezifische Symptome wie bei einer Sepsis (Apnoen Lethargie oder Hepatosplenomegalie) Hauteffloreszenzen kommen nur bei 70ndash80 der Neugeborenen mit HSV-Sepsis vor Die lokali-sierte Infektion zeigt Herpeslaumlsionen auf der Haut Keratokonjunk-

Abb 750 Typische im Nierenparenchym gelegene Riesenzellen die aus Virusaggregaten bestehende Zelleinschlusskoumlrperchen (sog Eulenaugen-zellen) enthalten

Kapitel 7 middot Neonatologie180

7

tivitis und Chorioretinitis Die isolierte Enzephalitis manifestiert sich mit Fieber Irritabilitaumlt Lethargie Koma fokalen und generali-sierten Krampfanfaumlllen und gespannter Fontanelle Hautlaumlsionen sind dabei selten Im CT findet man typischerweise fokale Laumlsionen im Temporallappen

kKomplikationenSchock disseminierte intravasale Koagulopathie

kDiagnoseZur Diagnose fuumlhren die charakteristischen Hauteffloreszenzen sowie der Virusnachweis aus Blaumlscheninhalt und Blut (Nachweis von HSV-Antigen und HSV-DNA) Bei der Enzephalitis laumlsst sich das Virus in 25ndash40 der Faumllle im Liquor nachweisen Die Serologie ist in der Regel nicht hilfreich

kDifferenzialdiagnoseToxoplasmose Zytomegalie Roumlteln intrakranielle Blutung Sepsis

kTherapieBei primaumlrer Herpes-genitalis-Infektion der Mutter zum Zeitpunkt der Geburt sollte die Entbindung per Kaiserschnitt durchgefuumlhrt werden um das Infektionsrisiko zu reduzieren Beim geringsten klinischen Verdacht auf eine neonatale Herpesinfektion sollte eine antivirale Therapie mit Aciclovir begonnen werden Die fruumlh ein-setzende antivirale Therapie verbessert die Prognose und eine Gene-ralisierung kann verhindert werden

kPrognoseBei einer generalisierten Infektion betraumlgt die Letatlitaumlt 60 Uumlber-lebende haben meist schwere neurologische und okulaumlre Schaumlden

7106 Varizella-Zoster-Virus

kEpidemiologieDie Inzidenz muumltterlicher Windpocken in der Schwangerschaft betraumlgt nur 1ndash510000 Schwangerschaften Bei muumltterlichen Wind-pocken in der Schwangerschaft werden 25 der Feten infiziert

kPathogeneseDie fruumlhe transplanzentare Infektion fuumlhrt zur Varizellenembryo-pathie die spaumlte transplazentare Infektion in den letzten 3 Schwan-gerschaftswochen zu neonatalen Windpocken

kKlinikDie Varizellenembryopathie geht mit Enzephalitis Chorioretinitis Hypoplasie von Gliedmaszligen und dermatombezogenen Hautnarben einher Neonatale Windpocken verlaufen je nach Infektionszeit-punkt unterschiedlich schwer 4 Auftreten der muumltterlichen Windpocken 5ndash21 Tage vor der

Geburt Die Infektion erfolgt transplazentar Die Inkubations-zeit nach transplazentarer Infektion ist kuumlrzer (10 statt 14 Tage) als nach Infektion uumlber den Nasopharynx Das Neugeborene zeigt innerhalb weniger Tage nach Geburt in der Regel milde Symptome da es auch muumltterliche Antikoumlrper uumlber die Plazenta bekommt

4 Auftreten der muumltterlichen Windpocken 4 Tage vor dem Ent-bindungstermin bis 2 Tage nach Geburt Das Neugeborenes wird 5ndash10 Tage post partum symptomatisch Die Erkrankung kann in 20 der Faumllle schwer verlaufen mit sich rasch aus-breitendem haumlmorrhagischem Exanthem Pneumonie Enzephalitis und Tod da das Neugeborene keine muumltterlichen Antikoumlrper mehr erhalten hat

4 Postnatale Infektion Wird ein NeugeborenesSaumlugling postnatal uumlber den Nasopharynx infiziert hat es kein houmlheres Erkrankungsrisiko als aumlltere Kinder

kKomplikationenNach neonatalen oder postnatalen Windpocken tritt in den ersten 10 Lebensjahren haumlufig ein Zoster auf

kDiagnoseAnamnese und Nachweis des typischen Exanthems Virusisolie-rung aus Effloreszenzen und Serologie ermoumlglichen die Diagnose-stellung

kDifferenzialdiagnoseKonnatale Herpes-simplex-Virus-Infektion

kTherapieBei muumltterlichen Varizellen kurz vor dem Entbindungstermin erhaumllt die Mutter sofort und das Kind nach der Geburt ein Varizellen- Hyperimmunglobulin auszligerdem werden beide mit Aciclovir be-handelt

kPrognoseDie Letalitaumlt der Varizellenembryopathie betraumlgt 47

7107 Weitere konnatale Virusinfektionen

Hepatitis B kEpidemiologie

1 der Schwangeren sind HBs-Antigen positiv und etwa 6 ihrer Neugeborenen werden infiziert Ist die Mutter HBs- und HBe-Anti-gen positiv verzehnfacht sich das Infektionsrisiko fuumlr den Feten 20ndash30 der infizierten Neugeborenen werden zu chronischen He-patitis-B-Traumlgern

kPathogeneseDie Uumlbertragung des Hepatitis-B-Virus erfolgt perinatal

Abb 751 Periventrikulaumlre Echogenitaumltsvermehrung und Hydrozephalus im zerebralen Ultraschall als Ausdruck einer VentrikulitisEnzephalitis bei neonataler Zytomegalieinfektion

7181710 middot Fetale und neonatale Infektionen

kDiagnoseDer Nachweis von HBs-Antigen bei der Mutter erfolgt im Rahmen der Schwangerenvorsorge

kTherapieDurch die unmittelbar postnatal durchgefuumlhrte aktive und passive Immunisierung des Neugeborenen gegen Hepatitis B lassen sich 80 der neonatalen Infektionen verhindern

HIV-Infektion kPathogenese

Der wichtigste Infektionsmodus ist die perinatale Infektion jedoch kann die Infektion auch transplazentar oder postnatal z B durch Muttermilch erfolgen

kKlinikDie Neugeborenen sind bei Geburt meist symptomfrei In den ersten Lebensmonaten entwickeln sich Symptome wie Mikrozephalie psychomotorische Retardierung Gedeihstoumlrung persistierende Candidainfektionen oder Diarrhouml Lymphadenopathie oder rezidi-vierende Atemwegsinfektionen

kDiagnoseDie Diagnose der HIV-Infektion beim Neugeborenen oder Saumlugling kann nur durch HIV-PCR oder Viruskultur gefuumlhrt werden

CaveDer Nachweis von HIV-Antikoumlrpern beim Neugeborenen ist nicht beweisend fuumlr eine HIV-Infektion da es sich um muumltterliche Leihantikoumlrper handeln kann

kTherapieDurch die antiretrovirale Behandlung der Mutter ab 34 Schwanger-schaftswochen die Kaiserschnittentbindung mit 38 Schwanger-schaftswochen und die sofortige postnatale Azidothymidinbehand-lung des Neugeborenen konnte die Rate der perinatalen Infektionen auf unter 2 gesenkt werden HIV-infizierte Muumltter sollen nicht stillen

Parvovirus-B19-Infektion kPathogenese

Parvovirus B19 wird transplazentar uumlbertragen Bei der Mutter ver-laumluft die Infektion haumlufig subklinisch und nicht mit dem fuumlr den Parvovirus B19 typischen Exanthem der Ringelroumlteln

kKlinikBeim Feten fuumlhrt die Infektion zu einer transienten Depression der Erythropoese und zur Entwicklung einer intrauterinen Anaumlmie die so ausgepraumlgt sein kann dass sich ein Hydrops fetalis entwickelt

kDiagnoseParvovirus-B19-Serologie bei der Mutter positives IgM beim Kind

kTherapieBei nachgewiesener muumltterlicher Infektion engmaschige Ultra-schallkontrolle des Feten Bei drohendem Hydrops fetalis Bestim-mung des fetalen Haumlmatokrits und intrauterine Transfusion Nach erfolgreicher intrauteriner Behandlung ist die Prognose der Kinder als gut anzusehen

7108 Toxoplasmose

kEpidemiologieDie Haumlufigkeit der konnatalen Toxoplasmose betraumlgt 3ndash6 auf 1000 Lebendgeborene (7 Kap 177)

kPathogeneseDie Erstinfektion fuumlhrt beim Erwachsenen zu grippalen Symptomen mit Lymphknotenschwellungen Bei einer Erstinfektion in der Schwangerschaft kommt es in ca 50 der Faumllle zu einer Infektion des Feten Dabei uumlberwindet der Erreger die Planzenta im 3 Trime-non leichter als im 2 Trimenon die Erkrankung verlaumluft allerdings bei Infektion im 3 Trimenon wesentlich leichter

kKlinik10 der infizierten Feten entwickeln eine symptomatische ge-neralisierte Infektion mit Enzephalitis Hepatitis Chorioretinitis ( Abb 752) Pneumonie und Myokarditis 90 haben primaumlr einen subklinischen Krankheitsverlauf und werden asymptomatisch ge-boren

kKomplikationenRezidivierende Chorioretinitis

kDiagnoseIm Vordergrund steht die serologische Diagnostik In 70 der Faumllle gelingt ein Nachweis von IgM-Antikoumlrpern Antigennachweise sind in Erprobung

kDifferenzialdiagnoseZytomegalie Roumlteln

kTherapieBei muumltterlicher Erstinfektion in der Schwangerschaft wird die Mutter mit Spiramycin Sulfonamiden und Pyrimethamin be-handelt Dieselbe Therapie wird postnatal einem infizierten Neuge-borenen verabreicht

kPrognoseEin Teil der asymptomatischen Neugeborenen entwickelt postenze-phalitische Spaumltschaumlden (intrazerebrale Verkalkungen Hydroze-

Abb 752 Chorioretinitis bei konnataler Toxoplasmose

Kapitel 7 middot Neonatologie182

7

phalus und Chorioretinitis) Kinder mit angeborener Toxoplasmose sollten bis zum 10 Lebensjahr in regelmaumlszligigen Abstaumlnden ophtal-mologisch und neurologisch untersucht werden

7109 Neugeborenensepsis

kDefinitionDie neonatale Sepsis stellt nach wie vor eines der Hauptprobleme der Neugeborenenmedizin dar sie ist eine disseminierte mikrobielle Erkrankung die durch die klinischen Symptome einer systemischen Infektion und die Septikaumlmie d h den kulturellen Nachweis patho-gener Erreger in der Blutkultur charakterisiert ist Im Rahmen des septischen Schocks kann sich ein Multiorganversagen ausbilden

kEpidemiologieIn Westeuropa und den USA erkranken 1ndash4 Neugeborene1000 Le-bendgeboreneJahr an einer neonatalen Sepsis 10ndash25 der Patien-ten versterben an den Komplikationen dieser oftmals foudroyant verlaufenden Infektion bis zu frac14 der Kinder entwickeln als Folge einer zu spaumlt diagnostizierten Sepsis eine eitrige Meningitis Diese Komplikation tritt in Deutschland inzwischen bei weniger als 10 der Fruumlh- und Neugeborenen auf Besonders kritisch ist die Situation auf neonatologischen Intensivstationen hier kann bei 25 der Kindern im Verlauf der Intensivtherapie eine Sepsis nachgewiesen werden Wie eine Reihe von epidemiologischen Untersuchungen belegen hat die Inzidenz der neonatalen Sepsis in den letzten 20 Jah-ren zugenommen

kVerlaufDie neonatale Sepsis manifestiert sich in 2 Verlaufsformen 4 fruumlheinsetzende Form (Fruumlhsepsis) 4 spaumlteinsetzende Form (Spaumltsepsis)

Die fruumlheinsetzende Form zeichnet sich durch den Krankheitsbeginn in den ersten Lebenstagen das typische Erregerspektrum (s unten) und die fulminante Verlaufsform aus Haumlufig entwickelt sich die sys-temische Infektion auf dem Boden einer neonatalen Pneumonie Bei vielen Kindern sind geburtshilfliche Risikofaktoren vorhanden

Die spaumlteinsetzende Form tritt in der Regel nach dem 5 Le-benstag auf der klinische Verlauf kann entweder foudroyant oder langsamer fortschreitend sein die Neugeborenen erkranken haumlufig an einer Meningitis Die Erreger stammen haumlufig aus dem postnata-len Umfeld Besonders intensivmedizinisch behandelte Fruumlh- und Neugeborene sind gefaumlhrdet an einer spaumlteinsetzenden nosoko-mialen Sepsis zu erkranken

kPathogenese RisikofaktorenDie geburtshilflichen Risikofaktoren der fruumlheinsetzenden Sepsis sind 4 vorzeitiger Blasensprung 4 Amnioninfektionssyndrom 4 Fieber Bakteriaumlmie der Mutter 4 Fruumlhgeburtlichkeit

Durch vorzeitigen Blasensprung Aszension vaginaler Erreger (as-zendierende Infektion) oder im Rahmen einer muumltterlichen Bakte-riaumlmie (deszendierende Infektion) kann das Neugeborene bereits in utero infiziert werden und manifest erkranken ( Abb 753)

Bei einer muumltterlichen vaginalen und rektalen Kolonisierung mit pathogenen Erregern kann ein Neugeborenes daruumlber hinaus auf dem Geburtsweg infiziert werden Bis zu 30 der amerikanischen und westeuropaumlischen Schwangeren weisen eine vaginale Besiedlung mit β-haumlmolysierenden Streptokokken der Gruppe B auf maximal 50 mit pathogenen E coli Nach einer vaginalen Geburt sind bis zu 70 der Neugeborenen mit diesen pathogenen Bakterien auf Haut- und Schleimhaumluten kolonisiert Das Ausmaszlig der Besiedlung erhoumlht das Risiko an einer Sepsis zu erkranken Man kann davon ausgehen dass ca 1 von 100 Neugeborenen die mit β-haumlmolysierenden Strep-tokokken der Gruppe B besiedelt sind an einer Sepsis erkrankt

Eine Gruppe von Risikopatienten ist in einem hohen Maszlig gefaumlhrdet eine nosokomiale Sepsis zu akquirieren intensivmedizi-nisch behandelte Fruumlh- und Neugeborene Die gut belegten Risiko-faktoren sind in Tab 717 zusammengefasst

gt Eine Uumlbertragung von pathogenen Erregern erfolgt uumlber-wiegend durch unzureichende Handwaschpraktiken der betreuenden Schwestern und Aumlrzte

Abb 753 Prauml- und postnatale Infektionswege der neonatalen Sepsis

7183710 middot Fetale und neonatale Infektionen

In einzelnen amerikanischen Intensivstationen wurden bei 15 aller Hochrisikofruumlhgeborenen systemische Infektionen mit Candida spp diagnostiziert In Tab 718 sind die wesentlichen Erreger der neonatalen Sepsis zusammengefasst

kKlinikDie klinische Symptomatik der Neugeborenensepsis ist uncharak-teristisch und variabel bleiben die oftmals diskreten klinischen Zeichen unerkannt so kann sich innerhalb kurzer Zeit das Vollbild des septischen Schocks entwickeln Einer der wichtigsten Hinwei-se ist das von einer erfahrenen Kinderkrankenschwester registrierte raquoschlechte Aussehenlaquo des Neugeborenen Neben Stoumlrungen der Temperaturregulation und der Atmungsfunktion werden gastro-intestinale Symptome beobachtet Phasenweise nachweisbare Veraumlnderungen des Hautkolorits weisen auf die im Rahmen der Bakteriaumlmie auftretende Mikrozirkulationsstoumlrung hin Daneben koumlnnen Hyperexzitabilitaumlt Hypotonie Apathie und zerebrale Krampfanfaumllle auftreten Petechien verstaumlrkte Blutungsneigung Hypotension und septischer Schock entwickeln sich im Verlauf der Erkrankung

Wesentliche Symptome der neonatalen Sepsis 4 Temperaturinstabilitaumlt Hyper- Hypothermie 4 Atemstoumlrungen Tachypnoe Dyspnoe Apnoe 4 Gastrointestinale Symptome Trinkschwaumlche

Erbrechen abdominelle Distension

4 Zirkulatorische Insuffizienz periphere Mikrozirkulati-onsstoumlrungen Blaumlsse grau-marmoriertes Hautkolorit septischer Schock Multiorganversagen disseminierte intravasale Gerinnung

4 Neurologische Stoumlrungen Hyperexzitabilitaumlt Lethargie Krampfanfaumllle

Bei klinischen Warnzeichen muss solange der Verdacht auf eine neo-natale Sepsis bestehen bis das Gegenteil bewiesen ist also eine In-fektion ausgeschlossen oder eine andere Ursache fuumlr die Verschlech-terung des kindlichen Zustandes gefunden wurde

gt Der Verlauf der Neugeborenensepsis wird entscheidend vom Zeitpunkt der Diagnose bzw des Behandlungsbe-ginns beeinflusst

kErregernachweisMit Blutkulturen (aerob anaerob) gegebenenfalls Liquorkulturen Urinstatus und -kultur Haut- und Schleimhautabstrichen sowie Un-tersuchung von Magensekret erfolgt der Erregernachweis Bei jedem isolierten Erreger ist eine Resistenztestung durchzufuumlhren

kLabordiagnostikVerschiedene Entzuumlndungsparameter koumlnnen als Warnzeichen einer neonatalen Infektion angesehen werden und zur Fruumlherken-nung der neonatalen Sepsis beitragen

Tab 717 Risikofaktoren der nosokomialen Sepsis

Intensivmedizinische Maszlignahmen

Endotracheale IntubationMaschinelle BeatmungZentrale Katheter Lipidinfusionen

Mangelhafte Stationshygiene

Unzureichende HandwaschpraktikenUumlberbelegung der IntensivstationPersonelle Unterbesetzung

Kontamination InkubatorenWaschbeckenAndere Gegenstaumlnde

Tab 718 Wesentliche Erreger der fruumlh oder spaumlt einsetzenden neonatalen Sepsis

Fruumlheinsetzende Sepsis Spaumlteinsetzende Sepsis

Streptokokken Gruppe BEscherichia coliStaphylococcus aureusListeria monocytogenesEnterokokken u a

Escherichia coliStaphylococcus epidermidisKlebsiella-Enterobacter-SpeziesPseudomonas aeruginosaProteus-SpeziesStreptokokken Gruppe BCandida albicans u a

Exkurs

Erregerspektrum der Neugeborenensepsis

Eines der faszinierenden aber immer noch nicht geklaumlrten Phaumlnomene neonataler In-fektionen ist ein von Zeit zu Zeit auftretender Wechsel im bakteriologischen SpektrumSo wurden in den USA in den 1930er-Jahren β-haumlmolysierende Streptokokken der Grup-pe A als haumlufigste Erreger der neonatalen Sepsis identifiziert In den naumlchsten Dekaden folgten Escherichia coli Staphylococcus aureus erneut E coli und schlieszliglich in den 1970er-Jahren β-haumlmolysierende Streptokok-ken der Gruppe B Das Verschwinden von haumlmolysierenden Streptokokken der Gruppe A sowie von Staph aureus in der vorantibioti-

schen Aumlra kann nicht auf medizinische oder hygienische Maszlignahmen zuruumlckgefuumlhrt werden Das Auftreten von Streptokokken der Gruppe B faumlllt in eine Periode in der Penicillin zum meist verwendeten Antibiotikum wurde bis heute haben diese Erreger ihr Resistenz-verhalten nicht veraumlndertIn Deutschland wurden β-haumlmolysierende Streptokokken der Gruppe B erstmals Ende der 70er-Jahre beobachtet sie sind inzwischen in den meisten Regionen die haumlufigsten Er-reger der neonatalen Sepsis Weiterhin sind E coli Listerien Enterokokken und Staph aureus typische Erreger der Fruumlhsepsis

Es gilt jedoch festzustellen dass nicht nur zwischen geographisch definierten Regionen sondern auch zwischen einzelnen Hospitaumllern mit unterschiedlichen Infektionserregern zu rechnen ist In vielen neonatologischen Zent-ren wird Staph epidermidis als haumlufigster Er-reger von spaumlteinsetzenden nosokomialen In-fektionen isoliert dieser Erreger fuumlhrt daruumlber hinaus immer wieder zu raquoAusbruumlchenlaquo von Hospitalinfektionen Daneben spielen Klebsiel-la- Enterobacter- und Pseudomonas-Spezies Staph aureus und andere pathogene Mikroor-ganismen eine unveraumlnderte Rolle als gefuumlrch-tete Erreger einer nosokomialen Spaumltsepsis

6

Kapitel 7 middot Neonatologie184

7

Fruumlherkennung und Warnzeichen neonataler Infektionen 4 Geburtshilfliche Risikofaktoren 4 Klinische Zeichen 4 Entzuumlndungsparameter

ndash Leukozytose (Gesamtzahl aller neutrophiler Granulozyten)

ndash IT-Quotient ndash CRP ndash Interleukin-6 u a

4 Erregernachweis

Zu diesen Entzuumlndungsindikatoren gehoumlren die Gesamtzahl der Leukozyten am 1 Lebenstag (lt10000 Leukozytenμl) die Gesamt-zahl aller neutrophilen Granulozyten sowie der unreifen Granulo-zyten sowie der IT-Quotient (ImmatureTotal neutrophils d h Gesamtzahl aller unreifen GranulozytenGesamtzahl aller Granulo-zyten gt02) Eine Thrombozytopenie tritt bei ca 30 der Neugebo-renen mit neonataler Sepsis im Verlauf der Infektion auf

Auch erhoumlhte Konzentrationen des C-reaktiven Proteins (CRP) und des Interleukin-6 (IL-6) weisen auf eine Infektion hin Die Sensitivitaumlt und Spezifitaumlt dieser Entzuumlndungszeichen wird von verschiedensten internationalen Arbeitsgruppen unterschiedlich beurteilt Die Wertigkeit der verschiedenen Infektionszeichen als so genannte raquoFruumlherkennungsparameterlaquo sollte auf keinen Fall uumlber-schaumltzt werden

Der Stellenwert der einzelnen Parameter wird am ehesten deut-lich wenn man sich die Sequenz des Entzuumlndungsgeschehens vor Augen fuumlhrt ( Abb 754) Nach Keiminvasion werden mit einer kurzen Latenz neutrophile Granulozyten rekrutiert die moumlglicher-weise im Verlauf des initialen Abwehrgeschehens bereits verbraucht werden ndash die Patienten entwickeln eine Neutrozytopenie ndash oder aber es werden vermehrt unreife und reife Granulozyten aus dem Kno-chenmark freigesetzt Erst im Rahmen der Makrophagenaktivierung werden der Tumornekrosefaktor Interleukin-1 und Interleukin-6 sezerniert diese immunologischen Hormone (Zytokine) stimulie-ren die Synthese des CRP in der Leber sie lassen sich relativ fruumlh und zum Teil nur innerhalb eines kurzen Zeitfensters sicher identifizie-ren Mit einem Konzentrationsanstieg dieses Akutphaseproteins ist

erst 4ndash6 h nach Keiminvasion oder lokaler Inflammation zu rech-nen Das CRP ist allerdings als idealer Verlaufsparameter einer neo-natalen Infektion anzusehen

kDifferenzialdiagnoseVerschiedene Erkrankungen Fruumlh- und Neugeborener koumlnnen sich unter nahezu identischer Symptomatologie manifestieren wie die neonatale Sepsis Bei Fruumlhgeborenen kann eine Infektion mit Strep-tokokken der Gruppe B unter dem Bild eines Atemnotsyndroms verlaufen Weitere Erkrankungen akute pulmonale Erkrankungen des Neugeborenen persistierende fetale Zirkulation Hyperviskosi-taumltssyndrom kardiale Erkrankungen nekrotisierende Enterokolitis zerebrale Blutungen metabolische Stoumlrungen intrauterine Infektio-nen u a

kTherapieNach Durchfuumlhrung der Sepsisdiagnostik ist unverzuumlglich eine int-ravenoumlse antibiotische Therapie durchzufuumlhren

Antibiotische Therapie Bei der Fruumlhsepsis wird von vielen klini-schen Gruppen an einer Kombinationsbehandlung mit Ampicillin und einem Aminoglykosid (z B Gentamicin) festgehalten alter-nativ wird eine empirische Therapie mit Ampicillin und einem Cephalosporin der 3 Generation (z B Cefotaxim) praktiziert Beide Therapiestrategien wurden von der raquoAmerican Academy of Pediatricslaquo empfohlen Der Hauptgrund fuumlr die Gabe von Ampicillin ist die unzulaumlngliche Aktivitaumlt der Cephalosporine gegen Listeria monocytogenes und Enterokokken Bei Verdacht auf eine Staphylo-kokkeninfektion muss die verwendete Kombination um ein gegen Staphylokokken wirksames Mittel erweitert werden Bestehen durch bakteriologische Untersuchungen der Mutter Hinweise auf einen seltenen Erreger der Fruumlhsepsis (Klebsiella Pseudomonas Serratia etc) sollte eine Kombinationstherapie mit einem Cephalosporin und einem Aminoglykosid gewaumlhlt werden Nach Vorliegen der bakteriologischen Resistenztestung (Blut- Liquorkulturen) wer-den die Patienten meist in einer Zweierkombination weiterbe-handelt

Vor einigen Jahren wurde im Rahmen einer Standardtherapie mit Cefotaxim eine rasche Selektion von cefotaximresistenten En-terobacter-Spezies (Enterobacter cloacae) nachgewiesen diese Erreger waren auch gegen neuere Cephalosporine resistent

gt Eine Anwendung von Cephalosporinen sollte daher nur unter strenger Indikationsstellung erfolgen

Bei Staph-epidermidis-Sepsis kann eine Vancomycintherapie erfor-derlich sein Infektionen mit Anaerobiern werden mit Metronidazol und Infektionen mit Candida spp bzw Aspergillus spp mit 5ndashFluo-rocytosin und Amphotericin B behandelt

Die Behandlungsdauer fuumlr eine neonatale Sepsis ohne Menin-gitis oder andere schwere Begleitinfektionen betraumlgt in der Regel 10ndash14 Tage

Supportivtherapie Eine optimale Supportivtherapie saumlmtlicher im Verlauf der Sepsis auftretender Funktionsstoumlrungen von Organsys-temen (Herz-Kreislauf Atmung Saumlure-Basen-Haushalt Gerinnung u a) ist eine wesentliche Voraussetzung in der Behandlung dieser lebensbedrohlichen Erkrankung

Ein Therapiekonzept sollte sich immer nach dem lokalen Erre-gerspektrum richten Daher ist es sinnvoll durch regelmaumlszligige bak-teriologische Untersuchungen von Patienten und Gegenstaumlnden der neonatalen Intensivstation Aumlnderungen im Resistenzverhalten von Problemkeimen fruumlhzeitig zu erfassen

Abb 754 Hypothetische Sequenz des Entzuumlndungsgeschehens im Ver-lauf einer Sepsis die Zytokine TNF-α IL-1 und IL-6 stimulieren die Synthese von CRP in der Leber

7185710 middot Fetale und neonatale Infektionen

kProphylaxeEine Immunprophylaxe gegen das breite Erregerspektrum der neo-natalen Sepsis existiert nicht Die Entwicklung eines speziellen Impf-stoffes gegen Streptokokken der Gruppe B duumlrfte erst in einigen Jahren gelingen

Einen weiteren praumlventiven Ansatz stellt die sog Chemoprophy-laxe dar Schwangere die vaginal und zervikal mit B-Streptokokken besiedelt sind zusaumltzlich vorzeitige Wehen undoder einen vorzeiti-gen Blasensprung von gt12 h haben erhielten eine selektive intrapar-tale Chemoprophylaxe mit Penicillin Durch diese Maszlignahme konnte die Kolonisierung Neugeborener und die Sepsisinzidenz durch Streptokokken der Gruppe B eindeutig gesenkt werden Aller-dings ist diese Maszlignahme nur dann wirksam wenn die antibiotische Prophylaxe mindestens gt4 h praumlpartal verabreicht wird

Seit 1996 wird in den USA ein generelles Screening bei allen Schwangeren in der 35ndash37 Gestationswoche durchgefuumlhrt um eine maternale Kolonisierung mit B-Streptokokken zum Zeitpunkt der Geburt zu erfassen Trotz der erheblichen Kosten und der potenziel-len Risiken einer Penicillinallergie erhalten alle Schwangeren prauml-partal eine Penicillingabe Durch diese Strategie konnte eine fruumlh einsetzende neonatale Sepsis mit B-Streptokokken wirksamer ver-hindert werden als durch eine Identifizierung Schwangerer mit be-kannten Risikofaktoren Bis zu 60 aller reifen Neugeborenen mit B-Streptokokkenerkrankungen hatten symptomfreie Muumltter die keinen Risikofaktor aufwiesen Durch die Screeningstrategie koumlnnen bis zu 70 aller fruumlh einsetzenden Septikaumlmien mit B-Streptokok-ken verhindert werden

71010 Meningitis

kDefinitionDie neonatale MeningitisMeningoenzephalitis ist eine mikrobielle Infektion der Hirnhaumlute des Gehirns und haumlufig auch der Ventrikel sie wird durch die typischen Erreger neonataler Infektionen ver-ursacht

kEpidemiologieDie Inzidenz der neonatalen Meningitis hat in den letzten 10 Jahren abgenommen vermutlich haben die verbesserte Perinatalver-sorgung und Fruumlherfassung neonataler Infektionen sowie die recht-zeitige antibiotische Behandlung zu diesem Ruumlckgang beigetragen Die durchschnittliche Erkrankungsrate liegt zwischen 01ndash04 pro 1000 Lebendgeborene

kAumltiologieIn Mitteleuropa und in Nordamerika werden bis zu 23 aller neona-talen Meningitiden durch Streptokokken der Gruppe B und E coli verursacht Fuumlr die in den ersten Lebenstagen auftretende Strepto-kokkenmeningitis sind uumlberwiegend die Serotypen I und II verant-wortlich sie stammen aus der muumltterlichen Vaginal- und Rektal-flora Bei der Spaumltform der Streptokokkenmeningitis wird der Serotyp III isoliert Die verantwortlichen E coli besitzen ein Kapsel-polysaccharidantigen K1 das die Virulenz der Erreger erhoumlht (Eli-mination der Bakterien nur bei kompletter Opsonierung)

In einzelnen Regionen werden gehaumluft Listerien (L monocyto-genes) als Meningitiserreger identifiziert Eine nosokomiale Menin-gitis wird in Abhaumlngigkeit vom lokalen Erregerspektrum am haumlu-figsten durch Klebsiella- und Enterobacter-Spezies Pseudomonas aeruginosa u a hervorgerufen Bei intensivmedizinisch behandel-ten Fruumlhgeborenen die an einer unklaren systemischen Infektion erkrankt sind muss immer an eine Candida-Meningitis gedacht

werden Wenn auch selten so koumlnnen doch die typischen Erreger der eitrigen Hirnhautentzuumlndung im Kindesalter eine neonatale Menin-gitis verursachen

kPathogenese RisikofaktorenDie bekannten geburtshilflichen praumlnatalen und postnatalen Risiko-faktoren der neonatalen Sepsis lassen sich uneingeschraumlnkt bei der Meningitis Neugeborener nachweisen Eine Meningitis entwickelt sich haumlufig als Folge einer zu spaumlt diagnostizierten Sepsis Ausgangs-punkte fuumlr die haumlmatogene Streuung sind Pneumonien Hautin-fektionen infizierter Nabel Harnwegsinfektionen Otitis media etc

gt Neugeborene mit Liquorshuntsystemen sind besonders gefaumlhrdet uumlber eine Bakteriaumlmie eine Ventilinfektion zu entwickeln der haumlufigste Erreger ist Staph epidermidis

kKlinikDie klinischen Zeichen der neonatalen Meningitis sind unspezifisch und in der Regel nicht von den Symptomen der Neugeborenensepsis zu unterscheiden Als zusaumltzliche Symptome koumlnnen Beruumlhrungs-empfindlichkeit spaumlrliche Spontanbewegungen und schrilles Schreien hinzukommen Eine gespannte Fontanelle die opistho-tone Koumlrperhaltung oder gar Nackensteifigkeit treten insgesamt selten und erst im fortgeschrittenen Stadium der Meningitis auf Krampfanfaumllle werden bei ca 15 der erkrankten Neugeborenen beobachtet

kDiagnoseAufgrund der uncharakteristischen Symptomatologie sollte bei je-dem Patienten bei dem eine neonatale Sepsis zu vermuten ist eine Liquoruntersuchung erfolgen Bei ausgepraumlgter Instabilitaumlt der Kinder kann man jedoch gezwungen sein die erforderliche Lumbal-punktion erst nach Therapiebeginn durchzufuumlhren Die Besonder-heiten der Liquordiagnostik im Neugeborenenalter sind an anderer Stelle ausgefuumlhrt Repetitive Sonographien und eventuell MRT- Untersuchungen sind zur Erfassung von Komplikationen durchzu-fuumlhren

kTherapieDie Prognose der neonatalen Meningitis wird entscheidend vom Therapiebeginn und der Wahl der Antibiotika bestimmt die anti-biotische Behandlung muss sich gegen das besondere Spektrum der zu vermutenden Erreger neonataler Infektionen richten (s neonata-le Sepsis) Eine zuverlaumlssige Liquorgaumlngigkeit sowie eine ausreichen-de Dosierung der Antibiotika ist unbedingt zu beachten die Dosie-rung der verschiedenen Praumlparate liegt in der Regel houmlher als bei der neonatalen Sepsis

kPrognoseDie Prognose der neonatalen Meningitis ist trotz aller Behandlungs-fortschritte immer noch als ernst anzusehen Die Letalitaumlt betraumlgt 20ndash50 Akute Komplikationen sind ein kommunizierender oder nicht-kommunizierender Hydrozephalus subdurale Effusionen Taubheit und Blindheit ( Abb 755) Bis zu 70 aller Patienten mit E-coli-Meningitis entwickeln eine Ventrikulitis Selten werden Hirnabszesse beobachtet sie treten u a bei Infektionen mit Citro-bacter diversus Proteus mirabilis und Enterobacter-Spezies auf

Schwere neurologische Spaumltschaumlden (Zerebralparesen An-fallsleiden mentale Retardierung Taubheit Blindheit) sind bei un-gefaumlhr 10 der Patienten nachweisbar ein Viertel aller erkrankter Kinder weist leichte bis mittelschwere neurologische und psycho-mentale Beeintraumlchtigungen auf Uumlber den Effekt einer im akuten

Kapitel 7 middot Neonatologie186

7

Erkrankungsstadium durchgefuumlhrten Dexamethasontherapie auf die Komplikationsrate der neonatalen Meningitis liegen zurzeit noch keine Ergebnisse vor Aspekte zur Prophylaxe der neonatalen Meningitis sind im Kapitel raquoneonatale Sepsislaquo abgehandelt

71011 Osteomyelitis und septische Arthritis

kEpidemiologie AumltiologieDie Osteomyelitis und bakterielle Arthritis sind seltene Erkrankun-gen im Neugeborenenalter verlaumlssliche Angaben zur Inzidenz liegen nicht vor Staphylococcus aureus wird bei bis zu 8 der Patienten mit Osteomyelitis als kausaler Erreger identifiziert Daneben werden Streptokokken der Gruppen A und B Staph epidermidis und Strep-tococcus pneumoniae sowie eine Reihe gramnegativer Erreger nach-gewiesen Besonders bei der septischen Arthritis lassen sich neben Staph aureus auch E coli Klebsiella- und Enterobacter-Spezies Pseudomonas Salmonellen Serratia Neisseria gonorrhoeae und auch Candida albicans isolieren

kPathogeneseAufgrund der besonderen ossaumlren Gefaumlszligversorgung bei Neugebore-nen und Saumluglingen treten Osteomyelitis und septische Arthritis haumlufig zusammen auf Diaphyse Metaphyse und Epiphyse werden uumlber gemeinsame Arterien versorgt Als Konsequenz koumlnnen sich Erreger die in die Metaphyse der langen Roumlhrenknochen gelangt sind uumlber diese Gefaumlszligverbindungen zur Epiphyse ausbreiten und das Gelenk in das Infektionsgeschehen einbeziehen Erst gegen Ende des ersten Lebensjahres werden diese Gefaumlszligverbindungen und somit die ungehinderte Infektionsausbreitung unterbrochen

Die meisten Osteomyelitiden treten haumlmatogen auf systemi-sche bakterielle Infektionen koumlnnen ebenso wie lokale Infektionen (Pyodermie Omphalitis Mastitis u a) oder infizierte Infusions-systeme (Nabelgefaumlszligkatheter zentrale Silastic-Katheter u a) im Rahmen einer Bakteriaumlmie zu einer Absiedlung von Erregern in Knochen und Gelenk fuumlhren Bei einem Teil der Patienten lassen sich multiple Knochenherde nachweisen Neben der haumlmatogenen Genese kann auch ein lokales Entzuumlndungsgeschehen per continu-itatem eine Osteomyelitis induzieren (Abszess infiziertes Kephal-haumlmatom etc) Durch repetitive Fersenpunktionen zur kapillaren Blutentnahme kann sich eine Kalkaneusosteomyelitis entwickeln

kKlinikHaumlufig finden sich eine lokalisierte Schwellung im Bereich der be-troffenen Knochen bzw Gelenke sowie eine eingeschraumlnkte Be-weglichkeit mit Schonhaltung der Extremitaumlt (sog Pseudoparalyse) Am haumlufigsten sind die langen Roumlhrenknochen Femur Humerus und Tibia betroffen Aber auch die Maxilla und andere Schaumldel-knochen koumlnnen ebenso wie Finger- oder Wirbelknochen infiziert sein Die haumlufigsten eitrigen Arthritiden treten in Huumlft- Knie- und Schultergelenken auf

kDiagnoseBlutkultur(en) Entzuumlndungszeichen im Blut roumlntgenologische Un-tersuchung Szintigraphie und bei septischer Arthritis Sonographien und Gelenkpunktionen ermoumlglichen die Diagnosestellung Bei der Differenzialdiagnose muumlssen neben Frakturen und Paresen Weich-teilinfektionen sowie ossaumlre Veraumlnderungen durch intrauterine In-fektionen von der Osteomyelitis abgegrenzt werden

kTherapie PrognoseBei dem infrage kommenden Erregerspektrum empfiehlt sich eine antibiotische Initialbehandlung in Analogie zur Sepsistherapie zusaumltzlich sollte in jedem Fall ein staphylokokkenwirksames Medi-kament (z B Oxacillin) eingesetzt werden

Die Langzeitprognose der NeugeborenenosteomyelitisArthri-tis ist immer noch alles andere als zufriedenstellend Eine chronische Osteomyelitis Skelett- oder Knochendeformitaumlten und gestoumlrtes Knochenwachstum sind bei 25ndash50 aller Kinder zu erwarten

71012 Haut- und Weichteilinfektionen

kKlinikDas Spektrum neonataler Hautinfektionen die durch Bakterien Viren oder Pilze hervorgerufen werden reicht von unproblema-tischen lokalen Affektionen bis hin zu lebensgefaumlhrlichen Erkran-kungen

Pustuloumlse und bulloumlse Hautveraumlnderungen Die Impetigo neona-torum eine oberflaumlchliche pustuloumlse Pyodermie ist die haumlufigste Hautinfektion der Neugeborenenperiode Die Pusteln sind haumlufig in der Inguinalregion periumbilikal nuchal und retroaurikulaumlr zu fin-den Erreger Staph aureus Lokale Behandlungsmaszlignahmen sind ausreichend Kontaktinfektionen sind unbedingt zu vermeiden In der Differenzialdiagnose sind folgende Erkrankungen abzugrenzen Erythema toxicum neonatorum (roumltliche Flecken die von einer gelblichen Pustel besetzt sein koumlnnen treten am ganzen Koumlrper auf Direktpraumlparat der Pustel eosinophile Granulozyten) Milien (weiszlig-lich-gelbliche Talgretention an Nase Wange oder Stirn)

Eine weitere Staphylokokkenerkrankung ist die Impetigo bullosa oder Pemphigus neonatorum Durch intra- oder post-natale Besiedlung mit Staph aureus (Phagengruppe II Produktion des Exotoxins Exfoliatin) kann das Neugeborene diese ernste Hauterkrankung akquirieren Es bilden sich groumlszligere von einem roten Hof umgebene Blasen aus diese hinterlassen nach Platzen geroumltete naumlssende Hautstellen 3ndash5 Tage nach Erkrankungsbeginn tritt eine Desquamation von epidermalen Teilen auf (Nikolsky-Phaumlnomen negativ) Die schwerste Verlaufsform einer durch Staph-aureus-Enterotoxin ausgeloumlsten Hautinfektion ist die Dermatitis exfoliativa neonatorum (Ritter von Rittershain Abb 756) Im Bereich groszligflaumlchiger unscharf begrenzter Ery-theme entstehen nach Hautabloumlsung groszlige Wundflaumlchen (Nikolsky-Phaumlnomen positiv)

Abb 755 Ausgepraumlgte im MRT nachweisbare uumlberwiegend okzipital gelegene subkortikale Substanzdefekte bei einem Neugeborenem mit Meningoenzephalitis

7187711 middot Neugeborenenkraumlmpfe

kDifferenzialdiagnoseDie Differenzialdiagnose umfasst vesikulaumlre Effloreszenzen bei neo-nataler Herpes simplex Zytomegalie- und Varizelleninfektion sowie bulloumlse Veraumlnderungen bei der Lues connata (Pemphigus syphili-ticus)

kTherapieDie antibiotische Behandlung beider Verlaufsformen muss immer systemisch (intravenoumls) erfolgen Die Supportivtherapie der Derma-titis exfoliativa erfolgt nach den Prinzipien der Verbrennungsthera-pie Als Komplikationen sind die neonatale Sepsis Meningitis Osteomyelitis und andere Organmanifestationen gefuumlrchtet

71013 Omphalitis

kAumltiologieBevorzugter Erreger der Omphalitis ist Staph aureus aber auch andere Erreger der Neonatalperiode koumlnnen eine Nabelinfektion ausloumlsen Durch konsequente prophylaktische Nabelhygiene ist die-se Infektion selten geworden

kKlinikDie eitrige Entzuumlndung des Nabels manifestiert sich durch eine periumbilikale Roumltung derbe Infiltration und gegebenenfalls Ulze-ration Der Nabelgrund kann eitrig belegt sein haumlufig entleert sich purulentes Sekret Im Rahmen der Diagnostik werden Abstriche und Blutkulturen abgenommen sowie zur Verlaufskontrolle Ent-zuumlndungszeichen bestimmt Als Komplikationen koumlnnen eine Nabelphlegmone Nabelsepsis Infektion der Nabelgefaumlszlige u a auf-treten Die Therapie besteht in einer Lokalbehandlung und syste-misch intravenoumlsen Antibiotikatherapie

71014 Mastitis

kEpidemiologieEine Mastitis entwickelt sich in der Regel zwischen der 2 bis 3 Lebens woche weibliche Neugeborene erkranken haumlufiger als maumlnnliche Diese Erkrankung tritt vermutlich wegen der noch nicht entsprechend entwickelten Brustdruumlsen bei Fruumlhgeborenen nicht auf Eine beidseitige Affektion ist selten Haumlufigster Erreger ist Staph aureus zunehmend auch E coli und Streptokokken der Gruppe B Der Entstehungsmechanismus ist unklar es ist nicht auszuschlieszligen dass Manipulationen an der geschwollenen Brust die Infektion beguumlnstigen

kDiagnose TherapieDirektpraumlparat des Brustdruumlsensekrets und Abstriche Die Therapie erfolgt immer mit intravenoumlsen Antibiotika bei ausgepraumlgten Be-funden kann eine chirurgische Intervention notwendig werden Langzeitnachuntersuchungen lassen nicht ausschlieszligen dass einige der erkrankten Maumldchen ein vermindertes Brustgewebe auf der erkrankten Seite zuruumlckbehalten

Weitere recht haumlufige bakterielle Lokalinfektionen des Neuge-borenen sind

4 Kopfschwartenabszess (Verletzung durch CTG-Elektroden Erreger Staph aureus Streptokokken der Gruppe B u a Erreger neonataler Infektionen)

4 infiziertes Kephalhaumlmatom (s Kopfschwartenabszess) 4 Paronychien (wichtigste Erreger Staph aureus Streptokokken

der Gruppe B)

71015 Lokale Candidainfektionen

Der Mundsoor ist eine haumlufig auftretende Lokalinfektion des Neu-geborenen weiszligliche Belaumlge die im Gegensatz zu Milchresten nicht abwischbar sind kleiden uumlberwiegend die Wangenschleimhaut Neugeborener aus Diese Infektion mit Candida albicans wird ent-weder unter der Geburt oder durch postnatale Kontamination von verschiedenen Gegenstaumlnden uumlbertragen Sie verheilt unter konse-quenter lokaler antimykotischer Behandlung Eine Candidiasis tritt haumlufig auch als perianale intertriginoumlse Dermatitis auf neben blass-gelblichen makuloumlsen Veraumlnderungen finden sich feuerrote leicht schaumllende Areale Die Behandlung erfolgt durch orale und lokale Applikation von Antimykotika

71016 Neonataler Tetanus

In einigen Teilen der Welt stellt der neonatale Tetanus eine ernsthafte Bedrohung Neugeborener dar Von einer Infektion des Nabels ausge-hend entwickeln die Neugeborenen gegen Ende der ersten Lebens-woche Trinkschwaumlche muskulaumlre Hypertonie und generalisierte Spasmen Die akute Erkrankung kann nur durch neuromuskulaumlre Blockade und maschinelle Beatmung wirksam behandelt werden

71017 Ophthalmia neonatorum

7 Kap 33

711 Neugeborenenkraumlmpfe

kGrundlagenVon Krampfanfaumlllen spricht man wenn aufgrund einer voruumlberge-henden Beeintraumlchtigung der Hirnfunktion eine abnormale motori-sche undoder vegetative Aktivitaumlt mit oder ohne Aumlnderung der

Abb 756 Dermatitis exfoliativa neonatorum durch S aureus

Kapitel 7 middot Neonatologie188

7

Bewusstseinslage auftritt die von einer paroxysmalen elektrischen Aktivitaumlt des Gehirns begleitet wird Typisch fuumlr Neugeborene ist dass nicht alle als Krampfanfall imponierende motorische Aktivitauml-ten mit Veraumlnderungen des EEG einher gehen Da es bei Krampfan-faumlllen zu einer Auschuumlttung von Katecholaminen kommt sind sie oft mit autonom-vegetativen Phaumlnomenen wie Tachykardie und einem Blutdruckanstieg verbunden

gt Im Gegensatz zu Krampfanfaumlllen bei aumllteren Saumluglingen und Kindern sind Krampfanfaumllle beim Neugeborenen in der uumlberwiegenden Mehrzahl nicht idiopathisch sondern beruhen auf einer akuten zerebralen Funktionsstoumlrung

Die Inzidenz wird mit 05 aller Neugeborenen angegeben Die klinische Diagnose neonataler Kraumlmpfe ist nicht immer einfach aus diesem Grund ist immer eine genaue Beobachtung und Beschrei-bung der registrierten Phaumlnomene notwendig

kKlinikKlinisch koumlnnen spezifische Typen neonataler Anfaumllle unterschie-den werden 4 Klonische Kraumlmpfe rhythmische Zuckungen mit einer Fre-

quenz von 1ndash2 pro Sekunde wobei Hin- und Ruumlckbewegung von unterschiedlicher Geschwindigkeit sind (meist schnelle Hin- und langsamere Ruumlckbewegung) auf einer oder beiden Koumlrperseiten (fokal oder generalisiert)

4 Tonische Kraumlmpfe fokale tonische Anfaumllle manifestieren sich als einseitige anhaltende tonische Beugung oder Streckung einer Extremitaumlt des Halses oder Rumpfes Bei der generali-sierten Form betreffen diese Bewegungen beide Koumlrperseiten z T mit Streckung der Beine und Beugung der Arme

4 Myoklonische Kraumlmpfe Ploumltzlich einschieszligende rasche Kon-traktion eines Beugemuskels entweder fokal oder multifokal d h asynchrone alternierende Myoklonien unterschiedlicher Koumlrperteile Myoklonische Kraumlmpfe sind in der Regel ohne EEG-Veraumlnderungen Im Schlaf werden fokale Myoklonien bei Neugeborenen insbesondere bei Fruumlhgeborenen sehr haumlufig gesehen Diese Schlafmyoklonien sind physiologisch und kein Ausdruck einer Hirnfunktionsstoumlrung beim Erwecken der sbquoNeugeborenen sistieren sie unverzuumlglich

4 Subtile Kraumlmpfe orale Automatismen stereotype komplexe Bewegungsmuster wie Pedalieren der Beine tonische Augen-deviation Selten koumlnnen sich Kraumlmpfe auch als Apnoe praumlsen-tieren die dann in der Regel mit einer Tachykardie einhergeht (differenzialdiagnostisch wichtiges Kriterium zu anderen Apnoeformen)

kAumltiologie DiagnostikSehr verschiedene Grundkrankheiten koumlnnen sich mit Kraumlmpfen in der Neugeborenenperiode praumlsentieren und die Prognose der Kin-der wird in der Regel durch diese zugrundeliegenden Erkrankungen bestimmt Die basale Diagnostik bei Neugeborenenkraumlmpfen um-fasst neben der Anamnese und der klinischen Untersuchung be-stimmte Laboruntersuchungen (Blutzucker Elektrolyte Kalzium gr Blutbild Blutgasanalyse CRP Urinstatus) die Sonographie des Kopfes und das EEG Weitere Untersuchungen erfolgen entspre-chend spezifischer Auffaumllligkeiten

Ursache von Neugeborenenkrampfanfaumlllen 4 Akute metabolische Stoumlrungen

ndash Hypoglykaumlmie ndash Hypokalzaumlmie ndash Hyponatriaumlmie ndash Hypernatriaumlmie ndash Hypomagnesiaumlmie

4 Asphyxie 4 ZNS-Infektion

ndash Meningitis ndash Enzephalitis

4 Hirnblutung Hirninfarkt 4 Periventrikulaumlre Leukomalazie 4 Sinusvenenthrombose 4 Hirnfehlbildungen 4 Angeborene Stoffwechselerkrankungen

ndash Aminoazidopathien ndash Organoazidurien

4 Benigne Neugeborenenkraumlmpfe ndash Familiaumlr ndash Fifth-day fits (Kraumlmpfe am 5 Lebenstag) ndash Pyridoxinabhaumlngige Kraumlmpfe

4 Angeborene peroxisomale Erkrankungen 4 Neurokutane Sydrome 4 Toxine

ndash Bilirubin ndash Heroin ndash Kokain ndash Lokalanaumlsthetika

Akute metabolische Stoumlrungen Eine unverzuumlgliche Therapie dieser Stoumlrungen stellt die Erstmaszlignahme bei Neugeborenenkraumlmpfen dar

Asphyxie Dieses ist die haumlufigste Ursache fuumlr Krampfanfaumllle inner-halb der ersten 2 Lebenstage Das fruumlhe Auftreten innerhalb der ers-ten 4ndash6 h spricht fuumlr eine sehr schlechte Prognose

ZNS-Infektion Bei nicht sicher einzuordnenden Kraumlmpfen oder bei entsprechender klinischer Symptomatik ist immer eine Liquor-punktion indiziert Bei pathologischen Befunden differenzierte Diagnostik

Hirnblutungen Sowohl traumatisch bedingte Hirnblutungen reifer Neugeborener als auch intrazerebrale Blutungen bei Fruumlhgeborenen koumlnnen mit Krampfanfaumlllen einhergehen Bei Fruumlhgeborenen ist die sonographische Untersuchung ausreichend bei Reifgeborenen ist meist ein CT oder MRT notwendig

Hirnfehlbildungen Lissenzephalie Holoprosenzephalie Porenze-phalie Bei Verdacht im Ultraschallbild ist eine genaue weitergehen-de bildgebende Diagnostik erforderlich

Angeborene Stoffwechselerkrankungen Dieses sind vor allem Aminoazidopathien (Ahornsirupkrankheit Hyperglyzinaumlmie) oder Organoazidurien (Propionaziaumlmie) Aufgrund eines Abbau- oder Synthesedefektes kommt es zur Akkumulation toxischer Meta-bolite Die Symptome treten dann auf wenn die Kinder eine gewisse Nahrungsmenge erhalten haben oder sich in einer katabolen Stoff-wechselsituation befinden (Abbau von koumlrpereigenem Eiweiszlig) Toxinentfernung Begrenzung der Eiweiszligzufuhr und Beseitigung

7189712 middot Metabolische Stoumlrungen

der Katabolie sind die Hauptmaszlignahmen Diagnostik Ammoniak Laktat Blutzucker im Serum Ketonkoumlrper im Urin sofortige Asser-vierung von Urin zur spezifischen Diagnostik

Benigne Neugeborenenkraumlmpfe Ein recht groszliger Anteil der Kraumlmpfe in der Neugeborenenperiode sind benigner Natur Sie tre-ten in der ersten Lebenswoche auf sind transient und die Kinder entwickeln sich unauffaumlllig Die Diagnose erfolg per Ausschluss an-derer Ursachen Eine familiaumlre Form wird autosomal-dominant ver-erbt der Genort liegt auf Chromosom 20q Eine weitere Sonderform sind Kraumlmpfe die typischerweise am 5 Lebenstag auftreten (raquofifth-day fitslaquo) Die Ursache ist ungeklaumlrt die Bedeutung eines Zinkman-gels unklar Aumltiologisch unklare Kraumlmpfe sollten als Neugeborenen-kraumlmpfe ohne Dignitaumltsangabe bezeichnet werden erst die unauffaumll-lige weitere Entwicklung erlaubt es die Diagnose benigner Anfaumllle sicher zu stellen

Pyridoxinabhaumlngige Kraumlmpfe Diesem seltenen Krankheitsbild liegt wahrscheinlich ein GABA-Sythesedefekt zugrunde Die Krampfan-faumllle treten am ersten Lebenstag auf und sind gegenuumlber den uumlblichen Antikonvulsiva therapieresistent Vitamin B6 stellt einen Cofaktor fuumlr die Sythese von GABA dar und ist therapeutisch wirksam Trotz der Seltenheit dieses Krankheitsbildes ist bei therapieresistenten Krampf-anfaumlllen ein Behandlungsversuch mit Vitamin B6 sinnvoll

Angeborene peroxisomale Erkrankungen (Zellweger-Syndrom neonatale Adrenoleukodystrophie) Klinisch finden sich bei die-sen selteneren Erkrankungen in der Neonatalphase neben den Krampfanfaumlllen eine kraniofaziale Dysmorphie Muskelhypotonie Trinkschwaumlche Optikusatrophie oder Katarakt Die Diagnose er-folgt uumlber die Bestimmung biochemischer Marker im Blut insbe-sondere den sehr langen Fettsaumluren (VLFA)

Neurokutane Sydrome Diese angeborenen Erkrankungen koumlnnen selten ebenfalls mit Krampfanfaumlllen im Neugeborenenalter ein-hergehen Klinisch ist auf kutane Depigmentierungen (tuberoumlse Sklerose) Cafeacute-au-lait-Flecken (Neurofibromatose) oder faziale Portwein-Naevi (Sturge-Weber) zu achten

Toxine Die Bilirubinenzephalopathie ist eine Raritaumlt geworden Bei maternaler Heroineinnahme koumlnnen Neugeborenenkraumlmpfe als neonatales Entzugssyndrom auftreten Nach maternaler Kokain-einnahme kann es zu intrazerebralen Gefaumlszligverschluumlssen kommen Die akzidentelle Injektion eines Lokalanaumlsthetikums in den Fetus bei Pudendusanaumlsthesie kann zu Kraumlmpfen fuumlhren klinisch finden sich eine muskulaumlre Hypotonie und dilatierte Pupillen

kTherapieBei Neugeborenenkraumlmpfen muss Diagnostik und Therapie parallel erfolgen Da die Hypoglykaumlmie sofort behandelbar und ihre Folgen schwerwiegend sind erfolgt als erste Maszlignahme die Bestimmung des Blutzuckers als kapillaumlrer Schnelltest und sofort nach Blutab-nahme moumlglichst durch eine 2 Person Verabreichung von Glukose 10 iv 2 mlkg KG Unter der Glukosezufuhr sollte der Krampf-anfall beobachtet und beschrieben werden Krampftyp ein- oder beidseitig vegetative Symptome Dauer Anschlieszligend Blutab-nahme fuumlr Kalzium Natrium Magnesium und Kalium Wenn der Krampfanfall nicht innerhalb von einigen Minuten sistiert werden intravenoumls Antikonvulsiva verabreicht (Mittel der ersten Wahl Lorazepam Midazolam oder Clonazepam dann Phenobarbital und Phenytoin) Findet sich keine Krampfursache sollte bei persistieren-den Kraumlmpfen Pyridoxin (VitaminB6) verabreicht werden

712 Metabolische Stoumlrungen

7121 Hyperglykaumlmie

Eine Hyperglykaumlmie ist bei Neugeborenen wesentlich seltener als die Hypoglykaumlmie

kPathogeneseDie neonatale Hyperglykaumlmie kann verursacht werden durch eine zu hohe parenterale Glukosezufuhr durch eine eingeschraumlnkte Gluko-setoleranz z B bei Fruumlhgeborenen oder bei neonataler Sepsis Selten besteht ein transitorischer neonataler Diabetes mellitus

kKlinikDurch eine osmotische Diurese kommt es zur Dehydratation

kDiagnoseEin Blutzucker gt125 mgdl (7 mmoll) ist eine Hyperglykaumlmie Ebenfalls bestimmt werden sollten Serumelektrolyte Saumlure-Basen-Status Urinzucker Urinausscheidung und Veraumlnderungen des Koumlrpergewichts

kTherapieIn der Regel durch eine Reduktion der Glukosezufuhr

CaveEine Insulingabe sollte nur in Ausnahmefaumlllen erfolgen da die Insulintherapie bei Neugeborenen sehr schwer steuerbar ist

7122 Hypoglykaumlmie

kEpidemiologieEine symptomatische Hypoglykaumlmie ereignet sich bei 1ndash3 von 1000 Neugeborenen Deutlich houmlher ist das Hypoglykaumlmierisiko bei dystrophen Neugeborenen (5ndash15) und bei Fruumlhgeborenen Weite-re Risikofaktoren fuumlr eine Hypoglykaumlmie sind Hypothermie Hypo-xie muumltterlicher Gestationsdiabetes oder Diabetes mellitus und Polyzythaumlmie

kPathogeneseHypoglykaumlmien bei Neugeborenen koumlnnen folgende Ursachen haben 4 Der Glukoseverbrauch uumlbersteigt die Glukosezufuhr bzw die

Glukoseproduktion Da Neugeborene nur einen geringen Glykogenvorrat (1 des Koumlrpergewichts) haben kommt es bei Ausbleiben einer exogenen Glukosezufuhr rasch zu Hypo-glykaumlmien Dies ist die haumlufigste Ursache von Hypoglykaumlmien beim Neugeborenen

4 Ein Hyperinsulinismus liegt bei Kindern diabetischer Muumltter (transient) beim Beckwith-Wiedemann-Syndrom und bei der Nesidioblastose (diffuse Inselzellhyperplasie) vor

4 Kongenitale Stoffwechseldefekte Aminosaumlurestoffwechsel-stoumlrungen (z B Ahornsirupkrankheit) stoumlren die Glukoneoge-nese Glykogenspeicherkrankheiten Galaktosaumlmie und Fruk-toseintoleranz verringern die Verfuumlgbarkeit von Glukose aus Glykogen

4 Polyglobulie Die Ursache der Hypoglykaumlmien bei Polyglobu-lie ist nicht bekannt

Kapitel 7 middot Neonatologie190

7

kKlinikDie Symptome der Hypoglykaumlmie sind unspezifisch und umfassen Zittrigkeit Apathie Krampfanfaumllle Apnoen muskulaumlre Hypotonie und Trinkschwaumlche

kDiagnoseDie Definition der Hypoglykaumlmie beim Neugeborenen ist schwierig da Neugeborene auch bei niedrigen Blutzuckerwerten haumlufig asym-ptomatisch sind

Laborchemische Definition der Hypoglykaumlmie 4 FruumlhgeboreneReifgeborene (gt24 h) Plasmaglukose

lt35 mgdl 4 FruumlhgeboreneReifgeborene (gt24 h) Plasmaglukose

lt45 mgdl

Risikokinder sollten eine Blutzuckerbestimmung 1 h postnatal er-halten und danach 3-stuumlndliche Blutzuckerkontrollen fuumlr die naumlchs-ten 24 h Bei persistierender Hypoglykaumlmie sollte nach einem ange-borenen Stoffwechseldefekt gesucht und Insulin Kortisol und Wachstumshormon bestimmt werden

kTherapieBei einer Hypoglykaumlmie mit klinischer Symptomatik erfolgt die int-ravenoumlse Gabe von 2 mlkg KG Glukose 10 uumlber 10 min gefolgt von einer Glukoseinfusion mit 8 mg Glukosekg KGmin Neugebo-rene mit besonderem Risiko fuumlr eine Hypoglykaumlmie sollten eine Fruumlhfuumltterung mit Glukose 5 oder Dextrinloumlsungen erhalten

kPrognoseWenn die Hypoglykaumlmie nur kurz dauert ist die Prognose gut Prolongierte oder tiefe Hypoglykaumlmien sind mit neurologischen Folgeschaumlden assoziiert

7123 Fetopathia diabetica

kPathogeneseBei optimaler Einstellung und Uumlberwachung des muumltterlichen Dia-betes mellitus waumlhrend der Schwangerschaft kann sich die fetale intrauterine Entwicklung voumlllig normal vollziehen Bei schlechter Einstellung besteht ein deutlich erhoumlhtes Risiko fuumlr den Feten intra-uterin zu versterben die Neugeborenen sind entweder makrosom oder hypotroph und weisen eine Reihe schwerwiegender postnata-ler Adaptionsstoumlrungen auf Da Glukose ungehindert durch die Pla-zenta diffundiert fuumlhrt eine anhaltende muumltterliche Hyperglykaumlmie zu erhoumlhten Blutzuckerkonzentrationen beim Feten der als Folge mit einem kompensatorischen Hyperinsulinismus reagiert Dieser Hyperinsulininismus ist fuumlr das typische Organwachstum der mak-rosomen Neugeborenen verantwortlich Bei einer schweren diabe-tischen Plazentainsuffizienz koumlnnen Neugeborene aber auch eine ausgepraumlgte Hypotrophie aufweisen Die Neugeborenen sind post-natal extrem Hypoglykaumlmiegefaumlhrdet da sich der Hyperinsulinis-mus nur langsam zuruumlckbildet

Das klinische Bild ist aumluszligerst eindrucksvoll und durch eine Rei-he von Funktionsstoumlrungen charakterisiert 4 Makrosomie cushingoides Aussehen 4 Hepatomegalie hypertrophe Kardiomyophathie (Glykogenein-

lagerungen) 4 Atemnotsyndrom durch beeintraumlchtigte Surfactantproduktion

4 Plethora Polyzythaumlmie Hyperviskositaumltssyndrom Hyperbilirubinaumlmie

4 Geburtstraumatische Komplikationen Plexuslaumlhmung Asphyxie u a

4 metabolische Entgleisungen Hypoglykaumlmie Hypokalzaumlmie Hypomagnesiaumlmie

4 evtl Fehlbildungen kaudales Regressionssyndrom Mikrokolon Vitium cordis

kTherapieZeitgerechte und konsequente Behandlung aller klinischen und metabolischen Stoumlrungen

7124 Hypokalzaumlmie

Je unreifer ein Neugeborenes ist desto haumlufiger tritt eine Hypokalzauml-mie auf

kPathogeneseAls Ursache fuumlr die fruumlhe Hypokalzaumlmie (Lebenstag 1ndash3) wird die nach der Geburt ploumltzlich ausbleibende hohe intrauterine Kalzium-zufuhr angenommen Ein erhoumlhtes Hypokalzaumlmierisiko besteht bei Kindern diabetischer Muumltter bei Sepsis und nach Asphyxie Die spauml-te Hypokalzaumlmie (nach dem 3 Lebenstag) kann durch hohe Phos-phatzufuhr mit der Nahrung bei verfruumlhter Kuhmilchfuumltterung oder durch Vitamin-D-Mangel verursacht werden

kKlinikLaborchemisch liegt eine Hypokalzaumlmie vor wenn das Serum-kalzium lt18 mmoll ist Die klinischen Symptome der Hypokal-zaumlmie sind unspezifisch (Zittrigkeit Tremor Hyperexzitaumlbilitaumlt oder Krampfanfaumllle) Die fruumlhe Hypokalzaumlmie ist meist asymptoma-tisch

kDifferenzialdiagnoseHypoglykaumlmie Hypomagnesiaumlmie

kTherapieBei klinischer Symptomatik langsame intravenoumlse Gabe von 1ndash2 mlkg KG Kalziumglukonat 10 Bei asymptomatischer Hypo-kalzaumlmie Erhoumlhung der taumlglichen Kalziumzufuhr auf 5ndash10 mlkg Kalziumglukonat

CaveSchnelle intravenoumlse Kalziumgabe fuumlhrt zur Bradykardie Paravenoumlse Kalziumgabe fuumlhrt zu schweren Gewebsnek-rosen

Persistiert die Symptomatik trotz Kalziumsubstitution kann eine Hypomagnesiaumlmie vorliegen

713 Spezielle Aspekte der Ernaumlhrung Fruumlh- und Neugeborener

7131 Naumlhrstoffbedarf

Der Fluumlssigkeitsbedarf des Neugeborenen ist deutlich houmlher als beim Erwachsenen weil der Wasserumsatz des Neugeborenen we-gen der geringeren Konzentrationsfaumlhigkeit der Niere des hohen insensiblen Wasserverlustes uumlber Haut und Lunge und des hohen Energieumsatzes sehr hoch ist

7191Literatur

Der Kalorien- und Eiweiszligbedarf des Neugeborenen ist wegen des raschen Wachstums ebenfalls houmlher als beim Erwachsenen ( Tab 719)

7132 Ernaumlhrung des reifen Neugeborenen

Die optimale Ernaumlhrung fuumlr das reife Neugeborene ist Muttermilch Um die Muttermilchproduktion anzuregen soll das Neugeborene anfangs alle 3ndash4 h an beiden Bruumlsten saugen Mit zunehmender Muttermilchmenge muss kein starrer Stillrhythmus mehr eingehal-ten werden sondern das Kind wird dann angelegt wenn es Hunger hat Die Muttermilchmenge deckt in der Regel am Ende der 1 Le-benswoche den Bedarf des Neugeborenen

gt Das reife Neugeborene soll in den ersten Lebenstagen zusaumltzlich zum regelmaumlszligigen Anlegen an der Brust nur Fluumlssigkeit angeboten bekommen bei normalem Anstieg der Muttermilchmenge ist keine Zufuumltterung von Milch-nahrung notwendig

7133 Ernaumlhrung des Fruumlhgeborenen

Aktivitaumlt von Verdauungsenzymen ist im Gastrointestinaltrakt be-reits ab 20 Schwangerschaftswochen nachzuweisen Deshalb ist die Resorption von kurzkettigen Kohlenhydraten und Protein auch bei unreifen Fruumlhgeborenen gut Fett wird allerdings von Fruumlhgebore-nen wegen geringer Lipaseaktivitaumlt und geringer Gallensaumlurenmen-ge nur unvollstaumlndig resorbiert

Auch wenn Saugbewegungen intrauterin bereits mit 22 Gestati-onswochen stattfinden wird eine effektive Saug-Schluck-Koordina-tion erst mit 32ndash34 Gestationswochen erreicht Auch die koordinier-te antegrade Peristaltik im Magen-Darm-Trakt entwickelt sich in diesem Zeitraum erst allmaumlhlich ( Abb 725)

Bei unreiferen Fruumlhgeborenen muss deshalb mit sehr kleinen Nahrungsmengen (3ndash5 ml pro Mahlzeit) begonnen und die Nah-rung in den Magen sondiert werden bis das Kind die Faumlhigkeit selbst zu trinken entwickelt hat

Die beste enterale Nahrung ist auch fuumlr das Fruumlhgeborene Muttermilch die allerdings wegen des hohen Naumlhrstoffbedarfs Fruumlhgeborener mit Kalorien Protein und Mineralstoffen angerei-

chert werden muss Da Fruumlhgeborene anfangs nur sehr kleine e nterale Nahrungsmengen vertragen ist eine zusaumltzliche parente-rale Ernaumlhrung notwendig bis der enterale Nahrungsaufbau voll-staumlndig ist

Literatur

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Tab 719 Bedarf an Fluumlssigkeit und Naumlhrstoffen von Fruumlh- und Neugeborenen in den ersten Lebenswochen im Vergleich zum Erwachsenen

Fruumlh-geborenes

Reif-geborenes

Erwachsener

Fluumlssigkeit [mlkg KGTag]

180 130 40ndash50

Kalorien [kcalkg KGTag]

130 110 30ndash40

Protein [gkg KGTag]

3 2ndash3 08

Gewichtszunahme [gkg KGTag]

15 8 0

Abb 757 Entwicklung der gastrointestinalen Motorik

  • III13Neonatologie und paumldiatrische Intensivmedizin
    • 713Neonatologie
      • Definitionen
      • Postnatale Adaptation
        • Lunge
        • Herz und Kreislauf
        • Temperaturregulation
        • Niere
        • Gastrointestinaltrakt
        • Eltern-Kind-Beziehung
        • Beurteilung der postnatalen Adaptation (Apgar-Schema)
        • Akut lebensbedrohliche Fehlbildungen der Neugeborenenperiode
          • Untersuchung des Neugeborenen
            • Zeitpunkte der Neugeborenenuntersuchung
            • Durchfuumlhrung der Neugeborenenuntersuchung
            • Neurologische Neugeborenenuntersuchung
            • Bestimmung der somatischen Reifezeichen
              • Reanimation Fruumlhund Neugeborener
                • Voraussetzungen zur Reanimation
                • Maszlignahmen der Neugeborenenreanimation
                  • Perinatale Schaumlden und ihre Folgen
                    • Asphyxie
                    • Hypoxisch-ischaumlmische Enzephalopathie (HIE)
                    • Geburtstraumatische Schaumlden
                      • Das Fruumlhgeborene
                        • Das Atemnotsyndrom Fruumlhgeborener
                        • Persistierender Ductus arteriosus (PDA)
                        • Wilson-Mikity-Syndrom
                        • Bronchopulmonale Dysplasie
                        • Retinopathia praematurorum
                        • Hirnblutungen des Fruumlhgeborenen
                        • Germinale Matrixblutung des Fruumlhgeborenen
                        • Andere intrazerebrale Blutungen bei Fruumlhgeborenen
                        • Periventrikulaumlre Leukomalazie
                        • Apnoen bei Fruumlhgeborenen
                          • Lungenerkrankungen des Neugeborenen
                            • Transitorische Tachypnoe
                            • Mekoniumaspirationssyndrom
                            • Pneumothorax
                            • Kongenitales lobaumlres Emphysem
                            • Lungenhypoplasie
                            • Zwerchfellhernie (Enterothorax)
                            • Neonatale Pneumonien
                            • Persistierende pulmonale Hypertonie (persistierende fetale Zirkulation)
                            • Lungenblutung
                            • Chylothorax
                            • Obstruktion der oberen Atemwege
                              • Bluterkrankungen
                                • Fetale Erythropoese
                                • Neonatale Anaumlmie
                                • Anaumlmie Fruumlhgeborener
                                • Polyzythaumlmie Hyperviskositaumltssyndrom
                                • Icterus neonatorum und Hyperbilirubinaumlmie
                                • Physiologischer Ikterus
                                • Muttermilchikterus
                                • Ikterus bei Fruumlhgeborenen
                                • Pathologische Hyperbilirubinaumlmie
                                • Morbus haemolyticus neonatorum
                                • Kernikterus Bilirubinenzephalopathie
                                • AB0-Erythroblastose
                                • Rh-Erythroblastose
                                • Weitere haumlmolytische Erkrankungen
                                • Direkte Hyperbilirubinaumlmie
                                • Weiszliges Blutbild Neugeborener
                                • Neonatale Thrombozytopenie
                                • Neonatale Alloimmunthrombozytopenie
                                • Koagulopathien
                                • Morbus haemorrhagicus neonatorum (Vitamin-K-Mangel)
                                  • Nekrotisierende Enterokolitis
                                  • Fetale und neonatale Infektionen
                                    • Besonderheiten des Immunsystems Neugeborener
                                    • Nichtbakterielle konnatale Infektionen
                                    • Roumlteln
                                    • Zytomegalie
                                    • Herpes simplex
                                    • Varizella-Zoster-Virus
                                    • Weitere konnatale Virusinfektionen
                                    • Toxoplasmose
                                    • Neugeborenensepsis
                                    • Meningitis
                                    • Osteomyelitis und septische Arthritis
                                    • Hautund Weichteilinfektionen
                                    • Omphalitis
                                    • Mastitis
                                    • Lokale Candidainfektionen
                                    • Neonataler Tetanus
                                    • Ophthalmia neonatorum
                                      • Neugeborenenkraumlmpfe
                                      • Metabolische Stoumlrungen
                                        • Hyperglykaumlmie
                                        • Hypoglykaumlmie
                                        • Fetopathia diabetica
                                        • Hypokalzaumlmie
                                          • Spezielle Aspekte der Ernaumlhrung Fruumlhund Neugeborener
                                            • Naumlhrstoffbedarf
                                            • Ernaumlhrung des reifen Neugeborenen
                                            • Ernaumlhrung des Fruumlhgeborenen
Page 3: Neonatologie - Springer...7.8.5 Icterus neonatorum und Hyperbilirubinämie – 168 7.8.6 Physiologischer Ikterus – 169 7.8.7 Muttermilchikterus – 169 7.8.8 Ikterus bei Frühgeborenen

127

C P Speer M Gahr (Hrsg) PaumldiatrieDOI 101007978-3-642-34269-1_7 copy Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

7108 Toxoplasmose ndash 1817109 Neugeborenensepsis ndash 18271010 Meningitis ndash 18571011 Osteomyelitis und septische Arthritis ndash 18671012 Haut- und Weichteilinfektionen ndash 18671013 Omphalitis ndash 18771014 Mastitis ndash 18771015 Lokale Candidainfektionen ndash 18771016 Neonataler Tetanus ndash 18771017 Ophthalmia neonatorum ndash 187

711 Neugeborenenkraumlmpfe ndash 187

712 Metabolische Stoumlrungen ndash 1897121 Hyperglykaumlmie ndash 1897122 Hypoglykaumlmie ndash 1897123 Fetopathia diabetica ndash 1907124 Hypokalzaumlmie ndash 190

713 Spezielle Aspekte der Ernaumlhrung Fruumlh- und Neugeborener ndash 1907131 Naumlhrstoffbedarf ndash 1907132 Ernaumlhrung des reifen Neugeborenen ndash 1917133 Ernaumlhrung des Fruumlhgeborenen ndash 191

Literatur ndash 191

Kapitel 7 middot Neonatologie128

7

EinleitungNoch vor 20 Jahren war die haumlufigste Todesursache Fruumlhgeborener das akute Lungenversagen Die sensationellen Ergebnisse von Mary Ellen Avery ebneten dann den Weg fuumlr eine kausale Therapie des Atemnot-syndroms ME Avery beobachtete dass die Lungen eines verstorbenen Fruumlhgeborenen luftleer und raquoschwerlaquo waren und kein raquoschaumlumendes Materiallaquo (raquofoamlaquo) enthielten Wie sie durch Experimente belegen konn-te fehlte diesen Lungen in der Tat eine Substanz die die Oberflaumlchen-spannung in den Alveolen vermindert das pulmonale Surfactant Die 1959 publizierten Ergebnisse ihrer Untersuchungen fanden zunaumlchst nicht die ihnen gebuumlhrende Aufmerksamkeit Um die weitere Resonanz auf ihre Entdeckung zu beschreiben verweist ME Avery gerne darauf hin dass sich neues Wissen in 3 Phasen verbreitet Die 1 Phase in der neue Ergebnisse bekannt gegeben werden wird meist ignoriert In der 2 Phase rufen die inzwischen von anderen nicht mehr zu leugnenden Ergebnisse Feindseligkeiten hervor in der 3 und letzten Phase besteht eine generelle Uumlbereinstimmung daruumlber dass man schon immer von dieser Tatsache ausgegangen sei

71 Definitionen

Die Erfolge der Neonatalmedizin liegen unter anderem an der fruuml-hen Einfuumlhrung qualitaumltssichernder Maszlignahmen durch die Erstel-lung und Auswertung standardisierter Berichte uumlber alle Geburten (Perinatalerhebung) und alle stationaumlren Aufenthalte von Neuge-borenen (Neonatalerhebung)

Fuumlr die Qualitaumltskontrolle und die Vergleichbarkeit von Thera-pieergebnissen in der Neugeborenenmedizin sind einheitliche und verbindliche Definitionen von Krankheitsbildern und Zustaumlnden erstellt worden Diese Einteilungen sind von sehr groszliger klinischer Bedeutung da sie Neugeborene mit unterschiedlichen Erkran-kungsrisiken definieren So machen z B die Neugeborenen mit ei-nem Geburtsgewicht lt1500 g nur 08ndash15 aller Lebendgeborenen aus verursachen aber bis zu 65 der neonatalen Mortalitaumlt Neuge-

borene werden nach dem Gestationsalter dem Geburtsgewicht und dem Geburtsgewicht bezogen auf das Gestationsalter unterteilt ( Abb 71 und Tab 71)

Die Einteilung nach dem Gestationsalter (d h Dauer der Schwangerschaft vom 1 Tag der letzten Menstruation bis zur Geburt) beschreibt den Grad der Organreife Das Gestationsalter kann aber nur selten genau gemessen werden sondern ist eine anamnestische Angabe mit einer gewissen Ungenauigkeit Die Ein-teilung nach dem Geburtsgewicht das eine messbare Groumlszlige ist wird in den USA haumlufig benutzt Dadurch werden allerdings unter dem Begriff raquolow birth-weight infantlaquo hypotrophe Neugeborene und Fruumlhgeborene die beide deutlich unterschiedliche Krankheits-profile haben zusammengefasst Die Einteilung nach dem Ge-burtsgewicht bezogen auf das Gestationsalter ermoumlglicht die Unterscheidung von hypotrophen eutrophen und hypertrophen Neugeborenen

gt Die neonatale Mortalitaumlt (Anzahl der in den ersten 28 Lebenstagen verstorbenen Neugeborenen pro 1000 Lebendgeborene) als Maszlig fuumlr die Qualitaumlt der Neuge-borenenversorgung ist in Deutschland zwischen 1970 und 1991 von 17 auf 41000 gesunken und seither auf diesem geringen Niveau stabil

72 Postnatale Adaptation

Die Geburt ist die dramatischste Aumlnderung der Lebensumstaumlnde im menschlichen Leben Innerhalb weniger Minuten finden zahlreiche physiologische Veraumlnderungen das Kennenlernen der Eltern und das Erleben einer neuen Sinneswelt statt ( Tab 72) Die Aufgabe des Kinderarztes ist es zusammen mit dem Geburtshelfer die post-natale Adaptation zu beobachten und wenn noumltig zu unterstuumltzen ohne durch zu viele Maszlignahmen diesen fuumlr das Neugeborene und seine Eltern wichtigen Augenblick zu stoumlren

Abb 71 Einteilung von Neugeborenen nach Gestationsalter und Geburtsgewicht

Tab 71 Definitionen zur Einteilung von Neugeborenen

Einteilung nach Gestations-alter (GA)

Fruumlhgeborenes GA lt37 Wochen (lt260 Tage)

Termingeborenes GA 37ndash42 Wochen (260ndash293 Tage)

Uumlbertragenes Neugeborenes

GA gt42 Wochen (gt293 Tage)

Einteilung nach Geburts-gewicht

Geburtsgewicht lt2500 g raquolow birth weight infantlaquo

Geburtsgewicht lt1500 g raquovery low birth weight infantlaquo

Geburtsgewicht lt1000 g raquoextremely low birth weight infantlaquo

Einteilung nach Geburts-gewicht bezogen auf das Gestations-alter

Hypotrophes Neu-geborenes (raquosmall for gestational agelaquo SGA)

Geburtsgewicht lt10 Perzentile

Eutrophes Neugeborenes (raquoappropriate for gesta-tional agelaquo AGA)

Geburtsgewicht 10ndash90 Perzentile

Hypertrophes Neuge-borenes (raquolarge for gestational agelaquo LGA)

Geburtsgewicht gt90 Perzentile

712972 middot Postnatale Adaptation

721 Lunge

Intrauterin Die Lunge ist intrauterin ein fluumlssigkeitsgefuumllltes Organ in dem kein Gasaustausch stattfindet Es besteht ein staumln-diger Einstrom von Fluumlssigkeit aus dem Lungengewebe in den sich entwickelnden Bronchialbaum und von dort uumlber die Trachea ins Fruchtwasser Ab der 20 Schwangerschaftswoche lassen sich spo-radische Thoraxbewegungen feststellen mit denen Fluumlssigkeit ein- und ausgeatmet wird Die Surfactantproduktion durch die Typ-II-Pneumozyten nimmt ab 24 Schwangerschaftswochen deutlich zu

CaveEine deutlich verminderte Fluumlssigkeitsfuumlllung der fetalen Lunge bei Ahydramnie oder persistierendem vorzeitigen Blasensprung kann in der vulnerablen Phase der Lungenentwicklung zu einer schweren Lungen-hypoplasie fuumlhren

Fehlende intrauterine Atemexkursionen bei neuromuskulaumlren Er-krankungen der Feten oder schweren Thoraxdysyplasien koumlnnen ebenfalls das normale Lungenwachstum nachhaltig beeintraumlchtigen

Postnatal Innerhalb weniger Atemzuumlge muss sich die Lunge mit Luft fuumlllen durchblutet werden und eine regelmaumlszligige Atmung ein-setzen damit nach der Durchtrennung der Nabelschnur kein Sauer-stoffmangel entsteht

Adaptationsvorgaumlnge Bereits einige Tage vor der Geburt beginnt sich der Fluumlssigkeitsstrom in der Lunge umzukehren anstelle des Fluumlssigkeitseinstroms in die Alveolen beginnt eine Fluumlssigkeitsre-sorption Bereits mit dem ersten Atemzug bei dem das Neuge-borene einen Sog von bis zu 100 cm H2O aufbringt werden groszlige Teile der Lunge mit Luft gefuumlllt der verbleibende Fluumlssigkeitsfilm an der Alveolarwand wird im Lauf der naumlchsten Stunden resorbiert Verzoumlgert sich diese Fluumlssigkeitsresorption so kommt es zur transienten Tachypnoe des Neugeborenen Der in der Lunge vor-handene Surfactant reicht beim Reifgeborenen aus um die an der Grenzflaumlche Luft-Fluumlssigkeit auftretende Oberflaumlchenspannung so zu verringern dass es nicht zu einem Kollaps der Alveolen kommt Der initiale paO2-Abfall und paCO2-Anstieg afferente Reize durch die Lungendehnung und Kaumlltereize setzen die Atem-exkursionen in Gang und fuumlhren zum kontinuierlichen postnatalen Atemtyp

722 Herz und Kreislauf

Intrauterin Zum Blutkreislauf des Feten gehoumlren die Nabelschnur-gefaumlszlige und der fetale Teil der Plazenta Deshalb ist das Blutvolumen des Feten doppelt so groszlig wie das des Neugeborenen Nur 10 des Blutes flieszligen durch die Lunge da der Widerstand im Pulmonal-kreislauf hoch ist 90 des Blutes im rechten Herzen gelangen an der Lunge vorbei uumlber das offene Foramen ovale vom rechten in den linken Vorhof oder uumlber den Ductus arteriosus aus der Arteria pul-monalis in die Aorta ( Abb 72)

Postnatal Foramen ovale und Ductus arteriosus sind verschlossen Das gesamte Herzzeitvolumen flieszligt durch die Lunge

Tab 72 Gegenuumlberstellung der intra- und extrauterinen Lebensumstaumlnde

Organ Intrauterin Extrauterin

Lungen Fluumlssigkeitsgefuumlllt hoher pulmonaler Gefaumlszlig-widerstand sporadische Atemexkursionen

Luftgefuumlllt Abfall des pulmonalen Widerstandes regelmaumlszligige Atemzuumlge

Kreislauf 10 des Herzminutenvolumens durch die Lunge Rechts-links-Shunt uumlber Foramen ovale und Ductus arteriosus

100 des Herzminutenvolumens durch die Lunge Foramen ovale und Ductus arteriosus verschlossen

Thermoregulation Keine Thermoregulation erforderlich Waumlrmeproduktion und Minimierung von Waumlrmeverlusten

Ernaumlhrung Kontinuierlich uumlber Plazenta Intermittierend enteral (Saugen Schlucken Peristaltik Verdauung)

Niere Produktion von Fruchtwasser Regulation von Wasser-Elektrolyt- und Saumlure-Basen-Haushalt

Sinneswelt Dunkel gedaumlmpfte Geraumlusche gleichmaumlszligig warm raquoschwereloslaquo

Hell laut Temperaturwechsel Schwerkraft

Abb 72 Schema des fetalen Kreislaufs mit Sauerstoffpartialdruumlcken in verschiedenen Gefaumlszligen

Kapitel 7 middot Neonatologie130

7Adaptationsvorgaumlnge Die Beluumlftung der Lunge induziert eine Vasodilatation im Pulmonalkreislauf Die Erhoumlhung des paO2 von 30 auf 60ndash99 Torr im Blut das den Ductus arteriosus durchstroumlmt fuumlhrt zu Konstriktion und funktionellem Verschluss des Ductus der Druckanstieg im kindlichen Koumlrperkreislauf leitet nach dem Wegfall des plazentaren Niederdrucksystems den funktionellen Verschluss des Foramen ovale ein

723 Temperaturregulation

Intrauterin Waumlrme ist fuumlr den Feten ein Nebenprodukt des Stoff-wechsels Obwohl ein Groszligteil dieser Waumlrme uumlber die Plazenta ab-gefuumlhrt wird liegt die Koumlrpertemperatur des Feten dadurch um 05degC uumlber der Koumlrpertemperatur der Mutter Intrauterin benoumltigt der Fetus keine eigene Waumlrmeregulation

Postnatal Die Umgebungstemperatur liegt 15ndash20degC unter der Koumlrpertemperatur und es treten Waumlrmeverluste durch Strahlung (kuumlhle Raumwaumlnde) Konvektion (kuumlhle bewegte Luft) und Ver-dunstung (trockene Luft) auf Um die Koumlrpertemperatur konstant zu halten muumlssen die auftretenden Waumlrmeverluste durch Waumlrme-produktion ausgeglichen werden

Adaptationsvorgaumlnge Das Neugeborene verringert Waumlrmever-luste durch Vasokonstriktion in der Haut und produziert Waumlrme im braunen Fettgewebe Nur Neugeborene besitzen dieses braune Fettgewebe das zwischen den Schulterblaumlttern hinter dem Herzen und den groszligen Gefaumlszligen liegt die dort produzierte Waumlrme verteilt sich rasch im Koumlrper Die Braunfaumlrbung des Gewebes entsteht durch den hohen Anteil an Mitochondrien Die Fettoxidation ist durch das so genannte raquouncoupling proteinlaquo von der ATP-Produktion abge-koppelt und erlaubt eine direkte und rasche Waumlrmeproduktion Trotz dieses Adaptationsmechanismus uumlbertreffen die Waumlrmever-luste eines unbekleideten reifen Neugeborenen in Raumtemperatur (22degC) seine Waumlrmeproduktion und es besteht die Gefahr der Aus-kuumlhlung ( Abb 73)

gt Um eine postnatale Auskuumlhlung zu verhindern wird ein reifes Neugeborenes nach der Geburt gut abgetrocknet in direktem Hautkontakt der Mutter auf die Brust gelegt und mit einem trockenen Tuch zugedeckt

724 Niere

Intrauterin Die Plazenta uumlbernimmt die Ausscheidungsfunktion der Nieren Die Aufgabe der fetalen Nieren ist die Produktion von Fruchtwasser das zum groszligen Teil fetaler Urin ist Fehlt das Frucht-wasser kommt es zur Lungenhypoplasie

Postnatal Die Nieren muumlssen die Fluumlssigkeits- und Elektrolytho-moumlostase aufrechterhalten Stoffwechselprodukte ausscheiden und den Saumlure-Basen-Haushalt ausgleichen

Adaptationsvorgaumlnge Der erste Urin wird oft bei oder unmittelbar nach der Geburt abgesetzt und nach einer Pause setzt dann inner-halb von 24 h die Diurese ein In den ersten Lebenstagen reduziert das Neugeborene als Adaptation an das trockene extrauterine Milieu seinen groszligen Extrazellulaumlrraum Durch die Fluumlssigkeitsausschei-dung kommt es zur physiologischen postnatalen Gewichtsabnah-me von maximal 10 des Geburtsgewichts

Die Filtrationsleistung der Nieren betraumlgt beim Neugeborenen nur 110ndash16 des Erwachsenen und auch die Tubuli sind deutlich weniger leistungsfaumlhig Trotzdem kann die Niere des Neugeborenen die Homoumlostase in der Regel aufrechterhalten

gt Da die Regulationsfaumlhigkeit der Niere des Neugeborenen geringer ist ist das Risiko einer Hyperhydratation sowie einer Dehydratation groumlszliger als beim Erwachsenen

725 Gastrointestinaltrakt

Intrauterin Die Ernaumlhrung des Feten erfolgt uumlber die Plazenta Der Fet schluckt und resorbiert Fruchtwasser und reguliert damit das Fruchtwasservolumen

CaveEin Polyhydramnion kann Symptom einer gastrointestina-len Obstruktion (z B Oumlsophagusatresie Duodenalatresie) oder einer Schluckstoumlrung des Feten sein

Postnatal Die Ernaumlhrung erfolgt durch die Resorption von Naumlhr-stoffen aus dem Gastrointestinaltrakt

Adaptationsvorgaumlnge 70 der Neugeborenen setzen innerhalb der ersten 12 Lebensstunden Mekonium den ersten Stuhl ab die restlichen Neugeborenen innerhalb von 48 h Mekonium ist gruumln-lich-schwarz und besteht aus eingedickter Galle Lanugo und Zell-detritus Beim reifen Neugeborenen ist der Saug- und Schluckreflex ausreichend entwickelt so dass orale Nahrung aufgenommen werden kann Die Nahrungsmenge wird langsam gesteigert bis sich eine koordinierte gastrointestinale Peristaltik entwickelt hat

726 Eltern-Kind-Beziehung

Die Geburt ist ein wichtiger Augenblick fuumlr die Entwicklung der Eltern-Kind-Beziehung Die Eltern sehen zum ersten Mal das lange erwartete Kind und auch das gesunde reife Neugeborene ist in der ersten Stunde nach der Geburt wach und aufmerksam Augen- und Hautkontakt zum Neugeborenen sind in dieser Phase der Entwick-lung der Eltern-Kind-Beziehung besonders foumlrderlich Zudem sollte das gesunde reife Neugeborene bereits im Kreiszligsaal an die Brust der Mutter angelegt werden weil dadurch das spaumltere erfolgreiche Stil-len beguumlnstigt wird

Abb 73 Waumlrmebilanz eines unbekleideten reifen Neugeborenen bei Raumtemperatur

713173 middot Untersuchung des Neugeborenen

727 Beurteilung der postnatalen Adaptation (Apgar-Schema)

Zur Beurteilung der postnatalen Adaptation hat sich das von der amerikanischen Anaumlsthesistin Virginia Apgar eingefuumlhrte Apgar-Schema ohne Zweifel bewaumlhrt ( Tab 73) Dr Apgarrsquos primaumlres Ziel war es Neugeborene zu identifizieren die unmittelbar postnatal deprimiert waren und eine unverzuumlgliche Hilfe benoumltigten

gt Der Apgar-Wert wird 1 5 und 10 min nach der Geburt erhoben

Der 1-min-Apgar-Wert dient zur Identifikation der Neugeborenen die sofortiger Hilfe beduumlrfen Fuumlr die neonatale Mortalitaumlt und spaumltere neurologische Morbiditaumlt kommt dem 5-min Apgar-Score eine gewisse prognostische Bedeutung zu

728 Akut lebensbedrohliche Fehlbildungen der Neugeborenenperiode

2ndash3 der Neugeborenen haben angeborene Fehlbildungen die mit bedeutsamer Behinderung einhergehen oder lebensbedrohend sind 3ndash4 der Neugeborenen haben geringfuumlgige Fehlbildungen Durch die praumlnatale Ultraschalldiagnostik koumlnnen zahlreiche angeborene Fehlbildungen bereits vor der Geburt erkannt werden ( Abb 74) Bei intrauteriner Diagnose einer angeborenen Fehlbildung sollten die Eltern von Geburtshelfern Neonatologen und Kinderchirurgen gemeinsam beraten werden und der Geburtsmodus und das post-natale Vorgehen festgelegt werden

73 Untersuchung des Neugeborenen

731 Zeitpunkte der Neugeborenenuntersuchung

4 Bei jedem Neugeborenen werden vorgeschriebene Vorsorge-untersuchungen gemacht

4 die U1 in den ersten 4 Lebensstunden 4 die U2 im Alter von 3ndash10 Tagen 4 die U3 am Ende der Neonatalperiode im Alter von

4ndash6 Wochen

Auszligerdem hat sich eine zusaumltzliche Untersuchung im spaumlteren Ver-lauf des 1 Lebenstages als nuumltzlich erwiesen Jeder Untersuchungs-zeitpunkt hat eigene Untersuchungsschwerpunkte und beinhaltet zusaumltzliche praumlventive Maszlignahmen

732 Durchfuumlhrung der Neugeborenenuntersuchung

AnamneseZuerst sollte die Schwangerschafts- und Geburtsanamnese er-hoben werden 4 Alter der Mutter Anzahl und Ausgang vorausgegangener

Schwangerschaften 4 jetzige Schwangerschaft Dauer Komplikationen oder

Erkrankungen der Mutter in der Schwangerschaft Medi-kamente Blutgruppe der Mutter Schwangerenvorsorge Mutterpass

4 Geburtsmodus Geburtsdauer Risikofaktoren fuumlr eine Amnion infektion (vorzeitiger Blasensprung Fieber bei Ge-burt) Fruchtwasser Nabelarterien-pH

4 Erstversorgung Apgar-Score

Tab 73 Apgar-Schema zur Beurteilung der postnatalen Adaptation

0 Punkte 1 Punkt 2 Punkte

Aussehen Hautfarbe Blass oder zyanotisch Stamm rosig Akrozyanose Ganz rosig

Puls (Herzfrequenz) Keine lt100min gt100min

Gesichtsmimik bei Stimulation Keine Grimassieren Schreien

Aktivitaumlt (Muskeltonus) Schlaff Geringe Extremitaumltenflexion Kraumlftig aktive Bewegung

Respiration (Atmung)Bestimmung nach 12 und 10 min Keine Langsam unregelmaumlszligig Regelmaumlszligig kraumlftig

Abb 74a b Praumlnatale Diagnose eines fetalen Spaltfuszliges mit Hilfe der 3-D-Sonographie (a) klinischer Befund nach der Geburt (b)

a b

Exkurs

Neugeborenenscreening auf Stoffwechselstoumlrungen

Am 5 Lebenstag wird bei allen Neugeborenen ein Screening auf folgende angeborene Stoffwechselstoumlrungen durchgefuumlhrt (7 Kap 51)

4 Hypothyreose (14000 Lebendgeborene) Messung der TSH-Konzentration

4 Phenylketonurie (17000 Lebendgeborene) semiquantitative Bestimmung des Phenylalaninspiegels

4 Galaktosaumlmie (140000 Lebendgeborene) semiquantitative Bestimmung der Uridyltransferaseaktivitaumlt

Kapitel 7 middot Neonatologie132

7

UntersuchungsablaufDie Qualitaumlt einer Neugeborenenuntersuchung haumlngt vom Koumlnnen und der Erfahrung des Untersuchers ab sie erfordert ausreichend Zeit und ein Eingehen auf das Neugeborene und seine Eltern

10 Grundregeln fuumlr die Neugeborenenuntersuchung 4 1 Die Untersuchung soll in einem warmen Raum auf

einer warmen Unterlage erfolgen 4 2 Das Licht soll hell aber nicht grell sein 4 3 Zur Untersuchung soll das Neugeborene vollstaumlndig

entkleidet werden 4 4 Der beste Untersuchungszeitpunkt ist 2ndash3 h nach der

letzten Mahlzeit wenn das Neugeborene wach aber ruhig ist

4 5 Die Eltern sollen bei der Untersuchung anwesend sein 4 6 Das Neugeborene soll immer erst in Ruhe beobachtet

werden bevor Untersuchungen vorgenommen werden 4 7 Immer mit den Untersuchungen beginnen die das

Neugeborene am wenigsten irritieren und belasten 4 8 Bei der Untersuchung soll mit dem Neugeborenen ge-

sprochen werden und nicht nur uumlber das Neugeborene 4 9 Auch harmlose Befunde die aber unerfahrene Eltern

beunruhigen koumlnnen sollen erklaumlrt und demonstriert werden (z B Fuumlhlen der Fontanelle)

4 10 Alle Fragen der Eltern sollen in Ruhe und ausfuumlhrlich beantwortet werden

Der Ablauf der koumlrperlichen Untersuchung soll flexibel dem ein-zelnen Neugeborenen angepasst werden Folgende prinzipielle Vor-gehensweise hat sich bewaumlhrt zuerst wird das Neugeborene be-obachtet ohne es durch raquoAnfassenlaquo zu irritieren Dabei werden Aussehen Spontanatmung Spontanhaltung und Spontanmotorik beurteilt Solange das Neugeborene noch ruhig ist erfolgt danach die Auskultation von Herz und Lunge Die weitere Untersuchung er-folgt vom Kopf zu den Zehen

gt Zur Neugeborenenuntersuchung gehoumlren neben der allgemeinen koumlrperlichen Untersuchung die Bestimmung der somatischen Reifezeichen die Suche nach Geburts-verletzungen und nach Fehlbildungen

Untersuchung der einzelnen KoumlrperregionenIn diesem Abschnitt sind wichtige Untersuchungsinhalte und haumlufi-ge Befunde fuumlr die einzelnen Koumlrperregionen des Neugeborenen aufgefuumlhrt ( Tab 74) Geburtsverletzungen (7 Abschn 753) und Dysmorphiezeichen sind andernorts abgehandelt

Haut Akrozyanose (haumlufig bei kalten Haumlnden Fuumlszligen) zentrale Zyanose (Zunge) Blaumlsse Plethora Oumldeme marmoriertes Haut-kolorit graues Munddreieck Ikterus 4 Storchenbiss (Naevus simplex) angeborene Teleangiektasien

symmetrisch auf Stirn Oberlidern Nase Oberlippe und im Nacken die im Gesicht meist bis zum 3 Lebensjahr verschwin-den im Nacken aber haumlufig persistieren Differenzialdiagnose Naevus flammeus Haumlmangiome

4 Milien zahlreiche punktfoumlrmige weiszlige Papeln auf dem Nasen-ruumlcken und am Kinn durch transiente Keratinzysten Milien verschwinden ohne Therapie

4 Waschfrauenhaumlnde Schuppung und Abschilferung der Haut an Handinnenflaumlchen und Fuszligsohlen bei Uumlbertragung oder Plazentainsuffizienz

4 Neugeborenenexanthem (Erythema toxicum neonatorum) nichtinfektioumlse transiente erythematoumlse Makulae zum Teil mit zentraler gelblicher Papel die meist am Stamm zwischen dem 3 und 7 Lebenstag auftreten ( Abb 75) Im Direktpraumlparat im Wesentlichen eosinophile Granulozyten Differenzialdiag-nose Staphylodermie

4 Transiente neonatale pustuloumlse Melanose Dabei handelt es sich vermutlich um eine selten auftretende Variante des Ery-thema toxicum neonatorum Die Pusteln und Vesikel sind be-reits bei der Geburt vorhanden und nicht von einem erythema-toumlsen Hof umgeben Die abgeheilten Laumlsionen hinterlassen oft hyperpigmentierte Maculae die fuumlr 2ndash3 Monate persistieren koumlnnen ( Abb 76)

Kopf Messung des frontookzipitalen Kopfumfangs (Makrozephalie Mikrozephalie) Groumlszlige und Konsistenz der Fontanellen Schaumldel-naumlhte Die Schaumldelform ist abhaumlngig vom Geburtsmodus nach vagi-naler Entbindung sind haumlufig die Scheitelbeine uumlber die Stirnbeine geschoben

Tab 74 Haumlufige Befunde bei der koumlrperlichen Untersuchung des Neugeborenen

Koumlrperregion Haumlufige Befunde

Haut raquoStorchenbisslaquo Milien Waschfrauenhaumlnde Neugeborenenexanthem

Kopf Geburtsgeschwulst Kephalhaumlmatom

Augen Subkonjunktivale Einblutung Konjunktivitis

Mund Retentionszysten (Epstein-Perlen)

Hals Haumlmatom des M sternocleidomastoideus

Thorax Klavikulafraktur Brustdruumlsenschwellungen

Nabel Naumlssender Nabel Nabelgranulom

Weibliches Genitale Vaginalsekretion Hymenalpolyp

Maumlnnliches Genitale

Physiologische Phimose unvollstaumlndiger Descensus testis

Extremitaumlten Huumlftdysplasie Polydaktylie 4-Fingerfurche Sichelfuszlighaltung

Wirbelsaumlule Lumbosakrales Hautgruumlbchen

Abb 75 Neugeborenenexanthem

713373 middot Untersuchung des Neugeborenen

4 Geburtsgeschwulst oumldematoumls-teigige Kopfhautschwellung meist parietookzipital verschwindet in den ersten Lebens-tagen

4 Kephalhaumlmatom prallelastische Schwellung die durch die Schaumldelnaumlhte begrenzt wird nach subperiostaler Einblutung haumlufig parietookzipital kann uumlber Monate persistieren und am Rand verknoumlchern die raquoVerknoumlcherunglaquo loumlst sich in der Regel bis zum Ende des 1 Lebensjahres wieder auf

Augen Roter Pupillenreflex Konjunktivitis Kolobom Stellung der Lidachsen Kongenitale Katarakt bei direktem Lichteinfall Leuko-korie (weiszliglicher Pupillenreflex) bei seitlichem Lichteinfall raquoPupil-lentruumlbunglaquo Normal sind symmetrische Stellung und koordinierte Bewegungen Bei ploumltzlichem hellen Licht schlieszligt das Neugeborene geblendet die Augen 4 Subkonjunktivale Einblutungen entstehen durch den Press-

druck unter der Geburt harmlos 4 Konjunktivitis meist nichtinfektioumls durch chemische oder

physikalische Irritation Differenzialdiagnose infektioumlse Konjunktivitis (Chlamydien)

gt Das Neugeborene oumlffnet oft spontan die Augen wenn es aufrecht gehalten wird

Mund Physiologische Retrogenie auf Spaltbildungen in Lippen Kiefer hartem und weichem Gaumen achten Mikrogenie Retroge-nie Glossophthose Pierre-Robin-Sequenz raquoneonatalelaquo Zaumlhne 4 Retentionszysten (Epstein-Perlen) weiszligliche Knoumltchen laumlngs

der Mittellinie am Gaumen oder den Zahnleisten 4 Bednarrsquosche Aphthen ulzerative Laumlsionen am Gaumenbogen

aumltiologisch unklare in den ersten Lebenstagen auftretende zT eindrucksvolle ulzerative Laumlsionen transient keine Therapie

Hals Schiefhals Struma Halszysten 4 Sternocleidomastoideushaumlmatom kirschgroszlige harte

schmerzlose Verdickung im Muskel nach geburtstraumatisch bedingter Einblutung Die nachfolgende Vernarbung kann zum Schiefhals fuumlhren mit Neigung des Kopfes zur kranken und Drehung des Kopfes zur gesunden Seite Physiotherapie

Thorax Brustkorb fast kreisrund Rippen weich 4 Brustdruumlsenschwellung treten zwischen dem 3 und 7 Lebens-

tag meist beidseits bei maumlnnlichen und weiblichen Neugebore-nen auf Roumltung und Uumlberwaumlrmung ist moumlglich es kann sogar

zu einer kolostrumaumlhnlichen Sekretion kommen (raquoHexen-milchlaquo) Ursache sind diaplazentar uumlbergetretene muumltterliche Hormone ( Abb 77) Differenzialdiagnose eitrige Mastitis

4 Klavikulafraktur Schmerzempfindung im Bereich der betrof-fenen Schulterregion Schonung des Arms auf der betroffenen Seite nach einer Woche tastbarer Kugelkallus

Herz und Kreislauf Zyanose Blaumlsse Oumldeme Lage des Herzspitzen-stoszliges periphere Pulse an oberer und unterer Extremitaumlt Herz-frequenz und Herzrhythmus Blutdruck Herztoumlne Herzgeraumlusch ( Tab 75) Systolische Herzgeraumlusche in den ersten Lebenstagen sind haumlufig funktionell oder durch einen noch nicht komplett ver-schlossenen Ductus arteriosus verursacht und verschwinden haumlufig nach einigen Tagen Nur 8 der Neugeborenen mit einem Herz-geraumlusch haben ein Vitium cordis

CaveFehlende Pulse an der unteren Extremitaumlt sind pathognomonisch fuumlr eine Aortenisthmusstenose

Lunge Die Atemfrequenz liegt in Ruhe zwischen 22ndash40min Bauchatmung und pueriles Atemgeraumlusch mit houmlrbarem Exspiri-um sind beim Neugeborenen physiologisch Dyspnoezeichen sind Nasenfluumlgeln (Erweiterung der Nasenloumlcher bei der Einatmung) Einziehungen (interkostal subkostal jugulaumlr) Stridor und exspira-torisches Stoumlhnen

Abb 76 Transitorische neonatale pustuloumlse Melanose die bereits bei der Geburt des Neugeborenen nachweisbar war

Abb 77 Brustdruumlsenschwellungen und kolostrumaumlhnliche Sekretion (raquoHexenmilchlaquo) bei einem Neugeborenen

Tab 75 Wichtige Normalwerte bei reifen Neugeborenen

Koumlrpergewicht [g] 3500 (3000ndash4300)

Laumlnge [cm] 50 (46ndash58)

Frontookzipitaler Kopfumfang [cm] 34 (325ndash365)

Herzfrequenz [min] 125 (70ndash190)

Atemfrequenz [min] 30 (22ndash40)

Systolischer Blutdruck [mmHg] 60 (50ndash70)

Diastolischer Blutdruck [mmHg] 35 (28ndash45)

50 Perzentile (10ndash90 Perzentile)

Kapitel 7 middot Neonatologie134

7

Abdomen Das Abdomen des Neugeborenen ist ausladend da die Bauchwandmuskulatur schwach ausgepraumlgt ist haumlufig besteht eine Rektusdiastase Lebergroumlszlige (normal bis 2 cm unter dem Rippen-bogen) Milzgroumlszlige Lage und Aussehen der Analoumlffnung Abdomen-distension und Abwehrspannung sollten untersucht werden 4 Zystische abdominelle Tumoren Hydronephrose multizys-

tisch-dysplastische Nieren Nebennierenblutung Hydrometro-kolpos Darmduplikaturen Choledochuszyste Ovarialzyste

4 Solide abdominelle Tumoren Neuroblastom Wilms-Tumor Teratom Nierenvenenthrombose Pylorushypertrophie

Nabel Sekretion Roumltung Hernie Normalerweise trocknet die Nabelschnur bis zum 6ndash10 Lebenstag ein und faumlllt dann ab

4 Naumlssender Nabel nach Abfallen des Nabelstumpfes auftretende geringe seroumlse Sekretion aus dem Nabel ohne Roumltung Falls 2 Wochen nach dem Abfallen der Nabelschnur der Nabel weiter sezerniert kommen folgende Differenzialdiagnosen in Frage

4 Nabelgranulom am Nabelgrund mit seroumls-blutiger Sekretion 4 Ductus omphaloentericus (zwischen Nabel und Darm) oder

Urachusfistel (zwischen Nabel und Blase) 4 Omphalitis Roumltung und Schwellung des Nabelrings mit

eitriger Sekretion

gt Der Nabel soll nicht mit Puder oder Nabelbinde versorgt sondern unverbunden und trocken belassen werden

Maumlnnliches Genitale Hydrozele Hypospadie Hoden tastbar im Skrotum oder im Leistenkanal Hodengroumlszlige 4 Phimose ist beim Neugeborenen physiologisch

Weibliches Genitale Klitorisgroumlszlige Vaginalsekretion ( Abb 78) 4 Hymenalpolyp Zipfel des hypertrophierten Hymens der aus

der Scheide ragt ndash Normvariante 4 Vaginalsekretion weiszligliches manchmal leicht blutiges Sekret

bei Abstoszligung des durch muumltterliche Hormone proliferierten Endometriums

Extremitaumlten Beweglichkeit Schonhaltung Beinlaumlngendifferenz Huumlftdysplasie 4 Kongenitale Huumlftdysplasie Bei kongenitaler Huumlftdysplasie

sind klinische Zeichen wie Abspreizhemmung der Oberschen-

kel Faltenasymmetrie oder Beinlaumlngendifferenz nicht zuverlaumls-sig Der Ortolani-Test (Ausrenken und Wiedereinrenken der dysplastischen Huumlfte) wird heute nicht mehr empfohlen Bei klinischer Untersuchung auf Instabilitaumlt der Huumlften achten

gt Die adaumlquate Diagnostik zum Ausschluss einer Huumlft-dysplasie ist heute die Ultraschalluntersuchung der Huumlfte

4 Polydaktylie uumlberzaumlhlige haumlufig rudimentaumlre Finger oder Zehen

4 Vierfingerfurche einzelne die gesamte Plantarflaumlche durch-ziehende Furche Kommt bei 5 der Normalbevoumllkerung vor kann jedoch ein unspezifisches Hinweiszeichen auf eine Chromosomenstoumlrung z B Trisomie 21 sein

4 Sichelfuszlighaltung (Pes adductus et supinatus) Supinations-stellung des Vorfuszliges bedingt durch intrauterine Haltung Durch Stimulation der Fuszligauszligenkante vom Neugeborenen aktiv ausgleichbar Differenzialdiagnose Klumpfuszlig

Wirbelsaumlule Achten auf Hinweiszeichen fuumlr eine Spina bifida occulta wie lumbosakral gelegenes Hautgruumlbchen Haarbuumlschel subkutanes Lipom oder Dermalsinus (epithelialisierter Ver-bindungsgang zwischen aumluszligerer Haut und Neuralrohr)

CaveraquoTethered cordlaquo evtl spinale Sonographie

733 Neurologische Neugeborenenuntersuchung

Die Untersuchungsergebnisse der neurologischen Neugeborenen-untersuchung haumlngen sehr vom Verhaltenszustand des Neugebore-nen ab (ruhiger Schlaf ruhiges Wachsein aktives Wachsein Schrei-en) Der Verhaltenszustand muss also dokumentiert und in die Be-urteilung einbezogen werden Die besten Ausgangsbedingungen fuumlr die neurologische Untersuchung sind ruhiges und aktives Wachsein

Die neurologische Untersuchung am 1 Lebenstag hat eher orientierenden Charakter wesentlich aussagekraumlftiger ist die Unter-suchung am 3 Lebenstag Bei der neurologischen Untersuchung des Neugeborenen werden folgende Funktionen beurteilt

Spontanverhalten und Spontanmotorik Das gesunde Neugebore-ne zeigt im Wachzustand eine lebhafte Spontanmotorik mit seiten-gleichem alternierendem Strampeln der Beine und alternierendem Rudern mit den Armen Auffaumlllig sind Apathie oder Hyperexzitabi-litaumlt Das gesunde Neugeborene saugt kraumlftig und trinkt ohne sich zu verschlucken

Muskeltonus Das gesunde Neugeborene haumllt Arme und Beine ge-beugt am Koumlrper Beim Hochziehen des Oberkoumlrpers an den Armen bleiben die Arme leicht gebeugt und der Kopf wird ndash zumindest anfangs ndash mitgenommen Das gesunde Neugeborene kann aus der Bauchlage heraus kurz den Kopf heben

Neugeborenenreflexmuster (Auswahl) 4 Suchreflex Beim Beruumlhren der Wangen wendet sich das Neu-

geborene suchend in Richtung der Beruumlhrung und oumlffnet den Mund

4 Saugreflex Das Neugeborene saugt kraumlftig am Finger 4 Greifreflexe an Haumlnden und Fuumlszligen Das Neugeborene

umfasst den in seine Handinnenflaumlche gelegten Finger des Unter suchers

Abb 78 Vaginalsekretion weiszligliches gelegentlich leicht blutiges Sekret das nach Abstoszligung des durch muumltterlichen Hormoneinfluss pro-liferierten Endometriums auftritt

713574 middot Reanimation Fruumlh- und Neugeborener

4 Arm-Recoil Wenn die Arme des Neugeborenen gestreckt und dann ploumltzlich losgelassen werden federn die Unterarme in den Beugezustand zuruumlck

4 Moro-Reaktion Durch kurzes Zuruumlckfallenlassen des kindlichen Kopfes kommt es zu einer raschen ausfahrenden Bewegung mit Streckung der Arme und Spreizen der Finger ( Abb 79) gefolgt von einem langsameren Zuruumlckholen der Arme an den Rumpf

4 Stuumltzreaktion Das Aufsetzen des Kindes mit beiden Beinen auf eine Unterlage fuumlhrt zu einer kurzen tonischen Streckung des gesamten Koumlrpers

4 Reflexschreiten Ausloumlsen von Schreitbewegungen durch alter-nierendes Aufsetzen der Fuumlszlige auf die Unterlage

4 Asymmetrisch-tonischer Nackenreflex Die Seitwaumlrtsdrehung des Kopfes fuumlhrt zur Streckung des Armes und Beines auf der Gesichtsseite und zur Beugung des Armes und Beines auf der Gegenseite (raquoFechterstellunglaquo Abb 710)

CaveBei der Beurteilung der Seitengleichheit von Bewegungen bei Neugeborenen darf der Kopf nicht zur Seite gedreht sein da sonst durch den asymmetrisch-tonischen Nacken-reflex eine Seitendifferenz vorgetaumluscht wird

734 Bestimmung der somatischen Reifezeichen

Zur klinischen Schaumltzung des Gestationsalters werden somatische und neurologische Merkmale herangezogen Ein gut validiertes Untersuchungsschema zur Schaumltzung des Gestationsalters ist

der Ballard-Score Die klinische Reifealterbestimmung ist auf plusmn15 Wochen genau In Tab 76 sind somatische Reifezeichen eines Fruumlhgeborenen und eines reifen Neugeborenen gegenuumlber-gestellt

74 Reanimation Fruumlh- und Neugeborener

741 Voraussetzungen zur Reanimation

Voraussetzungen zur Durchfuumlhrung Die meisten Neugeborenen durchlaufen eine unproblematische kardiorespiratorische Adapta-tion bei ca 10 der Kinder koumlnnen allerdings mehr oder weniger intensive Reanimationsmaszlignahmen erforderlich sein Ungefaumlhr 23 dieser Patienten lassen sich aufgrund definierter Risiken bereits vor der Geburt identifizieren bei 13 der Neugeborenen tritt die Reani-mationssituation voumlllig unerwartet auf Diese Tatsache unterstreicht die Notwendigkeit dass die essenziellen Wiederbelebungsmaszlignah-men zu jeder Zeit differenziert und kompetent durch ein geschultes neonatologisches Reanimationsteam durchgefuumlhrt werden koumlnnen Weitere Voraussetzungen sind eine optimale Information uumlber maternale und fetale Risiken sowie eine gezielte Vorbereitung auf die spezielle Reanimationssituation

Sind die personellen und apparativen Moumlglichkeiten in einer Geburtsklinik nicht vorhanden um ein Fruumlhgeborenes oder Risiko-neugeborenes optimal zu versorgen so muss die Mutter ndash wenn immer medizinisch vertretbar ndash in ein Perinatalzentrum verlegt werden Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses der Krankenkassen

Der antenatale Transport von Schwangeren und damit von Risiko-fruumlh- und Neugeborenen in ein Perinatalzentrum Level 1 ist bei folgenden Situationen obligat 4 Fruumlhgeborene mit einem Gestationsalter lt290 Wochen

( geschaumltztes Gewicht lt1250 g) 4 Houmlhergradige Mehrlinge (gt2) lt33 Gestationswochen

Abb 79 Moro-Reflex (I) durch kurzes Zuruumlckfallenlassen des Kopfes ploumltzliche Extension und Abduktion der oberen Extremitaumlt sowie Spreizung der Finger

Abb 710 Asymmetrisch tonischer Nackenreflex (Fechterstellung)

Tab 76 Somatische Reifezeichen eines Fruumlhgeborenen und eines reifen Neugeborenen

Fruumlhgeborenes (28 Wochen)

Reifgeborenes (40 Wochen)

Hauttextur Oumldematoumls glaumlnzend transparent

Einzelne Venen sichtbar

Hautfarbe Rot Rosig

Lanugohaare Flaumlchig vorhanden Fehlen

Sohlenfaumlltelung Nur vereinzelt Uumlber ganzer Sohle

Brustwarze Roter Punkt uumlber 1 cm erhaben

Ohrmuschelrand Weich formlos Fest elastisch

Hoden Im Inguinalkanal Im Skrotum

Skrotum Klein wenig Falten Groszlig viele Falten

Groszlige Labien Klaffend Bedecken kleine Labien

Spontanhaltung Extremitaumlten gestreckt

Extremitaumlten gebeugt

Kapitel 7 middot Neonatologie136

7

4 Alle praumlnatal diagnostizierten Erkrankungen bei denen nach der Geburt eine unmittelbare Notfallversorgung erforderlich ist Dies betrifft Erkrankungen der Mutter mit fetaler Gefaumlhr-dung sowie angeborene Fehlbildungen

Postnatale Beurteilung Fuumlr die postnatale Beurteilung reifer Neugeborener hat sich das Apgar-Schema bewaumlhrt Fruumlhgeborene lassen sich aufgrund des vom Gestationsalter abhaumlngigen Muskel-tonus und der Reflexerregbarkeit allerdings nicht adaumlquat beurtei-len Eine allzu schematische Erfassung der einzelnen Apgar-Krite-rien bei der Erstversorgung eines deprimierten reifen Neugebore-nen birgt daruumlber hinaus die Gefahr dass die Wiederbelebungs-maszlignahmen nur verzoumlgert einsetzen Die Bestimmung des Saumlure-Basen-Status ist als ein fester Bestandteil und eine wesent-liche Ergaumlnzung der kindlichen Zustandsbeurteilung anzusehen Diese nur mit einer zeitlichen Latenz verfuumlgbare Diagnostik ist jedoch fuumlr die initialen therapeutischen Entscheidungen in der Regel nicht relevant

742 Maszlignahmen der Neugeborenenreanimation

Drei klinische Kriterien ndash naumlmlich Hautfarbe Atmung und Herzfre-quenz ndash geben ausreichende Informationen um das akute Vorgehen zu planen und die Maszlignahmen die in 3 Stufen erfolgen sollten weder zu spaumlt noch zu voreilig durchzufuumlhren ( Abb 711)

Stufe 1 BasismaszlignahmenDie einfachen Basismaszlignahmen der Reanimation beinhalten Ab-trocknen Stimulation und Absaugen des Neugeborenen Waumlhrend dieser Maszlignahmen ist eine schnelle Beurteilung zum Ausschluss von schweren Fehlbildungen erforderlich

Nach dem Abtrocknen wird das Neugeborene in angewaumlrmte trockene Tuumlcher gehuumlllt Die Erstversorgung erfolgt unter einem Heizstrahler Zugluft im Raum ist zu vermeiden Bei sehr kleinen Fruumlhgeborenen und extrem hypotrophen Neugeborenen ist ein zu-saumltzlicher Waumlrmeschutz durch verschiedenste Folien (u a Plastik-folien) oder Warmluftdecken erforderlich Durch die taktile Stimu-lation u a von Ruumlcken und Fuszligsohlen wird die kindliche Atmung stimuliert Die Mehrzahl der Neugeborenen beginnt innerhalb von 10 s nach der Geburt spontan zu atmen allerdings ist damit zu rech-nen dass ca 10 der Neugeborenen nach 1 Lebensminute noch keine regelmaumlszligige Atemtaumltigkeit aufweisen Bei entsprechender In-dikation wie Verlegung der Atemwege durch Fruchtwasser Blut oder Mekonium erfolgt das Absaugen zuerst des Oropharynx und dann der Nasenwege des Neugeborenen mit einem ausreichend groszliglumigen Katheter (Ch 8ndash10)

CaveMund vor Nase Es besteht eine erhoumlhte Aspirationsgefahr durch die Stimulation der kindlichen Eigenatmung nach nasalem Absaugen

Weiterhin ist unbedingt darauf zu achten dass beim Absaugen keine Bradykardien auftreten (Vagusstimulation) Der Sog am Absaugge-raumlt ist in der Regel auf 200 mbar zu begrenzen um Verletzungen der Schleimhaut zu vermeiden Ein routinemaumlszligiges Absaugen aller Neu-geborenen ist nicht indiziert

Stufe 2 Zusatzmaszlignahmen bei insuffizienter SpontanatmungFuumlhren die beschriebenen Basismaszlignahmen nicht zum Einsetzen der Spontanatmung so sind zur Vermeidung von Bradykardie und Hypoxie weitere Schritte erforderlich

Blaumlhmanoumlver und Beutel-Masken-Beatmung Neugeborene mit fehlender Eigenatmung werden nach 30 s mit einer Beutel-Masken-Beatmung und inspiratorischem Druckplateau behandelt Dieses raquoBlaumlhmanoumlverlaquo besteht aus max 3 Beatmungshuumlben mit einem ho-hen inspiratorischen Beatmungsdruck (ca 20ndash35 cmH2O) und einer langen Inspirationszeit (ca 3ndash5 s) Diese manuelle Maskenbeatmung wurde in vielen neonatologischen Zentren durch ein manometer-kontrolliertes Blaumlhmanoumlver ersetzt Ziel dieser Beatmungsstrategie ist die intraalveolaumlre Lungenfluumlssigkeit in das pulmonale Lymph- und Gefaumlszligsystem zu pressen und somit ndash in Analogie zur Atemtech-nik Neugeborener ndash eine funktionelle Residualkapazitaumlt herzu-stellen Diese Maszlignahme sollte unter Auskultationskontrolle erfol-gen und in eine assistierte den Beduumlrfnissen des Neugeborenen angepasste Beatmung uumlbergehen Runde Silikonmasken eignen sich fuumlr die Maskenbeatmung am besten sie erlauben eine optimale Ab-dichtung

Diese Beatmungsform ist nicht auf sehr unreife Fruumlhgeborene zu uumlbertragen Wie juumlngere Untersuchungen zeigen kann ein inadaumlqua-tes Baro- und Volutrauma im Rahmen der Reanimation gravierende akute und chronische Lungenschaumlden der unreifen Lungenstruktur induzieren die u a durch eine erhoumlhte alveolaumlr-kapillaumlre Leakage charakterisiert sind und moumlglicherweise die pathogenetische Sequenz der pulmonalen Inflammationsreaktion induzieren oder aggravieren Vor dem Hintergrund dieser Beobachtung ist eine dem Fruumlhgeborenen individuell angemessene Beatmungsform zu waumlhlen die das Risiko der mechanischen Traumatisierung so gering wie moumlglich haumllt Juumlngste Untersuchungen belegen dass durch eine un-mittelbar nach der Geburt erfolgte Anlage eines binasalen CPAP-Sys-tems (CPAP = continuous positive airway pressure = kontinuierlicher positiver Atemwegsdruck) eine betraumlchtliche Anzahl sehr unreifer Fruumlhgeborener bereits im Kreiszligsaal stabilisiert werden koumlnnen

Abb 711 3-Stufenmodell der Neugeborenenreanimation

713774 middot Reanimation Fruumlh- und Neugeborener

CaveEine inkorrekte Kopfhaltung oder fehlerhafte Masken-positionierung kann die Atemtaumltigkeit des Fruumlh- und Neu-geborenen empfindlich beeintraumlchtigen (raquoErstickung un-ter der Maskelaquo) Ebenso kann ein inadaumlquates Baro- und Volutrauma im Rahmen einer forcierten Maskenbeatmung zu einer Schaumldigung der Alveolen fuumlhren

Die Indikation fuumlr eine Beutel-Masken-Beatmung reifer Neugebo-rener ist eine fehlende Spontanatmung nach ca 30 s Bei sehr kleinen Fruumlhgeborenen die postnatal nicht schreien sollte sofort mit einer adaumlquaten Beutel-Masken-Beatmung begonnen werden um eine hypoxisch bedingte Bradykardie und somit das Risiko von Fluktua-tionen des zerebralen Blutflusses zu vermeiden (Cave Hirnblutung)

Eine primaumlre Maskenbeatmung sollte bei folgenden Erkrankun-gen des Neugeborenen gaumlnzlich vermieden werden 4 Mekonium- und Blutaspiration 4 Zwerchfellhernie 4 schwerste postnatale Asphyxie

Sauerstoffzufuhr Eine Stabilisierung oder Reanimation erfolgt pri-maumlr mit Raumluft Nur bei unzureichender Oxygenierung wird dem Neugeborenen und unreifen Fruumlhgeborenen unter kontinuierlicher pulsoxymetrischer Uumlberwachung Sauerstoff angeboten Auf Grund der aktuellen Datenlage empfehlen die meisten internationalen Fach-gesellschaften eine primaumlre Reanimation mit Raumluft (21 O2)

Wenn man bedenkt dass der Sauerstoffpartialdruck im fetalen Blut ca 25 mmHg betraumlgt kann eine zu rasche postnatale Hyperoxy-genierung des depremierten Neugeborenen durchaus problematisch sein Dieser Aspekt gilt besonders fuumlr Hochrisikofruumlhgeborene die nicht nur einen Mangel an protektiven Antioxidanzien in allen Ge-weben aufweisen sondern auch ernstzunehmende Spuren einer Ge-websschaumldigung durch Sauerstoffradikale aufweisen In dieser Hochrisikogruppe sollte eine Sauerstofftherapie nur unter Messung der Sauerstoffsaumlttigung erfolgen und auf jeden Fall eine Hyperoxy-genierung bereits waumlhrend der Stabilisierungsphase vermieden wer-den (cave Retinopathia praematurorum)

Intubation Bleibt ein Neugeborenes trotz Beutel-Masken-Beatmung apnoisch oder bradykard so wird das Kind umgehend endotracheal intubiert Fuumlr die Gruppe sehr kleiner Fruumlhgeborener ist inzwischen eindeutig belegt dass die Vermeidung von einer postnatalen Hypoxie zu einer Reduktion der Sterblichkeit und der Inzidenz des Atemnot-syndroms beitraumlgt Dennoch ist von einer generellen Intubation dieser besonderen Patientengruppe abzuraten da gerade bei sehr vitalen Fruumlhgeborenen unter der Intubation transitorische hypoxaumlmische Phasen und Alterationen der zerebralen Zirkulation nicht auszuschlie-szligen sind Es empfiehlt sich die Intubation selektiv durchzufuumlhren In Abhaumlngigkeit vom Schweregrad der Atemnotsymptomatik sollte das Fruumlhgeborene innerhalb von Minuten intubiert oder aber mit einem binasalen CPAP-System versorgt werden (CPAP raquocontinous positive airway pressurelaquo kontinuierlicher positiver Atemwegsdruck)

Waumlhrend der Intubation muss eine kontinuierliche Uumlberwa-chung der kindlichen Herzfrequenz und O2-Saumlttigung (Pulsoxime-ter) erfolgen Bei einer Bradykardie ist der Intubationsversuch un-verzuumlglich abzubrechen und das Kind mit erneuter Beutel-Masken-Beatmung und adaumlquater O2-Zufuhr zu stabilisieren (Cave Hyper-oxie) Die haumlufigsten Komplikationen im Verlauf der Intubation sind die Fehlpositionen des Tubus in den Oumlsophagus und eine ein-seitige selektive Intubation des rechten Hauptbronchus durch ent-sprechende Korrektur der Tubuslage sind diese Situationen leicht zu beheben Ernsthafte Komplikationen stellen die Perforation des

Oumlsophagus und Hypopharynx dar tracheale Perforationen wurden durch Fuumlhrungsstaumlbe von Endotrachealtuben beobachtet Magen-rupturen wurden nach Reanimation Neugeborener mit tracheooumlso-phagealer Fistel beschrieben Subglottische Stenosen koumlnnen sich als chronische Komplikationen eines Intubationsschadens ausbilden

Naloxon Neugeborene deren Muumltter unter der Geburt Opiate er-halten haben fallen haumlufig durch einen fehlenden Atemantrieb nach der Geburt auf Durch die intravenoumlse Gabe des Opiatantagonisten Naloxon (z B Narcanti neonatal) kann die atemdepressive Wirkung diaplazentar uumlbergetretener Morphinderivate aufgehoben werden (Dosierung 001 mgkg KG) Da die Opiatanalgetika eine laumlngere Halbwertszeit als Naloxon haben muss mit symptomatischen Re-boundeffekten beim Kind gerechnet werden sie machen wieder-holte Gaben von Naloxon erforderlich

CaveKinder heroinabhaumlngiger Muumltter duumlrfen kein Naloxon erhalten da schwerste akute Entzugserscheinungen aus-geloumlst werden koumlnnen

Stufe 3 Zusatzmaszlignahmen bei insuffizienter KreislauffunktionDa Bradykardien bei Neugeborenen in der Regel durch eine Hypoxie bedingt sind lassen sich die meisten Kreislaufprobleme durch eine suffiziente Oxygenierung beheben Besteht die Bradykardie trotz ausreichender Lungenbeluumlftung fort so sind weitere Maszlignahmen wie extrathorakale Herzmassage Adrenalingabe Volumensubstitu-tion und Azidosekorrektur angezeigt

Herzmassage Eine externe Herzmassage sollte bei allen Neugebo-renen durchgefuumlhrt werden bei denen die Herzfrequenz lt60 Schlauml-genmin liegt und die nach Beginn der adaumlquaten Ventilation nicht mit einem Anstieg der Herzfrequenz reagieren Bei einer der moumlgli-chen Techniken wird der Thorax des Kindes von beiden Seiten um-fasst und am unteren Teil des Sternums um 1ndash2 cm mit einer Fre-quenz von 100min komprimiert ( Abb 712) Diese Art der Herz-

Abb 712 Reanimation eines Neugeborenen mit Beutel-Masken-Beat-mung und extrathorakaler Herzmassage

Kapitel 7 middot Neonatologie138

7

massage stellt die effektivste Maszlignahme zur Aufrechterhaltung der Kreislauffunktion dar sie setzt aber voraus dass 2 in der Reanima-tion Neugeborener erfahrene Personen die kardiozirkulatorische und respiratorische Reanimation durchfuumlhren Eine Einzelperson ist gezwungen durch Sternumkompression mittels 2 Fingern eine wirksame Herzmassage und gleichzeitig eine effiziente Beatmung zu gewaumlhrleisten

gt Momentan wird ein Verhaumlltnis von 3 Herzkompressionen zu 1 Beatmung empfohlen

Trotz wirksamer Herzmassage muss die Ursache der Bradykardie rasch erkannt und wenn moumlglich kausal behandelt werden

Adrenalin Bleibt der unter externer Herzmassage erwartete Anstieg der Herzfrequenz aus so sollte unverzuumlglich Adrenalin uumlber die ka-theterisierte Nabelvene oder eine periphere Vene (001ndash003 mgkg KG) appliziert werden Ist kein Gefaumlszligzugang moumlglich so sollte Adrenalin (01ndash03 mlkg KG in einer Verduumlnnung von 110000) uumlber den endotrachealen Tubus oder intraossaumlr verabreicht werden Trotz einer geringen Lungendurchblutung kann diese Maszlignahme zu einem raschen Anstieg der Herzfrequenz oder sogar einem erstma-ligen Nachweis der Herzaktion fuumlhren

CaveIntrakardiale Injektionen sind obsolet

Natriumbikarbonat Die Indikation fuumlr die Gabe von Natriumbi-karbonat ist nur bei schwerer protrahierter metabolischer Azidose z B nach intrauteriner Hypoxie und nach laumlnger dauernden Reani-mationsmaszlignahmen insbesondere bei schlechtem Ansprechen auf Adrenalin indiziert Die Gabe von Natriumbikarbonat erfolgt intra-venoumls in einer mindestens 11 verduumlnnten Loumlsung (Aqua destillata) und uumlber einen laumlngeren Zeitraum ndash uumlber 15 Minuten bei Neugebo-renen und uumlber laumlngere Zeit bei Fruumlhgeborenen ndash (Initialdosis 1ndash3 mval NaHCO3kg KG) Da Natriumbikarbonat 84 hyper-osmolar ist besteht die Gefahr dass Fruumlhgeborene im Rahmen der Serumosmolalitaumltspitzen und -schwankungen eine Hirnblutung entwickeln Eine Bikarbonatbehandlung verbietet sich bei einer aus-gepraumlgten respiratorischen Azidose

Volumengabe Bei anamnestischem und klinischem Verdacht auf einen akuten kindlichen Blutverlust sollte unverzuumlglich Volumen zugefuumlhrt werden Fuumlr eine initiale Volumensubstitution bietet sich physiologische Kochsalzloumlsung (10ndash15 mlkg KG) an Als effektivs-te Maszlignahme ist unter kritischer Indikationsstellung die Gabe von 0 Rh negativem lysinfreiem Erythrozytenkonzentrat (10ndash20 mlkg KG) anzusehen Eine entsprechende Notfallkonserve die ohne Kreuzprobe transfundiert werden kann sollte heute fuumlr Risikositu-ationen unmittelbar nach der Geburt verfuumlgbar sein bei haumlmorrha-

gischem Schock ist die Transfusion bis zu einer Stabilisierung des kindlichen Zustandes fortzufuumlhren

Schritte der Reanimation von Neugeborenen 4 Adaumlquate Waumlrmezufuhr Abtrocknen und Zudecken des

Neugeborenen 4 Luftwege freimachen (Mund vor Nase gezielt absaugen) 4 Auskultation (Stethoskop) 4 Anlage eines Pulsoximeters 4 Beutel-Masken-Beatmung mit 21 O2 initiale raquoBlaumlh-

maneuverlaquo (3ndash5 s) danach assistierte Beatmung (Beat-mungsfrequenz 40ndash60min) Bei unzureichender Oxige-nierung zusaumltzlich Sauerstoffzufuhr unter kontinuierli-cher pulsoximetrischer Uumlberwachung

4 Bei Apnoe undoder Bradykardie (Herzfrequenz 60ndash80min unter Beutel-Masken-Beatmung)

ndash Endotracheale Intubation (Tubus 30ndash35 mm) ndash Herzmassage (Beatmungsfrequenz Herzmassage [ 13]) ndash Bei Bedarf Suprarenin 001ndash003 mgkgKG iv bei

fehlendem iv-Zugang evtl Suprarenin 001 mgkg KG ndash 01 mlkg KG der Verduumlnnung 110000 uumlber Endotrache-altubus

ndash Evtl Natriumbikarbonat 84 (11 mit Aqua dest verduumlnnt) 1ndash3 mmolkgKG sehr langsam i v (per infusionem)

ndash Evtl Nabelvenenkatheter Volumenzufuhr 09 NaCl5 Glukose Blut 10ndash20 mlkgKG

ndash Besonderheiten der Reanimation Fruumlhgeborener 7 Text

75 Perinatale Schaumlden und ihre Folgen

751 Asphyxie

kDefinitionEine perinatale Asphyxie stellt einen bedrohlichen Insult fuumlr den Fetus oder das Neugeborene dar der durch eine Hypoxie undoder Ischaumlmie vor unter oder nach der Geburt ausgeloumlst wird Sauerstoff-mangel undoder Ischaumlmie lebenswichtiger Organe sind mit einer mehr oder minder ausgepraumlgten Azidose assoziiert und fuumlhren zu einer stark gestoumlrten postnatalen respiratorischen und kardiozirku-latorischen Adaption

kPathophysiologieDie Risikofaktoren fuumlr die Entwicklung einer perinatalen Asphyxie sind in Tab 77 dargestellt Folgende fetale Warnzeichen weisen auf einen praumlnatalen Sauerstoffmangel hin

Exkurs

Die Geburt Goethes

Die Geburt des Kindes war schwer Sie dauerte 3 Tage So gut wie leblos kam Goethe zur Welt raquoganz schwarzlaquo wie die Mutter spaumlter er-zaumlhlte Ein Arzt war nicht zugegen nur eine Hebamme die sich ungeschickt angestellt haben soll und die Groszligmutter Sie stand hinter den Vorhaumlngen des Bettes das mit blau-gewuumlrfelten Gardinen zugezogen werden

konnte Man schuumlttelte das Kind rieb ihm die Herzgrube mit Wein raquoRaumltin er lebtlaquo rief die alte Frau als das Kind die Augen aufschlug sehr groszlige dunkelbraune fast schwarze Augenlaquo (aus Richard Friedenthal Goethe Sein Leben und seine Zeit Piper 1963)Trotz der vom Autor eindruumlcklich geschilder-ten Zyanose haben taktile Maszlignahmen bei

Goethe zur Initiierung des ersten Atemzuges gefuumlhrt Dieses weist darauf hin dass sich das Neugeborene in einer respiratorischen De-pression befunden hat und keinen Sauerstoff-mangel lebenswichtiger Organe d h keine schwere Asphyxie erfahren hat

713975 middot Perinatale Schaumlden und ihre Folgen

4 Herztondezelerationen (Norm 120ndash160 Schlaumlgemin) 4 pathologisches Herzfrequenzmuster im Kardiotokogramm

Verlust der raquoBeat-to-beat-Variationlaquo spaumlte Dezelerationen (d h fetale Bradykardie die uumlber die Uteruskontraktion hinaus anhaumllt) silentes CTG selten auch fetale Tachykardie

4 gruumlnlich verfaumlrbtes Fruchtwasser (vorzeitige Darmentleerung des Fetus Mekoniumabgang)

4 Laktazidose pH lt72 (kapillaumlre Mikroblutanalyse aus kind-licher Kopfhaut)

Eine chronische intrauterine Hypoxie geht oft mit einer fetalen Hy-pomotorik sowie einem Oligohydramnion aufgrund einer kompro-mittierten Nierenperfusion einher

Bei einer postnatalen HypoxieIschaumlmie faumlllt das Neugeborene unmittelbar nach der Geburt durch eine schwer gestoumlrte kardio-respiratorische Adaption auf Als klinische Zeichen imponieren u a 4 Dyspnoe Atemstillstand 4 Bradykardie 4 Hypotension 4 Zyanose (fruumlher als raquoblaue Asphyxielaquo bezeichnet) 4 extreme Blaumlsse (haumlufig akuter Volumenmangel raquoweiszligelaquo

Asphyxie) 4 muskulaumlre Hypotonie Bewegungslosigkeit

Das Ausmaszlig einer Asphyxie zeigt sich an der Schnelligkeit mit der ein asphyktisches Kind auf Reanimationsmaszlignahmen reagiert For-men der fetalen Depression bei denen eine ausreichende kardiores-piratorische Adaptation nach taktiler Stimulation oder kurzfristiger Maskenbeatmung zu erreichen ist ndash Phase der primaumlren Apnoe ndash koumlnnen nicht als schwere perinatale Asphyxie bezeichnet werden Bei einer terminalen Apnoe dagegen ist das Neugeborene schwerst deprimiert und bedarf einer umgehenden intensiven kardiopulmo-nalen Reanimation

Der durch HypoxieIschaumlmie bedingte Substratmangel hat bei totaler Asphyxie nach spaumltestens 12 min eine irreversible Hirn-schaumldigung zur Folge

Obwohl ein niedriger Apgar-Score die Notwendigkeit von Re-animationsmaszlignahmen anzeigt so ist er aber kein sicherer Indikator

fuumlr eine perinatale Asphyxie und stellt allein kein Prognosekriterium fuumlr die Entwicklung einer Zerebralparese dar Ansteigende Apgar-Werte unter der Reanimation belegen lediglich den Erfolg der durch-gefuumlhrten Maszlignahmen Neugeborene mit einer fuumlr die Prognose relevanten Asphyxie unter der Geburt zeigen in der Regel 4 eine schwere Azidose im Nabelschnurblut (lt70) 4 einen 10-min-Apgarwert von le5 4 eine verzoumlgerte Aufnahme der Eigenatmung (gt10 Minuten) 4 Symptome der hypoxisch-ischaumlmischen Enzephalopathie

(s unten) d h neonatale neurologische Symptome einschlieszlig-lich Krampfanfaumllle

4 hypoxisch-ischaumlmisch bedingte Funktionsstoumlrungen anderer Zielorgane

Allerdings erfuumlllt nur ein Teil der Neugeborenen die nach einer pe-rinatalen Asphyxie eine Zerebralparese entwickeln diese Kriterien In vielen Faumlllen liegt der Schaumldigungszeitpunkt praumlnatal dabei weist das unter der Geburt abgeleitete Kardiotokogramm oft nur geringe Auffaumllligkeiten auf und der Nabelarterien-pH zeigt keine oder nur eine maumlszligige Azidose In solchen Faumlllen liegt offenbar ein Zustand nach vorhergehenden Episoden mit fetaler Asphyxie vor von denen sich das Kind partiell erholt hat Ein wahrscheinlicher Zusammen-hang unmittelbar mit dem Geburtsereignis darf nur angenommen werden wenn die oben genannten Kriterien vorhanden sind

Zielorgane der Asphyxie Hypoxisch-ischaumlmische Laumlsionen koumln-nen sich an verschiedenen Organsystemen manifestieren

4 Zentrales Nervensystem hypoxisch-ischaumlmische Enzephalopa-thie erhoumlhte Inzidenz von Hirnblutungen bei Fruumlhgeborenen

4 Herz-Kreislauf myokardiale Ischaumlmie Hypotension 4 Lunge persistierende fetale Zirkulation (PFC) pulmonale

Hypertension sekundaumlres Atemnotsyndrom (akutes RDS = ARDS)

4 Mikrozirkulation disseminierte intravasale Gerinnung mit Thrombozytenabfall 5 Niere Oligurie Anurie 5 Nebenniere NNR-Blutung 5 Magen-Darmtrakt Perforation Ulzeration nekrotisierende Enterokolitis

4 Leber Leberzellschaumldigung verminderte Syntheseleistung 4 Metabolische Stoumlrungen Hypoglykaumlmie Hypokalzaumlmie

752 Hypoxisch-ischaumlmische Enzephalopathie (HIE)

Pathophysiologie Wie verschiedenste Untersuchungen zur Patho-genese ischaumlmischer Hirnlaumlsionen belegen setzt die Gewebsschaumldi-gung waumlhrend der HypoxieIschaumlmie ein und nimmt in der Reper-fusionsphase weiter zu Die Hauptmediatoren des Reperfusions-schadens sind freie Sauerstoffradikale neutrophile Granulozyten und endotheliale Faktoren wie Stickstoffmonoxid (NO)

Freie Radikale fuumlhren vermutlich uumlber eine Hemmung des trans-membranoumlsen Enzyms Na+-K+-ATPase zum Zusammenbruch des Membranpotenzials Die geschaumldigten Zellen setzen in der Folge die neurotoxischen exzitatorischen Aminosaumluren Glutamat und Aspar-tat frei die durch Aktivierung von Proteasen den Zelltod einleiten

Waumlhrend sich die meisten Organe vom asphyktischen Insult er-holen ist dies beim Gehirn nicht immer der Fall Die Hypoxie und Ischaumlmie fuumlhren zu einer lokalen Laktatakkumulation im Gehirn und zu einer Verminderung energiereicher Phosphate Das Energie-versagen ist in der Regel erst nach 24ndash72 h in voller Auspraumlgung

Tab 77 Risikofaktoren fuumlr die Entwicklung einer perinatalen Asphyxie

Maternale Erkrankungen

Uteroplazentare Insuffizienz Gestose Hyperten-sion Hypotension Diabetes Infektion andere Grunderkrankung

Plazenta Chorioamnionitis vorzeitige Loumlsung Placenta praevia Vasa praevia Randsinusruptur

Nabelschnur-zwischenfaumllle

Prolaps Knoten Kompression Umschlingung kurze Nabelschnur

Geburt Traumatisch (abnorme Lage Missverhaumlltnis von Becken ndash Kind hypertrophes Neugeborenes Schul-terdystokie) langdauernd uumlberstuumlrzt Sturzgeburt

Fetale Ursachen

Fruumlhgeburtlichkeit Infektion Wachstumsretardie-rung Uumlbertragung

Neu-geborenes

Anaumlmie (fetomaternale Transfusion etc) Neuro-muskulaumlre Erkrankungen Erkrankungen der Atem-wege und Lungen (Choanalatresie Trachealagene-sie Lungenhypoplasie Zwerchfellhernie etc)

Kapitel 7 middot Neonatologie140

7

vorhanden (sekundaumlres Energieversagen) Je nach Ausmaszlig der Schaumldigung entwickelt sich eine lokale Hirnlaumlsion oder eine diffuse neuronale Nekrose mit schwerem Hirnoumldem oder Hirntod

kNeuropathologieDie typischen anatomischen Laumlsionen einer HIE sind bei reifen Neugeborenen 4 eine kortikale Nekrose 4 Wasserscheideninfarkte zwischen A cerebri anterior und me-

dia in Form von parasagittalen bilateralen Infarzierungen 4 Thalamus- und Basalgangliennekrose ( Abb 713) 4 Bei Fruumlhgeborenen fuumlhrt eine schwere perinatale Asphyxie in

der Regel zu einer intrazerebralen Blutung (s dort)

kKlinikIn Abhaumlngigkeit vom Ausmaszlig der hypoxisch-ischaumlmischen Schaumldi-gung kann die klinische Symptomatologie von Irritabilitaumlt Trink-schwaumlche und milder Hypotonie bis hin zum Koma reichen Die typischen neurologischen Symptome sind 4 Beeintraumlchtigung der Bewusstseinslage Irritabilitaumlt

Schreckhaftigkeit Somnolenz Lethargie oder Koma 4 Aumlnderung des Muskeltonus Hypotonie Hypertonie 4 Aumlnderung des Reflexverhaltens 4 Auftreten von Krampfanfaumlllen oftmals prolongiert und schwer

zu behandeln

Das EEG zeigt typische Veraumlnderungen in Abhaumlngigkeit vom Schwe-regrad der Hirnschaumldigung Zur klinischen Verlaufsbeurteilung hat sich ein neurologischer Score bewaumlhrt der auch eine gewisse prog-nostische Einschaumltzung erlaubt ( Tab 78) Die Klassifizierung ist allerdings nicht bei Anwendung von Sedativa oder Analgetika ver-wertbar

Trotz genauer Dokumentation aller zur Verfuumlgung stehenden prauml- peri- und postnatalen Befunde laumlsst sich in vielen Faumlllen keine sichere Kausalitaumltskette der Ereignisse die zur Asphyxie und hypo-xisch-ischaumlmischen Enzephalopathie gefuumlhrt haben ermitteln

kPrognoseDurch die Verlaufsbeurteilung der klinischen Symptome der bildge-benden Diagnostik und des EEG lassen sich in vielen Faumlllen schon fruumlh Aussagen zur Prognose der Kinder machen Faktoren die mit einer schlechten Prognose assoziiert sind sind in der Uumlbersicht aufgefuumlhrt Im Ultraschallbild zeigt sich oft eine raquoverwaschenelaquo Parenchymzeich-nung als Ausdruck einer diffusen neuronalen Nekrose oder eines Hirnoumldems Als Zeichen einer Thalamusnekrose koumlnnen in den ersten Lebenswochen ausgepraumlgte Echoverdichtungen in dieser Region dar-stellbar sein Eine Magnetresonanztomographie (MRT) kann bereits in den ersten Lebenstagen deutliche Signalveraumlnderungen aufweisen ( Abb 713) Eine nuumltzliche jedoch nicht immer durchfuumlhrbare Untersuchung ist die Magnetresonanzspektroskopie (MRS) Ein Nachweis von hohen Laktatsignalen im Gehirn sowie niedrigen Signalen fuumlr N-Acetyl-Aspartat einem Marker fuumlr Neuronen spricht fuumlr eine schwere Hirnschaumldigung mit schlechter Prognose

Unguumlnstige Prognosefaktoren bei der HIE Neugeborener 4 Keine Spontanatmung innerhalb der ersten 30 Lebens-

minuten Auf spontane Atemaktivitaumlt achten 4 Notwendigkeit einer Herzmassage 4 Auftreten von Krampfanfaumlllen in den ersten 4 Lebens-

stunden 4 Neurologischer Zustand (Thompson-Score gt15) 4 Sehr flaches EEG oder raquoBurst-supression-Musterlaquo 4 Oligurie am 1 oder 2 Lebenstag (lt1 mlkg KGh)

kDifferenzialdiagnoseVon einer hypoxisch-ischaumlmischen Enzephalopathie sollte nur ge-sprochen werden wenn sich eindeutige Hinweise auf eine vorausge-

Abb 713 Thalamus- und Basalgangliennekrose eines reifen Neugebore-nen mit schwerer intrauteriner Asphyxie

Tab 78 Klinischer Verlaufs- und Prognosescore bei der hypoxisch-ischaumlmischen Enzephalopathie

Punkte 0 1 2 3

Muskel-tonus

Normal Erhoumlht Vermindert Schlaff

Bewusst-seinslage

Normal Schreck-haft

Lethargie Koma

Kraumlmpfe Keine lt3Tag ge3Tag

Haltung Normal Faumlusteln bzw Peda-lieren

Steif distale Flexion

Dezerebra-tion

Moro-Reflex Normal Teilweise ausloumlsbar

Fehlend

Greifreflex Hand

Normal Schwach Fehlend

Saugreflex Normal Schwach Fehlend

Atmung Normal Hyperven-tilation

Kurze Apnoen

Laumlngere Apnoen Beatmung

Fontanelle Normal Gefuumlllt Gespannt

Prognose Maximalscore lt10 oder Score 0 an Tag 7 normales Outcome wahrscheinlich Maximalscore gt15 hohes Risiko von Folgeschaumlden

714175 middot Perinatale Schaumlden und ihre Folgen

hende HypoxieIschaumlmie feststellen lassen Ansonsten wird das Krankheitsbild als neonatale Enzephalopathie bezeichnet Andere Ursachen fuumlr eine Enzephalopathie des Neugeborenen sind 4 Sepsis Meningoenzephalitis Diagnostik Liquorpunktion 4 Maternale Anaumlsthesie Drogeneinnahme vor der Geburt 4 Geburtstraumatische intrazerebrale Blutungen 4 Metabolische Enzephalopathie Die klinische Symptomatolo-

gie tritt meist erst Stunden oder Tage nach der Geburt auf Grund Katabole Stoffwechselsituation oder Zufuhr von Nahrungseiweiszlig bei Aminoazidopathien oder Organoazidopa-thien Diagnostik Ammoniakbestimmung Laktatbestimmung Ketonkoumlrper im Urin spezifische Laboruntersuchungen

4 Hypoglykaumlmie 4 Bilirubinenzephalopathie 4 Intrazerebrale Blutungen bei Gerinnungsstoumlrungen Gefaumlszligmal-

formationen u a 4 Sinusthrombosen u a 4 Konnatale Hirntumoren

kTherapieVentilation Bei unregelmaumlszligiger Atmung oder Apnoen sollte eine fruumlhzeitige Intubation und Beatmung erfolgen Das Ziel ist die Er-haltung der Homoumlostase Der pO2 und pCO2 sollten in normalen Grenzen gehalten werden eine Hyperventilation ist obsolet

Kreislauf Wichtigste Groumlszlige fuumlr ausreichende Hirnperfusion ist der Blutdruck Bei Kindern mit schwerer Asphyxie soll bereits im Kreis-saal ein sicherer intravenoumlser Zugang gelegt werden bei instabilem Blutdruck Gabe von Katecholaminen

Antikonvulsive Therapie Bei Auftreten von Krampfanfaumlllen erfolgt eine Behandlung mit Phenobarbital Phenytoin oder Lorazepam

Hypothermie Wie mehrere kontrolliert-randomisierte Studien be-legen verbessert eine Hypothermiebehandlung von Neugeborenen mit moderater oder schwerer HIE das neurologische Outcome Die Neugeborenen werden fuumlr 72 h auf eine Koumlrpertemperatur von 335degC gekuumlhlt

Der besondere FallAnamnese Gegen Ende der Schwangerschaft verspuumlrt eine 32-jaumlhri-ge Zweitgebaumlrende erhebliche Schmerzen im Unterleib und registriert keine sicheren Kindsbewegungen mehr Sie faumlhrt in eine nahe gelege-ne FrauenklinikBefunde In der Notaufnahme stellt der Arzt im Ultraschall eine fetale Bradykardie von 40 Schlaumlgenmin fest es wird umgehend eine Notsec-tio durchgefuumlhrt Das Neugeborene wiegt 3270 g und zeigt nach der Geburt keine Spontanatmung Die Plazenta weist ein retroplazentares Haumlmatom aufTherapie Das Kind wird durch den Anaumlsthesisten intubiert eine Herz-massage begonnen intratracheal Suprarenin verabreicht und der Transportdienst einer Kinderklinik verstaumlndigt Dieser trifft 22 min nach der Geburt ein zu diesem Zeitpunkt ist das Kind schlaff hat eine fehlende Spontanmotorik ein blasses Hautkolorit bei rosigen Lippen die Lungen sind bei Beutelbeatmung uumlber den Trachealtubus seiten-gleich beluumlftet Es wird ein Nabelvenenkatheter gelegt uumlber den das Kind eine Glukoseloumlsung erhaumllt Aufgrund niedriger Blutdrucke (MAD 32 mmHg) wird eine Suprarenindauerinfusion angelegt Noch im Kreis-saal wird der Haumlmoglobin-Wert bestimmt er betraumlgt 15 gdlVerlauf Innerhalb der naumlchsten 2 Stunden kommt es zu einer deutli-chen Zunahme der Spontanmotorik die nach 6 Stunden wieder sis-

tiert Mit 12 Stunden ist das Kind komatoumls es zeigt keinen Saugreflex und keinen Kornealreflex Mit 26 Stunden ist die Fontanelle vorge-woumllbt und hart Das EEG zeigt am Folgetag eine Nulllinie bei der dopplersonographischen Untersuchung der Hirngefaumlszlige zeigt sich ein Pendelfluss Es wird der Hirntod festgestellt und das Kind extubiert es verstirbt sofortBeurteilung Die Schmerzen der Mutter und das retroplazentare Hauml-matom zeigen eine vorzeitige Loumlsung der Plazenta an Die daraus re-sultierende fetale Hypoperfusion fuumlhrte zu einer irreversiblen Hirn-schaumldigung Eine kindliche Anaumlmie trat nicht auf Die unmittelbare postnatale Symptomatik entspricht der akuten ischaumlmischen Beein-traumlchtigung der Beginn des Komas markiert die Phase des sekundaumlren Energieversagens

753 Geburtstraumatische Schaumlden

kGrundlagenAls geburtstraumatische Schaumlden werden Laumlsionen bezeichnet die durch mechanische Faktoren waumlhrend der Geburt entstanden sind Zumeist liegt eine schwierige Kindesentwicklung vor bedingt durch eine atypische Lage eine Makrosomie bzw ein Missverhaumlltnis zwi-schen Kind und Geburtswegen oder eine verzoumlgerte Austreibung mit Notwendigkeit zur Zangengeburt oder Vakuumextraktion Obwohl Fortschritte in der Geburtshilfe zu einer deutlichen Reduktion von geburtstraumatischen Schaumldigungen gefuumlhrt haben sind sie nicht immer vermeidbar Einige als Geburtstraumata imponierende Laumlsi-onen sind intrauterin lagebedingt durch chronischen Druck ent-standen

Traumata im KopfbereichExtrakranielle traumatische Laumlsionen am Kopf des Neugeborenen sind haumlufig Je nach Ausbreitung in den verschiedenen Schichten zwischen Haut und Kalotte (Haut ndash Galea aponeurotica ndash aumluszligeres Periost der Kalotte) unterscheidet man ( Abb 714) 4 Caput succedaneum Diese weiche eindruumlckbare teilweise

auch haumlmmorrhagische Schwellung bildet sich sehr haumlufig am fuumlhrenden Kopfbereich bei vaginaler Geburt aus und hat kei-nen Krankheitswert Es ist zwischen Haut und Schaumldelaponeu-rose gelegen die Grenzen uumlberschreiten die Schaumldelnaumlhte Eine spontane Ruumlckbildung erfolgt in den ersten Tagen nach der Geburt

4 Subgaleale Blutung Dieses bezeichnet eine Blutansammlung zwischen Galea und Kalotte Die Blutung entsteht durch eine Nahtdiastase oder eine Schaumldelfraktur Klinisch zeigt sich eine fluktuierende Schwellung uumlber dem gesamten Schaumldel die Schaumldelnaumlhte werden uumlberschritten Das Blut kann konfluieren und sich im subkutanen Gewebe des Nackens ansammeln Die subgaleale Blutung tritt haumlufiger bei Vakuumextraktion und bei Vitamin-K-Mangel auf Eine Uumlberpruumlfung des Gerinnungssta-tus ist angezeigt

CaveBei der subgalealen Blutung kann es zu erheblichem Blutverlust kommen oft resultiert eine behandlungsbe-duumlrftige Hyperbilirubinaumlmie

4 Kephalhaumlmatom Diese Blutung bildet sich zwischen dem aumlu-szligeren Periost und dem Schaumldelknochen (subperiostal) aus Aufgrund dieser Lage uumlberschreitet sie nie die Schaumldelnaumlhte Klinisch imponiert eine prall elastische fluktuierende Schwel-lung die zumeist parietal gelegen ist und nach der Geburt zu-naumlchst noch an Groumlszlige zunehmen kann Am Rand ist das abge-6

Kapitel 7 middot Neonatologie142

7

hobene Periost meist palpabel Die Blutung kommt bei 2 aller Geburten vor mit einer Haumlufung bei Forcepsentwicklung Eine Schaumldelfraktur kann begleitend vorliegen Eine Therapie ins-besondere eine Punktion ist nicht indiziert die Blutung bildet sich uumlber Wochen bis Monate spontan zuruumlck Manche Blutun-gen verkalken und bilden eine knoumlcherne Protuberanz die sich ebenfalls langsam zuruumlckbildet

Geburtstraumatische Schaumldelfrakturen koumlnnen als nichtimprimie-rende lineare Frakturen oder als Impressionsfrakturen vorliegen Lineare Frakturen koumlnnen mit einem Kephalhaumlmatom einer subga-lealen Blutung und mit einer epi- oder subduralen Blutung einherge-hen Selten sind die begleitenden Blutungen jedoch schwerer Natur Sie sind meist parietal gelegen eine Therapie ist nicht notwendig

CaveIn Ausnahmefaumlllen kann die Dura unter der Fraktur ein-reiszligen und sich eine leptomeningeale Zyste ausbilden die zu einer Ausweitung des Frakturspaltes fuumlhrt (wachsende Fraktur)

Die Impressionsfraktur besteht in einer Impression des weichen Schaumldels nach innen meist ohne Kontinuitaumltsunterbrechung des Knochens (sog Ping-Pong-Fraktur) Eine begleitende intrakranielle Blutung sollte ausgeschlossen werden In der Regel ist eine neuro-chirurgische Versorgung erforderlich

Intrazerebrale BlutungenIntrazerebrale Haumlmorrhagien (ICH) unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Lokalisation ( Abb 814) ihrer Genese sowie ihres Vorkom-mens bei Fruumlhgeborenen und reifen Neugeborenen Der mit Ab-stand haumlufigste Blutungstyp ist die intrazerebrale Blutung des Fruumlh-geborenen die an typischer Lokalisation im Bereich der periventri-kulaumlren germinalen Matrix oder dem angrenzenden Hirnparenchym auftritt (7 Abschn 766) Hirnblutungen bei reifen Neugeborenen sind selten Nicht alle Blutungen sind traumatischer Genese sie werden aber hier gemeinsam behandelt

Subdurale Blutung Die subdurale Blutung ist in der Regel ge-burtstraumatisch bedingt Praumldisponierende Faktoren sind

4 Makrosomie des Kindes 4 extrem kurze oder stark verlaumlngerte Austreibungsperiode

4 besondere Kindslage (Beckenendlage Fuszliglage Gesichtslage) 4 erschwerte Entwicklung mit notwendiger Zangenentbindung

oder Vakuumextraktion

Bei massiven Formen kommt es zum Einriss des Tentoriums mit meist letaler Blutung aus den groszligen Blutleitern Geringere Trauma-ta des Tentoriums koumlnnen zur Ansammlung von Blut in der hinteren Schaumldelgrube fuumlhren die Symptome sind abhaumlngig vom Ausmaszlig der Blutansammlung Eine weitere traumatisch bedingte Schaumldigung ist der Abriss der Bruumlckenvenen uumlber der Hirnkonvexitaumlt mit sub-duraler Blutansammlung Diese kann symptomlos bleiben oder aber mit meist fokalen neurologischen Symptomen in den ersten Lebens-tagen verbunden sein Dabei werden fokale Krampfanfaumllle eine dis-krete Hemisymptomatik oder Blickdeviation in Richtung des Herdes beobachtet Die Diagnose kann mithilfe des Ultraschalls nicht im-mer gestellt werden Eine nichtentdeckte subdurale Blutung kann spaumlter zu einem chronischen subduralen Erguss mit Makrozepha-lie und Hirndrucksymptomatik fuumlhren Bei klinischem Verdacht sollte daher immer eine weitergehende Diagnostik (CT MRT) durchgefuumlhrt werden Bei raumfordernden Befunden ist eine opera-tive Entlastung notwendig

Weitere Lokalisationen Andere traumatisch bedingte Blutungen koumlnnen epidural (zwischen Schaumldel und innerem Periost) intraven-trikulaumlr und intrazerebellaumlr lokalisiert sein In seltenen Faumlllen koumlnnen subarachnoidale Blutungen auch eine hypoxische Genese aufweisen Die Klinik wird von der Ausdehnung des Befundes be-stimmt Subarachnoidale Blutungen sind oft klinisch inapparent und mithilfe des Ultraschalls praktisch nicht zu diagnostizieren Da Erythrozyten im Liquor moumlglicherweise auch durch eine raquotraumati-schelaquo Lumbalpunktion bedingt sind kann ein niedriger Glukose-wert im Liquor (oft unter 30 mgdl Normalwert ca 75 des simul-tan bestimmten Blutzuckerwerts) oder eine Erythrophagozytose ein Hinweis fuumlr eine subarachnoidale Blutung sein Die anderen ge-nannten Blutungen zeigen in der Regel deutliche klinische Sympto-me in Form von Hyperexzitabilitaumlt Stupor Apnoen Krampfanfaumlllen oder einer gespannten Fontanelle Als bildgebende Diagnostik ist bei nicht eindeutigen sonographischen Befunden immer ein CT oder MRT indiziert

Gerinnungsstoumlrungen Stoumlrungen der Blutgerinnung koumlnnen so-wohl prauml- als auch postnatal zu Hirnblutungen beim Neugeborenen fuumlhren Die Ursachen sind eine dissiminierte intravasale Gerinnung bei Schock oder Sepsis Thrombozytopenien (neonatale Isoimmun-thrombozytopenie Thrombozytopenie bei kongenitalen Infektio-nen insbesondere Cytomegalie) oder in seltenen Faumlllen ein isolierter Mangel an einzelnen Gerinnungsfaktoren Der Morbus haumlmorrha-gicus neonatorum bedingt durch einen Vitamin-K-Mangel fuumlhrt in der Neugeborenenzeit nur dann zu einer Hirnblutung wenn er mit anderen Faktoren assoziiert ist (schwere kongenitale Lebererkran-kung maternale antikonvulsive Therapie)

Verletzungen der Hirnnerven des Ruumlckenmarks und der peripheren NervenHirnnervenlaumlsionen Bei einer Fazialisparese zeigt sich ein schiefes Gesicht beim Schreien der Mundwinkel wird auf der gesunden Seite tiefer heruntergezogen In Ruhe haumlngt eher die erkrankte Seite etwas herab die Nasolabialfalte ist verstrichen Bei der meist vorliegenden peripheren Fazialisparese kommt es aufgrund einer Schaumldigung direkt nach dem Austritt aus dem Foramen stylomastoideum zu einer Funktionsstoumlrung sowohl der oberen als auch der unteren Ge-sichtsmuskeln In der Regel findet sich in Ruhe eine Lidspaltendiffe-

Abb 714 Lokalisation geburtstraumatischer extra- und intrakranieller Blutungen 1 Caput succedaneum 2 subgaleale Blutung 3 Kephalhaumlmatom (subperiostal auszligen) 4 epidurale Blutung (subperiostal innen) 5 subdurale Blutung

714375 middot Perinatale Schaumlden und ihre Folgen

renz ( Abb 715) Im Gegensatz dazu sind bei einer zentralen Ge-sichtsnervenlaumlhmung Bewegungen der Stirn und der Augenlider nicht beeintraumlchtigt Ursache der peripheren Laumlhmung kann eine Druckschaumldigung bei Forcepsentwicklung sein Weiterhin kann die Laumlhmung aufgrund einer intrauterin lagebedingten Kompression durch das muumltterliche Promontorium zustande kommen Therapeu-tisch muss bei einer peripheren Fazialisparese die Austrocknung des Auges verhindert werden Traumatische Schaumldigungen bilden sich in der Regel uumlber einige Wochen zuruumlck

gt Die Fazialisparese kann mit dem raquoschiefen Schreigesichtlaquo verwechselt werden

Beim schiefen Schreigesicht wird ausschlieszliglich beim Schreien der Mund auf einer Seite stark herabgezogen Andere Funktionen der Gesichtsmuskulatur wie Stirnrunzeln Augenschluss und Tiefe der Nasolabialfalte sind normal Ursaumlchlich liegt der Anormalie eine Hypoplasie des M depressor anguli oris zugrunde

Plexusschaumlden Die Inzidenz von Verletzungen des Plexus brachia-lis liegt zwischen 05 und 2 pro 1000 Geburten Die obere Plexuslaumlh-mung (Erb-Duchenne) wird am haumlufigsten beobachtet und betrifft die Fasern von C5 und C6 Alle Formen der Nervenlaumlsion koumlnnen vorliegen von Neuropraxie (Schaumldigung der Reizleitung durch Haumlmatom oder Oumldem der Nervenscheide) bis voumllliger Disruption des gesamten Plexusbuumlndels Mit der Entstehung von Plexusschaumlden verbundene Faktoren sind prolongierte Geburt Schulterdystokie Makrosomie abnorme Kindslage und Zeichen fetaler Beeintraumlchti-gung mit niedrigen Apgar-Werten Klinisch faumlllt zunaumlchst ein fehlen-der Moro-Reflex sowie eine Hypomotorik des betroffenen Armes auf Die charakteristische Haltung besteht in einem herabhaumlngenden Arm der in Adduktion und Innenrotation gehalten wird sowie einer Pronationshaltung der Hand Die Motorik der Hand ist ungestoumlrt der Greifreflex kann ausgeloumlst werden ( Abb 716)

gt Die typische Haltung bei oberer Plexuslaumlhmung mit herabhaumlngendem nach innen rotiertem Arm sowie der nach auszligen und oben gerichteten offenen Handflaumlche wird im englischen Schrifttum als raquoWaiterrsquos-Tip-Haltunglaquo bezeichnet

Die physiotherapeutische Behandlung besteht in einer initialen Ruhigstellung des betroffenen Armes Nach der ersten Woche erfolgt eine passive Bewegung der betroffenen Gelenke in allen Freiheits-graden Die Prognose haumlngt ab von der Schwere der Schaumldigung In den meisten Faumlllen kommt es zu einer kompletten Restitutio Je schneller diese Erholung erfolgt umso vollstaumlndiger ist die funktio-nelle Wiederherstellung Wenn es im Alter von 3 Monaten noch nicht zu einer spontanen Erholung gekommen ist sollte eine Vor-stellung in einer mit diesem Krankheitsbild vertrauten neurochirur-gischen Einrichtung erfolgen

Die untere Plexuslaumlhmung betrifft C8 und Th1Sie ist isoliert sehr selten und kommt eher in Kombination mit der oberen Laumlh-mung als komplette Plexuslaumlhmung vor Klinisch imponiert eine Laumlhmung der kleinen Handmuskeln und der Flexoren im Hand-gelenk Der Greifreflex ist nicht ausloumlsbar Aufgrund der beglei-tenden Schaumldigung von sympathischen Fasern in Th1 wird oft ein Horner-Syndrom mit Ptosis Miosis und Enophthalmus be obachtet

Akute schwere Ruumlckenmarkverletzungen Diese werden nach ex-zessiver Rotations- oder Zugbelastung der Wirbelsaumlule vor allem bei Beckenendlagen und Forzepsextraktionen beobachtet Die klinische Symptomatologie die dem Bild eines spinalen Schocks entspricht haumlngt von der Houmlhe der Ruumlckenmarksverletzung ab Am haumlufigsten treten die Verletzungen im Hals- und Brustwirbelbereich auf Bei Einblutungen in das Ruumlckenmark (Haumlmatomyelie) kann eine schwe-re generalisierte Laumlhmung vorhanden sein

Abb 715 Vermutlich traumatisch bedingte periphere Fazialisparese rechts

Abb 716 Neugeborenes mit oberer Plexusparese links Zustand nach Schulterdystokie

Kapitel 7 middot Neonatologie144

7

Weichteil- Knochen- und OrganlaumlsionenPetechien und Ekchymosen auf der Haut Sie treten haumlufig an den fuumlhrenden Teilen und bedingt durch venoumlse Kongestion waumlhrend des Geburtsvorganges auf Insbesondere das Gesicht kann aufgrund petechialer Blutungen raquozyanotischlaquo imponieren Blutungen finden sich ebenfalls haumlufig subkonjunktival Das Fehlen einer Blutungsbe-reitschaft an anderen Stellen und die typische Lokalisation unter-scheiden den Befund von einer Koagulopathie

Kongenitaler Tortikollis Der angeborene Schiefhals besteht in ei-ner Kontraktur des M sternocleidomastoideus mit resultierender Drehung des Kopfes zur Laumlsionsseite und Schraumlgstellung des Gesich-tes mit Drehung des Kinns von der Seite weg Er wurde lange als geburtstraumatische Laumlsion angesehen bedingt durch ein Haumlmatom des M sternocleidomastoideus mit subsequenter Fibrose Alle Be-funde sprechen jedoch dafuumlr dass diese Kontraktur durch eine intrauterine lagebedingte Zwangshaltung entstanden ist Die Behandlung ist physiotherapeutisch

Frakturen Die haumlufigste geburtstraumatische Fraktur ist die Klavi-kulafraktur In den meisten Faumlllen liegt eine Gruumlnholzfraktur vor und das Kind zeigt nach der Geburt keine Symptome Bei der Erst-untersuchung wird die Fraktur manchmal nicht erkannt und faumlllt erst bei der Folgeuntersuchung als tastbarer Kallus auf Frakturen mit deutlichen Dislokationen koumlnnen nach der Geburt zu Schonhal-tung und Schmerzen bei der Armbewegung fuumlhren Bei der Unter-suchung laumlsst sich eine Krepitation tasten der Moro-Reflex ist nicht seitengleich ausloumlsbar Eine Roumlntgenuntersuchung ist nur bei klini-schen Symptomen indiziert Die Prognose ist gut Kallus bildet sich bereits nach 7ndash10 Tagen Frakturen der Roumlhrenknochen (Humerus-fraktur Femurfraktur) koumlnnen ebenfalls geburtstraumatisch be-dingt sein Klinisch fallen Schmerzen Krepitation Schwellung und Bewegungsarmut auf Eine Schonhaltung des Arms mit Schwellung im Oberarm-Schulterbereich findet sich bei der akuten Osteoepi-physenloumlsung des Humeruskopfes sie ist klinisch schwer von der oberen Plexuslaumlhmung abzugrenzen Die Diagnose ist in der Regel durch eine Ultraschalluntersuchung zu stellen im Zweifel muss eine radiologische Untersuchung erfolgen

Intraabdominale Verletzungen Die Nebennierenblutung ist rela-tiv haumlufig Sie wird oft im Rahmen einer perinatalen Asphyxie beo-bachtet kann aber auch traumatisch bedingt sein Klinisch faumlllt sie auf durch eine tastbare abdominelle Resistenz einer Anaumlmie in den ersten Lebenstagen oder bei einer Ultraschalluntersuchung des Ab-domens im Rahmen einer Asphyxiediagnostik Die Blutung kann ein- oder beidseitig sein Bei bilateralen Laumlsionen sollte die Neben-nierenfunktion der Blutzucker und Blutdruck uumlberpruumlft werden

gt Differenzialdiagnostisch ist ein zystisches Neuroblastom auszuschlieszligen (Katecholaminbestimmung im Urin)

Die Blutung liquefiziert im weiteren Verlauf und kann spaumlter kalzi-fizieren Die Erkrankung erfordert auszliger bei massiven bilateralen Befunden mit Nebenniereninsuffizienzzeichen keine Behandlung die Prognose ist gut

Subkutane Fettgewebsnekrose Fuumlr die Entwicklung dieses Krankheitsbildes ist offenbar eine Kombination von verminderter Hautperfusion im Rahmen einer fetalen Hypoxie mit einem lokalen Trauma verantwortlich Arme Beine Gesaumlszlig Ruumlcken und Gesicht sind bevorzugt betroffen Klinisch findet sich eine in den ersten Lebenstagen auftretende unregelmaumlszligig begrenzte leicht erhabene derbe Schwellung mit Hautroumltung Im Verlauf werden die Ver-

aumlnderungen weicher und loumlsen sich auf selten resultiert eine lokale Atrophie Pathologisch liegt eine perivaskulaumlre Inflammation der Subkutis vor gefolgt von Nekrose und Ausbildung eines Granu-loms Diese Granulomzellen sind offenbar in der Lage extrarenal 125-Dihydroxyvitamin D zu produzieren das zu einer Hyper-kalzaumlmie fuumlhren kann

Cave3ndash6 Wochen nach Ausbildung einer subkutanen Fett-gewebsnekrose kann sich eine ausgepraumlgte Hyper-kalzaumlmie mit klinischen Symptomen (Erbrechen Somnolenz) entwickeln Entsprechende laborchemische Kontrollen sind erforderlich

76 Das Fruumlhgeborene

kEpidemiologieUngefaumlhr 65 aller Geburten erfolgen vor der vollendeten 37 Schwangerschaftswoche etwa 15 der Kinder sind sehr kleine Fruumlhgeborene (Geburtsgewicht lt1500 g Gestationsalter lt32 vollen-dete Gestationswochen)

kAumltiologieDie Fruumlhgeburtlichkeit traumlgt als wesentlicher Faktor zur peri- und neonatalen Sterblichkeit bei Die Ursachen der Fruumlhgeburtlichkeit lassen sich nur bei einem Teil der Patienten eruieren 4 vorzeitige Wehen 4 vorzeitiger Blasensprung 4 Amnioninfektionssyndrom 4 Mehrlingsschwangerschaften 4 akute Plazentaloumlsung 4 muumltterliche Erkrankungen wie EPH-Gestose

kPrognoseDie Uumlberlebenschance Fruumlhgeborener mit einem Geburtsgewicht lt1500 g hat sich im letzten Jahrzehnt deutlich verbessert Waumlhrend in den fruumlhen 1970er Jahren nur 15ndash40 dieser Risikopatienten die Neonatalperiode uumlberlebten ist 10 Jahre spaumlter die Uumlberlebensrate Fruumlhgeborener auf gt90 angestiegen Die Spaumltprognose ist aller-dings immer noch Anlass zur Besorgnis Zum Zeitpunkt der Ein-schulung weisen 6ndash12 der Fruumlhgeborenen mit einem Geburtsge-wicht zwischen 500ndash1500 g die in den 1990er Jahren geboren wur-den schwere Behinderungen auf Hier werden in verschiedenen Follow-up-Studien Zerebralparesen bei 2ndash9 zum Teil schwerste Sehbehinderungen bei 2ndash18 und Houmlrbehinderungen bei 2ndash14 der Hochrisikofruumlhgeborenen berichtet Partielle Leistungsschwauml-chen und Schulschwierigkeiten wurden bei mehr als 13 der Kinder beobachtet Erste Nachuntersuchungsergebnisse die bei Hochrisi-kofruumlhgeborenen der letzten 10 Jahre durchgefuumlhrt wurden berich-ten erfreulicherweise von einer Abnahme der neurologischen Spaumlt-folgen

Die guumlnstigere Prognose ist zu einem groszligen Teil auf die Ver-besserung der Betreuung und des perinatalen Managements von Risikoschwangeren sowie die Fortschritte der neonatalen Inten-sivmedizin zuruumlckzufuumlhren

kKlinikDas Grundproblem sehr kleiner Fruumlhgeborener bleibt jedoch beste-hen die Unreife von Organsystemen und -funktionen die postnatal zu einer Reihe von akuten Erkrankungen und chronischen pulmo-nalen und neurologischen Folgeschaumlden fuumlhren koumlnnen

714576 middot Das Fruumlhgeborene

4 Atemnotsyndrom chronische Lungenerkrankung broncho-pulmonale Dysplasie

4 intrazerebrale Blutung periventrikulaumlre Leukomalazie 4 persistierender Ductus arteriosus 4 Apnoe Bradykardie 4 nekrotisierende Enterokolitis 4 erhoumlhte Infektionsdisposition nosokomiale Sepsis 4 Hypothermie Hypoglykaumlmie 4 Fruumlhgeborenenretinopathie Taubheit 4 psychomotorische Retardierung neurologische Schaumldigung

In den letzten Jahren gibt es eine zunehmende Anzahl von experi-mentellen Untersuchungen sowie klinischen Beobachtungen und Studien die eine Assoziation zwischen maternaler Chorioamnioni-tis und dem Auftreten einer bronchopulmonalen Dysplasie sowie Hirnblutungen bzw periventrikulaumlrer Leukomalazie nahelegen Eine Chorioamnionitis laumlsst sich bei mehr als 50 aller sehr unreifer Fruumlhgeborener in der Vorgeschichte nachweisen Vermutlich fuumlhrt die im Rahmen einer Chorioamnionitis beschriebene intrauterine Zytokinexposition des Feten zu einer Inflammationsreaktion in der kindlichen Lunge sowie zu einer ersten Schaumldigung der unreifen vaskulaumlren Endothelstrukturen dem sog raquofirst hitlaquo ( Abb 717) Treten unmittelbar nach der Geburt weitere schicksalshafte oder auch vermeidbare Ereignisse auf die zu einer Veraumlnderung der zere-bralen Durchblutung und Fluktuationen des zerebralen Blutflusses fuumlhren so kann eine Hirnblutung oder Minderperfusion vulnerabler Gehirnstrukturen auftreten Die intrauterine pulmonale Inflamma-tionsreaktion wird durch postnatale Sauerstofftoxizitaumlt Baro-Volu-trauma sowie Infektionen verstaumlrkt und kann in eine bronchopul-monale Dysplasie einmuumlnden

Maumlnnliche Fruumlhgeborene und Mehrlinge haben allerdings eine geringere Uumlberlebenschance als weibliche Risikopatienten bzw Ein-zelgeborene gleichen Gestationsalters

kManagementFuumlr eine optimale Betreuung von Risikofruumlhgeborenen muumlssen eine Reihe von Bedingungen erfuumlllt sein Risikoschwangere und Fruumlhge-borene sollten nur in personell und technisch optimal ausgestatteten Perinatalzentren betreut werden Ein In-utero-Transport eines ge-faumlhrdeten Fruumlhgeborenen ist mit ungleich geringeren Risiken ver-bunden als eine postnatale Verlegung Die Inzidenz von bleibenden Behinderungen ist ndash wie in vielen Studien belegt ndash bei einer Behand-lung in Perinatalzentren deutlich geringer als in kleinen Kinder-kliniken die uumlber eine geringere Erfahrung in der Behandlung der Patienten undoder eine unzureichende personelle bzw apparative Ausstattung verfuumlgen

gt Bei einer drohenden Geburt vor der 34 Gestationswoche ist unter maximaler tokolytischer Therapie und kritischer Indikationsstellung eine Lungenreifungsbehandlung mit Betamethason oder Dexamethason durchzufuumlhren

Die Geburt dieser Risikopatienten sollte so atraumatisch wie moumlg-lich erfolgen Durch eine schonende Spontangeburt scheint die Kom-plikationsrate insbesondere zerebraler Schaumldigungen nicht erhoumlht zu sein Eine primaumlre Sectio caesarea ist in jedem Fall bei Kindern mit Beckenendlage drohender intrauteriner Asphyxie Verdacht auf Am-nioninfektionssyndrom sowie jedweder Form relevanter muumltterli-cher und kindlicher Pathologie indiziert Waumlhrend der muumltterlichen Anaumlsthesie muss eine intrauterine und postnatale Depression des Kindes unbedingt vermieden werden Dies setzt eine enge Abstim-mung von Anaumlsthesieverfahren chirurgischem Vorgehen und un-mittelbar postnataler Versorgung der Fruumlhgeborenen voraus

Nach der Erstversorgung der Fruumlhgeborenen im Kreiszligsaal er-folgt die weitere zeit- und personalaufwaumlndige Behandlung und Pfle-ge der Kinder auf einer neonatologischen Intensivstation Die therapeutischen Maszlignahmen zielen auf eine Stabilisierung und Kor-rektur von postnatal einsetzenden Organstoumlrungen ab Da Fruumlhge-borene nicht in der Lage sind die Koumlrpertemperatur selbststaumlndig aufrecht zu erhalten werden die Kinder in einem Inkubator oder in speziellen Waumlrmeeinheiten gepflegt die Temperatur wird den Be-duumlrfnissen der Patienten (thermoneutrale Temperatur ausreichende Luftfeuchtigkeit) angepasst Zur Uumlberwachung der Fruumlhgeborenen werden EKG- und Atmungsmonitore eingesetzt in Abhaumlngigkeit vom postnatalen Verlauf (maschinelle Beatmung Sauerstoffthera-pie) erfolgt eine kontinuierliche transkutane Messung des O2- und CO2-Partialdrucks eine kontinuierliche Pulsoxymetrie repetitive Blutgasanalysen Blutdruckmessungen u a Sehr kleine Fruumlhgebore-ne werden haumlufig parenteral (zentrale Katheter) undoder mithilfe einer Magensonde ernaumlhrt

Das Risiko an einer nosokomialen Sepsis und lokalen noso-komialen Infektionen zu erkranken ist hoch in einigen Perinatal-zentren erkranken bis zu 25 der Hochrisikopatienten an einer Sepsis Die psychische Bindung zwischen Mutter und Fruumlhgebore-nem bzw zwischen Vater und Fruumlhgeborenem soll auch bei be-atmeten aber respiratorisch und zirkulatorisch stabilen Kindern so fruumlh wie moumlglich erfolgen Die sog Kaumlnguru-Methode wird von den meisten Fruumlhgeborenen auszligerordentlich gut toleriert ( Abb 718)

Abb 717 Maternale Chorioamnionitis und intrauterine Zytokinexposi-tion des Feten Proinflammatorische Zytokine wie Tumornekrosefaktor-α (TNF-α) und die Interleukine 1 6 8 (IL-1 IL-6 IL-8) die im Rahmen einer Chorioamnionitis in das Fruchtwasser gelangen koumlnnen bereits intrauterin eine pulmonale Entzuumlndungsreaktion des Feten ausloumlsen Dieses Ereignis ist vermutlich ein bedeutender Risikofaktor fuumlr die Entwicklung einer bron-chopulmonalen Dysplasie Daruumlber hinaus kann eine Chorioamnionitis eine systemische fetale Entzuumlndungsreaktion induzieren die mit einem erhoumlh-ten Risiko fuumlr zerebrale Schaumldigungen assoziiert ist

Kapitel 7 middot Neonatologie146

7

761 Das Atemnotsyndrom Fruumlhgeborener

Die Surfactantsubstitution stellt einen entscheidenden Durchbruch in der Behandlung des Atemnotsyndroms Fruumlhgeborener dar Durch diese kausale Therapiemaszlignahme konnten die akuten pulmonalen Komplikationen beatmeter Fruumlhgeborener um 23 reduziert werden und die Sterblichkeit von Fruumlhgeborenen mit Atemnotsyndrom nahezu halbiert werden

kEpidemiologieDas Atemnotsyndrom Fruumlhgeborener (RDS raquorespiratory distress syndromelaquo syn hyalines Membranensyndrom) stellte vor Einfuumlh-rung der Surfactantsubstitution die haumlufigste Todesursache der Neonatalperiode dar Ungefaumlhr 1 aller Neugeborenen erkranken an einem RDS Die Inzidenz steigt mit abnehmendem Gestationsal-ter bis zu 60 der Fruumlhgeborenen lt30 Gestationswoche entwickeln ein RDS

kPathogeneseWesentliche Ursache des RDS ist der Mangel eines pulmonalen ober-flaumlchenaktiven Surfactantsystems das die Oberflaumlchenspannung der Alveolen vermindert und somit zur Stabilitaumlt des Alveolarsys-tems beitraumlgt es beugt einem Alveolarkollaps in der Exspiration vor (Surfactant raquosurface active agentlaquo) Surfactant das in Pneumozy-ten vom Typ II gebildet und in den Alveolarraum sezerniert wird besteht uumlberwiegend aus verschiedenen Phospholipiden

Bei Patienten mit RDS ist die Surfactant-Hauptkomponente Dipalmitoylphosphatidylcholin (Lecithin) quantitativ vermindert

Phosphatidylcholin fehlt vollstaumlndig Da eine staumlndige Sekretion von Surfactant in das Fruchtwasser stattfindet kann durch eine Bestimmung des LS-Quotienten (LecithinSphingomyelin) die Lungenreife von Fruumlhgeborenen abgeschaumltzt werden Der Sphingo-myelingehalt im Fruchtwasser bleibt im Verlauf der Schwangerschaft konstant Ein LS-Quotient von gt21 weist auf ein ausgereiftes Sur-factantsystem hin

Neben Phospholipiden enthaumllt Surfactant Apoproteine unter-schiedlichen Molekulargewichts (SP raquosurfactant proteinlaquo) Waumlh-rend die hochmolekularen Apoproteine (SP-A) vermutlich die zellulaumlre Sekretion und Wiederaufnahme der Phospholipide regulie-ren sowie lokale Abwehrfunktionen gegen verschiedenste mikro-bielle Erreger uumlbernehmen (SP-A SP-D) kommt den hydrophoben niedermolekularen Apoproteinen (SP-B SP-C) eine besondere funktionelle Bedeutung zu sie verbessern die Absorption und Aus-breitung der Surfactantphospholipide

Die Surfactantdefizienz wird typischerweise durch eine postna-tal einsetzende intraalveolaumlre Akkumulation von Plasmaproteinen kompliziert die nach Schaumldigung des Alveolarepithels und Kapilla-rendothels die Alveoli auskleiden und die Surfactantwirkung direkt inhibieren (hyaline Membranen Abb 719)

Eine ausreichende Surfactantsynthese besteht in der Regel von der 35 Gestationswoche an Eine verzoumlgerte Lungenreifung koumln-nen Kinder diabetischer Muumltter Neugeborene mit Asphyxie oder schwerer Erythroblastose aufweisen Eine beschleunigte Lungen-reifung wird bei Praumleklampsie und Wachstumsretardierung bei intrauterinem Stress durch vorzeitigen Blasensprung (2ndash7 Tage) und durch ein muumltterliches Amnioninfektionssyndrom beobachtet

kPathophysiologieBei einem Surfactantmangel entwickeln sich in den Lungen der Fruumlhgeborenen unmittelbar nach der Geburt zunehmende diffuse Atelektasen die alveolaumlre Minderbeluumlftung fuumlhrt zu einer Hypoxauml-mieHypoxie und zu einem Anstieg des CO2-Partialdruckes Die Folgen sind eine systemische Hypotension und Vasokonstriktion der pulmonalen Gefaumlszlige die eine pulmonale Minderperfusion so-wie eine Ausbildung intrapulmonaler Shunts und eines Rechts-links-Shunts auf Vorhofebene (Foramen ovale) bzw uumlber den Ductus arteriosus nach sich ziehen Der pulmonale Metabolismus

Abb 718 Direkter Koumlrper- und Blickkontakt zwischen Vater und Kind im Rahmen der Kaumlnguru-Methode Fruumlhgeborenes der 25 Gestationswoche 660 g Geburtsgewicht Spontangeburt mittelschweres Atemnotsyndrom und transitorische chronische Lungenerkrankung ohne weitere Komplika-tionen hier im Alter von 6 Lebenswochen

Abb 719 Histologie des Atemnotsyndroms Fruumlhgeborener ausgedehn-te Atelektasen in den wenigen uumlberblaumlhten Alveolen typische hyaline Membranen aus verschiedenen Proteinen Fibrin und zellulaumlrem Detritus (Pfeile rosa gefaumlrbte hyaline Membranen)

714776 middot Das Fruumlhgeborene

wird erheblich eingeschraumlnkt Sowohl Azidose Hypoxie und der veraumlnderte Lungenstoffwechsel inhibieren die postnatal einsetzende De-novo-Synthese von Surfactant In Abb 720 ist der Circulus vitiosus des Atemnotsyndroms dargestellt

kKlinikKlinische Symptome treten unmittelbar nach der Geburt oder in-nerhalb der ersten 3ndash4 Stunden post partum auf 4 Tachypnoe gt60min 4 Nasenfluumlgeln 4 exspiratorisches Stoumlhnen 4 sternale und interkostale Einziehungen 4 abgeschwaumlchtes Atemgeraumlusch 4 Mikrozirkulationsstoumlrungen blass-graues Hautkolorit 4 Temperaturinstabilitaumlt 4 evtl Zyanose (bei insuffizienter Behandlung)

Bei der roumlntgenologischen Untersuchung des Thorax finden sich typische Veraumlnderungen unter zunehmender Verdichtung des Lun-genparenchyms mit Ausloumlschung der Herz- und Zwerchfellkonturen entwickelt sich eine so genannte raquoweiszlige Lungelaquo ( Abb 721)

CaveEine neonatale Infektion mit β-haumlmolysierenden Streptokokken der Gruppe B kann sich unter klinischen und radiologischen Zeichen eines RDS manifestieren

kKomplikationenIm Verlauf der Erkrankung koumlnnen folgende Komplikationen auf-treten 4 extraalveolaumlre Luftansammlung pulmonales interstitielles Em-

physem 4 Pneumothorax 4 Pneumomediastinum 4 Pneumoperitoneum 4 Pneumoperikard

Als Folge der Lungenunreife der Langzeitbeatmung und Sauerstoff-toxizitaumlt in der Einatmungsluft kann sich bei Risikopatienten eine chronische Lungenerkrankung die bronchopulmonale Dysplasie (BPD) entwickeln

kSymptomatische TherapieDie Therapie des RDS wird vom Schweregrad der pulmonalen Er-krankung bestimmt 4 Bei leichtem RDS Nasen-CPAP (raquocontinuous positive airway

pressurelaquo uumlber einen binasalen CPAP) 4 Bei deutlicher Ventilations- und Oxygenierungsstoumlrung in-

termittierende oder kontrollierte maschinelle Beatmung der Patienten uumlber einen trachealen Tubus

4 Uumlberwachung kontinuierliche transkutane Messung des pO2 und pCO2 kontinuierliche Pulsoxymetrie regelmaumlszligige Blut-gasanalysen engmaschige Blutdruckkontrollen evtl Plasma- bzw Bluttransfusionen u a Maszlignahmen

gt Das Grundprinzip besteht im raquominimal handlinglaquo einer moumlglichst geringen Belastung des Fruumlhgeborenen durch diagnostische und therapeutische Maszlignahmen

kSurfactantsubstitutionstherapieIn den letzten 20 Jahren ist mit der Substitution mit natuumlrlichem und synthetischem Surfactant als kausaler Therapie ein entscheidender Fortschritt in der Behandlung des Atemnotsyndroms Fruumlhgebore-ner erzielt worden

Natuumlrliche Surfactantpraumlparate werden durch Lavage von Kaumllber- und Rinderlungen (Alveofact Infasurf) oder Homogenisie-rung von Rinderlungen (Surfactant-TA Survanta) oder Schweine-lungen (Curosurf) extrahiert oder aber wurden fuumlr klinische Studien aus dem menschlichen Fruchtwasser isoliert Die Praumlparate enthal-ten die Apoproteine SP-B und SP-C (ca 1) sie unterscheiden sich aber in der Zusammensetzung der Phospholipidfraktionen der Konzentration und dem Applikationsvolumen

Synthetische Surfactantpraumlparate sind apoproteinfrei Wie in randomisierten Studien belegt wurde uumlberlebten mehr Fruumlhge-borene mit RDS die ein natuumlrliches Surfactantpraumlparat erhielten synthetische Surfactantpraumlparate stehen zur Zeit nicht mehr zur Ver-fuumlgung

Effekte der Surfactantsubstitution Unmittelbar nach intratrache-aler Applikation natuumlrlicher Surfactantpraumlparate konnte bei Fruumlh-geborenen mit manifestem RDS in allen kontrollierten Studien eine ndash wenn auch recht unterschiedliche ndash Verbesserung der Oxigenie-rung und der Beatmungssituation erzielt werden

Abb 720 Circulus vitiosus des Surfactantmangels

Abb 721 Radiologische Veraumlnderungen bei schwerem Atemnotsyn-drom verdichtetes Lungenparenchym Ausloumlschung von Zwerchfell- und Herzkonturen sog raquoweiszlige Lungelaquo

Kapitel 7 middot Neonatologie148

7 Sowohl nach prophylaktischer als auch therapeutischer Surfactantgabe konnte die Pneumothoraxinzidenz um 50ndash70 und die Sterblichkeit um ca 40 reduziert werden Alle anderen akuten und chronischen mit Atemnotsyndrom assoziierten Komplikationen wurden durch eine Surfactanttherapie nicht be-einflusst

Neuere Untersuchungen weisen darauf hin dass eine Surfactant-behandlung in der fruumlhen Phase des Atemnotsyndroms einer Therapie in einer spaumlteren Erkrankungsphase uumlberlegen ist Beson-ders Fruumlhgeborene lt28 Gestationswochen profitieren von einer prophylaktischen oder sehr fruumlhen Surfactantapplikation Wie Me-taanalysen belegen fuumlhrt eine Surfactantsubstitution innerhalb von 15 min nach der Geburt zu einer geringen Auspraumlgung des Atemnotsyndroms zu einer reduzierten Inzidenz der BPD und einer geringen Sterblichkeit in dieser Altersgruppe

Empfehlungen zur postnatalen Surfactantbehandlung 4 Moumlglichst fruumlhzeitige Behandlung im Kreiszligsaal fuumlr sehr

unreife Fruumlhgeborene lt28 Gestationswochen 4 Fruumlhe Surfactantsubstitution bei Fruumlhgeborenen

lt32 Gestationswochen mit klinischen Zeichen des raquorespiratory distress syndromelaquo maschineller Beatmung und O2-Bedarf gt40

4 Spaumltere Behandlung bei etwas raquoreiferenlaquo Fruumlhgebore-nen mit RDS maschineller Beatmung und einem O2-Bedarf gt50ndash60

4 Initialdosis fuumlr die prophylaktische Behandlung mit natuumlrlichen Surfactantpraumlparaten ca 100 mgkg KG bei manifestem RDS 100 bis maximal 200 mgkg KG

4 Innerhalb von 48 h wiederholte Surfactantgaben bei er-neutem O2-Anstieg gt30 und maschineller Beatmung (kumulative Dosis 400 mgkg KG)

4 Unabhaumlngig von der Art der Surfactantpraumlparation muss der behandelnde Kinderarzt mit allen Aspekten der Surfactantapplikation der maschinellen Beatmung sowie allen anderen Maszlignahmen der neonatologischen Intensivmedizin vertraut sein

Surfactant-raquoNonresponderlaquo Eine Reihe von Grunderkrankungen koumlnnen den Effekt einer Surfactanttherapie negativ beeinflussen So muss bei Fruumlhgeborenen mit struktureller Lungenunreife oder Lungenhypoplasie z B nach laumlngerem vorzeitigem Blasensprung sowie bei Kindern mit konnataler und neonataler Pneumonie mit einem fehlenden oder deutlich geringeren Therapieerfolg gerechnet werden Aber auch die perinatale Hypoxie Hypothermie und nicht

zuletzt die systemische Hypotension haben unmittelbaren Einfluss auf die initiale Wirksamkeit der Surfactantbehandlung

Eine nur transitorische Verbesserung der Oxygenierung und des Gasaustauschs wird bei Fruumlhgeborenen beobachtet die im Rahmen eines haumlmodynamisch signifikanten persistierenden Ductus arterio-sus ein intraalveolaumlres Oumldem entwickeln

Nebenwirkungen Unmittelbare Nebenwirkungen einer Behand-lung mit natuumlrlichen Surfactantpraumlparaten sind ndash von Fehlern bei der Anpassung der maschinellen Beatmung abgesehen ndash bisher nicht beschrieben

CaveNach Gabe natuumlrlicher Surfactantpraumlparate kann eine akute Uumlberblaumlhung des Lungenparenchyms (raquoHyperex-pansionlaquo) durch eine ungenuumlgende Anpassung des Beat-mungsdrucks zu ernsthaften Ventilations- und Zirkula-tionsproblemen der behandelten Kinder fuumlhren

Eine Sensibilisierung gegen tierische im Surfactant enthaltende Apoproteine wurde bei keinem Patienten beschrieben In Nachun-tersuchungen von Kindern die mit natuumlrlichen oder synthetischen Praumlparaten behandelt worden waren konnte kein Unterschied in der somatischen oder neurologischen Entwicklung im Vergleich zu un-behandelten Kontrollpatienten festgestellt werden Eine gehaumlufte Infektanfaumllligkeit oder gar ein Auftreten einer chronischen Slow-virus-Infektion wurde nach Behandlung mit natuumlrlichen Surfactant-praumlparaten auch nach einer 23-jaumlhrigen Erfahrung mit diesem neuen Therapieprinzip bisher nicht beobachtet

Andere Indikationen fuumlr eine Surfactanttherapie Neben dem neonatalen Atemnotsyndrom ist eine Surfactantbehandlung auch bei Erkrankungen vorstellbar in deren Verlauf ein sekundaumlrer Surfactantmangel auftritt Zurzeit laufende kontrollierte randomi-sierte Studien evaluieren den Einfluss einer Surfactantbehandlung bei konnataler Pneumonie Mekoniumaspirationssyndrom und Zwerchfellhernie

kPraumlventionDie sog Lungenreifungsbehandlung durch Betamethason oder Dexamethason kann die Inzidenz und den Schweregrad des RDS Fruumlhgeborener durch eine Enzyminduktion vermindern Betame-thason sollte der Schwangeren moumlglichst 48 h vor der Geburt ver-abreicht werden Praumlnatale Kortikosteroide in Kombination mit der postnatalen Surfactantherapie (natuumlrliches Surfactant) reduzieren die Sterblichkeit sowie die Inzidenz pulmonaler sowie extrapulmo-naler Komplikationen (Hirnblutung) Allerdings ist von einer repe-

Exkurs

Surfactantsubstitution ndash ein Meilenstein in der Neonatalmedizin

1959 konnten Avery und Mead Boston bei verstorbenen Fruumlhgeborenen erstmals bele-gen dass das hyaline Membranensyndrom mit dem Mangel des oberflaumlchenaktiven Materials assoziiert war 1967 gelang es Rufer Goumlttin-gen die mechanischen Eigenschaften surfac-tantdepletierter isolierter Tierlungen durch in-trabronchiale Instillation einer oberflaumlchenak-tiven Substanz zu verbessern ein Jahr spaumlter konnte er diesen positiven Effekt einer Surfac-tantwirkung an isolierten Lungen Fruumlhgebore-

ner erbringen die an einem Atemnotsyndrom verstorben waren Enhorning und Robertson Toronto bzw Stockholm publizierten 1972 die vielbeachteten Ergebnisse einer Surfactant-substitutionstherapie bei beatmeten fruumlhge-borenen Kaninchen 1980 berichteten Fujiwara et al Akita erstmals von Fruumlhgeborenen mit manifestem Atemnotsyndrom die nach intrat-rachealer Applikation eines Rindersurfactants deutliche Veraumlnderungen des pulmonalen Gasaustausches zeigten In der folgenden

Dekade wurde die klinische Wirksamkeit der Surfactantbehandlung in sorgfaumlltig geplanten multizentrisch kontrollierten undoder rando-misierten Studien eindrucksvoll belegt welt-weit wurden mehr als 10000 Fruumlhgeborene mit verschiedensten Surfactantpraumlparationen behandelt Die Surfactantsubstitution ist da-mit die am besten untersuchte Therapie der Neonatalmedizin

714976 middot Das Fruumlhgeborene

titiven Gabe die noch in juumlngster Vergangenheit in 8- bis 10-taumlgigen Abstaumlnden bis zum Zeitpunkt der Geburt erfolgte abzuraten Es gibt ernst zu nehmende Hinweise dass die Entwicklung des fetalen Ge-hirns durch diese Strategie beeintraumlchtigt wird

Als weiterer bedeutsamer Faktor in der Praumlvention des RDS ist eine schonende Geburtseinleitung und optimale primaumlre Reani-mation der Risikokinder anzusehen

Der besondere FallAnamnese Nach unauffaumllligem Schwangerschaftsverlauf treten bei einer 24-jaumlhrigen Zweitgebaumlrenden in der 29 Gestationswoche ploumltz-lich vorzeitige Wehen auf dazu rasche Muttermundseroumlffnung unauf-faumllliges kindliches CTG Trotz sofortigen Beginns einer tokolytischen (wehenhemmenden) Therapie erfolgt nach einmaliger Kortisongabe die Spontangeburt wenige Stunden nach stationaumlrer AufnahmeBefund und Erstversorgung Weibliches Fruumlhgeborenes der 29 Ge-stationswoche Geburtsgewicht 1060 g vital Wegen unregelmaumlszligiger Atmung wird nach kurzzeitiger Maskenbeatmung mit 40 O2 ein stabiler klinischer Zustand erreicht mit O2-Saumlttigung von 92 Nach 45 min zeigt sich eine zunehmende Tachypnoe (Atemfrequenz um 70min) raquostoumlhnendelaquo Atmung und beginnende jugulaumlre und inter-kostale Einziehungen Darauf folgt die endotracheale IntubationVerlauf Unter maschineller intermittierender Beatmung nimmt der O2-Bedarf weiter zu im Alter von 3 h unter 80 inspiratorischem O2-Gehalt normale Saumlttigung Ventilation und systemischer BlutdruckRoumlntgenthorax Diffuse feingranulaumlre Verdichtung des Lungenparen-chyms mit beginnender Ausloumlschung des Herzrandes RDS Grad IIITherapie Nach intratrachealer Applikation eines natuumlrlichen Surfac-tantpraumlparats (100 mg Phospholipidekg KG asymp125 ml Fluumlssigkeitkg KG) kann innerhalb weniger Minuten eine Reduktion des inspirato-rischen O2-Gehaltes auf 30 erfolgen Etwa 30 min spaumlter faumlllt dann eine rasch progrediente Verschlechterung der Oxygenierung und der Ventilationssituation auf (inspiratorische O2-Konzentration 100 pCO2 65 mmHg) Radiologisch zeigte die Lunge eine massive Uumlber-blaumlhung mit geringer Gefaumlszligzeichnung Durch drastische Senkung des inspiratorischen Spitzendrucks und Atemwegmitteldrucks normalisiert sich die Beatmungssituation der kindliche Zustands stabilisiert sich Die Extubation erfolgt am 5 Lebenstag Im weiteren Verlauf treten keine pulmonalen und zerebralen Komplikationen (Hirnblutung) nach Atemnotsyndrom auf die Entlassung eines gesunden ehemaligen Fruumlhgeborenen erfolgt in der 10 Lebenswoche bei einem Gewicht von 2560 gBeurteilung Typisches mittelschweres durch Surfactantmangel be-dingtes Atemnotsyndrom erfolgreiche Surfactantsubstitutionsbe-handlung Durch die unterlassene Reduktion des Beatmungsdrucks nach Surfactantapplikation iatrogene Uumlberblaumlhung des Lungenparen-chyms mit schwerer Ventilations- und Oxygenierungsstoumlrung sowie Drosselung der pulmonalen Perfusion

762 Persistierender Ductus arteriosus (PDA)

gt Ein haumlmodynamisch wirksamer persistierender Ductus arteriosus stellt das haumlufigste kardiovaskulaumlre Problem Fruumlhgeborener dar

kPathogenese PathophysiologieBei reifen Neugeborenen setzt mit ansteigenden O2-Partialdrucken nach der Geburt eine Konstriktion des Ductus arteriosus und ein konsekutiver Verschluss ein Der Ductus arteriosus Fruumlhgeborener reagiert schwaumlcher auf die postnatalen Kontraktionsreize Wesent-liche Faktoren duumlrften die unreife Muskulatur des Ductus und der

persistierende vasodilatatorische Effekt hoher Prostaglandinkon-zentrationen (PGE2) bei Fruumlhgeborenen sein Bei ausbleibendem Ductusverschluss entwickelt sich in der akuten Phase des RDS ein Shunt zwischen pulmonaler und systemischer Zirkulation (Rechts-links-Shunt)

Mit Ruumlckbildung des RDS sinkt der pulmonale Gefaumlszligwiderstand ab In dieser Phase kann sich ein haumlmodynamisch signifikanter Links-rechts-Shunt uumlber den PDA entwickeln Die Folge ist eine akute pulmonale Uumlberflutung mit haumlmorrhagischem Lungenoumldem und akuter kardialer Insuffizienz Die Beatmungssituation der Pati-enten verschlechtert sich akut durch Intensivierung der Beatmung und Erhoumlhung der inspiratorischen O2-Konzentration nimmt die Lungenschaumldigung zu (bronchopulmonale Dysplasie) Auch bei pro-trahierter Manifestation eines PDA koumlnnen u a ein interstitielles Lungenoumldem und Veraumlnderungen der Organperfusion (Nieren Magen-Darm-Trakt) auftreten

kKlinikEin PDA manifestiert sich haumlufig zwischen dem 3 und 5 Lebenstag 4 praumlkordiale Hyperaktivitaumlt 4 systolisches Herzgeraumlusch gelegentlich kontinuierlich 4 Pulsus celer et altus (raquospringende Pulselaquo) Tachykardie 4 Verschlechterung der Beatmungssituation evtl feinblasige

Rasselgeraumlusche 4 evtl Hepatomegalie 4 renale Ausscheidungsprobleme 4 Zirkulationsstoumlrungen

CaveEtwa 20 der Fruumlhgeborenen mit haumlmodynamisch signi-fikantem persistierendem Ductus arteriosus haben kein Herzgeraumlusch

Die klinische Verdachtsdiagnose wird durch die Roumlntgenthoraxauf-nahme die 2-dimensionale Echokardiographie und den direkten Shuntnachweis mithilfe der Dopplertechnik und Farbdopplerver-fahren bestaumltigt

kTherapieDie wesentlichen Therapieprinzipien des symptomatischen PDA sind 4 Fluumlssigkeitsrestriktion 4 Prostaglandinsynthesehemmer (Indometacin Ibuprofen) 4 operativer PDA-Verschluss

Durch die Hemmung der Prostaglandinsynthese wird der gefaumlszliger-weiternde Effekt von Prostaglandin E2 antagonisiert Kontraindika-tionen der Indometacinbehandlung sind Thrombozytopenie Serumkreatinin gt18 mgdl und Oligurie Etwa 40 aller Indometa-cinbehandelten Fruumlhgeborenen sprechen auf diese konservative Be-handlung nicht an

763 Wilson-Mikity-Syndrom

kDefinitionDiese chronisch-respiratorische Erkrankung kann auch bei nicht beatmeten Fruumlhgeborenen mit einem Gestationsalter von weniger als 32 Gestationswochen im postnatalen Alter von 10ndash14 Tagen auf-treten Die Kinder haben in der Regel keine oder nur eine milde Atemnotsymptomatik waumlhrend der ersten Lebenstage Der radiolo-gische Befund ist durch diffuse zystisch erscheinende Areale charakterisiert die besonders in den oberen Lungenpartien auf-

Kapitel 7 middot Neonatologie150

7

treten sollen Bei dieser chronisch-pulmonalen Erkrankung duumlrfte es sich um eine der moumlglichen Verlaufsformen der raquobonchopulmo-nalen Dysplasie (BPD)laquo Fruumlhgeborener handeln

kEpidemiologieDie Inzidenz des Wilson-Mikity-Syndroms ist nicht bekannt da eine eindeutig klinische und radiologische Abgrenzung von der raquoBPDlaquo nicht moumlglich ist

kPathogeneseWegweisende Untersuchungen zu pathogenetischen Mechanismen dieser chronischen Lungenerkrankung liegen nicht vor Eine erhoumlh-te Inzidenz von maternaler Chorioamnionitis bei Fruumlhgeborenen mit Wilson-Mikity-Syndrom duumlrfte auf eine moumlgliche Rolle von in-trauterinen bzw prauml- und postnatalen Infektionen hinweisen (s Pathogenese der BPD) Bei japanischen Fruumlhgeborenen mit Wilson-Mikity-Syndrom wurden erhoumlhte Gesamtkonzentrationen des Serumimmunglobulin M sowie erhoumlhte Aktivitaumlten der Granu-lozytenelastase im Tracheobronchialsekret nachgewiesen Es ist vor-stellbar dass das bei der BPD vorhandene pulmonale Entzuumlndungs-geschehen durch verschiedenste Infektionserreger ausgeloumlst oder aggraviert wird

kKlinikDie betroffenen Fruumlhgeborenen entwickeln um den 10ndash14 Lebens-tag langsam progrediente Zeichen der Atemnot (Tachypnoe Dys-pnoe etc) und oftmals einen erhoumlhten O2-Bedarf Die Luftnotsym-ptomatik kann uumlber mehrere Wochen und selten auch uumlber mehrere Monate anhalten

CaveDurch suboptimale O2-Saumlttigung und erniedrigten O2-Partialdruck kann sich eine persistierende pulmonale Hypertonie entwickeln

kTherapieUnter optimalen supportiven Maszlignahmen (7 Abschn 764 Thera-pie) sollte diese Erkrankung in der Regel ohne Folgen ausheilen

764 Bronchopulmonale Dysplasie

kGrundlagen1967 beschrieb Northway erstmalig eine Gruppe von Fruumlhge-borenen die nach maschineller Beatmung wegen eines Atemnot-syndroms keine Besserung der Lungenfunktion zeigten Die Kinder blieben uumlber lange Zeit respiratorabhaumlngig oder verstarben unter der Beatmung Diese vorher nicht beobachtete chronische Lun-genkrankheit wurde als bronchopulmonale Dysplasie (BPD) be-zeichnet

kPathogeneseDie BPD ist eine chronische Lungenkrankheit Fruumlhgeborener Grund-voraussetzung fuumlr die Entstehung ist die Unreife der Lunge welche sowohl die anatomischen Strukturen als auch funktionelle Systeme wie das Surfactantsystem betrifft In der Fruumlhphase liegt eine pulmo-nale Inflammationsreaktion vor die durch ein maschinelles Beat-mungstrauma die Sauerstofftoxizitaumlt in der Einatmungsluft oder eine praumlnatale Infektion im Rahmen einer Chorioamnionitis ausgeloumlst

Abb 722 Moumlgliche pathogenetische Sequenz der bronchopulmonalen Dysplasie

715176 middot Das Fruumlhgeborene

wird Eine postnatale Infektion ist ebenfalls in der Lage eine pulmo-nale Entzuumlndung zu induzieren Folge ist zunaumlchst ein interstitielles und alveolaumlres Oumldem Bei anhaltender Exposition gegenuumlber den No-xen wird der normale Gewebsreparaturprozess in der Lunge gestoumlrt es kommt zur Ausbildung einer Fibrose und eines Lungenemphy-sems ( Abb 722 und Abb 723) Moumlglicherweise beeinflusst die Inflammationsreaktion die physiologische Sequenz des Lungen-wachstums Die Folge ist eine abnorme Lungenent wicklung mit einer Beeintraumlchtigung der Alveolarisierung und der Vaskularisierung

gt Fuumlr die Entwicklung einer bronchopulmonalen Dysplasie ist haumlufig ein Atemnotsyndrom in den ersten Lebenstagen verantwortlich es ist aber keine unbedingte Vorausset-zung ein Teil sehr unreifer Fruumlhgeborener entwickelt eine BPD auch bei initial scheinbar gesunder Lunge

kPathophysiologieDie Lungenfunktion ist durch ein niedriges Lungenvolumen sowie eine erniedrigte Compliance charakterisiert Entwickelt sich in der Folge ein erhoumlhter Atemwegswiderstand so liegt eine Kombination von obstruktiver und restriktiver Ventilationsstoumlrung vor Atelek-tasen und Emphysem fuumlhren zu einer Stoumlrung der Relation zwischen alveolaumlrer Ventilation und Perfusion Der resultierende intrapulmo-nale Rechts-links-Shunt ist die Ursache fuumlr die Hypoxaumlmie bzw den Sauerstoffbedarf Aufgrund der Gefaumlszligrarefizierung und einer Mediahypertrophie entwickelt sich bei fortgeschrittenem Krank-heitsbild ein pulmonaler Hypertonus

kKlinikFruumlhgeborene mit einer BPD zeigen folgende Charakteristika und klinische Symptome

4 Langzeitbeatmung schwierige Entwoumlhnung von der maschi-nellen Beatmung

4 nach der Extubation eine persistierende Atemnot mit an-haltendem Sauerstoffbedarf sternalen und kostalen Ein-ziehungen und Tachypnoe

4 Kardiopulmonale Instabilitaumlt mit Neigung zu haumlufigen O2-Saumlttigungsabfaumlllen und Bradykardien

4 Typisches radiologisches Bild fleckig-steifige roumlntgendichte Veraumlnderungen in Abwechslung mit Regionen erhoumlhter Strah-lentransparenz oder zystisch-emphysematoumlsen Bereichen ( Abb 724)

4 Auf Grund der erhoumlhten Atemarbeit Gedeihstoumlrung

kDiagnoseDer Schweregrad der BPD wird durch Sauerstoffbedarf bzw Beat-mungsform zu bestimmten Zeitpunkten definiert ( Tab 79)

kPraumlventionPrinzipiell ist die Praumlvention der BPD das erste Behandlungsziel

Allgemeine Maszlignahmen zur Praumlvention der bronchopulmonalen Dysplasie

4 Praumlnatale Steroidbehandlung 4 Fruumlhzeitige Surfactanttherapie bei Atemnotsyndrom 4 Fruumlhzeitige Behandlung eines klinisch relevanten

persistierenden Ductus arteriosus 4 Vermeidung einer Fluumlssigkeitsuumlberladung 4 Niedrigste moumlgliche Beatmungsunterstuumltzung

und Sauerstoffgabe zur Aufrechterhaltung eines ausreichenden Gasaustausches

4 Falls moumlglich Vermeidung einer maschinellen Beatmung

4 Bei Beatmung fruumlhzeitige Extubation und CPAP- Behandlung

4 Gewaumlhrleistung einer ausreichenden Ernaumlhrung (parenteralenteral) sowie Versorgung mit Spuren-elementen und Vitaminen (Vitamin A)

Abb 723 Histologie der bronchopulmonalen Dysplasie diffuse Atelekta-sen sowie ausgepraumlgte emphysematoumlse Bezirke verbreitertes Interstitium

Abb 724 Radiologischer Befund einer bronchopulmonale Dysplasie Neben fibrotisch verdichteten und atelektatischen Arealen ( ) finden sich uumlberblaumlhte Bezirke ( )

Tab 79 Definition der BPD

Milde BPD O2 mit 28 Tagen Raumluft mit 36 Wochen PMA oder bei Entlassung

Moderate BPD lt30 O2 mit 36 Wochen PMA oder bei Entlassung

Schwere BPD ge30 O2 undoder BeatmungCPAP mit 36 Wochen PMA oder bei Entlassung

PMA postmenstruelles Alter

Kapitel 7 middot Neonatologie152

7

kTherapieWaumlhrend der stationaumlren Behandlung koumlnnen folgende gut belegte Behandlungsmaszlignahmen sinnvoll sein 4 Koffein Offenbar durch Verbesserung der Lungenmechanik

sowie der diuretischen Wirkung fuumlhrt die Behandlung mit Coffein zu einer Senkung der BPD-Rate

4 Steroide Unter einer postnatalen Behandlung Fruumlhgeborener mit Dexamethason kommt es zu einer Verminderung des pul-monalen Wassergehaltes zu einer Verbesserung des Gasaus-tauschs einer Abnahme der pulmonalen Inflammationsreak-tion sowie der mikrovaskulaumlren Permeabilitaumlt der Lunge Die Therapie ermoumlglicht innerhalb von 2ndash5 Tagen bei der Mehrzahl der behandelten beatmeten Patienten eine Extubation Dexame-thason hat bei einer fruumlhen postnatalen Behandlung eine Fuumllle von Nebenwirkungen und unguumlnstigen Langzeiteffekten

gt Da das Risiko fuumlr die Entwicklung einer Zerebralparese bei der Behandlung mit Dexamethason erhoumlht ist darf eine Therapie nur bei schwerer pulmonaler Insuffizienz eines Fruumlhgeborenen erfolgen

4 Inhalative Kortikosteroide wirken nicht prophylaktisch haben jedoch einen Stellenwert bei etablierter BPD

4 Sauerstoff Bei etablierter BPD insbesondere bei schweren Verlaumlufen besteht eine deutliche Mediahypertrophie der Pulmonalgefaumlszlige In dieser Situation sollte Sauerstoff nicht zu niedrig dosiert werden um die Entwicklung bzw Zunahme einer pulmonalen Hypertonie zu vermeiden (SO2 gt92 pO2 gt55 mmHg) Ausreichende Sauerstoffzufuhr ist ebenfalls erforderlich fuumlr eine befriedigende Gewichtszunahme Eine regelmaumlszligige echokardiographische Uumlberwachung zur Beur-teilung des Lungengefaumlszligwiderstandes ist notwendig

kPrognoseIn den meisten Faumlllen kommt es zu einer Reparatur der pulmonalen Veraumlnderungen dieses zeigt sich am Ruumlckgang der Atemnotsymp-tomatik und des Sauerstoffbedarfs Nur wenige Fruumlhgeborene be-noumltigen auch zum Zeitpunkt der Entlassung aus der Klinik noch Sauerstoff und erhalten eine entsprechende haumlusliche Therapie die in der Regel nicht laumlnger als 3ndash6 Monate erforderlich ist Einzelne Kinder lassen sich nicht von der Beatmung entwoumlhnen

Weiterhin haben Kinder mit BPD nicht selten ein hyperreagib-les Bronchialsystem und erkranken innerhalb der ersten 2 Lebens-jahre haumlufig an einer obstruktiven Bronchitis Virale Infektionen insbesondere die RSV-Bronchiolitis koumlnnen bei BPD-Patienten zu einem schwer verlaufenden Krankheitsbild fuumlhren Auffaumllligkeiten der Lungenfunktion (reversible oder fixierte Obstruktionen erhoumlh-tes intrathorakales Gasvolumen) sind bis ins Erwachsenenalter nachweisbar In der Regel sind die Kinder jedoch koumlrperlich spaumlter gut belastbar und in der Lage Sport zu treiben

765 Retinopathia praematurorum

kDefinitionDie Fruumlhgeborenenretinopathie (raquoretinopathy of prematuritylaquo ROP) ist eine multifaktorielle vasoproliferative Netzhauterkran-kung deren Inzidenz und Schweregrad mit zunehmender Unreife zunimmt 10 der Fruumlhgeborenen mit einem Geburtsgewicht lt1750 g aber fast 50 aller Kinder lt1000 g entwickeln irgendeine Form dieser Erkrankung Sie ist die haumlufigste Ursache von Blindheit bei Kindern unter 6 Jahren

kPathogeneseFuumlr die ROP-Entwicklung sind neben der Unreife postnatale Situa-tionen als Risikofaktoren anzusehen die entweder mit einer retina-len Minderperfusion oder einem erhoumlhten retinalen Sauerstoffan-gebot einhergehen 4 Hyperoxie 4 beatmungsbedingte Hypokapnie 4 Hypotension bei Sepsis 4 rezidivierende Apnoen 4 Fluktuationen der Sauerstoffsaumlttigung 4 intraventrikulaumlre Blutung 4 persisitierender Ductus arteriosus 4 Hyperkapnie

Der Schaumldigungsmechanismus setzt vermutlich zum Zeitpunkt der Geburt sehr unreifer Fruumlhgeborener ein ( Abb 725) Bereits die unmittelbare postnatale Exposition gegenuumlber erhoumlhten Sauerstoff-konzentrationen aber auch Raumluft fuumlhrt bei extrem unreifen

Exkurs

Die Geschichte der Fruumlhgeborenenretinopathie

Die Geschichte der Retinopathia praematuro-rum stellt ein erschreckendes Beispiel dar wie dogmatisch getroffene medizinische Entschei-dungen zu menschlichen Katastrophen fuumlhren koumlnnen Seit Beginn der 1940er Jahre wurden viele Fruumlhgeborene mit zusaumltzlichem Sauer-stoff (O2) behandelt die Konzentrationen lagen bei 70 O2 Erst in den 1950er Jahren wurde von australischen Kinderaumlrzten der freizuumlgige Einsatz von O2 als Ursache des epidemieartigen Auftretens der retrolentalen Fibroplasie (= ROP) und damit der Erblindung von relativ raquoreifenlaquo Fruumlhgeborenen identifi-ziert Eines der beruumlhmtesten Opfer ist Stevie Wonder Jahrgang 1950 der in der 34 Gestati-onswoche geboren wurde Aufgrund dieser alamierenden Ergebnisse wurden strenge Therapierichtlinien mit Limitierung der

O2-Gabe auf 40 eingefuumlhrt Die Folge war ein dramatischer Ruumlckgang der ROP Dieses wurde als uumlberzeugender Beweis fuumlr die Richtigkeit der These angesehen dass Sauerstoff in der Tat die einzige notwendige und ausreichende Ursache der retinalen Erkrankung war Jeder Fall von ROP-bedingter Blindheit wurde als Folge einer fehlerhaften Sauerstofftherapie angesehen und hatte entsprechende juristi-sche FolgenIn der Folge stiegen jedoch die Mortalitaumlt und Morbiditaumlt der Fruumlhgeborenen drastisch an Durch Einfuumlhrung intensivmedizinischer Kon-zepte in die Neonatologie mit der Moumlglichkeit der Blutgasanalyse in den 1970er Jahren sank die Mortalitaumlt von Fruumlhgeborenen waumlhrend die ROP-Inzidenz relativ niedrig war Die Sauer-stofftherapie wurde nach dem arteriell gemes-

senen pO2 gesteuert eine Hyperoxie schien so trotz Verabreichung houmlherer Sauerstoffkonzen-trationen vermeidbar Erneut galt die ROP als eine durch iatrogene Uumlberdosierung von O2 verursachte vermeidbare Erkrankung Auf-grund der zunehmenden Uumlberlebensraten sehr unreifer Fruumlhgeborener kam es in den 1980er Jahren jedoch zu einer deutlichen Wiederzu-nahme der Erkrankung sodass von einer neu-en 2 Epidemie gesprochen wurde Es wurde nun jedoch klar dass die ROP eine multikausa-le Erkrankung war die ihre Hauptursache in der Unreife der Fruumlhgeborenen hat Waumlhrend die Inzidenz der schweren ROP in den meisten westlichen Laumlndern erfreulicherweise ruumlck-laumlufig ist erkranken gerade in den Schwellen-laumlndern wieder relativ reife Fruumlhgeborene an dieser bedrohlichen Retinopathie

715376 middot Das Fruumlhgeborene

Fruumlhgeborenen zu einer relativen Hyperoxie der Retina Dadurch wird ein wichtiger Wachstumsfaktor fuumlr die Gefaumlszligentwicklung der Netzhaut VEGF (raquovascular endothelial growth factorlaquo) herabregu-liert Niedrige Konzentrationen von VEGF fuumlhren zu Arretierung des Gefaumlszligwachstums und zu einer retinalen Vasoobliteration Mit zunehmendem Wachstum der neuralen retinalen Strukturen steigt der metabolische Bedarf der Netzhaut an es entsteht eine relative Gewebshypoxie Hierzu koumlnnen auch die genannten Risikofaktoren beitragen die zu einer retinalen Minderperfusion fuumlhren In dieser Phase induziert die Gewebshypoxie eine massive Uumlberproduktion von angiogenetischen Faktoren wie VEGF als Konsequenz resultiert eine abnorme Neovaskularisierung von retinalen Gefaumlszligen Die Ge-faumlszlige wachsen in den Glaskoumlrper ein aufgrund einer vermehrten Permeabilitaumlt kann es zu Blutungen und Oumldembildung kommen

CaveDurch narbige Traktion kann die Retina an der das vaskulaumlr-fibrotische Gewebe anheftet abgehoben werden

kKlinikWaumlhrend der ROP-Entwicklung zeigen die Fruumlhgeborenen keine typischen klinischen Symptome Aus diesem Grund sind regel-maumlszligige ophthalmologische Kontrolluntersuchungen zwingend notwendig Der Zeitpunkt des Auftretens haumlngt von der retinalen Gefaumlszligentwicklung und somit vom postkonzeptionellen Alter ab Die ersten Veraumlnderungen treten in der Regel in der 34 Woche auf und die ersten Gefaumlszligproliferationen in der 36 Woche

gt Um eine Retinopathie nicht zu uumlbersehen sollte die Erst-untersuchung bei Fruumlhgeborenen mit einem Geburtsge-wicht (GG) lt1000 g im Alter von 6 Wochen oder in der 32 Woche pc erfolgen bei Fruumlhgeborenen mit einem GG zwischen 1000ndash1500 g im Alter von 4 Wochen

Kontrolluntersuchungen werden je nach Befund alle 7ndash14 Tage oder in kuumlrzeren Abstaumlnden durchgefuumlhrt Die letzte Untersuchung er-folgt nach Abschluss der Netzhautvaskularisierung

kKlassifizierungIn die internationale Klassifizierung der ROP (ICROP 1984) geht ein dass die Erkrankung umso schwerer ist je weiter posterior (d h zentral) und je ausgedehnter (d h Anzahl der betroffenen Sektoren)

die Laumlsionen sind Dann folgt die Beurteilung des Schweregrades an der Grenzlinie zwischen vaskularisierter und avaskulaumlrer Retina sowie das Vorhandensein zusaumltzlicher aggravierender Zeichen (raquoplus diseaselaquo) 4 Lokalisation Zone 1ndash3 von zentral nach peripher 4 Ausdehnung Angabe von betroffenen 30deg-Sektoren (12 Stuumlck)

als Uhrzeiten mit Sehnerv als Mittelpunkt 4 Schweregrad

5 Grad 1 duumlnne weiszlige Demarkationslinie zwischen vasku-larisierter und avaskulaumlrer Netzhaut 5 Grad 2 erhabene rosagefaumlrbte Proliferationsleiste 5 Grad 3 extraretinale fibrovaskulaumlre Proliferationen ( Abb 726) 5 Grad 4 partielle Netzhautabloumlsung der Raum zwischen Netzhaut und Aderhaut fuumlllt sich mit seroumlser Fluumlssigkeit 5 Grad 5 komplette Netzhautabloumlsung

4 Plus Disease Auftreten vermehrter Gefaumlszligdilatation und -schlaumlngelung (Tortuositas)

kVerlauf PrognoseDie meisten Kinder mit Erkrankungen des Stadiums 1 und 2 zeigen eine Regression In Stadium 3 haumlngt die Prognose von der Ausdeh-nung des Befundes ab im Stadium 4 insbesondere bei Beteiligung der Makula ist die Prognose sehr schlecht Das Risiko fuumlr eine Er-blindung betraumlgt bei Fruumlhgeborenen unter 750 g 5ndash9 unter 1000 g 2 und uumlber 1000 g 01 Die ROP erhoumlht das Risiko der Kinder fuumlr Myopie Strabismus und andere Visusprobleme

kPraumlvention TherapieEine sicher wirksame Praumlvention der ROP besteht nicht Notwendig ist die Uumlberwachung der Sauerstoffzufuhr Dieses erfolgt bei kleinen Fruumlhgeborenen vorzugsweise uumlber den transkutan gemes senen pO2 anzustreben ist ein pO2 50ndash70 mmHg Die pulsoxi metrisch gemesse-ne Sauerstoffsaumlttigung sollte bei allen Fruumlhge borenen die einen zu-saumltzlichen Sauerstoffbedarf haben zwischen 90 ndash 95 liegen

Therapeutisch wird uumlberwiegend die Lasertherapie seltener eine Kryotherapie angewendet Ziel der Photokoagulation oder Kryotherapie ist die Zerstoumlrung von Gefaumlszligproliferationen und des angiogenem Granulationsgewebe Die Behandlung vermindert die Wahrscheinlichkeit eines Visusverlustes um uumlber 50 Zur Zeit wird in kontrollierten klinischen Studien der Einsatz einer anti-VEGF-

Abb 725 Entstehungsmechanismus der Fruumlhgeborenenretinopathie

Abb 726 Retinopathia praematurorum Stadium III auf der rechten Seite vaskularisierte Netzhaut mit erweiterten Gefaumlszligen die in eine breite Proliferationsleiste uumlbergehen Peripher der Leiste Blutung im Bereich der avaskulaumlren Netzhaut (weiszlige Punkte sind Spiegelungsartefakte)

Kapitel 7 middot Neonatologie154

7

Therapie untersucht Erste Daten bei schwersten Verlaufsformen der ROP lassen hoffen dass sich die therapeutischen Moumlglichkeiten in der Zukunft verbessern werden

766 Hirnblutungen des Fruumlhgeborenen

767 Germinale Matrixblutung des Fruumlhgeborenen

kNeuropathologie und zerebrovaskulaumlre ArchitekturDie typische Hirnblutung Fruumlhgeborener entsteht in der germinalen Matrix einer subventrikulaumlr gelegenen Zone uumlber dem Kopf des Nucleus caudatus Von der germinalen Matrix wandern zerebrale Neuroblasten ab der 10ndash20 Gestationswoche auf die Hirnober-flaumlche aus gefolgt von den Glioblasten nach der 20 Woche Das Matrixgewebe nimmt mit zunehmender Schwangerschaftsdauer an Ausdehnung ab um die 34ndash36 Schwangerschaftswoche kommt es zu einer Involution Es ist sehr zellreich von gelatinoumlser Konsistenz und reich vaskularisiert Den Gefaumlszligen fehlen Charakteristika von Arteriolen und Venolen sie werden als unreifes vaskulaumlres Netz beschrieben Die V terminalis verlaumluft innerhalb der germinalen Matrix

kGradeinteilung nach AusdehnungNach einer Endothellaumlsion im Bereich der germinalen Matrix kann eine Blutung entstehen die subependymal begrenzt bleiben kann oder in das Ventrikelsystem ausdehnen kann (subependymale

Haumlmorrhagie Grad 1 intraventrikulaumlre Haumlmorrhagie Grad 2) Bei intraventrikulaumlrer Ansammlung groszliger Mengen an Blut mit deut licher Dilatation des Ventrikels liegt eine Grad-3-Blutung vor Groumlszligere Ventrikelblutungen behindern den Abfluss aus der Vena terminalis und koumlnnen zu einer Obstruktion mit resulti-erendem haumlmorrhagischen venoumlsen Infarkt fuumlhren Abb 727) Bei einer Ventrikelblutung ist der begleitende Infarkt in der Regel einseitig auf der Seite der ausgedehnteren Blutung zu finden ( Abb 728)

Exkurs

Intrazerebrale Blutung Fruumlhgeborener

Die intrazerebrale Blutung ist eine typische und haumlufige Komplikation Inzidenz und Schweregrad sind direkt abhaumlngig von der Un-reife der Fruumlhgeborenen Innerhalb der letzten Jahre ist die Haumlufigkeit der Hirnblutungen bei Fruumlhgeborenen mit einem Geburtsgewicht lt1500 g insgesamt zuruumlckgegangen Da zur gleichen Zeit die Mortalitaumlt der Fruumlhgeborenen ebenfalls stark abgenommen hat spiegelt die-

ses die erheblich gestiegene Qualitaumlt der neonatalen Versorgung wider Somit gilt eine niedrige Mortalitaumlt in Verbindung mit einer niedrigen Hirnblutungsrate bei Fruumlhgeborenen mit sehr niedrigem Geburtsgewicht als Quali-taumltsmaszligstab einer neonatalen VersorgungUntersuchungen der letzten 6ndash8 Jahre haben jedoch gezeigt dass trotz anhaltend sinkender Mortalitaumltsziffern die Rate der Hirnblutungen

in der Gruppe sehr unreifer Fruumlhgeborener nicht weiter abgenommen hat Dieses beruht darauf dass heute vermehrt extrem unreife Kinder aus der 24-26 Schwangerschaftswo-che uumlberleben Bei diesen Kindern haumlngt das Risiko einer Hirnblutung offenbar mehr von praumlnatalen und unreifeassoziierten Faktoren als von einer weiteren Verbesserung der post-natalen Versorgungsqualitaumlt ab

Abb 727 Schwere intraventrikulaumlre Hirnblutung mit Ventrikeldilatation beidseits sowie rechtsseitige massive intraparenchymatoumlse Blutung

Abb 728a b Intraventrikulaumlre Blutungen a Intraventrikulaumlre dem Plexus aufsitzende Blutung die sich bereits in Aufloumlsung befindet (Schaumldelsonographie Laumlngsschnitt Pfeil) b Sonographischer Befund nach Aufloumlsung der intraventrikulaumlren Blutung nachweisbar ist nur noch eine leichte Erweiterung des Ventrikels

a

b

715576 middot Das Fruumlhgeborene

kKomplikationenBei einer intraventikulaumlrer Blutung kann es zu einer Behinderung des Liquorabflusses oder der Liquorresorption kommen Die resul-tierende Ventrikeldilatation kann sich spontan zuruumlckbilden persis-tieren oder progressiv weiterentwickeln Ein solcher posthaumlmorrha-gischer Hydrozephalus mit Druckentwicklung muss neurochirur-gisch entlastet werden

kPathogeneseFuumlr die Entstehung einer Hirnblutung sind neben der Unreife des vaskulaumlren Gefaumlszlignetzes verschiedene Faktoren von Bedeutung ( Abb 729)

4 postnatale Faktoren Hypo- und Hypertension Hypoxie Ischauml-mie Azidose maschinelle Beatmung Pneumothorax PDA Sepsis Gerinnungsstoumlrungen Volumenexpansion u a

4 perinatale Faktoren Zytokinexposition bei Chorioamnionitis intrauterine Hypoxie

Aufgrund der Gefaumlszligarchitektur liegt eine gesteigerte Vulnerabilitaumlt der Mikrovaskulatur im Bereich der germinalen Matrix sowohl bei Hypotension und bei Hypertension vor Eine zerebrale Hyperper-fusion kann zu einer mechanischen Ruptur der Matrixgefaumlszlige fuumlhren ( Abb 729) Eine zerebrale Hypoperfusion eine Azidose oder Hypoxie fuumlhrt zu einer ischaumlmie-induzierten Laumlsion der Matrixge-faumlszlige Bei einer Chorioamnionitis sind proinflammatorische Zytoki-ne in der fetalen und neonatalen Zirkulation offenbar in der Lage die Gefaumlszlige der germinalen Matrix zu schaumldigen und dadurch eine Hirnblutung zu induzieren Neben einer gestoumlrten Perfusion auf der arteriellen Seite ist ein erhoumlhter venoumlser Druck in der V terminalis ebenfalls von Bedeutung Beatmete Kinder haben ein houmlheres Risiko fuumlr eine Hirnblutung insbesondere bei Entwicklung eines Pneumo-thorax ( Abb 729)

gt Durch Fortschritte in der neonatologischen Intensiv-therapie sind die beschriebenen postnatalen Ursachen der Hirnblutungsgenese in den Hintergrund geruumlckt Perinatale Faktoren haben eine zunehmende Bedeutung erlangt

kKlinikSchwere intraventrikulaumlre und intraparenchymatose Hirnblutungen (Grad 3 und 4) fuumlhren bei sehr kleinen Fruumlhgeborenen praktisch immer zu mehr oder weniger ausgepraumlgten klinischen Symptomen 4 ploumltzliche Aumlnderung der Hautperfusion raquoseptisches Aussehenlaquo

mit blass-grauem oder marmoriertem Hautkolorit und verzouml-gerter Kapillarfuumlllungszeit

4 ploumltzliche Aumlnderung des respiratorischen Status mit erhoumlhtem Sauerstoffbedarf Apnoen oder erhoumlhtem Ventilationsbedarf bei beatmeten Patienten

4 Instabilitaumlt des Blutdrucks 4 bei massiven Blutungen raquogefuumllltelaquo oder gespannte Fontanelle 4 Krampfanfaumllle 4 Abfall von Haumlmoglobin bzw Haumlmatokrit 4 muskulaumlre Hypotonie und Hypomotorik 4 Temperaturinstabilitaumlt

CaveBei entsprechenden Symptomen gehoumlrt die zerebrale Sonographie zu einer Notfalluntersuchung bei fehlender Blutung muumlssen andere Ursachen fuumlr die Zustandsver-schlechterung gesucht werden

80ndash90 der Hirnblutungen treten innerhalb der ersten 48 h nach der Geburt auf

kDiagnoseDie Diagnose wird durch die zerebrale Sonographie gestellt ( Abb 727) eine weitergehende bildgebende Diagnostik ist nicht indiziert Die anfaumlnglich echodichte Blutung wird im Verlauf zuneh-mend echoaumlrmer als Zeichen der Liquefizierung bis sie nicht mehr darstellbar ist Zum Zeitpunkt der Entlassung aus dem Krankenhaus sind bei den meisten Fruumlhgeborenen nach Hirnblutungen vom Grad 1 oder 2 keine Residuen nachweisbar Bei ca 30 der Patienten mit Ventrikelblutung kommt es zu einer Ventrikeldilatation (s un-ten) venoumlse Infarkte im Parenchymbereich hinterlassen eine poren-zephale Zyste

kTherapie PraumlventionEine kausale Therapie der intrazerebralen Blutung gibt es nicht

Abb 729 Pathogenetische Faktoren die an der Entstehung der periventrikulaumlren und intraventrikulaumlren Hirnblutung beteiligt sind

Kapitel 7 middot Neonatologie156

7

Ziel der symptomatischen Therapie ist es die Kreislauffunktion Hirnperfusion und Beatmungssituation zu stabilisieren und Fluktua-tionen der Organdurchblutung zu vermeiden Ein hoher Qualitaumlts-standard der neonatalen Versorgung ist Grundvoraussetzung fuumlr die Praumlvention potenziell vermeidbarer Hirnblutungen Diese betrifft das Vorhalten einer ausreichenden Anzahl gut geschulten Personals sowie die Regionalisierung von extrem unreifen Fruumlhgeborenen in speziell ausgestatteten Zentren Die praumlnatale Behandlung mit Glukokortikoiden und ein spaumltes Abnabeln der Kinder sind wohl die am besten belegten praumlventiven Maszlignahmen

kPrognoseDie Prognose der intrazerebralen Blutung haumlngt vor allem vom Vor-handensein einer Parenchymlaumlsion ab Waumlhrend neurologische Fol-geschaumlden bei einer erst- oder zweitgradigen Blutung nur selten auf-treten zeigen ca 13 der Fruumlhgeborenen mit ausgepraumlgter intravent-rikulaumlrer Blutung neurologische Auffaumllligkeiten Die Ausdehnung dieser Parenchymlaumlsion hat jedoch ebenfalls einen Einfluss auf die Prognose Ausgedehnte Laumlsionen mit Beteiligung der frontoparieto-okzipitalen Regionen gehen nahezu immer mit neurologischen Schaumldigungen und einer mentalen Retardierung einher Bei lokali-sierten Blutungen ist die Schaumldigungswahrscheinlichkeit geringer frontal gelegene Blutungen sind prognostisch guumlnstiger als okzipital gelegene

Die typische neurologische Konsequenz der unilateralen Hirn-parenchymblutung ist die spastische Hemiparese Wegen der Naumlhe zum Tractus corticospinalis ist dabei ist die untere Extremitaumlt deut-lich bevorzugt beteiligt (s periventrikulaumlre Leukomalazie)

768 Andere intrazerebrale Blutungen bei Fruumlhgeborenen

Ischaumlmischer und haumlmorrhagischer Infarkt (raquoStrokelaquo)Eine vaskulaumlre Minderperfusion oder Okklusion im Bereich der arteriellen Hirngefaumlszlige hat einen ischaumlmischen Infarkt zur Folge dessen Ausdehnung dem Versorgungsgebiet des betroffenen Ge-faumlszliges entspricht Stroumlmt nach Verschluss eines Arterienastes aus der

Umgebung Blut in die nekrotische Region ein oder liegt ein venoumlser Gefaumlszligverschluss vor so entsteht ein haumlmorrhagischer Infarkt Diese Laumlsionen betreffen sowohl Fruumlh- als auch reife Neugeborene Sie sind zu 90 unilateral mit Bevorzugung der linken Seite und betref-fen vor allem die A cerebri media Als Folge des Infarktes entwickelt sich eine porenzephale Zyste Selten fuumlhren praumlnatale bilaterale Ver-schluumlsse zu einer Hydranenzephalie

Die Diagnose wird durch die zerebrale Ultraschallunter-suchung gestellt Bei einigen Kindern ist bereits intrauterin eine unilaterale porenzephale Zyste nachweisbar andere zeigen zum Zeitpunkt der Geburt einen Infarkt an typischer Stelle im arteriellen Versorgungsgebiet Diese isolierten (d h ohne Ventrikelblutung auftretenden) Parenchymlaumlsionen sollten unbedingt von den oben beschriebenen Hirnblutungen vom Grad 4 unterschieden werden

In einigen Faumlllen entstehen zerebrovaskulaumlre Infarkte postnatal Die Gefaumlszligverschluumlsse koumlnnen durch Thrombose (arteriell oder ve-noumls) Embolien Vasospasmus oder Gefaumlszligfehlbidung bedingt sein haumlufig findet sich jedoch keine fassbare Ursache Infarkte die im Rahmen einer schweren arteriellen Hypotension auftreten finden sich in der Regel nicht im Versorgungsgebiet der A cerebri media

Eine spezifische Therapie ist nicht moumlglich Trotz der manchmal groszligen Ausdehnung des Defekts ist die Prognose unilateraler Ge-faumlszligverschluumlsse meist erstaunlich gut durch Hypotension oder Kreis-laufschock bedingte Infarkte haben in der Regel eine sehr schlechte Prognose

769 Periventrikulaumlre Leukomalazie

kGrundlagen

gt Als periventrikulaumlre Leukomalazie (PVL) wird eine Nekrose mit nachfolgender zystischer Umwandlung der weiszligen Substanz lateral der Seitenventrikel bezeichnet die durch eine Ischaumlmie im Grenzgebiet vaskulaumlrer Versorgungsge-biete entsteht

Es ist eine typische Laumlsion Fruumlhgeborener mit einem Maximum um die 28 Schwangerschaftswoche die Inzidenz betraumlgt bei Fruumlhgebo-renen unter der 32 SSW zwischen 3 und 9 Klinisch fuumlhrt sie haumlu-

Abb 730 Faktoren die an der Pathogenese der PVL beteiligt sind

715776 middot Das Fruumlhgeborene

fig zum Bild der spastischen Diplegie Die Diagnose wird durch die zerebrale Ultraschalluntersuchung gestellt

kNeuropathologie und zerebrovaskulaumlre ArchitekturDie pathologischen Veraumlnderungen der PVL bestehen aus einer fokalen periventrikulaumlren Nekrose sowie einer diffusen Laumlsion der umgebenden weiszligen Substanz ( Abb 730) Der fokalen immer symmetrischen bilateralen Laumlsion liegt eine ischaumlmiebedingte Nekrose zugrunde die sich innerhalb von 2ndash4 Wochen in Zysten umwandeln Durch Proliferation von Astrozyten bilden sich diese zystischen Veraumlnderungen innerhalb einiger Monate zuruumlck Diffu-ser Oligodendrogliaverlust Beeintraumlchtigung der Myelinisierung und Proliferation von Astroglia koumlnnen zu einer Verminderung des Volumens der weiszligen Substanz fuumlhren daraus resultiert als Spaumlt-folge eine Dilatation der Seitenventrikel

Die Hauptorte der fokalen Nekrose liegen in der weiszligen Subs-tanz in Houmlhe der Foramina Monroi (anterior) sowie im Trigonum-bereich (posterior) In diesem Bereich liegen die Grenzgebiete der vaskulaumlren Versorgung langer penetrierender Arterien von der Hirnoberflaumlche und der Hirnbasis ( Abb 730) Eine Ischaumlmie in diesen so genannten raquoletzten Wiesenlaquo wird als raquoWasserscheidenin-farktlaquo bezeichnet Bei zunehmender Reife aumlndert sich die Blut-versorgung Aus diesem Grunde wird bei reifen Neugeborenen eine PVL nicht mehr beobachtet

kPathogeneseFuumlr die Entstehung der PVL sind folgende Faktoren von Bedeutung ( Abb 730)

4 anatomische Voraussetzungen spezielle zerebrovaskulaumlre Architektur (s oben)

4 Faktoren die zu einer zerebralen Ischaumlmie fuumlhren 4 eine vermehrte Vulnerabilitaumlt der weiszligen Substanz

Eine zerebrale Ischaumlmie kann bei Fruumlhgeborenen durch eine Vielzahl von Faktoren bedingt sein welche praumlnatal perinatal oder postnatal ihren Ursprung haben Praumlnatale und perinatale Ursachen sind zirkulatorische Beeintraumlchtigungen aufgrund maternaler Blutun-gen waumlhrend der Schwangerschaft Plazentaloumlsungen oder Kompli-kationen bei Mehrlingsgraviditaumlt In solchen Faumlllen zeigen sich bei der Ultraschalluntersuchung unmittelbar nach der Geburt bereits periventrikulaumlre Laumlsionen an typischer Lokalisation

Am haumlufigsten entsteht eine PVL in Verbindung mit einer Chorioamnionitis Vermutlich werden Oligodendrozyten im Rah-men einer fetalen Entzuumlndungsreaktion durch proinflammatorische Zytokine und andere entzuumlndliche Mediatoren geschaumldigt Bei Fruumlh-geborenen mit PVL finden sich zum Zeitpunkt der Geburt haumlufig erhoumlhte Serumkonzentrationen an proinflammatorischen Zytoki-nen (TNF α Interleukin-6) die Hochrisikopatienten zeigen jedoch in der Regel keine Infektionssymptome

gt Eine Chorioamnionitis spielt in der Pathogenese der peri-ventrikulaumlren Leukomalazie eine entscheidende Rolle

Im zerebralen Ultraschall laumlsst sich zum Zeitpunkt der Geburt be-reits eine symmetrische periventrikulaumlre Echoverdichtung darstel-len die spaumlter in zystische Veraumlnderungen uumlbergeht ( Abb 731)

Postnatal kann eine PVL bei schweren kardiorespiratorischen Beeintraumlchtigungen auftreten Dazu gehoumlren ein persistierender Ductus arteriosus Blutdruckabfaumllle im Rahmen einer Sepsis oder eine zerebrale Hirnminderdurchblutung aufgrund einer beatmungs-bedingten ausgepraumlgten Hypokapnie oder schwerer Apnoen In sol-chen Faumlllen sind periventrikulaumlre Echoverdichtungen erst spaumlter im Verlauf sonographisch darstellbar

kKlinikIn den meisten Faumlllen von prauml- und perinatal entstandener PVL sind die Kinder asymptomatisch Eine muskulaumlre Hypotonie und Hypo-motorik wird nur bei ausgedehnten Befunden beobachtet und zeigt sich auch bei kranken Fruumlhgeborenen ohne PVL

Die klinischen Spaumltfolgen der PVL sind durch die Lokalisation der Laumlsionen bedingt ( Abb 730) Eine PVL betrifft vorwiegend die untere Extremitaumlt und fuumlhrt zu einer spastischen Diplegie Ein mas-siver Befund mit lateraler Ausdehnung kann auch zu einer Beeintraumlch-tigung der Funktion der oberen Extremitaumlt und des Intellekts fuumlhren

kPraumlventionEine Praumlvention der PVL ist zur Zeit nur bei den postnatal entstan-denen Laumlsionen moumlglich und hier auch oft nur sehr bedingt Sie besteht in der Vermeidung der Hyperventilation bei beatmeten Fruumlhgeborenen sowie der adaumlquaten Therapie einer Hypotension eines PDA oder schwerer Apnoen Eine kausale Praumlvention der Chorioamnionitis-assoziierten PVL gibt es bisher nicht

Der besondere FallAnamnese Ein weibliches Fruumlhgeborenes wurde spontan nach unauf-haltsamer Wehentaumltigkeit in der 29 Gestationswoche mit einem Ge-burtsgewicht von 1360 g geboren Der Blasensprung erfolgte 4 Tage vor der Geburt das Fruchtwasser war klar Die Mutter zeigte keine Er-houmlhung des C-reaktiven Proteins sie hatte kein Fieber Die histologi-sche Untersuchung der Plazenta aber zeigte deutliche Zeichen einer Chorioamnionitis mit massiver leukozytaumlrer Infiltration der EihaumluteBefunde Postnatal zeigte das Fruumlhgeborene eine rasche und gute cardiopulmonale Adaptation Es entwickelte kein Atemnotsyndrom und keinen zusaumltzlichen Sauerstoffbedarf Eine Ultraschalluntersu-chung des Kopfes am 2 Lebenstag zeigte eine deutliche scharf be-grenzte Echoverdichtung beidseits frontal und lateral der Seitenventri-kel Eine Echoverdichtung im Bereich der germinalen Matrix oder in-nerhalb der Seitenventrikel fand sich nichtKlinischer Verlauf Im Alter von 11 Tagen zeigte das Fruumlhgeborene eine Serie von Apnoen welche nach taktiler Stimulation sistierten Der Muskeltonus war schlaffer als vorher das Kind wies eine diskrete Marmorierung der Haut auf der Blutdruck war instabil und bedurfte einer Volumengabe Es wurde die Verdachtsdiagnose einer Sepsis ge-stellt und nach Abnahme von Blutkulturen eine antibiotische Therapie begonnen Die Blutkultur zeigt ein Wachstum von Staphylococcus

Abb 731 Zystische Erweichungsherde bei periventrikulaumlrer Leukomala-zie (Schaumldelsonographie Laumlngsschnitt)

6

Kapitel 7 middot Neonatologie158

7

epidermidis Nach einer Woche waren im Ultraschallbild zystische Veraumlnderungen beidseits periventrikulaumlr nachweisbar Das Kind ent-wickelte eine spastische Diplegie bei unauffaumllliger mentaler Ent icklungBeurteilung Das Kind zeigte die typischen sonographischen Befunde einer PVL Die unmittelbar postnatal registrierten periventrikulaumlren Echoverdichtungen weisen auf eine prauml- oder perinatale Genese hin Obwohl die Anamnese keine sicheren maternalen Infektionssymptome zeigte lag histologisch eine Chorioamnionitis vor welche wahrschein-lich mit der Entstehung einer periventrikulaumlren Leukomalazie in Ver-bindung gebracht werden kann Die Chorioamnionitis hatte zu keiner kindlichen Infektion gefuumlhrt Die Atem- und Kreislaufregulations-stoumlrungen sind als Symptome der nosokomialen Sepsis zu deuten

7610 Apnoen bei Fruumlhgeborenen

kGrundlagenFruumlhgeborene insbesondere sehr unreife Kinder mit einem Geburts-gewicht lt1000 g zeigen nach der Geburt uumlber eine lange Zeit eine ausgepraumlgte kardiorespiratorische Instabilitaumlt Ohne Zeichen einer anderen Grunderkrankung treten ploumltzlich Apnoen Bradykardien und Hypoxaumlmien auf Aufgrund der Unreife zentraler Steuerungs-strukturen sind solche Apnoen bei Fruumlhgeborenen regelhaft zu beo-bachten und somit physiologisch (Fruumlhgeborenenapnoen) Sie wer-den jedoch pathologisch durch ihre Dauer und den Schweregrad der begleitenden Hypoxaumlmie undoder Bradykardie Apnoen mit relevan-ten Hypoxaumlmien und Bradykardien sind behandlungsbeduumlrftig Da die Herzauswurfleistung bei Neugeborenen im Wesentlichen durch die Herzfrequenz bestimmt wird kommt es bei solchen Ereignissen stets zu einer betraumlchtlichen Verminderung der Hirnperfusion

gt Schwere Fruumlhgeborenenapnoen koumlnnen vermutlich das Risiko fuumlr ischaumlmische Hirnlaumlsionen sowie fuumlr die Ent-wicklung einer eine Retinopathie erhoumlhen

kDefinitionenApnoen Bradykardien und Hypoxaumlmien werden in der Literatur recht unterschiedlich definiert die folgenden Definitionen werden jedoch fuumlr Fruumlhgeborene zunehmend akzeptiert 4 Apnoe Atempause gt20 s oder Atempause lt20 s mit begleiten-

der BradykardieHypoxaumlmie 4 Bradykardie Abfall der Herzfrequenz lt80min oder Abfall

gt13 des Basalwerts 4 Hypoxaumlmie SO2-Abfall lt80 Dauer ge4 s

kPathogeneseNeben dieser unreifebedingten Genese von Apnoen koumlnnen prolon-gierte Atempausen jedoch auch Symptome einer Grunderkrankung sein (symptomatische Apnoen) Insbesondere bei systemischen Infektionen oder anderen schweren Erkrankungen kommt es haumlufig zur Beeintraumlchtigung der Atemregulation

Ursachen symptomatischer Apnoen 4 Sepsis und Meningitis (besonders bei neuauftretenden

Apnoen) NEC 4 Persistierender Ductus arteriosus (Wiedereroumlffnung

eines bereits verschlossenen Ductus arteriosus) 4 Apnoen als Symptom einer beginnenden respiratori-

schen Insuffizienz bei Atemnotsyndrom Pneumonie oder BPD

4 Zentrale Atemregulationsstoumlrung bei Asphyxie Hirn-blutung Hirnfehlbildung

4 Gastrooumlsophagealer Reflux 4 Obere Luftwegsobstruktion bei Choanalstenose

Pierre-Robin-Sequenz oder Stimmbandlaumlhmung 4 Fuumltterungsbedingte Bradykardien durch Vagusreiz

CavePrinzipiell sind Apnoen solange verdaumlchtig auf eine Sepsis bis das Gegenteil bewiesen ist

Fruumlhgeborenenapnoen besser als Apnoe-Bradykardie-Hypoxaumlmie-Syndrom Fruumlhgeborener beschrieben sind komplexer Genese Zu-grunde liegt eine Kombination unreifebedingter Ursachen ganz verschiedener Organsysteme des Atemzentrums der oberen Luft-wege des Thorax und der Lunge ( Abb 732) Das Atemzentrum in der Medulla oblongata sowie die peripheren Chemorezeptoren zei-gen bei Fruumlhgeborenen eine Persistenz fetaler Reaktionsweisen Im Gegensatz zum reifen Neugeborenen das verstaumlrkt atmet reagiert das Fruumlhgeborene auf eine Hypoxie mit einer Apnoe ( Abb 732) Weiterhin liegt eine verminderte CO2-Responsivitaumlt d h es erfolgt nur eine geringe Atemstimulation bei Hyperkapnie Ein Kollaps der oberen Luftwege kann ebenso wie Thoraxinstabilitaumlt oder eine Ver-minderung des Atemminutenvolumens bei periodischer Atmung eine intermittierende Hypoventilation mit Hypoxie zur Folge haben

kDiagnoseMithilfe der gleichzeitigen Registrierung von thorakaler und nasaler Atmung Herzfrequenz und Sauerstoffsaumlttigung (Oxykardiorespi-rographie) koumlnnen bei Fruumlhgeborenen die oben beschriebenen ver-schiedenen Formen der Atemregulationsstoumlrung dargestellt werden 4 Zentrale Apnoe thorakale Atmungsaktivitaumlt und nasaler Luft-

strom sistieren parallel Herzfrequenz und Sauerstoffsaumlttigung fallen anschlieszligend ab

4 Obstruktive Apnoe thorakale Atmungsaktivitaumlt haumllt an nasaler Luftstom sistiert Herzfrequenz und Sauerstoffsaumlttigung fallen ab

4 Gemischte Apnoe erst obstruktive dann zentrale Apnoe oder umgekehrt

4 Primaumlre Hypoxaumlmie primaumlrer Abfall der Sauerstoffsaumlttigung dann Abfall von Herzfrequenz und Apnoe

gt Aufgrund der Haumlufigkeit von Apoen Bradykardien und Hypoxaumlmien bei Fruumlhgeborenen muumlssen die Vitalparame-ter dieser Kinder in der Regel uumlber lange Zeit auf einer Intensivstation uumlberwacht werden

kTherapieZur Behandlung des Apnoe-Bradykardie-Hypoxaumlmie-Syndroms Fruumlhgeborener stehen verschiedene Optionen zur Verfuumlgung Weiterhin haumlngt die Wahl der Therapiemaszlignahme von der Haumlufig-keit und Schwere der Atemregulationsstoumlrung ab

Therapeutische Maszlignahmen bei Fruumlhgeborenenapnoe 4 Taktile Stimulation Taktile Maszlignahmen wie Streicheln

oder sanftes Schuumltteln fuumlhren in den meisten Faumlllen zur Wiederaufnahme der Atmung

4 Atemstimulation durch Methylxanthine (Coffein Theophyllin) oder Doxapram

6 6

715977 middot Lungenerkrankungen des Neugeborenen

4 Verminderung von Hypoxaumlmien durch Nasen-CPAP undoder geringfuumlgige Anhebung der inspiratorischen Sauerstoffkonzentration (5)

4 Bei Versagen dieser Maszlignahmen ist eine maschinelle Beatmung erforderlich

Es gibt zur Zeit keine sicheren Angaben wie viele Apnoen und welcher Schweregrad toleriert werden koumlnnen und somit keine klaren Indikationen wann die konservative Behandlung beendet und eine maschinelle Beatmung erfolgen soll Wenn bei schweren Apnoen wiederholt eine Maskenbeatmung zur Behandlung der Bradykardie und Hypoxie notwendig ist besteht in der Regel die Indikation zur maschinellen Beatmung

CaveDie auf den Intensivstationen uumlbliche Uumlberwachung der Sauerstofftherapie durch Pulsoxymeter ist nur fuumlr die Erfassung einer Hypoxie sinnvoll und eignet sich nicht gut fuumlr die Kontrolle einer Hyperoxie Diese erfolgt besser durch die transkutane Messung des pO2

77 Lungenerkrankungen des Neugeborenen

771 Transitorische Tachypnoe

kDefinitionDie transitorische Tachypnoe (Synonym transientes Atemnotsyn-drom des Neugeborenen raquofluid lunglaquo Fluumlssigkeitslunge) entwickelt sich in den ersten Lebensstunden nach der Geburt uumlberwiegend bei reifen Neugeborenen oder relativ raquoreifenlaquo Fruumlhgeborenen Charak-teristisch ist die deutlich beschleunigte Atemfrequenz mit minima-len Einziehungen und gelegentlich auftretender leichter Zyanose Die Erkrankung bildet sich in der Regel innerhalb der ersten 2ndash3 Le-benstage spontan zuruumlck

kPathogeneseDie transitorische Tachypnoe wird vermutlich durch eine ver-zoumlgerte Resorption der kindlichen Lungenfluumlssigkeit uumlber die pulmonalen Lymph- und Blutgefaumlszlige oder aber einen vermehrten pulmonalen Fluumlssigkeitsgehalt ausgeloumlst Die praumldisponierenden Faktoren die mit einer normalen Fluumlssigkeitsresorption interferie-ren oder aber zu einer Erhoumlhung des pulmonalen Fluumlssigkeitsgehalts fuumlhren sind in der Uumlbersicht dargestellt

Faktoren die mit verzoumlgerter Fluumlssigkeitsresorption oder vermehrtem pulmonalem Fluumlssigkeitsgehalt einhergehen

4 Sectio caesarea am wehenlosen Uterus 4 raquoWunschlaquosectio vor der 39 Gestationswoche 4 Perinatale Asphyxie 4 Muumltterlicher Diabetes 4 Exzessive muumltterliche Analgesie 4 Oxytocin und vermehrte maternale Fluumlssigkeitszufuhr 4 Polyglobulie (Polyzythaumlmie) des Neugeborenen 4 Erhoumlhter zentraler Venendruck des Neugeborenen 4 Verspaumltetes raquoAbnabelnlaquo

kKlinikDie Neugeborenen fallen durch eine kurze Zeit nach der Geburt einsetzende Tachypnoe (bis zu 120 Atemzuumlgemin) auf die nur von geringen Einziehungen und wechselnd ausgepraumlgtem inspiratori-schem Stoumlhnen begleitet ist die Lungen sind haumlufig uumlberblaumlht Bei Hypoxaumlmie ist in der Regel eine Zufuhr von 30ndash40 O2 in der Inspirationsluft ausreichend um eine suffiziente Oxygenierung zu erzielen Das Roumlntgenthoraxbild zeigt typischerweise vermehrte zen-trale Verdichtungen mit einer peripheren Uumlberblaumlhung der Lunge und gelegentlich interlobaumlren Fluumlssigkeitsansammlungen oder kleinen Pleuraerguumlssen Gelegentlich entwickelt sich auf dem Boden einer massiven pulmonalen Uumlberblaumlhung eine pulmonale Hyper-tonie mit Rechts-links-Shunt die in das gefuumlrchtete Krankheitsbild der persistierenden pulmonalen Hypertonie einmuumlnden kann

Abb 732 Unreifebedingte Faktoren mit Bedeutung fuumlr die Genese von Apnoen Bradykardien undoder Hypoxaumlmien bei Fruumlhgeborenen

Kapitel 7 middot Neonatologie160

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kDiagnoseDie Diagnose der transitorischen Tachypnoe basiert haumlufig auf dem Ausschluss anderer akuter pulmonaler Erkrankungen und wird haumlufig erst retrospektiv gestellt Neonatale Pneumonien insbeson-dere mit β-haumlmolysierenden Streptokokken der Gruppe B koumlnnen unter einer identischen initialen Dynamik verlaufen

kTherapieBei Atemfrequenzen gt80min wegen Aspirationsgefahr keine orale Ernaumlhrung intravenoumlse Fluumlssigkeitszufuhr bei Bedarf O2-Gabe haumlufig ist eine kurzzeitige antibiotische Behandlung indiziert

772 Mekoniumaspirationssyndrom

kDefinitionNach der Aspiration von Mekonium entwickelt sich eine pathogene-tisch komplexe Erkrankung die durch eine akute Atemnotsympto-matik der uumlberwiegend uumlbertragenen oder reifen hypotrophen Neugeborenen und einen kompatiblen radiologischen Lungen-befund charakterisiert ist Mekoniumhaltiges Fruchtwasser ist bei 10ndash18 aller Geburten nachzuweisen

kEpidemiologieDie Inzidenz des schweren Mekoniumaspirationssyndroms liegt zwischen 02ndash6 erkrankten Neugeborenen1000 Lebendgeborene Es bestehen erhebliche geographische und regionale Unterschiede in der Erkrankungshaumlufigkeit

kAumltiopathogeneseMekonium besteht aus eingedickten intestinalen Sekreten und Zellen sowie loumlslichen und zellulaumlren Fruchtwasserbestandteilen Die wasserloumlslichen Festsubstanzen bestehen u a aus Mukopoly-sacchariden Plasmaproteinen Proteasen konjugiertem Bilirubin die fettloumlslichen Bestandteile u a aus Bilirubin Bilirubinoiden freien Fettsaumluren Cholesterin und Glykolipiden Mekonium wird bereits von der 10ndash16 Gestationswoche an im fetalen Gastrointes-tinaltrakt gefunden Aufgrund einer intestinalen Hypomotorik wird

nur selten ein Mekoniumabgang bei Fruumlhgeborenen beobachtet Die Haumlufigkeit des Auftretens von mekoniumhaltigem Fruchtwasser ist direkt mit der Reife der Neugeborenen verbunden und ist mit houmlheren Serumspiegeln des properistaltischen Hormons Motilin as-soziiert Bei fehlenden Hinweisen auf eine intrauterine oder subpar-tale Gefaumlhrdungssituation duumlrfte ein Mekoniumabgang vor allem ein reifeabhaumlngiges Phaumlnomen reflektieren Eine akute intrauterine oder subpartuale kindliche Hypoxie kann gerade in den letzten Gestationswochen einen vorzeitigen Mekoniumabgang ausloumlsen der besonders bei einem Oligohydramnion ein sehr konsistentes raquoerbsbreiartigeslaquo Fruchtwasser hinterlassen kann Der Abgang von partikelhaltigem und dickfluumlssigem Mekonium praumldisponiert zur Entstehung eines Mekoniumaspirationssyndroms und zu kompli-zierten Erkrankungsverlaumlufen

Die konnatale Listerioseinfektion kann eine Ursache fuumlr den vorzeitigen Mekoniumabgang bei Fruumlhgeborenen sein

kPathophysiologieIm Verlauf einer intrauterinen oder subpartualen Hypoxie die zu einer Vasokonstriktion mesenterialer Gefaumlszlige Darmischaumlmie konsekutiver Hyperperistaltik und Sphinkterrelaxation fuumlhrt tritt ein fruumlhzeitiger Mekoniumabgang auf Die Aspiration von Meko-niumpartikeln kann durch eine hypoxieinduzierte vorzeitige Atemtaumltigkeit die ein bestimmtes Muster aufweist bereits in utero erfolgen haumlufiger findet die Aspiration von Mekonium jedoch un-mittelbar nach der Geburt statt Bei gt50 aller Neugeborenen mit mekoniumhaltigem Fruchtwasser lassen sich Mekoniumbestand-teile im Trachealaspirat nachweisen die bei der Mehrzahl der Kinder folgenlos eliminiert werden Groumlszligere Mekoniumpartikel die mit den ersten Atemzuumlgen in die kleineren Luftwege gelangen fuumlhren zu einer partiellen Bronchusobstruktion und Verlegung der Alveolen Die Folgen sind die Ausbildung von Atelektasen uumlberblaumlhten emphysematoumlsen Arealen (raquoair trappinglaquo) und extraalveolaumlre Luftansammlungen (interstitielles Emphysem Pneumothorax Pneumomediastinum etc Abb 83 Abb 733)

Durch im Mekonium enthaltene Substanzen (z B Fettsaumluren) entwickelt sich innerhalb von 24ndash48 h eine chemische Pneumonie Daruumlber hinaus fuumlhren verschiedene Proteine und Phospholipasen zu einer direkten Inaktivierung des Surfactantsystems Haumlufig bilden sich intrapulmonale Shunts und eine durch eine Konstriktion der Lungengefaumlszlige bedingte persistierende pulmonale Hypertonie aus die zu einer Rekonstitution fetaler Zirkulationsverhaumlltnisse fuumlhren kann

kKlinikDas klinische Bild wird vom Schweregrad der intrauterinen Asphyxie und dem Ausmaszlig der Mekoniumaspiration bestimmt Die Neu-geborenen fallen unmittelbar nach Geburt durch schwere Atem depression Schnappatmung Bradykardie Hypotonie Schocksymptome auf die Haut ist mit Mekonium bedeckt Finger-naumlgel und Nabelschnur koumlnnen gruumlnlich verfaumlrbt sein Neuge-borene mit Spontanatmung weisen eine Tachypnoe ausgepraumlgte Dyspnoezeichen und evtl eine Zyanose auf Die Roumlntgenthorax-aufnahme zeigt dichte fleckige Infiltrate neben uumlberblaumlhten Arealen abgeflachte Zwerchfelle und haumlufig extraalveolaumlre Luft ( Abb 734)

kPraumlventionDurch sorgfaumlltiges fetales Monitoring sind die Warnzeichen der intrauterinen Hypoxie zu erkennen Bestehen Hinweise auf eine kindliche Gefaumlhrdung so ist die sofortige Geburtsbeendigung obli-gat Bei allen Geburten die durch mekoniumhaltiges Fruchtwasser

Abb 733 Pathogenetische Sequenz der Mekoniumaspiration neben mechanischen Faktoren die zu einer schweren Beeintraumlchtigung der Lungenfunktion beitragen beguumlnstigt die chemische pulmonale Inflamma-tionsreaktion die Entwicklung von Hypoxie und Azidose

716177 middot Lungenerkrankungen des Neugeborenen

auffallen sollte umgehend ein erfahrener Kinderarzt zur postnatalen Versorgung des Neugeborenen hinzugezogen werden

gt Bei Abgang von mekoniumhaltigem Fruchtwasser muss bereits vor dem ersten Atemzug d h nach der Geburt des kindlichen Kopfes von Geburtshelfer oder Hebamme Mekonium aus dem Oropharynx entfernt werden

Findet sich bei einem klinisch auffaumllligen Neugeborenen waumlhrend der laryngoskopischen Inspektion des Kehlkopfes Mekonium unter-halb der Stimmbaumlnder so ist es unverzuumlglich mit einem dicklumigen Katheter oder evtl direkt uumlber einen Endotrachealtubus abzusau-gen Bei groumlszligeren Mengen erbsbreiartigen Mekoniums in den Luft-wegen sollte eine Bronchiallavage durchgefuumlhrt werden Tierexpe-rimentelle Untersuchungen und einzelne klinische Erfahrungsbe-richte aus juumlngster Zeit weisen darauf hin dass eine Bronchiallavage mit einer verduumlnnten Loumlsung einer natuumlrlichen Surfactantpraumlpara-tion (ca 5 mg Phospholipideml) zu einer deutlichen Verbesserung der Oxygenierung und Ventilation fuumlhren Auf eine primaumlre Mas-kenbeatmung ist ndash wenn moumlglich ndash zu verzichten

kTherapieDie zum Teil auszligerordentlich schwierige Behandlung Neugeborener mit Mekoniumaspirationssyndrom schlieszligt zur Behandlung der Hypoxaumlmie eine konventionelle Beatmungstherapie die Hochfre-quenzoszillationsbeatmung die Surfactantsubstitutionstherapie und den Einsatz von Stickstoffmonoxid (NO) ein Als Ultima-ratio-Therapie ist eine extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO) zu erwaumlgen Einzelheiten der Therapie sind den Lehrbuumlchern der Neonatologie zu entnehmen

773 Pneumothorax

kEpidemiologieEin spontaner asymptomatischer Pneumothorax tritt bei ca 05ndash1 aller Neugeborenen auf Die Pneumothoraxinzidenz bei maschinell beatmeten Fruumlhgeborenen mit Atemnotsyndrom betrug vor Einfuumlh-rung der Surfactanttherapie 15ndash30 Inzwischen wird diese Kompli-kation bei 3ndash6 aller beatmeten Fruumlhgeborenen beobachtet

kAumltiologieEin symptomatischer Pneumothorax kann bei einer Reihe pulmo-naler Erkrankungen Fruumlh- und Neugeborener auftreten Atemnot-syndrom Mekoniumaspiration Lungenhypoplasie kongenitale Zwerchfellhernie transitorische Tachypnoe Aspirationspneumonie Staphylokokkenpneumonie mit Pneumatozele lobaumlres Emphysem nach Thorakotomie Ebenso findet es sich nach unsachgemaumlszliger Reanimation und maschineller Beatmung

kPathogeneseEin hoher intraalveolaumlrer Druck der durch erhoumlhten Spitzendruck und positiv endexspiratorischen Druck (raquopositive endexpiratory pressurelaquo PEEP) bei maschineller Beatmung entsteht oder aber von tachypnoeischen spontanatmenden Kindern durch einen er-houmlhten so genannten raquoAuto-PEEPlaquo gebildet wird kann besonders in ungleich beluumlfteten Lungenarealen zu einer Uumlberblaumlhung von Alveolen und zu einer moumlglichen Ruptur der Alveolarwand fuumlhren Die extraalveolaumlre Luft ist in der Lage durch das interstitielle Ge-webe und entlang der perivaskulaumlren Gefaumlszligscheiden sowie der peribronchialen Lymphgefaumlszlige zu entweichen In Abhaumlngigkeit von der Ausbreitung der Luft ist mit einer Reihe von Komplikationen zu rechnen interstitielles Emphysem Pneumomediastinum Span-nungspneumothorax Pneumoperitoneum Pneumoperikard und subkutanes zervikales oder thorakales Emphysem

Ein Spannungspneumothorax entwickelt sich bei einer druck-wirksamen Ansammlung von Luft im Pleuraspalt Ein einseitiger Spannungspneumothorax fuumlhrt nicht nur zu einer schweren Venti-lationsstoumlrung der betroffenen gelegentlich kollabierten Lungens-eite sondern durch die Mediastinalverlagerung auch der kontralate-ralen Lunge Daneben wird durch Kompression der V cava oder Torsion der groszligen Gefaumlszlige der venoumlse Ruumlckfluss erheblich be-eintraumlchtigt Bei der Entstehung des interstitiellen Emphysems scheinen nicht nur physikalische Faktoren von Bedeutung zu sein sondern auch pulmonale Entzuumlndungsvorgaumlnge und proteolytische Lungengeruumlstschaumldigungen die u a nach praumlnatalen Infektionen beobachtet wurden

kKlinikDie klinischen Leitsymptome des gefuumlrchteten Spannungspneumo-thorax sind

4 ploumltzlich einsetzende Atemnot 4 Zyanose 4 Hypotension 4 Schocksymptome 4 Bradykardie 4 Thoraxasymmetrie 4 Verlagerung der Herztoumlne 4 seitendifferentes Atemgeraumlusch

Gerade bei kleinen Fruumlhgeborenen kann die Diagnose eines Span-nungspneumothorax schwierig sein da bei maschinell beatmeten Patienten nicht immer ein fehlendes oder abgeschwaumlchtes Atem-geraumlusch nachweisbar ist

kDiagnose TherapieIn lebensbedrohlichen Situationen darf keine Zeit durch Anferti-gung einer Roumlntgenaufnahme vergehen es ist eine sofortige Pleura-punktion mit Entlastung des Pneumothorax durchzufuumlhren

Anschlieszligend wird eine Pleuradrainage unter optimalen Bedin-gungen gelegt Die Transillumination des Thorax mit einer fiberop-tischen Kaltlichtlampe erlaubt eine rasche Identifizierung des illumi-nierenden lufthaltigen Pleuraraumes ( Abb 735)

Abb 734 Radiologische Veraumlnderungen bei schwerem Mekonium-aspirationssyndrom neben verdichteten dystelektatischen Arealen finden sich typische uumlberblaumlhte Lungenanteile

Kapitel 7 middot Neonatologie162

7

774 Kongenitales lobaumlres Emphysem

kDefinitionDas kongenitale lobaumlre Emphysem ist durch eine Uumlberblaumlhung einer oder mehrerer Lungenlappen charakterisiert ( Abb 736) Meistens sind die Oberlappen oder der rechte Mittellappen be-troffen Ungefaumlhr 10 der betroffenen Kinder haben zusaumltzlich ein Vitium cordis oder andere Fehlbildungen

kAumltiologieAls Ursachen des lobaumlren Emphysems das mit der zunehmenden Uumlberblaumlhung auch normales Lungengewebe komprimiert werden

Stoumlrungen im Aufbau der Bronchialwand (z B Fehlen des bronchia-len Knorpels) intraluminale Bronchusobstruktionen (eingedicktes Sekret Schleimhautfalten) oder extraluminale Bronchusobstruk-tionen (z B Kompression durch aberrierende Gefaumlszlige) gefunden

kKlinik TherapieHaumlufig entwickelt sich die klinische Symptomatologie die durch eine progrediente Tachypnoe und andere Dyspnoezeichen auffaumlllt innerhalb der ersten Lebenswochen Einige Neugeborene erkranken allerdings unmittelbar postnatal an einer akuten progredienten Atemnotsymptomatik Bei diesen Kindern ist eine sofortige Bron-choskopie undoder Resektion des betroffenen uumlberblaumlhten Lun-genteils lebensrettend Bei vital milder aber progredienter Sympto-matik ist eine chirurgische Therapie angezeigt Nur bei asymptoma-tischen Kindern kann unter regelmaumlszligiger Kontrolle auf eine invasive Behandlung verzichtet werden da sich ein lobaumlres Emphysem ge-legentlich zuruumlckbilden kann

775 Lungenhypoplasie

kDefinitionEine Lungenhypoplasie ist entweder Ausdruck einer gestoumlrten Organanlage oder einer Ausreifungsstoumlrung der fetalen Lunge die durch verschiedene mit der normalen Lungenentwicklung inter-ferierende Faktoren ausgeloumlst werden kann

kAumltiopathogeneseEine Anlagestoumlrung der Lunge wird bei seltenen Chromosomen-aberationen beobachtet Wesentlich haumlufiger entwickelt sich eine Lungenhypoplasie im Rahmen fetaler Grunderkrankungen oder Stouml-rungen die mit der normalen Ausbildung der Alveolen inter ferieren Ein Mangel an Fruchtwasser der zu einem Verlust intraalveolaumlrer Fluumlssigkeit in der vulnerablen Phase der Lungenentwicklung (vor der 26 Gestationswoche) fuumlhrt kann eine schwere Lungenhypoplasie

Abb 735a b Diagnose eines linksseitigen Pneumothorax durch Transillumination mit Hilfe einer Kaltlichtlampe (a) linksseitiger Spannungspneumo-thorax mit Verdraumlngung des Mediastinums nach rechts (Roumlntgen-Thorax) (b)

a b

Abb 736 Lobaumlres Emphysem des linken Lungenoberlappens bei einem 4 Wochen alten Fruumlhgeborenen der 36 Gestationswoche Mediastinalver-schiebung nach rechts Kompression des linken Unterlappens

716377 middot Lungenerkrankungen des Neugeborenen

nach sich ziehen Eine bilaterale Nierenagenesie (Potter-Sequenz) Anhydramnie bei vorzeitigem Blasensprung oder Fruchtwasserver-lust nach Amniozentese sind als Ursache der Lungenhypoplasie defi-niert Aber auch fehlende intrauterine Atembewegungen der Feten wie sie bei neuromuskulaumlren Erkrankungen Myasthenia gravis An-enzephalie u a Erkrankungen beobachtet werden koumlnnen die nor-male Entwicklung nachhaltig beeinflussen Eine Kompression der fe-talen Lunge nach Malformation des Thorax fuumlhrt bei verschiedenen Skeletterkrankungen (u a asphyxierende Thoraxdysplasie) zu einer Lungenhypoplasie Auch andere Fehlbildungen wie die Zwerchfellher-nie und Chylothorax koumlnnen uumlber eine Kompression des Lungenge-webes die normale Wachstumsdynamik nachhaltig beeintraumlchtigen

kKlinik DiagnoseDie schwere Lungenhypoplasie manifestiert sich entweder unter dem Bild einer Asphyxie oder aber schwersten respiratorischen Insuffizienz Die hypoplastischen Lungen lassen sich haumlufig auch unter intensiven Beatmungsmaszlignahmen nicht wirksam eroumlffnen Haumlufig treten bilaterale Pneumothoraces auf einige Patienten ent-wickeln auf dem Boden einer primaumlren pulmonalen Hypertonie eine persistierende fetale Zirkulation Bei ausgepraumlgten Formen der Lungenhypoplasie ist die Prognose infaust Die Thoraxaufnahme zeigt typischerweise schmale Lungen mit einem glockenfoumlrmigen Thorax ( Abb 737) Die Diagnose ist allerdings haumlufig nur zu ver-muten und wird anhand anamnestischer Risiken sowie des postna-talen Verlaufs nicht selten retrospektiv gestellt Post mortem kann durch Bestimmung des Lungengewichts sowie mithilfe morphome-trischer Techniken die Verdachtsdiagnose verifiziert werden

kTherapieNur bei weniger ausgepraumlgten Formen der Lungenhypoplasie kann durch differenzierte Beatmungstechniken Einsatz von Stickstoff-monoxid NO und gegebenenfalls Surfactantsubstitution (sekun-

daumlrer Surfactantmangel) eine nachhaltige Stabilisierung der Lungen-funktion erzielt werden

776 Zwerchfellhernie (Enterothorax)

kEpidemiologieDie Inzidenz einer Zwerchfellhernie betraumlgt ca 0251000 Lebend-geborene 80ndash90 der Hernien treten auf der linken Seite auf

kPathogeneseEin Zwerchfelldefekt kann zu einer Verlagerung saumlmtlicher Bauch-organe in die Thoraxhoumlhle fuumlhren ( Abb 738) Dieses Krankheits-bild ist ein dringlicher Notfall der Neugeborenenchirurgie (7 Kap 36) Infolge der Lungenkompression und Herzverlagerung kann sich eine schwerste rasch progrediente respiratorische und kardiozirkulatorische Insuffizienz mit persistierender fetaler Zir-kulation entwickeln ( Abb 739)

gt Die operative Versorgung eines Neugeborenen mit Zwerchfellhernie sollte erst nach optimaler Stabilisierung der respiratorischen und kardiozirkulatorischen Funktio-nen erfolgen

kKlinikDie Leitsymptome der Zwerchfellhernie sind 4 zunehmende Atemnot 4 Zyanose 4 Schocksymptome 4 Verlagerung der Herztoumlne 4 ein asymmetrisch vorgewoumllbter Thorax ohne Atemexkursion 4 fehlendes Atemgeraumlusch 4 evtl Darmgeraumlusche im Thorax 4 ein eingesunkenes raquoleereslaquo Abdomen

Abb 737 Radiologischer Befund einer aumltiologisch ungeklaumlrten Lungen-hypoplasie bei einem Fruumlhgeborenem der 34 Gestationswoche

Abb 738 Linksseitiger Zwerchfelldefekt mit intrathorakal gelegenem Magen und Darmanteilen massive Verlagerung des Herzens nach rechts

Kapitel 7 middot Neonatologie164

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kTherapieDa mit zunehmender Luftfuumlllung des intrathorakal gelegenen Darmes Lunge Herz und Mediastinum verdraumlngt werden und somit eine Spannungssymptomatik entstehen kann ist eine primaumlre Maskenbeatmung obsolet Die Neugeborenen werden umgehend intubiert erhalten eine offene Magensonde und werden bereits im Kreiszligsaal auf die betroffene Seite gelagert

kPrognoseDie Prognose der Zwerchfellhernie wird entscheidend vom Grad der Lungenhypoplasie der optimalen Erstversorgung der chirurgi-schen Therapie und der anschlieszligenden intensivmedizinischen Behandlung beeinflusst Die Diagnose kann bei bereits zum Unter-suchungszeitpunkt vorliegendem Enterothorax praumlnatal gestellt werden

777 Neonatale Pneumonien

kDefinitionEine neonatale Pneumonie entwickelt sich auf dem Boden einer intrauterinen sub- oder postnatalen Infektion mit muumltterlichen oder nosokomialen Erregern u a durch Aspiration infizierten Fruchtwassers Man kann davon ausgehen dass bakteriell kontami-niertes Fruchtwasser oder infizierte Lungenfluumlssigkeit mit den ers-ten Atemzuumlgen in die terminalen Atemwege gelangt und dort mit einer kurzen Latenz eine Entzuumlndungsreaktion ausloumlst Dieser Mechanismus erklaumlrt das oftmals symptomfreie Intervall nach der Geburt ( Abb 740)

kPathogenesePathogenese Risikofaktoren und Erregerspektrum sind im 7 Ab-schn 7109 abgehandelt

Beatmete und intensivmedizinisch behandelte Fruumlh- und Neugeborene sind besonders gefaumlhrdet eine Pneumonie mit Pseudomonas- oder Klebsiellenspezies zu akquirieren Chlamy-dien und Ureaplasmen kommen ebenfalls als Erreger von Pneu-monien Fruumlhgeborener vor Seltener treten Mykoplasmen als Er-reger auf

gt Bei langzeitbeatmeten Fruumlhgeborenen die uumlber laumlngere Zeit antibiotisch behandelt wurden ist immer an eine Pilzpneumonie insbesondere mit Candida spp zu denken

kKlinikDie klinische Symptomatik einer in den ersten Lebensstunden und Lebenstagen oder auch spaumlter auftretenden neonatalen Pneumonie verlaumluft haumlufig unter dem Bild eines progredienten Atemnot-syndroms mit Tachypnoe Einziehungen und Nasenfluumlgeln

kTherapieDie primaumlre antibiotische Behandlung muss gegen die potenziellen Mikroorganismen gerichtet sein (s Therapie der neonatalen Sepsis) Bei Atem- undoder Kreislaufinsuffizienz der erkrankten Neuge-borenen wird die erforderliche Supportivtherapie durchgefuumlhrt Chlamydien- und Ureaplasmapneumonien werden mit Erythromy-cin behandelt Pneumocystispneumonien mit TrimethoprimSulfa-methoxazol

778 Persistierende pulmonale Hypertonie (persistierende fetale Zirkulation)

kDefinitionDie persistierende pulmonale Hypertonie (PPH syn persistierende fetale Zirkulation) ist ein lebensbedrohliches Krankheitsbild das auf dem Boden eines persistierenden erhoumlhten pulmonalen Gefaumlszlig-druckes durch einen signifikanten Rechts-links-Shunt uumlber das of-fene Foramen ovale uumlber den persistierenden Ductus arteriosus und auch intrapulmonale Shunts ohne Hinweise auf eine strukturel-le Herzerkrankung charakterisiert ist

kAumltiologieDie PPH tritt uumlberwiegend bei reifen und uumlbertragenen Neuge-borenen auf Nach intrauteriner und subpartualer Hypoxie muumltterlicher Aspirin- und Indometacineinnahme waumlhrend der Schwangerschaft wurde eine Verdickung und Ausdehnung der Ge-faumlszligmuskulatur bis in kleine pulmonale Arterien hinein beschrieben Am haumlufigsten entwickelt sich eine PPH sekundaumlr bei Neugeborenen

Abb 739 Charakteristischer radiologischer Befund einer linksseitigen Zwerchfellhernie luftgefuumlllte Darmschlingen Verlagerung des Mediasti-nums und des Herzens nach rechts verdichtete Lunge rechts

Abb 740 Aumltiopathogenese der neonatalen Pneumonie Bakteriell infizierte Lungenfluumlssigkeit gelangt mit den ersten Atemzuumlgen des Neu-geborenen in die terminalen Atemwege

716577 middot Lungenerkrankungen des Neugeborenen

nach Mekoniumaspiration Weitere Erkrankungen in deren Folge sich eine PPH entwickeln kann sind die subpartuale und post-natale Hypoxie die neonatale Sepsis mit β-haumlmolysierenden Streptokokken der Gruppe B und Listerien die Zwerchfellhernie die Lungenhypoplasie Pneumothorax Hyperviskositaumltssyndrom Hypoglykaumlmie und Hypothermie sowie ein Atemnotsyndrom Die PPH ist nicht selten idiopathisch Die Praumlvalenz dieser Erkran-kung wurde auf etwa 1 Neugeborenes pro 1000 Lebendgeborene geschaumltzt

kPathophysiologieBei intranataler oder postnataler Hypoxie entwickelt sich rasch eine metabolisch-respiratorische Azidose Die normalerweise durch Anstieg des paO2 und Abfall der paCO2 unmittelbar nach der Geburt einsetzende Dilatation der Lungenarterien bleibt aus die Azidose induziert uumlber eine pulmonale Vasokonstriktion eine pulmonale Hypertonie die uumlber das Foramen ovale den Ductus arteriosus Bo-talli und intrapulmonale Shunts die Entwicklung eines persistieren-den Rechts-links-Shunts nach sich zieht Es bildet sich eine zuneh-mende Sauerstoffuntersaumlttigung des arteriellen Blutes aus die mit der postnatal einsetzenden Vasodilatation interferiert ( Abb 741) Bei einigen dieser Patienten liegen bereits pulmonale Gefaumlszligveraumlnde-rungen im Sinne einer Mediahypertrophie vor die Ausdruck einer chronischen intrauterinen Hypoxie sein koumlnnten (primaumlrer pulmo-naler Hochdruck andere Kinder haben als Grunderkrankung eine mehr oder weniger ausgepraumlgte Lungenhypoplasie) Potente Stimuli der pulmonalen Vasokonstriktion sind Leukotriene und weitere Lipidmediatoren deren Freisetzung bei allen sekundauml ren Formen der PPH durch Hypoxie Infektionen und die im Verlauf verschie-denster Grunderkrankungen einsetzenden Inflammationsreaktion gefoumlrdert wird

kKlinikDie Neugeborenen erkranken in der Regel innerhalb der ersten 12 Lebensstunden In Abhaumlngigkeit von der Grunderkrankung ste-hen entweder die Zyanose (Polyzythaumlmie idiopatische PPH u a) oder die schwere Atemnotsymptomatik mit Zyanose (Mekoniu-maspiration Zwerchfellhernie u a) im Vordergrund Die Patienten koumlnnen innerhalb kurzer Zeit ein Multiorganversagen oder Myokar-dischaumlmie entwickeln Die klinische Verdachtsdiagnose einer PPH kann durch die prauml- und postduktale O2-Differenz und nicht zuletzt durch die Echokardiographie (einschlieszliglich dopplersonographi-scher Diagnostik) bestaumltigt werden Der Roumlntgenthoraxbefund ist bei einigen Erkrankungen unauffaumlllig (Asphyxie Hyperviskositaumlts-syndrom etc) bei anderen zeigt er die typischen Veraumlnderungen der Grunderkrankung

kTherapieZu einer optimalen Behandlung gehoumlrt ndash wenn immer moumlglich ndash eine Korrektur der Grundproblematik sowie eine gezielte Suppor-tivtherapie und Behandlung aller im Verlauf der Erkrankung auf-getretenen Komplikationen wie z B Hypotension myokardiale Dysfunktion Azidose Die Kinder sind zu sedieren und gegebenen-falls zu relaxieren Der entscheidende therapeutische Ansatz ist eine suffiziente maschinelle Beatmung mit ausreichender Oxyge-nierung Die fruumlher geuumlbte Hyperventilationstherapie mit einem pCO2 von 20ndash25 mmHg ist wegen der Drosselung der zerebralen Durchblutung heute obsolet Zusaumltzlich wird das kurzzeitig wirksa-me und gut steuerbare Prostazyklin auch in inhalativer Form ein-gesetzt

Als vielversprechender neuer therapeutischer Ansatz ist die in-halative Behandlung mit NO (raquonitric oxidelaquo Stickstoffmonoxid)

anzusehen NO fuumlhrt zu einer selektiven Vasodilatation der Pulmo-nalgefaumlszlige in den ventilierten Lungenarealen Zurzeit verfuumlgen nur einige Neonatalzentren uumlber die Therapiemoumlglichkeit Neugebore-ne die auf keine dieser Maszlignahmen ansprechen werden einer Hochfrequenzoszillationsbeatmungstherapie zugefuumlhrt

Reichen diese Maszlignahmen nicht aus um eine ausreichende Oxygenierung zu erreichen so sollte der Patient mit einer extrakor-poralen Membranoxygenierung (ECMO) behandelt werden Die international anerkannten Kriterien fuumlr ECMO-Therapie sind Ge-stationsalter gt34 Wochen Geburtsgewicht gt20 kg keine Gerin-nungsstoumlrung fehlendes Ansprechen auf alle erwaumlhnten therapeuti-schen Maszlignahmen und das Vorliegen eines Oxygenierungsindex (OI) von 25ndash40 (mittlerer Atemwegsdruck [cmH2O] times FiO2 times 100paO2 [mmHg])

kPrognoseDie neonatale Sterblichkeit der PPH liegt bei 20ndash30 In den wenigen Langzeituntersuchungen der uumlberlebenden Kinder wird deutlich dass nur ca 40 diese Erkrankung unbeschadet uumlberste-hen die restlichen Patienten weisen neurologische Folgeschaumlden in unterschiedlichster Auspraumlgung auf Bei 20 der Kinder wurde ein neurosensorischer Houmlrverlust diagnostiziert

779 Lungenblutung

kDefinitionEine akute von den Alveolen ausgehende Lungenblutung tritt uumlberwiegend bei Fruumlhgeborenen und hypotrophen Neugeborenen auf die an verschiedensten Erkrankungen der Neonatalperiode leiden

kEpidemiologieWaumlhrend bei mehr als 10 verstorbener Neugeborener eine Lungen-blutung autoptisch diagnostiziert wird entwickelt sich dieses lebens-bedrohliche Ereignis bei weniger als 5 aller Fruumlhgeborenen mit

Abb 741 Circulus vitiosus der perinatalen Hypoxie und postnataler Risikofaktoren die zur Entwicklung einer pulmonalen Hypertonie und per-sistierenden fetalen Zirkulation fuumlhren

Kapitel 7 middot Neonatologie166

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einem Geburtsgewicht lt1500 g die an einem Atemnotsyndrom er-krankt sind

kAumltiologiePraumldisponierende Faktoren fuumlr eine Lungenblutung sind eine neo-natale Streptokokkenpneumonie die perinatale Asphyxie Hypo-thermie Azidose Hypoglykaumlmie Gerinnungsstoumlrungen Herzver-sagen schwere Erythroblastose Surfactanttherapie und Sauerstoff-toxizitaumlt

kKlinikAkute Blutung aus Mund Nase und den Atemwegen mit rasch progredientem Kreislauf- und Atmungsversagen In den Roumlnt-genthoraxaufnahmen zeigt sich eine zunehmende Verdichtung der Lunge

kTherapieUnverzuumlgliche Stabilisierung der Beatmungs- und Kreislaufsituation mit allen zur Verfuumlgung stehenden intensivmedizinischen Maszlignah-men sowie ndash wenn immer moumlglich ndash Behandlung der Grundproble-matik

7710 Chylothorax

kDefinitionUnter einem Chylothorax wird eine Ansammlung von chyloumlser Fluumls-sigkeit im Pleuraraum verstanden ( Abb 742)

kEpidemiologieEin angeborener Chylothorax ist ein seltenes Ereignis haumlufiger werden erworbene Ansammlungen chyloumlser Fluumlssigkeit nach kar-diochirurgischen Eingriffen beobachtet Als Folge parenteraler Langzeiternaumlhrung uumlber einen zentralen Venenkatheter wurden Thrombosierungen der oberen Hohlvene mit sekundaumlrem Chy-lothorax beschrieben

kAumltiopathogeneseDie Ursache fuumlr die Entstehung eines angeborenen Chylothorax ist unklar es wird ein angeborener Defekt des Ductus thoracicus ver-mutet Bei Neugeborenen mit Down- Noonan- und Turner-Syn-

drom sowie bei Hydrops fetalis tritt gelegentlich ein Chylothorax auf ebenso wurde nach Geburtstraumata die Entwicklung chyloumlser Effusionen berichtet

kKlinik DiagnoseDie Neugeborenen fallen unmittelbar postnatal oder innerhalb der ersten Lebenstage durch mehr oder minder ausgepraumlgte Zeichen der Atemnot auf Vor Beginn einer oralen Ernaumlhrung enthaumllt die serum-aumlhnliche Pleurafluumlssigkeit mehrere Tausend Leukozytenμl mehr als 90 sind mononukleaumlre Zellen (Lymphozyten) Nach Milchernaumlh-rung nimmt die Pleurafluumlssigkeit eine weiszligliche typisch chyloumlse Farbe an

kTherapieDie kontinuierliche Ableitung der chyloumlsen Fluumlssigkeit fuumlhrt bei den meisten Kindern zu einer Ausheilung Es treten aber z T erheb-liche Eiweiszlig- und Antikoumlrper- sowie Lymphozytenverluste auf Eine orale Ernaumlhrung mit mittelkettigen Triglyzeriden reduziert die Chylusproduktion

kPrognoseBei den meisten Formen eines Chylothoraxes kann man von einer sich selbstlimitierenden Erkrankung ausgehen Selten werden Ver-suche chirurgischer Korrekturmaszlignahmen oder intraperitoneale Shuntableitung allerdings mit unsicherem Ausgang noumltig

7711 Obstruktion der oberen Atemwege

kDefinitionAngeborene Obstruktionen der oberen Luftwege gehen haumlufig mit akuter unmittelbar postnatal auftretender Atemnot einher

kAumltiopathogenese TherapieDa Neugeborene fuumlr eine suffiziente Atmung auf eine ungehin-derte Nasenatmung angewiesen sind fuumlhren saumlmtliche anato-mischen und funktionellen Obstruktionen der oberen Luftwege zu einer akuten Atemnotsymptomatik Trotz deutlicher Atem-exkursionen unmittelbar nach der Geburt koumlnnen Neugeborene mit Choanalatresie oder Pierre-Robin-Sequenz (Mikrognathie Glossophtose Gaumenspalte) kein adaumlquates Atemzugvolumen aufbauen ( Abb 743) Diese bedrohliche Situation ist durch Einfuumlhren eines passenden Guedel-Tubus haumlufig akut zu beheben Die Bauchlage kann das Zuruumlckfallen der Zunge bei Neuge-borenen mit Pierre-Robin- Sequenz haumlufig verhindern und die Luftnotsymptomatik verbessern Eine fruumlhe individuelle kiefer-orthopaumldische Behandlung kann mit Hilfe einer Gaumenplatte und einem integrierten pharyngealen Sporn der das Zuruumlckfallen der Zunge verhindert langfristig zu einer Ausheilung der Fehl-bildung fuumlhren

Larynx- und Trachealatresien verlaufen meistens letal Der kon-genitale laryngeale Stridor auf dem Boden einer Laryngomalazie heilt bei den meisten Kindern im Verlauf des ersten Lebensjahres aus Schwieriger gestaltet sich die Behandlung einer kongenitalen oder haumlufig durch prolongierte Intubation oder Intubationsschaumlden erworbenen subglottischen Stenose Bei dieser Problematik koumln-nen langwierige tracheale Dilatationen Lasertherapien oder auch laryngotracheale Rekonstruktionen angezeigt sein

Abb 742 Linksseitig ausgepraumlgter Pleuraerguss mit Mediastinalverla-gerung nach rechts Durch Punktion Nachweis von lt90 mononukleaumlren Zellen (Lymphozyten) Diagnose linksseitiger Chylothorax

716778 middot Bluterkrankungen

78 Bluterkrankungen

781 Fetale Erythropoese

kPhysiologische BesonderheitenDie Erythropoese die am 20 Gestationstag beginnt findet in der Fetalzeit uumlberwiegend in Leber und Milz statt Erst im letzten Trime-non wird das Knochenmark zum Hauptbildungsort der Erythropo-ese Die Haumlmoglobinkonzentration steigt von 8ndash10 gdl im Alter von 12 Gestationswochen auf 165ndash20 gdl im Alter von 40 Gesta-tionswochen an Nach einem kurzen postnatalen Anstieg der Hauml-moglobinkonzentration innerhalb von 6ndash12 Lebensstunden faumlllt sie kontinuierlich auf 10 gdl im Alter von 3ndash6 Monaten ab Fruumlhgebo-rene unterhalb der 32 Gestationswoche haben niedrigere Ausgangs-haumlmoglobinkonzentrationen und erfahren einen schnelleren Abfall der Haumlmoglobinkonzentration der Tiefpunkt ist 1ndash2 Monate nach der Geburt erreicht Waumlhrend dieser physiologischen Anaumlmisie-rung laumlsst sich kaum Erythropoetin im Plasma nachweisen

kBesonderheiten fetaler ErythrozytenFetale und neonatale Erythrozyten weisen eine kuumlrzere Uumlberlebens-zeit (70ndash90 Tage) und ein groumlszligeres mittleres korpuskulaumlres Volu-men auf (MCV 110ndash120 fl) als Erythrozyten Erwachsener In den ersten Tagen nach der Geburt besteht in der Regel eine Retikulozy-tose von 50ndash120permil Die Erythrozyten enthalten uumlberwiegend feta-les Haumlmoglobin F das aus 2 α-Ketten und 2 γ-Ketten besteht Un-mittelbar vor der Geburt setzt bei einem reifen Neugeborenen die Synthese von β-Haumlmoglobinketten und damit adultem Haumlmoglobin ein (2 α-Ketten und 2 β-Ketten) Zum Zeitpunkt der Geburt haben die Erythrozyten reifer Neugeborener 60ndash90 fetales Haumlmoglobin diese Konzentration sinkt bis zum Alter von 4 Monaten auf lt5 ab

Das Blutvolumen reifer Neugeborener betraumlgt ungefaumlhr 85 mlkg KG Plazenta und Nabelgefaumlszlige enthalten ca 20ndash30 mlkg Blut

Eine spaumlte Abnabelung kann zu voruumlbergehendem Anstieg des neonatalen Blutvolumens fuumlhren (7 Abschn 784) eine zu fruumlhe Ab-nabelung zur Anaumlmie

gt Um diese Komplikationen zu vermeiden sollte die Abnabelung ca 60 s nach der Geburt erfolgen

782 Neonatale Anaumlmie

kDefinitionEine Anaumlmie Neugeborener ist durch Haumlmoglobinkonzentrationen (Hb) lt14 gdl sowie einen Haumlmatokrit (Hkt) von lt40 charakterisiert

kAumltiologieSie kann durch akuten oder chronischen Blutverlust eine ver-minderte Bildung sowie durch eine immunologisch vermittelte oder nichtimmunologisch bedingte Haumlmolyse der Erythrozyten verur-sacht sein ( Tab 710)

Nach einem akuten Blutungsereignis sind die Haumlmoglobin-konzentration und der Haumlmatokrit Fruumlh- und Neugeborener haumlufig normal und fallen erst im Rahmen der Haumlmodilution kontinuierlich ab Das zirkulierende Blutvolumen kann jedoch bereits waumlhrend der Blutungsereignisse bedrohlich vermindert sein Ein chronischer Blutverlust kann u a durch fetomaternale Transfusion zustande kommen die bei ca 50 aller Schwangerschaften beobachtet wird der fetale Blutverlust kann erheblich sein Die Diagnose einer feto-maternalen Transfusion wird durch den Nachweis von HbF-halti-gen kindlichen Erythrozyten im muumltterlichen Blut erbracht

kKlinikLeitsymptome der akuten Blutungsanaumlmie sind Blaumlsse Tachykar-die schwache oder nicht tastbare periphere Pulse Hypotension Tachypnoe und bei massivem Blutverlust Schnappatmung und Schock Die klinischen Symptome bei chronischem Blutverlust sind Blaumlsse bei erhaltener Vitalitaumlt Tachykardie und normaler Blutdruck Haumlufig besteht eine Herzinsuffizienz mit Hepatomegalie Die gele-gentlich nachweisbare Splenomegalie ist Ausdruck der extramedul-laumlren Blutbildung Selten entwickelt sich ein Hydrops fetalis Eine neonatale Anaumlmie die durch eine verminderte Bildung von Eryth-rozyten verursacht wird wie z B bei Blackfan-Diamond-Anaumlmie ist durch niedrige Retikulozytenzahlen und Fehlen von Erythrozy-tenvorstufen im Knochenmark charakterisiert Haumlufigste Ursachen fuumlr eine immunologisch vermittelte Haumlmolyse bei Neugeborenen sind Inkompatibilitaumlten zwischen muumltterlicher und kindlicher Blut-gruppe (s Rh-Erythroblastose AB0-Erythroblastose etc) Nichtim-munologische Erkrankungen die mit einer Haumlmolyse einhergehen sind Defekte der Erythrozytenmembran (hereditaumlre Sphaumlrozytose) Erythrozytenenzymdefekte (Glukose-6-Phosphatdehydrogenase- und Pyruvatkinasemangel) seltene Haumlmoglobinopathien sowie die α-Thalassaumlmie

Abb 743 3 Wochen altes Neugeborenes mit Pierre-Robin-Sequenz Aus-gepraumlgte Mikrognathie und Retrogenie mit rezidivierenden Episoden akuter Atemwegsobstruktion durch Glossophtose Nach Anpassung einer speziel-len Gaumenplatte mit distalem Sporn keine weiteren Hypoxieepisoden

Tab 710 Aumltiologie der neonatalen Anaumlmie

Blutverlust Verminderte Blutbildung

Haumlmolyse

Fetomaternale BlutungPlazenta praumlviaVorzeitige PlazentaloumlsungFetofetale TransfusionNabelschnureinrissVasa praeviaNeonatale Blutung intrakraniell gastro-intestinal u a

Konnatale und perinatale InfektionenBlackfan-Diamond-AnaumlmieKonnatale LeukaumlmieFruumlhgeborenen-anaumlmie

Rh-ErythroblastoseAB0-ErythroblastoseAndere Blutgruppen-inkompatibilitaumltenErythrozyten-membran defekteErythrozytenenzym-defekteSelten Haumlmoglobinopathien

Kapitel 7 middot Neonatologie168

7 kTherapie

gt Neugeborene mit ausgepraumlgtem akutem Blutverlust (hauml-morrhagischer Schock raquoweiszlige Asphyxielaquo) werden notfall-maumlszligig mit 0 Rh-negativem Erythrozytenkonzentrat ohne vorherige Kreuzprobe transfundiert (Hepatitis B Anti-HCV TPHA (Lues) CMV HIV negativ)

Bei allen anderen Indikationen ist vor der Transfusion eine kindliche Blutgruppenbestimmung und Kreuzprobe durchzufuumlhren Bei Verdacht auf Stoumlrung der Erythropoese und haumlmolytische Anaumlmien ist vor Gabe von Blutprodukten kindliches Blut fuumlr die entsprechen-de Spezialdiagnostik abzunehmen (s Rh-Erythroblastose u a)

783 Anaumlmie Fruumlhgeborener

Ein besonderes klinisches Problem stellt die Anaumlmie Fruumlhgeborener dar Die meisten sehr kleinen Fruumlhgeborenen entwickeln bereits waumlhrend der ersten Lebenswochen eine mehr oder weniger ausge-praumlgte Anaumlmie Eine Reihe von Faktoren sind fuumlr die Entstehung der Anaumlmie Fruumlhgeborener verantwortlich u a ein Erythropoetin-mangel der zu einer inadaumlquaten Erythropoese fuumlhrt sowie repeti-tive diagnostische Blutentnahmen Seltener entwickelt sich eine haumlmolytische Anaumlmie durch Vitamin-E-Mangel oder im Verlauf systemischer Infektionen

Bei klinischen Zeichen einer akuten oder chronischen Anaumlmie oder Hinweisen auf eine haumlmodynamisch signifikante Hypovolaumlmie ist eine Transfusion mit bestrahltem CMV-negativen Erythrozyten-konzentrat unabdingbar Eine Erythropoetintherapie kann wie in mehreren randomisierten und kontrollierten Studien belegt die Spaumltanaumlmisierung Fruumlhgeborener zu einem gewissen Grad verhin-dern Da noch eine Reihe klinisch relevanter Fragen der Erythropo-etinsubstitution ungeklaumlrt sind (optimaler Zeitpunkt des Behand-lungsbeginns Dosis Therapiedauer optimale Eisensubstitution u a) kann diese Therapie allerdings nicht als Standardtherapie empfohlen werden

784 Polyzythaumlmie Hyperviskositaumltssyndrom

kDefinitionUnter einer Polyzythaumlmie (Synonym neonatale Polyglobulie) wird ein venoumlser Haumlmatokrit gt65 (Haumlmoglobin gt22 gdl) verstanden der unter dem Bild eines Hyperviskositaumltssyndroms zu einem An-

stieg der Blutviskositaumlt zur vaskulaumlren Stase mit Mikrothrombosie-rung zu Hypoperfusion und Ischaumlmie von Organen fuumlhren kann

kAumltiologieEtwa 3ndash5 aller Neugeborenen weisen nach der Geburt einen Hkt gt65 auf Risikokollektive sind reife oder postmature hypotrophe Neugeborene (intrauterine Wachstumsretardierung chronische fe-tale Hypoxie) Patienten nach fetofetaler oder maternofetaler Trans-fusion Neugeborene nach spaumlter Abnabelung Kinder diabetischer Muumltter Nikotinabusus waumlhrend der Schwangerschaft Neugeborene mit Hyperthyreose oder Kinder mit angeborenen Erkrankungen (adrenogenitales Syndrom Trisomie 21 Beckwith-Wiedemann-Syndrom) Bei einem Haumlmatokrit von gt65 steigt die Blutviskositaumlt exponenziell an

kKlinikDie klinische Symptomatik ist auszligerordentlich vielfaumlltig und reflek-tiert die Mikrozirkulationsstoumlrungen und manifesten Durchblu-tungsstoumlrungen der betroffenen Organsysteme Die Neugebore-nen fallen haumlufig durch ihr plethorisches oder auch blass-graues Hautkolorit und eine Belastungszyanose auf Daneben finden sich Hyperexzitabilitaumlt Myoklonien Hypotonie Lethargie und zerebrale Krampfanfaumllle Bei einigen Kindern steht die kardiopulmonale so-wie renale Symptomatik im Vordergrund Atemnotsyndrom per-sistierende pulmonale Hypertonie mit PFC-Syndrom Herzinsuffi-zienz Oligurie Haumlmaturie und Nierenversagen Die Neugeborenen koumlnnen foudroyante Verlaufsformen einer nekrotisierenden Ente-rokolitis sowie einen Ileus entwickeln Daneben treten zum Teil gra-vierende Thrombozytopenien Hypoglykaumlmien Hypokalzaumlmien und ausgepraumlgte Hyperbilirubinaumlmien auf

kTherapieBeim Auftreten erster Symptome muss unverzuumlglich eine partielle modifizierte Austauschtransfusion durchgefuumlhrt werden Zur Sen-kung des Hkt auf 55 wird kindliches Blut gegen Plasma oder eine Albuminloumlsung simultan ausgetauscht (Haumlmodilution)

785 Icterus neonatorum und Hyperbilirubinaumlmie

Bilirubinstoffwechsel Durch den Abbau von Haumlmoglobin ( Bili-verdin) im retikuloendothelialen System entsteht wasser un loumlsliches unkonjugiertes Bilirubin ① Aus 1 g Haumlmoglobin werden ca 35 mg

Abb 744 Schematische Darstellung des Bilirubinstoffwechsels (ER endoplasmatisches Retikulum GK Gallenkapillare Erlaumluterungen s Text)

716978 middot Bluterkrankungen

Bilirubin gebildet Im Blut bindet sich das unkonjugierte Bilirubin an Albumin Man geht davon aus dass Albumin eine primaumlre und sekundaumlre Bindungsstelle mit unterschiedlicher Affinitaumlt fuumlr Biliru-bin besitzt Nach Transport zur Leberzelle dissoziiert das Bilirubin vom Albumin und wird aktiv mit Hilfe der Transportproteine Y und Z (Ligandine) in das Zellinnere geschleust ② Dort erfolgt die Kon-jugation durch die UDP-Glukuronyltransferase ③ das an Uridin- 5ʹ-di-Phosphat-Glukuronsaumlure gekoppelte Bilirubin ist wasserloumls-lich und wird uumlber das biliaumlre System in den Darm ausgeschieden (④ Abb 744)

Besonderheiten beim Neugeborenen Der Bilirubinstoffwechsel des Neugeborenen weist im Vergleich zum Erwachsenen einige Be-sonderheiten auf die die Entstehung des physiologischen Neugebo-renenikterus erklaumlren 4 eine 2- bis 3-fach houmlhere Bilirubinproduktion bedingt durch

die houmlhere Erythrozytenzahl und Haumlmoglobinkonzentration 4 die verkuumlrzte Erythrozytenuumlberlebenszeit (Neugeborene

70ndash90 Tage Erwachsene 120 Tage) 4 die Hydrolyse des in den Darm gelangten glukuronidierten

Bilirubins durch intestinale Glukuronidasen und vermehrte Ruumlckresorption des Bilirubins aus dem Darm (raquoenterohepati-scher Kreislauflaquo)

Dieser Vorgang wird durch eine verzoumlgerte Darmpassage des mekoniumhaltigen Darms und die fehlende intestinale Kolonisation mit Bakterien die Bilirubin in Urobilinogen und Sterkobilinogen umwandeln verstaumlrkt Weiterhin besteht eine relative Defizienz der hepatischen Transportproteine Y und Z sowie der Glukuronyl-transferaseaktivitaumlt Die Bindungskapazitaumlt des Albumins wird nicht nur von der Gesamtkonzentration des Transporteiweiszliges be-stimmt sondern auch von im Blut vorhandenen Faktoren die mit Bilirubin um die Albuminbindungsstellen konkurrieren Zu diesen Substanzen die zu einer Verdraumlngung des Bilirubins aus der Albu-minbindung fuumlhren koumlnnen gehoumlren freie Fettsaumluren Steroid-hormone und Medikamente (Sulfonamide Salizylate u a) eine verminderte Bindungsaffinitaumlt des Albuminmolekuumlls wird bei Azidose beobachtet

786 Physiologischer Ikterus

kKlinikUnter normalen Bedingungen betraumlgt der Bilirubinspiegel im Nabel-schnurblut 1ndash3 mgdl Vor dem Hintergrund der Besonderheiten des Bilirubinstoffwechsels entwickeln mehr als die Haumllfte aller reifen Neugeborenen und nahezu 80 aller Fruumlhgeborenen 2ndash3 Tage nach der Geburt einen physiologischen Ikterus der am 4ndash5 Le-benstag seinen Houmlhepunkt erreicht und dann langsam abklingt Bis zu 7 aller Neugeborenen haben maximale indirekte Bilirubin-spiegel von mehr als 13 mgdl und nahezu 3 von mehr als 15 mgdl Bei diesen Kindern findet man haumlufig eine Reihe von Risikofaktoren ethnische Zugehoumlrigkeit (Chinesen Koreaner Japa-ner) Houmlhe uumlber Meeresspiegel Polyzythaumlmie maumlnnliches Ge-schlecht Muttermilchernaumlhrung starker Gewichtsverlust verzoumlger-te Stuhlentleerung u a Der Ikterus faumlllt in der Regel bei Bilirubin-konzentrationen von 5 mgdl zuerst im Gesicht auf und breitet sich dann kaudal aus die Kinder sind nicht beeintraumlchtigt Bei Fruumlhge-borenen kann der Ikterus ausgepraumlgter sein das Maximum des Bilirubinanstieges tritt spaumlter auf und der Ikterus haumllt laumlnger an Viele Neugeborene erreichen nach ca 14 Tagen mit Erwachsenen vergleichbare Serumbilirubinspiegel

kTherapieDie meisten Neugeborenen mit physiologischem Ikterus beduumlrfen keiner speziellen Behandlung Eine Phototherapie ist nur bei Uumlber-schreiten eines festgelegten Grenzwertes indiziert

Phototherapie Durch sichtbares Licht (Wellenlaumlnge 425ndash475 nm) wird das in der Haut vorhandene Bilirubin zu nichttoxischen Biliru-binisomeren umgeformt diese wasserloumlslichen Substanzen koumlnnen ohne Glukuronidierung mit der Galle und dem Urin ausgeschieden werden Eine optimale Isomerisierung des Bilirubins findet im Be-reich des normalen Adsorptionsspektrums statt blaues Licht mit einer Wellenlaumlnge von 445 nm ist daher besonders zur Behandlung der Hyperbilirubinaumlmie geeignet Bei reifen Neugeborenen mit phy-siologischem Ikterus ohne weitere Risikofaktoren sollte eine Photo-therapie nach dem 3 Lebenstag erst bei Bilirubinserumspiegeln von gt16 mgdl begonnen werden Neuere deutschsprachige Richt-linien setzen die Behandlungsgrenze in dieser Patientengruppe bei 18 mgdl an

Durch kritiklose Anwendung von speziell fuumlr haumlmolytische Er-krankungen erstellte Therapieschemata werden zu viele Neugebore-ne ohne klare Indikationsstellung einer Phototherapie unterzogen Nebenwirkungen dieser Therapie sind Diarrhouml vermehrter Fluumlssig-keitsverlust Temperaturinstabilitaumlt und Dehydratation

Durch das blaue Licht der Phototherapielampe ist die Hautfarbe des Neugeborenen nicht mehr zu beurteilen bedrohliche klinische Veraumlnderungen und Erkrankungen (u a neonatale Infektion) wer-den moumlglicherweise trotz einer Monitoruumlberwachung zu spaumlt er-kannt Die Neugeborenen muumlssen daher regelmaumlszligig klinisch unter-sucht werden ( Abb 745)

CaveDie zum Schutz von potenziellen Retinaschaumlden zu applizierenden Schutzbrillen koumlnnen zur Verlegung der Nasenwege fuumlhren

787 Muttermilchikterus

kAumltiologieEin laumlnger bekanntes Phaumlnomen ist der deutliche Anstieg des un-konjugierten indirekten Bilirubins unter Muttermilchernaumlhrung Obwohl die exakte Ursache dieser Ikterusform bis heute nicht ge-klaumlrt ist wird vermutet dass entweder Pregnandiol oder nicht ver-

Abb 745 Neugeborenes mit Hyperbilirubinaumlmie waumlhrend einer Photo-therapie mit blauem Licht

Kapitel 7 middot Neonatologie170

7

esterte langkettige Fettsaumluren die konjugierende Aktivitaumlt der hepa-tischen Glukuronyltransferase kompetitiv hemmen Erst vor Kur-zem wurde eine erhoumlhte Aktivitaumlt von β-Glukuronidase in der Mut-termilch nachgewiesen ein erhoumlhtes enterohepatisches raquoRecyclinglaquo koumlnnte ebenfalls die erhoumlhten Bilirubinkonzentrationen erklaumlren

kVerlauf TherapieMit Muttermilch ernaumlhrte Neugeborene haben im Vergleich zu mit Formula ernaumlhrten Kindern haumlufiger houmlhere Bilirubinspiegel thera-peutische Konsequenzen ergeben sich bei den meisten Neugebore-nen nicht Allerdings entwickelt 1 von 200 mit Muttermilch ernaumlhr-ten Neugeborenen zwischen dem 4ndash7 Lebenstag einen deutlichen Anstieg der Bilirubinkonzentration das Maximum wurde bei eini-gen Neugeborenen erst in der 3 Lebenswoche erreicht Nur wenige Neugeborene mit Muttermilchikterus sind mit Phototherapie zu behandeln ein Unterbrechen des Stillens ist in der Regel nicht ange-zeigt

788 Ikterus bei Fruumlhgeborenen

kAumltiopathogeneseEine Reihe von Beobachtungen deuten darauf hin dass sehr kranke kleine Fruumlhgeborene besonders gefaumlhrdet sind eine Bilirubinenze-phalopathie zu entwickeln Die Albuminkonzentrationen sind im Vergleich zu reifen Neugeborenen haumlufig deutlich erniedrigt ver-schiedene Faktoren wie Azidose erhoumlhte Freisetzung von Fettsaumluren waumlhrend einer Hypothermie und Hypoglykaumlmie interferieren mit der Bilirubin-Albumin-Bindung Im Rahmen verschiedener Grund-erkrankungen Fruumlhgeborener kann eine erhoumlhte Permeabilitaumlt der Hirngefaumlszlige zu einem vermehrten Uumlbertritt des Bilirubins in das Hirngewebe fuumlhren Langsamer intestinaler Transport und Nah-rungsaufbau sowie verzoumlgerter Mekoniumabgang koumlnnen zu einem Bilirubinanstieg beitragen

kTherapieEine Phototherapie muss bei Fruumlhgeborenen bereits bei niedrigeren Bilirubinspiegeln als bei Neugeborenen eingeleitet werden Die differenzierten Indikationen sind in den Lehrbuumlchern der Neonato-logie dargestellt

789 Pathologische Hyperbilirubinaumlmie

kAumltiopathogeneseNeben Erkrankungen die mit einer gesteigerten Haumlmolyse ein-hergehen koumlnnen pathologische Erhoumlhungen des indirekten Biliru-bins bei angeborenen Defekten der Glukuronidierung bei erhoumlhtem Bilirubinanfall durch vermehrten Erythrozytenabbau sowie durch eine vermehrte enterale Ruumlckresorption von Bilirubin erfolgen

Aumltiologie der indirekten Hyperbilirubinaumlmie (Erhoumlhung des unkonjugierten Bilirubins)

4 Gesteigerte Haumlmolyse ndash Blutgruppeninkompatibilitaumlt

ndash Rh AB0 Kell Duffy u a ndash Neonatale Infektionen

ndash Bakteriell ndash Viral

ndash Genetisch bedingte haumlmolytische Anaumlmien ndash Enzymdefekte Glukose-6-Phosphatdehydrogenase

Pyruvatkinase ndash Membrandefekte Sphaumlrozytose u a ndash Haumlmoglobinopathien (homozygote a-Thalassaumlmie)

4 Keine Haumlmolyse ndash Verminderte Bilirubinkonjugation

ndash Physiologischer Ikterus ndash Muttermilchikterus ndash Kinder diabetischer Muumltter ndash Crigler-Najjar-Syndrom (genetisch bedingter

Glukuronyltransferasemangel) ndash Gilbert-Meulengracht-Syndrom (verminderte Bilirubin-

aufnahme in Leberzelle) ndash Hypothyreose ndash Medikamente (Pregnandiol)

ndash Vermehrter Bilirubinanfall ndash Polyzythaumlmie ndash Organblutungen Haumlmatome

ndash Vermehrte enterale Ruumlckresorption von Bilirubin ndash Intestinale Obstruktion ndash Unzureichende Ernaumlhrung (verminderte Peristaltik)

7810 Morbus haemolyticus neonatorum

kAllgemeine AumltiopathogeneseDie haumlufigsten Ursachen fuumlr einen Morbus haemolyticus neonato-rum sind Blutgruppenunvertraumlglichkeiten zwischen Mutter und Fetus die Rhesus-Inkompatibilitaumlt (Rh) die AB0-Erythroblastose und seltene Unvertraumlglichkeiten gegen andere erythrozytaumlre Antige-ne (Kell Duffy u a) Durch Uumlbertritt von fetalen inkompatiblen Erythrozyten waumlhrend der Schwangerschaft oder vorherige Transfu-sion mit nicht blutgruppengleichen Erythrozyten (Sensibilisierung) reagiert das muumltterliche Immunsystem mit der Bildung spezifischer IgG-Antikoumlrper Diese Immunglobuline sind plazentagaumlngig und binden sich nach Uumlbertritt auf das Kind an spezifische Antigen-strukturen fetaler Erythrozyten Die Folge ist ein vorzeitiger und vermehrter Abbau der fetalen Erythrozyten der Fetus beantwortet diese In-utero-Haumlmolyse mit einer Steigerung vorwiegend der extramedullaumlren Blutbildung (Leber Milz) es gelangen unreife Erythrozyten (Erythroblasten) in die kindliche Blutbahn Das durch die gesteigerte Haumlmolyse anfallende indirekte Bilirubin wird uumlber die Plazenta transportiert und vom hepatischen Enzymsystem der Mutter glukuronidiert und biliaumlr ausgeschieden selbst bei schwerer fetaler Haumlmolyse sind die kindlichen Bilirubinkonzentrationen int-rauterin kaum erhoumlht

7811 Kernikterus Bilirubinenzephalopathie

kAumltiologieUnkonjugiertes nicht an Albumin gebundenes Bilirubin kann auf-grund seiner lipophilen Eigenschaften leicht in das zentrale Nerven-system eindringen Es inhibiert den neuronalen Metabolismus (eine Hemmung der oxidativen Phosphorylierung) und hinterlaumlsst eine irreversible Schaumldigung im Bereich der Basalganglien des Globus pallidus des Nucleus caudatus (Kernikterus) des Hypothalamus einiger Kerngebiete von Hirnnerven und auch der Groszlighirnrinde ( Abb 746) Bei einer erhoumlhten Permeabilitaumlt der Blut-Hirn-

6

717178 middot Bluterkrankungen

Schranke (schwere Anaumlmie Hypoxie Hydrops) kann auch an Albu-min gebundenes Bilirubin in das Hirngewebe uumlbertreten

kPathogeneseDie Entstehung einer Bilirubinenzephalopathie wird von folgenden Faktoren beeinflusst Lebensalter und Reifegrad der Kinder Uumlber-schreiten der Albuminbindungskapazitaumlt durch zu hohe Bilirubin-spiegel Verminderung der Bindungskapazitaumlt bei Hypalbuminaumlmie Verdraumlngung des Bilirubins durch Gallensaumluren freie Fettsaumluren (Hypoglykaumlmie) oder Medikamente und Veraumlnderungen bzw Schaumldigung der Blut-Hirn-Schranke nach Asphyxie Hypoxie neo-nataler Meningitis und anderen Erkrankungen

kKlinikDie Fruumlhsymptome der Bilirubinenzephalopathie sind Apathie Hypotonie Trinkschwaumlche Erbrechen abgeschwaumlchte Neugebore-nenreflexe und schrilles Schreien Danach fallen die Neugeborenen durch eine vorgewoumllbte Fontanelle eine opisthotone Koumlrperhaltung muskulaumlre Hypertonie und zerebrale Krampfanfaumllle auf Uumlberleben-de Kinder weisen haumlufig eine beidseitige Taubheit choreoathetoi-de Bewegungsmuster sowie eine mentale Retardierung auf

kTherapieKeine therapeutische Maszlignahme kann diese irreversible Schaumldi-gung ruumlckgaumlngig machen In der heutigen Zeit sollte diese vermeid-bare Komplikation nicht mehr auftreten Gerade in den westlichen Industrienationen wird aber inzwischen eine zunehmende Anzahl von Kindern beobachtet die an den Folgen einer Bilirubinenzapha-lopathie leiden Ziel aller in der Peri- und Neonatalmedizin taumltigen Aumlrzte Hebammen und Kinderkrankenschwestern muss es sein die Fruumlh- und Neugeborenen mit einem erhoumlhten Risiko fuumlr eine Hy-perbilirubinaumlmie fruumlhzeitig zu identifizieren und einer adaumlquaten Therapie zuzufuumlhren

7812 AB0-Erythroblastose

kEpidemiologieMit einer AB0-Unvertraumlglichkeit ist bei ca 1 von 200 Neugeborenen zu rechnen

kPathogeneseIm Gegensatz zur Rh-Inkompatibilitaumlt tritt die AB0-Erythroblastose haumlufig in der ersten Schwangerschaft auf Muumltter mit der Blutgrup-pe 0 haben natuumlrlich vorkommende Anti-A- und Anti-B-Antikoumlr-per (Isoagglutinine) die zur Gruppe der IgM-Antikoumlrper gehoumlren und deshalb nicht die Plazenta passieren Dennoch bilden einige Schwangere plazentagaumlngige IgG-Antikoumlrper die gegen die kindli-che Blutgruppeneigenschaft A B oder AB gerichtet sind Die muumlt-terliche IgG-Antikoumlrperbildung kann vermutlich durch exogene Ursachen wie z B Darmparasiten stimuliert werden Als weitere Ursache wird der Uumlbertritt kindlicher Erythrozyten in die muumltterli-che Zirkulation vermutet da die Antigenitaumlt der kindlichen Blut-gruppeneigenschaften erst gegen Ende der Schwangerschaft voll ausgebildet ist erklaumlrt sich der im Vergleich zur Rh-Inkompatibilitaumlt milde Verlauf der haumlmolytischen Erkrankung beim ersten Neugebo-renen sowie die Tatsache dass Fruumlhgeborene nur extrem selten an einer AB0-Inkompatibilitaumlt erkranken Der Schweregrad der haumlmo-lytischen Erkrankung Neugeborener nimmt bei nachfolgenden Schwangerschaften in der Regel nicht zu Der Grund liegt vermutlich in einer Suppression der IgG-Antikoumlrperbildung durch die natuumlrlich vorkommenden IgM-Anti-A- oder Anti-B-Antikoumlrper

kKlinikDie Neugeborenen weisen meistens nur eine geringgradige Anaumlmie auf es besteht nur selten eine Hepatosplenomegalie die Kinder entwickeln keinen Hydrops Im peripheren Blut finden sich neben Retikulozyten und Erythroblasten als Ausdruck der gesteigerten Erythropoese Sphaumlrozyten die infolge der komplementvermittelten Haumlmolyse durch Fragmentation entstehen Erkrankte Neugeborene sind lediglich durch die Hyperbilirubinaumlmie und das damit verbun-dene Risiko einer Bilirubinenzephalopathie gefaumlhrdet

kDiagnoseDie wesentlichen diagnostischen Merkmale der AB0-Inkompatibi-litaumlt im Vergleich zur Rh-Inkompatibilitaumlt sind in der Tab 711 zusammengefasst

kTherapieDurch eine rechtzeitig begonnene und konsequent durchgefuumlhrte Phototherapie koumlnnen bei den meisten Kindern kritische Bilirubin-serumkonzentrationen vermieden werden Eine Austauschtrans-fusion ist nur extrem selten durchzufuumlhren Durch zirkulierende Antikoumlrper kann sich in den ersten Lebenswochen eine in der Regel blande verlaufende Anaumlmie entwickeln

7813 Rh-Erythroblastose

kEpidemiologieUngefaumlhr 15 der europaumlischen Bevoumllkerung sind Rh-negativ ca 5 der amerikanischen schwarzen Bevoumllkerung Vor Einfuumlhrung der Anti-D-Prophylaxe betrug die Praumlvalenz der Rh-Inkompatibili-taumlt 45 erkrankte Kinder pro 10000 Lebendgeborene Die Erkran-kungshaumlufigkeit konnte um weit mehr als 90 reduziert werden

kAumltiopathogeneseDas erythrozytaumlre Rhesusantigensystem besteht aus 5 Antigenen C D E c und e d hat keine antigenen Eigenschaften Bei ca 90 der Faumllle von Rhesusinkompatibilitaumlt sensibilisiert das D-Antigen des Fetus die Rh(d)-negative Mutter die in der Folge IgG-Antikoumlrper (Anti-D-Antikoumlrper) bildet Da in der Fruumlhschwangerschaft nur

Abb 746 Charakteristische Bilirubinablagerungen in den Stammgang-lien bei Bilirubinenzephalopathie

Kapitel 7 middot Neonatologie172

7

ausnahmsweise kindliche Erythrozyten in den Kreislauf der Mutter gelangen bildet die Mutter keine oder nur geringe Mengen an Anti-D-Antikoumlrpern Das erste Kind bleibt entweder gesund oder entwi-ckelt nur eine haumlmolytische Anaumlmie undoder Hyperbilirubinaumlmie vorausgesetzt dass eine fruumlhere Sensibilisierung durch Aborte oder Bluttransfusionen ausgeschlossen ist Unter der Geburt und bei der Plazentaloumlsung kann eine groumlszligere Menge kindlicher Erythrozyten in die muumltterliche Blutbahn uumlbertreten Die Rh-Erythroblastose bei unterlassener Rh-Prophylaxe manifestiert sich typischerweise waumlh-rend der 2 und weiteren Schwangerschaften mit zunehmendem Schweregrad der fetalen Erkrankung die in einen Hydrops fetalis einmuumlnden kann

kKlinikIn Abhaumlngigkeit vom Schweregrad der Erkrankung bestehen eine mehr oder weniger ausgepraumlgte Anaumlmie ein Icterus praecox (Ge-samtbilirubin gt7 mgdl innerhalb der ersten 24 Lebensstunden) ein Icterus gravis (Gesamtbilirubin gt15 mgdl bei reifen Neugebore-nen) und als Ausdruck der extramedullaumlren Blutbildung eine Hepa-tosplenomegalie Als Zeichen der gesteigerten Haumlmatopoese sind Erythroblasten und Retikulozyten im peripheren Blut in groszliger Zahl nachweisbar

Hydrops fetalis Bei schwerer fetaler Anaumlmie (Haumlmoglobin lt8 gdl) koumlnnen sich eine intrauterine Hypoxie und Hypoproteinaumlmie infol-ge einer verminderten Albuminsynthese entwickeln Veraumlnderun-gen der Zellpermeabilitaumlt und Verminderungen des onkotischen Drucks fuumlhren zu generalisierten Oumldemen Houmlhlenerguumlssen (Aszi-tes Pleuraerguss Perikarderguss) Hypervolaumlmie und Herzinsuffizi-enz ( Abb 747) Beim generalisierten Hydrops kann bereits ein intrauteriner Fruchttod oder eine irreparable zerebrale Schaumldigung auftreten

kDiagnoseIm Rahmen der Schwangerschaftsvorsorge wird bei allen Frauen im Verlauf der Schwangerschaft nach irregulaumlren Antikoumlrpern gesucht um Inkompatibilitaumlten in Rh- Duffy- Kell- oder anderen Blut-gruppensystemen zu erkennen Mit dem indirekten Coombs-Test werden plazentagaumlngige IgG-Antikoumlrper nachgewiesen Bei vorhan-denen Antikoumlrpern ist eine engmaschige fetale Ultraschalldiag-nostik imperativ Da keine Korrelation zwischen der Houmlhe vorhan-

dener Antikoumlrper und dem Schweregrad der moumlglichen kindlichen Erkrankung besteht ist bei vorhandenen Antikoumlrpern eine sequen-zielle Bestimmung der fetalen zerebralen Durchblutung indiziert Die dopplersonographische Messung der Flussgeschwindigkeit kor-reliert mit dem Grad der Anaumlmisierung Nur noch selten wird eine Fruchtwasseruntersuchung (Amniozentese) zur Bilirubinbestim-mung durchgefuumlhrt Das Ausmaszlig der Haumlmolyse laumlsst sich durch spektrophotometrische Analyse der optischen Dichte (450 nm) des Fruchtwassers ablesen (Liley-Diagramm) Durch Zuordnung in 3 Gefahrenzonen kann der kindliche Zustand beurteilt und ent-sprechende therapeutische Konsequenzen eingeleitet werden

Nach der Geburt sind beim Neugeborenen unverzuumlglich folgen-de Bestimmungen durchzufuumlhren 4 Haumlmoglobinkonzentration 4 Serumbilirubinspiegel 4 Blutgruppenbestimmung 4 Coombs-Test 4 Retikulozytenzahl 4 Blutausstrich

Bei Neugeborenen mit Rh-Erythroblastose ist neben den beschrie-benen haumlmatologischen Auffaumllligkeiten immer ein positiver direk-ter Coombs-Test zu finden (Nachweis von inkompletten an kind-liche Erythrozyten gebundene Antikoumlrper) Unmittelbar nach der Geburt kann die Konzentration des indirekten Bilirubins stark an-steigen es sind daher engstmaschige Bilirubinbestimmungen erfor-derlich

Tab 711 Unterschiede zwischen der Rh- und ABO-Inkompatibilitaumlt

Inkompatibilitaumlt

Rh ABO

Erkrankung bei erster Schwangerschaft Selten Haumlufig

Fruumlhzeitige Anaumlmisierung des Kindes ++ +

Hyperbilirubinaumlmie waumlhrend der ersten 24 h post partum

++ +

Erythroblasten +++ +

Sphaumlrozyten plusmn ++

Retikulozyten ++ + bis ++

Direkter Coombs-Test (Kind) +++ ndash bis +

Indirekter Coombs-Test (Mutter) +++ plusmn

Abb 747a b Fruumlhgeborenes der 35 Gestationswoche mit Hydrops fetalis bei Erythroblastosis fetalis Uumlbersicht (a) deutliche Oumldeme der linken unteren Extremitaumlt (b) Neben generalisierten Oumldemen wies das Fruumlhge-borene einen ausgepraumlgten Aszites sowie beidseitige Pleuraerguumlsse auf

a

b

717378 middot Bluterkrankungen

kTherapieIntrauterine Therapie des Feten Bei ausgepraumlgter fetaler Anaumlmie ist eine intrauterine Transfusion in die kindliche Bauchhoumlhle oder neuerdings durch Kordozentese in die Nabelvene erforderlich bei ersten Zeichen eines Hydrops fetalis ist eine vorzeitige Beendigung der Schwangerschaft durch Sectio caesarea notwendig

Phototherapie Bei leichten Verlaumlufen (einer Rh-Inkompatibilitaumlt) kann eine Phototherapie unter Umstaumlnden in 2 Ebenen zur Behand-lung der Hyperbilirubinaumlmie ausreichen Die Indikation fuumlr den Beginn einer Phototherapie haumlngt vom Gestationsalter Lebensalter Houmlhe der Bilirubinkonzentration Dynamik des Bilirubinanstieges von dem Ausmaszlig der Anaumlmie und anderen Risikofaktoren ab

Austauschtransfusion Zur Vermeidung der Bilirubinenzephalopa-thie wird nach wie vor eine Austauschtransfusion reifer Neugebo-rener bei Bilirubinserumkonzentrationen gt20 mgdl empfohlen bei schweren Grunderkrankungen (Asphyxie neonatale Sepsis haumlmo-lytische Anaumlmie u a) sowie einer Hyperbilirubinaumlmie in den ersten 3 Lebenstagen liegt die Austauschgrenze in dieser Gruppe niedriger Fuumlr Fruumlhgeborene gelten besondere Austauschgrenzen (Fruumlhge-borene mit einem Gewicht von gt1500 g gt15 mgdl Fruumlhgeborene gt1000 g gt10 mgdl) Der Blutaustausch erfolgt mit kompatiblem Spendervollblut in 5ndash20-ml-Portionen uumlber einen liegenden Nabel-venenkatheter durch diese Maszlignahme wird das 2- bis 3fache Blut-volumen eines Neugeborenen ausgetauscht d h ca 90 der kind-lichen Erythrozyten werden neben muumltterlichen Antikoumlrpern und verfuumlgbarem Bilirubin eliminiert Als Komplikationen der Blut-austauschtransfusion koumlnnen Infektionen (u a Sepsis) Katheter-perforation Pfortaderthrombose Hypotension Azidose nekrotisie-rende Enterokolitis und Elektrolytentgleisungen auftreten Nach ei-nem Blutaustausch besteht haumlufig eine Anaumlmie und Thrombozyto-penie durch eine zusaumltzliche kontinuierlich durchgefuumlhrte Phototherapie kann die Zahl von mehrfachen Austauschtransfusio-nen gesenkt werden

kPraumlventionDurch Gabe eines Anti-D-Immunglobulins innerhalb von 72 h nach der Geburt kann die Sensibilisierung einer Rh-negativen Mutter durch die Rh-positiven fetalen Erythrozyten haumlufig vermieden wer-den Die Anti-D-Prophylaxe muss bei Rh-negativen Frauen auch nach Aborten Amniozentesen oder unsachgemaumlszliger Transfusion mit Rh-positivem Blut durchgefuumlhrt werden

gt In der ersten Schwangerschaft kann eine maternale Im-munglobulinprophylaxe in der 28 Gestationswoche und unmittelbar postnatal die Sensibilisierung auf weniger als 1 reduzieren

Nach bisherigen Kenntnissen scheint die im letzten Trimenon durchgefuumlhrte Anti-D-Prophylaxe beim Neugeborenen keine kli-nisch signifikante Haumlmolyse auszuloumlsen

kPrognoseTrotz adaumlquater Initialbehandlung entwickeln die Kinder aufgrund der noch vorhandenen Anti-D-Antikoumlrper haumlufig eine uumlber mehrere Wochen anhaltende Spaumltanaumlmie Bei erhoumlhten Retikulozytenzahlen und asymptomatischem Kind ist keine weitere Therapie notwendig Stellen sich eine persistierende Tachykardie sowie andere Zeichen der chronischen Anaumlmie ein so ist eine weitere Transfusion in-diziert Selten wird eine Pfortaderthrombose nach Austauschtrans-fusion beobachtet diese schwerwiegende Komplikation ist thera-peutisch nicht zu beeinflussen

7814 Weitere haumlmolytische Erkrankungen

Blutgruppenunvertraumlglichkeiten gegen andere Erythrozytenanti-gene [c E Kell (K) Duffy u a] sind fuumlr weniger als 5 aller haumlmo-lytischen Erkrankungen der Neonatalperiode verantwortlich Der direkte Coombs-Test ist bei diesen Unvertraumlglichkeiten immer posi-tiv Kongenitale Infektionen mit verschiedenen Erregern sowie neo-natale Infektionen koumlnnen eine nichtimmunologische Haumlmolyse induzieren Die homozygote α-Thalassaumlmie kann sich ebenfalls un-ter dem Bild einer schweren haumlmolytischen Anaumlmie mit Hydrops fetalis praumlsentieren auch bei dieser und den folgenden Erkrankun-gen ist der direkte Coombs-Test negativ Haumlmolytische Anaumlmie und ausgepraumlgte Hyperbilirubinaumlmie mit Gefahr der Bilirubinenzepha-lopathie werden bei Neugeborenen mit hereditaumlrer Sphaumlrozytose oder angeborenen Enzymdefekten wie dem Pyruvatkinase- oder Glukose-6-Phosphatdehydrogenasemangel beobachtet

7815 Direkte Hyperbilirubinaumlmie

Eine direkte Hyperbilirubinaumlmie (direktes konjugiertes Bilirubin gt2 mgdl) wird bei einer Reihe angeborener und erworbener hepa-tischer sowie extrahepatischer Erkrankungen gefunden Groumlszligere Schwierigkeiten bereitet es die extrahepatische Gallengangsatresie von der neonatalen Hepatitis abzugrenzen Bei einigen Kindern konn-te inzwischen belegt werden dass eine Hepatitis der Entwicklung einer Gallengangsatresie vorausging Eine nicht unerhebliche Anzahl Neu-geborener mit prolongierter direkter Hyperbilirubinaumlmie hat als Grund erkrankung einen α1-Antitrypsinmangel (α1-Proteinase-In-hibitor) Ebenso wird ein cholestatischer passagerer Ikterus haumlufig bei Fruumlh- und Neugeborenen beobachtet die eine langzeitige parenterale Ernaumlhrung erhalten Als Ursache wird weniger die Infusion mit Lipi-den als die Gabe bestimmter Aminosaumluren vermutet

Aumltiologie der direkten Hyperbilirubinaumlmie (Erhoumlhung des konjugierten Bilirubins)

4 Intrahepatische Cholestase ndash Neonatale Hepatitis (B) ndash Perinatale Infektionen (CMV u a) ndash Syndrom der eingedickten Galle ndash Parenterale Ernaumlhrung ndash α1-Antitrypsinmangel (= α1-Proteinasemangel) ndash Galaktosaumlmie Tyrosinose ndash Intrahepatische Gallengangshypoplasie (Alagille-

Syndrom) 4 Extrahepatische Cholestase

ndash Gallengangsatresie ndash Choledochuszyste ndash Zystische Fibrose (Mukoviszidose)

7816 Weiszliges Blutbild Neugeborener

Die peripheren Gesamtleukozytenzahlen sowie die Verteilung der einzelnen Leukozytensubpopulationen unterscheiden sich waumlhrend der Neonatalperiode deutlich von denen spaumlterer Lebensalter Im Zusammenhang mit dem Geburtsvorgang werden physiologischer-weise die Knochenmarksreserven der Fruumlh- und Neugeborenen mobilisiert d h die Zahl unreifer und reifer Granulozyten steigt in der Peripherie an Das Maximum der Granulozytose ist 12 h post

Kapitel 7 middot Neonatologie174

7partum erreicht im Verlauf der ersten 3 Lebenstage faumlllt die Zellzahl kontinuierlich ab Eine stabile obere Normgrenze findet sich vom 5 Lebenstag an In Abb 748 sind die Gesamtzahl der neutrophilen Granulozyten und der unreifen Granulozyten (Stabkernige und ju-gendliche Formen) waumlhrend der Neonatalperiode dargestellt

Erniedrigte Gesamtzahlen der neutrophilen Granulozyten werden nach muumltterlicher Hypertonie EPH-Gestose und viralen konnatalen Infektionen beobachtet sie sind moumlglicherweise Aus-druck einer verminderten Bildung von Granulozyten im kindlichen Knochenmark Daneben tritt eine Neutrozytopenie haumlufig bei Neu-geborenen mit neonataler Sepsis auf im Verlauf der Erkrankung werden uumlberwiegend periphere neutrophile Granulozyten ver-braucht die Knochenmarkreserven sind durch die geburtsbedingte Mobilisierung der Granulozyten erschoumlpft

Nach Regeneration der Knochenmarksreserven entwickeln Neugeborene die nach dem 3 Lebenstag an einer Sepsis erkranken haumlufig eine Granulozytose In der Regenerationsphase einer neona-talen Infektion kann gelegentlich eine leukaumlmoide Reaktion be o-bachtet werden

7817 Neonatale Thrombozytopenie

kAumltiologieDie wesentlichen maternalen und kindlichen Ursachen und Erkran-kungen die eine neonatale Thrombozytopenie (lt150000 Thrombo-zytenμl) ausloumlsen koumlnnen sind in Tab 712 dargestellt

Maternale Ursachen Im Rahmen einer aktiven idiopatisch throm-bozytopenischen Purpura (ITP) oder eines Lupus erythematodes koumlnnen die maternalen Autoantikoumlrper durch diaplazentaren Uumlber-tritt beim Neugeborenen eine Immunthrombozytopenie induzie-ren Bei Muumlttern die sich gegen Medikamente sensibilisiert haben wurde nach Anlagerung des Antigen(Medikament)-Antikoumlrper-Komplexes an fetale Blutplaumlttchen von der Entwicklung einer Thrombozytopenie berichtet

Kindliche Ursachen Unter den kindlichen Ursachen ist das Wiskott-Aldrich-Syndrom hervorzuheben Aufgrund eines intrinsi-schen Thrombozytendefekts ist die Uumlberlebenszeit der Blutplaumlttchen deutlich vermindert Die Thrombozyten sind bei dieser Erkrankung deutlich kleiner als bei allen anderen Formen der neonatalen Throm-bozytopenie Mithilfe moderner haumlmatologischer Analysegeraumlte soll-te die Diagnose dieser komplexen Immundefizienzerkrankung noch vor Auftreten der typischen Manifestationszeichen gestellt werden

7818 Neonatale Alloimmunthrombozytopenie

kDefinitionBei der neonatalen Alloimmunthrombozytopenie handelt es sich um eine fetomaternale Thrombozyteninkompatibilitaumlt

kPathogeneseKindliche Thrombozyten die spezifische inkompatible Antigene tragen und im Verlauf der Schwangerschaft in den muumltterlichen Blutkreislauf gelangen koumlnnen bei den Muumlttern eine humorale Im-munantwort gegen das fremde Plaumlttchenantigen ausloumlsen die ma-ternalen Thrombozyten weisen dieses Antigenmerkmal nicht auf In der Folge treten die im muumltterlichen Organismus gebildeten IgG-Iso-Antikoumlrper diaplazentar auf das Kind uumlber binden an die kindlichen Thrombozyten und fuumlhren zu einem beschleunigten Abbau der Blutplaumlttchen Die maternalen Thrombozytenzahlen sind normal

kEpidemiologieDie Inzidenz der Alloimmunthrombozytopenie wird mit 12ndash3000 Neugeborenen angegeben Verantwortlich fuumlr die muumltter-liche Sensibilisierung ist in mehr als 75 der Faumllle das plaumlttchenspe-zifische Antigen PLA1 das bereits in der 19 Schwangerschaftswoche von den fetalen Thrombozyten exprimiert wird 98 der Bevoumllke-rung besitzen PLA1-positive Thrombozyten Weitere Plaumlttchenanti-gene fuumlr die Sensibilisierungen beschrieben wurden sind PLA2 PLE1 PLE2 u a Bis zu 15 der betroffenen Neugeborenen koumlnnen an den Folgen einer zu spaumlt erkannten Alloimmunthrombozytope-nie versterben Bei komplikationslosen Verlaumlufen limitiert sich die Krankheit innerhalb der ersten 4ndash6 Lebenswochen durch Elimina-tion der zirkulierenden Antikoumlrper in der Regel von selbst Eine Sen-sibilisierung mit Entwicklung der Thrombozyteninkompatibilitaumlt tritt im Verlauf der 1 Schwangerschaft bei ca 50 der Risikokons-tellationen auf das Wiederholungsrisiko steigt bei weiteren Schwan-gerschaften auf 85 an

kKlinikKlinisch symptomatische Neugeborene mit Alloimmunothrombo-zytopenie fallen durch Petechien Purpura und gelegentlich Schleimhautblutungen auf Neben renalen und gastrointestinalen Blutungen ist die gefuumlrchtete Komplikation eine innerhalb der ersten

Tab 712 Ursachen der neonatalen Thrombozytopenie

Muumltterliche Ursachen Kindliche Ursachen

Idiopathisch thrombozyto-penische Purpura der MutterLupus erythematodes der MutterMedikamente waumlhrend der SchwangerschaftThrombozyten-Inkompatibi-litaumlt Alloimmunthrombozy-topenie

Konnatale Infektionen Toxoplas-mose Roumlteln Zytomegalie Herpes simplex LuesNeonatale Infektionen Sepsis neonatorumDisseminierte intravaskulaumlre Gerinnungsstoumlrung nach Asphyxie Schock etcNekrotisierende EnterokolitisAustauschtransfusionSelten aplastische Anaumlmie kongeni-tale Leukaumlmie Wiskott-Aldrich-Syndrom Riesenhaumlmangiom u aRetardierungPolyzythaumlmie

Abb 748 Gesamtzahl der neutrophilen Granulozyten gesunder Neuge-borener im Verlauf der ersten 28 Lebenstage

717579 middot Nekrotisierende Enterokolitis

Lebenstage auftretende Hirnblutung Einige Neugeborene sind auch bei ausgepraumlgten Thrombozytopenien symptomfrei

kDiagnoseDie Diagnose wird durch Nachweis spezifischer Thrombozyten-merkmale und Antikoumlrpernachweis bei Mutter und Kind gestellt

kTherapieBei Thrombozytenzahlen lt50000μl oder klinischen Blutungs-zeichen ist eine sofortige Transfusion eines kompatiblen Thrombo-zytenkonzentrats angezeigt Ein Problem stellt jedoch die Selektion geeigneter Thrombozytenspender dar da 98 der Bevoumllkerung PLA1-positive Thrombozyten besitzen und somit als Spender aus-scheiden Eine Thrombozytentypisierung potenzieller Spender ist nur in wenigen Blutbanken vorhanden

gt Als idealer Spender kompatibler Thrombozyten kommt daher nur die Mutter in Frage Das Verfahren der Thrombo-zytenisolierung durch Zellseparation wird auch unmittel-bar nach der Geburt von den Muumlttern gut toleriert

Einige Neugeborene sprechen auch auf eine hochdosierte intra-venoumlse Immunglobulintherapie an

Bei erneuter Schwangerschaft einer sensibilisierten Mutter be-steht ein hohes Risiko fuumlr das Kind an einer Alloimmunthrombozy-topenie zu erkranken Der durch Nabelschnurpunktion erfolgte Nachweis einer fetalen Thrombozytopenie kann eine repetitive In-utero-Transfusion von kompatiblen Thrombozyten erfordern Der therapeutische Effekt einer hochdosierten muumltterlichen Thera-pie mit Gammaglobulinpraumlparaten ist aufgrund der unzureichenden Datenlage noch nicht zu beurteilen

7819 Koagulopathien

In der Neonatalperiode werden nicht selten Stoumlrungen der plasma-tischen Blutgerinnung beobachtet sie koumlnnen Ausdruck einer an-geborenen Defizienz an Gerinnungsfaktoren (s Haumlmophilie u a) eines Vitamin-K-Mangels oder einer disseminierten intravasalen Gerinnungsstoumlrung (DIC raquodisseminated intravascular coagulati-onlaquo) sein Neugeborene haben erniedrigte Plasmakonzentrationen nahezu aller Gerinnungsfaktoren besonders die Synthese der vita-min-K-abhaumlngigen Faktoren II VII IX und X ist gestoumlrt Es gibt keinen diaplazentaren Uumlbertritt von Gerinnungsfaktoren

7820 Morbus haemorrhagicus neonatorum (Vitamin-K-Mangel)

kDefinitionDer Morbus haemorrhagicus neonatorum ist eine durch einen Vita-min-K-Mangel ausgeloumlste potenziell lebensbedrohliche Erkrankung die durch praumlventive Vitamin-K-Substitution verhindert werden kann

kEpidemiologieBei ca 1 von 200 Neugeborenen die keine postnatale Vitamin-K-Prophylaxe erhalten haben tritt ein unerwartetes Blutungsereignis innerhalb der ersten Lebenswochen auf

kAumltiologieVitamin K ist fuumlr die hepatische Synthese von Prothrombin Faktor VII IX und X verantwortlich Ein Vitamin-K-Mangel kann sich bei Neugeborenen zu verschiedenen Zeitpunkten manifestieren

Eine am 1 Lebenstag aufgetretene Blutung wird nach muumltter-licher Medikamenteneinnahme beobachtet Phenytoin Phenobar-bital Primidon Salizylate Antikoagulanzien u a beeintraumlchtigen den Vitamin-K-Metabolismus Neugeborener eine muumltterliche Heparinbehandlung dagegen hat keine Auswirkungen auf das kind-liche Gerinnungssystem Die typische Vitamin-K-Mangelblutung des reifen Neugeborenen tritt vom 3ndash7 Lebenstag uumlberwiegend bei mit Muttermilch ernaumlhrten Kindern auf Muttermilch hat nur einen geringen Vitamin-K-Gehalt Bei allen Fruumlh- und Neugeborenen die einer antibiotischen Langzeitbehandlung oder einer parenteralen Ernaumlhrung unterzogen sind koumlnnen sich bei mangelnder Vitamin-K-Substitution im Verlauf der Neonatalperiode bedrohliche Blutun-gen entwickeln Eine Spaumltmanifestation des Vitamin-K-Mangels im Alter von 4ndash12 Wochen kann bei mit Muttermilch ernaumlhrten Saumluglingen besonders aber bei Kindern mit einer Vitamin-K-Malab-sorption auftreten (Mukoviszidose cholestatischer Ikterus u a bei Gallengangsatresie Wachstumshemmung der vitamin-K-produzie-renden intestinalen mikrobiellen Flora durch Antibiotika)

kKlinikEine Vitamin-K-Mangelblutung ist immer dann zu vermuten wenn ein gesund wirkendes Neugeborenes spontane Haumlmorrhagien ent-wickelt Haumlmatemesis gatrointestinale Blutung (Melaena vera) Epi-staxis Nabelschnur- und Hautblutungen intrakranielle Blutung u a

kDifferenzialdiagnoseEine in den ersten Lebenstagen auftretende Haumlmatemesis oder Melaumlna kann auch durch muumltterliches bei der Geburt verschlucktes Blut verursacht sein

gt Mithilfe des Alkaliresistenztests (Apt-Test) kann in kuumlrzester Zeit entschieden werden ob es sich um kind-liches oder muumltterliches Blut handelt

Kindliche Erythrozyten enthalten uumlberwiegend alkaliresistentes Haumlmoglobin F sie werden in einer Loumlsung von 1 Natronlauge nicht denaturiert die Loumlsung bleibt roumltlich gefaumlrbt Die muumltterlichen Haumlmoglobin A enthaltenen Erythrozyten dagegen werden sofort zerstoumlrt die Loumlsung bekommt eine gelblich-braune Farbe

kPraumlvention TherapieBei manifester Vitamin-K-Mangelblutung (Risikopatienten Vita-min-K-Malabsorption) muss unverzuumlglich Vitamin K iv appliziert werden zusaumltzlich kann die Gabe von Frischplasma notwendig sein Houmlhere Dosen von Vitamin K sind bei muumltterlicher Medikamenten-einnahme oder Lebererkrankung des Neugeborenen indiziert Der Verdacht dass intramuskulaumlr injiziertes Vitamin K zu einem er-houmlhten Krebsrisiko bei Kindern fuumlhrt konnte inzwischen eindeutig widerlegt werden

gt Durch routinemaumlszligig prophylaktische Gabe von Vitamin K an alle Neugeborenen unmittelbar post partum sowie am 5 und 28 Lebenstag laumlsst sich ein Morbus haumlmorrhagicus neonatorum vermeiden (jeweils 2 mg Vitamin K oral)

79 Nekrotisierende Enterokolitis

kGrundlagenDie nekrotisierende Enterokolitis (NEC) ist eine akut auftretende inflammatorische Erkrankung des Duumlnn- und Dickdarms welche im Verlauf zu einem septischen Krankheitsbild mit disseminierten Darmnekrosen fuumlhrt Die Ursache ist multifaktoriell Die NEC ist die

Kapitel 7 middot Neonatologie176

7

haumlufigste Ursache gastrointestinaler Notfallsituationen Neugebore-ner vor allem erkranken Fruumlhgeborene mit einem Geburtsgewicht unter 1500 g Neben einzelnen sporadischen Faumlllen wird haumlufig ein gruppenweises Auftreten der Erkrankung beobachtet

kPathogeneseEine Erklaumlrung der Genese der Erkrankung muss folgende Faktoren beruumlcksichtigen 90 der Faumllle treten bei Fruumlhgeborenen auf Fast alle erkrankten Kinder sind oral ernaumlhrt worden Die NEC tritt er-heblich seltener auf bei Ernaumlhrung mit Muttermilch Viele Faumllle tre-ten endemisch auf ohne dass sich oft ein gemeinsamer Erreger iso-lieren laumlsst Es ist somit offensichtlich dass die NEC multifaktoriell verursacht wird Dabei koumlnnen verschiedene pathogenetische Fak-toren identifiziert werden ( Abb 749) 4 Unreife der intestinalen Abwehrmechanismen 4 bakterielle Uumlberwucherung des Darmes 4 orale Ernaumlhrung

Die intestinale Abwehr gegenuumlber pathogenen Erregern ist bei Fruumlhgeborenen beeintraumlchtigt Neben einer verminderten Konzent-ration des sekretorischen IgA auf der Darmschleimhaut finden sich eine geringe Anzahl an intestinalen T-Lymphozyten ein relativ hoher pH-Wert der Magensaumlure und weitere Defizienzen der lokalen Immunitaumlt Die geringe Darmmotilitaumlt beguumlnstigt ebenfalls die Bak-terienadhaumlsion Die herabgesetzte lokale Immunitaumlt ist einer der wesentlichen pathogenetischen Faktoren der NEC

Die bakterielle Besiedlung des Darmes ist ebenfalls von Bedeu-tung In der Tat lassen sich bei einer NEC haumlufig bakterielle Erreger vor allem gramnegative Keime wie Klebsiella Enterobacter- und Pseudomonas-Spezies oder Escherichia coli aus der Peritonealfluumlssig-keit der Blutkultur oder aus dem Stuhl isolieren Aber auch Infektio-nen mit Staphylokkokus epidermidis oder Rotaviren werden bei einer NEC beobachtet Die Pneumatosis als pathognomonisches Symptom entsteht durch intraluminale Ausbreitung der bakteriellen H2-Bildung im Rahmen der Kohlenhydratvergaumlrung des Darminhalts

Die orale Ernaumlhrung ist ein weiterer pathogenetischer Faktor Eine NEC tritt praktisch nur bei oral ernaumlhrten Neugeborenen auf Eine zu rasche Steigerung der Nahrung (gt20 kalkg KGTag) kann bei der bestehenden Immaturitaumlt des Verdauungsapparats zu einer Verbesserung der Wachstumsbedingungen von Bakterien mit nach-folgender bakterieller Uumlberwucherung fuumlhren Bei Fuumltterung mit Frauenmilch kommt eine NEC seltener vor als bei Ernaumlhrung mit einer Kuhmilchpraumlparation Dieses kann daran liegen dass die lokale Schleimhautabwehr sowie die Verdauung der Nahrung durch Frauenmilch guumlnstig beeinflusst wird

kKlinikKinder mit NEC praumlsentieren sich mit folgenden Symptomen 4 geblaumlhtes meist druckschmerzhaftes Abdomen 4 blutige Stuumlhle 4 Erbrechen Nahrungs- oder Sekretruumlckstau im Magen 4 haumlufig lokalisierte Resistenz im Abdomen 4 livide oder roumltlich verfaumlrbte Bauchhaut 4 bei fortschreitender Erkrankung mit diffuser Peritonitis

gesamte Bauchhaut glaumlnzend und oumldematoumls 4 fehlende Darmgeraumlusche

Neben den lokalen Befunden zeigen die Kinder Symptome einer systemischen Infektion 4 Temperaturinstabilitaumlt 4 Apnoen 4 Muskelhypotonie 4 Hypomotorik bis Lethargie 4 Bei schweren Verlaumlufen zusaumltzlich 4 Hypotension 4 Azidose 4 dissiminierte intravasale Gerinnung mit Thrombozytopenie

Die Erkrankung verlaumluft progressiv klinisch hat sich eine Einteilung in 3 Stadien bewaumlhrt ( Tab 713)

Abb 749 Pathogenetische Faktoren bei der Entstehung der nekrotisierenden Enterokolitis

7177710 middot Fetale und neonatale Infektionen

kLabordiagnostikTypische laborchemische Befunde gibt es nicht sie entsprechen der einer Sepsis (Leukozytose oder Leukozytopenie raquoLinksverschie-bunglaquo im Verlauf erhoumlhte Serumkonzentrationen des C-reaktiven Proteins)

kRoumlntgendiagnostikRadiologisch findet sich in den fruumlhen Stadien der Erkrankung eine lokalisierte oder generalisierte Dilatation von Darmschlingen so-wie eine Verdickung der Darmwand Das typische Symptom einer NEC ist die Pneumatosis intestinalis mit einer perlschnurartigen Ansammlung von Gasblasen in der Darmwand Bei Extension dieser Gasansammlung uumlber die Mesenterialgefaumlszlige in die Lebervenen laumlsst sich intrahepatische Luft nachweisen Eine Perforation des Darms fuumlhrt zum Auftreten freier Luft im Abdomen Das Pneumoperito-neum imponiert in Ruumlckenlage oft als rundliche strahlentranspa-rente Figur in Bauchmitte die Perforation laumlsst sich meist besser bei einer Aufnahme in Linksseitenlage als sichelartige Luftdarstellung uumlber der Leber nachweisen

kTherapieDie Behandlung der NEC haumlngt ab von der Schwere der Erkrankungsbquo Bei Verdacht auf NEC erfolgt eine konservative Behandlung mit Nahrungspause (keine oralen Medikamente) Magenablaufsonde und breiter antibiotischer Therapie Die Fluumlssigkeits- und Elektro-lyttherapie ist von besonderer Bedeutung da es zu erheblichen Ver-lusten von Fluumlssigkeit in den Darm kommen kann (sog dritter Raum) in der Regel ist die Gabe von isotoner Elektrolytloumlsung erforderlich Bei definitiver NEC oder Ileussymptomatik ist unbe-dingt eine Mitbeurteilung des klinischen Befundes durch einen Kinderchirurgen notwendig um eine rechtzeitige Indikation zu ope-rativem Vorgehen stellen zu koumlnnen Eine Operationsindikation ist gegeben bei Perforation klinischen Peritonitissymptomen oder deutlichen Pneumatosiszeichen Ein toxisches Krankheitsbild erfor-dert eine notfallmaumlszligige operative Therapie

710 Fetale und neonatale Infektionen

7101 Besonderheiten des Immunsystems Neugeborener

Waumlhrend der 2 Schwangerschaftshaumllfte entwickelt der Fetus die Faumlhigkeit zur zellulaumlren und humoralen Immunabwehr jedoch ist das Immunsystem des Feten in seiner Aktivitaumlt supprimiert um Abstoszligungsreaktionen zwischen Feten und Mutter zu vermeiden

Die Umstellung des Immunsystems auf die aktive Bekaumlmpfung von invasiven Erregern erfolgt erst postnatal Deshalb sind viele immu-nologische Effektorsysteme beim Neugeborenen und noch ausge-praumlgter beim Fruumlhgeborenen weniger funktionsfaumlhig als beim Er-wachsenen ( Tab 714)

Immunglobuline Fetale B-Lymphozyten sind in der Lage bei intra-uterinen Infektionen IgM-Antikoumlrper zu bilden Die IgG-Antikoumlr-per des Neugeborenen sind dagegen IgG-Antikoumlrper der Mutter die uumlber einen aktiven Transportmechanismus der Plazenta auf das Neugeborenen uumlbertragen werden und ihm den so genannten Nest-schutz vor Infektionen vermitteln Der protektive Effekt von muumltter-lichen IgG-Antikoumlrpern z B gegen β-haumlmolysierende Streptokok-ken der Gruppe B oder Herpes simplex ist eindeutig belegt Dieser transplazentare Transport beginnt mit 20 Schwangerschaftswochen und fuumlhrt zu mit dem Gestationsalter zunehmenden IgG-Konzent-rationen beim Neugeborenen Fruumlhgeborene haben deshalb nur einen ungenuumlgenden Nestschutz IgA passiert die Plazenta nicht und ist beim Neugeborenen nicht nachzuweisen

gt Beim Neugeborenen nachweisbares IgM ist ein Hinweis auf eine intrauterine Infektion da muumltterliche IgM-Anti-koumlrper wegen ihrer Groumlszlige die Plazenta nicht passieren

Komplementsystem Die Serumkonzentrationen der meisten Kom-plementfaktoren und Komplementaktivitaumlt betragen beim reifen Neugeborenen nur ca 50 der Erwachsenenwerte Dadurch ist die Opsonisierung von Erregern verringert und somit die opsoninab-haumlngige Phagozytose eingeschraumlnkt

Granulozyten Das Neugeborene hat nur geringe Granulozytenre-serven im Knochenmark Die Granulozyten zeigen normales Phago-zytoseverhalten und Bakterizidie jedoch eine eingeschraumlnkte Adhauml-renz und Chemotaxis

Makrophagen Neonatale Makrophagen zeigen eine verringerte Chemotaxis und Aktivierbarkeit

T-Lymphozyten Mit 15ndash20 Schwangerschaftswochen haben Feten eine nachweisbare T-Zell-Population im peripheren Blut Diese ist allerdings in ihrer Aktivitaumlt supprimiert und zeigt eine verringerte

Tab 713 Stadien der nekrotisierenden Enterokolitis (NEC) nach Bell

Stadium 1 Ver-dacht auf NEC

Systemische Symptome und Distension des Darmes (A ohne B mit blutigen Stuumlhlen)

Stadium 2 defini-tive NEC

Zunahme der systemischen Symptome Ileus als diagnostisches Symptom Nachweis einer Pneumatosis intestinalis (A ohne B mit deut-lichen abdominellen Lokalbefunden ndash Ab-wehrspannung Bauchwandinfiltration abdominelle Resistenz Aszites)

Stadium 3 fortge-schrittene NEC

Schwere systemische Infektionssymptome sehr krankes Kind deutliche Zeichen der Peritonitis (A ohne B mit Darmperforation)

Tab 714 Funktionseinschraumlnkungen des neonatalen Immun-system

Immun-globuline

IgG von der Mutter uumlbertragen (Nestschutz)Evtl Mangel an spezifischen AntikoumlrpernIgG bei Fruumlhgeborenen deutlich vermindertIgM-Produktion bei intrauteriner Infektion moumlglich

Komple-mentsystem

Serumspiegel nur 50ndash75 des Erwachsenen

Granulo-zyten

Geringe KnochenmarksreservenVerminderte Adhaumlrenz und Chemotaxis

Makro-phagen

Verringerte Chemotaxis und Aktivierbarkeit

T-Lympho-zyten

Verringerte MitogenstimulierbarkeitVerringerte ZytokinproduktionVerringerte Faumlhigkeit B-Zellen und Makrophagen zu stimulieren

Kapitel 7 middot Neonatologie178

7

Mitogenstimulierbarkeit eine verminderte Faumlhigkeit B-Zellen und Makrophagen durch eine eingeschraumlnkte Zytokinproduktion z B von γ-Interferon zu aktivieren

7102 Nichtbakterielle konnatale Infektionen

kGrundlagenDie nichtbakteriellen Erreger konnataler Infektionen werden haumlufig unter dem Merkwort TORCH zusammengefasst 4 T Toxoplasma gondii 4 O Others (HIV Varizella-Zoster-Virus Hepatitis-B-Virus

Parvovirus-B19) 4 R Roumltelnvirus 4 C Zytomegalievirus 4 H Herpes-simplex-Virus Typ 1 und 2

kUumlbertragungDiese Erreger koumlnnen auf verschiedenen Wegen von der Mutter auf das Kind uumlbertragen werden ( Tab 715)

4 Transplazentare Infektion der Erreger im muumltterlichen Blut durchdringt die Plazentaschranke und infiziert das Kind Die Durchlaumlssigkeit der Plazentaschranke haumlngt von der Art des Erregers und vom Zeitpunkt der Gestation ab so wird die Plazenta z B mit zunehmendem Gestationsalter durchlaumlssiger fuumlr Toxoplasmen

4 Perinatale Infektion das Kind infiziert sich beim Durchtritt durch den Geburtskanal

4 Postnatale Infektion die Infektion erfolgt durch Muttermilch oder Kontakt mit infektioumlsem Material von der Mutter

kKlinikDie Symptomatik der TORCH-Infektionen reicht von der asympto-matischen Infektion bis zur toumldlichen Erkrankung ( Tab 716)

Folgende Symptome bei Geburt sind verdaumlchtig auf eine intra-uterin uumlbertragene TORCH-Infektion 4 Untergewicht 4 Mikrozephalie intrazerebrale Verkalkungen Krampfanfaumllle

(Enzephalitis) 4 Netzhautverkalkungen Mikrophthalmie (Chorioretinitis) 4 Anaumlmie Thrombozytopenie (Knochenmarkdepression) 4 Hepatomegalie Ikterus (Hepatitis)

kDiagnoseDiagnostisch stehen der direkte Erregernachweis in Urin Speichel oder anderen Koumlrpersekreten zur Verfuumlgung die Erregerausschei-dung persistiert oft uumlber Monate Die Nachweis von IgM-Antikoumlr-pern gelingt oft nicht deshalb sind Verlaufsuntersuchungen des IgG-Titers erforderlich

7103 Roumlteln

kEpidemiologieDas Risiko einer Roumltelnembryofetopathie betraumlgt 30 bei einer muumltterlichen Infektion vor der 12 Schwangerschaftswoche und 10 bei einer muumltterlichen Infektion zwischen 13 und 20 Schwanger-schaftswochen Die Haumlufigkeit der Roumltelnembryopathie hat in Deutschland durch die Impfung und die verbesserte praumlnatale Diagnostik auf 1 pro 10000 Geburten abgenommen

kPathogeneseDas Roumltelnvirus wird waumlhrend der muumltterlichen Viraumlmie trans-plazentar uumlbertragen 50 der infizierten Schwangeren sind selbst asymptomatisch Bei unbeabsichtigter Roumltelnimpfung einer Schwan-geren kann es zwar selten zu einer kindlichen Infektion kommen aber nicht zu einer Roumltelnembryopathie

kKlinikTypisch ist die Roumltelnembryopathie mit der Fehlbildungstrias In-nenohrschwerhoumlrigkeit Herzfehler (persistierender Ductus arte-riosus) und Katarakt die auch als Gregg-Syndrom bezeichnet wird Es kann aber auch zum Abort zur intrauterinen Infektion ohne Fehlbildung zu transienten neonatalen Symptomen oder zur persis-tierenden Infektion mit permanenten Organschaumlden kommen

Tab 715 Bedeutung der verschiedenen Infektionswege bei nicht-bakteriellen konnatalen Infektionen

Erreger Transplazentare Infektion

Perinatale Infektion

Postnatale Infektion

Toxoplasmose ++ ndash ndash

HIV + ++ +

Parvovirus ++ ndash ndash

Hepatitis-B-Virus + ++ +

Varicella-Zoster-Virus ++ + +

Roumlteln ++ ndash ndash

Zytomegalie ++ ++ +

Herpes simplex ndash ++ +

Tab 716 Symptome der nichtbakteriellen konnatalen Infektionen

Erreger Symptomatik

Roumlteln Embryopathie mit Trias Innenohrschwerhoumlrigkeit Herzfehler Katarakt

Zytomegalie 90 bei Geburt asymptomatisch (Spaumltschaumlden psychomotorische Retardierung Schwerhoumlrigkeit)10 bei Geburt symptomatisch (Enzephalitis Hepatitis Chorioretinitis Wachstumsretardierung)

Herpes sim-plex (Typ 2)

Generalisiert-septische Infektion oder lokalisierte Herpeslaumlsionen an Haut Auge und Mund oder isolierte Enzephalitis

Varicella Zoster

Varizellenembryopathie (Hautnarben Extremitauml-tenhypoplasie) neonatale Varizellen

Hepatitis B Hepatitis haumlufig mit chronischem Verlauf

HIV Bei Geburt meist asymptomatisch in den ersten Lebensmonaten Lymphadenopathie Gedeihstoumlrung rezidivierende Diarrhouml oder Atemwegsinfektionen

Parvovirus B19 Transiente intrauterine Anaumlmie

Toxoplas mose 90 bei Geburt asymptomatisch (Spaumltschaumlden Chorioretinits psychomotor Retardierung Hydro-zephalus)10 bei Geburt symptomatisch (Enzephalitis Hepatitis Chorioretinitis Gedeihstoumlrung)

7179710 middot Fetale und neonatale Infektionen

CaveMeningoenzephalitis Chorioretinitis Glaukom Hepatitis etc

kDiagnoseZur Diagnose tragen Anamnese und Virusnachweis in Speichel Blut oder Urin bei Die Virusausscheidung ist 1ndash3 Monate nach der Geburt am houmlchsten und kann bis zu 1 Jahr persistieren Positives Roumlteln-IgM in der Serologie persistierender oder ansteigender Roumlteln-IgG-Titer sind diagnostisch wegweisend

kDifferenzialdiagnoseZytomegalie Toxoplasmose

kTherapieBei hohem Verdacht auf eine Roumltelnembryopathie kann eine Schwangerschaftsunterbrechung erwogen werden

gt Entscheidend ist die Sicherstellung des Roumltelnimpf schutzes bei allen Maumldchen vor Eintritt der Pubertaumlt denn bei intra-uteriner Infektion ist keine spezifische Therapie moumlglich

kPrognoseDie Gesamtmortalitaumlt infizierter Neugeborener betraumlgt 10 davon 35 im 1 Lebensjahr

7104 Zytomegalie

kEpidemiologieDie Zytomegalie ist die haumlufigste nichtbakterielle konnatale Infekti-on 1 aller Neugeborenen sind bei Geburt mit dem Zytomegalie-virus infiziert 10 der infizierten Neugeborenen sind bei Geburt symptomatisch (7 Kap 154)

kPathogeneseDas Zytomegalievirus persistiert lebenslaumlnglich in Lymphozyten und anderen Koumlrperzellen ( Abb 750) Die Infektion wird in der Schwan-gerschaft haumlufig reaktiviert Bei einer Erstinfektion der Mutter in der Schwangerschaft kommt es zu einem wesentlich schwereren fetalen Krankheitsverlauf als bei transplazentarer Erregeruumlbertragung im Rahmen einer in der Schwangerschaft reaktivierten Zytomegalie-infektion Daneben ist auch eine perinatale Uumlbertragung durch infek-tioumlse Genitalsekrete und eine postnatale Uumlbertragung durch Mutter-milch oder eine Bluttransfusion moumlglich Eine postnatale CMV-Infek-tion ist vermutlich nur fuumlr sehr unreife Fruumlhgeborene problematisch sie koumlnnen von einem Sepsis-aumlhnlichen Krankheitsbild betroffen sein

kKlinik90 der intrauterin infizierten Neugeborenen sind bei Geburt asym-ptomatisch scheiden allerdings das Virus uumlber Monate im Urin Traumlnen Blut und Rachensekret aus 10 der bei Geburt symptom-freien Neugeborenen entwickeln im Verlauf Spaumltmanifestationen (Houmlrstoumlrung psychomotorische Retardierung) Die 10 bei Geburt symptomatischen Neugeborenen koumlnnen verschiedenste Organ-schaumlden aufweisen (Enzephalitis mit periventrikulaumlren Kalzifikatio-nen Mikrozephalie Taubheit Hepatitis Wachstumsretardierung Chorioretinitis petechialer Hautausschlag Thrombozytopenie) und entwickeln zu 90 bleibende Organschaumlden

kKomplikationenEntwicklung von bleibenden Organschaumlden vor allem im Gehirn ( Abb 750) Gehoumlr und am Auge durch die persistierende Infektion

kDiagnoseDurch direkten Erregernachweis (Early Antigen Virus-PCR) und Viruskultur von Urin Speichel wird die Infektion nachgewiesen IgM-Antikoumlrper sind auch bei florider Zytomegalieinfektion nicht immer nachzuweisen deshalb erfolgt die Kontrolle des IgG-Titer-verlaufs

kDifferenzialdiagnoseKonnatale Roumlteln Toxoplasmose bakterielle Sepsis

kTherapieEine mehrwoumlchige Behandlung mit Ganciclovir scheint den Grad der Schwerhoumlrigkeit und moumlglicherweise auch der neurologischen Schaumldigung guumlnstig zu beeinflussen

gt Die konnatale Zytomegalieinfektion ist eine fuumlhrende Ursache von geistiger Behinderung und Schwerhoumlrigkeit

7105 Herpes simplex

kEpidemiologieDie Haumlufigkeit der konnatalen Herpes-simplex-Infektion betraumlgt 1 auf 7500 Neugeborene In 85 der Faumllle wird sie durch den Virustyp 2 (Herpes genitalis) verursacht (7 Kap 151)

kPathogenese90 der Infektionen finden perinatal beim Durchtritt durch den Geburtskanal statt Das Uumlbertragungsrisiko ist bei einer primaumlren Herpes-genitalis-Infektion der Mutter 10-mal houmlher (50) als bei einer rekurrierenden muumltterlichen Infektion Die Herpes-simplex-Typ-1-Infektion (Herpes labialis) beim Neugeborenen wird meist postnatal durch Kontakt mit infektioumlsem Sekret uumlbertragen

kKlinikBei der peri- oder postnatalen Infektion kann es zu einer generali-sierten Infektion kommen zur einer auf Haut Augen und Mund beschraumlnkten Infektion oder zur Enzephalitis Die generalisierte Infektion hat unspezifische Symptome wie bei einer Sepsis (Apnoen Lethargie oder Hepatosplenomegalie) Hauteffloreszenzen kommen nur bei 70ndash80 der Neugeborenen mit HSV-Sepsis vor Die lokali-sierte Infektion zeigt Herpeslaumlsionen auf der Haut Keratokonjunk-

Abb 750 Typische im Nierenparenchym gelegene Riesenzellen die aus Virusaggregaten bestehende Zelleinschlusskoumlrperchen (sog Eulenaugen-zellen) enthalten

Kapitel 7 middot Neonatologie180

7

tivitis und Chorioretinitis Die isolierte Enzephalitis manifestiert sich mit Fieber Irritabilitaumlt Lethargie Koma fokalen und generali-sierten Krampfanfaumlllen und gespannter Fontanelle Hautlaumlsionen sind dabei selten Im CT findet man typischerweise fokale Laumlsionen im Temporallappen

kKomplikationenSchock disseminierte intravasale Koagulopathie

kDiagnoseZur Diagnose fuumlhren die charakteristischen Hauteffloreszenzen sowie der Virusnachweis aus Blaumlscheninhalt und Blut (Nachweis von HSV-Antigen und HSV-DNA) Bei der Enzephalitis laumlsst sich das Virus in 25ndash40 der Faumllle im Liquor nachweisen Die Serologie ist in der Regel nicht hilfreich

kDifferenzialdiagnoseToxoplasmose Zytomegalie Roumlteln intrakranielle Blutung Sepsis

kTherapieBei primaumlrer Herpes-genitalis-Infektion der Mutter zum Zeitpunkt der Geburt sollte die Entbindung per Kaiserschnitt durchgefuumlhrt werden um das Infektionsrisiko zu reduzieren Beim geringsten klinischen Verdacht auf eine neonatale Herpesinfektion sollte eine antivirale Therapie mit Aciclovir begonnen werden Die fruumlh ein-setzende antivirale Therapie verbessert die Prognose und eine Gene-ralisierung kann verhindert werden

kPrognoseBei einer generalisierten Infektion betraumlgt die Letatlitaumlt 60 Uumlber-lebende haben meist schwere neurologische und okulaumlre Schaumlden

7106 Varizella-Zoster-Virus

kEpidemiologieDie Inzidenz muumltterlicher Windpocken in der Schwangerschaft betraumlgt nur 1ndash510000 Schwangerschaften Bei muumltterlichen Wind-pocken in der Schwangerschaft werden 25 der Feten infiziert

kPathogeneseDie fruumlhe transplanzentare Infektion fuumlhrt zur Varizellenembryo-pathie die spaumlte transplazentare Infektion in den letzten 3 Schwan-gerschaftswochen zu neonatalen Windpocken

kKlinikDie Varizellenembryopathie geht mit Enzephalitis Chorioretinitis Hypoplasie von Gliedmaszligen und dermatombezogenen Hautnarben einher Neonatale Windpocken verlaufen je nach Infektionszeit-punkt unterschiedlich schwer 4 Auftreten der muumltterlichen Windpocken 5ndash21 Tage vor der

Geburt Die Infektion erfolgt transplazentar Die Inkubations-zeit nach transplazentarer Infektion ist kuumlrzer (10 statt 14 Tage) als nach Infektion uumlber den Nasopharynx Das Neugeborene zeigt innerhalb weniger Tage nach Geburt in der Regel milde Symptome da es auch muumltterliche Antikoumlrper uumlber die Plazenta bekommt

4 Auftreten der muumltterlichen Windpocken 4 Tage vor dem Ent-bindungstermin bis 2 Tage nach Geburt Das Neugeborenes wird 5ndash10 Tage post partum symptomatisch Die Erkrankung kann in 20 der Faumllle schwer verlaufen mit sich rasch aus-breitendem haumlmorrhagischem Exanthem Pneumonie Enzephalitis und Tod da das Neugeborene keine muumltterlichen Antikoumlrper mehr erhalten hat

4 Postnatale Infektion Wird ein NeugeborenesSaumlugling postnatal uumlber den Nasopharynx infiziert hat es kein houmlheres Erkrankungsrisiko als aumlltere Kinder

kKomplikationenNach neonatalen oder postnatalen Windpocken tritt in den ersten 10 Lebensjahren haumlufig ein Zoster auf

kDiagnoseAnamnese und Nachweis des typischen Exanthems Virusisolie-rung aus Effloreszenzen und Serologie ermoumlglichen die Diagnose-stellung

kDifferenzialdiagnoseKonnatale Herpes-simplex-Virus-Infektion

kTherapieBei muumltterlichen Varizellen kurz vor dem Entbindungstermin erhaumllt die Mutter sofort und das Kind nach der Geburt ein Varizellen- Hyperimmunglobulin auszligerdem werden beide mit Aciclovir be-handelt

kPrognoseDie Letalitaumlt der Varizellenembryopathie betraumlgt 47

7107 Weitere konnatale Virusinfektionen

Hepatitis B kEpidemiologie

1 der Schwangeren sind HBs-Antigen positiv und etwa 6 ihrer Neugeborenen werden infiziert Ist die Mutter HBs- und HBe-Anti-gen positiv verzehnfacht sich das Infektionsrisiko fuumlr den Feten 20ndash30 der infizierten Neugeborenen werden zu chronischen He-patitis-B-Traumlgern

kPathogeneseDie Uumlbertragung des Hepatitis-B-Virus erfolgt perinatal

Abb 751 Periventrikulaumlre Echogenitaumltsvermehrung und Hydrozephalus im zerebralen Ultraschall als Ausdruck einer VentrikulitisEnzephalitis bei neonataler Zytomegalieinfektion

7181710 middot Fetale und neonatale Infektionen

kDiagnoseDer Nachweis von HBs-Antigen bei der Mutter erfolgt im Rahmen der Schwangerenvorsorge

kTherapieDurch die unmittelbar postnatal durchgefuumlhrte aktive und passive Immunisierung des Neugeborenen gegen Hepatitis B lassen sich 80 der neonatalen Infektionen verhindern

HIV-Infektion kPathogenese

Der wichtigste Infektionsmodus ist die perinatale Infektion jedoch kann die Infektion auch transplazentar oder postnatal z B durch Muttermilch erfolgen

kKlinikDie Neugeborenen sind bei Geburt meist symptomfrei In den ersten Lebensmonaten entwickeln sich Symptome wie Mikrozephalie psychomotorische Retardierung Gedeihstoumlrung persistierende Candidainfektionen oder Diarrhouml Lymphadenopathie oder rezidi-vierende Atemwegsinfektionen

kDiagnoseDie Diagnose der HIV-Infektion beim Neugeborenen oder Saumlugling kann nur durch HIV-PCR oder Viruskultur gefuumlhrt werden

CaveDer Nachweis von HIV-Antikoumlrpern beim Neugeborenen ist nicht beweisend fuumlr eine HIV-Infektion da es sich um muumltterliche Leihantikoumlrper handeln kann

kTherapieDurch die antiretrovirale Behandlung der Mutter ab 34 Schwanger-schaftswochen die Kaiserschnittentbindung mit 38 Schwanger-schaftswochen und die sofortige postnatale Azidothymidinbehand-lung des Neugeborenen konnte die Rate der perinatalen Infektionen auf unter 2 gesenkt werden HIV-infizierte Muumltter sollen nicht stillen

Parvovirus-B19-Infektion kPathogenese

Parvovirus B19 wird transplazentar uumlbertragen Bei der Mutter ver-laumluft die Infektion haumlufig subklinisch und nicht mit dem fuumlr den Parvovirus B19 typischen Exanthem der Ringelroumlteln

kKlinikBeim Feten fuumlhrt die Infektion zu einer transienten Depression der Erythropoese und zur Entwicklung einer intrauterinen Anaumlmie die so ausgepraumlgt sein kann dass sich ein Hydrops fetalis entwickelt

kDiagnoseParvovirus-B19-Serologie bei der Mutter positives IgM beim Kind

kTherapieBei nachgewiesener muumltterlicher Infektion engmaschige Ultra-schallkontrolle des Feten Bei drohendem Hydrops fetalis Bestim-mung des fetalen Haumlmatokrits und intrauterine Transfusion Nach erfolgreicher intrauteriner Behandlung ist die Prognose der Kinder als gut anzusehen

7108 Toxoplasmose

kEpidemiologieDie Haumlufigkeit der konnatalen Toxoplasmose betraumlgt 3ndash6 auf 1000 Lebendgeborene (7 Kap 177)

kPathogeneseDie Erstinfektion fuumlhrt beim Erwachsenen zu grippalen Symptomen mit Lymphknotenschwellungen Bei einer Erstinfektion in der Schwangerschaft kommt es in ca 50 der Faumllle zu einer Infektion des Feten Dabei uumlberwindet der Erreger die Planzenta im 3 Trime-non leichter als im 2 Trimenon die Erkrankung verlaumluft allerdings bei Infektion im 3 Trimenon wesentlich leichter

kKlinik10 der infizierten Feten entwickeln eine symptomatische ge-neralisierte Infektion mit Enzephalitis Hepatitis Chorioretinitis ( Abb 752) Pneumonie und Myokarditis 90 haben primaumlr einen subklinischen Krankheitsverlauf und werden asymptomatisch ge-boren

kKomplikationenRezidivierende Chorioretinitis

kDiagnoseIm Vordergrund steht die serologische Diagnostik In 70 der Faumllle gelingt ein Nachweis von IgM-Antikoumlrpern Antigennachweise sind in Erprobung

kDifferenzialdiagnoseZytomegalie Roumlteln

kTherapieBei muumltterlicher Erstinfektion in der Schwangerschaft wird die Mutter mit Spiramycin Sulfonamiden und Pyrimethamin be-handelt Dieselbe Therapie wird postnatal einem infizierten Neuge-borenen verabreicht

kPrognoseEin Teil der asymptomatischen Neugeborenen entwickelt postenze-phalitische Spaumltschaumlden (intrazerebrale Verkalkungen Hydroze-

Abb 752 Chorioretinitis bei konnataler Toxoplasmose

Kapitel 7 middot Neonatologie182

7

phalus und Chorioretinitis) Kinder mit angeborener Toxoplasmose sollten bis zum 10 Lebensjahr in regelmaumlszligigen Abstaumlnden ophtal-mologisch und neurologisch untersucht werden

7109 Neugeborenensepsis

kDefinitionDie neonatale Sepsis stellt nach wie vor eines der Hauptprobleme der Neugeborenenmedizin dar sie ist eine disseminierte mikrobielle Erkrankung die durch die klinischen Symptome einer systemischen Infektion und die Septikaumlmie d h den kulturellen Nachweis patho-gener Erreger in der Blutkultur charakterisiert ist Im Rahmen des septischen Schocks kann sich ein Multiorganversagen ausbilden

kEpidemiologieIn Westeuropa und den USA erkranken 1ndash4 Neugeborene1000 Le-bendgeboreneJahr an einer neonatalen Sepsis 10ndash25 der Patien-ten versterben an den Komplikationen dieser oftmals foudroyant verlaufenden Infektion bis zu frac14 der Kinder entwickeln als Folge einer zu spaumlt diagnostizierten Sepsis eine eitrige Meningitis Diese Komplikation tritt in Deutschland inzwischen bei weniger als 10 der Fruumlh- und Neugeborenen auf Besonders kritisch ist die Situation auf neonatologischen Intensivstationen hier kann bei 25 der Kindern im Verlauf der Intensivtherapie eine Sepsis nachgewiesen werden Wie eine Reihe von epidemiologischen Untersuchungen belegen hat die Inzidenz der neonatalen Sepsis in den letzten 20 Jah-ren zugenommen

kVerlaufDie neonatale Sepsis manifestiert sich in 2 Verlaufsformen 4 fruumlheinsetzende Form (Fruumlhsepsis) 4 spaumlteinsetzende Form (Spaumltsepsis)

Die fruumlheinsetzende Form zeichnet sich durch den Krankheitsbeginn in den ersten Lebenstagen das typische Erregerspektrum (s unten) und die fulminante Verlaufsform aus Haumlufig entwickelt sich die sys-temische Infektion auf dem Boden einer neonatalen Pneumonie Bei vielen Kindern sind geburtshilfliche Risikofaktoren vorhanden

Die spaumlteinsetzende Form tritt in der Regel nach dem 5 Le-benstag auf der klinische Verlauf kann entweder foudroyant oder langsamer fortschreitend sein die Neugeborenen erkranken haumlufig an einer Meningitis Die Erreger stammen haumlufig aus dem postnata-len Umfeld Besonders intensivmedizinisch behandelte Fruumlh- und Neugeborene sind gefaumlhrdet an einer spaumlteinsetzenden nosoko-mialen Sepsis zu erkranken

kPathogenese RisikofaktorenDie geburtshilflichen Risikofaktoren der fruumlheinsetzenden Sepsis sind 4 vorzeitiger Blasensprung 4 Amnioninfektionssyndrom 4 Fieber Bakteriaumlmie der Mutter 4 Fruumlhgeburtlichkeit

Durch vorzeitigen Blasensprung Aszension vaginaler Erreger (as-zendierende Infektion) oder im Rahmen einer muumltterlichen Bakte-riaumlmie (deszendierende Infektion) kann das Neugeborene bereits in utero infiziert werden und manifest erkranken ( Abb 753)

Bei einer muumltterlichen vaginalen und rektalen Kolonisierung mit pathogenen Erregern kann ein Neugeborenes daruumlber hinaus auf dem Geburtsweg infiziert werden Bis zu 30 der amerikanischen und westeuropaumlischen Schwangeren weisen eine vaginale Besiedlung mit β-haumlmolysierenden Streptokokken der Gruppe B auf maximal 50 mit pathogenen E coli Nach einer vaginalen Geburt sind bis zu 70 der Neugeborenen mit diesen pathogenen Bakterien auf Haut- und Schleimhaumluten kolonisiert Das Ausmaszlig der Besiedlung erhoumlht das Risiko an einer Sepsis zu erkranken Man kann davon ausgehen dass ca 1 von 100 Neugeborenen die mit β-haumlmolysierenden Strep-tokokken der Gruppe B besiedelt sind an einer Sepsis erkrankt

Eine Gruppe von Risikopatienten ist in einem hohen Maszlig gefaumlhrdet eine nosokomiale Sepsis zu akquirieren intensivmedizi-nisch behandelte Fruumlh- und Neugeborene Die gut belegten Risiko-faktoren sind in Tab 717 zusammengefasst

gt Eine Uumlbertragung von pathogenen Erregern erfolgt uumlber-wiegend durch unzureichende Handwaschpraktiken der betreuenden Schwestern und Aumlrzte

Abb 753 Prauml- und postnatale Infektionswege der neonatalen Sepsis

7183710 middot Fetale und neonatale Infektionen

In einzelnen amerikanischen Intensivstationen wurden bei 15 aller Hochrisikofruumlhgeborenen systemische Infektionen mit Candida spp diagnostiziert In Tab 718 sind die wesentlichen Erreger der neonatalen Sepsis zusammengefasst

kKlinikDie klinische Symptomatik der Neugeborenensepsis ist uncharak-teristisch und variabel bleiben die oftmals diskreten klinischen Zeichen unerkannt so kann sich innerhalb kurzer Zeit das Vollbild des septischen Schocks entwickeln Einer der wichtigsten Hinwei-se ist das von einer erfahrenen Kinderkrankenschwester registrierte raquoschlechte Aussehenlaquo des Neugeborenen Neben Stoumlrungen der Temperaturregulation und der Atmungsfunktion werden gastro-intestinale Symptome beobachtet Phasenweise nachweisbare Veraumlnderungen des Hautkolorits weisen auf die im Rahmen der Bakteriaumlmie auftretende Mikrozirkulationsstoumlrung hin Daneben koumlnnen Hyperexzitabilitaumlt Hypotonie Apathie und zerebrale Krampfanfaumllle auftreten Petechien verstaumlrkte Blutungsneigung Hypotension und septischer Schock entwickeln sich im Verlauf der Erkrankung

Wesentliche Symptome der neonatalen Sepsis 4 Temperaturinstabilitaumlt Hyper- Hypothermie 4 Atemstoumlrungen Tachypnoe Dyspnoe Apnoe 4 Gastrointestinale Symptome Trinkschwaumlche

Erbrechen abdominelle Distension

4 Zirkulatorische Insuffizienz periphere Mikrozirkulati-onsstoumlrungen Blaumlsse grau-marmoriertes Hautkolorit septischer Schock Multiorganversagen disseminierte intravasale Gerinnung

4 Neurologische Stoumlrungen Hyperexzitabilitaumlt Lethargie Krampfanfaumllle

Bei klinischen Warnzeichen muss solange der Verdacht auf eine neo-natale Sepsis bestehen bis das Gegenteil bewiesen ist also eine In-fektion ausgeschlossen oder eine andere Ursache fuumlr die Verschlech-terung des kindlichen Zustandes gefunden wurde

gt Der Verlauf der Neugeborenensepsis wird entscheidend vom Zeitpunkt der Diagnose bzw des Behandlungsbe-ginns beeinflusst

kErregernachweisMit Blutkulturen (aerob anaerob) gegebenenfalls Liquorkulturen Urinstatus und -kultur Haut- und Schleimhautabstrichen sowie Un-tersuchung von Magensekret erfolgt der Erregernachweis Bei jedem isolierten Erreger ist eine Resistenztestung durchzufuumlhren

kLabordiagnostikVerschiedene Entzuumlndungsparameter koumlnnen als Warnzeichen einer neonatalen Infektion angesehen werden und zur Fruumlherken-nung der neonatalen Sepsis beitragen

Tab 717 Risikofaktoren der nosokomialen Sepsis

Intensivmedizinische Maszlignahmen

Endotracheale IntubationMaschinelle BeatmungZentrale Katheter Lipidinfusionen

Mangelhafte Stationshygiene

Unzureichende HandwaschpraktikenUumlberbelegung der IntensivstationPersonelle Unterbesetzung

Kontamination InkubatorenWaschbeckenAndere Gegenstaumlnde

Tab 718 Wesentliche Erreger der fruumlh oder spaumlt einsetzenden neonatalen Sepsis

Fruumlheinsetzende Sepsis Spaumlteinsetzende Sepsis

Streptokokken Gruppe BEscherichia coliStaphylococcus aureusListeria monocytogenesEnterokokken u a

Escherichia coliStaphylococcus epidermidisKlebsiella-Enterobacter-SpeziesPseudomonas aeruginosaProteus-SpeziesStreptokokken Gruppe BCandida albicans u a

Exkurs

Erregerspektrum der Neugeborenensepsis

Eines der faszinierenden aber immer noch nicht geklaumlrten Phaumlnomene neonataler In-fektionen ist ein von Zeit zu Zeit auftretender Wechsel im bakteriologischen SpektrumSo wurden in den USA in den 1930er-Jahren β-haumlmolysierende Streptokokken der Grup-pe A als haumlufigste Erreger der neonatalen Sepsis identifiziert In den naumlchsten Dekaden folgten Escherichia coli Staphylococcus aureus erneut E coli und schlieszliglich in den 1970er-Jahren β-haumlmolysierende Streptokok-ken der Gruppe B Das Verschwinden von haumlmolysierenden Streptokokken der Gruppe A sowie von Staph aureus in der vorantibioti-

schen Aumlra kann nicht auf medizinische oder hygienische Maszlignahmen zuruumlckgefuumlhrt werden Das Auftreten von Streptokokken der Gruppe B faumlllt in eine Periode in der Penicillin zum meist verwendeten Antibiotikum wurde bis heute haben diese Erreger ihr Resistenz-verhalten nicht veraumlndertIn Deutschland wurden β-haumlmolysierende Streptokokken der Gruppe B erstmals Ende der 70er-Jahre beobachtet sie sind inzwischen in den meisten Regionen die haumlufigsten Er-reger der neonatalen Sepsis Weiterhin sind E coli Listerien Enterokokken und Staph aureus typische Erreger der Fruumlhsepsis

Es gilt jedoch festzustellen dass nicht nur zwischen geographisch definierten Regionen sondern auch zwischen einzelnen Hospitaumllern mit unterschiedlichen Infektionserregern zu rechnen ist In vielen neonatologischen Zent-ren wird Staph epidermidis als haumlufigster Er-reger von spaumlteinsetzenden nosokomialen In-fektionen isoliert dieser Erreger fuumlhrt daruumlber hinaus immer wieder zu raquoAusbruumlchenlaquo von Hospitalinfektionen Daneben spielen Klebsiel-la- Enterobacter- und Pseudomonas-Spezies Staph aureus und andere pathogene Mikroor-ganismen eine unveraumlnderte Rolle als gefuumlrch-tete Erreger einer nosokomialen Spaumltsepsis

6

Kapitel 7 middot Neonatologie184

7

Fruumlherkennung und Warnzeichen neonataler Infektionen 4 Geburtshilfliche Risikofaktoren 4 Klinische Zeichen 4 Entzuumlndungsparameter

ndash Leukozytose (Gesamtzahl aller neutrophiler Granulozyten)

ndash IT-Quotient ndash CRP ndash Interleukin-6 u a

4 Erregernachweis

Zu diesen Entzuumlndungsindikatoren gehoumlren die Gesamtzahl der Leukozyten am 1 Lebenstag (lt10000 Leukozytenμl) die Gesamt-zahl aller neutrophilen Granulozyten sowie der unreifen Granulo-zyten sowie der IT-Quotient (ImmatureTotal neutrophils d h Gesamtzahl aller unreifen GranulozytenGesamtzahl aller Granulo-zyten gt02) Eine Thrombozytopenie tritt bei ca 30 der Neugebo-renen mit neonataler Sepsis im Verlauf der Infektion auf

Auch erhoumlhte Konzentrationen des C-reaktiven Proteins (CRP) und des Interleukin-6 (IL-6) weisen auf eine Infektion hin Die Sensitivitaumlt und Spezifitaumlt dieser Entzuumlndungszeichen wird von verschiedensten internationalen Arbeitsgruppen unterschiedlich beurteilt Die Wertigkeit der verschiedenen Infektionszeichen als so genannte raquoFruumlherkennungsparameterlaquo sollte auf keinen Fall uumlber-schaumltzt werden

Der Stellenwert der einzelnen Parameter wird am ehesten deut-lich wenn man sich die Sequenz des Entzuumlndungsgeschehens vor Augen fuumlhrt ( Abb 754) Nach Keiminvasion werden mit einer kurzen Latenz neutrophile Granulozyten rekrutiert die moumlglicher-weise im Verlauf des initialen Abwehrgeschehens bereits verbraucht werden ndash die Patienten entwickeln eine Neutrozytopenie ndash oder aber es werden vermehrt unreife und reife Granulozyten aus dem Kno-chenmark freigesetzt Erst im Rahmen der Makrophagenaktivierung werden der Tumornekrosefaktor Interleukin-1 und Interleukin-6 sezerniert diese immunologischen Hormone (Zytokine) stimulie-ren die Synthese des CRP in der Leber sie lassen sich relativ fruumlh und zum Teil nur innerhalb eines kurzen Zeitfensters sicher identifizie-ren Mit einem Konzentrationsanstieg dieses Akutphaseproteins ist

erst 4ndash6 h nach Keiminvasion oder lokaler Inflammation zu rech-nen Das CRP ist allerdings als idealer Verlaufsparameter einer neo-natalen Infektion anzusehen

kDifferenzialdiagnoseVerschiedene Erkrankungen Fruumlh- und Neugeborener koumlnnen sich unter nahezu identischer Symptomatologie manifestieren wie die neonatale Sepsis Bei Fruumlhgeborenen kann eine Infektion mit Strep-tokokken der Gruppe B unter dem Bild eines Atemnotsyndroms verlaufen Weitere Erkrankungen akute pulmonale Erkrankungen des Neugeborenen persistierende fetale Zirkulation Hyperviskosi-taumltssyndrom kardiale Erkrankungen nekrotisierende Enterokolitis zerebrale Blutungen metabolische Stoumlrungen intrauterine Infektio-nen u a

kTherapieNach Durchfuumlhrung der Sepsisdiagnostik ist unverzuumlglich eine int-ravenoumlse antibiotische Therapie durchzufuumlhren

Antibiotische Therapie Bei der Fruumlhsepsis wird von vielen klini-schen Gruppen an einer Kombinationsbehandlung mit Ampicillin und einem Aminoglykosid (z B Gentamicin) festgehalten alter-nativ wird eine empirische Therapie mit Ampicillin und einem Cephalosporin der 3 Generation (z B Cefotaxim) praktiziert Beide Therapiestrategien wurden von der raquoAmerican Academy of Pediatricslaquo empfohlen Der Hauptgrund fuumlr die Gabe von Ampicillin ist die unzulaumlngliche Aktivitaumlt der Cephalosporine gegen Listeria monocytogenes und Enterokokken Bei Verdacht auf eine Staphylo-kokkeninfektion muss die verwendete Kombination um ein gegen Staphylokokken wirksames Mittel erweitert werden Bestehen durch bakteriologische Untersuchungen der Mutter Hinweise auf einen seltenen Erreger der Fruumlhsepsis (Klebsiella Pseudomonas Serratia etc) sollte eine Kombinationstherapie mit einem Cephalosporin und einem Aminoglykosid gewaumlhlt werden Nach Vorliegen der bakteriologischen Resistenztestung (Blut- Liquorkulturen) wer-den die Patienten meist in einer Zweierkombination weiterbe-handelt

Vor einigen Jahren wurde im Rahmen einer Standardtherapie mit Cefotaxim eine rasche Selektion von cefotaximresistenten En-terobacter-Spezies (Enterobacter cloacae) nachgewiesen diese Erreger waren auch gegen neuere Cephalosporine resistent

gt Eine Anwendung von Cephalosporinen sollte daher nur unter strenger Indikationsstellung erfolgen

Bei Staph-epidermidis-Sepsis kann eine Vancomycintherapie erfor-derlich sein Infektionen mit Anaerobiern werden mit Metronidazol und Infektionen mit Candida spp bzw Aspergillus spp mit 5ndashFluo-rocytosin und Amphotericin B behandelt

Die Behandlungsdauer fuumlr eine neonatale Sepsis ohne Menin-gitis oder andere schwere Begleitinfektionen betraumlgt in der Regel 10ndash14 Tage

Supportivtherapie Eine optimale Supportivtherapie saumlmtlicher im Verlauf der Sepsis auftretender Funktionsstoumlrungen von Organsys-temen (Herz-Kreislauf Atmung Saumlure-Basen-Haushalt Gerinnung u a) ist eine wesentliche Voraussetzung in der Behandlung dieser lebensbedrohlichen Erkrankung

Ein Therapiekonzept sollte sich immer nach dem lokalen Erre-gerspektrum richten Daher ist es sinnvoll durch regelmaumlszligige bak-teriologische Untersuchungen von Patienten und Gegenstaumlnden der neonatalen Intensivstation Aumlnderungen im Resistenzverhalten von Problemkeimen fruumlhzeitig zu erfassen

Abb 754 Hypothetische Sequenz des Entzuumlndungsgeschehens im Ver-lauf einer Sepsis die Zytokine TNF-α IL-1 und IL-6 stimulieren die Synthese von CRP in der Leber

7185710 middot Fetale und neonatale Infektionen

kProphylaxeEine Immunprophylaxe gegen das breite Erregerspektrum der neo-natalen Sepsis existiert nicht Die Entwicklung eines speziellen Impf-stoffes gegen Streptokokken der Gruppe B duumlrfte erst in einigen Jahren gelingen

Einen weiteren praumlventiven Ansatz stellt die sog Chemoprophy-laxe dar Schwangere die vaginal und zervikal mit B-Streptokokken besiedelt sind zusaumltzlich vorzeitige Wehen undoder einen vorzeiti-gen Blasensprung von gt12 h haben erhielten eine selektive intrapar-tale Chemoprophylaxe mit Penicillin Durch diese Maszlignahme konnte die Kolonisierung Neugeborener und die Sepsisinzidenz durch Streptokokken der Gruppe B eindeutig gesenkt werden Aller-dings ist diese Maszlignahme nur dann wirksam wenn die antibiotische Prophylaxe mindestens gt4 h praumlpartal verabreicht wird

Seit 1996 wird in den USA ein generelles Screening bei allen Schwangeren in der 35ndash37 Gestationswoche durchgefuumlhrt um eine maternale Kolonisierung mit B-Streptokokken zum Zeitpunkt der Geburt zu erfassen Trotz der erheblichen Kosten und der potenziel-len Risiken einer Penicillinallergie erhalten alle Schwangeren prauml-partal eine Penicillingabe Durch diese Strategie konnte eine fruumlh einsetzende neonatale Sepsis mit B-Streptokokken wirksamer ver-hindert werden als durch eine Identifizierung Schwangerer mit be-kannten Risikofaktoren Bis zu 60 aller reifen Neugeborenen mit B-Streptokokkenerkrankungen hatten symptomfreie Muumltter die keinen Risikofaktor aufwiesen Durch die Screeningstrategie koumlnnen bis zu 70 aller fruumlh einsetzenden Septikaumlmien mit B-Streptokok-ken verhindert werden

71010 Meningitis

kDefinitionDie neonatale MeningitisMeningoenzephalitis ist eine mikrobielle Infektion der Hirnhaumlute des Gehirns und haumlufig auch der Ventrikel sie wird durch die typischen Erreger neonataler Infektionen ver-ursacht

kEpidemiologieDie Inzidenz der neonatalen Meningitis hat in den letzten 10 Jahren abgenommen vermutlich haben die verbesserte Perinatalver-sorgung und Fruumlherfassung neonataler Infektionen sowie die recht-zeitige antibiotische Behandlung zu diesem Ruumlckgang beigetragen Die durchschnittliche Erkrankungsrate liegt zwischen 01ndash04 pro 1000 Lebendgeborene

kAumltiologieIn Mitteleuropa und in Nordamerika werden bis zu 23 aller neona-talen Meningitiden durch Streptokokken der Gruppe B und E coli verursacht Fuumlr die in den ersten Lebenstagen auftretende Strepto-kokkenmeningitis sind uumlberwiegend die Serotypen I und II verant-wortlich sie stammen aus der muumltterlichen Vaginal- und Rektal-flora Bei der Spaumltform der Streptokokkenmeningitis wird der Serotyp III isoliert Die verantwortlichen E coli besitzen ein Kapsel-polysaccharidantigen K1 das die Virulenz der Erreger erhoumlht (Eli-mination der Bakterien nur bei kompletter Opsonierung)

In einzelnen Regionen werden gehaumluft Listerien (L monocyto-genes) als Meningitiserreger identifiziert Eine nosokomiale Menin-gitis wird in Abhaumlngigkeit vom lokalen Erregerspektrum am haumlu-figsten durch Klebsiella- und Enterobacter-Spezies Pseudomonas aeruginosa u a hervorgerufen Bei intensivmedizinisch behandel-ten Fruumlhgeborenen die an einer unklaren systemischen Infektion erkrankt sind muss immer an eine Candida-Meningitis gedacht

werden Wenn auch selten so koumlnnen doch die typischen Erreger der eitrigen Hirnhautentzuumlndung im Kindesalter eine neonatale Menin-gitis verursachen

kPathogenese RisikofaktorenDie bekannten geburtshilflichen praumlnatalen und postnatalen Risiko-faktoren der neonatalen Sepsis lassen sich uneingeschraumlnkt bei der Meningitis Neugeborener nachweisen Eine Meningitis entwickelt sich haumlufig als Folge einer zu spaumlt diagnostizierten Sepsis Ausgangs-punkte fuumlr die haumlmatogene Streuung sind Pneumonien Hautin-fektionen infizierter Nabel Harnwegsinfektionen Otitis media etc

gt Neugeborene mit Liquorshuntsystemen sind besonders gefaumlhrdet uumlber eine Bakteriaumlmie eine Ventilinfektion zu entwickeln der haumlufigste Erreger ist Staph epidermidis

kKlinikDie klinischen Zeichen der neonatalen Meningitis sind unspezifisch und in der Regel nicht von den Symptomen der Neugeborenensepsis zu unterscheiden Als zusaumltzliche Symptome koumlnnen Beruumlhrungs-empfindlichkeit spaumlrliche Spontanbewegungen und schrilles Schreien hinzukommen Eine gespannte Fontanelle die opistho-tone Koumlrperhaltung oder gar Nackensteifigkeit treten insgesamt selten und erst im fortgeschrittenen Stadium der Meningitis auf Krampfanfaumllle werden bei ca 15 der erkrankten Neugeborenen beobachtet

kDiagnoseAufgrund der uncharakteristischen Symptomatologie sollte bei je-dem Patienten bei dem eine neonatale Sepsis zu vermuten ist eine Liquoruntersuchung erfolgen Bei ausgepraumlgter Instabilitaumlt der Kinder kann man jedoch gezwungen sein die erforderliche Lumbal-punktion erst nach Therapiebeginn durchzufuumlhren Die Besonder-heiten der Liquordiagnostik im Neugeborenenalter sind an anderer Stelle ausgefuumlhrt Repetitive Sonographien und eventuell MRT- Untersuchungen sind zur Erfassung von Komplikationen durchzu-fuumlhren

kTherapieDie Prognose der neonatalen Meningitis wird entscheidend vom Therapiebeginn und der Wahl der Antibiotika bestimmt die anti-biotische Behandlung muss sich gegen das besondere Spektrum der zu vermutenden Erreger neonataler Infektionen richten (s neonata-le Sepsis) Eine zuverlaumlssige Liquorgaumlngigkeit sowie eine ausreichen-de Dosierung der Antibiotika ist unbedingt zu beachten die Dosie-rung der verschiedenen Praumlparate liegt in der Regel houmlher als bei der neonatalen Sepsis

kPrognoseDie Prognose der neonatalen Meningitis ist trotz aller Behandlungs-fortschritte immer noch als ernst anzusehen Die Letalitaumlt betraumlgt 20ndash50 Akute Komplikationen sind ein kommunizierender oder nicht-kommunizierender Hydrozephalus subdurale Effusionen Taubheit und Blindheit ( Abb 755) Bis zu 70 aller Patienten mit E-coli-Meningitis entwickeln eine Ventrikulitis Selten werden Hirnabszesse beobachtet sie treten u a bei Infektionen mit Citro-bacter diversus Proteus mirabilis und Enterobacter-Spezies auf

Schwere neurologische Spaumltschaumlden (Zerebralparesen An-fallsleiden mentale Retardierung Taubheit Blindheit) sind bei un-gefaumlhr 10 der Patienten nachweisbar ein Viertel aller erkrankter Kinder weist leichte bis mittelschwere neurologische und psycho-mentale Beeintraumlchtigungen auf Uumlber den Effekt einer im akuten

Kapitel 7 middot Neonatologie186

7

Erkrankungsstadium durchgefuumlhrten Dexamethasontherapie auf die Komplikationsrate der neonatalen Meningitis liegen zurzeit noch keine Ergebnisse vor Aspekte zur Prophylaxe der neonatalen Meningitis sind im Kapitel raquoneonatale Sepsislaquo abgehandelt

71011 Osteomyelitis und septische Arthritis

kEpidemiologie AumltiologieDie Osteomyelitis und bakterielle Arthritis sind seltene Erkrankun-gen im Neugeborenenalter verlaumlssliche Angaben zur Inzidenz liegen nicht vor Staphylococcus aureus wird bei bis zu 8 der Patienten mit Osteomyelitis als kausaler Erreger identifiziert Daneben werden Streptokokken der Gruppen A und B Staph epidermidis und Strep-tococcus pneumoniae sowie eine Reihe gramnegativer Erreger nach-gewiesen Besonders bei der septischen Arthritis lassen sich neben Staph aureus auch E coli Klebsiella- und Enterobacter-Spezies Pseudomonas Salmonellen Serratia Neisseria gonorrhoeae und auch Candida albicans isolieren

kPathogeneseAufgrund der besonderen ossaumlren Gefaumlszligversorgung bei Neugebore-nen und Saumluglingen treten Osteomyelitis und septische Arthritis haumlufig zusammen auf Diaphyse Metaphyse und Epiphyse werden uumlber gemeinsame Arterien versorgt Als Konsequenz koumlnnen sich Erreger die in die Metaphyse der langen Roumlhrenknochen gelangt sind uumlber diese Gefaumlszligverbindungen zur Epiphyse ausbreiten und das Gelenk in das Infektionsgeschehen einbeziehen Erst gegen Ende des ersten Lebensjahres werden diese Gefaumlszligverbindungen und somit die ungehinderte Infektionsausbreitung unterbrochen

Die meisten Osteomyelitiden treten haumlmatogen auf systemi-sche bakterielle Infektionen koumlnnen ebenso wie lokale Infektionen (Pyodermie Omphalitis Mastitis u a) oder infizierte Infusions-systeme (Nabelgefaumlszligkatheter zentrale Silastic-Katheter u a) im Rahmen einer Bakteriaumlmie zu einer Absiedlung von Erregern in Knochen und Gelenk fuumlhren Bei einem Teil der Patienten lassen sich multiple Knochenherde nachweisen Neben der haumlmatogenen Genese kann auch ein lokales Entzuumlndungsgeschehen per continu-itatem eine Osteomyelitis induzieren (Abszess infiziertes Kephal-haumlmatom etc) Durch repetitive Fersenpunktionen zur kapillaren Blutentnahme kann sich eine Kalkaneusosteomyelitis entwickeln

kKlinikHaumlufig finden sich eine lokalisierte Schwellung im Bereich der be-troffenen Knochen bzw Gelenke sowie eine eingeschraumlnkte Be-weglichkeit mit Schonhaltung der Extremitaumlt (sog Pseudoparalyse) Am haumlufigsten sind die langen Roumlhrenknochen Femur Humerus und Tibia betroffen Aber auch die Maxilla und andere Schaumldel-knochen koumlnnen ebenso wie Finger- oder Wirbelknochen infiziert sein Die haumlufigsten eitrigen Arthritiden treten in Huumlft- Knie- und Schultergelenken auf

kDiagnoseBlutkultur(en) Entzuumlndungszeichen im Blut roumlntgenologische Un-tersuchung Szintigraphie und bei septischer Arthritis Sonographien und Gelenkpunktionen ermoumlglichen die Diagnosestellung Bei der Differenzialdiagnose muumlssen neben Frakturen und Paresen Weich-teilinfektionen sowie ossaumlre Veraumlnderungen durch intrauterine In-fektionen von der Osteomyelitis abgegrenzt werden

kTherapie PrognoseBei dem infrage kommenden Erregerspektrum empfiehlt sich eine antibiotische Initialbehandlung in Analogie zur Sepsistherapie zusaumltzlich sollte in jedem Fall ein staphylokokkenwirksames Medi-kament (z B Oxacillin) eingesetzt werden

Die Langzeitprognose der NeugeborenenosteomyelitisArthri-tis ist immer noch alles andere als zufriedenstellend Eine chronische Osteomyelitis Skelett- oder Knochendeformitaumlten und gestoumlrtes Knochenwachstum sind bei 25ndash50 aller Kinder zu erwarten

71012 Haut- und Weichteilinfektionen

kKlinikDas Spektrum neonataler Hautinfektionen die durch Bakterien Viren oder Pilze hervorgerufen werden reicht von unproblema-tischen lokalen Affektionen bis hin zu lebensgefaumlhrlichen Erkran-kungen

Pustuloumlse und bulloumlse Hautveraumlnderungen Die Impetigo neona-torum eine oberflaumlchliche pustuloumlse Pyodermie ist die haumlufigste Hautinfektion der Neugeborenenperiode Die Pusteln sind haumlufig in der Inguinalregion periumbilikal nuchal und retroaurikulaumlr zu fin-den Erreger Staph aureus Lokale Behandlungsmaszlignahmen sind ausreichend Kontaktinfektionen sind unbedingt zu vermeiden In der Differenzialdiagnose sind folgende Erkrankungen abzugrenzen Erythema toxicum neonatorum (roumltliche Flecken die von einer gelblichen Pustel besetzt sein koumlnnen treten am ganzen Koumlrper auf Direktpraumlparat der Pustel eosinophile Granulozyten) Milien (weiszlig-lich-gelbliche Talgretention an Nase Wange oder Stirn)

Eine weitere Staphylokokkenerkrankung ist die Impetigo bullosa oder Pemphigus neonatorum Durch intra- oder post-natale Besiedlung mit Staph aureus (Phagengruppe II Produktion des Exotoxins Exfoliatin) kann das Neugeborene diese ernste Hauterkrankung akquirieren Es bilden sich groumlszligere von einem roten Hof umgebene Blasen aus diese hinterlassen nach Platzen geroumltete naumlssende Hautstellen 3ndash5 Tage nach Erkrankungsbeginn tritt eine Desquamation von epidermalen Teilen auf (Nikolsky-Phaumlnomen negativ) Die schwerste Verlaufsform einer durch Staph-aureus-Enterotoxin ausgeloumlsten Hautinfektion ist die Dermatitis exfoliativa neonatorum (Ritter von Rittershain Abb 756) Im Bereich groszligflaumlchiger unscharf begrenzter Ery-theme entstehen nach Hautabloumlsung groszlige Wundflaumlchen (Nikolsky-Phaumlnomen positiv)

Abb 755 Ausgepraumlgte im MRT nachweisbare uumlberwiegend okzipital gelegene subkortikale Substanzdefekte bei einem Neugeborenem mit Meningoenzephalitis

7187711 middot Neugeborenenkraumlmpfe

kDifferenzialdiagnoseDie Differenzialdiagnose umfasst vesikulaumlre Effloreszenzen bei neo-nataler Herpes simplex Zytomegalie- und Varizelleninfektion sowie bulloumlse Veraumlnderungen bei der Lues connata (Pemphigus syphili-ticus)

kTherapieDie antibiotische Behandlung beider Verlaufsformen muss immer systemisch (intravenoumls) erfolgen Die Supportivtherapie der Derma-titis exfoliativa erfolgt nach den Prinzipien der Verbrennungsthera-pie Als Komplikationen sind die neonatale Sepsis Meningitis Osteomyelitis und andere Organmanifestationen gefuumlrchtet

71013 Omphalitis

kAumltiologieBevorzugter Erreger der Omphalitis ist Staph aureus aber auch andere Erreger der Neonatalperiode koumlnnen eine Nabelinfektion ausloumlsen Durch konsequente prophylaktische Nabelhygiene ist die-se Infektion selten geworden

kKlinikDie eitrige Entzuumlndung des Nabels manifestiert sich durch eine periumbilikale Roumltung derbe Infiltration und gegebenenfalls Ulze-ration Der Nabelgrund kann eitrig belegt sein haumlufig entleert sich purulentes Sekret Im Rahmen der Diagnostik werden Abstriche und Blutkulturen abgenommen sowie zur Verlaufskontrolle Ent-zuumlndungszeichen bestimmt Als Komplikationen koumlnnen eine Nabelphlegmone Nabelsepsis Infektion der Nabelgefaumlszlige u a auf-treten Die Therapie besteht in einer Lokalbehandlung und syste-misch intravenoumlsen Antibiotikatherapie

71014 Mastitis

kEpidemiologieEine Mastitis entwickelt sich in der Regel zwischen der 2 bis 3 Lebens woche weibliche Neugeborene erkranken haumlufiger als maumlnnliche Diese Erkrankung tritt vermutlich wegen der noch nicht entsprechend entwickelten Brustdruumlsen bei Fruumlhgeborenen nicht auf Eine beidseitige Affektion ist selten Haumlufigster Erreger ist Staph aureus zunehmend auch E coli und Streptokokken der Gruppe B Der Entstehungsmechanismus ist unklar es ist nicht auszuschlieszligen dass Manipulationen an der geschwollenen Brust die Infektion beguumlnstigen

kDiagnose TherapieDirektpraumlparat des Brustdruumlsensekrets und Abstriche Die Therapie erfolgt immer mit intravenoumlsen Antibiotika bei ausgepraumlgten Be-funden kann eine chirurgische Intervention notwendig werden Langzeitnachuntersuchungen lassen nicht ausschlieszligen dass einige der erkrankten Maumldchen ein vermindertes Brustgewebe auf der erkrankten Seite zuruumlckbehalten

Weitere recht haumlufige bakterielle Lokalinfektionen des Neuge-borenen sind

4 Kopfschwartenabszess (Verletzung durch CTG-Elektroden Erreger Staph aureus Streptokokken der Gruppe B u a Erreger neonataler Infektionen)

4 infiziertes Kephalhaumlmatom (s Kopfschwartenabszess) 4 Paronychien (wichtigste Erreger Staph aureus Streptokokken

der Gruppe B)

71015 Lokale Candidainfektionen

Der Mundsoor ist eine haumlufig auftretende Lokalinfektion des Neu-geborenen weiszligliche Belaumlge die im Gegensatz zu Milchresten nicht abwischbar sind kleiden uumlberwiegend die Wangenschleimhaut Neugeborener aus Diese Infektion mit Candida albicans wird ent-weder unter der Geburt oder durch postnatale Kontamination von verschiedenen Gegenstaumlnden uumlbertragen Sie verheilt unter konse-quenter lokaler antimykotischer Behandlung Eine Candidiasis tritt haumlufig auch als perianale intertriginoumlse Dermatitis auf neben blass-gelblichen makuloumlsen Veraumlnderungen finden sich feuerrote leicht schaumllende Areale Die Behandlung erfolgt durch orale und lokale Applikation von Antimykotika

71016 Neonataler Tetanus

In einigen Teilen der Welt stellt der neonatale Tetanus eine ernsthafte Bedrohung Neugeborener dar Von einer Infektion des Nabels ausge-hend entwickeln die Neugeborenen gegen Ende der ersten Lebens-woche Trinkschwaumlche muskulaumlre Hypertonie und generalisierte Spasmen Die akute Erkrankung kann nur durch neuromuskulaumlre Blockade und maschinelle Beatmung wirksam behandelt werden

71017 Ophthalmia neonatorum

7 Kap 33

711 Neugeborenenkraumlmpfe

kGrundlagenVon Krampfanfaumlllen spricht man wenn aufgrund einer voruumlberge-henden Beeintraumlchtigung der Hirnfunktion eine abnormale motori-sche undoder vegetative Aktivitaumlt mit oder ohne Aumlnderung der

Abb 756 Dermatitis exfoliativa neonatorum durch S aureus

Kapitel 7 middot Neonatologie188

7

Bewusstseinslage auftritt die von einer paroxysmalen elektrischen Aktivitaumlt des Gehirns begleitet wird Typisch fuumlr Neugeborene ist dass nicht alle als Krampfanfall imponierende motorische Aktivitauml-ten mit Veraumlnderungen des EEG einher gehen Da es bei Krampfan-faumlllen zu einer Auschuumlttung von Katecholaminen kommt sind sie oft mit autonom-vegetativen Phaumlnomenen wie Tachykardie und einem Blutdruckanstieg verbunden

gt Im Gegensatz zu Krampfanfaumlllen bei aumllteren Saumluglingen und Kindern sind Krampfanfaumllle beim Neugeborenen in der uumlberwiegenden Mehrzahl nicht idiopathisch sondern beruhen auf einer akuten zerebralen Funktionsstoumlrung

Die Inzidenz wird mit 05 aller Neugeborenen angegeben Die klinische Diagnose neonataler Kraumlmpfe ist nicht immer einfach aus diesem Grund ist immer eine genaue Beobachtung und Beschrei-bung der registrierten Phaumlnomene notwendig

kKlinikKlinisch koumlnnen spezifische Typen neonataler Anfaumllle unterschie-den werden 4 Klonische Kraumlmpfe rhythmische Zuckungen mit einer Fre-

quenz von 1ndash2 pro Sekunde wobei Hin- und Ruumlckbewegung von unterschiedlicher Geschwindigkeit sind (meist schnelle Hin- und langsamere Ruumlckbewegung) auf einer oder beiden Koumlrperseiten (fokal oder generalisiert)

4 Tonische Kraumlmpfe fokale tonische Anfaumllle manifestieren sich als einseitige anhaltende tonische Beugung oder Streckung einer Extremitaumlt des Halses oder Rumpfes Bei der generali-sierten Form betreffen diese Bewegungen beide Koumlrperseiten z T mit Streckung der Beine und Beugung der Arme

4 Myoklonische Kraumlmpfe Ploumltzlich einschieszligende rasche Kon-traktion eines Beugemuskels entweder fokal oder multifokal d h asynchrone alternierende Myoklonien unterschiedlicher Koumlrperteile Myoklonische Kraumlmpfe sind in der Regel ohne EEG-Veraumlnderungen Im Schlaf werden fokale Myoklonien bei Neugeborenen insbesondere bei Fruumlhgeborenen sehr haumlufig gesehen Diese Schlafmyoklonien sind physiologisch und kein Ausdruck einer Hirnfunktionsstoumlrung beim Erwecken der sbquoNeugeborenen sistieren sie unverzuumlglich

4 Subtile Kraumlmpfe orale Automatismen stereotype komplexe Bewegungsmuster wie Pedalieren der Beine tonische Augen-deviation Selten koumlnnen sich Kraumlmpfe auch als Apnoe praumlsen-tieren die dann in der Regel mit einer Tachykardie einhergeht (differenzialdiagnostisch wichtiges Kriterium zu anderen Apnoeformen)

kAumltiologie DiagnostikSehr verschiedene Grundkrankheiten koumlnnen sich mit Kraumlmpfen in der Neugeborenenperiode praumlsentieren und die Prognose der Kin-der wird in der Regel durch diese zugrundeliegenden Erkrankungen bestimmt Die basale Diagnostik bei Neugeborenenkraumlmpfen um-fasst neben der Anamnese und der klinischen Untersuchung be-stimmte Laboruntersuchungen (Blutzucker Elektrolyte Kalzium gr Blutbild Blutgasanalyse CRP Urinstatus) die Sonographie des Kopfes und das EEG Weitere Untersuchungen erfolgen entspre-chend spezifischer Auffaumllligkeiten

Ursache von Neugeborenenkrampfanfaumlllen 4 Akute metabolische Stoumlrungen

ndash Hypoglykaumlmie ndash Hypokalzaumlmie ndash Hyponatriaumlmie ndash Hypernatriaumlmie ndash Hypomagnesiaumlmie

4 Asphyxie 4 ZNS-Infektion

ndash Meningitis ndash Enzephalitis

4 Hirnblutung Hirninfarkt 4 Periventrikulaumlre Leukomalazie 4 Sinusvenenthrombose 4 Hirnfehlbildungen 4 Angeborene Stoffwechselerkrankungen

ndash Aminoazidopathien ndash Organoazidurien

4 Benigne Neugeborenenkraumlmpfe ndash Familiaumlr ndash Fifth-day fits (Kraumlmpfe am 5 Lebenstag) ndash Pyridoxinabhaumlngige Kraumlmpfe

4 Angeborene peroxisomale Erkrankungen 4 Neurokutane Sydrome 4 Toxine

ndash Bilirubin ndash Heroin ndash Kokain ndash Lokalanaumlsthetika

Akute metabolische Stoumlrungen Eine unverzuumlgliche Therapie dieser Stoumlrungen stellt die Erstmaszlignahme bei Neugeborenenkraumlmpfen dar

Asphyxie Dieses ist die haumlufigste Ursache fuumlr Krampfanfaumllle inner-halb der ersten 2 Lebenstage Das fruumlhe Auftreten innerhalb der ers-ten 4ndash6 h spricht fuumlr eine sehr schlechte Prognose

ZNS-Infektion Bei nicht sicher einzuordnenden Kraumlmpfen oder bei entsprechender klinischer Symptomatik ist immer eine Liquor-punktion indiziert Bei pathologischen Befunden differenzierte Diagnostik

Hirnblutungen Sowohl traumatisch bedingte Hirnblutungen reifer Neugeborener als auch intrazerebrale Blutungen bei Fruumlhgeborenen koumlnnen mit Krampfanfaumlllen einhergehen Bei Fruumlhgeborenen ist die sonographische Untersuchung ausreichend bei Reifgeborenen ist meist ein CT oder MRT notwendig

Hirnfehlbildungen Lissenzephalie Holoprosenzephalie Porenze-phalie Bei Verdacht im Ultraschallbild ist eine genaue weitergehen-de bildgebende Diagnostik erforderlich

Angeborene Stoffwechselerkrankungen Dieses sind vor allem Aminoazidopathien (Ahornsirupkrankheit Hyperglyzinaumlmie) oder Organoazidurien (Propionaziaumlmie) Aufgrund eines Abbau- oder Synthesedefektes kommt es zur Akkumulation toxischer Meta-bolite Die Symptome treten dann auf wenn die Kinder eine gewisse Nahrungsmenge erhalten haben oder sich in einer katabolen Stoff-wechselsituation befinden (Abbau von koumlrpereigenem Eiweiszlig) Toxinentfernung Begrenzung der Eiweiszligzufuhr und Beseitigung

7189712 middot Metabolische Stoumlrungen

der Katabolie sind die Hauptmaszlignahmen Diagnostik Ammoniak Laktat Blutzucker im Serum Ketonkoumlrper im Urin sofortige Asser-vierung von Urin zur spezifischen Diagnostik

Benigne Neugeborenenkraumlmpfe Ein recht groszliger Anteil der Kraumlmpfe in der Neugeborenenperiode sind benigner Natur Sie tre-ten in der ersten Lebenswoche auf sind transient und die Kinder entwickeln sich unauffaumlllig Die Diagnose erfolg per Ausschluss an-derer Ursachen Eine familiaumlre Form wird autosomal-dominant ver-erbt der Genort liegt auf Chromosom 20q Eine weitere Sonderform sind Kraumlmpfe die typischerweise am 5 Lebenstag auftreten (raquofifth-day fitslaquo) Die Ursache ist ungeklaumlrt die Bedeutung eines Zinkman-gels unklar Aumltiologisch unklare Kraumlmpfe sollten als Neugeborenen-kraumlmpfe ohne Dignitaumltsangabe bezeichnet werden erst die unauffaumll-lige weitere Entwicklung erlaubt es die Diagnose benigner Anfaumllle sicher zu stellen

Pyridoxinabhaumlngige Kraumlmpfe Diesem seltenen Krankheitsbild liegt wahrscheinlich ein GABA-Sythesedefekt zugrunde Die Krampfan-faumllle treten am ersten Lebenstag auf und sind gegenuumlber den uumlblichen Antikonvulsiva therapieresistent Vitamin B6 stellt einen Cofaktor fuumlr die Sythese von GABA dar und ist therapeutisch wirksam Trotz der Seltenheit dieses Krankheitsbildes ist bei therapieresistenten Krampf-anfaumlllen ein Behandlungsversuch mit Vitamin B6 sinnvoll

Angeborene peroxisomale Erkrankungen (Zellweger-Syndrom neonatale Adrenoleukodystrophie) Klinisch finden sich bei die-sen selteneren Erkrankungen in der Neonatalphase neben den Krampfanfaumlllen eine kraniofaziale Dysmorphie Muskelhypotonie Trinkschwaumlche Optikusatrophie oder Katarakt Die Diagnose er-folgt uumlber die Bestimmung biochemischer Marker im Blut insbe-sondere den sehr langen Fettsaumluren (VLFA)

Neurokutane Sydrome Diese angeborenen Erkrankungen koumlnnen selten ebenfalls mit Krampfanfaumlllen im Neugeborenenalter ein-hergehen Klinisch ist auf kutane Depigmentierungen (tuberoumlse Sklerose) Cafeacute-au-lait-Flecken (Neurofibromatose) oder faziale Portwein-Naevi (Sturge-Weber) zu achten

Toxine Die Bilirubinenzephalopathie ist eine Raritaumlt geworden Bei maternaler Heroineinnahme koumlnnen Neugeborenenkraumlmpfe als neonatales Entzugssyndrom auftreten Nach maternaler Kokain-einnahme kann es zu intrazerebralen Gefaumlszligverschluumlssen kommen Die akzidentelle Injektion eines Lokalanaumlsthetikums in den Fetus bei Pudendusanaumlsthesie kann zu Kraumlmpfen fuumlhren klinisch finden sich eine muskulaumlre Hypotonie und dilatierte Pupillen

kTherapieBei Neugeborenenkraumlmpfen muss Diagnostik und Therapie parallel erfolgen Da die Hypoglykaumlmie sofort behandelbar und ihre Folgen schwerwiegend sind erfolgt als erste Maszlignahme die Bestimmung des Blutzuckers als kapillaumlrer Schnelltest und sofort nach Blutab-nahme moumlglichst durch eine 2 Person Verabreichung von Glukose 10 iv 2 mlkg KG Unter der Glukosezufuhr sollte der Krampf-anfall beobachtet und beschrieben werden Krampftyp ein- oder beidseitig vegetative Symptome Dauer Anschlieszligend Blutab-nahme fuumlr Kalzium Natrium Magnesium und Kalium Wenn der Krampfanfall nicht innerhalb von einigen Minuten sistiert werden intravenoumls Antikonvulsiva verabreicht (Mittel der ersten Wahl Lorazepam Midazolam oder Clonazepam dann Phenobarbital und Phenytoin) Findet sich keine Krampfursache sollte bei persistieren-den Kraumlmpfen Pyridoxin (VitaminB6) verabreicht werden

712 Metabolische Stoumlrungen

7121 Hyperglykaumlmie

Eine Hyperglykaumlmie ist bei Neugeborenen wesentlich seltener als die Hypoglykaumlmie

kPathogeneseDie neonatale Hyperglykaumlmie kann verursacht werden durch eine zu hohe parenterale Glukosezufuhr durch eine eingeschraumlnkte Gluko-setoleranz z B bei Fruumlhgeborenen oder bei neonataler Sepsis Selten besteht ein transitorischer neonataler Diabetes mellitus

kKlinikDurch eine osmotische Diurese kommt es zur Dehydratation

kDiagnoseEin Blutzucker gt125 mgdl (7 mmoll) ist eine Hyperglykaumlmie Ebenfalls bestimmt werden sollten Serumelektrolyte Saumlure-Basen-Status Urinzucker Urinausscheidung und Veraumlnderungen des Koumlrpergewichts

kTherapieIn der Regel durch eine Reduktion der Glukosezufuhr

CaveEine Insulingabe sollte nur in Ausnahmefaumlllen erfolgen da die Insulintherapie bei Neugeborenen sehr schwer steuerbar ist

7122 Hypoglykaumlmie

kEpidemiologieEine symptomatische Hypoglykaumlmie ereignet sich bei 1ndash3 von 1000 Neugeborenen Deutlich houmlher ist das Hypoglykaumlmierisiko bei dystrophen Neugeborenen (5ndash15) und bei Fruumlhgeborenen Weite-re Risikofaktoren fuumlr eine Hypoglykaumlmie sind Hypothermie Hypo-xie muumltterlicher Gestationsdiabetes oder Diabetes mellitus und Polyzythaumlmie

kPathogeneseHypoglykaumlmien bei Neugeborenen koumlnnen folgende Ursachen haben 4 Der Glukoseverbrauch uumlbersteigt die Glukosezufuhr bzw die

Glukoseproduktion Da Neugeborene nur einen geringen Glykogenvorrat (1 des Koumlrpergewichts) haben kommt es bei Ausbleiben einer exogenen Glukosezufuhr rasch zu Hypo-glykaumlmien Dies ist die haumlufigste Ursache von Hypoglykaumlmien beim Neugeborenen

4 Ein Hyperinsulinismus liegt bei Kindern diabetischer Muumltter (transient) beim Beckwith-Wiedemann-Syndrom und bei der Nesidioblastose (diffuse Inselzellhyperplasie) vor

4 Kongenitale Stoffwechseldefekte Aminosaumlurestoffwechsel-stoumlrungen (z B Ahornsirupkrankheit) stoumlren die Glukoneoge-nese Glykogenspeicherkrankheiten Galaktosaumlmie und Fruk-toseintoleranz verringern die Verfuumlgbarkeit von Glukose aus Glykogen

4 Polyglobulie Die Ursache der Hypoglykaumlmien bei Polyglobu-lie ist nicht bekannt

Kapitel 7 middot Neonatologie190

7

kKlinikDie Symptome der Hypoglykaumlmie sind unspezifisch und umfassen Zittrigkeit Apathie Krampfanfaumllle Apnoen muskulaumlre Hypotonie und Trinkschwaumlche

kDiagnoseDie Definition der Hypoglykaumlmie beim Neugeborenen ist schwierig da Neugeborene auch bei niedrigen Blutzuckerwerten haumlufig asym-ptomatisch sind

Laborchemische Definition der Hypoglykaumlmie 4 FruumlhgeboreneReifgeborene (gt24 h) Plasmaglukose

lt35 mgdl 4 FruumlhgeboreneReifgeborene (gt24 h) Plasmaglukose

lt45 mgdl

Risikokinder sollten eine Blutzuckerbestimmung 1 h postnatal er-halten und danach 3-stuumlndliche Blutzuckerkontrollen fuumlr die naumlchs-ten 24 h Bei persistierender Hypoglykaumlmie sollte nach einem ange-borenen Stoffwechseldefekt gesucht und Insulin Kortisol und Wachstumshormon bestimmt werden

kTherapieBei einer Hypoglykaumlmie mit klinischer Symptomatik erfolgt die int-ravenoumlse Gabe von 2 mlkg KG Glukose 10 uumlber 10 min gefolgt von einer Glukoseinfusion mit 8 mg Glukosekg KGmin Neugebo-rene mit besonderem Risiko fuumlr eine Hypoglykaumlmie sollten eine Fruumlhfuumltterung mit Glukose 5 oder Dextrinloumlsungen erhalten

kPrognoseWenn die Hypoglykaumlmie nur kurz dauert ist die Prognose gut Prolongierte oder tiefe Hypoglykaumlmien sind mit neurologischen Folgeschaumlden assoziiert

7123 Fetopathia diabetica

kPathogeneseBei optimaler Einstellung und Uumlberwachung des muumltterlichen Dia-betes mellitus waumlhrend der Schwangerschaft kann sich die fetale intrauterine Entwicklung voumlllig normal vollziehen Bei schlechter Einstellung besteht ein deutlich erhoumlhtes Risiko fuumlr den Feten intra-uterin zu versterben die Neugeborenen sind entweder makrosom oder hypotroph und weisen eine Reihe schwerwiegender postnata-ler Adaptionsstoumlrungen auf Da Glukose ungehindert durch die Pla-zenta diffundiert fuumlhrt eine anhaltende muumltterliche Hyperglykaumlmie zu erhoumlhten Blutzuckerkonzentrationen beim Feten der als Folge mit einem kompensatorischen Hyperinsulinismus reagiert Dieser Hyperinsulininismus ist fuumlr das typische Organwachstum der mak-rosomen Neugeborenen verantwortlich Bei einer schweren diabe-tischen Plazentainsuffizienz koumlnnen Neugeborene aber auch eine ausgepraumlgte Hypotrophie aufweisen Die Neugeborenen sind post-natal extrem Hypoglykaumlmiegefaumlhrdet da sich der Hyperinsulinis-mus nur langsam zuruumlckbildet

Das klinische Bild ist aumluszligerst eindrucksvoll und durch eine Rei-he von Funktionsstoumlrungen charakterisiert 4 Makrosomie cushingoides Aussehen 4 Hepatomegalie hypertrophe Kardiomyophathie (Glykogenein-

lagerungen) 4 Atemnotsyndrom durch beeintraumlchtigte Surfactantproduktion

4 Plethora Polyzythaumlmie Hyperviskositaumltssyndrom Hyperbilirubinaumlmie

4 Geburtstraumatische Komplikationen Plexuslaumlhmung Asphyxie u a

4 metabolische Entgleisungen Hypoglykaumlmie Hypokalzaumlmie Hypomagnesiaumlmie

4 evtl Fehlbildungen kaudales Regressionssyndrom Mikrokolon Vitium cordis

kTherapieZeitgerechte und konsequente Behandlung aller klinischen und metabolischen Stoumlrungen

7124 Hypokalzaumlmie

Je unreifer ein Neugeborenes ist desto haumlufiger tritt eine Hypokalzauml-mie auf

kPathogeneseAls Ursache fuumlr die fruumlhe Hypokalzaumlmie (Lebenstag 1ndash3) wird die nach der Geburt ploumltzlich ausbleibende hohe intrauterine Kalzium-zufuhr angenommen Ein erhoumlhtes Hypokalzaumlmierisiko besteht bei Kindern diabetischer Muumltter bei Sepsis und nach Asphyxie Die spauml-te Hypokalzaumlmie (nach dem 3 Lebenstag) kann durch hohe Phos-phatzufuhr mit der Nahrung bei verfruumlhter Kuhmilchfuumltterung oder durch Vitamin-D-Mangel verursacht werden

kKlinikLaborchemisch liegt eine Hypokalzaumlmie vor wenn das Serum-kalzium lt18 mmoll ist Die klinischen Symptome der Hypokal-zaumlmie sind unspezifisch (Zittrigkeit Tremor Hyperexzitaumlbilitaumlt oder Krampfanfaumllle) Die fruumlhe Hypokalzaumlmie ist meist asymptoma-tisch

kDifferenzialdiagnoseHypoglykaumlmie Hypomagnesiaumlmie

kTherapieBei klinischer Symptomatik langsame intravenoumlse Gabe von 1ndash2 mlkg KG Kalziumglukonat 10 Bei asymptomatischer Hypo-kalzaumlmie Erhoumlhung der taumlglichen Kalziumzufuhr auf 5ndash10 mlkg Kalziumglukonat

CaveSchnelle intravenoumlse Kalziumgabe fuumlhrt zur Bradykardie Paravenoumlse Kalziumgabe fuumlhrt zu schweren Gewebsnek-rosen

Persistiert die Symptomatik trotz Kalziumsubstitution kann eine Hypomagnesiaumlmie vorliegen

713 Spezielle Aspekte der Ernaumlhrung Fruumlh- und Neugeborener

7131 Naumlhrstoffbedarf

Der Fluumlssigkeitsbedarf des Neugeborenen ist deutlich houmlher als beim Erwachsenen weil der Wasserumsatz des Neugeborenen we-gen der geringeren Konzentrationsfaumlhigkeit der Niere des hohen insensiblen Wasserverlustes uumlber Haut und Lunge und des hohen Energieumsatzes sehr hoch ist

7191Literatur

Der Kalorien- und Eiweiszligbedarf des Neugeborenen ist wegen des raschen Wachstums ebenfalls houmlher als beim Erwachsenen ( Tab 719)

7132 Ernaumlhrung des reifen Neugeborenen

Die optimale Ernaumlhrung fuumlr das reife Neugeborene ist Muttermilch Um die Muttermilchproduktion anzuregen soll das Neugeborene anfangs alle 3ndash4 h an beiden Bruumlsten saugen Mit zunehmender Muttermilchmenge muss kein starrer Stillrhythmus mehr eingehal-ten werden sondern das Kind wird dann angelegt wenn es Hunger hat Die Muttermilchmenge deckt in der Regel am Ende der 1 Le-benswoche den Bedarf des Neugeborenen

gt Das reife Neugeborene soll in den ersten Lebenstagen zusaumltzlich zum regelmaumlszligigen Anlegen an der Brust nur Fluumlssigkeit angeboten bekommen bei normalem Anstieg der Muttermilchmenge ist keine Zufuumltterung von Milch-nahrung notwendig

7133 Ernaumlhrung des Fruumlhgeborenen

Aktivitaumlt von Verdauungsenzymen ist im Gastrointestinaltrakt be-reits ab 20 Schwangerschaftswochen nachzuweisen Deshalb ist die Resorption von kurzkettigen Kohlenhydraten und Protein auch bei unreifen Fruumlhgeborenen gut Fett wird allerdings von Fruumlhgebore-nen wegen geringer Lipaseaktivitaumlt und geringer Gallensaumlurenmen-ge nur unvollstaumlndig resorbiert

Auch wenn Saugbewegungen intrauterin bereits mit 22 Gestati-onswochen stattfinden wird eine effektive Saug-Schluck-Koordina-tion erst mit 32ndash34 Gestationswochen erreicht Auch die koordinier-te antegrade Peristaltik im Magen-Darm-Trakt entwickelt sich in diesem Zeitraum erst allmaumlhlich ( Abb 725)

Bei unreiferen Fruumlhgeborenen muss deshalb mit sehr kleinen Nahrungsmengen (3ndash5 ml pro Mahlzeit) begonnen und die Nah-rung in den Magen sondiert werden bis das Kind die Faumlhigkeit selbst zu trinken entwickelt hat

Die beste enterale Nahrung ist auch fuumlr das Fruumlhgeborene Muttermilch die allerdings wegen des hohen Naumlhrstoffbedarfs Fruumlhgeborener mit Kalorien Protein und Mineralstoffen angerei-

chert werden muss Da Fruumlhgeborene anfangs nur sehr kleine e nterale Nahrungsmengen vertragen ist eine zusaumltzliche parente-rale Ernaumlhrung notwendig bis der enterale Nahrungsaufbau voll-staumlndig ist

Literatur

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Tab 719 Bedarf an Fluumlssigkeit und Naumlhrstoffen von Fruumlh- und Neugeborenen in den ersten Lebenswochen im Vergleich zum Erwachsenen

Fruumlh-geborenes

Reif-geborenes

Erwachsener

Fluumlssigkeit [mlkg KGTag]

180 130 40ndash50

Kalorien [kcalkg KGTag]

130 110 30ndash40

Protein [gkg KGTag]

3 2ndash3 08

Gewichtszunahme [gkg KGTag]

15 8 0

Abb 757 Entwicklung der gastrointestinalen Motorik

  • III13Neonatologie und paumldiatrische Intensivmedizin
    • 713Neonatologie
      • Definitionen
      • Postnatale Adaptation
        • Lunge
        • Herz und Kreislauf
        • Temperaturregulation
        • Niere
        • Gastrointestinaltrakt
        • Eltern-Kind-Beziehung
        • Beurteilung der postnatalen Adaptation (Apgar-Schema)
        • Akut lebensbedrohliche Fehlbildungen der Neugeborenenperiode
          • Untersuchung des Neugeborenen
            • Zeitpunkte der Neugeborenenuntersuchung
            • Durchfuumlhrung der Neugeborenenuntersuchung
            • Neurologische Neugeborenenuntersuchung
            • Bestimmung der somatischen Reifezeichen
              • Reanimation Fruumlhund Neugeborener
                • Voraussetzungen zur Reanimation
                • Maszlignahmen der Neugeborenenreanimation
                  • Perinatale Schaumlden und ihre Folgen
                    • Asphyxie
                    • Hypoxisch-ischaumlmische Enzephalopathie (HIE)
                    • Geburtstraumatische Schaumlden
                      • Das Fruumlhgeborene
                        • Das Atemnotsyndrom Fruumlhgeborener
                        • Persistierender Ductus arteriosus (PDA)
                        • Wilson-Mikity-Syndrom
                        • Bronchopulmonale Dysplasie
                        • Retinopathia praematurorum
                        • Hirnblutungen des Fruumlhgeborenen
                        • Germinale Matrixblutung des Fruumlhgeborenen
                        • Andere intrazerebrale Blutungen bei Fruumlhgeborenen
                        • Periventrikulaumlre Leukomalazie
                        • Apnoen bei Fruumlhgeborenen
                          • Lungenerkrankungen des Neugeborenen
                            • Transitorische Tachypnoe
                            • Mekoniumaspirationssyndrom
                            • Pneumothorax
                            • Kongenitales lobaumlres Emphysem
                            • Lungenhypoplasie
                            • Zwerchfellhernie (Enterothorax)
                            • Neonatale Pneumonien
                            • Persistierende pulmonale Hypertonie (persistierende fetale Zirkulation)
                            • Lungenblutung
                            • Chylothorax
                            • Obstruktion der oberen Atemwege
                              • Bluterkrankungen
                                • Fetale Erythropoese
                                • Neonatale Anaumlmie
                                • Anaumlmie Fruumlhgeborener
                                • Polyzythaumlmie Hyperviskositaumltssyndrom
                                • Icterus neonatorum und Hyperbilirubinaumlmie
                                • Physiologischer Ikterus
                                • Muttermilchikterus
                                • Ikterus bei Fruumlhgeborenen
                                • Pathologische Hyperbilirubinaumlmie
                                • Morbus haemolyticus neonatorum
                                • Kernikterus Bilirubinenzephalopathie
                                • AB0-Erythroblastose
                                • Rh-Erythroblastose
                                • Weitere haumlmolytische Erkrankungen
                                • Direkte Hyperbilirubinaumlmie
                                • Weiszliges Blutbild Neugeborener
                                • Neonatale Thrombozytopenie
                                • Neonatale Alloimmunthrombozytopenie
                                • Koagulopathien
                                • Morbus haemorrhagicus neonatorum (Vitamin-K-Mangel)
                                  • Nekrotisierende Enterokolitis
                                  • Fetale und neonatale Infektionen
                                    • Besonderheiten des Immunsystems Neugeborener
                                    • Nichtbakterielle konnatale Infektionen
                                    • Roumlteln
                                    • Zytomegalie
                                    • Herpes simplex
                                    • Varizella-Zoster-Virus
                                    • Weitere konnatale Virusinfektionen
                                    • Toxoplasmose
                                    • Neugeborenensepsis
                                    • Meningitis
                                    • Osteomyelitis und septische Arthritis
                                    • Hautund Weichteilinfektionen
                                    • Omphalitis
                                    • Mastitis
                                    • Lokale Candidainfektionen
                                    • Neonataler Tetanus
                                    • Ophthalmia neonatorum
                                      • Neugeborenenkraumlmpfe
                                      • Metabolische Stoumlrungen
                                        • Hyperglykaumlmie
                                        • Hypoglykaumlmie
                                        • Fetopathia diabetica
                                        • Hypokalzaumlmie
                                          • Spezielle Aspekte der Ernaumlhrung Fruumlhund Neugeborener
                                            • Naumlhrstoffbedarf
                                            • Ernaumlhrung des reifen Neugeborenen
                                            • Ernaumlhrung des Fruumlhgeborenen
Page 4: Neonatologie - Springer...7.8.5 Icterus neonatorum und Hyperbilirubinämie – 168 7.8.6 Physiologischer Ikterus – 169 7.8.7 Muttermilchikterus – 169 7.8.8 Ikterus bei Frühgeborenen

Kapitel 7 middot Neonatologie128

7

EinleitungNoch vor 20 Jahren war die haumlufigste Todesursache Fruumlhgeborener das akute Lungenversagen Die sensationellen Ergebnisse von Mary Ellen Avery ebneten dann den Weg fuumlr eine kausale Therapie des Atemnot-syndroms ME Avery beobachtete dass die Lungen eines verstorbenen Fruumlhgeborenen luftleer und raquoschwerlaquo waren und kein raquoschaumlumendes Materiallaquo (raquofoamlaquo) enthielten Wie sie durch Experimente belegen konn-te fehlte diesen Lungen in der Tat eine Substanz die die Oberflaumlchen-spannung in den Alveolen vermindert das pulmonale Surfactant Die 1959 publizierten Ergebnisse ihrer Untersuchungen fanden zunaumlchst nicht die ihnen gebuumlhrende Aufmerksamkeit Um die weitere Resonanz auf ihre Entdeckung zu beschreiben verweist ME Avery gerne darauf hin dass sich neues Wissen in 3 Phasen verbreitet Die 1 Phase in der neue Ergebnisse bekannt gegeben werden wird meist ignoriert In der 2 Phase rufen die inzwischen von anderen nicht mehr zu leugnenden Ergebnisse Feindseligkeiten hervor in der 3 und letzten Phase besteht eine generelle Uumlbereinstimmung daruumlber dass man schon immer von dieser Tatsache ausgegangen sei

71 Definitionen

Die Erfolge der Neonatalmedizin liegen unter anderem an der fruuml-hen Einfuumlhrung qualitaumltssichernder Maszlignahmen durch die Erstel-lung und Auswertung standardisierter Berichte uumlber alle Geburten (Perinatalerhebung) und alle stationaumlren Aufenthalte von Neuge-borenen (Neonatalerhebung)

Fuumlr die Qualitaumltskontrolle und die Vergleichbarkeit von Thera-pieergebnissen in der Neugeborenenmedizin sind einheitliche und verbindliche Definitionen von Krankheitsbildern und Zustaumlnden erstellt worden Diese Einteilungen sind von sehr groszliger klinischer Bedeutung da sie Neugeborene mit unterschiedlichen Erkran-kungsrisiken definieren So machen z B die Neugeborenen mit ei-nem Geburtsgewicht lt1500 g nur 08ndash15 aller Lebendgeborenen aus verursachen aber bis zu 65 der neonatalen Mortalitaumlt Neuge-

borene werden nach dem Gestationsalter dem Geburtsgewicht und dem Geburtsgewicht bezogen auf das Gestationsalter unterteilt ( Abb 71 und Tab 71)

Die Einteilung nach dem Gestationsalter (d h Dauer der Schwangerschaft vom 1 Tag der letzten Menstruation bis zur Geburt) beschreibt den Grad der Organreife Das Gestationsalter kann aber nur selten genau gemessen werden sondern ist eine anamnestische Angabe mit einer gewissen Ungenauigkeit Die Ein-teilung nach dem Geburtsgewicht das eine messbare Groumlszlige ist wird in den USA haumlufig benutzt Dadurch werden allerdings unter dem Begriff raquolow birth-weight infantlaquo hypotrophe Neugeborene und Fruumlhgeborene die beide deutlich unterschiedliche Krankheits-profile haben zusammengefasst Die Einteilung nach dem Ge-burtsgewicht bezogen auf das Gestationsalter ermoumlglicht die Unterscheidung von hypotrophen eutrophen und hypertrophen Neugeborenen

gt Die neonatale Mortalitaumlt (Anzahl der in den ersten 28 Lebenstagen verstorbenen Neugeborenen pro 1000 Lebendgeborene) als Maszlig fuumlr die Qualitaumlt der Neuge-borenenversorgung ist in Deutschland zwischen 1970 und 1991 von 17 auf 41000 gesunken und seither auf diesem geringen Niveau stabil

72 Postnatale Adaptation

Die Geburt ist die dramatischste Aumlnderung der Lebensumstaumlnde im menschlichen Leben Innerhalb weniger Minuten finden zahlreiche physiologische Veraumlnderungen das Kennenlernen der Eltern und das Erleben einer neuen Sinneswelt statt ( Tab 72) Die Aufgabe des Kinderarztes ist es zusammen mit dem Geburtshelfer die post-natale Adaptation zu beobachten und wenn noumltig zu unterstuumltzen ohne durch zu viele Maszlignahmen diesen fuumlr das Neugeborene und seine Eltern wichtigen Augenblick zu stoumlren

Abb 71 Einteilung von Neugeborenen nach Gestationsalter und Geburtsgewicht

Tab 71 Definitionen zur Einteilung von Neugeborenen

Einteilung nach Gestations-alter (GA)

Fruumlhgeborenes GA lt37 Wochen (lt260 Tage)

Termingeborenes GA 37ndash42 Wochen (260ndash293 Tage)

Uumlbertragenes Neugeborenes

GA gt42 Wochen (gt293 Tage)

Einteilung nach Geburts-gewicht

Geburtsgewicht lt2500 g raquolow birth weight infantlaquo

Geburtsgewicht lt1500 g raquovery low birth weight infantlaquo

Geburtsgewicht lt1000 g raquoextremely low birth weight infantlaquo

Einteilung nach Geburts-gewicht bezogen auf das Gestations-alter

Hypotrophes Neu-geborenes (raquosmall for gestational agelaquo SGA)

Geburtsgewicht lt10 Perzentile

Eutrophes Neugeborenes (raquoappropriate for gesta-tional agelaquo AGA)

Geburtsgewicht 10ndash90 Perzentile

Hypertrophes Neuge-borenes (raquolarge for gestational agelaquo LGA)

Geburtsgewicht gt90 Perzentile

712972 middot Postnatale Adaptation

721 Lunge

Intrauterin Die Lunge ist intrauterin ein fluumlssigkeitsgefuumllltes Organ in dem kein Gasaustausch stattfindet Es besteht ein staumln-diger Einstrom von Fluumlssigkeit aus dem Lungengewebe in den sich entwickelnden Bronchialbaum und von dort uumlber die Trachea ins Fruchtwasser Ab der 20 Schwangerschaftswoche lassen sich spo-radische Thoraxbewegungen feststellen mit denen Fluumlssigkeit ein- und ausgeatmet wird Die Surfactantproduktion durch die Typ-II-Pneumozyten nimmt ab 24 Schwangerschaftswochen deutlich zu

CaveEine deutlich verminderte Fluumlssigkeitsfuumlllung der fetalen Lunge bei Ahydramnie oder persistierendem vorzeitigen Blasensprung kann in der vulnerablen Phase der Lungenentwicklung zu einer schweren Lungen-hypoplasie fuumlhren

Fehlende intrauterine Atemexkursionen bei neuromuskulaumlren Er-krankungen der Feten oder schweren Thoraxdysyplasien koumlnnen ebenfalls das normale Lungenwachstum nachhaltig beeintraumlchtigen

Postnatal Innerhalb weniger Atemzuumlge muss sich die Lunge mit Luft fuumlllen durchblutet werden und eine regelmaumlszligige Atmung ein-setzen damit nach der Durchtrennung der Nabelschnur kein Sauer-stoffmangel entsteht

Adaptationsvorgaumlnge Bereits einige Tage vor der Geburt beginnt sich der Fluumlssigkeitsstrom in der Lunge umzukehren anstelle des Fluumlssigkeitseinstroms in die Alveolen beginnt eine Fluumlssigkeitsre-sorption Bereits mit dem ersten Atemzug bei dem das Neuge-borene einen Sog von bis zu 100 cm H2O aufbringt werden groszlige Teile der Lunge mit Luft gefuumlllt der verbleibende Fluumlssigkeitsfilm an der Alveolarwand wird im Lauf der naumlchsten Stunden resorbiert Verzoumlgert sich diese Fluumlssigkeitsresorption so kommt es zur transienten Tachypnoe des Neugeborenen Der in der Lunge vor-handene Surfactant reicht beim Reifgeborenen aus um die an der Grenzflaumlche Luft-Fluumlssigkeit auftretende Oberflaumlchenspannung so zu verringern dass es nicht zu einem Kollaps der Alveolen kommt Der initiale paO2-Abfall und paCO2-Anstieg afferente Reize durch die Lungendehnung und Kaumlltereize setzen die Atem-exkursionen in Gang und fuumlhren zum kontinuierlichen postnatalen Atemtyp

722 Herz und Kreislauf

Intrauterin Zum Blutkreislauf des Feten gehoumlren die Nabelschnur-gefaumlszlige und der fetale Teil der Plazenta Deshalb ist das Blutvolumen des Feten doppelt so groszlig wie das des Neugeborenen Nur 10 des Blutes flieszligen durch die Lunge da der Widerstand im Pulmonal-kreislauf hoch ist 90 des Blutes im rechten Herzen gelangen an der Lunge vorbei uumlber das offene Foramen ovale vom rechten in den linken Vorhof oder uumlber den Ductus arteriosus aus der Arteria pul-monalis in die Aorta ( Abb 72)

Postnatal Foramen ovale und Ductus arteriosus sind verschlossen Das gesamte Herzzeitvolumen flieszligt durch die Lunge

Tab 72 Gegenuumlberstellung der intra- und extrauterinen Lebensumstaumlnde

Organ Intrauterin Extrauterin

Lungen Fluumlssigkeitsgefuumlllt hoher pulmonaler Gefaumlszlig-widerstand sporadische Atemexkursionen

Luftgefuumlllt Abfall des pulmonalen Widerstandes regelmaumlszligige Atemzuumlge

Kreislauf 10 des Herzminutenvolumens durch die Lunge Rechts-links-Shunt uumlber Foramen ovale und Ductus arteriosus

100 des Herzminutenvolumens durch die Lunge Foramen ovale und Ductus arteriosus verschlossen

Thermoregulation Keine Thermoregulation erforderlich Waumlrmeproduktion und Minimierung von Waumlrmeverlusten

Ernaumlhrung Kontinuierlich uumlber Plazenta Intermittierend enteral (Saugen Schlucken Peristaltik Verdauung)

Niere Produktion von Fruchtwasser Regulation von Wasser-Elektrolyt- und Saumlure-Basen-Haushalt

Sinneswelt Dunkel gedaumlmpfte Geraumlusche gleichmaumlszligig warm raquoschwereloslaquo

Hell laut Temperaturwechsel Schwerkraft

Abb 72 Schema des fetalen Kreislaufs mit Sauerstoffpartialdruumlcken in verschiedenen Gefaumlszligen

Kapitel 7 middot Neonatologie130

7Adaptationsvorgaumlnge Die Beluumlftung der Lunge induziert eine Vasodilatation im Pulmonalkreislauf Die Erhoumlhung des paO2 von 30 auf 60ndash99 Torr im Blut das den Ductus arteriosus durchstroumlmt fuumlhrt zu Konstriktion und funktionellem Verschluss des Ductus der Druckanstieg im kindlichen Koumlrperkreislauf leitet nach dem Wegfall des plazentaren Niederdrucksystems den funktionellen Verschluss des Foramen ovale ein

723 Temperaturregulation

Intrauterin Waumlrme ist fuumlr den Feten ein Nebenprodukt des Stoff-wechsels Obwohl ein Groszligteil dieser Waumlrme uumlber die Plazenta ab-gefuumlhrt wird liegt die Koumlrpertemperatur des Feten dadurch um 05degC uumlber der Koumlrpertemperatur der Mutter Intrauterin benoumltigt der Fetus keine eigene Waumlrmeregulation

Postnatal Die Umgebungstemperatur liegt 15ndash20degC unter der Koumlrpertemperatur und es treten Waumlrmeverluste durch Strahlung (kuumlhle Raumwaumlnde) Konvektion (kuumlhle bewegte Luft) und Ver-dunstung (trockene Luft) auf Um die Koumlrpertemperatur konstant zu halten muumlssen die auftretenden Waumlrmeverluste durch Waumlrme-produktion ausgeglichen werden

Adaptationsvorgaumlnge Das Neugeborene verringert Waumlrmever-luste durch Vasokonstriktion in der Haut und produziert Waumlrme im braunen Fettgewebe Nur Neugeborene besitzen dieses braune Fettgewebe das zwischen den Schulterblaumlttern hinter dem Herzen und den groszligen Gefaumlszligen liegt die dort produzierte Waumlrme verteilt sich rasch im Koumlrper Die Braunfaumlrbung des Gewebes entsteht durch den hohen Anteil an Mitochondrien Die Fettoxidation ist durch das so genannte raquouncoupling proteinlaquo von der ATP-Produktion abge-koppelt und erlaubt eine direkte und rasche Waumlrmeproduktion Trotz dieses Adaptationsmechanismus uumlbertreffen die Waumlrmever-luste eines unbekleideten reifen Neugeborenen in Raumtemperatur (22degC) seine Waumlrmeproduktion und es besteht die Gefahr der Aus-kuumlhlung ( Abb 73)

gt Um eine postnatale Auskuumlhlung zu verhindern wird ein reifes Neugeborenes nach der Geburt gut abgetrocknet in direktem Hautkontakt der Mutter auf die Brust gelegt und mit einem trockenen Tuch zugedeckt

724 Niere

Intrauterin Die Plazenta uumlbernimmt die Ausscheidungsfunktion der Nieren Die Aufgabe der fetalen Nieren ist die Produktion von Fruchtwasser das zum groszligen Teil fetaler Urin ist Fehlt das Frucht-wasser kommt es zur Lungenhypoplasie

Postnatal Die Nieren muumlssen die Fluumlssigkeits- und Elektrolytho-moumlostase aufrechterhalten Stoffwechselprodukte ausscheiden und den Saumlure-Basen-Haushalt ausgleichen

Adaptationsvorgaumlnge Der erste Urin wird oft bei oder unmittelbar nach der Geburt abgesetzt und nach einer Pause setzt dann inner-halb von 24 h die Diurese ein In den ersten Lebenstagen reduziert das Neugeborene als Adaptation an das trockene extrauterine Milieu seinen groszligen Extrazellulaumlrraum Durch die Fluumlssigkeitsausschei-dung kommt es zur physiologischen postnatalen Gewichtsabnah-me von maximal 10 des Geburtsgewichts

Die Filtrationsleistung der Nieren betraumlgt beim Neugeborenen nur 110ndash16 des Erwachsenen und auch die Tubuli sind deutlich weniger leistungsfaumlhig Trotzdem kann die Niere des Neugeborenen die Homoumlostase in der Regel aufrechterhalten

gt Da die Regulationsfaumlhigkeit der Niere des Neugeborenen geringer ist ist das Risiko einer Hyperhydratation sowie einer Dehydratation groumlszliger als beim Erwachsenen

725 Gastrointestinaltrakt

Intrauterin Die Ernaumlhrung des Feten erfolgt uumlber die Plazenta Der Fet schluckt und resorbiert Fruchtwasser und reguliert damit das Fruchtwasservolumen

CaveEin Polyhydramnion kann Symptom einer gastrointestina-len Obstruktion (z B Oumlsophagusatresie Duodenalatresie) oder einer Schluckstoumlrung des Feten sein

Postnatal Die Ernaumlhrung erfolgt durch die Resorption von Naumlhr-stoffen aus dem Gastrointestinaltrakt

Adaptationsvorgaumlnge 70 der Neugeborenen setzen innerhalb der ersten 12 Lebensstunden Mekonium den ersten Stuhl ab die restlichen Neugeborenen innerhalb von 48 h Mekonium ist gruumln-lich-schwarz und besteht aus eingedickter Galle Lanugo und Zell-detritus Beim reifen Neugeborenen ist der Saug- und Schluckreflex ausreichend entwickelt so dass orale Nahrung aufgenommen werden kann Die Nahrungsmenge wird langsam gesteigert bis sich eine koordinierte gastrointestinale Peristaltik entwickelt hat

726 Eltern-Kind-Beziehung

Die Geburt ist ein wichtiger Augenblick fuumlr die Entwicklung der Eltern-Kind-Beziehung Die Eltern sehen zum ersten Mal das lange erwartete Kind und auch das gesunde reife Neugeborene ist in der ersten Stunde nach der Geburt wach und aufmerksam Augen- und Hautkontakt zum Neugeborenen sind in dieser Phase der Entwick-lung der Eltern-Kind-Beziehung besonders foumlrderlich Zudem sollte das gesunde reife Neugeborene bereits im Kreiszligsaal an die Brust der Mutter angelegt werden weil dadurch das spaumltere erfolgreiche Stil-len beguumlnstigt wird

Abb 73 Waumlrmebilanz eines unbekleideten reifen Neugeborenen bei Raumtemperatur

713173 middot Untersuchung des Neugeborenen

727 Beurteilung der postnatalen Adaptation (Apgar-Schema)

Zur Beurteilung der postnatalen Adaptation hat sich das von der amerikanischen Anaumlsthesistin Virginia Apgar eingefuumlhrte Apgar-Schema ohne Zweifel bewaumlhrt ( Tab 73) Dr Apgarrsquos primaumlres Ziel war es Neugeborene zu identifizieren die unmittelbar postnatal deprimiert waren und eine unverzuumlgliche Hilfe benoumltigten

gt Der Apgar-Wert wird 1 5 und 10 min nach der Geburt erhoben

Der 1-min-Apgar-Wert dient zur Identifikation der Neugeborenen die sofortiger Hilfe beduumlrfen Fuumlr die neonatale Mortalitaumlt und spaumltere neurologische Morbiditaumlt kommt dem 5-min Apgar-Score eine gewisse prognostische Bedeutung zu

728 Akut lebensbedrohliche Fehlbildungen der Neugeborenenperiode

2ndash3 der Neugeborenen haben angeborene Fehlbildungen die mit bedeutsamer Behinderung einhergehen oder lebensbedrohend sind 3ndash4 der Neugeborenen haben geringfuumlgige Fehlbildungen Durch die praumlnatale Ultraschalldiagnostik koumlnnen zahlreiche angeborene Fehlbildungen bereits vor der Geburt erkannt werden ( Abb 74) Bei intrauteriner Diagnose einer angeborenen Fehlbildung sollten die Eltern von Geburtshelfern Neonatologen und Kinderchirurgen gemeinsam beraten werden und der Geburtsmodus und das post-natale Vorgehen festgelegt werden

73 Untersuchung des Neugeborenen

731 Zeitpunkte der Neugeborenenuntersuchung

4 Bei jedem Neugeborenen werden vorgeschriebene Vorsorge-untersuchungen gemacht

4 die U1 in den ersten 4 Lebensstunden 4 die U2 im Alter von 3ndash10 Tagen 4 die U3 am Ende der Neonatalperiode im Alter von

4ndash6 Wochen

Auszligerdem hat sich eine zusaumltzliche Untersuchung im spaumlteren Ver-lauf des 1 Lebenstages als nuumltzlich erwiesen Jeder Untersuchungs-zeitpunkt hat eigene Untersuchungsschwerpunkte und beinhaltet zusaumltzliche praumlventive Maszlignahmen

732 Durchfuumlhrung der Neugeborenenuntersuchung

AnamneseZuerst sollte die Schwangerschafts- und Geburtsanamnese er-hoben werden 4 Alter der Mutter Anzahl und Ausgang vorausgegangener

Schwangerschaften 4 jetzige Schwangerschaft Dauer Komplikationen oder

Erkrankungen der Mutter in der Schwangerschaft Medi-kamente Blutgruppe der Mutter Schwangerenvorsorge Mutterpass

4 Geburtsmodus Geburtsdauer Risikofaktoren fuumlr eine Amnion infektion (vorzeitiger Blasensprung Fieber bei Ge-burt) Fruchtwasser Nabelarterien-pH

4 Erstversorgung Apgar-Score

Tab 73 Apgar-Schema zur Beurteilung der postnatalen Adaptation

0 Punkte 1 Punkt 2 Punkte

Aussehen Hautfarbe Blass oder zyanotisch Stamm rosig Akrozyanose Ganz rosig

Puls (Herzfrequenz) Keine lt100min gt100min

Gesichtsmimik bei Stimulation Keine Grimassieren Schreien

Aktivitaumlt (Muskeltonus) Schlaff Geringe Extremitaumltenflexion Kraumlftig aktive Bewegung

Respiration (Atmung)Bestimmung nach 12 und 10 min Keine Langsam unregelmaumlszligig Regelmaumlszligig kraumlftig

Abb 74a b Praumlnatale Diagnose eines fetalen Spaltfuszliges mit Hilfe der 3-D-Sonographie (a) klinischer Befund nach der Geburt (b)

a b

Exkurs

Neugeborenenscreening auf Stoffwechselstoumlrungen

Am 5 Lebenstag wird bei allen Neugeborenen ein Screening auf folgende angeborene Stoffwechselstoumlrungen durchgefuumlhrt (7 Kap 51)

4 Hypothyreose (14000 Lebendgeborene) Messung der TSH-Konzentration

4 Phenylketonurie (17000 Lebendgeborene) semiquantitative Bestimmung des Phenylalaninspiegels

4 Galaktosaumlmie (140000 Lebendgeborene) semiquantitative Bestimmung der Uridyltransferaseaktivitaumlt

Kapitel 7 middot Neonatologie132

7

UntersuchungsablaufDie Qualitaumlt einer Neugeborenenuntersuchung haumlngt vom Koumlnnen und der Erfahrung des Untersuchers ab sie erfordert ausreichend Zeit und ein Eingehen auf das Neugeborene und seine Eltern

10 Grundregeln fuumlr die Neugeborenenuntersuchung 4 1 Die Untersuchung soll in einem warmen Raum auf

einer warmen Unterlage erfolgen 4 2 Das Licht soll hell aber nicht grell sein 4 3 Zur Untersuchung soll das Neugeborene vollstaumlndig

entkleidet werden 4 4 Der beste Untersuchungszeitpunkt ist 2ndash3 h nach der

letzten Mahlzeit wenn das Neugeborene wach aber ruhig ist

4 5 Die Eltern sollen bei der Untersuchung anwesend sein 4 6 Das Neugeborene soll immer erst in Ruhe beobachtet

werden bevor Untersuchungen vorgenommen werden 4 7 Immer mit den Untersuchungen beginnen die das

Neugeborene am wenigsten irritieren und belasten 4 8 Bei der Untersuchung soll mit dem Neugeborenen ge-

sprochen werden und nicht nur uumlber das Neugeborene 4 9 Auch harmlose Befunde die aber unerfahrene Eltern

beunruhigen koumlnnen sollen erklaumlrt und demonstriert werden (z B Fuumlhlen der Fontanelle)

4 10 Alle Fragen der Eltern sollen in Ruhe und ausfuumlhrlich beantwortet werden

Der Ablauf der koumlrperlichen Untersuchung soll flexibel dem ein-zelnen Neugeborenen angepasst werden Folgende prinzipielle Vor-gehensweise hat sich bewaumlhrt zuerst wird das Neugeborene be-obachtet ohne es durch raquoAnfassenlaquo zu irritieren Dabei werden Aussehen Spontanatmung Spontanhaltung und Spontanmotorik beurteilt Solange das Neugeborene noch ruhig ist erfolgt danach die Auskultation von Herz und Lunge Die weitere Untersuchung er-folgt vom Kopf zu den Zehen

gt Zur Neugeborenenuntersuchung gehoumlren neben der allgemeinen koumlrperlichen Untersuchung die Bestimmung der somatischen Reifezeichen die Suche nach Geburts-verletzungen und nach Fehlbildungen

Untersuchung der einzelnen KoumlrperregionenIn diesem Abschnitt sind wichtige Untersuchungsinhalte und haumlufi-ge Befunde fuumlr die einzelnen Koumlrperregionen des Neugeborenen aufgefuumlhrt ( Tab 74) Geburtsverletzungen (7 Abschn 753) und Dysmorphiezeichen sind andernorts abgehandelt

Haut Akrozyanose (haumlufig bei kalten Haumlnden Fuumlszligen) zentrale Zyanose (Zunge) Blaumlsse Plethora Oumldeme marmoriertes Haut-kolorit graues Munddreieck Ikterus 4 Storchenbiss (Naevus simplex) angeborene Teleangiektasien

symmetrisch auf Stirn Oberlidern Nase Oberlippe und im Nacken die im Gesicht meist bis zum 3 Lebensjahr verschwin-den im Nacken aber haumlufig persistieren Differenzialdiagnose Naevus flammeus Haumlmangiome

4 Milien zahlreiche punktfoumlrmige weiszlige Papeln auf dem Nasen-ruumlcken und am Kinn durch transiente Keratinzysten Milien verschwinden ohne Therapie

4 Waschfrauenhaumlnde Schuppung und Abschilferung der Haut an Handinnenflaumlchen und Fuszligsohlen bei Uumlbertragung oder Plazentainsuffizienz

4 Neugeborenenexanthem (Erythema toxicum neonatorum) nichtinfektioumlse transiente erythematoumlse Makulae zum Teil mit zentraler gelblicher Papel die meist am Stamm zwischen dem 3 und 7 Lebenstag auftreten ( Abb 75) Im Direktpraumlparat im Wesentlichen eosinophile Granulozyten Differenzialdiag-nose Staphylodermie

4 Transiente neonatale pustuloumlse Melanose Dabei handelt es sich vermutlich um eine selten auftretende Variante des Ery-thema toxicum neonatorum Die Pusteln und Vesikel sind be-reits bei der Geburt vorhanden und nicht von einem erythema-toumlsen Hof umgeben Die abgeheilten Laumlsionen hinterlassen oft hyperpigmentierte Maculae die fuumlr 2ndash3 Monate persistieren koumlnnen ( Abb 76)

Kopf Messung des frontookzipitalen Kopfumfangs (Makrozephalie Mikrozephalie) Groumlszlige und Konsistenz der Fontanellen Schaumldel-naumlhte Die Schaumldelform ist abhaumlngig vom Geburtsmodus nach vagi-naler Entbindung sind haumlufig die Scheitelbeine uumlber die Stirnbeine geschoben

Tab 74 Haumlufige Befunde bei der koumlrperlichen Untersuchung des Neugeborenen

Koumlrperregion Haumlufige Befunde

Haut raquoStorchenbisslaquo Milien Waschfrauenhaumlnde Neugeborenenexanthem

Kopf Geburtsgeschwulst Kephalhaumlmatom

Augen Subkonjunktivale Einblutung Konjunktivitis

Mund Retentionszysten (Epstein-Perlen)

Hals Haumlmatom des M sternocleidomastoideus

Thorax Klavikulafraktur Brustdruumlsenschwellungen

Nabel Naumlssender Nabel Nabelgranulom

Weibliches Genitale Vaginalsekretion Hymenalpolyp

Maumlnnliches Genitale

Physiologische Phimose unvollstaumlndiger Descensus testis

Extremitaumlten Huumlftdysplasie Polydaktylie 4-Fingerfurche Sichelfuszlighaltung

Wirbelsaumlule Lumbosakrales Hautgruumlbchen

Abb 75 Neugeborenenexanthem

713373 middot Untersuchung des Neugeborenen

4 Geburtsgeschwulst oumldematoumls-teigige Kopfhautschwellung meist parietookzipital verschwindet in den ersten Lebens-tagen

4 Kephalhaumlmatom prallelastische Schwellung die durch die Schaumldelnaumlhte begrenzt wird nach subperiostaler Einblutung haumlufig parietookzipital kann uumlber Monate persistieren und am Rand verknoumlchern die raquoVerknoumlcherunglaquo loumlst sich in der Regel bis zum Ende des 1 Lebensjahres wieder auf

Augen Roter Pupillenreflex Konjunktivitis Kolobom Stellung der Lidachsen Kongenitale Katarakt bei direktem Lichteinfall Leuko-korie (weiszliglicher Pupillenreflex) bei seitlichem Lichteinfall raquoPupil-lentruumlbunglaquo Normal sind symmetrische Stellung und koordinierte Bewegungen Bei ploumltzlichem hellen Licht schlieszligt das Neugeborene geblendet die Augen 4 Subkonjunktivale Einblutungen entstehen durch den Press-

druck unter der Geburt harmlos 4 Konjunktivitis meist nichtinfektioumls durch chemische oder

physikalische Irritation Differenzialdiagnose infektioumlse Konjunktivitis (Chlamydien)

gt Das Neugeborene oumlffnet oft spontan die Augen wenn es aufrecht gehalten wird

Mund Physiologische Retrogenie auf Spaltbildungen in Lippen Kiefer hartem und weichem Gaumen achten Mikrogenie Retroge-nie Glossophthose Pierre-Robin-Sequenz raquoneonatalelaquo Zaumlhne 4 Retentionszysten (Epstein-Perlen) weiszligliche Knoumltchen laumlngs

der Mittellinie am Gaumen oder den Zahnleisten 4 Bednarrsquosche Aphthen ulzerative Laumlsionen am Gaumenbogen

aumltiologisch unklare in den ersten Lebenstagen auftretende zT eindrucksvolle ulzerative Laumlsionen transient keine Therapie

Hals Schiefhals Struma Halszysten 4 Sternocleidomastoideushaumlmatom kirschgroszlige harte

schmerzlose Verdickung im Muskel nach geburtstraumatisch bedingter Einblutung Die nachfolgende Vernarbung kann zum Schiefhals fuumlhren mit Neigung des Kopfes zur kranken und Drehung des Kopfes zur gesunden Seite Physiotherapie

Thorax Brustkorb fast kreisrund Rippen weich 4 Brustdruumlsenschwellung treten zwischen dem 3 und 7 Lebens-

tag meist beidseits bei maumlnnlichen und weiblichen Neugebore-nen auf Roumltung und Uumlberwaumlrmung ist moumlglich es kann sogar

zu einer kolostrumaumlhnlichen Sekretion kommen (raquoHexen-milchlaquo) Ursache sind diaplazentar uumlbergetretene muumltterliche Hormone ( Abb 77) Differenzialdiagnose eitrige Mastitis

4 Klavikulafraktur Schmerzempfindung im Bereich der betrof-fenen Schulterregion Schonung des Arms auf der betroffenen Seite nach einer Woche tastbarer Kugelkallus

Herz und Kreislauf Zyanose Blaumlsse Oumldeme Lage des Herzspitzen-stoszliges periphere Pulse an oberer und unterer Extremitaumlt Herz-frequenz und Herzrhythmus Blutdruck Herztoumlne Herzgeraumlusch ( Tab 75) Systolische Herzgeraumlusche in den ersten Lebenstagen sind haumlufig funktionell oder durch einen noch nicht komplett ver-schlossenen Ductus arteriosus verursacht und verschwinden haumlufig nach einigen Tagen Nur 8 der Neugeborenen mit einem Herz-geraumlusch haben ein Vitium cordis

CaveFehlende Pulse an der unteren Extremitaumlt sind pathognomonisch fuumlr eine Aortenisthmusstenose

Lunge Die Atemfrequenz liegt in Ruhe zwischen 22ndash40min Bauchatmung und pueriles Atemgeraumlusch mit houmlrbarem Exspiri-um sind beim Neugeborenen physiologisch Dyspnoezeichen sind Nasenfluumlgeln (Erweiterung der Nasenloumlcher bei der Einatmung) Einziehungen (interkostal subkostal jugulaumlr) Stridor und exspira-torisches Stoumlhnen

Abb 76 Transitorische neonatale pustuloumlse Melanose die bereits bei der Geburt des Neugeborenen nachweisbar war

Abb 77 Brustdruumlsenschwellungen und kolostrumaumlhnliche Sekretion (raquoHexenmilchlaquo) bei einem Neugeborenen

Tab 75 Wichtige Normalwerte bei reifen Neugeborenen

Koumlrpergewicht [g] 3500 (3000ndash4300)

Laumlnge [cm] 50 (46ndash58)

Frontookzipitaler Kopfumfang [cm] 34 (325ndash365)

Herzfrequenz [min] 125 (70ndash190)

Atemfrequenz [min] 30 (22ndash40)

Systolischer Blutdruck [mmHg] 60 (50ndash70)

Diastolischer Blutdruck [mmHg] 35 (28ndash45)

50 Perzentile (10ndash90 Perzentile)

Kapitel 7 middot Neonatologie134

7

Abdomen Das Abdomen des Neugeborenen ist ausladend da die Bauchwandmuskulatur schwach ausgepraumlgt ist haumlufig besteht eine Rektusdiastase Lebergroumlszlige (normal bis 2 cm unter dem Rippen-bogen) Milzgroumlszlige Lage und Aussehen der Analoumlffnung Abdomen-distension und Abwehrspannung sollten untersucht werden 4 Zystische abdominelle Tumoren Hydronephrose multizys-

tisch-dysplastische Nieren Nebennierenblutung Hydrometro-kolpos Darmduplikaturen Choledochuszyste Ovarialzyste

4 Solide abdominelle Tumoren Neuroblastom Wilms-Tumor Teratom Nierenvenenthrombose Pylorushypertrophie

Nabel Sekretion Roumltung Hernie Normalerweise trocknet die Nabelschnur bis zum 6ndash10 Lebenstag ein und faumlllt dann ab

4 Naumlssender Nabel nach Abfallen des Nabelstumpfes auftretende geringe seroumlse Sekretion aus dem Nabel ohne Roumltung Falls 2 Wochen nach dem Abfallen der Nabelschnur der Nabel weiter sezerniert kommen folgende Differenzialdiagnosen in Frage

4 Nabelgranulom am Nabelgrund mit seroumls-blutiger Sekretion 4 Ductus omphaloentericus (zwischen Nabel und Darm) oder

Urachusfistel (zwischen Nabel und Blase) 4 Omphalitis Roumltung und Schwellung des Nabelrings mit

eitriger Sekretion

gt Der Nabel soll nicht mit Puder oder Nabelbinde versorgt sondern unverbunden und trocken belassen werden

Maumlnnliches Genitale Hydrozele Hypospadie Hoden tastbar im Skrotum oder im Leistenkanal Hodengroumlszlige 4 Phimose ist beim Neugeborenen physiologisch

Weibliches Genitale Klitorisgroumlszlige Vaginalsekretion ( Abb 78) 4 Hymenalpolyp Zipfel des hypertrophierten Hymens der aus

der Scheide ragt ndash Normvariante 4 Vaginalsekretion weiszligliches manchmal leicht blutiges Sekret

bei Abstoszligung des durch muumltterliche Hormone proliferierten Endometriums

Extremitaumlten Beweglichkeit Schonhaltung Beinlaumlngendifferenz Huumlftdysplasie 4 Kongenitale Huumlftdysplasie Bei kongenitaler Huumlftdysplasie

sind klinische Zeichen wie Abspreizhemmung der Oberschen-

kel Faltenasymmetrie oder Beinlaumlngendifferenz nicht zuverlaumls-sig Der Ortolani-Test (Ausrenken und Wiedereinrenken der dysplastischen Huumlfte) wird heute nicht mehr empfohlen Bei klinischer Untersuchung auf Instabilitaumlt der Huumlften achten

gt Die adaumlquate Diagnostik zum Ausschluss einer Huumlft-dysplasie ist heute die Ultraschalluntersuchung der Huumlfte

4 Polydaktylie uumlberzaumlhlige haumlufig rudimentaumlre Finger oder Zehen

4 Vierfingerfurche einzelne die gesamte Plantarflaumlche durch-ziehende Furche Kommt bei 5 der Normalbevoumllkerung vor kann jedoch ein unspezifisches Hinweiszeichen auf eine Chromosomenstoumlrung z B Trisomie 21 sein

4 Sichelfuszlighaltung (Pes adductus et supinatus) Supinations-stellung des Vorfuszliges bedingt durch intrauterine Haltung Durch Stimulation der Fuszligauszligenkante vom Neugeborenen aktiv ausgleichbar Differenzialdiagnose Klumpfuszlig

Wirbelsaumlule Achten auf Hinweiszeichen fuumlr eine Spina bifida occulta wie lumbosakral gelegenes Hautgruumlbchen Haarbuumlschel subkutanes Lipom oder Dermalsinus (epithelialisierter Ver-bindungsgang zwischen aumluszligerer Haut und Neuralrohr)

CaveraquoTethered cordlaquo evtl spinale Sonographie

733 Neurologische Neugeborenenuntersuchung

Die Untersuchungsergebnisse der neurologischen Neugeborenen-untersuchung haumlngen sehr vom Verhaltenszustand des Neugebore-nen ab (ruhiger Schlaf ruhiges Wachsein aktives Wachsein Schrei-en) Der Verhaltenszustand muss also dokumentiert und in die Be-urteilung einbezogen werden Die besten Ausgangsbedingungen fuumlr die neurologische Untersuchung sind ruhiges und aktives Wachsein

Die neurologische Untersuchung am 1 Lebenstag hat eher orientierenden Charakter wesentlich aussagekraumlftiger ist die Unter-suchung am 3 Lebenstag Bei der neurologischen Untersuchung des Neugeborenen werden folgende Funktionen beurteilt

Spontanverhalten und Spontanmotorik Das gesunde Neugebore-ne zeigt im Wachzustand eine lebhafte Spontanmotorik mit seiten-gleichem alternierendem Strampeln der Beine und alternierendem Rudern mit den Armen Auffaumlllig sind Apathie oder Hyperexzitabi-litaumlt Das gesunde Neugeborene saugt kraumlftig und trinkt ohne sich zu verschlucken

Muskeltonus Das gesunde Neugeborene haumllt Arme und Beine ge-beugt am Koumlrper Beim Hochziehen des Oberkoumlrpers an den Armen bleiben die Arme leicht gebeugt und der Kopf wird ndash zumindest anfangs ndash mitgenommen Das gesunde Neugeborene kann aus der Bauchlage heraus kurz den Kopf heben

Neugeborenenreflexmuster (Auswahl) 4 Suchreflex Beim Beruumlhren der Wangen wendet sich das Neu-

geborene suchend in Richtung der Beruumlhrung und oumlffnet den Mund

4 Saugreflex Das Neugeborene saugt kraumlftig am Finger 4 Greifreflexe an Haumlnden und Fuumlszligen Das Neugeborene

umfasst den in seine Handinnenflaumlche gelegten Finger des Unter suchers

Abb 78 Vaginalsekretion weiszligliches gelegentlich leicht blutiges Sekret das nach Abstoszligung des durch muumltterlichen Hormoneinfluss pro-liferierten Endometriums auftritt

713574 middot Reanimation Fruumlh- und Neugeborener

4 Arm-Recoil Wenn die Arme des Neugeborenen gestreckt und dann ploumltzlich losgelassen werden federn die Unterarme in den Beugezustand zuruumlck

4 Moro-Reaktion Durch kurzes Zuruumlckfallenlassen des kindlichen Kopfes kommt es zu einer raschen ausfahrenden Bewegung mit Streckung der Arme und Spreizen der Finger ( Abb 79) gefolgt von einem langsameren Zuruumlckholen der Arme an den Rumpf

4 Stuumltzreaktion Das Aufsetzen des Kindes mit beiden Beinen auf eine Unterlage fuumlhrt zu einer kurzen tonischen Streckung des gesamten Koumlrpers

4 Reflexschreiten Ausloumlsen von Schreitbewegungen durch alter-nierendes Aufsetzen der Fuumlszlige auf die Unterlage

4 Asymmetrisch-tonischer Nackenreflex Die Seitwaumlrtsdrehung des Kopfes fuumlhrt zur Streckung des Armes und Beines auf der Gesichtsseite und zur Beugung des Armes und Beines auf der Gegenseite (raquoFechterstellunglaquo Abb 710)

CaveBei der Beurteilung der Seitengleichheit von Bewegungen bei Neugeborenen darf der Kopf nicht zur Seite gedreht sein da sonst durch den asymmetrisch-tonischen Nacken-reflex eine Seitendifferenz vorgetaumluscht wird

734 Bestimmung der somatischen Reifezeichen

Zur klinischen Schaumltzung des Gestationsalters werden somatische und neurologische Merkmale herangezogen Ein gut validiertes Untersuchungsschema zur Schaumltzung des Gestationsalters ist

der Ballard-Score Die klinische Reifealterbestimmung ist auf plusmn15 Wochen genau In Tab 76 sind somatische Reifezeichen eines Fruumlhgeborenen und eines reifen Neugeborenen gegenuumlber-gestellt

74 Reanimation Fruumlh- und Neugeborener

741 Voraussetzungen zur Reanimation

Voraussetzungen zur Durchfuumlhrung Die meisten Neugeborenen durchlaufen eine unproblematische kardiorespiratorische Adapta-tion bei ca 10 der Kinder koumlnnen allerdings mehr oder weniger intensive Reanimationsmaszlignahmen erforderlich sein Ungefaumlhr 23 dieser Patienten lassen sich aufgrund definierter Risiken bereits vor der Geburt identifizieren bei 13 der Neugeborenen tritt die Reani-mationssituation voumlllig unerwartet auf Diese Tatsache unterstreicht die Notwendigkeit dass die essenziellen Wiederbelebungsmaszlignah-men zu jeder Zeit differenziert und kompetent durch ein geschultes neonatologisches Reanimationsteam durchgefuumlhrt werden koumlnnen Weitere Voraussetzungen sind eine optimale Information uumlber maternale und fetale Risiken sowie eine gezielte Vorbereitung auf die spezielle Reanimationssituation

Sind die personellen und apparativen Moumlglichkeiten in einer Geburtsklinik nicht vorhanden um ein Fruumlhgeborenes oder Risiko-neugeborenes optimal zu versorgen so muss die Mutter ndash wenn immer medizinisch vertretbar ndash in ein Perinatalzentrum verlegt werden Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses der Krankenkassen

Der antenatale Transport von Schwangeren und damit von Risiko-fruumlh- und Neugeborenen in ein Perinatalzentrum Level 1 ist bei folgenden Situationen obligat 4 Fruumlhgeborene mit einem Gestationsalter lt290 Wochen

( geschaumltztes Gewicht lt1250 g) 4 Houmlhergradige Mehrlinge (gt2) lt33 Gestationswochen

Abb 79 Moro-Reflex (I) durch kurzes Zuruumlckfallenlassen des Kopfes ploumltzliche Extension und Abduktion der oberen Extremitaumlt sowie Spreizung der Finger

Abb 710 Asymmetrisch tonischer Nackenreflex (Fechterstellung)

Tab 76 Somatische Reifezeichen eines Fruumlhgeborenen und eines reifen Neugeborenen

Fruumlhgeborenes (28 Wochen)

Reifgeborenes (40 Wochen)

Hauttextur Oumldematoumls glaumlnzend transparent

Einzelne Venen sichtbar

Hautfarbe Rot Rosig

Lanugohaare Flaumlchig vorhanden Fehlen

Sohlenfaumlltelung Nur vereinzelt Uumlber ganzer Sohle

Brustwarze Roter Punkt uumlber 1 cm erhaben

Ohrmuschelrand Weich formlos Fest elastisch

Hoden Im Inguinalkanal Im Skrotum

Skrotum Klein wenig Falten Groszlig viele Falten

Groszlige Labien Klaffend Bedecken kleine Labien

Spontanhaltung Extremitaumlten gestreckt

Extremitaumlten gebeugt

Kapitel 7 middot Neonatologie136

7

4 Alle praumlnatal diagnostizierten Erkrankungen bei denen nach der Geburt eine unmittelbare Notfallversorgung erforderlich ist Dies betrifft Erkrankungen der Mutter mit fetaler Gefaumlhr-dung sowie angeborene Fehlbildungen

Postnatale Beurteilung Fuumlr die postnatale Beurteilung reifer Neugeborener hat sich das Apgar-Schema bewaumlhrt Fruumlhgeborene lassen sich aufgrund des vom Gestationsalter abhaumlngigen Muskel-tonus und der Reflexerregbarkeit allerdings nicht adaumlquat beurtei-len Eine allzu schematische Erfassung der einzelnen Apgar-Krite-rien bei der Erstversorgung eines deprimierten reifen Neugebore-nen birgt daruumlber hinaus die Gefahr dass die Wiederbelebungs-maszlignahmen nur verzoumlgert einsetzen Die Bestimmung des Saumlure-Basen-Status ist als ein fester Bestandteil und eine wesent-liche Ergaumlnzung der kindlichen Zustandsbeurteilung anzusehen Diese nur mit einer zeitlichen Latenz verfuumlgbare Diagnostik ist jedoch fuumlr die initialen therapeutischen Entscheidungen in der Regel nicht relevant

742 Maszlignahmen der Neugeborenenreanimation

Drei klinische Kriterien ndash naumlmlich Hautfarbe Atmung und Herzfre-quenz ndash geben ausreichende Informationen um das akute Vorgehen zu planen und die Maszlignahmen die in 3 Stufen erfolgen sollten weder zu spaumlt noch zu voreilig durchzufuumlhren ( Abb 711)

Stufe 1 BasismaszlignahmenDie einfachen Basismaszlignahmen der Reanimation beinhalten Ab-trocknen Stimulation und Absaugen des Neugeborenen Waumlhrend dieser Maszlignahmen ist eine schnelle Beurteilung zum Ausschluss von schweren Fehlbildungen erforderlich

Nach dem Abtrocknen wird das Neugeborene in angewaumlrmte trockene Tuumlcher gehuumlllt Die Erstversorgung erfolgt unter einem Heizstrahler Zugluft im Raum ist zu vermeiden Bei sehr kleinen Fruumlhgeborenen und extrem hypotrophen Neugeborenen ist ein zu-saumltzlicher Waumlrmeschutz durch verschiedenste Folien (u a Plastik-folien) oder Warmluftdecken erforderlich Durch die taktile Stimu-lation u a von Ruumlcken und Fuszligsohlen wird die kindliche Atmung stimuliert Die Mehrzahl der Neugeborenen beginnt innerhalb von 10 s nach der Geburt spontan zu atmen allerdings ist damit zu rech-nen dass ca 10 der Neugeborenen nach 1 Lebensminute noch keine regelmaumlszligige Atemtaumltigkeit aufweisen Bei entsprechender In-dikation wie Verlegung der Atemwege durch Fruchtwasser Blut oder Mekonium erfolgt das Absaugen zuerst des Oropharynx und dann der Nasenwege des Neugeborenen mit einem ausreichend groszliglumigen Katheter (Ch 8ndash10)

CaveMund vor Nase Es besteht eine erhoumlhte Aspirationsgefahr durch die Stimulation der kindlichen Eigenatmung nach nasalem Absaugen

Weiterhin ist unbedingt darauf zu achten dass beim Absaugen keine Bradykardien auftreten (Vagusstimulation) Der Sog am Absaugge-raumlt ist in der Regel auf 200 mbar zu begrenzen um Verletzungen der Schleimhaut zu vermeiden Ein routinemaumlszligiges Absaugen aller Neu-geborenen ist nicht indiziert

Stufe 2 Zusatzmaszlignahmen bei insuffizienter SpontanatmungFuumlhren die beschriebenen Basismaszlignahmen nicht zum Einsetzen der Spontanatmung so sind zur Vermeidung von Bradykardie und Hypoxie weitere Schritte erforderlich

Blaumlhmanoumlver und Beutel-Masken-Beatmung Neugeborene mit fehlender Eigenatmung werden nach 30 s mit einer Beutel-Masken-Beatmung und inspiratorischem Druckplateau behandelt Dieses raquoBlaumlhmanoumlverlaquo besteht aus max 3 Beatmungshuumlben mit einem ho-hen inspiratorischen Beatmungsdruck (ca 20ndash35 cmH2O) und einer langen Inspirationszeit (ca 3ndash5 s) Diese manuelle Maskenbeatmung wurde in vielen neonatologischen Zentren durch ein manometer-kontrolliertes Blaumlhmanoumlver ersetzt Ziel dieser Beatmungsstrategie ist die intraalveolaumlre Lungenfluumlssigkeit in das pulmonale Lymph- und Gefaumlszligsystem zu pressen und somit ndash in Analogie zur Atemtech-nik Neugeborener ndash eine funktionelle Residualkapazitaumlt herzu-stellen Diese Maszlignahme sollte unter Auskultationskontrolle erfol-gen und in eine assistierte den Beduumlrfnissen des Neugeborenen angepasste Beatmung uumlbergehen Runde Silikonmasken eignen sich fuumlr die Maskenbeatmung am besten sie erlauben eine optimale Ab-dichtung

Diese Beatmungsform ist nicht auf sehr unreife Fruumlhgeborene zu uumlbertragen Wie juumlngere Untersuchungen zeigen kann ein inadaumlqua-tes Baro- und Volutrauma im Rahmen der Reanimation gravierende akute und chronische Lungenschaumlden der unreifen Lungenstruktur induzieren die u a durch eine erhoumlhte alveolaumlr-kapillaumlre Leakage charakterisiert sind und moumlglicherweise die pathogenetische Sequenz der pulmonalen Inflammationsreaktion induzieren oder aggravieren Vor dem Hintergrund dieser Beobachtung ist eine dem Fruumlhgeborenen individuell angemessene Beatmungsform zu waumlhlen die das Risiko der mechanischen Traumatisierung so gering wie moumlglich haumllt Juumlngste Untersuchungen belegen dass durch eine un-mittelbar nach der Geburt erfolgte Anlage eines binasalen CPAP-Sys-tems (CPAP = continuous positive airway pressure = kontinuierlicher positiver Atemwegsdruck) eine betraumlchtliche Anzahl sehr unreifer Fruumlhgeborener bereits im Kreiszligsaal stabilisiert werden koumlnnen

Abb 711 3-Stufenmodell der Neugeborenenreanimation

713774 middot Reanimation Fruumlh- und Neugeborener

CaveEine inkorrekte Kopfhaltung oder fehlerhafte Masken-positionierung kann die Atemtaumltigkeit des Fruumlh- und Neu-geborenen empfindlich beeintraumlchtigen (raquoErstickung un-ter der Maskelaquo) Ebenso kann ein inadaumlquates Baro- und Volutrauma im Rahmen einer forcierten Maskenbeatmung zu einer Schaumldigung der Alveolen fuumlhren

Die Indikation fuumlr eine Beutel-Masken-Beatmung reifer Neugebo-rener ist eine fehlende Spontanatmung nach ca 30 s Bei sehr kleinen Fruumlhgeborenen die postnatal nicht schreien sollte sofort mit einer adaumlquaten Beutel-Masken-Beatmung begonnen werden um eine hypoxisch bedingte Bradykardie und somit das Risiko von Fluktua-tionen des zerebralen Blutflusses zu vermeiden (Cave Hirnblutung)

Eine primaumlre Maskenbeatmung sollte bei folgenden Erkrankun-gen des Neugeborenen gaumlnzlich vermieden werden 4 Mekonium- und Blutaspiration 4 Zwerchfellhernie 4 schwerste postnatale Asphyxie

Sauerstoffzufuhr Eine Stabilisierung oder Reanimation erfolgt pri-maumlr mit Raumluft Nur bei unzureichender Oxygenierung wird dem Neugeborenen und unreifen Fruumlhgeborenen unter kontinuierlicher pulsoxymetrischer Uumlberwachung Sauerstoff angeboten Auf Grund der aktuellen Datenlage empfehlen die meisten internationalen Fach-gesellschaften eine primaumlre Reanimation mit Raumluft (21 O2)

Wenn man bedenkt dass der Sauerstoffpartialdruck im fetalen Blut ca 25 mmHg betraumlgt kann eine zu rasche postnatale Hyperoxy-genierung des depremierten Neugeborenen durchaus problematisch sein Dieser Aspekt gilt besonders fuumlr Hochrisikofruumlhgeborene die nicht nur einen Mangel an protektiven Antioxidanzien in allen Ge-weben aufweisen sondern auch ernstzunehmende Spuren einer Ge-websschaumldigung durch Sauerstoffradikale aufweisen In dieser Hochrisikogruppe sollte eine Sauerstofftherapie nur unter Messung der Sauerstoffsaumlttigung erfolgen und auf jeden Fall eine Hyperoxy-genierung bereits waumlhrend der Stabilisierungsphase vermieden wer-den (cave Retinopathia praematurorum)

Intubation Bleibt ein Neugeborenes trotz Beutel-Masken-Beatmung apnoisch oder bradykard so wird das Kind umgehend endotracheal intubiert Fuumlr die Gruppe sehr kleiner Fruumlhgeborener ist inzwischen eindeutig belegt dass die Vermeidung von einer postnatalen Hypoxie zu einer Reduktion der Sterblichkeit und der Inzidenz des Atemnot-syndroms beitraumlgt Dennoch ist von einer generellen Intubation dieser besonderen Patientengruppe abzuraten da gerade bei sehr vitalen Fruumlhgeborenen unter der Intubation transitorische hypoxaumlmische Phasen und Alterationen der zerebralen Zirkulation nicht auszuschlie-szligen sind Es empfiehlt sich die Intubation selektiv durchzufuumlhren In Abhaumlngigkeit vom Schweregrad der Atemnotsymptomatik sollte das Fruumlhgeborene innerhalb von Minuten intubiert oder aber mit einem binasalen CPAP-System versorgt werden (CPAP raquocontinous positive airway pressurelaquo kontinuierlicher positiver Atemwegsdruck)

Waumlhrend der Intubation muss eine kontinuierliche Uumlberwa-chung der kindlichen Herzfrequenz und O2-Saumlttigung (Pulsoxime-ter) erfolgen Bei einer Bradykardie ist der Intubationsversuch un-verzuumlglich abzubrechen und das Kind mit erneuter Beutel-Masken-Beatmung und adaumlquater O2-Zufuhr zu stabilisieren (Cave Hyper-oxie) Die haumlufigsten Komplikationen im Verlauf der Intubation sind die Fehlpositionen des Tubus in den Oumlsophagus und eine ein-seitige selektive Intubation des rechten Hauptbronchus durch ent-sprechende Korrektur der Tubuslage sind diese Situationen leicht zu beheben Ernsthafte Komplikationen stellen die Perforation des

Oumlsophagus und Hypopharynx dar tracheale Perforationen wurden durch Fuumlhrungsstaumlbe von Endotrachealtuben beobachtet Magen-rupturen wurden nach Reanimation Neugeborener mit tracheooumlso-phagealer Fistel beschrieben Subglottische Stenosen koumlnnen sich als chronische Komplikationen eines Intubationsschadens ausbilden

Naloxon Neugeborene deren Muumltter unter der Geburt Opiate er-halten haben fallen haumlufig durch einen fehlenden Atemantrieb nach der Geburt auf Durch die intravenoumlse Gabe des Opiatantagonisten Naloxon (z B Narcanti neonatal) kann die atemdepressive Wirkung diaplazentar uumlbergetretener Morphinderivate aufgehoben werden (Dosierung 001 mgkg KG) Da die Opiatanalgetika eine laumlngere Halbwertszeit als Naloxon haben muss mit symptomatischen Re-boundeffekten beim Kind gerechnet werden sie machen wieder-holte Gaben von Naloxon erforderlich

CaveKinder heroinabhaumlngiger Muumltter duumlrfen kein Naloxon erhalten da schwerste akute Entzugserscheinungen aus-geloumlst werden koumlnnen

Stufe 3 Zusatzmaszlignahmen bei insuffizienter KreislauffunktionDa Bradykardien bei Neugeborenen in der Regel durch eine Hypoxie bedingt sind lassen sich die meisten Kreislaufprobleme durch eine suffiziente Oxygenierung beheben Besteht die Bradykardie trotz ausreichender Lungenbeluumlftung fort so sind weitere Maszlignahmen wie extrathorakale Herzmassage Adrenalingabe Volumensubstitu-tion und Azidosekorrektur angezeigt

Herzmassage Eine externe Herzmassage sollte bei allen Neugebo-renen durchgefuumlhrt werden bei denen die Herzfrequenz lt60 Schlauml-genmin liegt und die nach Beginn der adaumlquaten Ventilation nicht mit einem Anstieg der Herzfrequenz reagieren Bei einer der moumlgli-chen Techniken wird der Thorax des Kindes von beiden Seiten um-fasst und am unteren Teil des Sternums um 1ndash2 cm mit einer Fre-quenz von 100min komprimiert ( Abb 712) Diese Art der Herz-

Abb 712 Reanimation eines Neugeborenen mit Beutel-Masken-Beat-mung und extrathorakaler Herzmassage

Kapitel 7 middot Neonatologie138

7

massage stellt die effektivste Maszlignahme zur Aufrechterhaltung der Kreislauffunktion dar sie setzt aber voraus dass 2 in der Reanima-tion Neugeborener erfahrene Personen die kardiozirkulatorische und respiratorische Reanimation durchfuumlhren Eine Einzelperson ist gezwungen durch Sternumkompression mittels 2 Fingern eine wirksame Herzmassage und gleichzeitig eine effiziente Beatmung zu gewaumlhrleisten

gt Momentan wird ein Verhaumlltnis von 3 Herzkompressionen zu 1 Beatmung empfohlen

Trotz wirksamer Herzmassage muss die Ursache der Bradykardie rasch erkannt und wenn moumlglich kausal behandelt werden

Adrenalin Bleibt der unter externer Herzmassage erwartete Anstieg der Herzfrequenz aus so sollte unverzuumlglich Adrenalin uumlber die ka-theterisierte Nabelvene oder eine periphere Vene (001ndash003 mgkg KG) appliziert werden Ist kein Gefaumlszligzugang moumlglich so sollte Adrenalin (01ndash03 mlkg KG in einer Verduumlnnung von 110000) uumlber den endotrachealen Tubus oder intraossaumlr verabreicht werden Trotz einer geringen Lungendurchblutung kann diese Maszlignahme zu einem raschen Anstieg der Herzfrequenz oder sogar einem erstma-ligen Nachweis der Herzaktion fuumlhren

CaveIntrakardiale Injektionen sind obsolet

Natriumbikarbonat Die Indikation fuumlr die Gabe von Natriumbi-karbonat ist nur bei schwerer protrahierter metabolischer Azidose z B nach intrauteriner Hypoxie und nach laumlnger dauernden Reani-mationsmaszlignahmen insbesondere bei schlechtem Ansprechen auf Adrenalin indiziert Die Gabe von Natriumbikarbonat erfolgt intra-venoumls in einer mindestens 11 verduumlnnten Loumlsung (Aqua destillata) und uumlber einen laumlngeren Zeitraum ndash uumlber 15 Minuten bei Neugebo-renen und uumlber laumlngere Zeit bei Fruumlhgeborenen ndash (Initialdosis 1ndash3 mval NaHCO3kg KG) Da Natriumbikarbonat 84 hyper-osmolar ist besteht die Gefahr dass Fruumlhgeborene im Rahmen der Serumosmolalitaumltspitzen und -schwankungen eine Hirnblutung entwickeln Eine Bikarbonatbehandlung verbietet sich bei einer aus-gepraumlgten respiratorischen Azidose

Volumengabe Bei anamnestischem und klinischem Verdacht auf einen akuten kindlichen Blutverlust sollte unverzuumlglich Volumen zugefuumlhrt werden Fuumlr eine initiale Volumensubstitution bietet sich physiologische Kochsalzloumlsung (10ndash15 mlkg KG) an Als effektivs-te Maszlignahme ist unter kritischer Indikationsstellung die Gabe von 0 Rh negativem lysinfreiem Erythrozytenkonzentrat (10ndash20 mlkg KG) anzusehen Eine entsprechende Notfallkonserve die ohne Kreuzprobe transfundiert werden kann sollte heute fuumlr Risikositu-ationen unmittelbar nach der Geburt verfuumlgbar sein bei haumlmorrha-

gischem Schock ist die Transfusion bis zu einer Stabilisierung des kindlichen Zustandes fortzufuumlhren

Schritte der Reanimation von Neugeborenen 4 Adaumlquate Waumlrmezufuhr Abtrocknen und Zudecken des

Neugeborenen 4 Luftwege freimachen (Mund vor Nase gezielt absaugen) 4 Auskultation (Stethoskop) 4 Anlage eines Pulsoximeters 4 Beutel-Masken-Beatmung mit 21 O2 initiale raquoBlaumlh-

maneuverlaquo (3ndash5 s) danach assistierte Beatmung (Beat-mungsfrequenz 40ndash60min) Bei unzureichender Oxige-nierung zusaumltzlich Sauerstoffzufuhr unter kontinuierli-cher pulsoximetrischer Uumlberwachung

4 Bei Apnoe undoder Bradykardie (Herzfrequenz 60ndash80min unter Beutel-Masken-Beatmung)

ndash Endotracheale Intubation (Tubus 30ndash35 mm) ndash Herzmassage (Beatmungsfrequenz Herzmassage [ 13]) ndash Bei Bedarf Suprarenin 001ndash003 mgkgKG iv bei

fehlendem iv-Zugang evtl Suprarenin 001 mgkg KG ndash 01 mlkg KG der Verduumlnnung 110000 uumlber Endotrache-altubus

ndash Evtl Natriumbikarbonat 84 (11 mit Aqua dest verduumlnnt) 1ndash3 mmolkgKG sehr langsam i v (per infusionem)

ndash Evtl Nabelvenenkatheter Volumenzufuhr 09 NaCl5 Glukose Blut 10ndash20 mlkgKG

ndash Besonderheiten der Reanimation Fruumlhgeborener 7 Text

75 Perinatale Schaumlden und ihre Folgen

751 Asphyxie

kDefinitionEine perinatale Asphyxie stellt einen bedrohlichen Insult fuumlr den Fetus oder das Neugeborene dar der durch eine Hypoxie undoder Ischaumlmie vor unter oder nach der Geburt ausgeloumlst wird Sauerstoff-mangel undoder Ischaumlmie lebenswichtiger Organe sind mit einer mehr oder minder ausgepraumlgten Azidose assoziiert und fuumlhren zu einer stark gestoumlrten postnatalen respiratorischen und kardiozirku-latorischen Adaption

kPathophysiologieDie Risikofaktoren fuumlr die Entwicklung einer perinatalen Asphyxie sind in Tab 77 dargestellt Folgende fetale Warnzeichen weisen auf einen praumlnatalen Sauerstoffmangel hin

Exkurs

Die Geburt Goethes

Die Geburt des Kindes war schwer Sie dauerte 3 Tage So gut wie leblos kam Goethe zur Welt raquoganz schwarzlaquo wie die Mutter spaumlter er-zaumlhlte Ein Arzt war nicht zugegen nur eine Hebamme die sich ungeschickt angestellt haben soll und die Groszligmutter Sie stand hinter den Vorhaumlngen des Bettes das mit blau-gewuumlrfelten Gardinen zugezogen werden

konnte Man schuumlttelte das Kind rieb ihm die Herzgrube mit Wein raquoRaumltin er lebtlaquo rief die alte Frau als das Kind die Augen aufschlug sehr groszlige dunkelbraune fast schwarze Augenlaquo (aus Richard Friedenthal Goethe Sein Leben und seine Zeit Piper 1963)Trotz der vom Autor eindruumlcklich geschilder-ten Zyanose haben taktile Maszlignahmen bei

Goethe zur Initiierung des ersten Atemzuges gefuumlhrt Dieses weist darauf hin dass sich das Neugeborene in einer respiratorischen De-pression befunden hat und keinen Sauerstoff-mangel lebenswichtiger Organe d h keine schwere Asphyxie erfahren hat

713975 middot Perinatale Schaumlden und ihre Folgen

4 Herztondezelerationen (Norm 120ndash160 Schlaumlgemin) 4 pathologisches Herzfrequenzmuster im Kardiotokogramm

Verlust der raquoBeat-to-beat-Variationlaquo spaumlte Dezelerationen (d h fetale Bradykardie die uumlber die Uteruskontraktion hinaus anhaumllt) silentes CTG selten auch fetale Tachykardie

4 gruumlnlich verfaumlrbtes Fruchtwasser (vorzeitige Darmentleerung des Fetus Mekoniumabgang)

4 Laktazidose pH lt72 (kapillaumlre Mikroblutanalyse aus kind-licher Kopfhaut)

Eine chronische intrauterine Hypoxie geht oft mit einer fetalen Hy-pomotorik sowie einem Oligohydramnion aufgrund einer kompro-mittierten Nierenperfusion einher

Bei einer postnatalen HypoxieIschaumlmie faumlllt das Neugeborene unmittelbar nach der Geburt durch eine schwer gestoumlrte kardio-respiratorische Adaption auf Als klinische Zeichen imponieren u a 4 Dyspnoe Atemstillstand 4 Bradykardie 4 Hypotension 4 Zyanose (fruumlher als raquoblaue Asphyxielaquo bezeichnet) 4 extreme Blaumlsse (haumlufig akuter Volumenmangel raquoweiszligelaquo

Asphyxie) 4 muskulaumlre Hypotonie Bewegungslosigkeit

Das Ausmaszlig einer Asphyxie zeigt sich an der Schnelligkeit mit der ein asphyktisches Kind auf Reanimationsmaszlignahmen reagiert For-men der fetalen Depression bei denen eine ausreichende kardiores-piratorische Adaptation nach taktiler Stimulation oder kurzfristiger Maskenbeatmung zu erreichen ist ndash Phase der primaumlren Apnoe ndash koumlnnen nicht als schwere perinatale Asphyxie bezeichnet werden Bei einer terminalen Apnoe dagegen ist das Neugeborene schwerst deprimiert und bedarf einer umgehenden intensiven kardiopulmo-nalen Reanimation

Der durch HypoxieIschaumlmie bedingte Substratmangel hat bei totaler Asphyxie nach spaumltestens 12 min eine irreversible Hirn-schaumldigung zur Folge

Obwohl ein niedriger Apgar-Score die Notwendigkeit von Re-animationsmaszlignahmen anzeigt so ist er aber kein sicherer Indikator

fuumlr eine perinatale Asphyxie und stellt allein kein Prognosekriterium fuumlr die Entwicklung einer Zerebralparese dar Ansteigende Apgar-Werte unter der Reanimation belegen lediglich den Erfolg der durch-gefuumlhrten Maszlignahmen Neugeborene mit einer fuumlr die Prognose relevanten Asphyxie unter der Geburt zeigen in der Regel 4 eine schwere Azidose im Nabelschnurblut (lt70) 4 einen 10-min-Apgarwert von le5 4 eine verzoumlgerte Aufnahme der Eigenatmung (gt10 Minuten) 4 Symptome der hypoxisch-ischaumlmischen Enzephalopathie

(s unten) d h neonatale neurologische Symptome einschlieszlig-lich Krampfanfaumllle

4 hypoxisch-ischaumlmisch bedingte Funktionsstoumlrungen anderer Zielorgane

Allerdings erfuumlllt nur ein Teil der Neugeborenen die nach einer pe-rinatalen Asphyxie eine Zerebralparese entwickeln diese Kriterien In vielen Faumlllen liegt der Schaumldigungszeitpunkt praumlnatal dabei weist das unter der Geburt abgeleitete Kardiotokogramm oft nur geringe Auffaumllligkeiten auf und der Nabelarterien-pH zeigt keine oder nur eine maumlszligige Azidose In solchen Faumlllen liegt offenbar ein Zustand nach vorhergehenden Episoden mit fetaler Asphyxie vor von denen sich das Kind partiell erholt hat Ein wahrscheinlicher Zusammen-hang unmittelbar mit dem Geburtsereignis darf nur angenommen werden wenn die oben genannten Kriterien vorhanden sind

Zielorgane der Asphyxie Hypoxisch-ischaumlmische Laumlsionen koumln-nen sich an verschiedenen Organsystemen manifestieren

4 Zentrales Nervensystem hypoxisch-ischaumlmische Enzephalopa-thie erhoumlhte Inzidenz von Hirnblutungen bei Fruumlhgeborenen

4 Herz-Kreislauf myokardiale Ischaumlmie Hypotension 4 Lunge persistierende fetale Zirkulation (PFC) pulmonale

Hypertension sekundaumlres Atemnotsyndrom (akutes RDS = ARDS)

4 Mikrozirkulation disseminierte intravasale Gerinnung mit Thrombozytenabfall 5 Niere Oligurie Anurie 5 Nebenniere NNR-Blutung 5 Magen-Darmtrakt Perforation Ulzeration nekrotisierende Enterokolitis

4 Leber Leberzellschaumldigung verminderte Syntheseleistung 4 Metabolische Stoumlrungen Hypoglykaumlmie Hypokalzaumlmie

752 Hypoxisch-ischaumlmische Enzephalopathie (HIE)

Pathophysiologie Wie verschiedenste Untersuchungen zur Patho-genese ischaumlmischer Hirnlaumlsionen belegen setzt die Gewebsschaumldi-gung waumlhrend der HypoxieIschaumlmie ein und nimmt in der Reper-fusionsphase weiter zu Die Hauptmediatoren des Reperfusions-schadens sind freie Sauerstoffradikale neutrophile Granulozyten und endotheliale Faktoren wie Stickstoffmonoxid (NO)

Freie Radikale fuumlhren vermutlich uumlber eine Hemmung des trans-membranoumlsen Enzyms Na+-K+-ATPase zum Zusammenbruch des Membranpotenzials Die geschaumldigten Zellen setzen in der Folge die neurotoxischen exzitatorischen Aminosaumluren Glutamat und Aspar-tat frei die durch Aktivierung von Proteasen den Zelltod einleiten

Waumlhrend sich die meisten Organe vom asphyktischen Insult er-holen ist dies beim Gehirn nicht immer der Fall Die Hypoxie und Ischaumlmie fuumlhren zu einer lokalen Laktatakkumulation im Gehirn und zu einer Verminderung energiereicher Phosphate Das Energie-versagen ist in der Regel erst nach 24ndash72 h in voller Auspraumlgung

Tab 77 Risikofaktoren fuumlr die Entwicklung einer perinatalen Asphyxie

Maternale Erkrankungen

Uteroplazentare Insuffizienz Gestose Hyperten-sion Hypotension Diabetes Infektion andere Grunderkrankung

Plazenta Chorioamnionitis vorzeitige Loumlsung Placenta praevia Vasa praevia Randsinusruptur

Nabelschnur-zwischenfaumllle

Prolaps Knoten Kompression Umschlingung kurze Nabelschnur

Geburt Traumatisch (abnorme Lage Missverhaumlltnis von Becken ndash Kind hypertrophes Neugeborenes Schul-terdystokie) langdauernd uumlberstuumlrzt Sturzgeburt

Fetale Ursachen

Fruumlhgeburtlichkeit Infektion Wachstumsretardie-rung Uumlbertragung

Neu-geborenes

Anaumlmie (fetomaternale Transfusion etc) Neuro-muskulaumlre Erkrankungen Erkrankungen der Atem-wege und Lungen (Choanalatresie Trachealagene-sie Lungenhypoplasie Zwerchfellhernie etc)

Kapitel 7 middot Neonatologie140

7

vorhanden (sekundaumlres Energieversagen) Je nach Ausmaszlig der Schaumldigung entwickelt sich eine lokale Hirnlaumlsion oder eine diffuse neuronale Nekrose mit schwerem Hirnoumldem oder Hirntod

kNeuropathologieDie typischen anatomischen Laumlsionen einer HIE sind bei reifen Neugeborenen 4 eine kortikale Nekrose 4 Wasserscheideninfarkte zwischen A cerebri anterior und me-

dia in Form von parasagittalen bilateralen Infarzierungen 4 Thalamus- und Basalgangliennekrose ( Abb 713) 4 Bei Fruumlhgeborenen fuumlhrt eine schwere perinatale Asphyxie in

der Regel zu einer intrazerebralen Blutung (s dort)

kKlinikIn Abhaumlngigkeit vom Ausmaszlig der hypoxisch-ischaumlmischen Schaumldi-gung kann die klinische Symptomatologie von Irritabilitaumlt Trink-schwaumlche und milder Hypotonie bis hin zum Koma reichen Die typischen neurologischen Symptome sind 4 Beeintraumlchtigung der Bewusstseinslage Irritabilitaumlt

Schreckhaftigkeit Somnolenz Lethargie oder Koma 4 Aumlnderung des Muskeltonus Hypotonie Hypertonie 4 Aumlnderung des Reflexverhaltens 4 Auftreten von Krampfanfaumlllen oftmals prolongiert und schwer

zu behandeln

Das EEG zeigt typische Veraumlnderungen in Abhaumlngigkeit vom Schwe-regrad der Hirnschaumldigung Zur klinischen Verlaufsbeurteilung hat sich ein neurologischer Score bewaumlhrt der auch eine gewisse prog-nostische Einschaumltzung erlaubt ( Tab 78) Die Klassifizierung ist allerdings nicht bei Anwendung von Sedativa oder Analgetika ver-wertbar

Trotz genauer Dokumentation aller zur Verfuumlgung stehenden prauml- peri- und postnatalen Befunde laumlsst sich in vielen Faumlllen keine sichere Kausalitaumltskette der Ereignisse die zur Asphyxie und hypo-xisch-ischaumlmischen Enzephalopathie gefuumlhrt haben ermitteln

kPrognoseDurch die Verlaufsbeurteilung der klinischen Symptome der bildge-benden Diagnostik und des EEG lassen sich in vielen Faumlllen schon fruumlh Aussagen zur Prognose der Kinder machen Faktoren die mit einer schlechten Prognose assoziiert sind sind in der Uumlbersicht aufgefuumlhrt Im Ultraschallbild zeigt sich oft eine raquoverwaschenelaquo Parenchymzeich-nung als Ausdruck einer diffusen neuronalen Nekrose oder eines Hirnoumldems Als Zeichen einer Thalamusnekrose koumlnnen in den ersten Lebenswochen ausgepraumlgte Echoverdichtungen in dieser Region dar-stellbar sein Eine Magnetresonanztomographie (MRT) kann bereits in den ersten Lebenstagen deutliche Signalveraumlnderungen aufweisen ( Abb 713) Eine nuumltzliche jedoch nicht immer durchfuumlhrbare Untersuchung ist die Magnetresonanzspektroskopie (MRS) Ein Nachweis von hohen Laktatsignalen im Gehirn sowie niedrigen Signalen fuumlr N-Acetyl-Aspartat einem Marker fuumlr Neuronen spricht fuumlr eine schwere Hirnschaumldigung mit schlechter Prognose

Unguumlnstige Prognosefaktoren bei der HIE Neugeborener 4 Keine Spontanatmung innerhalb der ersten 30 Lebens-

minuten Auf spontane Atemaktivitaumlt achten 4 Notwendigkeit einer Herzmassage 4 Auftreten von Krampfanfaumlllen in den ersten 4 Lebens-

stunden 4 Neurologischer Zustand (Thompson-Score gt15) 4 Sehr flaches EEG oder raquoBurst-supression-Musterlaquo 4 Oligurie am 1 oder 2 Lebenstag (lt1 mlkg KGh)

kDifferenzialdiagnoseVon einer hypoxisch-ischaumlmischen Enzephalopathie sollte nur ge-sprochen werden wenn sich eindeutige Hinweise auf eine vorausge-

Abb 713 Thalamus- und Basalgangliennekrose eines reifen Neugebore-nen mit schwerer intrauteriner Asphyxie

Tab 78 Klinischer Verlaufs- und Prognosescore bei der hypoxisch-ischaumlmischen Enzephalopathie

Punkte 0 1 2 3

Muskel-tonus

Normal Erhoumlht Vermindert Schlaff

Bewusst-seinslage

Normal Schreck-haft

Lethargie Koma

Kraumlmpfe Keine lt3Tag ge3Tag

Haltung Normal Faumlusteln bzw Peda-lieren

Steif distale Flexion

Dezerebra-tion

Moro-Reflex Normal Teilweise ausloumlsbar

Fehlend

Greifreflex Hand

Normal Schwach Fehlend

Saugreflex Normal Schwach Fehlend

Atmung Normal Hyperven-tilation

Kurze Apnoen

Laumlngere Apnoen Beatmung

Fontanelle Normal Gefuumlllt Gespannt

Prognose Maximalscore lt10 oder Score 0 an Tag 7 normales Outcome wahrscheinlich Maximalscore gt15 hohes Risiko von Folgeschaumlden

714175 middot Perinatale Schaumlden und ihre Folgen

hende HypoxieIschaumlmie feststellen lassen Ansonsten wird das Krankheitsbild als neonatale Enzephalopathie bezeichnet Andere Ursachen fuumlr eine Enzephalopathie des Neugeborenen sind 4 Sepsis Meningoenzephalitis Diagnostik Liquorpunktion 4 Maternale Anaumlsthesie Drogeneinnahme vor der Geburt 4 Geburtstraumatische intrazerebrale Blutungen 4 Metabolische Enzephalopathie Die klinische Symptomatolo-

gie tritt meist erst Stunden oder Tage nach der Geburt auf Grund Katabole Stoffwechselsituation oder Zufuhr von Nahrungseiweiszlig bei Aminoazidopathien oder Organoazidopa-thien Diagnostik Ammoniakbestimmung Laktatbestimmung Ketonkoumlrper im Urin spezifische Laboruntersuchungen

4 Hypoglykaumlmie 4 Bilirubinenzephalopathie 4 Intrazerebrale Blutungen bei Gerinnungsstoumlrungen Gefaumlszligmal-

formationen u a 4 Sinusthrombosen u a 4 Konnatale Hirntumoren

kTherapieVentilation Bei unregelmaumlszligiger Atmung oder Apnoen sollte eine fruumlhzeitige Intubation und Beatmung erfolgen Das Ziel ist die Er-haltung der Homoumlostase Der pO2 und pCO2 sollten in normalen Grenzen gehalten werden eine Hyperventilation ist obsolet

Kreislauf Wichtigste Groumlszlige fuumlr ausreichende Hirnperfusion ist der Blutdruck Bei Kindern mit schwerer Asphyxie soll bereits im Kreis-saal ein sicherer intravenoumlser Zugang gelegt werden bei instabilem Blutdruck Gabe von Katecholaminen

Antikonvulsive Therapie Bei Auftreten von Krampfanfaumlllen erfolgt eine Behandlung mit Phenobarbital Phenytoin oder Lorazepam

Hypothermie Wie mehrere kontrolliert-randomisierte Studien be-legen verbessert eine Hypothermiebehandlung von Neugeborenen mit moderater oder schwerer HIE das neurologische Outcome Die Neugeborenen werden fuumlr 72 h auf eine Koumlrpertemperatur von 335degC gekuumlhlt

Der besondere FallAnamnese Gegen Ende der Schwangerschaft verspuumlrt eine 32-jaumlhri-ge Zweitgebaumlrende erhebliche Schmerzen im Unterleib und registriert keine sicheren Kindsbewegungen mehr Sie faumlhrt in eine nahe gelege-ne FrauenklinikBefunde In der Notaufnahme stellt der Arzt im Ultraschall eine fetale Bradykardie von 40 Schlaumlgenmin fest es wird umgehend eine Notsec-tio durchgefuumlhrt Das Neugeborene wiegt 3270 g und zeigt nach der Geburt keine Spontanatmung Die Plazenta weist ein retroplazentares Haumlmatom aufTherapie Das Kind wird durch den Anaumlsthesisten intubiert eine Herz-massage begonnen intratracheal Suprarenin verabreicht und der Transportdienst einer Kinderklinik verstaumlndigt Dieser trifft 22 min nach der Geburt ein zu diesem Zeitpunkt ist das Kind schlaff hat eine fehlende Spontanmotorik ein blasses Hautkolorit bei rosigen Lippen die Lungen sind bei Beutelbeatmung uumlber den Trachealtubus seiten-gleich beluumlftet Es wird ein Nabelvenenkatheter gelegt uumlber den das Kind eine Glukoseloumlsung erhaumllt Aufgrund niedriger Blutdrucke (MAD 32 mmHg) wird eine Suprarenindauerinfusion angelegt Noch im Kreis-saal wird der Haumlmoglobin-Wert bestimmt er betraumlgt 15 gdlVerlauf Innerhalb der naumlchsten 2 Stunden kommt es zu einer deutli-chen Zunahme der Spontanmotorik die nach 6 Stunden wieder sis-

tiert Mit 12 Stunden ist das Kind komatoumls es zeigt keinen Saugreflex und keinen Kornealreflex Mit 26 Stunden ist die Fontanelle vorge-woumllbt und hart Das EEG zeigt am Folgetag eine Nulllinie bei der dopplersonographischen Untersuchung der Hirngefaumlszlige zeigt sich ein Pendelfluss Es wird der Hirntod festgestellt und das Kind extubiert es verstirbt sofortBeurteilung Die Schmerzen der Mutter und das retroplazentare Hauml-matom zeigen eine vorzeitige Loumlsung der Plazenta an Die daraus re-sultierende fetale Hypoperfusion fuumlhrte zu einer irreversiblen Hirn-schaumldigung Eine kindliche Anaumlmie trat nicht auf Die unmittelbare postnatale Symptomatik entspricht der akuten ischaumlmischen Beein-traumlchtigung der Beginn des Komas markiert die Phase des sekundaumlren Energieversagens

753 Geburtstraumatische Schaumlden

kGrundlagenAls geburtstraumatische Schaumlden werden Laumlsionen bezeichnet die durch mechanische Faktoren waumlhrend der Geburt entstanden sind Zumeist liegt eine schwierige Kindesentwicklung vor bedingt durch eine atypische Lage eine Makrosomie bzw ein Missverhaumlltnis zwi-schen Kind und Geburtswegen oder eine verzoumlgerte Austreibung mit Notwendigkeit zur Zangengeburt oder Vakuumextraktion Obwohl Fortschritte in der Geburtshilfe zu einer deutlichen Reduktion von geburtstraumatischen Schaumldigungen gefuumlhrt haben sind sie nicht immer vermeidbar Einige als Geburtstraumata imponierende Laumlsi-onen sind intrauterin lagebedingt durch chronischen Druck ent-standen

Traumata im KopfbereichExtrakranielle traumatische Laumlsionen am Kopf des Neugeborenen sind haumlufig Je nach Ausbreitung in den verschiedenen Schichten zwischen Haut und Kalotte (Haut ndash Galea aponeurotica ndash aumluszligeres Periost der Kalotte) unterscheidet man ( Abb 714) 4 Caput succedaneum Diese weiche eindruumlckbare teilweise

auch haumlmmorrhagische Schwellung bildet sich sehr haumlufig am fuumlhrenden Kopfbereich bei vaginaler Geburt aus und hat kei-nen Krankheitswert Es ist zwischen Haut und Schaumldelaponeu-rose gelegen die Grenzen uumlberschreiten die Schaumldelnaumlhte Eine spontane Ruumlckbildung erfolgt in den ersten Tagen nach der Geburt

4 Subgaleale Blutung Dieses bezeichnet eine Blutansammlung zwischen Galea und Kalotte Die Blutung entsteht durch eine Nahtdiastase oder eine Schaumldelfraktur Klinisch zeigt sich eine fluktuierende Schwellung uumlber dem gesamten Schaumldel die Schaumldelnaumlhte werden uumlberschritten Das Blut kann konfluieren und sich im subkutanen Gewebe des Nackens ansammeln Die subgaleale Blutung tritt haumlufiger bei Vakuumextraktion und bei Vitamin-K-Mangel auf Eine Uumlberpruumlfung des Gerinnungssta-tus ist angezeigt

CaveBei der subgalealen Blutung kann es zu erheblichem Blutverlust kommen oft resultiert eine behandlungsbe-duumlrftige Hyperbilirubinaumlmie

4 Kephalhaumlmatom Diese Blutung bildet sich zwischen dem aumlu-szligeren Periost und dem Schaumldelknochen (subperiostal) aus Aufgrund dieser Lage uumlberschreitet sie nie die Schaumldelnaumlhte Klinisch imponiert eine prall elastische fluktuierende Schwel-lung die zumeist parietal gelegen ist und nach der Geburt zu-naumlchst noch an Groumlszlige zunehmen kann Am Rand ist das abge-6

Kapitel 7 middot Neonatologie142

7

hobene Periost meist palpabel Die Blutung kommt bei 2 aller Geburten vor mit einer Haumlufung bei Forcepsentwicklung Eine Schaumldelfraktur kann begleitend vorliegen Eine Therapie ins-besondere eine Punktion ist nicht indiziert die Blutung bildet sich uumlber Wochen bis Monate spontan zuruumlck Manche Blutun-gen verkalken und bilden eine knoumlcherne Protuberanz die sich ebenfalls langsam zuruumlckbildet

Geburtstraumatische Schaumldelfrakturen koumlnnen als nichtimprimie-rende lineare Frakturen oder als Impressionsfrakturen vorliegen Lineare Frakturen koumlnnen mit einem Kephalhaumlmatom einer subga-lealen Blutung und mit einer epi- oder subduralen Blutung einherge-hen Selten sind die begleitenden Blutungen jedoch schwerer Natur Sie sind meist parietal gelegen eine Therapie ist nicht notwendig

CaveIn Ausnahmefaumlllen kann die Dura unter der Fraktur ein-reiszligen und sich eine leptomeningeale Zyste ausbilden die zu einer Ausweitung des Frakturspaltes fuumlhrt (wachsende Fraktur)

Die Impressionsfraktur besteht in einer Impression des weichen Schaumldels nach innen meist ohne Kontinuitaumltsunterbrechung des Knochens (sog Ping-Pong-Fraktur) Eine begleitende intrakranielle Blutung sollte ausgeschlossen werden In der Regel ist eine neuro-chirurgische Versorgung erforderlich

Intrazerebrale BlutungenIntrazerebrale Haumlmorrhagien (ICH) unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Lokalisation ( Abb 814) ihrer Genese sowie ihres Vorkom-mens bei Fruumlhgeborenen und reifen Neugeborenen Der mit Ab-stand haumlufigste Blutungstyp ist die intrazerebrale Blutung des Fruumlh-geborenen die an typischer Lokalisation im Bereich der periventri-kulaumlren germinalen Matrix oder dem angrenzenden Hirnparenchym auftritt (7 Abschn 766) Hirnblutungen bei reifen Neugeborenen sind selten Nicht alle Blutungen sind traumatischer Genese sie werden aber hier gemeinsam behandelt

Subdurale Blutung Die subdurale Blutung ist in der Regel ge-burtstraumatisch bedingt Praumldisponierende Faktoren sind

4 Makrosomie des Kindes 4 extrem kurze oder stark verlaumlngerte Austreibungsperiode

4 besondere Kindslage (Beckenendlage Fuszliglage Gesichtslage) 4 erschwerte Entwicklung mit notwendiger Zangenentbindung

oder Vakuumextraktion

Bei massiven Formen kommt es zum Einriss des Tentoriums mit meist letaler Blutung aus den groszligen Blutleitern Geringere Trauma-ta des Tentoriums koumlnnen zur Ansammlung von Blut in der hinteren Schaumldelgrube fuumlhren die Symptome sind abhaumlngig vom Ausmaszlig der Blutansammlung Eine weitere traumatisch bedingte Schaumldigung ist der Abriss der Bruumlckenvenen uumlber der Hirnkonvexitaumlt mit sub-duraler Blutansammlung Diese kann symptomlos bleiben oder aber mit meist fokalen neurologischen Symptomen in den ersten Lebens-tagen verbunden sein Dabei werden fokale Krampfanfaumllle eine dis-krete Hemisymptomatik oder Blickdeviation in Richtung des Herdes beobachtet Die Diagnose kann mithilfe des Ultraschalls nicht im-mer gestellt werden Eine nichtentdeckte subdurale Blutung kann spaumlter zu einem chronischen subduralen Erguss mit Makrozepha-lie und Hirndrucksymptomatik fuumlhren Bei klinischem Verdacht sollte daher immer eine weitergehende Diagnostik (CT MRT) durchgefuumlhrt werden Bei raumfordernden Befunden ist eine opera-tive Entlastung notwendig

Weitere Lokalisationen Andere traumatisch bedingte Blutungen koumlnnen epidural (zwischen Schaumldel und innerem Periost) intraven-trikulaumlr und intrazerebellaumlr lokalisiert sein In seltenen Faumlllen koumlnnen subarachnoidale Blutungen auch eine hypoxische Genese aufweisen Die Klinik wird von der Ausdehnung des Befundes be-stimmt Subarachnoidale Blutungen sind oft klinisch inapparent und mithilfe des Ultraschalls praktisch nicht zu diagnostizieren Da Erythrozyten im Liquor moumlglicherweise auch durch eine raquotraumati-schelaquo Lumbalpunktion bedingt sind kann ein niedriger Glukose-wert im Liquor (oft unter 30 mgdl Normalwert ca 75 des simul-tan bestimmten Blutzuckerwerts) oder eine Erythrophagozytose ein Hinweis fuumlr eine subarachnoidale Blutung sein Die anderen ge-nannten Blutungen zeigen in der Regel deutliche klinische Sympto-me in Form von Hyperexzitabilitaumlt Stupor Apnoen Krampfanfaumlllen oder einer gespannten Fontanelle Als bildgebende Diagnostik ist bei nicht eindeutigen sonographischen Befunden immer ein CT oder MRT indiziert

Gerinnungsstoumlrungen Stoumlrungen der Blutgerinnung koumlnnen so-wohl prauml- als auch postnatal zu Hirnblutungen beim Neugeborenen fuumlhren Die Ursachen sind eine dissiminierte intravasale Gerinnung bei Schock oder Sepsis Thrombozytopenien (neonatale Isoimmun-thrombozytopenie Thrombozytopenie bei kongenitalen Infektio-nen insbesondere Cytomegalie) oder in seltenen Faumlllen ein isolierter Mangel an einzelnen Gerinnungsfaktoren Der Morbus haumlmorrha-gicus neonatorum bedingt durch einen Vitamin-K-Mangel fuumlhrt in der Neugeborenenzeit nur dann zu einer Hirnblutung wenn er mit anderen Faktoren assoziiert ist (schwere kongenitale Lebererkran-kung maternale antikonvulsive Therapie)

Verletzungen der Hirnnerven des Ruumlckenmarks und der peripheren NervenHirnnervenlaumlsionen Bei einer Fazialisparese zeigt sich ein schiefes Gesicht beim Schreien der Mundwinkel wird auf der gesunden Seite tiefer heruntergezogen In Ruhe haumlngt eher die erkrankte Seite etwas herab die Nasolabialfalte ist verstrichen Bei der meist vorliegenden peripheren Fazialisparese kommt es aufgrund einer Schaumldigung direkt nach dem Austritt aus dem Foramen stylomastoideum zu einer Funktionsstoumlrung sowohl der oberen als auch der unteren Ge-sichtsmuskeln In der Regel findet sich in Ruhe eine Lidspaltendiffe-

Abb 714 Lokalisation geburtstraumatischer extra- und intrakranieller Blutungen 1 Caput succedaneum 2 subgaleale Blutung 3 Kephalhaumlmatom (subperiostal auszligen) 4 epidurale Blutung (subperiostal innen) 5 subdurale Blutung

714375 middot Perinatale Schaumlden und ihre Folgen

renz ( Abb 715) Im Gegensatz dazu sind bei einer zentralen Ge-sichtsnervenlaumlhmung Bewegungen der Stirn und der Augenlider nicht beeintraumlchtigt Ursache der peripheren Laumlhmung kann eine Druckschaumldigung bei Forcepsentwicklung sein Weiterhin kann die Laumlhmung aufgrund einer intrauterin lagebedingten Kompression durch das muumltterliche Promontorium zustande kommen Therapeu-tisch muss bei einer peripheren Fazialisparese die Austrocknung des Auges verhindert werden Traumatische Schaumldigungen bilden sich in der Regel uumlber einige Wochen zuruumlck

gt Die Fazialisparese kann mit dem raquoschiefen Schreigesichtlaquo verwechselt werden

Beim schiefen Schreigesicht wird ausschlieszliglich beim Schreien der Mund auf einer Seite stark herabgezogen Andere Funktionen der Gesichtsmuskulatur wie Stirnrunzeln Augenschluss und Tiefe der Nasolabialfalte sind normal Ursaumlchlich liegt der Anormalie eine Hypoplasie des M depressor anguli oris zugrunde

Plexusschaumlden Die Inzidenz von Verletzungen des Plexus brachia-lis liegt zwischen 05 und 2 pro 1000 Geburten Die obere Plexuslaumlh-mung (Erb-Duchenne) wird am haumlufigsten beobachtet und betrifft die Fasern von C5 und C6 Alle Formen der Nervenlaumlsion koumlnnen vorliegen von Neuropraxie (Schaumldigung der Reizleitung durch Haumlmatom oder Oumldem der Nervenscheide) bis voumllliger Disruption des gesamten Plexusbuumlndels Mit der Entstehung von Plexusschaumlden verbundene Faktoren sind prolongierte Geburt Schulterdystokie Makrosomie abnorme Kindslage und Zeichen fetaler Beeintraumlchti-gung mit niedrigen Apgar-Werten Klinisch faumlllt zunaumlchst ein fehlen-der Moro-Reflex sowie eine Hypomotorik des betroffenen Armes auf Die charakteristische Haltung besteht in einem herabhaumlngenden Arm der in Adduktion und Innenrotation gehalten wird sowie einer Pronationshaltung der Hand Die Motorik der Hand ist ungestoumlrt der Greifreflex kann ausgeloumlst werden ( Abb 716)

gt Die typische Haltung bei oberer Plexuslaumlhmung mit herabhaumlngendem nach innen rotiertem Arm sowie der nach auszligen und oben gerichteten offenen Handflaumlche wird im englischen Schrifttum als raquoWaiterrsquos-Tip-Haltunglaquo bezeichnet

Die physiotherapeutische Behandlung besteht in einer initialen Ruhigstellung des betroffenen Armes Nach der ersten Woche erfolgt eine passive Bewegung der betroffenen Gelenke in allen Freiheits-graden Die Prognose haumlngt ab von der Schwere der Schaumldigung In den meisten Faumlllen kommt es zu einer kompletten Restitutio Je schneller diese Erholung erfolgt umso vollstaumlndiger ist die funktio-nelle Wiederherstellung Wenn es im Alter von 3 Monaten noch nicht zu einer spontanen Erholung gekommen ist sollte eine Vor-stellung in einer mit diesem Krankheitsbild vertrauten neurochirur-gischen Einrichtung erfolgen

Die untere Plexuslaumlhmung betrifft C8 und Th1Sie ist isoliert sehr selten und kommt eher in Kombination mit der oberen Laumlh-mung als komplette Plexuslaumlhmung vor Klinisch imponiert eine Laumlhmung der kleinen Handmuskeln und der Flexoren im Hand-gelenk Der Greifreflex ist nicht ausloumlsbar Aufgrund der beglei-tenden Schaumldigung von sympathischen Fasern in Th1 wird oft ein Horner-Syndrom mit Ptosis Miosis und Enophthalmus be obachtet

Akute schwere Ruumlckenmarkverletzungen Diese werden nach ex-zessiver Rotations- oder Zugbelastung der Wirbelsaumlule vor allem bei Beckenendlagen und Forzepsextraktionen beobachtet Die klinische Symptomatologie die dem Bild eines spinalen Schocks entspricht haumlngt von der Houmlhe der Ruumlckenmarksverletzung ab Am haumlufigsten treten die Verletzungen im Hals- und Brustwirbelbereich auf Bei Einblutungen in das Ruumlckenmark (Haumlmatomyelie) kann eine schwe-re generalisierte Laumlhmung vorhanden sein

Abb 715 Vermutlich traumatisch bedingte periphere Fazialisparese rechts

Abb 716 Neugeborenes mit oberer Plexusparese links Zustand nach Schulterdystokie

Kapitel 7 middot Neonatologie144

7

Weichteil- Knochen- und OrganlaumlsionenPetechien und Ekchymosen auf der Haut Sie treten haumlufig an den fuumlhrenden Teilen und bedingt durch venoumlse Kongestion waumlhrend des Geburtsvorganges auf Insbesondere das Gesicht kann aufgrund petechialer Blutungen raquozyanotischlaquo imponieren Blutungen finden sich ebenfalls haumlufig subkonjunktival Das Fehlen einer Blutungsbe-reitschaft an anderen Stellen und die typische Lokalisation unter-scheiden den Befund von einer Koagulopathie

Kongenitaler Tortikollis Der angeborene Schiefhals besteht in ei-ner Kontraktur des M sternocleidomastoideus mit resultierender Drehung des Kopfes zur Laumlsionsseite und Schraumlgstellung des Gesich-tes mit Drehung des Kinns von der Seite weg Er wurde lange als geburtstraumatische Laumlsion angesehen bedingt durch ein Haumlmatom des M sternocleidomastoideus mit subsequenter Fibrose Alle Be-funde sprechen jedoch dafuumlr dass diese Kontraktur durch eine intrauterine lagebedingte Zwangshaltung entstanden ist Die Behandlung ist physiotherapeutisch

Frakturen Die haumlufigste geburtstraumatische Fraktur ist die Klavi-kulafraktur In den meisten Faumlllen liegt eine Gruumlnholzfraktur vor und das Kind zeigt nach der Geburt keine Symptome Bei der Erst-untersuchung wird die Fraktur manchmal nicht erkannt und faumlllt erst bei der Folgeuntersuchung als tastbarer Kallus auf Frakturen mit deutlichen Dislokationen koumlnnen nach der Geburt zu Schonhal-tung und Schmerzen bei der Armbewegung fuumlhren Bei der Unter-suchung laumlsst sich eine Krepitation tasten der Moro-Reflex ist nicht seitengleich ausloumlsbar Eine Roumlntgenuntersuchung ist nur bei klini-schen Symptomen indiziert Die Prognose ist gut Kallus bildet sich bereits nach 7ndash10 Tagen Frakturen der Roumlhrenknochen (Humerus-fraktur Femurfraktur) koumlnnen ebenfalls geburtstraumatisch be-dingt sein Klinisch fallen Schmerzen Krepitation Schwellung und Bewegungsarmut auf Eine Schonhaltung des Arms mit Schwellung im Oberarm-Schulterbereich findet sich bei der akuten Osteoepi-physenloumlsung des Humeruskopfes sie ist klinisch schwer von der oberen Plexuslaumlhmung abzugrenzen Die Diagnose ist in der Regel durch eine Ultraschalluntersuchung zu stellen im Zweifel muss eine radiologische Untersuchung erfolgen

Intraabdominale Verletzungen Die Nebennierenblutung ist rela-tiv haumlufig Sie wird oft im Rahmen einer perinatalen Asphyxie beo-bachtet kann aber auch traumatisch bedingt sein Klinisch faumlllt sie auf durch eine tastbare abdominelle Resistenz einer Anaumlmie in den ersten Lebenstagen oder bei einer Ultraschalluntersuchung des Ab-domens im Rahmen einer Asphyxiediagnostik Die Blutung kann ein- oder beidseitig sein Bei bilateralen Laumlsionen sollte die Neben-nierenfunktion der Blutzucker und Blutdruck uumlberpruumlft werden

gt Differenzialdiagnostisch ist ein zystisches Neuroblastom auszuschlieszligen (Katecholaminbestimmung im Urin)

Die Blutung liquefiziert im weiteren Verlauf und kann spaumlter kalzi-fizieren Die Erkrankung erfordert auszliger bei massiven bilateralen Befunden mit Nebenniereninsuffizienzzeichen keine Behandlung die Prognose ist gut

Subkutane Fettgewebsnekrose Fuumlr die Entwicklung dieses Krankheitsbildes ist offenbar eine Kombination von verminderter Hautperfusion im Rahmen einer fetalen Hypoxie mit einem lokalen Trauma verantwortlich Arme Beine Gesaumlszlig Ruumlcken und Gesicht sind bevorzugt betroffen Klinisch findet sich eine in den ersten Lebenstagen auftretende unregelmaumlszligig begrenzte leicht erhabene derbe Schwellung mit Hautroumltung Im Verlauf werden die Ver-

aumlnderungen weicher und loumlsen sich auf selten resultiert eine lokale Atrophie Pathologisch liegt eine perivaskulaumlre Inflammation der Subkutis vor gefolgt von Nekrose und Ausbildung eines Granu-loms Diese Granulomzellen sind offenbar in der Lage extrarenal 125-Dihydroxyvitamin D zu produzieren das zu einer Hyper-kalzaumlmie fuumlhren kann

Cave3ndash6 Wochen nach Ausbildung einer subkutanen Fett-gewebsnekrose kann sich eine ausgepraumlgte Hyper-kalzaumlmie mit klinischen Symptomen (Erbrechen Somnolenz) entwickeln Entsprechende laborchemische Kontrollen sind erforderlich

76 Das Fruumlhgeborene

kEpidemiologieUngefaumlhr 65 aller Geburten erfolgen vor der vollendeten 37 Schwangerschaftswoche etwa 15 der Kinder sind sehr kleine Fruumlhgeborene (Geburtsgewicht lt1500 g Gestationsalter lt32 vollen-dete Gestationswochen)

kAumltiologieDie Fruumlhgeburtlichkeit traumlgt als wesentlicher Faktor zur peri- und neonatalen Sterblichkeit bei Die Ursachen der Fruumlhgeburtlichkeit lassen sich nur bei einem Teil der Patienten eruieren 4 vorzeitige Wehen 4 vorzeitiger Blasensprung 4 Amnioninfektionssyndrom 4 Mehrlingsschwangerschaften 4 akute Plazentaloumlsung 4 muumltterliche Erkrankungen wie EPH-Gestose

kPrognoseDie Uumlberlebenschance Fruumlhgeborener mit einem Geburtsgewicht lt1500 g hat sich im letzten Jahrzehnt deutlich verbessert Waumlhrend in den fruumlhen 1970er Jahren nur 15ndash40 dieser Risikopatienten die Neonatalperiode uumlberlebten ist 10 Jahre spaumlter die Uumlberlebensrate Fruumlhgeborener auf gt90 angestiegen Die Spaumltprognose ist aller-dings immer noch Anlass zur Besorgnis Zum Zeitpunkt der Ein-schulung weisen 6ndash12 der Fruumlhgeborenen mit einem Geburtsge-wicht zwischen 500ndash1500 g die in den 1990er Jahren geboren wur-den schwere Behinderungen auf Hier werden in verschiedenen Follow-up-Studien Zerebralparesen bei 2ndash9 zum Teil schwerste Sehbehinderungen bei 2ndash18 und Houmlrbehinderungen bei 2ndash14 der Hochrisikofruumlhgeborenen berichtet Partielle Leistungsschwauml-chen und Schulschwierigkeiten wurden bei mehr als 13 der Kinder beobachtet Erste Nachuntersuchungsergebnisse die bei Hochrisi-kofruumlhgeborenen der letzten 10 Jahre durchgefuumlhrt wurden berich-ten erfreulicherweise von einer Abnahme der neurologischen Spaumlt-folgen

Die guumlnstigere Prognose ist zu einem groszligen Teil auf die Ver-besserung der Betreuung und des perinatalen Managements von Risikoschwangeren sowie die Fortschritte der neonatalen Inten-sivmedizin zuruumlckzufuumlhren

kKlinikDas Grundproblem sehr kleiner Fruumlhgeborener bleibt jedoch beste-hen die Unreife von Organsystemen und -funktionen die postnatal zu einer Reihe von akuten Erkrankungen und chronischen pulmo-nalen und neurologischen Folgeschaumlden fuumlhren koumlnnen

714576 middot Das Fruumlhgeborene

4 Atemnotsyndrom chronische Lungenerkrankung broncho-pulmonale Dysplasie

4 intrazerebrale Blutung periventrikulaumlre Leukomalazie 4 persistierender Ductus arteriosus 4 Apnoe Bradykardie 4 nekrotisierende Enterokolitis 4 erhoumlhte Infektionsdisposition nosokomiale Sepsis 4 Hypothermie Hypoglykaumlmie 4 Fruumlhgeborenenretinopathie Taubheit 4 psychomotorische Retardierung neurologische Schaumldigung

In den letzten Jahren gibt es eine zunehmende Anzahl von experi-mentellen Untersuchungen sowie klinischen Beobachtungen und Studien die eine Assoziation zwischen maternaler Chorioamnioni-tis und dem Auftreten einer bronchopulmonalen Dysplasie sowie Hirnblutungen bzw periventrikulaumlrer Leukomalazie nahelegen Eine Chorioamnionitis laumlsst sich bei mehr als 50 aller sehr unreifer Fruumlhgeborener in der Vorgeschichte nachweisen Vermutlich fuumlhrt die im Rahmen einer Chorioamnionitis beschriebene intrauterine Zytokinexposition des Feten zu einer Inflammationsreaktion in der kindlichen Lunge sowie zu einer ersten Schaumldigung der unreifen vaskulaumlren Endothelstrukturen dem sog raquofirst hitlaquo ( Abb 717) Treten unmittelbar nach der Geburt weitere schicksalshafte oder auch vermeidbare Ereignisse auf die zu einer Veraumlnderung der zere-bralen Durchblutung und Fluktuationen des zerebralen Blutflusses fuumlhren so kann eine Hirnblutung oder Minderperfusion vulnerabler Gehirnstrukturen auftreten Die intrauterine pulmonale Inflamma-tionsreaktion wird durch postnatale Sauerstofftoxizitaumlt Baro-Volu-trauma sowie Infektionen verstaumlrkt und kann in eine bronchopul-monale Dysplasie einmuumlnden

Maumlnnliche Fruumlhgeborene und Mehrlinge haben allerdings eine geringere Uumlberlebenschance als weibliche Risikopatienten bzw Ein-zelgeborene gleichen Gestationsalters

kManagementFuumlr eine optimale Betreuung von Risikofruumlhgeborenen muumlssen eine Reihe von Bedingungen erfuumlllt sein Risikoschwangere und Fruumlhge-borene sollten nur in personell und technisch optimal ausgestatteten Perinatalzentren betreut werden Ein In-utero-Transport eines ge-faumlhrdeten Fruumlhgeborenen ist mit ungleich geringeren Risiken ver-bunden als eine postnatale Verlegung Die Inzidenz von bleibenden Behinderungen ist ndash wie in vielen Studien belegt ndash bei einer Behand-lung in Perinatalzentren deutlich geringer als in kleinen Kinder-kliniken die uumlber eine geringere Erfahrung in der Behandlung der Patienten undoder eine unzureichende personelle bzw apparative Ausstattung verfuumlgen

gt Bei einer drohenden Geburt vor der 34 Gestationswoche ist unter maximaler tokolytischer Therapie und kritischer Indikationsstellung eine Lungenreifungsbehandlung mit Betamethason oder Dexamethason durchzufuumlhren

Die Geburt dieser Risikopatienten sollte so atraumatisch wie moumlg-lich erfolgen Durch eine schonende Spontangeburt scheint die Kom-plikationsrate insbesondere zerebraler Schaumldigungen nicht erhoumlht zu sein Eine primaumlre Sectio caesarea ist in jedem Fall bei Kindern mit Beckenendlage drohender intrauteriner Asphyxie Verdacht auf Am-nioninfektionssyndrom sowie jedweder Form relevanter muumltterli-cher und kindlicher Pathologie indiziert Waumlhrend der muumltterlichen Anaumlsthesie muss eine intrauterine und postnatale Depression des Kindes unbedingt vermieden werden Dies setzt eine enge Abstim-mung von Anaumlsthesieverfahren chirurgischem Vorgehen und un-mittelbar postnataler Versorgung der Fruumlhgeborenen voraus

Nach der Erstversorgung der Fruumlhgeborenen im Kreiszligsaal er-folgt die weitere zeit- und personalaufwaumlndige Behandlung und Pfle-ge der Kinder auf einer neonatologischen Intensivstation Die therapeutischen Maszlignahmen zielen auf eine Stabilisierung und Kor-rektur von postnatal einsetzenden Organstoumlrungen ab Da Fruumlhge-borene nicht in der Lage sind die Koumlrpertemperatur selbststaumlndig aufrecht zu erhalten werden die Kinder in einem Inkubator oder in speziellen Waumlrmeeinheiten gepflegt die Temperatur wird den Be-duumlrfnissen der Patienten (thermoneutrale Temperatur ausreichende Luftfeuchtigkeit) angepasst Zur Uumlberwachung der Fruumlhgeborenen werden EKG- und Atmungsmonitore eingesetzt in Abhaumlngigkeit vom postnatalen Verlauf (maschinelle Beatmung Sauerstoffthera-pie) erfolgt eine kontinuierliche transkutane Messung des O2- und CO2-Partialdrucks eine kontinuierliche Pulsoxymetrie repetitive Blutgasanalysen Blutdruckmessungen u a Sehr kleine Fruumlhgebore-ne werden haumlufig parenteral (zentrale Katheter) undoder mithilfe einer Magensonde ernaumlhrt

Das Risiko an einer nosokomialen Sepsis und lokalen noso-komialen Infektionen zu erkranken ist hoch in einigen Perinatal-zentren erkranken bis zu 25 der Hochrisikopatienten an einer Sepsis Die psychische Bindung zwischen Mutter und Fruumlhgebore-nem bzw zwischen Vater und Fruumlhgeborenem soll auch bei be-atmeten aber respiratorisch und zirkulatorisch stabilen Kindern so fruumlh wie moumlglich erfolgen Die sog Kaumlnguru-Methode wird von den meisten Fruumlhgeborenen auszligerordentlich gut toleriert ( Abb 718)

Abb 717 Maternale Chorioamnionitis und intrauterine Zytokinexposi-tion des Feten Proinflammatorische Zytokine wie Tumornekrosefaktor-α (TNF-α) und die Interleukine 1 6 8 (IL-1 IL-6 IL-8) die im Rahmen einer Chorioamnionitis in das Fruchtwasser gelangen koumlnnen bereits intrauterin eine pulmonale Entzuumlndungsreaktion des Feten ausloumlsen Dieses Ereignis ist vermutlich ein bedeutender Risikofaktor fuumlr die Entwicklung einer bron-chopulmonalen Dysplasie Daruumlber hinaus kann eine Chorioamnionitis eine systemische fetale Entzuumlndungsreaktion induzieren die mit einem erhoumlh-ten Risiko fuumlr zerebrale Schaumldigungen assoziiert ist

Kapitel 7 middot Neonatologie146

7

761 Das Atemnotsyndrom Fruumlhgeborener

Die Surfactantsubstitution stellt einen entscheidenden Durchbruch in der Behandlung des Atemnotsyndroms Fruumlhgeborener dar Durch diese kausale Therapiemaszlignahme konnten die akuten pulmonalen Komplikationen beatmeter Fruumlhgeborener um 23 reduziert werden und die Sterblichkeit von Fruumlhgeborenen mit Atemnotsyndrom nahezu halbiert werden

kEpidemiologieDas Atemnotsyndrom Fruumlhgeborener (RDS raquorespiratory distress syndromelaquo syn hyalines Membranensyndrom) stellte vor Einfuumlh-rung der Surfactantsubstitution die haumlufigste Todesursache der Neonatalperiode dar Ungefaumlhr 1 aller Neugeborenen erkranken an einem RDS Die Inzidenz steigt mit abnehmendem Gestationsal-ter bis zu 60 der Fruumlhgeborenen lt30 Gestationswoche entwickeln ein RDS

kPathogeneseWesentliche Ursache des RDS ist der Mangel eines pulmonalen ober-flaumlchenaktiven Surfactantsystems das die Oberflaumlchenspannung der Alveolen vermindert und somit zur Stabilitaumlt des Alveolarsys-tems beitraumlgt es beugt einem Alveolarkollaps in der Exspiration vor (Surfactant raquosurface active agentlaquo) Surfactant das in Pneumozy-ten vom Typ II gebildet und in den Alveolarraum sezerniert wird besteht uumlberwiegend aus verschiedenen Phospholipiden

Bei Patienten mit RDS ist die Surfactant-Hauptkomponente Dipalmitoylphosphatidylcholin (Lecithin) quantitativ vermindert

Phosphatidylcholin fehlt vollstaumlndig Da eine staumlndige Sekretion von Surfactant in das Fruchtwasser stattfindet kann durch eine Bestimmung des LS-Quotienten (LecithinSphingomyelin) die Lungenreife von Fruumlhgeborenen abgeschaumltzt werden Der Sphingo-myelingehalt im Fruchtwasser bleibt im Verlauf der Schwangerschaft konstant Ein LS-Quotient von gt21 weist auf ein ausgereiftes Sur-factantsystem hin

Neben Phospholipiden enthaumllt Surfactant Apoproteine unter-schiedlichen Molekulargewichts (SP raquosurfactant proteinlaquo) Waumlh-rend die hochmolekularen Apoproteine (SP-A) vermutlich die zellulaumlre Sekretion und Wiederaufnahme der Phospholipide regulie-ren sowie lokale Abwehrfunktionen gegen verschiedenste mikro-bielle Erreger uumlbernehmen (SP-A SP-D) kommt den hydrophoben niedermolekularen Apoproteinen (SP-B SP-C) eine besondere funktionelle Bedeutung zu sie verbessern die Absorption und Aus-breitung der Surfactantphospholipide

Die Surfactantdefizienz wird typischerweise durch eine postna-tal einsetzende intraalveolaumlre Akkumulation von Plasmaproteinen kompliziert die nach Schaumldigung des Alveolarepithels und Kapilla-rendothels die Alveoli auskleiden und die Surfactantwirkung direkt inhibieren (hyaline Membranen Abb 719)

Eine ausreichende Surfactantsynthese besteht in der Regel von der 35 Gestationswoche an Eine verzoumlgerte Lungenreifung koumln-nen Kinder diabetischer Muumltter Neugeborene mit Asphyxie oder schwerer Erythroblastose aufweisen Eine beschleunigte Lungen-reifung wird bei Praumleklampsie und Wachstumsretardierung bei intrauterinem Stress durch vorzeitigen Blasensprung (2ndash7 Tage) und durch ein muumltterliches Amnioninfektionssyndrom beobachtet

kPathophysiologieBei einem Surfactantmangel entwickeln sich in den Lungen der Fruumlhgeborenen unmittelbar nach der Geburt zunehmende diffuse Atelektasen die alveolaumlre Minderbeluumlftung fuumlhrt zu einer Hypoxauml-mieHypoxie und zu einem Anstieg des CO2-Partialdruckes Die Folgen sind eine systemische Hypotension und Vasokonstriktion der pulmonalen Gefaumlszlige die eine pulmonale Minderperfusion so-wie eine Ausbildung intrapulmonaler Shunts und eines Rechts-links-Shunts auf Vorhofebene (Foramen ovale) bzw uumlber den Ductus arteriosus nach sich ziehen Der pulmonale Metabolismus

Abb 718 Direkter Koumlrper- und Blickkontakt zwischen Vater und Kind im Rahmen der Kaumlnguru-Methode Fruumlhgeborenes der 25 Gestationswoche 660 g Geburtsgewicht Spontangeburt mittelschweres Atemnotsyndrom und transitorische chronische Lungenerkrankung ohne weitere Komplika-tionen hier im Alter von 6 Lebenswochen

Abb 719 Histologie des Atemnotsyndroms Fruumlhgeborener ausgedehn-te Atelektasen in den wenigen uumlberblaumlhten Alveolen typische hyaline Membranen aus verschiedenen Proteinen Fibrin und zellulaumlrem Detritus (Pfeile rosa gefaumlrbte hyaline Membranen)

714776 middot Das Fruumlhgeborene

wird erheblich eingeschraumlnkt Sowohl Azidose Hypoxie und der veraumlnderte Lungenstoffwechsel inhibieren die postnatal einsetzende De-novo-Synthese von Surfactant In Abb 720 ist der Circulus vitiosus des Atemnotsyndroms dargestellt

kKlinikKlinische Symptome treten unmittelbar nach der Geburt oder in-nerhalb der ersten 3ndash4 Stunden post partum auf 4 Tachypnoe gt60min 4 Nasenfluumlgeln 4 exspiratorisches Stoumlhnen 4 sternale und interkostale Einziehungen 4 abgeschwaumlchtes Atemgeraumlusch 4 Mikrozirkulationsstoumlrungen blass-graues Hautkolorit 4 Temperaturinstabilitaumlt 4 evtl Zyanose (bei insuffizienter Behandlung)

Bei der roumlntgenologischen Untersuchung des Thorax finden sich typische Veraumlnderungen unter zunehmender Verdichtung des Lun-genparenchyms mit Ausloumlschung der Herz- und Zwerchfellkonturen entwickelt sich eine so genannte raquoweiszlige Lungelaquo ( Abb 721)

CaveEine neonatale Infektion mit β-haumlmolysierenden Streptokokken der Gruppe B kann sich unter klinischen und radiologischen Zeichen eines RDS manifestieren

kKomplikationenIm Verlauf der Erkrankung koumlnnen folgende Komplikationen auf-treten 4 extraalveolaumlre Luftansammlung pulmonales interstitielles Em-

physem 4 Pneumothorax 4 Pneumomediastinum 4 Pneumoperitoneum 4 Pneumoperikard

Als Folge der Lungenunreife der Langzeitbeatmung und Sauerstoff-toxizitaumlt in der Einatmungsluft kann sich bei Risikopatienten eine chronische Lungenerkrankung die bronchopulmonale Dysplasie (BPD) entwickeln

kSymptomatische TherapieDie Therapie des RDS wird vom Schweregrad der pulmonalen Er-krankung bestimmt 4 Bei leichtem RDS Nasen-CPAP (raquocontinuous positive airway

pressurelaquo uumlber einen binasalen CPAP) 4 Bei deutlicher Ventilations- und Oxygenierungsstoumlrung in-

termittierende oder kontrollierte maschinelle Beatmung der Patienten uumlber einen trachealen Tubus

4 Uumlberwachung kontinuierliche transkutane Messung des pO2 und pCO2 kontinuierliche Pulsoxymetrie regelmaumlszligige Blut-gasanalysen engmaschige Blutdruckkontrollen evtl Plasma- bzw Bluttransfusionen u a Maszlignahmen

gt Das Grundprinzip besteht im raquominimal handlinglaquo einer moumlglichst geringen Belastung des Fruumlhgeborenen durch diagnostische und therapeutische Maszlignahmen

kSurfactantsubstitutionstherapieIn den letzten 20 Jahren ist mit der Substitution mit natuumlrlichem und synthetischem Surfactant als kausaler Therapie ein entscheidender Fortschritt in der Behandlung des Atemnotsyndroms Fruumlhgebore-ner erzielt worden

Natuumlrliche Surfactantpraumlparate werden durch Lavage von Kaumllber- und Rinderlungen (Alveofact Infasurf) oder Homogenisie-rung von Rinderlungen (Surfactant-TA Survanta) oder Schweine-lungen (Curosurf) extrahiert oder aber wurden fuumlr klinische Studien aus dem menschlichen Fruchtwasser isoliert Die Praumlparate enthal-ten die Apoproteine SP-B und SP-C (ca 1) sie unterscheiden sich aber in der Zusammensetzung der Phospholipidfraktionen der Konzentration und dem Applikationsvolumen

Synthetische Surfactantpraumlparate sind apoproteinfrei Wie in randomisierten Studien belegt wurde uumlberlebten mehr Fruumlhge-borene mit RDS die ein natuumlrliches Surfactantpraumlparat erhielten synthetische Surfactantpraumlparate stehen zur Zeit nicht mehr zur Ver-fuumlgung

Effekte der Surfactantsubstitution Unmittelbar nach intratrache-aler Applikation natuumlrlicher Surfactantpraumlparate konnte bei Fruumlh-geborenen mit manifestem RDS in allen kontrollierten Studien eine ndash wenn auch recht unterschiedliche ndash Verbesserung der Oxigenie-rung und der Beatmungssituation erzielt werden

Abb 720 Circulus vitiosus des Surfactantmangels

Abb 721 Radiologische Veraumlnderungen bei schwerem Atemnotsyn-drom verdichtetes Lungenparenchym Ausloumlschung von Zwerchfell- und Herzkonturen sog raquoweiszlige Lungelaquo

Kapitel 7 middot Neonatologie148

7 Sowohl nach prophylaktischer als auch therapeutischer Surfactantgabe konnte die Pneumothoraxinzidenz um 50ndash70 und die Sterblichkeit um ca 40 reduziert werden Alle anderen akuten und chronischen mit Atemnotsyndrom assoziierten Komplikationen wurden durch eine Surfactanttherapie nicht be-einflusst

Neuere Untersuchungen weisen darauf hin dass eine Surfactant-behandlung in der fruumlhen Phase des Atemnotsyndroms einer Therapie in einer spaumlteren Erkrankungsphase uumlberlegen ist Beson-ders Fruumlhgeborene lt28 Gestationswochen profitieren von einer prophylaktischen oder sehr fruumlhen Surfactantapplikation Wie Me-taanalysen belegen fuumlhrt eine Surfactantsubstitution innerhalb von 15 min nach der Geburt zu einer geringen Auspraumlgung des Atemnotsyndroms zu einer reduzierten Inzidenz der BPD und einer geringen Sterblichkeit in dieser Altersgruppe

Empfehlungen zur postnatalen Surfactantbehandlung 4 Moumlglichst fruumlhzeitige Behandlung im Kreiszligsaal fuumlr sehr

unreife Fruumlhgeborene lt28 Gestationswochen 4 Fruumlhe Surfactantsubstitution bei Fruumlhgeborenen

lt32 Gestationswochen mit klinischen Zeichen des raquorespiratory distress syndromelaquo maschineller Beatmung und O2-Bedarf gt40

4 Spaumltere Behandlung bei etwas raquoreiferenlaquo Fruumlhgebore-nen mit RDS maschineller Beatmung und einem O2-Bedarf gt50ndash60

4 Initialdosis fuumlr die prophylaktische Behandlung mit natuumlrlichen Surfactantpraumlparaten ca 100 mgkg KG bei manifestem RDS 100 bis maximal 200 mgkg KG

4 Innerhalb von 48 h wiederholte Surfactantgaben bei er-neutem O2-Anstieg gt30 und maschineller Beatmung (kumulative Dosis 400 mgkg KG)

4 Unabhaumlngig von der Art der Surfactantpraumlparation muss der behandelnde Kinderarzt mit allen Aspekten der Surfactantapplikation der maschinellen Beatmung sowie allen anderen Maszlignahmen der neonatologischen Intensivmedizin vertraut sein

Surfactant-raquoNonresponderlaquo Eine Reihe von Grunderkrankungen koumlnnen den Effekt einer Surfactanttherapie negativ beeinflussen So muss bei Fruumlhgeborenen mit struktureller Lungenunreife oder Lungenhypoplasie z B nach laumlngerem vorzeitigem Blasensprung sowie bei Kindern mit konnataler und neonataler Pneumonie mit einem fehlenden oder deutlich geringeren Therapieerfolg gerechnet werden Aber auch die perinatale Hypoxie Hypothermie und nicht

zuletzt die systemische Hypotension haben unmittelbaren Einfluss auf die initiale Wirksamkeit der Surfactantbehandlung

Eine nur transitorische Verbesserung der Oxygenierung und des Gasaustauschs wird bei Fruumlhgeborenen beobachtet die im Rahmen eines haumlmodynamisch signifikanten persistierenden Ductus arterio-sus ein intraalveolaumlres Oumldem entwickeln

Nebenwirkungen Unmittelbare Nebenwirkungen einer Behand-lung mit natuumlrlichen Surfactantpraumlparaten sind ndash von Fehlern bei der Anpassung der maschinellen Beatmung abgesehen ndash bisher nicht beschrieben

CaveNach Gabe natuumlrlicher Surfactantpraumlparate kann eine akute Uumlberblaumlhung des Lungenparenchyms (raquoHyperex-pansionlaquo) durch eine ungenuumlgende Anpassung des Beat-mungsdrucks zu ernsthaften Ventilations- und Zirkula-tionsproblemen der behandelten Kinder fuumlhren

Eine Sensibilisierung gegen tierische im Surfactant enthaltende Apoproteine wurde bei keinem Patienten beschrieben In Nachun-tersuchungen von Kindern die mit natuumlrlichen oder synthetischen Praumlparaten behandelt worden waren konnte kein Unterschied in der somatischen oder neurologischen Entwicklung im Vergleich zu un-behandelten Kontrollpatienten festgestellt werden Eine gehaumlufte Infektanfaumllligkeit oder gar ein Auftreten einer chronischen Slow-virus-Infektion wurde nach Behandlung mit natuumlrlichen Surfactant-praumlparaten auch nach einer 23-jaumlhrigen Erfahrung mit diesem neuen Therapieprinzip bisher nicht beobachtet

Andere Indikationen fuumlr eine Surfactanttherapie Neben dem neonatalen Atemnotsyndrom ist eine Surfactantbehandlung auch bei Erkrankungen vorstellbar in deren Verlauf ein sekundaumlrer Surfactantmangel auftritt Zurzeit laufende kontrollierte randomi-sierte Studien evaluieren den Einfluss einer Surfactantbehandlung bei konnataler Pneumonie Mekoniumaspirationssyndrom und Zwerchfellhernie

kPraumlventionDie sog Lungenreifungsbehandlung durch Betamethason oder Dexamethason kann die Inzidenz und den Schweregrad des RDS Fruumlhgeborener durch eine Enzyminduktion vermindern Betame-thason sollte der Schwangeren moumlglichst 48 h vor der Geburt ver-abreicht werden Praumlnatale Kortikosteroide in Kombination mit der postnatalen Surfactantherapie (natuumlrliches Surfactant) reduzieren die Sterblichkeit sowie die Inzidenz pulmonaler sowie extrapulmo-naler Komplikationen (Hirnblutung) Allerdings ist von einer repe-

Exkurs

Surfactantsubstitution ndash ein Meilenstein in der Neonatalmedizin

1959 konnten Avery und Mead Boston bei verstorbenen Fruumlhgeborenen erstmals bele-gen dass das hyaline Membranensyndrom mit dem Mangel des oberflaumlchenaktiven Materials assoziiert war 1967 gelang es Rufer Goumlttin-gen die mechanischen Eigenschaften surfac-tantdepletierter isolierter Tierlungen durch in-trabronchiale Instillation einer oberflaumlchenak-tiven Substanz zu verbessern ein Jahr spaumlter konnte er diesen positiven Effekt einer Surfac-tantwirkung an isolierten Lungen Fruumlhgebore-

ner erbringen die an einem Atemnotsyndrom verstorben waren Enhorning und Robertson Toronto bzw Stockholm publizierten 1972 die vielbeachteten Ergebnisse einer Surfactant-substitutionstherapie bei beatmeten fruumlhge-borenen Kaninchen 1980 berichteten Fujiwara et al Akita erstmals von Fruumlhgeborenen mit manifestem Atemnotsyndrom die nach intrat-rachealer Applikation eines Rindersurfactants deutliche Veraumlnderungen des pulmonalen Gasaustausches zeigten In der folgenden

Dekade wurde die klinische Wirksamkeit der Surfactantbehandlung in sorgfaumlltig geplanten multizentrisch kontrollierten undoder rando-misierten Studien eindrucksvoll belegt welt-weit wurden mehr als 10000 Fruumlhgeborene mit verschiedensten Surfactantpraumlparationen behandelt Die Surfactantsubstitution ist da-mit die am besten untersuchte Therapie der Neonatalmedizin

714976 middot Das Fruumlhgeborene

titiven Gabe die noch in juumlngster Vergangenheit in 8- bis 10-taumlgigen Abstaumlnden bis zum Zeitpunkt der Geburt erfolgte abzuraten Es gibt ernst zu nehmende Hinweise dass die Entwicklung des fetalen Ge-hirns durch diese Strategie beeintraumlchtigt wird

Als weiterer bedeutsamer Faktor in der Praumlvention des RDS ist eine schonende Geburtseinleitung und optimale primaumlre Reani-mation der Risikokinder anzusehen

Der besondere FallAnamnese Nach unauffaumllligem Schwangerschaftsverlauf treten bei einer 24-jaumlhrigen Zweitgebaumlrenden in der 29 Gestationswoche ploumltz-lich vorzeitige Wehen auf dazu rasche Muttermundseroumlffnung unauf-faumllliges kindliches CTG Trotz sofortigen Beginns einer tokolytischen (wehenhemmenden) Therapie erfolgt nach einmaliger Kortisongabe die Spontangeburt wenige Stunden nach stationaumlrer AufnahmeBefund und Erstversorgung Weibliches Fruumlhgeborenes der 29 Ge-stationswoche Geburtsgewicht 1060 g vital Wegen unregelmaumlszligiger Atmung wird nach kurzzeitiger Maskenbeatmung mit 40 O2 ein stabiler klinischer Zustand erreicht mit O2-Saumlttigung von 92 Nach 45 min zeigt sich eine zunehmende Tachypnoe (Atemfrequenz um 70min) raquostoumlhnendelaquo Atmung und beginnende jugulaumlre und inter-kostale Einziehungen Darauf folgt die endotracheale IntubationVerlauf Unter maschineller intermittierender Beatmung nimmt der O2-Bedarf weiter zu im Alter von 3 h unter 80 inspiratorischem O2-Gehalt normale Saumlttigung Ventilation und systemischer BlutdruckRoumlntgenthorax Diffuse feingranulaumlre Verdichtung des Lungenparen-chyms mit beginnender Ausloumlschung des Herzrandes RDS Grad IIITherapie Nach intratrachealer Applikation eines natuumlrlichen Surfac-tantpraumlparats (100 mg Phospholipidekg KG asymp125 ml Fluumlssigkeitkg KG) kann innerhalb weniger Minuten eine Reduktion des inspirato-rischen O2-Gehaltes auf 30 erfolgen Etwa 30 min spaumlter faumlllt dann eine rasch progrediente Verschlechterung der Oxygenierung und der Ventilationssituation auf (inspiratorische O2-Konzentration 100 pCO2 65 mmHg) Radiologisch zeigte die Lunge eine massive Uumlber-blaumlhung mit geringer Gefaumlszligzeichnung Durch drastische Senkung des inspiratorischen Spitzendrucks und Atemwegmitteldrucks normalisiert sich die Beatmungssituation der kindliche Zustands stabilisiert sich Die Extubation erfolgt am 5 Lebenstag Im weiteren Verlauf treten keine pulmonalen und zerebralen Komplikationen (Hirnblutung) nach Atemnotsyndrom auf die Entlassung eines gesunden ehemaligen Fruumlhgeborenen erfolgt in der 10 Lebenswoche bei einem Gewicht von 2560 gBeurteilung Typisches mittelschweres durch Surfactantmangel be-dingtes Atemnotsyndrom erfolgreiche Surfactantsubstitutionsbe-handlung Durch die unterlassene Reduktion des Beatmungsdrucks nach Surfactantapplikation iatrogene Uumlberblaumlhung des Lungenparen-chyms mit schwerer Ventilations- und Oxygenierungsstoumlrung sowie Drosselung der pulmonalen Perfusion

762 Persistierender Ductus arteriosus (PDA)

gt Ein haumlmodynamisch wirksamer persistierender Ductus arteriosus stellt das haumlufigste kardiovaskulaumlre Problem Fruumlhgeborener dar

kPathogenese PathophysiologieBei reifen Neugeborenen setzt mit ansteigenden O2-Partialdrucken nach der Geburt eine Konstriktion des Ductus arteriosus und ein konsekutiver Verschluss ein Der Ductus arteriosus Fruumlhgeborener reagiert schwaumlcher auf die postnatalen Kontraktionsreize Wesent-liche Faktoren duumlrften die unreife Muskulatur des Ductus und der

persistierende vasodilatatorische Effekt hoher Prostaglandinkon-zentrationen (PGE2) bei Fruumlhgeborenen sein Bei ausbleibendem Ductusverschluss entwickelt sich in der akuten Phase des RDS ein Shunt zwischen pulmonaler und systemischer Zirkulation (Rechts-links-Shunt)

Mit Ruumlckbildung des RDS sinkt der pulmonale Gefaumlszligwiderstand ab In dieser Phase kann sich ein haumlmodynamisch signifikanter Links-rechts-Shunt uumlber den PDA entwickeln Die Folge ist eine akute pulmonale Uumlberflutung mit haumlmorrhagischem Lungenoumldem und akuter kardialer Insuffizienz Die Beatmungssituation der Pati-enten verschlechtert sich akut durch Intensivierung der Beatmung und Erhoumlhung der inspiratorischen O2-Konzentration nimmt die Lungenschaumldigung zu (bronchopulmonale Dysplasie) Auch bei pro-trahierter Manifestation eines PDA koumlnnen u a ein interstitielles Lungenoumldem und Veraumlnderungen der Organperfusion (Nieren Magen-Darm-Trakt) auftreten

kKlinikEin PDA manifestiert sich haumlufig zwischen dem 3 und 5 Lebenstag 4 praumlkordiale Hyperaktivitaumlt 4 systolisches Herzgeraumlusch gelegentlich kontinuierlich 4 Pulsus celer et altus (raquospringende Pulselaquo) Tachykardie 4 Verschlechterung der Beatmungssituation evtl feinblasige

Rasselgeraumlusche 4 evtl Hepatomegalie 4 renale Ausscheidungsprobleme 4 Zirkulationsstoumlrungen

CaveEtwa 20 der Fruumlhgeborenen mit haumlmodynamisch signi-fikantem persistierendem Ductus arteriosus haben kein Herzgeraumlusch

Die klinische Verdachtsdiagnose wird durch die Roumlntgenthoraxauf-nahme die 2-dimensionale Echokardiographie und den direkten Shuntnachweis mithilfe der Dopplertechnik und Farbdopplerver-fahren bestaumltigt

kTherapieDie wesentlichen Therapieprinzipien des symptomatischen PDA sind 4 Fluumlssigkeitsrestriktion 4 Prostaglandinsynthesehemmer (Indometacin Ibuprofen) 4 operativer PDA-Verschluss

Durch die Hemmung der Prostaglandinsynthese wird der gefaumlszliger-weiternde Effekt von Prostaglandin E2 antagonisiert Kontraindika-tionen der Indometacinbehandlung sind Thrombozytopenie Serumkreatinin gt18 mgdl und Oligurie Etwa 40 aller Indometa-cinbehandelten Fruumlhgeborenen sprechen auf diese konservative Be-handlung nicht an

763 Wilson-Mikity-Syndrom

kDefinitionDiese chronisch-respiratorische Erkrankung kann auch bei nicht beatmeten Fruumlhgeborenen mit einem Gestationsalter von weniger als 32 Gestationswochen im postnatalen Alter von 10ndash14 Tagen auf-treten Die Kinder haben in der Regel keine oder nur eine milde Atemnotsymptomatik waumlhrend der ersten Lebenstage Der radiolo-gische Befund ist durch diffuse zystisch erscheinende Areale charakterisiert die besonders in den oberen Lungenpartien auf-

Kapitel 7 middot Neonatologie150

7

treten sollen Bei dieser chronisch-pulmonalen Erkrankung duumlrfte es sich um eine der moumlglichen Verlaufsformen der raquobonchopulmo-nalen Dysplasie (BPD)laquo Fruumlhgeborener handeln

kEpidemiologieDie Inzidenz des Wilson-Mikity-Syndroms ist nicht bekannt da eine eindeutig klinische und radiologische Abgrenzung von der raquoBPDlaquo nicht moumlglich ist

kPathogeneseWegweisende Untersuchungen zu pathogenetischen Mechanismen dieser chronischen Lungenerkrankung liegen nicht vor Eine erhoumlh-te Inzidenz von maternaler Chorioamnionitis bei Fruumlhgeborenen mit Wilson-Mikity-Syndrom duumlrfte auf eine moumlgliche Rolle von in-trauterinen bzw prauml- und postnatalen Infektionen hinweisen (s Pathogenese der BPD) Bei japanischen Fruumlhgeborenen mit Wilson-Mikity-Syndrom wurden erhoumlhte Gesamtkonzentrationen des Serumimmunglobulin M sowie erhoumlhte Aktivitaumlten der Granu-lozytenelastase im Tracheobronchialsekret nachgewiesen Es ist vor-stellbar dass das bei der BPD vorhandene pulmonale Entzuumlndungs-geschehen durch verschiedenste Infektionserreger ausgeloumlst oder aggraviert wird

kKlinikDie betroffenen Fruumlhgeborenen entwickeln um den 10ndash14 Lebens-tag langsam progrediente Zeichen der Atemnot (Tachypnoe Dys-pnoe etc) und oftmals einen erhoumlhten O2-Bedarf Die Luftnotsym-ptomatik kann uumlber mehrere Wochen und selten auch uumlber mehrere Monate anhalten

CaveDurch suboptimale O2-Saumlttigung und erniedrigten O2-Partialdruck kann sich eine persistierende pulmonale Hypertonie entwickeln

kTherapieUnter optimalen supportiven Maszlignahmen (7 Abschn 764 Thera-pie) sollte diese Erkrankung in der Regel ohne Folgen ausheilen

764 Bronchopulmonale Dysplasie

kGrundlagen1967 beschrieb Northway erstmalig eine Gruppe von Fruumlhge-borenen die nach maschineller Beatmung wegen eines Atemnot-syndroms keine Besserung der Lungenfunktion zeigten Die Kinder blieben uumlber lange Zeit respiratorabhaumlngig oder verstarben unter der Beatmung Diese vorher nicht beobachtete chronische Lun-genkrankheit wurde als bronchopulmonale Dysplasie (BPD) be-zeichnet

kPathogeneseDie BPD ist eine chronische Lungenkrankheit Fruumlhgeborener Grund-voraussetzung fuumlr die Entstehung ist die Unreife der Lunge welche sowohl die anatomischen Strukturen als auch funktionelle Systeme wie das Surfactantsystem betrifft In der Fruumlhphase liegt eine pulmo-nale Inflammationsreaktion vor die durch ein maschinelles Beat-mungstrauma die Sauerstofftoxizitaumlt in der Einatmungsluft oder eine praumlnatale Infektion im Rahmen einer Chorioamnionitis ausgeloumlst

Abb 722 Moumlgliche pathogenetische Sequenz der bronchopulmonalen Dysplasie

715176 middot Das Fruumlhgeborene

wird Eine postnatale Infektion ist ebenfalls in der Lage eine pulmo-nale Entzuumlndung zu induzieren Folge ist zunaumlchst ein interstitielles und alveolaumlres Oumldem Bei anhaltender Exposition gegenuumlber den No-xen wird der normale Gewebsreparaturprozess in der Lunge gestoumlrt es kommt zur Ausbildung einer Fibrose und eines Lungenemphy-sems ( Abb 722 und Abb 723) Moumlglicherweise beeinflusst die Inflammationsreaktion die physiologische Sequenz des Lungen-wachstums Die Folge ist eine abnorme Lungenent wicklung mit einer Beeintraumlchtigung der Alveolarisierung und der Vaskularisierung

gt Fuumlr die Entwicklung einer bronchopulmonalen Dysplasie ist haumlufig ein Atemnotsyndrom in den ersten Lebenstagen verantwortlich es ist aber keine unbedingte Vorausset-zung ein Teil sehr unreifer Fruumlhgeborener entwickelt eine BPD auch bei initial scheinbar gesunder Lunge

kPathophysiologieDie Lungenfunktion ist durch ein niedriges Lungenvolumen sowie eine erniedrigte Compliance charakterisiert Entwickelt sich in der Folge ein erhoumlhter Atemwegswiderstand so liegt eine Kombination von obstruktiver und restriktiver Ventilationsstoumlrung vor Atelek-tasen und Emphysem fuumlhren zu einer Stoumlrung der Relation zwischen alveolaumlrer Ventilation und Perfusion Der resultierende intrapulmo-nale Rechts-links-Shunt ist die Ursache fuumlr die Hypoxaumlmie bzw den Sauerstoffbedarf Aufgrund der Gefaumlszligrarefizierung und einer Mediahypertrophie entwickelt sich bei fortgeschrittenem Krank-heitsbild ein pulmonaler Hypertonus

kKlinikFruumlhgeborene mit einer BPD zeigen folgende Charakteristika und klinische Symptome

4 Langzeitbeatmung schwierige Entwoumlhnung von der maschi-nellen Beatmung

4 nach der Extubation eine persistierende Atemnot mit an-haltendem Sauerstoffbedarf sternalen und kostalen Ein-ziehungen und Tachypnoe

4 Kardiopulmonale Instabilitaumlt mit Neigung zu haumlufigen O2-Saumlttigungsabfaumlllen und Bradykardien

4 Typisches radiologisches Bild fleckig-steifige roumlntgendichte Veraumlnderungen in Abwechslung mit Regionen erhoumlhter Strah-lentransparenz oder zystisch-emphysematoumlsen Bereichen ( Abb 724)

4 Auf Grund der erhoumlhten Atemarbeit Gedeihstoumlrung

kDiagnoseDer Schweregrad der BPD wird durch Sauerstoffbedarf bzw Beat-mungsform zu bestimmten Zeitpunkten definiert ( Tab 79)

kPraumlventionPrinzipiell ist die Praumlvention der BPD das erste Behandlungsziel

Allgemeine Maszlignahmen zur Praumlvention der bronchopulmonalen Dysplasie

4 Praumlnatale Steroidbehandlung 4 Fruumlhzeitige Surfactanttherapie bei Atemnotsyndrom 4 Fruumlhzeitige Behandlung eines klinisch relevanten

persistierenden Ductus arteriosus 4 Vermeidung einer Fluumlssigkeitsuumlberladung 4 Niedrigste moumlgliche Beatmungsunterstuumltzung

und Sauerstoffgabe zur Aufrechterhaltung eines ausreichenden Gasaustausches

4 Falls moumlglich Vermeidung einer maschinellen Beatmung

4 Bei Beatmung fruumlhzeitige Extubation und CPAP- Behandlung

4 Gewaumlhrleistung einer ausreichenden Ernaumlhrung (parenteralenteral) sowie Versorgung mit Spuren-elementen und Vitaminen (Vitamin A)

Abb 723 Histologie der bronchopulmonalen Dysplasie diffuse Atelekta-sen sowie ausgepraumlgte emphysematoumlse Bezirke verbreitertes Interstitium

Abb 724 Radiologischer Befund einer bronchopulmonale Dysplasie Neben fibrotisch verdichteten und atelektatischen Arealen ( ) finden sich uumlberblaumlhte Bezirke ( )

Tab 79 Definition der BPD

Milde BPD O2 mit 28 Tagen Raumluft mit 36 Wochen PMA oder bei Entlassung

Moderate BPD lt30 O2 mit 36 Wochen PMA oder bei Entlassung

Schwere BPD ge30 O2 undoder BeatmungCPAP mit 36 Wochen PMA oder bei Entlassung

PMA postmenstruelles Alter

Kapitel 7 middot Neonatologie152

7

kTherapieWaumlhrend der stationaumlren Behandlung koumlnnen folgende gut belegte Behandlungsmaszlignahmen sinnvoll sein 4 Koffein Offenbar durch Verbesserung der Lungenmechanik

sowie der diuretischen Wirkung fuumlhrt die Behandlung mit Coffein zu einer Senkung der BPD-Rate

4 Steroide Unter einer postnatalen Behandlung Fruumlhgeborener mit Dexamethason kommt es zu einer Verminderung des pul-monalen Wassergehaltes zu einer Verbesserung des Gasaus-tauschs einer Abnahme der pulmonalen Inflammationsreak-tion sowie der mikrovaskulaumlren Permeabilitaumlt der Lunge Die Therapie ermoumlglicht innerhalb von 2ndash5 Tagen bei der Mehrzahl der behandelten beatmeten Patienten eine Extubation Dexame-thason hat bei einer fruumlhen postnatalen Behandlung eine Fuumllle von Nebenwirkungen und unguumlnstigen Langzeiteffekten

gt Da das Risiko fuumlr die Entwicklung einer Zerebralparese bei der Behandlung mit Dexamethason erhoumlht ist darf eine Therapie nur bei schwerer pulmonaler Insuffizienz eines Fruumlhgeborenen erfolgen

4 Inhalative Kortikosteroide wirken nicht prophylaktisch haben jedoch einen Stellenwert bei etablierter BPD

4 Sauerstoff Bei etablierter BPD insbesondere bei schweren Verlaumlufen besteht eine deutliche Mediahypertrophie der Pulmonalgefaumlszlige In dieser Situation sollte Sauerstoff nicht zu niedrig dosiert werden um die Entwicklung bzw Zunahme einer pulmonalen Hypertonie zu vermeiden (SO2 gt92 pO2 gt55 mmHg) Ausreichende Sauerstoffzufuhr ist ebenfalls erforderlich fuumlr eine befriedigende Gewichtszunahme Eine regelmaumlszligige echokardiographische Uumlberwachung zur Beur-teilung des Lungengefaumlszligwiderstandes ist notwendig

kPrognoseIn den meisten Faumlllen kommt es zu einer Reparatur der pulmonalen Veraumlnderungen dieses zeigt sich am Ruumlckgang der Atemnotsymp-tomatik und des Sauerstoffbedarfs Nur wenige Fruumlhgeborene be-noumltigen auch zum Zeitpunkt der Entlassung aus der Klinik noch Sauerstoff und erhalten eine entsprechende haumlusliche Therapie die in der Regel nicht laumlnger als 3ndash6 Monate erforderlich ist Einzelne Kinder lassen sich nicht von der Beatmung entwoumlhnen

Weiterhin haben Kinder mit BPD nicht selten ein hyperreagib-les Bronchialsystem und erkranken innerhalb der ersten 2 Lebens-jahre haumlufig an einer obstruktiven Bronchitis Virale Infektionen insbesondere die RSV-Bronchiolitis koumlnnen bei BPD-Patienten zu einem schwer verlaufenden Krankheitsbild fuumlhren Auffaumllligkeiten der Lungenfunktion (reversible oder fixierte Obstruktionen erhoumlh-tes intrathorakales Gasvolumen) sind bis ins Erwachsenenalter nachweisbar In der Regel sind die Kinder jedoch koumlrperlich spaumlter gut belastbar und in der Lage Sport zu treiben

765 Retinopathia praematurorum

kDefinitionDie Fruumlhgeborenenretinopathie (raquoretinopathy of prematuritylaquo ROP) ist eine multifaktorielle vasoproliferative Netzhauterkran-kung deren Inzidenz und Schweregrad mit zunehmender Unreife zunimmt 10 der Fruumlhgeborenen mit einem Geburtsgewicht lt1750 g aber fast 50 aller Kinder lt1000 g entwickeln irgendeine Form dieser Erkrankung Sie ist die haumlufigste Ursache von Blindheit bei Kindern unter 6 Jahren

kPathogeneseFuumlr die ROP-Entwicklung sind neben der Unreife postnatale Situa-tionen als Risikofaktoren anzusehen die entweder mit einer retina-len Minderperfusion oder einem erhoumlhten retinalen Sauerstoffan-gebot einhergehen 4 Hyperoxie 4 beatmungsbedingte Hypokapnie 4 Hypotension bei Sepsis 4 rezidivierende Apnoen 4 Fluktuationen der Sauerstoffsaumlttigung 4 intraventrikulaumlre Blutung 4 persisitierender Ductus arteriosus 4 Hyperkapnie

Der Schaumldigungsmechanismus setzt vermutlich zum Zeitpunkt der Geburt sehr unreifer Fruumlhgeborener ein ( Abb 725) Bereits die unmittelbare postnatale Exposition gegenuumlber erhoumlhten Sauerstoff-konzentrationen aber auch Raumluft fuumlhrt bei extrem unreifen

Exkurs

Die Geschichte der Fruumlhgeborenenretinopathie

Die Geschichte der Retinopathia praematuro-rum stellt ein erschreckendes Beispiel dar wie dogmatisch getroffene medizinische Entschei-dungen zu menschlichen Katastrophen fuumlhren koumlnnen Seit Beginn der 1940er Jahre wurden viele Fruumlhgeborene mit zusaumltzlichem Sauer-stoff (O2) behandelt die Konzentrationen lagen bei 70 O2 Erst in den 1950er Jahren wurde von australischen Kinderaumlrzten der freizuumlgige Einsatz von O2 als Ursache des epidemieartigen Auftretens der retrolentalen Fibroplasie (= ROP) und damit der Erblindung von relativ raquoreifenlaquo Fruumlhgeborenen identifi-ziert Eines der beruumlhmtesten Opfer ist Stevie Wonder Jahrgang 1950 der in der 34 Gestati-onswoche geboren wurde Aufgrund dieser alamierenden Ergebnisse wurden strenge Therapierichtlinien mit Limitierung der

O2-Gabe auf 40 eingefuumlhrt Die Folge war ein dramatischer Ruumlckgang der ROP Dieses wurde als uumlberzeugender Beweis fuumlr die Richtigkeit der These angesehen dass Sauerstoff in der Tat die einzige notwendige und ausreichende Ursache der retinalen Erkrankung war Jeder Fall von ROP-bedingter Blindheit wurde als Folge einer fehlerhaften Sauerstofftherapie angesehen und hatte entsprechende juristi-sche FolgenIn der Folge stiegen jedoch die Mortalitaumlt und Morbiditaumlt der Fruumlhgeborenen drastisch an Durch Einfuumlhrung intensivmedizinischer Kon-zepte in die Neonatologie mit der Moumlglichkeit der Blutgasanalyse in den 1970er Jahren sank die Mortalitaumlt von Fruumlhgeborenen waumlhrend die ROP-Inzidenz relativ niedrig war Die Sauer-stofftherapie wurde nach dem arteriell gemes-

senen pO2 gesteuert eine Hyperoxie schien so trotz Verabreichung houmlherer Sauerstoffkonzen-trationen vermeidbar Erneut galt die ROP als eine durch iatrogene Uumlberdosierung von O2 verursachte vermeidbare Erkrankung Auf-grund der zunehmenden Uumlberlebensraten sehr unreifer Fruumlhgeborener kam es in den 1980er Jahren jedoch zu einer deutlichen Wiederzu-nahme der Erkrankung sodass von einer neu-en 2 Epidemie gesprochen wurde Es wurde nun jedoch klar dass die ROP eine multikausa-le Erkrankung war die ihre Hauptursache in der Unreife der Fruumlhgeborenen hat Waumlhrend die Inzidenz der schweren ROP in den meisten westlichen Laumlndern erfreulicherweise ruumlck-laumlufig ist erkranken gerade in den Schwellen-laumlndern wieder relativ reife Fruumlhgeborene an dieser bedrohlichen Retinopathie

715376 middot Das Fruumlhgeborene

Fruumlhgeborenen zu einer relativen Hyperoxie der Retina Dadurch wird ein wichtiger Wachstumsfaktor fuumlr die Gefaumlszligentwicklung der Netzhaut VEGF (raquovascular endothelial growth factorlaquo) herabregu-liert Niedrige Konzentrationen von VEGF fuumlhren zu Arretierung des Gefaumlszligwachstums und zu einer retinalen Vasoobliteration Mit zunehmendem Wachstum der neuralen retinalen Strukturen steigt der metabolische Bedarf der Netzhaut an es entsteht eine relative Gewebshypoxie Hierzu koumlnnen auch die genannten Risikofaktoren beitragen die zu einer retinalen Minderperfusion fuumlhren In dieser Phase induziert die Gewebshypoxie eine massive Uumlberproduktion von angiogenetischen Faktoren wie VEGF als Konsequenz resultiert eine abnorme Neovaskularisierung von retinalen Gefaumlszligen Die Ge-faumlszlige wachsen in den Glaskoumlrper ein aufgrund einer vermehrten Permeabilitaumlt kann es zu Blutungen und Oumldembildung kommen

CaveDurch narbige Traktion kann die Retina an der das vaskulaumlr-fibrotische Gewebe anheftet abgehoben werden

kKlinikWaumlhrend der ROP-Entwicklung zeigen die Fruumlhgeborenen keine typischen klinischen Symptome Aus diesem Grund sind regel-maumlszligige ophthalmologische Kontrolluntersuchungen zwingend notwendig Der Zeitpunkt des Auftretens haumlngt von der retinalen Gefaumlszligentwicklung und somit vom postkonzeptionellen Alter ab Die ersten Veraumlnderungen treten in der Regel in der 34 Woche auf und die ersten Gefaumlszligproliferationen in der 36 Woche

gt Um eine Retinopathie nicht zu uumlbersehen sollte die Erst-untersuchung bei Fruumlhgeborenen mit einem Geburtsge-wicht (GG) lt1000 g im Alter von 6 Wochen oder in der 32 Woche pc erfolgen bei Fruumlhgeborenen mit einem GG zwischen 1000ndash1500 g im Alter von 4 Wochen

Kontrolluntersuchungen werden je nach Befund alle 7ndash14 Tage oder in kuumlrzeren Abstaumlnden durchgefuumlhrt Die letzte Untersuchung er-folgt nach Abschluss der Netzhautvaskularisierung

kKlassifizierungIn die internationale Klassifizierung der ROP (ICROP 1984) geht ein dass die Erkrankung umso schwerer ist je weiter posterior (d h zentral) und je ausgedehnter (d h Anzahl der betroffenen Sektoren)

die Laumlsionen sind Dann folgt die Beurteilung des Schweregrades an der Grenzlinie zwischen vaskularisierter und avaskulaumlrer Retina sowie das Vorhandensein zusaumltzlicher aggravierender Zeichen (raquoplus diseaselaquo) 4 Lokalisation Zone 1ndash3 von zentral nach peripher 4 Ausdehnung Angabe von betroffenen 30deg-Sektoren (12 Stuumlck)

als Uhrzeiten mit Sehnerv als Mittelpunkt 4 Schweregrad

5 Grad 1 duumlnne weiszlige Demarkationslinie zwischen vasku-larisierter und avaskulaumlrer Netzhaut 5 Grad 2 erhabene rosagefaumlrbte Proliferationsleiste 5 Grad 3 extraretinale fibrovaskulaumlre Proliferationen ( Abb 726) 5 Grad 4 partielle Netzhautabloumlsung der Raum zwischen Netzhaut und Aderhaut fuumlllt sich mit seroumlser Fluumlssigkeit 5 Grad 5 komplette Netzhautabloumlsung

4 Plus Disease Auftreten vermehrter Gefaumlszligdilatation und -schlaumlngelung (Tortuositas)

kVerlauf PrognoseDie meisten Kinder mit Erkrankungen des Stadiums 1 und 2 zeigen eine Regression In Stadium 3 haumlngt die Prognose von der Ausdeh-nung des Befundes ab im Stadium 4 insbesondere bei Beteiligung der Makula ist die Prognose sehr schlecht Das Risiko fuumlr eine Er-blindung betraumlgt bei Fruumlhgeborenen unter 750 g 5ndash9 unter 1000 g 2 und uumlber 1000 g 01 Die ROP erhoumlht das Risiko der Kinder fuumlr Myopie Strabismus und andere Visusprobleme

kPraumlvention TherapieEine sicher wirksame Praumlvention der ROP besteht nicht Notwendig ist die Uumlberwachung der Sauerstoffzufuhr Dieses erfolgt bei kleinen Fruumlhgeborenen vorzugsweise uumlber den transkutan gemes senen pO2 anzustreben ist ein pO2 50ndash70 mmHg Die pulsoxi metrisch gemesse-ne Sauerstoffsaumlttigung sollte bei allen Fruumlhge borenen die einen zu-saumltzlichen Sauerstoffbedarf haben zwischen 90 ndash 95 liegen

Therapeutisch wird uumlberwiegend die Lasertherapie seltener eine Kryotherapie angewendet Ziel der Photokoagulation oder Kryotherapie ist die Zerstoumlrung von Gefaumlszligproliferationen und des angiogenem Granulationsgewebe Die Behandlung vermindert die Wahrscheinlichkeit eines Visusverlustes um uumlber 50 Zur Zeit wird in kontrollierten klinischen Studien der Einsatz einer anti-VEGF-

Abb 725 Entstehungsmechanismus der Fruumlhgeborenenretinopathie

Abb 726 Retinopathia praematurorum Stadium III auf der rechten Seite vaskularisierte Netzhaut mit erweiterten Gefaumlszligen die in eine breite Proliferationsleiste uumlbergehen Peripher der Leiste Blutung im Bereich der avaskulaumlren Netzhaut (weiszlige Punkte sind Spiegelungsartefakte)

Kapitel 7 middot Neonatologie154

7

Therapie untersucht Erste Daten bei schwersten Verlaufsformen der ROP lassen hoffen dass sich die therapeutischen Moumlglichkeiten in der Zukunft verbessern werden

766 Hirnblutungen des Fruumlhgeborenen

767 Germinale Matrixblutung des Fruumlhgeborenen

kNeuropathologie und zerebrovaskulaumlre ArchitekturDie typische Hirnblutung Fruumlhgeborener entsteht in der germinalen Matrix einer subventrikulaumlr gelegenen Zone uumlber dem Kopf des Nucleus caudatus Von der germinalen Matrix wandern zerebrale Neuroblasten ab der 10ndash20 Gestationswoche auf die Hirnober-flaumlche aus gefolgt von den Glioblasten nach der 20 Woche Das Matrixgewebe nimmt mit zunehmender Schwangerschaftsdauer an Ausdehnung ab um die 34ndash36 Schwangerschaftswoche kommt es zu einer Involution Es ist sehr zellreich von gelatinoumlser Konsistenz und reich vaskularisiert Den Gefaumlszligen fehlen Charakteristika von Arteriolen und Venolen sie werden als unreifes vaskulaumlres Netz beschrieben Die V terminalis verlaumluft innerhalb der germinalen Matrix

kGradeinteilung nach AusdehnungNach einer Endothellaumlsion im Bereich der germinalen Matrix kann eine Blutung entstehen die subependymal begrenzt bleiben kann oder in das Ventrikelsystem ausdehnen kann (subependymale

Haumlmorrhagie Grad 1 intraventrikulaumlre Haumlmorrhagie Grad 2) Bei intraventrikulaumlrer Ansammlung groszliger Mengen an Blut mit deut licher Dilatation des Ventrikels liegt eine Grad-3-Blutung vor Groumlszligere Ventrikelblutungen behindern den Abfluss aus der Vena terminalis und koumlnnen zu einer Obstruktion mit resulti-erendem haumlmorrhagischen venoumlsen Infarkt fuumlhren Abb 727) Bei einer Ventrikelblutung ist der begleitende Infarkt in der Regel einseitig auf der Seite der ausgedehnteren Blutung zu finden ( Abb 728)

Exkurs

Intrazerebrale Blutung Fruumlhgeborener

Die intrazerebrale Blutung ist eine typische und haumlufige Komplikation Inzidenz und Schweregrad sind direkt abhaumlngig von der Un-reife der Fruumlhgeborenen Innerhalb der letzten Jahre ist die Haumlufigkeit der Hirnblutungen bei Fruumlhgeborenen mit einem Geburtsgewicht lt1500 g insgesamt zuruumlckgegangen Da zur gleichen Zeit die Mortalitaumlt der Fruumlhgeborenen ebenfalls stark abgenommen hat spiegelt die-

ses die erheblich gestiegene Qualitaumlt der neonatalen Versorgung wider Somit gilt eine niedrige Mortalitaumlt in Verbindung mit einer niedrigen Hirnblutungsrate bei Fruumlhgeborenen mit sehr niedrigem Geburtsgewicht als Quali-taumltsmaszligstab einer neonatalen VersorgungUntersuchungen der letzten 6ndash8 Jahre haben jedoch gezeigt dass trotz anhaltend sinkender Mortalitaumltsziffern die Rate der Hirnblutungen

in der Gruppe sehr unreifer Fruumlhgeborener nicht weiter abgenommen hat Dieses beruht darauf dass heute vermehrt extrem unreife Kinder aus der 24-26 Schwangerschaftswo-che uumlberleben Bei diesen Kindern haumlngt das Risiko einer Hirnblutung offenbar mehr von praumlnatalen und unreifeassoziierten Faktoren als von einer weiteren Verbesserung der post-natalen Versorgungsqualitaumlt ab

Abb 727 Schwere intraventrikulaumlre Hirnblutung mit Ventrikeldilatation beidseits sowie rechtsseitige massive intraparenchymatoumlse Blutung

Abb 728a b Intraventrikulaumlre Blutungen a Intraventrikulaumlre dem Plexus aufsitzende Blutung die sich bereits in Aufloumlsung befindet (Schaumldelsonographie Laumlngsschnitt Pfeil) b Sonographischer Befund nach Aufloumlsung der intraventrikulaumlren Blutung nachweisbar ist nur noch eine leichte Erweiterung des Ventrikels

a

b

715576 middot Das Fruumlhgeborene

kKomplikationenBei einer intraventikulaumlrer Blutung kann es zu einer Behinderung des Liquorabflusses oder der Liquorresorption kommen Die resul-tierende Ventrikeldilatation kann sich spontan zuruumlckbilden persis-tieren oder progressiv weiterentwickeln Ein solcher posthaumlmorrha-gischer Hydrozephalus mit Druckentwicklung muss neurochirur-gisch entlastet werden

kPathogeneseFuumlr die Entstehung einer Hirnblutung sind neben der Unreife des vaskulaumlren Gefaumlszlignetzes verschiedene Faktoren von Bedeutung ( Abb 729)

4 postnatale Faktoren Hypo- und Hypertension Hypoxie Ischauml-mie Azidose maschinelle Beatmung Pneumothorax PDA Sepsis Gerinnungsstoumlrungen Volumenexpansion u a

4 perinatale Faktoren Zytokinexposition bei Chorioamnionitis intrauterine Hypoxie

Aufgrund der Gefaumlszligarchitektur liegt eine gesteigerte Vulnerabilitaumlt der Mikrovaskulatur im Bereich der germinalen Matrix sowohl bei Hypotension und bei Hypertension vor Eine zerebrale Hyperper-fusion kann zu einer mechanischen Ruptur der Matrixgefaumlszlige fuumlhren ( Abb 729) Eine zerebrale Hypoperfusion eine Azidose oder Hypoxie fuumlhrt zu einer ischaumlmie-induzierten Laumlsion der Matrixge-faumlszlige Bei einer Chorioamnionitis sind proinflammatorische Zytoki-ne in der fetalen und neonatalen Zirkulation offenbar in der Lage die Gefaumlszlige der germinalen Matrix zu schaumldigen und dadurch eine Hirnblutung zu induzieren Neben einer gestoumlrten Perfusion auf der arteriellen Seite ist ein erhoumlhter venoumlser Druck in der V terminalis ebenfalls von Bedeutung Beatmete Kinder haben ein houmlheres Risiko fuumlr eine Hirnblutung insbesondere bei Entwicklung eines Pneumo-thorax ( Abb 729)

gt Durch Fortschritte in der neonatologischen Intensiv-therapie sind die beschriebenen postnatalen Ursachen der Hirnblutungsgenese in den Hintergrund geruumlckt Perinatale Faktoren haben eine zunehmende Bedeutung erlangt

kKlinikSchwere intraventrikulaumlre und intraparenchymatose Hirnblutungen (Grad 3 und 4) fuumlhren bei sehr kleinen Fruumlhgeborenen praktisch immer zu mehr oder weniger ausgepraumlgten klinischen Symptomen 4 ploumltzliche Aumlnderung der Hautperfusion raquoseptisches Aussehenlaquo

mit blass-grauem oder marmoriertem Hautkolorit und verzouml-gerter Kapillarfuumlllungszeit

4 ploumltzliche Aumlnderung des respiratorischen Status mit erhoumlhtem Sauerstoffbedarf Apnoen oder erhoumlhtem Ventilationsbedarf bei beatmeten Patienten

4 Instabilitaumlt des Blutdrucks 4 bei massiven Blutungen raquogefuumllltelaquo oder gespannte Fontanelle 4 Krampfanfaumllle 4 Abfall von Haumlmoglobin bzw Haumlmatokrit 4 muskulaumlre Hypotonie und Hypomotorik 4 Temperaturinstabilitaumlt

CaveBei entsprechenden Symptomen gehoumlrt die zerebrale Sonographie zu einer Notfalluntersuchung bei fehlender Blutung muumlssen andere Ursachen fuumlr die Zustandsver-schlechterung gesucht werden

80ndash90 der Hirnblutungen treten innerhalb der ersten 48 h nach der Geburt auf

kDiagnoseDie Diagnose wird durch die zerebrale Sonographie gestellt ( Abb 727) eine weitergehende bildgebende Diagnostik ist nicht indiziert Die anfaumlnglich echodichte Blutung wird im Verlauf zuneh-mend echoaumlrmer als Zeichen der Liquefizierung bis sie nicht mehr darstellbar ist Zum Zeitpunkt der Entlassung aus dem Krankenhaus sind bei den meisten Fruumlhgeborenen nach Hirnblutungen vom Grad 1 oder 2 keine Residuen nachweisbar Bei ca 30 der Patienten mit Ventrikelblutung kommt es zu einer Ventrikeldilatation (s un-ten) venoumlse Infarkte im Parenchymbereich hinterlassen eine poren-zephale Zyste

kTherapie PraumlventionEine kausale Therapie der intrazerebralen Blutung gibt es nicht

Abb 729 Pathogenetische Faktoren die an der Entstehung der periventrikulaumlren und intraventrikulaumlren Hirnblutung beteiligt sind

Kapitel 7 middot Neonatologie156

7

Ziel der symptomatischen Therapie ist es die Kreislauffunktion Hirnperfusion und Beatmungssituation zu stabilisieren und Fluktua-tionen der Organdurchblutung zu vermeiden Ein hoher Qualitaumlts-standard der neonatalen Versorgung ist Grundvoraussetzung fuumlr die Praumlvention potenziell vermeidbarer Hirnblutungen Diese betrifft das Vorhalten einer ausreichenden Anzahl gut geschulten Personals sowie die Regionalisierung von extrem unreifen Fruumlhgeborenen in speziell ausgestatteten Zentren Die praumlnatale Behandlung mit Glukokortikoiden und ein spaumltes Abnabeln der Kinder sind wohl die am besten belegten praumlventiven Maszlignahmen

kPrognoseDie Prognose der intrazerebralen Blutung haumlngt vor allem vom Vor-handensein einer Parenchymlaumlsion ab Waumlhrend neurologische Fol-geschaumlden bei einer erst- oder zweitgradigen Blutung nur selten auf-treten zeigen ca 13 der Fruumlhgeborenen mit ausgepraumlgter intravent-rikulaumlrer Blutung neurologische Auffaumllligkeiten Die Ausdehnung dieser Parenchymlaumlsion hat jedoch ebenfalls einen Einfluss auf die Prognose Ausgedehnte Laumlsionen mit Beteiligung der frontoparieto-okzipitalen Regionen gehen nahezu immer mit neurologischen Schaumldigungen und einer mentalen Retardierung einher Bei lokali-sierten Blutungen ist die Schaumldigungswahrscheinlichkeit geringer frontal gelegene Blutungen sind prognostisch guumlnstiger als okzipital gelegene

Die typische neurologische Konsequenz der unilateralen Hirn-parenchymblutung ist die spastische Hemiparese Wegen der Naumlhe zum Tractus corticospinalis ist dabei ist die untere Extremitaumlt deut-lich bevorzugt beteiligt (s periventrikulaumlre Leukomalazie)

768 Andere intrazerebrale Blutungen bei Fruumlhgeborenen

Ischaumlmischer und haumlmorrhagischer Infarkt (raquoStrokelaquo)Eine vaskulaumlre Minderperfusion oder Okklusion im Bereich der arteriellen Hirngefaumlszlige hat einen ischaumlmischen Infarkt zur Folge dessen Ausdehnung dem Versorgungsgebiet des betroffenen Ge-faumlszliges entspricht Stroumlmt nach Verschluss eines Arterienastes aus der

Umgebung Blut in die nekrotische Region ein oder liegt ein venoumlser Gefaumlszligverschluss vor so entsteht ein haumlmorrhagischer Infarkt Diese Laumlsionen betreffen sowohl Fruumlh- als auch reife Neugeborene Sie sind zu 90 unilateral mit Bevorzugung der linken Seite und betref-fen vor allem die A cerebri media Als Folge des Infarktes entwickelt sich eine porenzephale Zyste Selten fuumlhren praumlnatale bilaterale Ver-schluumlsse zu einer Hydranenzephalie

Die Diagnose wird durch die zerebrale Ultraschallunter-suchung gestellt Bei einigen Kindern ist bereits intrauterin eine unilaterale porenzephale Zyste nachweisbar andere zeigen zum Zeitpunkt der Geburt einen Infarkt an typischer Stelle im arteriellen Versorgungsgebiet Diese isolierten (d h ohne Ventrikelblutung auftretenden) Parenchymlaumlsionen sollten unbedingt von den oben beschriebenen Hirnblutungen vom Grad 4 unterschieden werden

In einigen Faumlllen entstehen zerebrovaskulaumlre Infarkte postnatal Die Gefaumlszligverschluumlsse koumlnnen durch Thrombose (arteriell oder ve-noumls) Embolien Vasospasmus oder Gefaumlszligfehlbidung bedingt sein haumlufig findet sich jedoch keine fassbare Ursache Infarkte die im Rahmen einer schweren arteriellen Hypotension auftreten finden sich in der Regel nicht im Versorgungsgebiet der A cerebri media

Eine spezifische Therapie ist nicht moumlglich Trotz der manchmal groszligen Ausdehnung des Defekts ist die Prognose unilateraler Ge-faumlszligverschluumlsse meist erstaunlich gut durch Hypotension oder Kreis-laufschock bedingte Infarkte haben in der Regel eine sehr schlechte Prognose

769 Periventrikulaumlre Leukomalazie

kGrundlagen

gt Als periventrikulaumlre Leukomalazie (PVL) wird eine Nekrose mit nachfolgender zystischer Umwandlung der weiszligen Substanz lateral der Seitenventrikel bezeichnet die durch eine Ischaumlmie im Grenzgebiet vaskulaumlrer Versorgungsge-biete entsteht

Es ist eine typische Laumlsion Fruumlhgeborener mit einem Maximum um die 28 Schwangerschaftswoche die Inzidenz betraumlgt bei Fruumlhgebo-renen unter der 32 SSW zwischen 3 und 9 Klinisch fuumlhrt sie haumlu-

Abb 730 Faktoren die an der Pathogenese der PVL beteiligt sind

715776 middot Das Fruumlhgeborene

fig zum Bild der spastischen Diplegie Die Diagnose wird durch die zerebrale Ultraschalluntersuchung gestellt

kNeuropathologie und zerebrovaskulaumlre ArchitekturDie pathologischen Veraumlnderungen der PVL bestehen aus einer fokalen periventrikulaumlren Nekrose sowie einer diffusen Laumlsion der umgebenden weiszligen Substanz ( Abb 730) Der fokalen immer symmetrischen bilateralen Laumlsion liegt eine ischaumlmiebedingte Nekrose zugrunde die sich innerhalb von 2ndash4 Wochen in Zysten umwandeln Durch Proliferation von Astrozyten bilden sich diese zystischen Veraumlnderungen innerhalb einiger Monate zuruumlck Diffu-ser Oligodendrogliaverlust Beeintraumlchtigung der Myelinisierung und Proliferation von Astroglia koumlnnen zu einer Verminderung des Volumens der weiszligen Substanz fuumlhren daraus resultiert als Spaumlt-folge eine Dilatation der Seitenventrikel

Die Hauptorte der fokalen Nekrose liegen in der weiszligen Subs-tanz in Houmlhe der Foramina Monroi (anterior) sowie im Trigonum-bereich (posterior) In diesem Bereich liegen die Grenzgebiete der vaskulaumlren Versorgung langer penetrierender Arterien von der Hirnoberflaumlche und der Hirnbasis ( Abb 730) Eine Ischaumlmie in diesen so genannten raquoletzten Wiesenlaquo wird als raquoWasserscheidenin-farktlaquo bezeichnet Bei zunehmender Reife aumlndert sich die Blut-versorgung Aus diesem Grunde wird bei reifen Neugeborenen eine PVL nicht mehr beobachtet

kPathogeneseFuumlr die Entstehung der PVL sind folgende Faktoren von Bedeutung ( Abb 730)

4 anatomische Voraussetzungen spezielle zerebrovaskulaumlre Architektur (s oben)

4 Faktoren die zu einer zerebralen Ischaumlmie fuumlhren 4 eine vermehrte Vulnerabilitaumlt der weiszligen Substanz

Eine zerebrale Ischaumlmie kann bei Fruumlhgeborenen durch eine Vielzahl von Faktoren bedingt sein welche praumlnatal perinatal oder postnatal ihren Ursprung haben Praumlnatale und perinatale Ursachen sind zirkulatorische Beeintraumlchtigungen aufgrund maternaler Blutun-gen waumlhrend der Schwangerschaft Plazentaloumlsungen oder Kompli-kationen bei Mehrlingsgraviditaumlt In solchen Faumlllen zeigen sich bei der Ultraschalluntersuchung unmittelbar nach der Geburt bereits periventrikulaumlre Laumlsionen an typischer Lokalisation

Am haumlufigsten entsteht eine PVL in Verbindung mit einer Chorioamnionitis Vermutlich werden Oligodendrozyten im Rah-men einer fetalen Entzuumlndungsreaktion durch proinflammatorische Zytokine und andere entzuumlndliche Mediatoren geschaumldigt Bei Fruumlh-geborenen mit PVL finden sich zum Zeitpunkt der Geburt haumlufig erhoumlhte Serumkonzentrationen an proinflammatorischen Zytoki-nen (TNF α Interleukin-6) die Hochrisikopatienten zeigen jedoch in der Regel keine Infektionssymptome

gt Eine Chorioamnionitis spielt in der Pathogenese der peri-ventrikulaumlren Leukomalazie eine entscheidende Rolle

Im zerebralen Ultraschall laumlsst sich zum Zeitpunkt der Geburt be-reits eine symmetrische periventrikulaumlre Echoverdichtung darstel-len die spaumlter in zystische Veraumlnderungen uumlbergeht ( Abb 731)

Postnatal kann eine PVL bei schweren kardiorespiratorischen Beeintraumlchtigungen auftreten Dazu gehoumlren ein persistierender Ductus arteriosus Blutdruckabfaumllle im Rahmen einer Sepsis oder eine zerebrale Hirnminderdurchblutung aufgrund einer beatmungs-bedingten ausgepraumlgten Hypokapnie oder schwerer Apnoen In sol-chen Faumlllen sind periventrikulaumlre Echoverdichtungen erst spaumlter im Verlauf sonographisch darstellbar

kKlinikIn den meisten Faumlllen von prauml- und perinatal entstandener PVL sind die Kinder asymptomatisch Eine muskulaumlre Hypotonie und Hypo-motorik wird nur bei ausgedehnten Befunden beobachtet und zeigt sich auch bei kranken Fruumlhgeborenen ohne PVL

Die klinischen Spaumltfolgen der PVL sind durch die Lokalisation der Laumlsionen bedingt ( Abb 730) Eine PVL betrifft vorwiegend die untere Extremitaumlt und fuumlhrt zu einer spastischen Diplegie Ein mas-siver Befund mit lateraler Ausdehnung kann auch zu einer Beeintraumlch-tigung der Funktion der oberen Extremitaumlt und des Intellekts fuumlhren

kPraumlventionEine Praumlvention der PVL ist zur Zeit nur bei den postnatal entstan-denen Laumlsionen moumlglich und hier auch oft nur sehr bedingt Sie besteht in der Vermeidung der Hyperventilation bei beatmeten Fruumlhgeborenen sowie der adaumlquaten Therapie einer Hypotension eines PDA oder schwerer Apnoen Eine kausale Praumlvention der Chorioamnionitis-assoziierten PVL gibt es bisher nicht

Der besondere FallAnamnese Ein weibliches Fruumlhgeborenes wurde spontan nach unauf-haltsamer Wehentaumltigkeit in der 29 Gestationswoche mit einem Ge-burtsgewicht von 1360 g geboren Der Blasensprung erfolgte 4 Tage vor der Geburt das Fruchtwasser war klar Die Mutter zeigte keine Er-houmlhung des C-reaktiven Proteins sie hatte kein Fieber Die histologi-sche Untersuchung der Plazenta aber zeigte deutliche Zeichen einer Chorioamnionitis mit massiver leukozytaumlrer Infiltration der EihaumluteBefunde Postnatal zeigte das Fruumlhgeborene eine rasche und gute cardiopulmonale Adaptation Es entwickelte kein Atemnotsyndrom und keinen zusaumltzlichen Sauerstoffbedarf Eine Ultraschalluntersu-chung des Kopfes am 2 Lebenstag zeigte eine deutliche scharf be-grenzte Echoverdichtung beidseits frontal und lateral der Seitenventri-kel Eine Echoverdichtung im Bereich der germinalen Matrix oder in-nerhalb der Seitenventrikel fand sich nichtKlinischer Verlauf Im Alter von 11 Tagen zeigte das Fruumlhgeborene eine Serie von Apnoen welche nach taktiler Stimulation sistierten Der Muskeltonus war schlaffer als vorher das Kind wies eine diskrete Marmorierung der Haut auf der Blutdruck war instabil und bedurfte einer Volumengabe Es wurde die Verdachtsdiagnose einer Sepsis ge-stellt und nach Abnahme von Blutkulturen eine antibiotische Therapie begonnen Die Blutkultur zeigt ein Wachstum von Staphylococcus

Abb 731 Zystische Erweichungsherde bei periventrikulaumlrer Leukomala-zie (Schaumldelsonographie Laumlngsschnitt)

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Kapitel 7 middot Neonatologie158

7

epidermidis Nach einer Woche waren im Ultraschallbild zystische Veraumlnderungen beidseits periventrikulaumlr nachweisbar Das Kind ent-wickelte eine spastische Diplegie bei unauffaumllliger mentaler Ent icklungBeurteilung Das Kind zeigte die typischen sonographischen Befunde einer PVL Die unmittelbar postnatal registrierten periventrikulaumlren Echoverdichtungen weisen auf eine prauml- oder perinatale Genese hin Obwohl die Anamnese keine sicheren maternalen Infektionssymptome zeigte lag histologisch eine Chorioamnionitis vor welche wahrschein-lich mit der Entstehung einer periventrikulaumlren Leukomalazie in Ver-bindung gebracht werden kann Die Chorioamnionitis hatte zu keiner kindlichen Infektion gefuumlhrt Die Atem- und Kreislaufregulations-stoumlrungen sind als Symptome der nosokomialen Sepsis zu deuten

7610 Apnoen bei Fruumlhgeborenen

kGrundlagenFruumlhgeborene insbesondere sehr unreife Kinder mit einem Geburts-gewicht lt1000 g zeigen nach der Geburt uumlber eine lange Zeit eine ausgepraumlgte kardiorespiratorische Instabilitaumlt Ohne Zeichen einer anderen Grunderkrankung treten ploumltzlich Apnoen Bradykardien und Hypoxaumlmien auf Aufgrund der Unreife zentraler Steuerungs-strukturen sind solche Apnoen bei Fruumlhgeborenen regelhaft zu beo-bachten und somit physiologisch (Fruumlhgeborenenapnoen) Sie wer-den jedoch pathologisch durch ihre Dauer und den Schweregrad der begleitenden Hypoxaumlmie undoder Bradykardie Apnoen mit relevan-ten Hypoxaumlmien und Bradykardien sind behandlungsbeduumlrftig Da die Herzauswurfleistung bei Neugeborenen im Wesentlichen durch die Herzfrequenz bestimmt wird kommt es bei solchen Ereignissen stets zu einer betraumlchtlichen Verminderung der Hirnperfusion

gt Schwere Fruumlhgeborenenapnoen koumlnnen vermutlich das Risiko fuumlr ischaumlmische Hirnlaumlsionen sowie fuumlr die Ent-wicklung einer eine Retinopathie erhoumlhen

kDefinitionenApnoen Bradykardien und Hypoxaumlmien werden in der Literatur recht unterschiedlich definiert die folgenden Definitionen werden jedoch fuumlr Fruumlhgeborene zunehmend akzeptiert 4 Apnoe Atempause gt20 s oder Atempause lt20 s mit begleiten-

der BradykardieHypoxaumlmie 4 Bradykardie Abfall der Herzfrequenz lt80min oder Abfall

gt13 des Basalwerts 4 Hypoxaumlmie SO2-Abfall lt80 Dauer ge4 s

kPathogeneseNeben dieser unreifebedingten Genese von Apnoen koumlnnen prolon-gierte Atempausen jedoch auch Symptome einer Grunderkrankung sein (symptomatische Apnoen) Insbesondere bei systemischen Infektionen oder anderen schweren Erkrankungen kommt es haumlufig zur Beeintraumlchtigung der Atemregulation

Ursachen symptomatischer Apnoen 4 Sepsis und Meningitis (besonders bei neuauftretenden

Apnoen) NEC 4 Persistierender Ductus arteriosus (Wiedereroumlffnung

eines bereits verschlossenen Ductus arteriosus) 4 Apnoen als Symptom einer beginnenden respiratori-

schen Insuffizienz bei Atemnotsyndrom Pneumonie oder BPD

4 Zentrale Atemregulationsstoumlrung bei Asphyxie Hirn-blutung Hirnfehlbildung

4 Gastrooumlsophagealer Reflux 4 Obere Luftwegsobstruktion bei Choanalstenose

Pierre-Robin-Sequenz oder Stimmbandlaumlhmung 4 Fuumltterungsbedingte Bradykardien durch Vagusreiz

CavePrinzipiell sind Apnoen solange verdaumlchtig auf eine Sepsis bis das Gegenteil bewiesen ist

Fruumlhgeborenenapnoen besser als Apnoe-Bradykardie-Hypoxaumlmie-Syndrom Fruumlhgeborener beschrieben sind komplexer Genese Zu-grunde liegt eine Kombination unreifebedingter Ursachen ganz verschiedener Organsysteme des Atemzentrums der oberen Luft-wege des Thorax und der Lunge ( Abb 732) Das Atemzentrum in der Medulla oblongata sowie die peripheren Chemorezeptoren zei-gen bei Fruumlhgeborenen eine Persistenz fetaler Reaktionsweisen Im Gegensatz zum reifen Neugeborenen das verstaumlrkt atmet reagiert das Fruumlhgeborene auf eine Hypoxie mit einer Apnoe ( Abb 732) Weiterhin liegt eine verminderte CO2-Responsivitaumlt d h es erfolgt nur eine geringe Atemstimulation bei Hyperkapnie Ein Kollaps der oberen Luftwege kann ebenso wie Thoraxinstabilitaumlt oder eine Ver-minderung des Atemminutenvolumens bei periodischer Atmung eine intermittierende Hypoventilation mit Hypoxie zur Folge haben

kDiagnoseMithilfe der gleichzeitigen Registrierung von thorakaler und nasaler Atmung Herzfrequenz und Sauerstoffsaumlttigung (Oxykardiorespi-rographie) koumlnnen bei Fruumlhgeborenen die oben beschriebenen ver-schiedenen Formen der Atemregulationsstoumlrung dargestellt werden 4 Zentrale Apnoe thorakale Atmungsaktivitaumlt und nasaler Luft-

strom sistieren parallel Herzfrequenz und Sauerstoffsaumlttigung fallen anschlieszligend ab

4 Obstruktive Apnoe thorakale Atmungsaktivitaumlt haumllt an nasaler Luftstom sistiert Herzfrequenz und Sauerstoffsaumlttigung fallen ab

4 Gemischte Apnoe erst obstruktive dann zentrale Apnoe oder umgekehrt

4 Primaumlre Hypoxaumlmie primaumlrer Abfall der Sauerstoffsaumlttigung dann Abfall von Herzfrequenz und Apnoe

gt Aufgrund der Haumlufigkeit von Apoen Bradykardien und Hypoxaumlmien bei Fruumlhgeborenen muumlssen die Vitalparame-ter dieser Kinder in der Regel uumlber lange Zeit auf einer Intensivstation uumlberwacht werden

kTherapieZur Behandlung des Apnoe-Bradykardie-Hypoxaumlmie-Syndroms Fruumlhgeborener stehen verschiedene Optionen zur Verfuumlgung Weiterhin haumlngt die Wahl der Therapiemaszlignahme von der Haumlufig-keit und Schwere der Atemregulationsstoumlrung ab

Therapeutische Maszlignahmen bei Fruumlhgeborenenapnoe 4 Taktile Stimulation Taktile Maszlignahmen wie Streicheln

oder sanftes Schuumltteln fuumlhren in den meisten Faumlllen zur Wiederaufnahme der Atmung

4 Atemstimulation durch Methylxanthine (Coffein Theophyllin) oder Doxapram

6 6

715977 middot Lungenerkrankungen des Neugeborenen

4 Verminderung von Hypoxaumlmien durch Nasen-CPAP undoder geringfuumlgige Anhebung der inspiratorischen Sauerstoffkonzentration (5)

4 Bei Versagen dieser Maszlignahmen ist eine maschinelle Beatmung erforderlich

Es gibt zur Zeit keine sicheren Angaben wie viele Apnoen und welcher Schweregrad toleriert werden koumlnnen und somit keine klaren Indikationen wann die konservative Behandlung beendet und eine maschinelle Beatmung erfolgen soll Wenn bei schweren Apnoen wiederholt eine Maskenbeatmung zur Behandlung der Bradykardie und Hypoxie notwendig ist besteht in der Regel die Indikation zur maschinellen Beatmung

CaveDie auf den Intensivstationen uumlbliche Uumlberwachung der Sauerstofftherapie durch Pulsoxymeter ist nur fuumlr die Erfassung einer Hypoxie sinnvoll und eignet sich nicht gut fuumlr die Kontrolle einer Hyperoxie Diese erfolgt besser durch die transkutane Messung des pO2

77 Lungenerkrankungen des Neugeborenen

771 Transitorische Tachypnoe

kDefinitionDie transitorische Tachypnoe (Synonym transientes Atemnotsyn-drom des Neugeborenen raquofluid lunglaquo Fluumlssigkeitslunge) entwickelt sich in den ersten Lebensstunden nach der Geburt uumlberwiegend bei reifen Neugeborenen oder relativ raquoreifenlaquo Fruumlhgeborenen Charak-teristisch ist die deutlich beschleunigte Atemfrequenz mit minima-len Einziehungen und gelegentlich auftretender leichter Zyanose Die Erkrankung bildet sich in der Regel innerhalb der ersten 2ndash3 Le-benstage spontan zuruumlck

kPathogeneseDie transitorische Tachypnoe wird vermutlich durch eine ver-zoumlgerte Resorption der kindlichen Lungenfluumlssigkeit uumlber die pulmonalen Lymph- und Blutgefaumlszlige oder aber einen vermehrten pulmonalen Fluumlssigkeitsgehalt ausgeloumlst Die praumldisponierenden Faktoren die mit einer normalen Fluumlssigkeitsresorption interferie-ren oder aber zu einer Erhoumlhung des pulmonalen Fluumlssigkeitsgehalts fuumlhren sind in der Uumlbersicht dargestellt

Faktoren die mit verzoumlgerter Fluumlssigkeitsresorption oder vermehrtem pulmonalem Fluumlssigkeitsgehalt einhergehen

4 Sectio caesarea am wehenlosen Uterus 4 raquoWunschlaquosectio vor der 39 Gestationswoche 4 Perinatale Asphyxie 4 Muumltterlicher Diabetes 4 Exzessive muumltterliche Analgesie 4 Oxytocin und vermehrte maternale Fluumlssigkeitszufuhr 4 Polyglobulie (Polyzythaumlmie) des Neugeborenen 4 Erhoumlhter zentraler Venendruck des Neugeborenen 4 Verspaumltetes raquoAbnabelnlaquo

kKlinikDie Neugeborenen fallen durch eine kurze Zeit nach der Geburt einsetzende Tachypnoe (bis zu 120 Atemzuumlgemin) auf die nur von geringen Einziehungen und wechselnd ausgepraumlgtem inspiratori-schem Stoumlhnen begleitet ist die Lungen sind haumlufig uumlberblaumlht Bei Hypoxaumlmie ist in der Regel eine Zufuhr von 30ndash40 O2 in der Inspirationsluft ausreichend um eine suffiziente Oxygenierung zu erzielen Das Roumlntgenthoraxbild zeigt typischerweise vermehrte zen-trale Verdichtungen mit einer peripheren Uumlberblaumlhung der Lunge und gelegentlich interlobaumlren Fluumlssigkeitsansammlungen oder kleinen Pleuraerguumlssen Gelegentlich entwickelt sich auf dem Boden einer massiven pulmonalen Uumlberblaumlhung eine pulmonale Hyper-tonie mit Rechts-links-Shunt die in das gefuumlrchtete Krankheitsbild der persistierenden pulmonalen Hypertonie einmuumlnden kann

Abb 732 Unreifebedingte Faktoren mit Bedeutung fuumlr die Genese von Apnoen Bradykardien undoder Hypoxaumlmien bei Fruumlhgeborenen

Kapitel 7 middot Neonatologie160

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kDiagnoseDie Diagnose der transitorischen Tachypnoe basiert haumlufig auf dem Ausschluss anderer akuter pulmonaler Erkrankungen und wird haumlufig erst retrospektiv gestellt Neonatale Pneumonien insbeson-dere mit β-haumlmolysierenden Streptokokken der Gruppe B koumlnnen unter einer identischen initialen Dynamik verlaufen

kTherapieBei Atemfrequenzen gt80min wegen Aspirationsgefahr keine orale Ernaumlhrung intravenoumlse Fluumlssigkeitszufuhr bei Bedarf O2-Gabe haumlufig ist eine kurzzeitige antibiotische Behandlung indiziert

772 Mekoniumaspirationssyndrom

kDefinitionNach der Aspiration von Mekonium entwickelt sich eine pathogene-tisch komplexe Erkrankung die durch eine akute Atemnotsympto-matik der uumlberwiegend uumlbertragenen oder reifen hypotrophen Neugeborenen und einen kompatiblen radiologischen Lungen-befund charakterisiert ist Mekoniumhaltiges Fruchtwasser ist bei 10ndash18 aller Geburten nachzuweisen

kEpidemiologieDie Inzidenz des schweren Mekoniumaspirationssyndroms liegt zwischen 02ndash6 erkrankten Neugeborenen1000 Lebendgeborene Es bestehen erhebliche geographische und regionale Unterschiede in der Erkrankungshaumlufigkeit

kAumltiopathogeneseMekonium besteht aus eingedickten intestinalen Sekreten und Zellen sowie loumlslichen und zellulaumlren Fruchtwasserbestandteilen Die wasserloumlslichen Festsubstanzen bestehen u a aus Mukopoly-sacchariden Plasmaproteinen Proteasen konjugiertem Bilirubin die fettloumlslichen Bestandteile u a aus Bilirubin Bilirubinoiden freien Fettsaumluren Cholesterin und Glykolipiden Mekonium wird bereits von der 10ndash16 Gestationswoche an im fetalen Gastrointes-tinaltrakt gefunden Aufgrund einer intestinalen Hypomotorik wird

nur selten ein Mekoniumabgang bei Fruumlhgeborenen beobachtet Die Haumlufigkeit des Auftretens von mekoniumhaltigem Fruchtwasser ist direkt mit der Reife der Neugeborenen verbunden und ist mit houmlheren Serumspiegeln des properistaltischen Hormons Motilin as-soziiert Bei fehlenden Hinweisen auf eine intrauterine oder subpar-tale Gefaumlhrdungssituation duumlrfte ein Mekoniumabgang vor allem ein reifeabhaumlngiges Phaumlnomen reflektieren Eine akute intrauterine oder subpartuale kindliche Hypoxie kann gerade in den letzten Gestationswochen einen vorzeitigen Mekoniumabgang ausloumlsen der besonders bei einem Oligohydramnion ein sehr konsistentes raquoerbsbreiartigeslaquo Fruchtwasser hinterlassen kann Der Abgang von partikelhaltigem und dickfluumlssigem Mekonium praumldisponiert zur Entstehung eines Mekoniumaspirationssyndroms und zu kompli-zierten Erkrankungsverlaumlufen

Die konnatale Listerioseinfektion kann eine Ursache fuumlr den vorzeitigen Mekoniumabgang bei Fruumlhgeborenen sein

kPathophysiologieIm Verlauf einer intrauterinen oder subpartualen Hypoxie die zu einer Vasokonstriktion mesenterialer Gefaumlszlige Darmischaumlmie konsekutiver Hyperperistaltik und Sphinkterrelaxation fuumlhrt tritt ein fruumlhzeitiger Mekoniumabgang auf Die Aspiration von Meko-niumpartikeln kann durch eine hypoxieinduzierte vorzeitige Atemtaumltigkeit die ein bestimmtes Muster aufweist bereits in utero erfolgen haumlufiger findet die Aspiration von Mekonium jedoch un-mittelbar nach der Geburt statt Bei gt50 aller Neugeborenen mit mekoniumhaltigem Fruchtwasser lassen sich Mekoniumbestand-teile im Trachealaspirat nachweisen die bei der Mehrzahl der Kinder folgenlos eliminiert werden Groumlszligere Mekoniumpartikel die mit den ersten Atemzuumlgen in die kleineren Luftwege gelangen fuumlhren zu einer partiellen Bronchusobstruktion und Verlegung der Alveolen Die Folgen sind die Ausbildung von Atelektasen uumlberblaumlhten emphysematoumlsen Arealen (raquoair trappinglaquo) und extraalveolaumlre Luftansammlungen (interstitielles Emphysem Pneumothorax Pneumomediastinum etc Abb 83 Abb 733)

Durch im Mekonium enthaltene Substanzen (z B Fettsaumluren) entwickelt sich innerhalb von 24ndash48 h eine chemische Pneumonie Daruumlber hinaus fuumlhren verschiedene Proteine und Phospholipasen zu einer direkten Inaktivierung des Surfactantsystems Haumlufig bilden sich intrapulmonale Shunts und eine durch eine Konstriktion der Lungengefaumlszlige bedingte persistierende pulmonale Hypertonie aus die zu einer Rekonstitution fetaler Zirkulationsverhaumlltnisse fuumlhren kann

kKlinikDas klinische Bild wird vom Schweregrad der intrauterinen Asphyxie und dem Ausmaszlig der Mekoniumaspiration bestimmt Die Neu-geborenen fallen unmittelbar nach Geburt durch schwere Atem depression Schnappatmung Bradykardie Hypotonie Schocksymptome auf die Haut ist mit Mekonium bedeckt Finger-naumlgel und Nabelschnur koumlnnen gruumlnlich verfaumlrbt sein Neuge-borene mit Spontanatmung weisen eine Tachypnoe ausgepraumlgte Dyspnoezeichen und evtl eine Zyanose auf Die Roumlntgenthorax-aufnahme zeigt dichte fleckige Infiltrate neben uumlberblaumlhten Arealen abgeflachte Zwerchfelle und haumlufig extraalveolaumlre Luft ( Abb 734)

kPraumlventionDurch sorgfaumlltiges fetales Monitoring sind die Warnzeichen der intrauterinen Hypoxie zu erkennen Bestehen Hinweise auf eine kindliche Gefaumlhrdung so ist die sofortige Geburtsbeendigung obli-gat Bei allen Geburten die durch mekoniumhaltiges Fruchtwasser

Abb 733 Pathogenetische Sequenz der Mekoniumaspiration neben mechanischen Faktoren die zu einer schweren Beeintraumlchtigung der Lungenfunktion beitragen beguumlnstigt die chemische pulmonale Inflamma-tionsreaktion die Entwicklung von Hypoxie und Azidose

716177 middot Lungenerkrankungen des Neugeborenen

auffallen sollte umgehend ein erfahrener Kinderarzt zur postnatalen Versorgung des Neugeborenen hinzugezogen werden

gt Bei Abgang von mekoniumhaltigem Fruchtwasser muss bereits vor dem ersten Atemzug d h nach der Geburt des kindlichen Kopfes von Geburtshelfer oder Hebamme Mekonium aus dem Oropharynx entfernt werden

Findet sich bei einem klinisch auffaumllligen Neugeborenen waumlhrend der laryngoskopischen Inspektion des Kehlkopfes Mekonium unter-halb der Stimmbaumlnder so ist es unverzuumlglich mit einem dicklumigen Katheter oder evtl direkt uumlber einen Endotrachealtubus abzusau-gen Bei groumlszligeren Mengen erbsbreiartigen Mekoniums in den Luft-wegen sollte eine Bronchiallavage durchgefuumlhrt werden Tierexpe-rimentelle Untersuchungen und einzelne klinische Erfahrungsbe-richte aus juumlngster Zeit weisen darauf hin dass eine Bronchiallavage mit einer verduumlnnten Loumlsung einer natuumlrlichen Surfactantpraumlpara-tion (ca 5 mg Phospholipideml) zu einer deutlichen Verbesserung der Oxygenierung und Ventilation fuumlhren Auf eine primaumlre Mas-kenbeatmung ist ndash wenn moumlglich ndash zu verzichten

kTherapieDie zum Teil auszligerordentlich schwierige Behandlung Neugeborener mit Mekoniumaspirationssyndrom schlieszligt zur Behandlung der Hypoxaumlmie eine konventionelle Beatmungstherapie die Hochfre-quenzoszillationsbeatmung die Surfactantsubstitutionstherapie und den Einsatz von Stickstoffmonoxid (NO) ein Als Ultima-ratio-Therapie ist eine extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO) zu erwaumlgen Einzelheiten der Therapie sind den Lehrbuumlchern der Neonatologie zu entnehmen

773 Pneumothorax

kEpidemiologieEin spontaner asymptomatischer Pneumothorax tritt bei ca 05ndash1 aller Neugeborenen auf Die Pneumothoraxinzidenz bei maschinell beatmeten Fruumlhgeborenen mit Atemnotsyndrom betrug vor Einfuumlh-rung der Surfactanttherapie 15ndash30 Inzwischen wird diese Kompli-kation bei 3ndash6 aller beatmeten Fruumlhgeborenen beobachtet

kAumltiologieEin symptomatischer Pneumothorax kann bei einer Reihe pulmo-naler Erkrankungen Fruumlh- und Neugeborener auftreten Atemnot-syndrom Mekoniumaspiration Lungenhypoplasie kongenitale Zwerchfellhernie transitorische Tachypnoe Aspirationspneumonie Staphylokokkenpneumonie mit Pneumatozele lobaumlres Emphysem nach Thorakotomie Ebenso findet es sich nach unsachgemaumlszliger Reanimation und maschineller Beatmung

kPathogeneseEin hoher intraalveolaumlrer Druck der durch erhoumlhten Spitzendruck und positiv endexspiratorischen Druck (raquopositive endexpiratory pressurelaquo PEEP) bei maschineller Beatmung entsteht oder aber von tachypnoeischen spontanatmenden Kindern durch einen er-houmlhten so genannten raquoAuto-PEEPlaquo gebildet wird kann besonders in ungleich beluumlfteten Lungenarealen zu einer Uumlberblaumlhung von Alveolen und zu einer moumlglichen Ruptur der Alveolarwand fuumlhren Die extraalveolaumlre Luft ist in der Lage durch das interstitielle Ge-webe und entlang der perivaskulaumlren Gefaumlszligscheiden sowie der peribronchialen Lymphgefaumlszlige zu entweichen In Abhaumlngigkeit von der Ausbreitung der Luft ist mit einer Reihe von Komplikationen zu rechnen interstitielles Emphysem Pneumomediastinum Span-nungspneumothorax Pneumoperitoneum Pneumoperikard und subkutanes zervikales oder thorakales Emphysem

Ein Spannungspneumothorax entwickelt sich bei einer druck-wirksamen Ansammlung von Luft im Pleuraspalt Ein einseitiger Spannungspneumothorax fuumlhrt nicht nur zu einer schweren Venti-lationsstoumlrung der betroffenen gelegentlich kollabierten Lungens-eite sondern durch die Mediastinalverlagerung auch der kontralate-ralen Lunge Daneben wird durch Kompression der V cava oder Torsion der groszligen Gefaumlszlige der venoumlse Ruumlckfluss erheblich be-eintraumlchtigt Bei der Entstehung des interstitiellen Emphysems scheinen nicht nur physikalische Faktoren von Bedeutung zu sein sondern auch pulmonale Entzuumlndungsvorgaumlnge und proteolytische Lungengeruumlstschaumldigungen die u a nach praumlnatalen Infektionen beobachtet wurden

kKlinikDie klinischen Leitsymptome des gefuumlrchteten Spannungspneumo-thorax sind

4 ploumltzlich einsetzende Atemnot 4 Zyanose 4 Hypotension 4 Schocksymptome 4 Bradykardie 4 Thoraxasymmetrie 4 Verlagerung der Herztoumlne 4 seitendifferentes Atemgeraumlusch

Gerade bei kleinen Fruumlhgeborenen kann die Diagnose eines Span-nungspneumothorax schwierig sein da bei maschinell beatmeten Patienten nicht immer ein fehlendes oder abgeschwaumlchtes Atem-geraumlusch nachweisbar ist

kDiagnose TherapieIn lebensbedrohlichen Situationen darf keine Zeit durch Anferti-gung einer Roumlntgenaufnahme vergehen es ist eine sofortige Pleura-punktion mit Entlastung des Pneumothorax durchzufuumlhren

Anschlieszligend wird eine Pleuradrainage unter optimalen Bedin-gungen gelegt Die Transillumination des Thorax mit einer fiberop-tischen Kaltlichtlampe erlaubt eine rasche Identifizierung des illumi-nierenden lufthaltigen Pleuraraumes ( Abb 735)

Abb 734 Radiologische Veraumlnderungen bei schwerem Mekonium-aspirationssyndrom neben verdichteten dystelektatischen Arealen finden sich typische uumlberblaumlhte Lungenanteile

Kapitel 7 middot Neonatologie162

7

774 Kongenitales lobaumlres Emphysem

kDefinitionDas kongenitale lobaumlre Emphysem ist durch eine Uumlberblaumlhung einer oder mehrerer Lungenlappen charakterisiert ( Abb 736) Meistens sind die Oberlappen oder der rechte Mittellappen be-troffen Ungefaumlhr 10 der betroffenen Kinder haben zusaumltzlich ein Vitium cordis oder andere Fehlbildungen

kAumltiologieAls Ursachen des lobaumlren Emphysems das mit der zunehmenden Uumlberblaumlhung auch normales Lungengewebe komprimiert werden

Stoumlrungen im Aufbau der Bronchialwand (z B Fehlen des bronchia-len Knorpels) intraluminale Bronchusobstruktionen (eingedicktes Sekret Schleimhautfalten) oder extraluminale Bronchusobstruk-tionen (z B Kompression durch aberrierende Gefaumlszlige) gefunden

kKlinik TherapieHaumlufig entwickelt sich die klinische Symptomatologie die durch eine progrediente Tachypnoe und andere Dyspnoezeichen auffaumlllt innerhalb der ersten Lebenswochen Einige Neugeborene erkranken allerdings unmittelbar postnatal an einer akuten progredienten Atemnotsymptomatik Bei diesen Kindern ist eine sofortige Bron-choskopie undoder Resektion des betroffenen uumlberblaumlhten Lun-genteils lebensrettend Bei vital milder aber progredienter Sympto-matik ist eine chirurgische Therapie angezeigt Nur bei asymptoma-tischen Kindern kann unter regelmaumlszligiger Kontrolle auf eine invasive Behandlung verzichtet werden da sich ein lobaumlres Emphysem ge-legentlich zuruumlckbilden kann

775 Lungenhypoplasie

kDefinitionEine Lungenhypoplasie ist entweder Ausdruck einer gestoumlrten Organanlage oder einer Ausreifungsstoumlrung der fetalen Lunge die durch verschiedene mit der normalen Lungenentwicklung inter-ferierende Faktoren ausgeloumlst werden kann

kAumltiopathogeneseEine Anlagestoumlrung der Lunge wird bei seltenen Chromosomen-aberationen beobachtet Wesentlich haumlufiger entwickelt sich eine Lungenhypoplasie im Rahmen fetaler Grunderkrankungen oder Stouml-rungen die mit der normalen Ausbildung der Alveolen inter ferieren Ein Mangel an Fruchtwasser der zu einem Verlust intraalveolaumlrer Fluumlssigkeit in der vulnerablen Phase der Lungenentwicklung (vor der 26 Gestationswoche) fuumlhrt kann eine schwere Lungenhypoplasie

Abb 735a b Diagnose eines linksseitigen Pneumothorax durch Transillumination mit Hilfe einer Kaltlichtlampe (a) linksseitiger Spannungspneumo-thorax mit Verdraumlngung des Mediastinums nach rechts (Roumlntgen-Thorax) (b)

a b

Abb 736 Lobaumlres Emphysem des linken Lungenoberlappens bei einem 4 Wochen alten Fruumlhgeborenen der 36 Gestationswoche Mediastinalver-schiebung nach rechts Kompression des linken Unterlappens

716377 middot Lungenerkrankungen des Neugeborenen

nach sich ziehen Eine bilaterale Nierenagenesie (Potter-Sequenz) Anhydramnie bei vorzeitigem Blasensprung oder Fruchtwasserver-lust nach Amniozentese sind als Ursache der Lungenhypoplasie defi-niert Aber auch fehlende intrauterine Atembewegungen der Feten wie sie bei neuromuskulaumlren Erkrankungen Myasthenia gravis An-enzephalie u a Erkrankungen beobachtet werden koumlnnen die nor-male Entwicklung nachhaltig beeinflussen Eine Kompression der fe-talen Lunge nach Malformation des Thorax fuumlhrt bei verschiedenen Skeletterkrankungen (u a asphyxierende Thoraxdysplasie) zu einer Lungenhypoplasie Auch andere Fehlbildungen wie die Zwerchfellher-nie und Chylothorax koumlnnen uumlber eine Kompression des Lungenge-webes die normale Wachstumsdynamik nachhaltig beeintraumlchtigen

kKlinik DiagnoseDie schwere Lungenhypoplasie manifestiert sich entweder unter dem Bild einer Asphyxie oder aber schwersten respiratorischen Insuffizienz Die hypoplastischen Lungen lassen sich haumlufig auch unter intensiven Beatmungsmaszlignahmen nicht wirksam eroumlffnen Haumlufig treten bilaterale Pneumothoraces auf einige Patienten ent-wickeln auf dem Boden einer primaumlren pulmonalen Hypertonie eine persistierende fetale Zirkulation Bei ausgepraumlgten Formen der Lungenhypoplasie ist die Prognose infaust Die Thoraxaufnahme zeigt typischerweise schmale Lungen mit einem glockenfoumlrmigen Thorax ( Abb 737) Die Diagnose ist allerdings haumlufig nur zu ver-muten und wird anhand anamnestischer Risiken sowie des postna-talen Verlaufs nicht selten retrospektiv gestellt Post mortem kann durch Bestimmung des Lungengewichts sowie mithilfe morphome-trischer Techniken die Verdachtsdiagnose verifiziert werden

kTherapieNur bei weniger ausgepraumlgten Formen der Lungenhypoplasie kann durch differenzierte Beatmungstechniken Einsatz von Stickstoff-monoxid NO und gegebenenfalls Surfactantsubstitution (sekun-

daumlrer Surfactantmangel) eine nachhaltige Stabilisierung der Lungen-funktion erzielt werden

776 Zwerchfellhernie (Enterothorax)

kEpidemiologieDie Inzidenz einer Zwerchfellhernie betraumlgt ca 0251000 Lebend-geborene 80ndash90 der Hernien treten auf der linken Seite auf

kPathogeneseEin Zwerchfelldefekt kann zu einer Verlagerung saumlmtlicher Bauch-organe in die Thoraxhoumlhle fuumlhren ( Abb 738) Dieses Krankheits-bild ist ein dringlicher Notfall der Neugeborenenchirurgie (7 Kap 36) Infolge der Lungenkompression und Herzverlagerung kann sich eine schwerste rasch progrediente respiratorische und kardiozirkulatorische Insuffizienz mit persistierender fetaler Zir-kulation entwickeln ( Abb 739)

gt Die operative Versorgung eines Neugeborenen mit Zwerchfellhernie sollte erst nach optimaler Stabilisierung der respiratorischen und kardiozirkulatorischen Funktio-nen erfolgen

kKlinikDie Leitsymptome der Zwerchfellhernie sind 4 zunehmende Atemnot 4 Zyanose 4 Schocksymptome 4 Verlagerung der Herztoumlne 4 ein asymmetrisch vorgewoumllbter Thorax ohne Atemexkursion 4 fehlendes Atemgeraumlusch 4 evtl Darmgeraumlusche im Thorax 4 ein eingesunkenes raquoleereslaquo Abdomen

Abb 737 Radiologischer Befund einer aumltiologisch ungeklaumlrten Lungen-hypoplasie bei einem Fruumlhgeborenem der 34 Gestationswoche

Abb 738 Linksseitiger Zwerchfelldefekt mit intrathorakal gelegenem Magen und Darmanteilen massive Verlagerung des Herzens nach rechts

Kapitel 7 middot Neonatologie164

7

kTherapieDa mit zunehmender Luftfuumlllung des intrathorakal gelegenen Darmes Lunge Herz und Mediastinum verdraumlngt werden und somit eine Spannungssymptomatik entstehen kann ist eine primaumlre Maskenbeatmung obsolet Die Neugeborenen werden umgehend intubiert erhalten eine offene Magensonde und werden bereits im Kreiszligsaal auf die betroffene Seite gelagert

kPrognoseDie Prognose der Zwerchfellhernie wird entscheidend vom Grad der Lungenhypoplasie der optimalen Erstversorgung der chirurgi-schen Therapie und der anschlieszligenden intensivmedizinischen Behandlung beeinflusst Die Diagnose kann bei bereits zum Unter-suchungszeitpunkt vorliegendem Enterothorax praumlnatal gestellt werden

777 Neonatale Pneumonien

kDefinitionEine neonatale Pneumonie entwickelt sich auf dem Boden einer intrauterinen sub- oder postnatalen Infektion mit muumltterlichen oder nosokomialen Erregern u a durch Aspiration infizierten Fruchtwassers Man kann davon ausgehen dass bakteriell kontami-niertes Fruchtwasser oder infizierte Lungenfluumlssigkeit mit den ers-ten Atemzuumlgen in die terminalen Atemwege gelangt und dort mit einer kurzen Latenz eine Entzuumlndungsreaktion ausloumlst Dieser Mechanismus erklaumlrt das oftmals symptomfreie Intervall nach der Geburt ( Abb 740)

kPathogenesePathogenese Risikofaktoren und Erregerspektrum sind im 7 Ab-schn 7109 abgehandelt

Beatmete und intensivmedizinisch behandelte Fruumlh- und Neugeborene sind besonders gefaumlhrdet eine Pneumonie mit Pseudomonas- oder Klebsiellenspezies zu akquirieren Chlamy-dien und Ureaplasmen kommen ebenfalls als Erreger von Pneu-monien Fruumlhgeborener vor Seltener treten Mykoplasmen als Er-reger auf

gt Bei langzeitbeatmeten Fruumlhgeborenen die uumlber laumlngere Zeit antibiotisch behandelt wurden ist immer an eine Pilzpneumonie insbesondere mit Candida spp zu denken

kKlinikDie klinische Symptomatik einer in den ersten Lebensstunden und Lebenstagen oder auch spaumlter auftretenden neonatalen Pneumonie verlaumluft haumlufig unter dem Bild eines progredienten Atemnot-syndroms mit Tachypnoe Einziehungen und Nasenfluumlgeln

kTherapieDie primaumlre antibiotische Behandlung muss gegen die potenziellen Mikroorganismen gerichtet sein (s Therapie der neonatalen Sepsis) Bei Atem- undoder Kreislaufinsuffizienz der erkrankten Neuge-borenen wird die erforderliche Supportivtherapie durchgefuumlhrt Chlamydien- und Ureaplasmapneumonien werden mit Erythromy-cin behandelt Pneumocystispneumonien mit TrimethoprimSulfa-methoxazol

778 Persistierende pulmonale Hypertonie (persistierende fetale Zirkulation)

kDefinitionDie persistierende pulmonale Hypertonie (PPH syn persistierende fetale Zirkulation) ist ein lebensbedrohliches Krankheitsbild das auf dem Boden eines persistierenden erhoumlhten pulmonalen Gefaumlszlig-druckes durch einen signifikanten Rechts-links-Shunt uumlber das of-fene Foramen ovale uumlber den persistierenden Ductus arteriosus und auch intrapulmonale Shunts ohne Hinweise auf eine strukturel-le Herzerkrankung charakterisiert ist

kAumltiologieDie PPH tritt uumlberwiegend bei reifen und uumlbertragenen Neuge-borenen auf Nach intrauteriner und subpartualer Hypoxie muumltterlicher Aspirin- und Indometacineinnahme waumlhrend der Schwangerschaft wurde eine Verdickung und Ausdehnung der Ge-faumlszligmuskulatur bis in kleine pulmonale Arterien hinein beschrieben Am haumlufigsten entwickelt sich eine PPH sekundaumlr bei Neugeborenen

Abb 739 Charakteristischer radiologischer Befund einer linksseitigen Zwerchfellhernie luftgefuumlllte Darmschlingen Verlagerung des Mediasti-nums und des Herzens nach rechts verdichtete Lunge rechts

Abb 740 Aumltiopathogenese der neonatalen Pneumonie Bakteriell infizierte Lungenfluumlssigkeit gelangt mit den ersten Atemzuumlgen des Neu-geborenen in die terminalen Atemwege

716577 middot Lungenerkrankungen des Neugeborenen

nach Mekoniumaspiration Weitere Erkrankungen in deren Folge sich eine PPH entwickeln kann sind die subpartuale und post-natale Hypoxie die neonatale Sepsis mit β-haumlmolysierenden Streptokokken der Gruppe B und Listerien die Zwerchfellhernie die Lungenhypoplasie Pneumothorax Hyperviskositaumltssyndrom Hypoglykaumlmie und Hypothermie sowie ein Atemnotsyndrom Die PPH ist nicht selten idiopathisch Die Praumlvalenz dieser Erkran-kung wurde auf etwa 1 Neugeborenes pro 1000 Lebendgeborene geschaumltzt

kPathophysiologieBei intranataler oder postnataler Hypoxie entwickelt sich rasch eine metabolisch-respiratorische Azidose Die normalerweise durch Anstieg des paO2 und Abfall der paCO2 unmittelbar nach der Geburt einsetzende Dilatation der Lungenarterien bleibt aus die Azidose induziert uumlber eine pulmonale Vasokonstriktion eine pulmonale Hypertonie die uumlber das Foramen ovale den Ductus arteriosus Bo-talli und intrapulmonale Shunts die Entwicklung eines persistieren-den Rechts-links-Shunts nach sich zieht Es bildet sich eine zuneh-mende Sauerstoffuntersaumlttigung des arteriellen Blutes aus die mit der postnatal einsetzenden Vasodilatation interferiert ( Abb 741) Bei einigen dieser Patienten liegen bereits pulmonale Gefaumlszligveraumlnde-rungen im Sinne einer Mediahypertrophie vor die Ausdruck einer chronischen intrauterinen Hypoxie sein koumlnnten (primaumlrer pulmo-naler Hochdruck andere Kinder haben als Grunderkrankung eine mehr oder weniger ausgepraumlgte Lungenhypoplasie) Potente Stimuli der pulmonalen Vasokonstriktion sind Leukotriene und weitere Lipidmediatoren deren Freisetzung bei allen sekundauml ren Formen der PPH durch Hypoxie Infektionen und die im Verlauf verschie-denster Grunderkrankungen einsetzenden Inflammationsreaktion gefoumlrdert wird

kKlinikDie Neugeborenen erkranken in der Regel innerhalb der ersten 12 Lebensstunden In Abhaumlngigkeit von der Grunderkrankung ste-hen entweder die Zyanose (Polyzythaumlmie idiopatische PPH u a) oder die schwere Atemnotsymptomatik mit Zyanose (Mekoniu-maspiration Zwerchfellhernie u a) im Vordergrund Die Patienten koumlnnen innerhalb kurzer Zeit ein Multiorganversagen oder Myokar-dischaumlmie entwickeln Die klinische Verdachtsdiagnose einer PPH kann durch die prauml- und postduktale O2-Differenz und nicht zuletzt durch die Echokardiographie (einschlieszliglich dopplersonographi-scher Diagnostik) bestaumltigt werden Der Roumlntgenthoraxbefund ist bei einigen Erkrankungen unauffaumlllig (Asphyxie Hyperviskositaumlts-syndrom etc) bei anderen zeigt er die typischen Veraumlnderungen der Grunderkrankung

kTherapieZu einer optimalen Behandlung gehoumlrt ndash wenn immer moumlglich ndash eine Korrektur der Grundproblematik sowie eine gezielte Suppor-tivtherapie und Behandlung aller im Verlauf der Erkrankung auf-getretenen Komplikationen wie z B Hypotension myokardiale Dysfunktion Azidose Die Kinder sind zu sedieren und gegebenen-falls zu relaxieren Der entscheidende therapeutische Ansatz ist eine suffiziente maschinelle Beatmung mit ausreichender Oxyge-nierung Die fruumlher geuumlbte Hyperventilationstherapie mit einem pCO2 von 20ndash25 mmHg ist wegen der Drosselung der zerebralen Durchblutung heute obsolet Zusaumltzlich wird das kurzzeitig wirksa-me und gut steuerbare Prostazyklin auch in inhalativer Form ein-gesetzt

Als vielversprechender neuer therapeutischer Ansatz ist die in-halative Behandlung mit NO (raquonitric oxidelaquo Stickstoffmonoxid)

anzusehen NO fuumlhrt zu einer selektiven Vasodilatation der Pulmo-nalgefaumlszlige in den ventilierten Lungenarealen Zurzeit verfuumlgen nur einige Neonatalzentren uumlber die Therapiemoumlglichkeit Neugebore-ne die auf keine dieser Maszlignahmen ansprechen werden einer Hochfrequenzoszillationsbeatmungstherapie zugefuumlhrt

Reichen diese Maszlignahmen nicht aus um eine ausreichende Oxygenierung zu erreichen so sollte der Patient mit einer extrakor-poralen Membranoxygenierung (ECMO) behandelt werden Die international anerkannten Kriterien fuumlr ECMO-Therapie sind Ge-stationsalter gt34 Wochen Geburtsgewicht gt20 kg keine Gerin-nungsstoumlrung fehlendes Ansprechen auf alle erwaumlhnten therapeuti-schen Maszlignahmen und das Vorliegen eines Oxygenierungsindex (OI) von 25ndash40 (mittlerer Atemwegsdruck [cmH2O] times FiO2 times 100paO2 [mmHg])

kPrognoseDie neonatale Sterblichkeit der PPH liegt bei 20ndash30 In den wenigen Langzeituntersuchungen der uumlberlebenden Kinder wird deutlich dass nur ca 40 diese Erkrankung unbeschadet uumlberste-hen die restlichen Patienten weisen neurologische Folgeschaumlden in unterschiedlichster Auspraumlgung auf Bei 20 der Kinder wurde ein neurosensorischer Houmlrverlust diagnostiziert

779 Lungenblutung

kDefinitionEine akute von den Alveolen ausgehende Lungenblutung tritt uumlberwiegend bei Fruumlhgeborenen und hypotrophen Neugeborenen auf die an verschiedensten Erkrankungen der Neonatalperiode leiden

kEpidemiologieWaumlhrend bei mehr als 10 verstorbener Neugeborener eine Lungen-blutung autoptisch diagnostiziert wird entwickelt sich dieses lebens-bedrohliche Ereignis bei weniger als 5 aller Fruumlhgeborenen mit

Abb 741 Circulus vitiosus der perinatalen Hypoxie und postnataler Risikofaktoren die zur Entwicklung einer pulmonalen Hypertonie und per-sistierenden fetalen Zirkulation fuumlhren

Kapitel 7 middot Neonatologie166

7

einem Geburtsgewicht lt1500 g die an einem Atemnotsyndrom er-krankt sind

kAumltiologiePraumldisponierende Faktoren fuumlr eine Lungenblutung sind eine neo-natale Streptokokkenpneumonie die perinatale Asphyxie Hypo-thermie Azidose Hypoglykaumlmie Gerinnungsstoumlrungen Herzver-sagen schwere Erythroblastose Surfactanttherapie und Sauerstoff-toxizitaumlt

kKlinikAkute Blutung aus Mund Nase und den Atemwegen mit rasch progredientem Kreislauf- und Atmungsversagen In den Roumlnt-genthoraxaufnahmen zeigt sich eine zunehmende Verdichtung der Lunge

kTherapieUnverzuumlgliche Stabilisierung der Beatmungs- und Kreislaufsituation mit allen zur Verfuumlgung stehenden intensivmedizinischen Maszlignah-men sowie ndash wenn immer moumlglich ndash Behandlung der Grundproble-matik

7710 Chylothorax

kDefinitionUnter einem Chylothorax wird eine Ansammlung von chyloumlser Fluumls-sigkeit im Pleuraraum verstanden ( Abb 742)

kEpidemiologieEin angeborener Chylothorax ist ein seltenes Ereignis haumlufiger werden erworbene Ansammlungen chyloumlser Fluumlssigkeit nach kar-diochirurgischen Eingriffen beobachtet Als Folge parenteraler Langzeiternaumlhrung uumlber einen zentralen Venenkatheter wurden Thrombosierungen der oberen Hohlvene mit sekundaumlrem Chy-lothorax beschrieben

kAumltiopathogeneseDie Ursache fuumlr die Entstehung eines angeborenen Chylothorax ist unklar es wird ein angeborener Defekt des Ductus thoracicus ver-mutet Bei Neugeborenen mit Down- Noonan- und Turner-Syn-

drom sowie bei Hydrops fetalis tritt gelegentlich ein Chylothorax auf ebenso wurde nach Geburtstraumata die Entwicklung chyloumlser Effusionen berichtet

kKlinik DiagnoseDie Neugeborenen fallen unmittelbar postnatal oder innerhalb der ersten Lebenstage durch mehr oder minder ausgepraumlgte Zeichen der Atemnot auf Vor Beginn einer oralen Ernaumlhrung enthaumllt die serum-aumlhnliche Pleurafluumlssigkeit mehrere Tausend Leukozytenμl mehr als 90 sind mononukleaumlre Zellen (Lymphozyten) Nach Milchernaumlh-rung nimmt die Pleurafluumlssigkeit eine weiszligliche typisch chyloumlse Farbe an

kTherapieDie kontinuierliche Ableitung der chyloumlsen Fluumlssigkeit fuumlhrt bei den meisten Kindern zu einer Ausheilung Es treten aber z T erheb-liche Eiweiszlig- und Antikoumlrper- sowie Lymphozytenverluste auf Eine orale Ernaumlhrung mit mittelkettigen Triglyzeriden reduziert die Chylusproduktion

kPrognoseBei den meisten Formen eines Chylothoraxes kann man von einer sich selbstlimitierenden Erkrankung ausgehen Selten werden Ver-suche chirurgischer Korrekturmaszlignahmen oder intraperitoneale Shuntableitung allerdings mit unsicherem Ausgang noumltig

7711 Obstruktion der oberen Atemwege

kDefinitionAngeborene Obstruktionen der oberen Luftwege gehen haumlufig mit akuter unmittelbar postnatal auftretender Atemnot einher

kAumltiopathogenese TherapieDa Neugeborene fuumlr eine suffiziente Atmung auf eine ungehin-derte Nasenatmung angewiesen sind fuumlhren saumlmtliche anato-mischen und funktionellen Obstruktionen der oberen Luftwege zu einer akuten Atemnotsymptomatik Trotz deutlicher Atem-exkursionen unmittelbar nach der Geburt koumlnnen Neugeborene mit Choanalatresie oder Pierre-Robin-Sequenz (Mikrognathie Glossophtose Gaumenspalte) kein adaumlquates Atemzugvolumen aufbauen ( Abb 743) Diese bedrohliche Situation ist durch Einfuumlhren eines passenden Guedel-Tubus haumlufig akut zu beheben Die Bauchlage kann das Zuruumlckfallen der Zunge bei Neuge-borenen mit Pierre-Robin- Sequenz haumlufig verhindern und die Luftnotsymptomatik verbessern Eine fruumlhe individuelle kiefer-orthopaumldische Behandlung kann mit Hilfe einer Gaumenplatte und einem integrierten pharyngealen Sporn der das Zuruumlckfallen der Zunge verhindert langfristig zu einer Ausheilung der Fehl-bildung fuumlhren

Larynx- und Trachealatresien verlaufen meistens letal Der kon-genitale laryngeale Stridor auf dem Boden einer Laryngomalazie heilt bei den meisten Kindern im Verlauf des ersten Lebensjahres aus Schwieriger gestaltet sich die Behandlung einer kongenitalen oder haumlufig durch prolongierte Intubation oder Intubationsschaumlden erworbenen subglottischen Stenose Bei dieser Problematik koumln-nen langwierige tracheale Dilatationen Lasertherapien oder auch laryngotracheale Rekonstruktionen angezeigt sein

Abb 742 Linksseitig ausgepraumlgter Pleuraerguss mit Mediastinalverla-gerung nach rechts Durch Punktion Nachweis von lt90 mononukleaumlren Zellen (Lymphozyten) Diagnose linksseitiger Chylothorax

716778 middot Bluterkrankungen

78 Bluterkrankungen

781 Fetale Erythropoese

kPhysiologische BesonderheitenDie Erythropoese die am 20 Gestationstag beginnt findet in der Fetalzeit uumlberwiegend in Leber und Milz statt Erst im letzten Trime-non wird das Knochenmark zum Hauptbildungsort der Erythropo-ese Die Haumlmoglobinkonzentration steigt von 8ndash10 gdl im Alter von 12 Gestationswochen auf 165ndash20 gdl im Alter von 40 Gesta-tionswochen an Nach einem kurzen postnatalen Anstieg der Hauml-moglobinkonzentration innerhalb von 6ndash12 Lebensstunden faumlllt sie kontinuierlich auf 10 gdl im Alter von 3ndash6 Monaten ab Fruumlhgebo-rene unterhalb der 32 Gestationswoche haben niedrigere Ausgangs-haumlmoglobinkonzentrationen und erfahren einen schnelleren Abfall der Haumlmoglobinkonzentration der Tiefpunkt ist 1ndash2 Monate nach der Geburt erreicht Waumlhrend dieser physiologischen Anaumlmisie-rung laumlsst sich kaum Erythropoetin im Plasma nachweisen

kBesonderheiten fetaler ErythrozytenFetale und neonatale Erythrozyten weisen eine kuumlrzere Uumlberlebens-zeit (70ndash90 Tage) und ein groumlszligeres mittleres korpuskulaumlres Volu-men auf (MCV 110ndash120 fl) als Erythrozyten Erwachsener In den ersten Tagen nach der Geburt besteht in der Regel eine Retikulozy-tose von 50ndash120permil Die Erythrozyten enthalten uumlberwiegend feta-les Haumlmoglobin F das aus 2 α-Ketten und 2 γ-Ketten besteht Un-mittelbar vor der Geburt setzt bei einem reifen Neugeborenen die Synthese von β-Haumlmoglobinketten und damit adultem Haumlmoglobin ein (2 α-Ketten und 2 β-Ketten) Zum Zeitpunkt der Geburt haben die Erythrozyten reifer Neugeborener 60ndash90 fetales Haumlmoglobin diese Konzentration sinkt bis zum Alter von 4 Monaten auf lt5 ab

Das Blutvolumen reifer Neugeborener betraumlgt ungefaumlhr 85 mlkg KG Plazenta und Nabelgefaumlszlige enthalten ca 20ndash30 mlkg Blut

Eine spaumlte Abnabelung kann zu voruumlbergehendem Anstieg des neonatalen Blutvolumens fuumlhren (7 Abschn 784) eine zu fruumlhe Ab-nabelung zur Anaumlmie

gt Um diese Komplikationen zu vermeiden sollte die Abnabelung ca 60 s nach der Geburt erfolgen

782 Neonatale Anaumlmie

kDefinitionEine Anaumlmie Neugeborener ist durch Haumlmoglobinkonzentrationen (Hb) lt14 gdl sowie einen Haumlmatokrit (Hkt) von lt40 charakterisiert

kAumltiologieSie kann durch akuten oder chronischen Blutverlust eine ver-minderte Bildung sowie durch eine immunologisch vermittelte oder nichtimmunologisch bedingte Haumlmolyse der Erythrozyten verur-sacht sein ( Tab 710)

Nach einem akuten Blutungsereignis sind die Haumlmoglobin-konzentration und der Haumlmatokrit Fruumlh- und Neugeborener haumlufig normal und fallen erst im Rahmen der Haumlmodilution kontinuierlich ab Das zirkulierende Blutvolumen kann jedoch bereits waumlhrend der Blutungsereignisse bedrohlich vermindert sein Ein chronischer Blutverlust kann u a durch fetomaternale Transfusion zustande kommen die bei ca 50 aller Schwangerschaften beobachtet wird der fetale Blutverlust kann erheblich sein Die Diagnose einer feto-maternalen Transfusion wird durch den Nachweis von HbF-halti-gen kindlichen Erythrozyten im muumltterlichen Blut erbracht

kKlinikLeitsymptome der akuten Blutungsanaumlmie sind Blaumlsse Tachykar-die schwache oder nicht tastbare periphere Pulse Hypotension Tachypnoe und bei massivem Blutverlust Schnappatmung und Schock Die klinischen Symptome bei chronischem Blutverlust sind Blaumlsse bei erhaltener Vitalitaumlt Tachykardie und normaler Blutdruck Haumlufig besteht eine Herzinsuffizienz mit Hepatomegalie Die gele-gentlich nachweisbare Splenomegalie ist Ausdruck der extramedul-laumlren Blutbildung Selten entwickelt sich ein Hydrops fetalis Eine neonatale Anaumlmie die durch eine verminderte Bildung von Eryth-rozyten verursacht wird wie z B bei Blackfan-Diamond-Anaumlmie ist durch niedrige Retikulozytenzahlen und Fehlen von Erythrozy-tenvorstufen im Knochenmark charakterisiert Haumlufigste Ursachen fuumlr eine immunologisch vermittelte Haumlmolyse bei Neugeborenen sind Inkompatibilitaumlten zwischen muumltterlicher und kindlicher Blut-gruppe (s Rh-Erythroblastose AB0-Erythroblastose etc) Nichtim-munologische Erkrankungen die mit einer Haumlmolyse einhergehen sind Defekte der Erythrozytenmembran (hereditaumlre Sphaumlrozytose) Erythrozytenenzymdefekte (Glukose-6-Phosphatdehydrogenase- und Pyruvatkinasemangel) seltene Haumlmoglobinopathien sowie die α-Thalassaumlmie

Abb 743 3 Wochen altes Neugeborenes mit Pierre-Robin-Sequenz Aus-gepraumlgte Mikrognathie und Retrogenie mit rezidivierenden Episoden akuter Atemwegsobstruktion durch Glossophtose Nach Anpassung einer speziel-len Gaumenplatte mit distalem Sporn keine weiteren Hypoxieepisoden

Tab 710 Aumltiologie der neonatalen Anaumlmie

Blutverlust Verminderte Blutbildung

Haumlmolyse

Fetomaternale BlutungPlazenta praumlviaVorzeitige PlazentaloumlsungFetofetale TransfusionNabelschnureinrissVasa praeviaNeonatale Blutung intrakraniell gastro-intestinal u a

Konnatale und perinatale InfektionenBlackfan-Diamond-AnaumlmieKonnatale LeukaumlmieFruumlhgeborenen-anaumlmie

Rh-ErythroblastoseAB0-ErythroblastoseAndere Blutgruppen-inkompatibilitaumltenErythrozyten-membran defekteErythrozytenenzym-defekteSelten Haumlmoglobinopathien

Kapitel 7 middot Neonatologie168

7 kTherapie

gt Neugeborene mit ausgepraumlgtem akutem Blutverlust (hauml-morrhagischer Schock raquoweiszlige Asphyxielaquo) werden notfall-maumlszligig mit 0 Rh-negativem Erythrozytenkonzentrat ohne vorherige Kreuzprobe transfundiert (Hepatitis B Anti-HCV TPHA (Lues) CMV HIV negativ)

Bei allen anderen Indikationen ist vor der Transfusion eine kindliche Blutgruppenbestimmung und Kreuzprobe durchzufuumlhren Bei Verdacht auf Stoumlrung der Erythropoese und haumlmolytische Anaumlmien ist vor Gabe von Blutprodukten kindliches Blut fuumlr die entsprechen-de Spezialdiagnostik abzunehmen (s Rh-Erythroblastose u a)

783 Anaumlmie Fruumlhgeborener

Ein besonderes klinisches Problem stellt die Anaumlmie Fruumlhgeborener dar Die meisten sehr kleinen Fruumlhgeborenen entwickeln bereits waumlhrend der ersten Lebenswochen eine mehr oder weniger ausge-praumlgte Anaumlmie Eine Reihe von Faktoren sind fuumlr die Entstehung der Anaumlmie Fruumlhgeborener verantwortlich u a ein Erythropoetin-mangel der zu einer inadaumlquaten Erythropoese fuumlhrt sowie repeti-tive diagnostische Blutentnahmen Seltener entwickelt sich eine haumlmolytische Anaumlmie durch Vitamin-E-Mangel oder im Verlauf systemischer Infektionen

Bei klinischen Zeichen einer akuten oder chronischen Anaumlmie oder Hinweisen auf eine haumlmodynamisch signifikante Hypovolaumlmie ist eine Transfusion mit bestrahltem CMV-negativen Erythrozyten-konzentrat unabdingbar Eine Erythropoetintherapie kann wie in mehreren randomisierten und kontrollierten Studien belegt die Spaumltanaumlmisierung Fruumlhgeborener zu einem gewissen Grad verhin-dern Da noch eine Reihe klinisch relevanter Fragen der Erythropo-etinsubstitution ungeklaumlrt sind (optimaler Zeitpunkt des Behand-lungsbeginns Dosis Therapiedauer optimale Eisensubstitution u a) kann diese Therapie allerdings nicht als Standardtherapie empfohlen werden

784 Polyzythaumlmie Hyperviskositaumltssyndrom

kDefinitionUnter einer Polyzythaumlmie (Synonym neonatale Polyglobulie) wird ein venoumlser Haumlmatokrit gt65 (Haumlmoglobin gt22 gdl) verstanden der unter dem Bild eines Hyperviskositaumltssyndroms zu einem An-

stieg der Blutviskositaumlt zur vaskulaumlren Stase mit Mikrothrombosie-rung zu Hypoperfusion und Ischaumlmie von Organen fuumlhren kann

kAumltiologieEtwa 3ndash5 aller Neugeborenen weisen nach der Geburt einen Hkt gt65 auf Risikokollektive sind reife oder postmature hypotrophe Neugeborene (intrauterine Wachstumsretardierung chronische fe-tale Hypoxie) Patienten nach fetofetaler oder maternofetaler Trans-fusion Neugeborene nach spaumlter Abnabelung Kinder diabetischer Muumltter Nikotinabusus waumlhrend der Schwangerschaft Neugeborene mit Hyperthyreose oder Kinder mit angeborenen Erkrankungen (adrenogenitales Syndrom Trisomie 21 Beckwith-Wiedemann-Syndrom) Bei einem Haumlmatokrit von gt65 steigt die Blutviskositaumlt exponenziell an

kKlinikDie klinische Symptomatik ist auszligerordentlich vielfaumlltig und reflek-tiert die Mikrozirkulationsstoumlrungen und manifesten Durchblu-tungsstoumlrungen der betroffenen Organsysteme Die Neugebore-nen fallen haumlufig durch ihr plethorisches oder auch blass-graues Hautkolorit und eine Belastungszyanose auf Daneben finden sich Hyperexzitabilitaumlt Myoklonien Hypotonie Lethargie und zerebrale Krampfanfaumllle Bei einigen Kindern steht die kardiopulmonale so-wie renale Symptomatik im Vordergrund Atemnotsyndrom per-sistierende pulmonale Hypertonie mit PFC-Syndrom Herzinsuffi-zienz Oligurie Haumlmaturie und Nierenversagen Die Neugeborenen koumlnnen foudroyante Verlaufsformen einer nekrotisierenden Ente-rokolitis sowie einen Ileus entwickeln Daneben treten zum Teil gra-vierende Thrombozytopenien Hypoglykaumlmien Hypokalzaumlmien und ausgepraumlgte Hyperbilirubinaumlmien auf

kTherapieBeim Auftreten erster Symptome muss unverzuumlglich eine partielle modifizierte Austauschtransfusion durchgefuumlhrt werden Zur Sen-kung des Hkt auf 55 wird kindliches Blut gegen Plasma oder eine Albuminloumlsung simultan ausgetauscht (Haumlmodilution)

785 Icterus neonatorum und Hyperbilirubinaumlmie

Bilirubinstoffwechsel Durch den Abbau von Haumlmoglobin ( Bili-verdin) im retikuloendothelialen System entsteht wasser un loumlsliches unkonjugiertes Bilirubin ① Aus 1 g Haumlmoglobin werden ca 35 mg

Abb 744 Schematische Darstellung des Bilirubinstoffwechsels (ER endoplasmatisches Retikulum GK Gallenkapillare Erlaumluterungen s Text)

716978 middot Bluterkrankungen

Bilirubin gebildet Im Blut bindet sich das unkonjugierte Bilirubin an Albumin Man geht davon aus dass Albumin eine primaumlre und sekundaumlre Bindungsstelle mit unterschiedlicher Affinitaumlt fuumlr Biliru-bin besitzt Nach Transport zur Leberzelle dissoziiert das Bilirubin vom Albumin und wird aktiv mit Hilfe der Transportproteine Y und Z (Ligandine) in das Zellinnere geschleust ② Dort erfolgt die Kon-jugation durch die UDP-Glukuronyltransferase ③ das an Uridin- 5ʹ-di-Phosphat-Glukuronsaumlure gekoppelte Bilirubin ist wasserloumls-lich und wird uumlber das biliaumlre System in den Darm ausgeschieden (④ Abb 744)

Besonderheiten beim Neugeborenen Der Bilirubinstoffwechsel des Neugeborenen weist im Vergleich zum Erwachsenen einige Be-sonderheiten auf die die Entstehung des physiologischen Neugebo-renenikterus erklaumlren 4 eine 2- bis 3-fach houmlhere Bilirubinproduktion bedingt durch

die houmlhere Erythrozytenzahl und Haumlmoglobinkonzentration 4 die verkuumlrzte Erythrozytenuumlberlebenszeit (Neugeborene

70ndash90 Tage Erwachsene 120 Tage) 4 die Hydrolyse des in den Darm gelangten glukuronidierten

Bilirubins durch intestinale Glukuronidasen und vermehrte Ruumlckresorption des Bilirubins aus dem Darm (raquoenterohepati-scher Kreislauflaquo)

Dieser Vorgang wird durch eine verzoumlgerte Darmpassage des mekoniumhaltigen Darms und die fehlende intestinale Kolonisation mit Bakterien die Bilirubin in Urobilinogen und Sterkobilinogen umwandeln verstaumlrkt Weiterhin besteht eine relative Defizienz der hepatischen Transportproteine Y und Z sowie der Glukuronyl-transferaseaktivitaumlt Die Bindungskapazitaumlt des Albumins wird nicht nur von der Gesamtkonzentration des Transporteiweiszliges be-stimmt sondern auch von im Blut vorhandenen Faktoren die mit Bilirubin um die Albuminbindungsstellen konkurrieren Zu diesen Substanzen die zu einer Verdraumlngung des Bilirubins aus der Albu-minbindung fuumlhren koumlnnen gehoumlren freie Fettsaumluren Steroid-hormone und Medikamente (Sulfonamide Salizylate u a) eine verminderte Bindungsaffinitaumlt des Albuminmolekuumlls wird bei Azidose beobachtet

786 Physiologischer Ikterus

kKlinikUnter normalen Bedingungen betraumlgt der Bilirubinspiegel im Nabel-schnurblut 1ndash3 mgdl Vor dem Hintergrund der Besonderheiten des Bilirubinstoffwechsels entwickeln mehr als die Haumllfte aller reifen Neugeborenen und nahezu 80 aller Fruumlhgeborenen 2ndash3 Tage nach der Geburt einen physiologischen Ikterus der am 4ndash5 Le-benstag seinen Houmlhepunkt erreicht und dann langsam abklingt Bis zu 7 aller Neugeborenen haben maximale indirekte Bilirubin-spiegel von mehr als 13 mgdl und nahezu 3 von mehr als 15 mgdl Bei diesen Kindern findet man haumlufig eine Reihe von Risikofaktoren ethnische Zugehoumlrigkeit (Chinesen Koreaner Japa-ner) Houmlhe uumlber Meeresspiegel Polyzythaumlmie maumlnnliches Ge-schlecht Muttermilchernaumlhrung starker Gewichtsverlust verzoumlger-te Stuhlentleerung u a Der Ikterus faumlllt in der Regel bei Bilirubin-konzentrationen von 5 mgdl zuerst im Gesicht auf und breitet sich dann kaudal aus die Kinder sind nicht beeintraumlchtigt Bei Fruumlhge-borenen kann der Ikterus ausgepraumlgter sein das Maximum des Bilirubinanstieges tritt spaumlter auf und der Ikterus haumllt laumlnger an Viele Neugeborene erreichen nach ca 14 Tagen mit Erwachsenen vergleichbare Serumbilirubinspiegel

kTherapieDie meisten Neugeborenen mit physiologischem Ikterus beduumlrfen keiner speziellen Behandlung Eine Phototherapie ist nur bei Uumlber-schreiten eines festgelegten Grenzwertes indiziert

Phototherapie Durch sichtbares Licht (Wellenlaumlnge 425ndash475 nm) wird das in der Haut vorhandene Bilirubin zu nichttoxischen Biliru-binisomeren umgeformt diese wasserloumlslichen Substanzen koumlnnen ohne Glukuronidierung mit der Galle und dem Urin ausgeschieden werden Eine optimale Isomerisierung des Bilirubins findet im Be-reich des normalen Adsorptionsspektrums statt blaues Licht mit einer Wellenlaumlnge von 445 nm ist daher besonders zur Behandlung der Hyperbilirubinaumlmie geeignet Bei reifen Neugeborenen mit phy-siologischem Ikterus ohne weitere Risikofaktoren sollte eine Photo-therapie nach dem 3 Lebenstag erst bei Bilirubinserumspiegeln von gt16 mgdl begonnen werden Neuere deutschsprachige Richt-linien setzen die Behandlungsgrenze in dieser Patientengruppe bei 18 mgdl an

Durch kritiklose Anwendung von speziell fuumlr haumlmolytische Er-krankungen erstellte Therapieschemata werden zu viele Neugebore-ne ohne klare Indikationsstellung einer Phototherapie unterzogen Nebenwirkungen dieser Therapie sind Diarrhouml vermehrter Fluumlssig-keitsverlust Temperaturinstabilitaumlt und Dehydratation

Durch das blaue Licht der Phototherapielampe ist die Hautfarbe des Neugeborenen nicht mehr zu beurteilen bedrohliche klinische Veraumlnderungen und Erkrankungen (u a neonatale Infektion) wer-den moumlglicherweise trotz einer Monitoruumlberwachung zu spaumlt er-kannt Die Neugeborenen muumlssen daher regelmaumlszligig klinisch unter-sucht werden ( Abb 745)

CaveDie zum Schutz von potenziellen Retinaschaumlden zu applizierenden Schutzbrillen koumlnnen zur Verlegung der Nasenwege fuumlhren

787 Muttermilchikterus

kAumltiologieEin laumlnger bekanntes Phaumlnomen ist der deutliche Anstieg des un-konjugierten indirekten Bilirubins unter Muttermilchernaumlhrung Obwohl die exakte Ursache dieser Ikterusform bis heute nicht ge-klaumlrt ist wird vermutet dass entweder Pregnandiol oder nicht ver-

Abb 745 Neugeborenes mit Hyperbilirubinaumlmie waumlhrend einer Photo-therapie mit blauem Licht

Kapitel 7 middot Neonatologie170

7

esterte langkettige Fettsaumluren die konjugierende Aktivitaumlt der hepa-tischen Glukuronyltransferase kompetitiv hemmen Erst vor Kur-zem wurde eine erhoumlhte Aktivitaumlt von β-Glukuronidase in der Mut-termilch nachgewiesen ein erhoumlhtes enterohepatisches raquoRecyclinglaquo koumlnnte ebenfalls die erhoumlhten Bilirubinkonzentrationen erklaumlren

kVerlauf TherapieMit Muttermilch ernaumlhrte Neugeborene haben im Vergleich zu mit Formula ernaumlhrten Kindern haumlufiger houmlhere Bilirubinspiegel thera-peutische Konsequenzen ergeben sich bei den meisten Neugebore-nen nicht Allerdings entwickelt 1 von 200 mit Muttermilch ernaumlhr-ten Neugeborenen zwischen dem 4ndash7 Lebenstag einen deutlichen Anstieg der Bilirubinkonzentration das Maximum wurde bei eini-gen Neugeborenen erst in der 3 Lebenswoche erreicht Nur wenige Neugeborene mit Muttermilchikterus sind mit Phototherapie zu behandeln ein Unterbrechen des Stillens ist in der Regel nicht ange-zeigt

788 Ikterus bei Fruumlhgeborenen

kAumltiopathogeneseEine Reihe von Beobachtungen deuten darauf hin dass sehr kranke kleine Fruumlhgeborene besonders gefaumlhrdet sind eine Bilirubinenze-phalopathie zu entwickeln Die Albuminkonzentrationen sind im Vergleich zu reifen Neugeborenen haumlufig deutlich erniedrigt ver-schiedene Faktoren wie Azidose erhoumlhte Freisetzung von Fettsaumluren waumlhrend einer Hypothermie und Hypoglykaumlmie interferieren mit der Bilirubin-Albumin-Bindung Im Rahmen verschiedener Grund-erkrankungen Fruumlhgeborener kann eine erhoumlhte Permeabilitaumlt der Hirngefaumlszlige zu einem vermehrten Uumlbertritt des Bilirubins in das Hirngewebe fuumlhren Langsamer intestinaler Transport und Nah-rungsaufbau sowie verzoumlgerter Mekoniumabgang koumlnnen zu einem Bilirubinanstieg beitragen

kTherapieEine Phototherapie muss bei Fruumlhgeborenen bereits bei niedrigeren Bilirubinspiegeln als bei Neugeborenen eingeleitet werden Die differenzierten Indikationen sind in den Lehrbuumlchern der Neonato-logie dargestellt

789 Pathologische Hyperbilirubinaumlmie

kAumltiopathogeneseNeben Erkrankungen die mit einer gesteigerten Haumlmolyse ein-hergehen koumlnnen pathologische Erhoumlhungen des indirekten Biliru-bins bei angeborenen Defekten der Glukuronidierung bei erhoumlhtem Bilirubinanfall durch vermehrten Erythrozytenabbau sowie durch eine vermehrte enterale Ruumlckresorption von Bilirubin erfolgen

Aumltiologie der indirekten Hyperbilirubinaumlmie (Erhoumlhung des unkonjugierten Bilirubins)

4 Gesteigerte Haumlmolyse ndash Blutgruppeninkompatibilitaumlt

ndash Rh AB0 Kell Duffy u a ndash Neonatale Infektionen

ndash Bakteriell ndash Viral

ndash Genetisch bedingte haumlmolytische Anaumlmien ndash Enzymdefekte Glukose-6-Phosphatdehydrogenase

Pyruvatkinase ndash Membrandefekte Sphaumlrozytose u a ndash Haumlmoglobinopathien (homozygote a-Thalassaumlmie)

4 Keine Haumlmolyse ndash Verminderte Bilirubinkonjugation

ndash Physiologischer Ikterus ndash Muttermilchikterus ndash Kinder diabetischer Muumltter ndash Crigler-Najjar-Syndrom (genetisch bedingter

Glukuronyltransferasemangel) ndash Gilbert-Meulengracht-Syndrom (verminderte Bilirubin-

aufnahme in Leberzelle) ndash Hypothyreose ndash Medikamente (Pregnandiol)

ndash Vermehrter Bilirubinanfall ndash Polyzythaumlmie ndash Organblutungen Haumlmatome

ndash Vermehrte enterale Ruumlckresorption von Bilirubin ndash Intestinale Obstruktion ndash Unzureichende Ernaumlhrung (verminderte Peristaltik)

7810 Morbus haemolyticus neonatorum

kAllgemeine AumltiopathogeneseDie haumlufigsten Ursachen fuumlr einen Morbus haemolyticus neonato-rum sind Blutgruppenunvertraumlglichkeiten zwischen Mutter und Fetus die Rhesus-Inkompatibilitaumlt (Rh) die AB0-Erythroblastose und seltene Unvertraumlglichkeiten gegen andere erythrozytaumlre Antige-ne (Kell Duffy u a) Durch Uumlbertritt von fetalen inkompatiblen Erythrozyten waumlhrend der Schwangerschaft oder vorherige Transfu-sion mit nicht blutgruppengleichen Erythrozyten (Sensibilisierung) reagiert das muumltterliche Immunsystem mit der Bildung spezifischer IgG-Antikoumlrper Diese Immunglobuline sind plazentagaumlngig und binden sich nach Uumlbertritt auf das Kind an spezifische Antigen-strukturen fetaler Erythrozyten Die Folge ist ein vorzeitiger und vermehrter Abbau der fetalen Erythrozyten der Fetus beantwortet diese In-utero-Haumlmolyse mit einer Steigerung vorwiegend der extramedullaumlren Blutbildung (Leber Milz) es gelangen unreife Erythrozyten (Erythroblasten) in die kindliche Blutbahn Das durch die gesteigerte Haumlmolyse anfallende indirekte Bilirubin wird uumlber die Plazenta transportiert und vom hepatischen Enzymsystem der Mutter glukuronidiert und biliaumlr ausgeschieden selbst bei schwerer fetaler Haumlmolyse sind die kindlichen Bilirubinkonzentrationen int-rauterin kaum erhoumlht

7811 Kernikterus Bilirubinenzephalopathie

kAumltiologieUnkonjugiertes nicht an Albumin gebundenes Bilirubin kann auf-grund seiner lipophilen Eigenschaften leicht in das zentrale Nerven-system eindringen Es inhibiert den neuronalen Metabolismus (eine Hemmung der oxidativen Phosphorylierung) und hinterlaumlsst eine irreversible Schaumldigung im Bereich der Basalganglien des Globus pallidus des Nucleus caudatus (Kernikterus) des Hypothalamus einiger Kerngebiete von Hirnnerven und auch der Groszlighirnrinde ( Abb 746) Bei einer erhoumlhten Permeabilitaumlt der Blut-Hirn-

6

717178 middot Bluterkrankungen

Schranke (schwere Anaumlmie Hypoxie Hydrops) kann auch an Albu-min gebundenes Bilirubin in das Hirngewebe uumlbertreten

kPathogeneseDie Entstehung einer Bilirubinenzephalopathie wird von folgenden Faktoren beeinflusst Lebensalter und Reifegrad der Kinder Uumlber-schreiten der Albuminbindungskapazitaumlt durch zu hohe Bilirubin-spiegel Verminderung der Bindungskapazitaumlt bei Hypalbuminaumlmie Verdraumlngung des Bilirubins durch Gallensaumluren freie Fettsaumluren (Hypoglykaumlmie) oder Medikamente und Veraumlnderungen bzw Schaumldigung der Blut-Hirn-Schranke nach Asphyxie Hypoxie neo-nataler Meningitis und anderen Erkrankungen

kKlinikDie Fruumlhsymptome der Bilirubinenzephalopathie sind Apathie Hypotonie Trinkschwaumlche Erbrechen abgeschwaumlchte Neugebore-nenreflexe und schrilles Schreien Danach fallen die Neugeborenen durch eine vorgewoumllbte Fontanelle eine opisthotone Koumlrperhaltung muskulaumlre Hypertonie und zerebrale Krampfanfaumllle auf Uumlberleben-de Kinder weisen haumlufig eine beidseitige Taubheit choreoathetoi-de Bewegungsmuster sowie eine mentale Retardierung auf

kTherapieKeine therapeutische Maszlignahme kann diese irreversible Schaumldi-gung ruumlckgaumlngig machen In der heutigen Zeit sollte diese vermeid-bare Komplikation nicht mehr auftreten Gerade in den westlichen Industrienationen wird aber inzwischen eine zunehmende Anzahl von Kindern beobachtet die an den Folgen einer Bilirubinenzapha-lopathie leiden Ziel aller in der Peri- und Neonatalmedizin taumltigen Aumlrzte Hebammen und Kinderkrankenschwestern muss es sein die Fruumlh- und Neugeborenen mit einem erhoumlhten Risiko fuumlr eine Hy-perbilirubinaumlmie fruumlhzeitig zu identifizieren und einer adaumlquaten Therapie zuzufuumlhren

7812 AB0-Erythroblastose

kEpidemiologieMit einer AB0-Unvertraumlglichkeit ist bei ca 1 von 200 Neugeborenen zu rechnen

kPathogeneseIm Gegensatz zur Rh-Inkompatibilitaumlt tritt die AB0-Erythroblastose haumlufig in der ersten Schwangerschaft auf Muumltter mit der Blutgrup-pe 0 haben natuumlrlich vorkommende Anti-A- und Anti-B-Antikoumlr-per (Isoagglutinine) die zur Gruppe der IgM-Antikoumlrper gehoumlren und deshalb nicht die Plazenta passieren Dennoch bilden einige Schwangere plazentagaumlngige IgG-Antikoumlrper die gegen die kindli-che Blutgruppeneigenschaft A B oder AB gerichtet sind Die muumlt-terliche IgG-Antikoumlrperbildung kann vermutlich durch exogene Ursachen wie z B Darmparasiten stimuliert werden Als weitere Ursache wird der Uumlbertritt kindlicher Erythrozyten in die muumltterli-che Zirkulation vermutet da die Antigenitaumlt der kindlichen Blut-gruppeneigenschaften erst gegen Ende der Schwangerschaft voll ausgebildet ist erklaumlrt sich der im Vergleich zur Rh-Inkompatibilitaumlt milde Verlauf der haumlmolytischen Erkrankung beim ersten Neugebo-renen sowie die Tatsache dass Fruumlhgeborene nur extrem selten an einer AB0-Inkompatibilitaumlt erkranken Der Schweregrad der haumlmo-lytischen Erkrankung Neugeborener nimmt bei nachfolgenden Schwangerschaften in der Regel nicht zu Der Grund liegt vermutlich in einer Suppression der IgG-Antikoumlrperbildung durch die natuumlrlich vorkommenden IgM-Anti-A- oder Anti-B-Antikoumlrper

kKlinikDie Neugeborenen weisen meistens nur eine geringgradige Anaumlmie auf es besteht nur selten eine Hepatosplenomegalie die Kinder entwickeln keinen Hydrops Im peripheren Blut finden sich neben Retikulozyten und Erythroblasten als Ausdruck der gesteigerten Erythropoese Sphaumlrozyten die infolge der komplementvermittelten Haumlmolyse durch Fragmentation entstehen Erkrankte Neugeborene sind lediglich durch die Hyperbilirubinaumlmie und das damit verbun-dene Risiko einer Bilirubinenzephalopathie gefaumlhrdet

kDiagnoseDie wesentlichen diagnostischen Merkmale der AB0-Inkompatibi-litaumlt im Vergleich zur Rh-Inkompatibilitaumlt sind in der Tab 711 zusammengefasst

kTherapieDurch eine rechtzeitig begonnene und konsequent durchgefuumlhrte Phototherapie koumlnnen bei den meisten Kindern kritische Bilirubin-serumkonzentrationen vermieden werden Eine Austauschtrans-fusion ist nur extrem selten durchzufuumlhren Durch zirkulierende Antikoumlrper kann sich in den ersten Lebenswochen eine in der Regel blande verlaufende Anaumlmie entwickeln

7813 Rh-Erythroblastose

kEpidemiologieUngefaumlhr 15 der europaumlischen Bevoumllkerung sind Rh-negativ ca 5 der amerikanischen schwarzen Bevoumllkerung Vor Einfuumlhrung der Anti-D-Prophylaxe betrug die Praumlvalenz der Rh-Inkompatibili-taumlt 45 erkrankte Kinder pro 10000 Lebendgeborene Die Erkran-kungshaumlufigkeit konnte um weit mehr als 90 reduziert werden

kAumltiopathogeneseDas erythrozytaumlre Rhesusantigensystem besteht aus 5 Antigenen C D E c und e d hat keine antigenen Eigenschaften Bei ca 90 der Faumllle von Rhesusinkompatibilitaumlt sensibilisiert das D-Antigen des Fetus die Rh(d)-negative Mutter die in der Folge IgG-Antikoumlrper (Anti-D-Antikoumlrper) bildet Da in der Fruumlhschwangerschaft nur

Abb 746 Charakteristische Bilirubinablagerungen in den Stammgang-lien bei Bilirubinenzephalopathie

Kapitel 7 middot Neonatologie172

7

ausnahmsweise kindliche Erythrozyten in den Kreislauf der Mutter gelangen bildet die Mutter keine oder nur geringe Mengen an Anti-D-Antikoumlrpern Das erste Kind bleibt entweder gesund oder entwi-ckelt nur eine haumlmolytische Anaumlmie undoder Hyperbilirubinaumlmie vorausgesetzt dass eine fruumlhere Sensibilisierung durch Aborte oder Bluttransfusionen ausgeschlossen ist Unter der Geburt und bei der Plazentaloumlsung kann eine groumlszligere Menge kindlicher Erythrozyten in die muumltterliche Blutbahn uumlbertreten Die Rh-Erythroblastose bei unterlassener Rh-Prophylaxe manifestiert sich typischerweise waumlh-rend der 2 und weiteren Schwangerschaften mit zunehmendem Schweregrad der fetalen Erkrankung die in einen Hydrops fetalis einmuumlnden kann

kKlinikIn Abhaumlngigkeit vom Schweregrad der Erkrankung bestehen eine mehr oder weniger ausgepraumlgte Anaumlmie ein Icterus praecox (Ge-samtbilirubin gt7 mgdl innerhalb der ersten 24 Lebensstunden) ein Icterus gravis (Gesamtbilirubin gt15 mgdl bei reifen Neugebore-nen) und als Ausdruck der extramedullaumlren Blutbildung eine Hepa-tosplenomegalie Als Zeichen der gesteigerten Haumlmatopoese sind Erythroblasten und Retikulozyten im peripheren Blut in groszliger Zahl nachweisbar

Hydrops fetalis Bei schwerer fetaler Anaumlmie (Haumlmoglobin lt8 gdl) koumlnnen sich eine intrauterine Hypoxie und Hypoproteinaumlmie infol-ge einer verminderten Albuminsynthese entwickeln Veraumlnderun-gen der Zellpermeabilitaumlt und Verminderungen des onkotischen Drucks fuumlhren zu generalisierten Oumldemen Houmlhlenerguumlssen (Aszi-tes Pleuraerguss Perikarderguss) Hypervolaumlmie und Herzinsuffizi-enz ( Abb 747) Beim generalisierten Hydrops kann bereits ein intrauteriner Fruchttod oder eine irreparable zerebrale Schaumldigung auftreten

kDiagnoseIm Rahmen der Schwangerschaftsvorsorge wird bei allen Frauen im Verlauf der Schwangerschaft nach irregulaumlren Antikoumlrpern gesucht um Inkompatibilitaumlten in Rh- Duffy- Kell- oder anderen Blut-gruppensystemen zu erkennen Mit dem indirekten Coombs-Test werden plazentagaumlngige IgG-Antikoumlrper nachgewiesen Bei vorhan-denen Antikoumlrpern ist eine engmaschige fetale Ultraschalldiag-nostik imperativ Da keine Korrelation zwischen der Houmlhe vorhan-

dener Antikoumlrper und dem Schweregrad der moumlglichen kindlichen Erkrankung besteht ist bei vorhandenen Antikoumlrpern eine sequen-zielle Bestimmung der fetalen zerebralen Durchblutung indiziert Die dopplersonographische Messung der Flussgeschwindigkeit kor-reliert mit dem Grad der Anaumlmisierung Nur noch selten wird eine Fruchtwasseruntersuchung (Amniozentese) zur Bilirubinbestim-mung durchgefuumlhrt Das Ausmaszlig der Haumlmolyse laumlsst sich durch spektrophotometrische Analyse der optischen Dichte (450 nm) des Fruchtwassers ablesen (Liley-Diagramm) Durch Zuordnung in 3 Gefahrenzonen kann der kindliche Zustand beurteilt und ent-sprechende therapeutische Konsequenzen eingeleitet werden

Nach der Geburt sind beim Neugeborenen unverzuumlglich folgen-de Bestimmungen durchzufuumlhren 4 Haumlmoglobinkonzentration 4 Serumbilirubinspiegel 4 Blutgruppenbestimmung 4 Coombs-Test 4 Retikulozytenzahl 4 Blutausstrich

Bei Neugeborenen mit Rh-Erythroblastose ist neben den beschrie-benen haumlmatologischen Auffaumllligkeiten immer ein positiver direk-ter Coombs-Test zu finden (Nachweis von inkompletten an kind-liche Erythrozyten gebundene Antikoumlrper) Unmittelbar nach der Geburt kann die Konzentration des indirekten Bilirubins stark an-steigen es sind daher engstmaschige Bilirubinbestimmungen erfor-derlich

Tab 711 Unterschiede zwischen der Rh- und ABO-Inkompatibilitaumlt

Inkompatibilitaumlt

Rh ABO

Erkrankung bei erster Schwangerschaft Selten Haumlufig

Fruumlhzeitige Anaumlmisierung des Kindes ++ +

Hyperbilirubinaumlmie waumlhrend der ersten 24 h post partum

++ +

Erythroblasten +++ +

Sphaumlrozyten plusmn ++

Retikulozyten ++ + bis ++

Direkter Coombs-Test (Kind) +++ ndash bis +

Indirekter Coombs-Test (Mutter) +++ plusmn

Abb 747a b Fruumlhgeborenes der 35 Gestationswoche mit Hydrops fetalis bei Erythroblastosis fetalis Uumlbersicht (a) deutliche Oumldeme der linken unteren Extremitaumlt (b) Neben generalisierten Oumldemen wies das Fruumlhge-borene einen ausgepraumlgten Aszites sowie beidseitige Pleuraerguumlsse auf

a

b

717378 middot Bluterkrankungen

kTherapieIntrauterine Therapie des Feten Bei ausgepraumlgter fetaler Anaumlmie ist eine intrauterine Transfusion in die kindliche Bauchhoumlhle oder neuerdings durch Kordozentese in die Nabelvene erforderlich bei ersten Zeichen eines Hydrops fetalis ist eine vorzeitige Beendigung der Schwangerschaft durch Sectio caesarea notwendig

Phototherapie Bei leichten Verlaumlufen (einer Rh-Inkompatibilitaumlt) kann eine Phototherapie unter Umstaumlnden in 2 Ebenen zur Behand-lung der Hyperbilirubinaumlmie ausreichen Die Indikation fuumlr den Beginn einer Phototherapie haumlngt vom Gestationsalter Lebensalter Houmlhe der Bilirubinkonzentration Dynamik des Bilirubinanstieges von dem Ausmaszlig der Anaumlmie und anderen Risikofaktoren ab

Austauschtransfusion Zur Vermeidung der Bilirubinenzephalopa-thie wird nach wie vor eine Austauschtransfusion reifer Neugebo-rener bei Bilirubinserumkonzentrationen gt20 mgdl empfohlen bei schweren Grunderkrankungen (Asphyxie neonatale Sepsis haumlmo-lytische Anaumlmie u a) sowie einer Hyperbilirubinaumlmie in den ersten 3 Lebenstagen liegt die Austauschgrenze in dieser Gruppe niedriger Fuumlr Fruumlhgeborene gelten besondere Austauschgrenzen (Fruumlhge-borene mit einem Gewicht von gt1500 g gt15 mgdl Fruumlhgeborene gt1000 g gt10 mgdl) Der Blutaustausch erfolgt mit kompatiblem Spendervollblut in 5ndash20-ml-Portionen uumlber einen liegenden Nabel-venenkatheter durch diese Maszlignahme wird das 2- bis 3fache Blut-volumen eines Neugeborenen ausgetauscht d h ca 90 der kind-lichen Erythrozyten werden neben muumltterlichen Antikoumlrpern und verfuumlgbarem Bilirubin eliminiert Als Komplikationen der Blut-austauschtransfusion koumlnnen Infektionen (u a Sepsis) Katheter-perforation Pfortaderthrombose Hypotension Azidose nekrotisie-rende Enterokolitis und Elektrolytentgleisungen auftreten Nach ei-nem Blutaustausch besteht haumlufig eine Anaumlmie und Thrombozyto-penie durch eine zusaumltzliche kontinuierlich durchgefuumlhrte Phototherapie kann die Zahl von mehrfachen Austauschtransfusio-nen gesenkt werden

kPraumlventionDurch Gabe eines Anti-D-Immunglobulins innerhalb von 72 h nach der Geburt kann die Sensibilisierung einer Rh-negativen Mutter durch die Rh-positiven fetalen Erythrozyten haumlufig vermieden wer-den Die Anti-D-Prophylaxe muss bei Rh-negativen Frauen auch nach Aborten Amniozentesen oder unsachgemaumlszliger Transfusion mit Rh-positivem Blut durchgefuumlhrt werden

gt In der ersten Schwangerschaft kann eine maternale Im-munglobulinprophylaxe in der 28 Gestationswoche und unmittelbar postnatal die Sensibilisierung auf weniger als 1 reduzieren

Nach bisherigen Kenntnissen scheint die im letzten Trimenon durchgefuumlhrte Anti-D-Prophylaxe beim Neugeborenen keine kli-nisch signifikante Haumlmolyse auszuloumlsen

kPrognoseTrotz adaumlquater Initialbehandlung entwickeln die Kinder aufgrund der noch vorhandenen Anti-D-Antikoumlrper haumlufig eine uumlber mehrere Wochen anhaltende Spaumltanaumlmie Bei erhoumlhten Retikulozytenzahlen und asymptomatischem Kind ist keine weitere Therapie notwendig Stellen sich eine persistierende Tachykardie sowie andere Zeichen der chronischen Anaumlmie ein so ist eine weitere Transfusion in-diziert Selten wird eine Pfortaderthrombose nach Austauschtrans-fusion beobachtet diese schwerwiegende Komplikation ist thera-peutisch nicht zu beeinflussen

7814 Weitere haumlmolytische Erkrankungen

Blutgruppenunvertraumlglichkeiten gegen andere Erythrozytenanti-gene [c E Kell (K) Duffy u a] sind fuumlr weniger als 5 aller haumlmo-lytischen Erkrankungen der Neonatalperiode verantwortlich Der direkte Coombs-Test ist bei diesen Unvertraumlglichkeiten immer posi-tiv Kongenitale Infektionen mit verschiedenen Erregern sowie neo-natale Infektionen koumlnnen eine nichtimmunologische Haumlmolyse induzieren Die homozygote α-Thalassaumlmie kann sich ebenfalls un-ter dem Bild einer schweren haumlmolytischen Anaumlmie mit Hydrops fetalis praumlsentieren auch bei dieser und den folgenden Erkrankun-gen ist der direkte Coombs-Test negativ Haumlmolytische Anaumlmie und ausgepraumlgte Hyperbilirubinaumlmie mit Gefahr der Bilirubinenzepha-lopathie werden bei Neugeborenen mit hereditaumlrer Sphaumlrozytose oder angeborenen Enzymdefekten wie dem Pyruvatkinase- oder Glukose-6-Phosphatdehydrogenasemangel beobachtet

7815 Direkte Hyperbilirubinaumlmie

Eine direkte Hyperbilirubinaumlmie (direktes konjugiertes Bilirubin gt2 mgdl) wird bei einer Reihe angeborener und erworbener hepa-tischer sowie extrahepatischer Erkrankungen gefunden Groumlszligere Schwierigkeiten bereitet es die extrahepatische Gallengangsatresie von der neonatalen Hepatitis abzugrenzen Bei einigen Kindern konn-te inzwischen belegt werden dass eine Hepatitis der Entwicklung einer Gallengangsatresie vorausging Eine nicht unerhebliche Anzahl Neu-geborener mit prolongierter direkter Hyperbilirubinaumlmie hat als Grund erkrankung einen α1-Antitrypsinmangel (α1-Proteinase-In-hibitor) Ebenso wird ein cholestatischer passagerer Ikterus haumlufig bei Fruumlh- und Neugeborenen beobachtet die eine langzeitige parenterale Ernaumlhrung erhalten Als Ursache wird weniger die Infusion mit Lipi-den als die Gabe bestimmter Aminosaumluren vermutet

Aumltiologie der direkten Hyperbilirubinaumlmie (Erhoumlhung des konjugierten Bilirubins)

4 Intrahepatische Cholestase ndash Neonatale Hepatitis (B) ndash Perinatale Infektionen (CMV u a) ndash Syndrom der eingedickten Galle ndash Parenterale Ernaumlhrung ndash α1-Antitrypsinmangel (= α1-Proteinasemangel) ndash Galaktosaumlmie Tyrosinose ndash Intrahepatische Gallengangshypoplasie (Alagille-

Syndrom) 4 Extrahepatische Cholestase

ndash Gallengangsatresie ndash Choledochuszyste ndash Zystische Fibrose (Mukoviszidose)

7816 Weiszliges Blutbild Neugeborener

Die peripheren Gesamtleukozytenzahlen sowie die Verteilung der einzelnen Leukozytensubpopulationen unterscheiden sich waumlhrend der Neonatalperiode deutlich von denen spaumlterer Lebensalter Im Zusammenhang mit dem Geburtsvorgang werden physiologischer-weise die Knochenmarksreserven der Fruumlh- und Neugeborenen mobilisiert d h die Zahl unreifer und reifer Granulozyten steigt in der Peripherie an Das Maximum der Granulozytose ist 12 h post

Kapitel 7 middot Neonatologie174

7partum erreicht im Verlauf der ersten 3 Lebenstage faumlllt die Zellzahl kontinuierlich ab Eine stabile obere Normgrenze findet sich vom 5 Lebenstag an In Abb 748 sind die Gesamtzahl der neutrophilen Granulozyten und der unreifen Granulozyten (Stabkernige und ju-gendliche Formen) waumlhrend der Neonatalperiode dargestellt

Erniedrigte Gesamtzahlen der neutrophilen Granulozyten werden nach muumltterlicher Hypertonie EPH-Gestose und viralen konnatalen Infektionen beobachtet sie sind moumlglicherweise Aus-druck einer verminderten Bildung von Granulozyten im kindlichen Knochenmark Daneben tritt eine Neutrozytopenie haumlufig bei Neu-geborenen mit neonataler Sepsis auf im Verlauf der Erkrankung werden uumlberwiegend periphere neutrophile Granulozyten ver-braucht die Knochenmarkreserven sind durch die geburtsbedingte Mobilisierung der Granulozyten erschoumlpft

Nach Regeneration der Knochenmarksreserven entwickeln Neugeborene die nach dem 3 Lebenstag an einer Sepsis erkranken haumlufig eine Granulozytose In der Regenerationsphase einer neona-talen Infektion kann gelegentlich eine leukaumlmoide Reaktion be o-bachtet werden

7817 Neonatale Thrombozytopenie

kAumltiologieDie wesentlichen maternalen und kindlichen Ursachen und Erkran-kungen die eine neonatale Thrombozytopenie (lt150000 Thrombo-zytenμl) ausloumlsen koumlnnen sind in Tab 712 dargestellt

Maternale Ursachen Im Rahmen einer aktiven idiopatisch throm-bozytopenischen Purpura (ITP) oder eines Lupus erythematodes koumlnnen die maternalen Autoantikoumlrper durch diaplazentaren Uumlber-tritt beim Neugeborenen eine Immunthrombozytopenie induzie-ren Bei Muumlttern die sich gegen Medikamente sensibilisiert haben wurde nach Anlagerung des Antigen(Medikament)-Antikoumlrper-Komplexes an fetale Blutplaumlttchen von der Entwicklung einer Thrombozytopenie berichtet

Kindliche Ursachen Unter den kindlichen Ursachen ist das Wiskott-Aldrich-Syndrom hervorzuheben Aufgrund eines intrinsi-schen Thrombozytendefekts ist die Uumlberlebenszeit der Blutplaumlttchen deutlich vermindert Die Thrombozyten sind bei dieser Erkrankung deutlich kleiner als bei allen anderen Formen der neonatalen Throm-bozytopenie Mithilfe moderner haumlmatologischer Analysegeraumlte soll-te die Diagnose dieser komplexen Immundefizienzerkrankung noch vor Auftreten der typischen Manifestationszeichen gestellt werden

7818 Neonatale Alloimmunthrombozytopenie

kDefinitionBei der neonatalen Alloimmunthrombozytopenie handelt es sich um eine fetomaternale Thrombozyteninkompatibilitaumlt

kPathogeneseKindliche Thrombozyten die spezifische inkompatible Antigene tragen und im Verlauf der Schwangerschaft in den muumltterlichen Blutkreislauf gelangen koumlnnen bei den Muumlttern eine humorale Im-munantwort gegen das fremde Plaumlttchenantigen ausloumlsen die ma-ternalen Thrombozyten weisen dieses Antigenmerkmal nicht auf In der Folge treten die im muumltterlichen Organismus gebildeten IgG-Iso-Antikoumlrper diaplazentar auf das Kind uumlber binden an die kindlichen Thrombozyten und fuumlhren zu einem beschleunigten Abbau der Blutplaumlttchen Die maternalen Thrombozytenzahlen sind normal

kEpidemiologieDie Inzidenz der Alloimmunthrombozytopenie wird mit 12ndash3000 Neugeborenen angegeben Verantwortlich fuumlr die muumltter-liche Sensibilisierung ist in mehr als 75 der Faumllle das plaumlttchenspe-zifische Antigen PLA1 das bereits in der 19 Schwangerschaftswoche von den fetalen Thrombozyten exprimiert wird 98 der Bevoumllke-rung besitzen PLA1-positive Thrombozyten Weitere Plaumlttchenanti-gene fuumlr die Sensibilisierungen beschrieben wurden sind PLA2 PLE1 PLE2 u a Bis zu 15 der betroffenen Neugeborenen koumlnnen an den Folgen einer zu spaumlt erkannten Alloimmunthrombozytope-nie versterben Bei komplikationslosen Verlaumlufen limitiert sich die Krankheit innerhalb der ersten 4ndash6 Lebenswochen durch Elimina-tion der zirkulierenden Antikoumlrper in der Regel von selbst Eine Sen-sibilisierung mit Entwicklung der Thrombozyteninkompatibilitaumlt tritt im Verlauf der 1 Schwangerschaft bei ca 50 der Risikokons-tellationen auf das Wiederholungsrisiko steigt bei weiteren Schwan-gerschaften auf 85 an

kKlinikKlinisch symptomatische Neugeborene mit Alloimmunothrombo-zytopenie fallen durch Petechien Purpura und gelegentlich Schleimhautblutungen auf Neben renalen und gastrointestinalen Blutungen ist die gefuumlrchtete Komplikation eine innerhalb der ersten

Tab 712 Ursachen der neonatalen Thrombozytopenie

Muumltterliche Ursachen Kindliche Ursachen

Idiopathisch thrombozyto-penische Purpura der MutterLupus erythematodes der MutterMedikamente waumlhrend der SchwangerschaftThrombozyten-Inkompatibi-litaumlt Alloimmunthrombozy-topenie

Konnatale Infektionen Toxoplas-mose Roumlteln Zytomegalie Herpes simplex LuesNeonatale Infektionen Sepsis neonatorumDisseminierte intravaskulaumlre Gerinnungsstoumlrung nach Asphyxie Schock etcNekrotisierende EnterokolitisAustauschtransfusionSelten aplastische Anaumlmie kongeni-tale Leukaumlmie Wiskott-Aldrich-Syndrom Riesenhaumlmangiom u aRetardierungPolyzythaumlmie

Abb 748 Gesamtzahl der neutrophilen Granulozyten gesunder Neuge-borener im Verlauf der ersten 28 Lebenstage

717579 middot Nekrotisierende Enterokolitis

Lebenstage auftretende Hirnblutung Einige Neugeborene sind auch bei ausgepraumlgten Thrombozytopenien symptomfrei

kDiagnoseDie Diagnose wird durch Nachweis spezifischer Thrombozyten-merkmale und Antikoumlrpernachweis bei Mutter und Kind gestellt

kTherapieBei Thrombozytenzahlen lt50000μl oder klinischen Blutungs-zeichen ist eine sofortige Transfusion eines kompatiblen Thrombo-zytenkonzentrats angezeigt Ein Problem stellt jedoch die Selektion geeigneter Thrombozytenspender dar da 98 der Bevoumllkerung PLA1-positive Thrombozyten besitzen und somit als Spender aus-scheiden Eine Thrombozytentypisierung potenzieller Spender ist nur in wenigen Blutbanken vorhanden

gt Als idealer Spender kompatibler Thrombozyten kommt daher nur die Mutter in Frage Das Verfahren der Thrombo-zytenisolierung durch Zellseparation wird auch unmittel-bar nach der Geburt von den Muumlttern gut toleriert

Einige Neugeborene sprechen auch auf eine hochdosierte intra-venoumlse Immunglobulintherapie an

Bei erneuter Schwangerschaft einer sensibilisierten Mutter be-steht ein hohes Risiko fuumlr das Kind an einer Alloimmunthrombozy-topenie zu erkranken Der durch Nabelschnurpunktion erfolgte Nachweis einer fetalen Thrombozytopenie kann eine repetitive In-utero-Transfusion von kompatiblen Thrombozyten erfordern Der therapeutische Effekt einer hochdosierten muumltterlichen Thera-pie mit Gammaglobulinpraumlparaten ist aufgrund der unzureichenden Datenlage noch nicht zu beurteilen

7819 Koagulopathien

In der Neonatalperiode werden nicht selten Stoumlrungen der plasma-tischen Blutgerinnung beobachtet sie koumlnnen Ausdruck einer an-geborenen Defizienz an Gerinnungsfaktoren (s Haumlmophilie u a) eines Vitamin-K-Mangels oder einer disseminierten intravasalen Gerinnungsstoumlrung (DIC raquodisseminated intravascular coagulati-onlaquo) sein Neugeborene haben erniedrigte Plasmakonzentrationen nahezu aller Gerinnungsfaktoren besonders die Synthese der vita-min-K-abhaumlngigen Faktoren II VII IX und X ist gestoumlrt Es gibt keinen diaplazentaren Uumlbertritt von Gerinnungsfaktoren

7820 Morbus haemorrhagicus neonatorum (Vitamin-K-Mangel)

kDefinitionDer Morbus haemorrhagicus neonatorum ist eine durch einen Vita-min-K-Mangel ausgeloumlste potenziell lebensbedrohliche Erkrankung die durch praumlventive Vitamin-K-Substitution verhindert werden kann

kEpidemiologieBei ca 1 von 200 Neugeborenen die keine postnatale Vitamin-K-Prophylaxe erhalten haben tritt ein unerwartetes Blutungsereignis innerhalb der ersten Lebenswochen auf

kAumltiologieVitamin K ist fuumlr die hepatische Synthese von Prothrombin Faktor VII IX und X verantwortlich Ein Vitamin-K-Mangel kann sich bei Neugeborenen zu verschiedenen Zeitpunkten manifestieren

Eine am 1 Lebenstag aufgetretene Blutung wird nach muumltter-licher Medikamenteneinnahme beobachtet Phenytoin Phenobar-bital Primidon Salizylate Antikoagulanzien u a beeintraumlchtigen den Vitamin-K-Metabolismus Neugeborener eine muumltterliche Heparinbehandlung dagegen hat keine Auswirkungen auf das kind-liche Gerinnungssystem Die typische Vitamin-K-Mangelblutung des reifen Neugeborenen tritt vom 3ndash7 Lebenstag uumlberwiegend bei mit Muttermilch ernaumlhrten Kindern auf Muttermilch hat nur einen geringen Vitamin-K-Gehalt Bei allen Fruumlh- und Neugeborenen die einer antibiotischen Langzeitbehandlung oder einer parenteralen Ernaumlhrung unterzogen sind koumlnnen sich bei mangelnder Vitamin-K-Substitution im Verlauf der Neonatalperiode bedrohliche Blutun-gen entwickeln Eine Spaumltmanifestation des Vitamin-K-Mangels im Alter von 4ndash12 Wochen kann bei mit Muttermilch ernaumlhrten Saumluglingen besonders aber bei Kindern mit einer Vitamin-K-Malab-sorption auftreten (Mukoviszidose cholestatischer Ikterus u a bei Gallengangsatresie Wachstumshemmung der vitamin-K-produzie-renden intestinalen mikrobiellen Flora durch Antibiotika)

kKlinikEine Vitamin-K-Mangelblutung ist immer dann zu vermuten wenn ein gesund wirkendes Neugeborenes spontane Haumlmorrhagien ent-wickelt Haumlmatemesis gatrointestinale Blutung (Melaena vera) Epi-staxis Nabelschnur- und Hautblutungen intrakranielle Blutung u a

kDifferenzialdiagnoseEine in den ersten Lebenstagen auftretende Haumlmatemesis oder Melaumlna kann auch durch muumltterliches bei der Geburt verschlucktes Blut verursacht sein

gt Mithilfe des Alkaliresistenztests (Apt-Test) kann in kuumlrzester Zeit entschieden werden ob es sich um kind-liches oder muumltterliches Blut handelt

Kindliche Erythrozyten enthalten uumlberwiegend alkaliresistentes Haumlmoglobin F sie werden in einer Loumlsung von 1 Natronlauge nicht denaturiert die Loumlsung bleibt roumltlich gefaumlrbt Die muumltterlichen Haumlmoglobin A enthaltenen Erythrozyten dagegen werden sofort zerstoumlrt die Loumlsung bekommt eine gelblich-braune Farbe

kPraumlvention TherapieBei manifester Vitamin-K-Mangelblutung (Risikopatienten Vita-min-K-Malabsorption) muss unverzuumlglich Vitamin K iv appliziert werden zusaumltzlich kann die Gabe von Frischplasma notwendig sein Houmlhere Dosen von Vitamin K sind bei muumltterlicher Medikamenten-einnahme oder Lebererkrankung des Neugeborenen indiziert Der Verdacht dass intramuskulaumlr injiziertes Vitamin K zu einem er-houmlhten Krebsrisiko bei Kindern fuumlhrt konnte inzwischen eindeutig widerlegt werden

gt Durch routinemaumlszligig prophylaktische Gabe von Vitamin K an alle Neugeborenen unmittelbar post partum sowie am 5 und 28 Lebenstag laumlsst sich ein Morbus haumlmorrhagicus neonatorum vermeiden (jeweils 2 mg Vitamin K oral)

79 Nekrotisierende Enterokolitis

kGrundlagenDie nekrotisierende Enterokolitis (NEC) ist eine akut auftretende inflammatorische Erkrankung des Duumlnn- und Dickdarms welche im Verlauf zu einem septischen Krankheitsbild mit disseminierten Darmnekrosen fuumlhrt Die Ursache ist multifaktoriell Die NEC ist die

Kapitel 7 middot Neonatologie176

7

haumlufigste Ursache gastrointestinaler Notfallsituationen Neugebore-ner vor allem erkranken Fruumlhgeborene mit einem Geburtsgewicht unter 1500 g Neben einzelnen sporadischen Faumlllen wird haumlufig ein gruppenweises Auftreten der Erkrankung beobachtet

kPathogeneseEine Erklaumlrung der Genese der Erkrankung muss folgende Faktoren beruumlcksichtigen 90 der Faumllle treten bei Fruumlhgeborenen auf Fast alle erkrankten Kinder sind oral ernaumlhrt worden Die NEC tritt er-heblich seltener auf bei Ernaumlhrung mit Muttermilch Viele Faumllle tre-ten endemisch auf ohne dass sich oft ein gemeinsamer Erreger iso-lieren laumlsst Es ist somit offensichtlich dass die NEC multifaktoriell verursacht wird Dabei koumlnnen verschiedene pathogenetische Fak-toren identifiziert werden ( Abb 749) 4 Unreife der intestinalen Abwehrmechanismen 4 bakterielle Uumlberwucherung des Darmes 4 orale Ernaumlhrung

Die intestinale Abwehr gegenuumlber pathogenen Erregern ist bei Fruumlhgeborenen beeintraumlchtigt Neben einer verminderten Konzent-ration des sekretorischen IgA auf der Darmschleimhaut finden sich eine geringe Anzahl an intestinalen T-Lymphozyten ein relativ hoher pH-Wert der Magensaumlure und weitere Defizienzen der lokalen Immunitaumlt Die geringe Darmmotilitaumlt beguumlnstigt ebenfalls die Bak-terienadhaumlsion Die herabgesetzte lokale Immunitaumlt ist einer der wesentlichen pathogenetischen Faktoren der NEC

Die bakterielle Besiedlung des Darmes ist ebenfalls von Bedeu-tung In der Tat lassen sich bei einer NEC haumlufig bakterielle Erreger vor allem gramnegative Keime wie Klebsiella Enterobacter- und Pseudomonas-Spezies oder Escherichia coli aus der Peritonealfluumlssig-keit der Blutkultur oder aus dem Stuhl isolieren Aber auch Infektio-nen mit Staphylokkokus epidermidis oder Rotaviren werden bei einer NEC beobachtet Die Pneumatosis als pathognomonisches Symptom entsteht durch intraluminale Ausbreitung der bakteriellen H2-Bildung im Rahmen der Kohlenhydratvergaumlrung des Darminhalts

Die orale Ernaumlhrung ist ein weiterer pathogenetischer Faktor Eine NEC tritt praktisch nur bei oral ernaumlhrten Neugeborenen auf Eine zu rasche Steigerung der Nahrung (gt20 kalkg KGTag) kann bei der bestehenden Immaturitaumlt des Verdauungsapparats zu einer Verbesserung der Wachstumsbedingungen von Bakterien mit nach-folgender bakterieller Uumlberwucherung fuumlhren Bei Fuumltterung mit Frauenmilch kommt eine NEC seltener vor als bei Ernaumlhrung mit einer Kuhmilchpraumlparation Dieses kann daran liegen dass die lokale Schleimhautabwehr sowie die Verdauung der Nahrung durch Frauenmilch guumlnstig beeinflusst wird

kKlinikKinder mit NEC praumlsentieren sich mit folgenden Symptomen 4 geblaumlhtes meist druckschmerzhaftes Abdomen 4 blutige Stuumlhle 4 Erbrechen Nahrungs- oder Sekretruumlckstau im Magen 4 haumlufig lokalisierte Resistenz im Abdomen 4 livide oder roumltlich verfaumlrbte Bauchhaut 4 bei fortschreitender Erkrankung mit diffuser Peritonitis

gesamte Bauchhaut glaumlnzend und oumldematoumls 4 fehlende Darmgeraumlusche

Neben den lokalen Befunden zeigen die Kinder Symptome einer systemischen Infektion 4 Temperaturinstabilitaumlt 4 Apnoen 4 Muskelhypotonie 4 Hypomotorik bis Lethargie 4 Bei schweren Verlaumlufen zusaumltzlich 4 Hypotension 4 Azidose 4 dissiminierte intravasale Gerinnung mit Thrombozytopenie

Die Erkrankung verlaumluft progressiv klinisch hat sich eine Einteilung in 3 Stadien bewaumlhrt ( Tab 713)

Abb 749 Pathogenetische Faktoren bei der Entstehung der nekrotisierenden Enterokolitis

7177710 middot Fetale und neonatale Infektionen

kLabordiagnostikTypische laborchemische Befunde gibt es nicht sie entsprechen der einer Sepsis (Leukozytose oder Leukozytopenie raquoLinksverschie-bunglaquo im Verlauf erhoumlhte Serumkonzentrationen des C-reaktiven Proteins)

kRoumlntgendiagnostikRadiologisch findet sich in den fruumlhen Stadien der Erkrankung eine lokalisierte oder generalisierte Dilatation von Darmschlingen so-wie eine Verdickung der Darmwand Das typische Symptom einer NEC ist die Pneumatosis intestinalis mit einer perlschnurartigen Ansammlung von Gasblasen in der Darmwand Bei Extension dieser Gasansammlung uumlber die Mesenterialgefaumlszlige in die Lebervenen laumlsst sich intrahepatische Luft nachweisen Eine Perforation des Darms fuumlhrt zum Auftreten freier Luft im Abdomen Das Pneumoperito-neum imponiert in Ruumlckenlage oft als rundliche strahlentranspa-rente Figur in Bauchmitte die Perforation laumlsst sich meist besser bei einer Aufnahme in Linksseitenlage als sichelartige Luftdarstellung uumlber der Leber nachweisen

kTherapieDie Behandlung der NEC haumlngt ab von der Schwere der Erkrankungsbquo Bei Verdacht auf NEC erfolgt eine konservative Behandlung mit Nahrungspause (keine oralen Medikamente) Magenablaufsonde und breiter antibiotischer Therapie Die Fluumlssigkeits- und Elektro-lyttherapie ist von besonderer Bedeutung da es zu erheblichen Ver-lusten von Fluumlssigkeit in den Darm kommen kann (sog dritter Raum) in der Regel ist die Gabe von isotoner Elektrolytloumlsung erforderlich Bei definitiver NEC oder Ileussymptomatik ist unbe-dingt eine Mitbeurteilung des klinischen Befundes durch einen Kinderchirurgen notwendig um eine rechtzeitige Indikation zu ope-rativem Vorgehen stellen zu koumlnnen Eine Operationsindikation ist gegeben bei Perforation klinischen Peritonitissymptomen oder deutlichen Pneumatosiszeichen Ein toxisches Krankheitsbild erfor-dert eine notfallmaumlszligige operative Therapie

710 Fetale und neonatale Infektionen

7101 Besonderheiten des Immunsystems Neugeborener

Waumlhrend der 2 Schwangerschaftshaumllfte entwickelt der Fetus die Faumlhigkeit zur zellulaumlren und humoralen Immunabwehr jedoch ist das Immunsystem des Feten in seiner Aktivitaumlt supprimiert um Abstoszligungsreaktionen zwischen Feten und Mutter zu vermeiden

Die Umstellung des Immunsystems auf die aktive Bekaumlmpfung von invasiven Erregern erfolgt erst postnatal Deshalb sind viele immu-nologische Effektorsysteme beim Neugeborenen und noch ausge-praumlgter beim Fruumlhgeborenen weniger funktionsfaumlhig als beim Er-wachsenen ( Tab 714)

Immunglobuline Fetale B-Lymphozyten sind in der Lage bei intra-uterinen Infektionen IgM-Antikoumlrper zu bilden Die IgG-Antikoumlr-per des Neugeborenen sind dagegen IgG-Antikoumlrper der Mutter die uumlber einen aktiven Transportmechanismus der Plazenta auf das Neugeborenen uumlbertragen werden und ihm den so genannten Nest-schutz vor Infektionen vermitteln Der protektive Effekt von muumltter-lichen IgG-Antikoumlrpern z B gegen β-haumlmolysierende Streptokok-ken der Gruppe B oder Herpes simplex ist eindeutig belegt Dieser transplazentare Transport beginnt mit 20 Schwangerschaftswochen und fuumlhrt zu mit dem Gestationsalter zunehmenden IgG-Konzent-rationen beim Neugeborenen Fruumlhgeborene haben deshalb nur einen ungenuumlgenden Nestschutz IgA passiert die Plazenta nicht und ist beim Neugeborenen nicht nachzuweisen

gt Beim Neugeborenen nachweisbares IgM ist ein Hinweis auf eine intrauterine Infektion da muumltterliche IgM-Anti-koumlrper wegen ihrer Groumlszlige die Plazenta nicht passieren

Komplementsystem Die Serumkonzentrationen der meisten Kom-plementfaktoren und Komplementaktivitaumlt betragen beim reifen Neugeborenen nur ca 50 der Erwachsenenwerte Dadurch ist die Opsonisierung von Erregern verringert und somit die opsoninab-haumlngige Phagozytose eingeschraumlnkt

Granulozyten Das Neugeborene hat nur geringe Granulozytenre-serven im Knochenmark Die Granulozyten zeigen normales Phago-zytoseverhalten und Bakterizidie jedoch eine eingeschraumlnkte Adhauml-renz und Chemotaxis

Makrophagen Neonatale Makrophagen zeigen eine verringerte Chemotaxis und Aktivierbarkeit

T-Lymphozyten Mit 15ndash20 Schwangerschaftswochen haben Feten eine nachweisbare T-Zell-Population im peripheren Blut Diese ist allerdings in ihrer Aktivitaumlt supprimiert und zeigt eine verringerte

Tab 713 Stadien der nekrotisierenden Enterokolitis (NEC) nach Bell

Stadium 1 Ver-dacht auf NEC

Systemische Symptome und Distension des Darmes (A ohne B mit blutigen Stuumlhlen)

Stadium 2 defini-tive NEC

Zunahme der systemischen Symptome Ileus als diagnostisches Symptom Nachweis einer Pneumatosis intestinalis (A ohne B mit deut-lichen abdominellen Lokalbefunden ndash Ab-wehrspannung Bauchwandinfiltration abdominelle Resistenz Aszites)

Stadium 3 fortge-schrittene NEC

Schwere systemische Infektionssymptome sehr krankes Kind deutliche Zeichen der Peritonitis (A ohne B mit Darmperforation)

Tab 714 Funktionseinschraumlnkungen des neonatalen Immun-system

Immun-globuline

IgG von der Mutter uumlbertragen (Nestschutz)Evtl Mangel an spezifischen AntikoumlrpernIgG bei Fruumlhgeborenen deutlich vermindertIgM-Produktion bei intrauteriner Infektion moumlglich

Komple-mentsystem

Serumspiegel nur 50ndash75 des Erwachsenen

Granulo-zyten

Geringe KnochenmarksreservenVerminderte Adhaumlrenz und Chemotaxis

Makro-phagen

Verringerte Chemotaxis und Aktivierbarkeit

T-Lympho-zyten

Verringerte MitogenstimulierbarkeitVerringerte ZytokinproduktionVerringerte Faumlhigkeit B-Zellen und Makrophagen zu stimulieren

Kapitel 7 middot Neonatologie178

7

Mitogenstimulierbarkeit eine verminderte Faumlhigkeit B-Zellen und Makrophagen durch eine eingeschraumlnkte Zytokinproduktion z B von γ-Interferon zu aktivieren

7102 Nichtbakterielle konnatale Infektionen

kGrundlagenDie nichtbakteriellen Erreger konnataler Infektionen werden haumlufig unter dem Merkwort TORCH zusammengefasst 4 T Toxoplasma gondii 4 O Others (HIV Varizella-Zoster-Virus Hepatitis-B-Virus

Parvovirus-B19) 4 R Roumltelnvirus 4 C Zytomegalievirus 4 H Herpes-simplex-Virus Typ 1 und 2

kUumlbertragungDiese Erreger koumlnnen auf verschiedenen Wegen von der Mutter auf das Kind uumlbertragen werden ( Tab 715)

4 Transplazentare Infektion der Erreger im muumltterlichen Blut durchdringt die Plazentaschranke und infiziert das Kind Die Durchlaumlssigkeit der Plazentaschranke haumlngt von der Art des Erregers und vom Zeitpunkt der Gestation ab so wird die Plazenta z B mit zunehmendem Gestationsalter durchlaumlssiger fuumlr Toxoplasmen

4 Perinatale Infektion das Kind infiziert sich beim Durchtritt durch den Geburtskanal

4 Postnatale Infektion die Infektion erfolgt durch Muttermilch oder Kontakt mit infektioumlsem Material von der Mutter

kKlinikDie Symptomatik der TORCH-Infektionen reicht von der asympto-matischen Infektion bis zur toumldlichen Erkrankung ( Tab 716)

Folgende Symptome bei Geburt sind verdaumlchtig auf eine intra-uterin uumlbertragene TORCH-Infektion 4 Untergewicht 4 Mikrozephalie intrazerebrale Verkalkungen Krampfanfaumllle

(Enzephalitis) 4 Netzhautverkalkungen Mikrophthalmie (Chorioretinitis) 4 Anaumlmie Thrombozytopenie (Knochenmarkdepression) 4 Hepatomegalie Ikterus (Hepatitis)

kDiagnoseDiagnostisch stehen der direkte Erregernachweis in Urin Speichel oder anderen Koumlrpersekreten zur Verfuumlgung die Erregerausschei-dung persistiert oft uumlber Monate Die Nachweis von IgM-Antikoumlr-pern gelingt oft nicht deshalb sind Verlaufsuntersuchungen des IgG-Titers erforderlich

7103 Roumlteln

kEpidemiologieDas Risiko einer Roumltelnembryofetopathie betraumlgt 30 bei einer muumltterlichen Infektion vor der 12 Schwangerschaftswoche und 10 bei einer muumltterlichen Infektion zwischen 13 und 20 Schwanger-schaftswochen Die Haumlufigkeit der Roumltelnembryopathie hat in Deutschland durch die Impfung und die verbesserte praumlnatale Diagnostik auf 1 pro 10000 Geburten abgenommen

kPathogeneseDas Roumltelnvirus wird waumlhrend der muumltterlichen Viraumlmie trans-plazentar uumlbertragen 50 der infizierten Schwangeren sind selbst asymptomatisch Bei unbeabsichtigter Roumltelnimpfung einer Schwan-geren kann es zwar selten zu einer kindlichen Infektion kommen aber nicht zu einer Roumltelnembryopathie

kKlinikTypisch ist die Roumltelnembryopathie mit der Fehlbildungstrias In-nenohrschwerhoumlrigkeit Herzfehler (persistierender Ductus arte-riosus) und Katarakt die auch als Gregg-Syndrom bezeichnet wird Es kann aber auch zum Abort zur intrauterinen Infektion ohne Fehlbildung zu transienten neonatalen Symptomen oder zur persis-tierenden Infektion mit permanenten Organschaumlden kommen

Tab 715 Bedeutung der verschiedenen Infektionswege bei nicht-bakteriellen konnatalen Infektionen

Erreger Transplazentare Infektion

Perinatale Infektion

Postnatale Infektion

Toxoplasmose ++ ndash ndash

HIV + ++ +

Parvovirus ++ ndash ndash

Hepatitis-B-Virus + ++ +

Varicella-Zoster-Virus ++ + +

Roumlteln ++ ndash ndash

Zytomegalie ++ ++ +

Herpes simplex ndash ++ +

Tab 716 Symptome der nichtbakteriellen konnatalen Infektionen

Erreger Symptomatik

Roumlteln Embryopathie mit Trias Innenohrschwerhoumlrigkeit Herzfehler Katarakt

Zytomegalie 90 bei Geburt asymptomatisch (Spaumltschaumlden psychomotorische Retardierung Schwerhoumlrigkeit)10 bei Geburt symptomatisch (Enzephalitis Hepatitis Chorioretinitis Wachstumsretardierung)

Herpes sim-plex (Typ 2)

Generalisiert-septische Infektion oder lokalisierte Herpeslaumlsionen an Haut Auge und Mund oder isolierte Enzephalitis

Varicella Zoster

Varizellenembryopathie (Hautnarben Extremitauml-tenhypoplasie) neonatale Varizellen

Hepatitis B Hepatitis haumlufig mit chronischem Verlauf

HIV Bei Geburt meist asymptomatisch in den ersten Lebensmonaten Lymphadenopathie Gedeihstoumlrung rezidivierende Diarrhouml oder Atemwegsinfektionen

Parvovirus B19 Transiente intrauterine Anaumlmie

Toxoplas mose 90 bei Geburt asymptomatisch (Spaumltschaumlden Chorioretinits psychomotor Retardierung Hydro-zephalus)10 bei Geburt symptomatisch (Enzephalitis Hepatitis Chorioretinitis Gedeihstoumlrung)

7179710 middot Fetale und neonatale Infektionen

CaveMeningoenzephalitis Chorioretinitis Glaukom Hepatitis etc

kDiagnoseZur Diagnose tragen Anamnese und Virusnachweis in Speichel Blut oder Urin bei Die Virusausscheidung ist 1ndash3 Monate nach der Geburt am houmlchsten und kann bis zu 1 Jahr persistieren Positives Roumlteln-IgM in der Serologie persistierender oder ansteigender Roumlteln-IgG-Titer sind diagnostisch wegweisend

kDifferenzialdiagnoseZytomegalie Toxoplasmose

kTherapieBei hohem Verdacht auf eine Roumltelnembryopathie kann eine Schwangerschaftsunterbrechung erwogen werden

gt Entscheidend ist die Sicherstellung des Roumltelnimpf schutzes bei allen Maumldchen vor Eintritt der Pubertaumlt denn bei intra-uteriner Infektion ist keine spezifische Therapie moumlglich

kPrognoseDie Gesamtmortalitaumlt infizierter Neugeborener betraumlgt 10 davon 35 im 1 Lebensjahr

7104 Zytomegalie

kEpidemiologieDie Zytomegalie ist die haumlufigste nichtbakterielle konnatale Infekti-on 1 aller Neugeborenen sind bei Geburt mit dem Zytomegalie-virus infiziert 10 der infizierten Neugeborenen sind bei Geburt symptomatisch (7 Kap 154)

kPathogeneseDas Zytomegalievirus persistiert lebenslaumlnglich in Lymphozyten und anderen Koumlrperzellen ( Abb 750) Die Infektion wird in der Schwan-gerschaft haumlufig reaktiviert Bei einer Erstinfektion der Mutter in der Schwangerschaft kommt es zu einem wesentlich schwereren fetalen Krankheitsverlauf als bei transplazentarer Erregeruumlbertragung im Rahmen einer in der Schwangerschaft reaktivierten Zytomegalie-infektion Daneben ist auch eine perinatale Uumlbertragung durch infek-tioumlse Genitalsekrete und eine postnatale Uumlbertragung durch Mutter-milch oder eine Bluttransfusion moumlglich Eine postnatale CMV-Infek-tion ist vermutlich nur fuumlr sehr unreife Fruumlhgeborene problematisch sie koumlnnen von einem Sepsis-aumlhnlichen Krankheitsbild betroffen sein

kKlinik90 der intrauterin infizierten Neugeborenen sind bei Geburt asym-ptomatisch scheiden allerdings das Virus uumlber Monate im Urin Traumlnen Blut und Rachensekret aus 10 der bei Geburt symptom-freien Neugeborenen entwickeln im Verlauf Spaumltmanifestationen (Houmlrstoumlrung psychomotorische Retardierung) Die 10 bei Geburt symptomatischen Neugeborenen koumlnnen verschiedenste Organ-schaumlden aufweisen (Enzephalitis mit periventrikulaumlren Kalzifikatio-nen Mikrozephalie Taubheit Hepatitis Wachstumsretardierung Chorioretinitis petechialer Hautausschlag Thrombozytopenie) und entwickeln zu 90 bleibende Organschaumlden

kKomplikationenEntwicklung von bleibenden Organschaumlden vor allem im Gehirn ( Abb 750) Gehoumlr und am Auge durch die persistierende Infektion

kDiagnoseDurch direkten Erregernachweis (Early Antigen Virus-PCR) und Viruskultur von Urin Speichel wird die Infektion nachgewiesen IgM-Antikoumlrper sind auch bei florider Zytomegalieinfektion nicht immer nachzuweisen deshalb erfolgt die Kontrolle des IgG-Titer-verlaufs

kDifferenzialdiagnoseKonnatale Roumlteln Toxoplasmose bakterielle Sepsis

kTherapieEine mehrwoumlchige Behandlung mit Ganciclovir scheint den Grad der Schwerhoumlrigkeit und moumlglicherweise auch der neurologischen Schaumldigung guumlnstig zu beeinflussen

gt Die konnatale Zytomegalieinfektion ist eine fuumlhrende Ursache von geistiger Behinderung und Schwerhoumlrigkeit

7105 Herpes simplex

kEpidemiologieDie Haumlufigkeit der konnatalen Herpes-simplex-Infektion betraumlgt 1 auf 7500 Neugeborene In 85 der Faumllle wird sie durch den Virustyp 2 (Herpes genitalis) verursacht (7 Kap 151)

kPathogenese90 der Infektionen finden perinatal beim Durchtritt durch den Geburtskanal statt Das Uumlbertragungsrisiko ist bei einer primaumlren Herpes-genitalis-Infektion der Mutter 10-mal houmlher (50) als bei einer rekurrierenden muumltterlichen Infektion Die Herpes-simplex-Typ-1-Infektion (Herpes labialis) beim Neugeborenen wird meist postnatal durch Kontakt mit infektioumlsem Sekret uumlbertragen

kKlinikBei der peri- oder postnatalen Infektion kann es zu einer generali-sierten Infektion kommen zur einer auf Haut Augen und Mund beschraumlnkten Infektion oder zur Enzephalitis Die generalisierte Infektion hat unspezifische Symptome wie bei einer Sepsis (Apnoen Lethargie oder Hepatosplenomegalie) Hauteffloreszenzen kommen nur bei 70ndash80 der Neugeborenen mit HSV-Sepsis vor Die lokali-sierte Infektion zeigt Herpeslaumlsionen auf der Haut Keratokonjunk-

Abb 750 Typische im Nierenparenchym gelegene Riesenzellen die aus Virusaggregaten bestehende Zelleinschlusskoumlrperchen (sog Eulenaugen-zellen) enthalten

Kapitel 7 middot Neonatologie180

7

tivitis und Chorioretinitis Die isolierte Enzephalitis manifestiert sich mit Fieber Irritabilitaumlt Lethargie Koma fokalen und generali-sierten Krampfanfaumlllen und gespannter Fontanelle Hautlaumlsionen sind dabei selten Im CT findet man typischerweise fokale Laumlsionen im Temporallappen

kKomplikationenSchock disseminierte intravasale Koagulopathie

kDiagnoseZur Diagnose fuumlhren die charakteristischen Hauteffloreszenzen sowie der Virusnachweis aus Blaumlscheninhalt und Blut (Nachweis von HSV-Antigen und HSV-DNA) Bei der Enzephalitis laumlsst sich das Virus in 25ndash40 der Faumllle im Liquor nachweisen Die Serologie ist in der Regel nicht hilfreich

kDifferenzialdiagnoseToxoplasmose Zytomegalie Roumlteln intrakranielle Blutung Sepsis

kTherapieBei primaumlrer Herpes-genitalis-Infektion der Mutter zum Zeitpunkt der Geburt sollte die Entbindung per Kaiserschnitt durchgefuumlhrt werden um das Infektionsrisiko zu reduzieren Beim geringsten klinischen Verdacht auf eine neonatale Herpesinfektion sollte eine antivirale Therapie mit Aciclovir begonnen werden Die fruumlh ein-setzende antivirale Therapie verbessert die Prognose und eine Gene-ralisierung kann verhindert werden

kPrognoseBei einer generalisierten Infektion betraumlgt die Letatlitaumlt 60 Uumlber-lebende haben meist schwere neurologische und okulaumlre Schaumlden

7106 Varizella-Zoster-Virus

kEpidemiologieDie Inzidenz muumltterlicher Windpocken in der Schwangerschaft betraumlgt nur 1ndash510000 Schwangerschaften Bei muumltterlichen Wind-pocken in der Schwangerschaft werden 25 der Feten infiziert

kPathogeneseDie fruumlhe transplanzentare Infektion fuumlhrt zur Varizellenembryo-pathie die spaumlte transplazentare Infektion in den letzten 3 Schwan-gerschaftswochen zu neonatalen Windpocken

kKlinikDie Varizellenembryopathie geht mit Enzephalitis Chorioretinitis Hypoplasie von Gliedmaszligen und dermatombezogenen Hautnarben einher Neonatale Windpocken verlaufen je nach Infektionszeit-punkt unterschiedlich schwer 4 Auftreten der muumltterlichen Windpocken 5ndash21 Tage vor der

Geburt Die Infektion erfolgt transplazentar Die Inkubations-zeit nach transplazentarer Infektion ist kuumlrzer (10 statt 14 Tage) als nach Infektion uumlber den Nasopharynx Das Neugeborene zeigt innerhalb weniger Tage nach Geburt in der Regel milde Symptome da es auch muumltterliche Antikoumlrper uumlber die Plazenta bekommt

4 Auftreten der muumltterlichen Windpocken 4 Tage vor dem Ent-bindungstermin bis 2 Tage nach Geburt Das Neugeborenes wird 5ndash10 Tage post partum symptomatisch Die Erkrankung kann in 20 der Faumllle schwer verlaufen mit sich rasch aus-breitendem haumlmorrhagischem Exanthem Pneumonie Enzephalitis und Tod da das Neugeborene keine muumltterlichen Antikoumlrper mehr erhalten hat

4 Postnatale Infektion Wird ein NeugeborenesSaumlugling postnatal uumlber den Nasopharynx infiziert hat es kein houmlheres Erkrankungsrisiko als aumlltere Kinder

kKomplikationenNach neonatalen oder postnatalen Windpocken tritt in den ersten 10 Lebensjahren haumlufig ein Zoster auf

kDiagnoseAnamnese und Nachweis des typischen Exanthems Virusisolie-rung aus Effloreszenzen und Serologie ermoumlglichen die Diagnose-stellung

kDifferenzialdiagnoseKonnatale Herpes-simplex-Virus-Infektion

kTherapieBei muumltterlichen Varizellen kurz vor dem Entbindungstermin erhaumllt die Mutter sofort und das Kind nach der Geburt ein Varizellen- Hyperimmunglobulin auszligerdem werden beide mit Aciclovir be-handelt

kPrognoseDie Letalitaumlt der Varizellenembryopathie betraumlgt 47

7107 Weitere konnatale Virusinfektionen

Hepatitis B kEpidemiologie

1 der Schwangeren sind HBs-Antigen positiv und etwa 6 ihrer Neugeborenen werden infiziert Ist die Mutter HBs- und HBe-Anti-gen positiv verzehnfacht sich das Infektionsrisiko fuumlr den Feten 20ndash30 der infizierten Neugeborenen werden zu chronischen He-patitis-B-Traumlgern

kPathogeneseDie Uumlbertragung des Hepatitis-B-Virus erfolgt perinatal

Abb 751 Periventrikulaumlre Echogenitaumltsvermehrung und Hydrozephalus im zerebralen Ultraschall als Ausdruck einer VentrikulitisEnzephalitis bei neonataler Zytomegalieinfektion

7181710 middot Fetale und neonatale Infektionen

kDiagnoseDer Nachweis von HBs-Antigen bei der Mutter erfolgt im Rahmen der Schwangerenvorsorge

kTherapieDurch die unmittelbar postnatal durchgefuumlhrte aktive und passive Immunisierung des Neugeborenen gegen Hepatitis B lassen sich 80 der neonatalen Infektionen verhindern

HIV-Infektion kPathogenese

Der wichtigste Infektionsmodus ist die perinatale Infektion jedoch kann die Infektion auch transplazentar oder postnatal z B durch Muttermilch erfolgen

kKlinikDie Neugeborenen sind bei Geburt meist symptomfrei In den ersten Lebensmonaten entwickeln sich Symptome wie Mikrozephalie psychomotorische Retardierung Gedeihstoumlrung persistierende Candidainfektionen oder Diarrhouml Lymphadenopathie oder rezidi-vierende Atemwegsinfektionen

kDiagnoseDie Diagnose der HIV-Infektion beim Neugeborenen oder Saumlugling kann nur durch HIV-PCR oder Viruskultur gefuumlhrt werden

CaveDer Nachweis von HIV-Antikoumlrpern beim Neugeborenen ist nicht beweisend fuumlr eine HIV-Infektion da es sich um muumltterliche Leihantikoumlrper handeln kann

kTherapieDurch die antiretrovirale Behandlung der Mutter ab 34 Schwanger-schaftswochen die Kaiserschnittentbindung mit 38 Schwanger-schaftswochen und die sofortige postnatale Azidothymidinbehand-lung des Neugeborenen konnte die Rate der perinatalen Infektionen auf unter 2 gesenkt werden HIV-infizierte Muumltter sollen nicht stillen

Parvovirus-B19-Infektion kPathogenese

Parvovirus B19 wird transplazentar uumlbertragen Bei der Mutter ver-laumluft die Infektion haumlufig subklinisch und nicht mit dem fuumlr den Parvovirus B19 typischen Exanthem der Ringelroumlteln

kKlinikBeim Feten fuumlhrt die Infektion zu einer transienten Depression der Erythropoese und zur Entwicklung einer intrauterinen Anaumlmie die so ausgepraumlgt sein kann dass sich ein Hydrops fetalis entwickelt

kDiagnoseParvovirus-B19-Serologie bei der Mutter positives IgM beim Kind

kTherapieBei nachgewiesener muumltterlicher Infektion engmaschige Ultra-schallkontrolle des Feten Bei drohendem Hydrops fetalis Bestim-mung des fetalen Haumlmatokrits und intrauterine Transfusion Nach erfolgreicher intrauteriner Behandlung ist die Prognose der Kinder als gut anzusehen

7108 Toxoplasmose

kEpidemiologieDie Haumlufigkeit der konnatalen Toxoplasmose betraumlgt 3ndash6 auf 1000 Lebendgeborene (7 Kap 177)

kPathogeneseDie Erstinfektion fuumlhrt beim Erwachsenen zu grippalen Symptomen mit Lymphknotenschwellungen Bei einer Erstinfektion in der Schwangerschaft kommt es in ca 50 der Faumllle zu einer Infektion des Feten Dabei uumlberwindet der Erreger die Planzenta im 3 Trime-non leichter als im 2 Trimenon die Erkrankung verlaumluft allerdings bei Infektion im 3 Trimenon wesentlich leichter

kKlinik10 der infizierten Feten entwickeln eine symptomatische ge-neralisierte Infektion mit Enzephalitis Hepatitis Chorioretinitis ( Abb 752) Pneumonie und Myokarditis 90 haben primaumlr einen subklinischen Krankheitsverlauf und werden asymptomatisch ge-boren

kKomplikationenRezidivierende Chorioretinitis

kDiagnoseIm Vordergrund steht die serologische Diagnostik In 70 der Faumllle gelingt ein Nachweis von IgM-Antikoumlrpern Antigennachweise sind in Erprobung

kDifferenzialdiagnoseZytomegalie Roumlteln

kTherapieBei muumltterlicher Erstinfektion in der Schwangerschaft wird die Mutter mit Spiramycin Sulfonamiden und Pyrimethamin be-handelt Dieselbe Therapie wird postnatal einem infizierten Neuge-borenen verabreicht

kPrognoseEin Teil der asymptomatischen Neugeborenen entwickelt postenze-phalitische Spaumltschaumlden (intrazerebrale Verkalkungen Hydroze-

Abb 752 Chorioretinitis bei konnataler Toxoplasmose

Kapitel 7 middot Neonatologie182

7

phalus und Chorioretinitis) Kinder mit angeborener Toxoplasmose sollten bis zum 10 Lebensjahr in regelmaumlszligigen Abstaumlnden ophtal-mologisch und neurologisch untersucht werden

7109 Neugeborenensepsis

kDefinitionDie neonatale Sepsis stellt nach wie vor eines der Hauptprobleme der Neugeborenenmedizin dar sie ist eine disseminierte mikrobielle Erkrankung die durch die klinischen Symptome einer systemischen Infektion und die Septikaumlmie d h den kulturellen Nachweis patho-gener Erreger in der Blutkultur charakterisiert ist Im Rahmen des septischen Schocks kann sich ein Multiorganversagen ausbilden

kEpidemiologieIn Westeuropa und den USA erkranken 1ndash4 Neugeborene1000 Le-bendgeboreneJahr an einer neonatalen Sepsis 10ndash25 der Patien-ten versterben an den Komplikationen dieser oftmals foudroyant verlaufenden Infektion bis zu frac14 der Kinder entwickeln als Folge einer zu spaumlt diagnostizierten Sepsis eine eitrige Meningitis Diese Komplikation tritt in Deutschland inzwischen bei weniger als 10 der Fruumlh- und Neugeborenen auf Besonders kritisch ist die Situation auf neonatologischen Intensivstationen hier kann bei 25 der Kindern im Verlauf der Intensivtherapie eine Sepsis nachgewiesen werden Wie eine Reihe von epidemiologischen Untersuchungen belegen hat die Inzidenz der neonatalen Sepsis in den letzten 20 Jah-ren zugenommen

kVerlaufDie neonatale Sepsis manifestiert sich in 2 Verlaufsformen 4 fruumlheinsetzende Form (Fruumlhsepsis) 4 spaumlteinsetzende Form (Spaumltsepsis)

Die fruumlheinsetzende Form zeichnet sich durch den Krankheitsbeginn in den ersten Lebenstagen das typische Erregerspektrum (s unten) und die fulminante Verlaufsform aus Haumlufig entwickelt sich die sys-temische Infektion auf dem Boden einer neonatalen Pneumonie Bei vielen Kindern sind geburtshilfliche Risikofaktoren vorhanden

Die spaumlteinsetzende Form tritt in der Regel nach dem 5 Le-benstag auf der klinische Verlauf kann entweder foudroyant oder langsamer fortschreitend sein die Neugeborenen erkranken haumlufig an einer Meningitis Die Erreger stammen haumlufig aus dem postnata-len Umfeld Besonders intensivmedizinisch behandelte Fruumlh- und Neugeborene sind gefaumlhrdet an einer spaumlteinsetzenden nosoko-mialen Sepsis zu erkranken

kPathogenese RisikofaktorenDie geburtshilflichen Risikofaktoren der fruumlheinsetzenden Sepsis sind 4 vorzeitiger Blasensprung 4 Amnioninfektionssyndrom 4 Fieber Bakteriaumlmie der Mutter 4 Fruumlhgeburtlichkeit

Durch vorzeitigen Blasensprung Aszension vaginaler Erreger (as-zendierende Infektion) oder im Rahmen einer muumltterlichen Bakte-riaumlmie (deszendierende Infektion) kann das Neugeborene bereits in utero infiziert werden und manifest erkranken ( Abb 753)

Bei einer muumltterlichen vaginalen und rektalen Kolonisierung mit pathogenen Erregern kann ein Neugeborenes daruumlber hinaus auf dem Geburtsweg infiziert werden Bis zu 30 der amerikanischen und westeuropaumlischen Schwangeren weisen eine vaginale Besiedlung mit β-haumlmolysierenden Streptokokken der Gruppe B auf maximal 50 mit pathogenen E coli Nach einer vaginalen Geburt sind bis zu 70 der Neugeborenen mit diesen pathogenen Bakterien auf Haut- und Schleimhaumluten kolonisiert Das Ausmaszlig der Besiedlung erhoumlht das Risiko an einer Sepsis zu erkranken Man kann davon ausgehen dass ca 1 von 100 Neugeborenen die mit β-haumlmolysierenden Strep-tokokken der Gruppe B besiedelt sind an einer Sepsis erkrankt

Eine Gruppe von Risikopatienten ist in einem hohen Maszlig gefaumlhrdet eine nosokomiale Sepsis zu akquirieren intensivmedizi-nisch behandelte Fruumlh- und Neugeborene Die gut belegten Risiko-faktoren sind in Tab 717 zusammengefasst

gt Eine Uumlbertragung von pathogenen Erregern erfolgt uumlber-wiegend durch unzureichende Handwaschpraktiken der betreuenden Schwestern und Aumlrzte

Abb 753 Prauml- und postnatale Infektionswege der neonatalen Sepsis

7183710 middot Fetale und neonatale Infektionen

In einzelnen amerikanischen Intensivstationen wurden bei 15 aller Hochrisikofruumlhgeborenen systemische Infektionen mit Candida spp diagnostiziert In Tab 718 sind die wesentlichen Erreger der neonatalen Sepsis zusammengefasst

kKlinikDie klinische Symptomatik der Neugeborenensepsis ist uncharak-teristisch und variabel bleiben die oftmals diskreten klinischen Zeichen unerkannt so kann sich innerhalb kurzer Zeit das Vollbild des septischen Schocks entwickeln Einer der wichtigsten Hinwei-se ist das von einer erfahrenen Kinderkrankenschwester registrierte raquoschlechte Aussehenlaquo des Neugeborenen Neben Stoumlrungen der Temperaturregulation und der Atmungsfunktion werden gastro-intestinale Symptome beobachtet Phasenweise nachweisbare Veraumlnderungen des Hautkolorits weisen auf die im Rahmen der Bakteriaumlmie auftretende Mikrozirkulationsstoumlrung hin Daneben koumlnnen Hyperexzitabilitaumlt Hypotonie Apathie und zerebrale Krampfanfaumllle auftreten Petechien verstaumlrkte Blutungsneigung Hypotension und septischer Schock entwickeln sich im Verlauf der Erkrankung

Wesentliche Symptome der neonatalen Sepsis 4 Temperaturinstabilitaumlt Hyper- Hypothermie 4 Atemstoumlrungen Tachypnoe Dyspnoe Apnoe 4 Gastrointestinale Symptome Trinkschwaumlche

Erbrechen abdominelle Distension

4 Zirkulatorische Insuffizienz periphere Mikrozirkulati-onsstoumlrungen Blaumlsse grau-marmoriertes Hautkolorit septischer Schock Multiorganversagen disseminierte intravasale Gerinnung

4 Neurologische Stoumlrungen Hyperexzitabilitaumlt Lethargie Krampfanfaumllle

Bei klinischen Warnzeichen muss solange der Verdacht auf eine neo-natale Sepsis bestehen bis das Gegenteil bewiesen ist also eine In-fektion ausgeschlossen oder eine andere Ursache fuumlr die Verschlech-terung des kindlichen Zustandes gefunden wurde

gt Der Verlauf der Neugeborenensepsis wird entscheidend vom Zeitpunkt der Diagnose bzw des Behandlungsbe-ginns beeinflusst

kErregernachweisMit Blutkulturen (aerob anaerob) gegebenenfalls Liquorkulturen Urinstatus und -kultur Haut- und Schleimhautabstrichen sowie Un-tersuchung von Magensekret erfolgt der Erregernachweis Bei jedem isolierten Erreger ist eine Resistenztestung durchzufuumlhren

kLabordiagnostikVerschiedene Entzuumlndungsparameter koumlnnen als Warnzeichen einer neonatalen Infektion angesehen werden und zur Fruumlherken-nung der neonatalen Sepsis beitragen

Tab 717 Risikofaktoren der nosokomialen Sepsis

Intensivmedizinische Maszlignahmen

Endotracheale IntubationMaschinelle BeatmungZentrale Katheter Lipidinfusionen

Mangelhafte Stationshygiene

Unzureichende HandwaschpraktikenUumlberbelegung der IntensivstationPersonelle Unterbesetzung

Kontamination InkubatorenWaschbeckenAndere Gegenstaumlnde

Tab 718 Wesentliche Erreger der fruumlh oder spaumlt einsetzenden neonatalen Sepsis

Fruumlheinsetzende Sepsis Spaumlteinsetzende Sepsis

Streptokokken Gruppe BEscherichia coliStaphylococcus aureusListeria monocytogenesEnterokokken u a

Escherichia coliStaphylococcus epidermidisKlebsiella-Enterobacter-SpeziesPseudomonas aeruginosaProteus-SpeziesStreptokokken Gruppe BCandida albicans u a

Exkurs

Erregerspektrum der Neugeborenensepsis

Eines der faszinierenden aber immer noch nicht geklaumlrten Phaumlnomene neonataler In-fektionen ist ein von Zeit zu Zeit auftretender Wechsel im bakteriologischen SpektrumSo wurden in den USA in den 1930er-Jahren β-haumlmolysierende Streptokokken der Grup-pe A als haumlufigste Erreger der neonatalen Sepsis identifiziert In den naumlchsten Dekaden folgten Escherichia coli Staphylococcus aureus erneut E coli und schlieszliglich in den 1970er-Jahren β-haumlmolysierende Streptokok-ken der Gruppe B Das Verschwinden von haumlmolysierenden Streptokokken der Gruppe A sowie von Staph aureus in der vorantibioti-

schen Aumlra kann nicht auf medizinische oder hygienische Maszlignahmen zuruumlckgefuumlhrt werden Das Auftreten von Streptokokken der Gruppe B faumlllt in eine Periode in der Penicillin zum meist verwendeten Antibiotikum wurde bis heute haben diese Erreger ihr Resistenz-verhalten nicht veraumlndertIn Deutschland wurden β-haumlmolysierende Streptokokken der Gruppe B erstmals Ende der 70er-Jahre beobachtet sie sind inzwischen in den meisten Regionen die haumlufigsten Er-reger der neonatalen Sepsis Weiterhin sind E coli Listerien Enterokokken und Staph aureus typische Erreger der Fruumlhsepsis

Es gilt jedoch festzustellen dass nicht nur zwischen geographisch definierten Regionen sondern auch zwischen einzelnen Hospitaumllern mit unterschiedlichen Infektionserregern zu rechnen ist In vielen neonatologischen Zent-ren wird Staph epidermidis als haumlufigster Er-reger von spaumlteinsetzenden nosokomialen In-fektionen isoliert dieser Erreger fuumlhrt daruumlber hinaus immer wieder zu raquoAusbruumlchenlaquo von Hospitalinfektionen Daneben spielen Klebsiel-la- Enterobacter- und Pseudomonas-Spezies Staph aureus und andere pathogene Mikroor-ganismen eine unveraumlnderte Rolle als gefuumlrch-tete Erreger einer nosokomialen Spaumltsepsis

6

Kapitel 7 middot Neonatologie184

7

Fruumlherkennung und Warnzeichen neonataler Infektionen 4 Geburtshilfliche Risikofaktoren 4 Klinische Zeichen 4 Entzuumlndungsparameter

ndash Leukozytose (Gesamtzahl aller neutrophiler Granulozyten)

ndash IT-Quotient ndash CRP ndash Interleukin-6 u a

4 Erregernachweis

Zu diesen Entzuumlndungsindikatoren gehoumlren die Gesamtzahl der Leukozyten am 1 Lebenstag (lt10000 Leukozytenμl) die Gesamt-zahl aller neutrophilen Granulozyten sowie der unreifen Granulo-zyten sowie der IT-Quotient (ImmatureTotal neutrophils d h Gesamtzahl aller unreifen GranulozytenGesamtzahl aller Granulo-zyten gt02) Eine Thrombozytopenie tritt bei ca 30 der Neugebo-renen mit neonataler Sepsis im Verlauf der Infektion auf

Auch erhoumlhte Konzentrationen des C-reaktiven Proteins (CRP) und des Interleukin-6 (IL-6) weisen auf eine Infektion hin Die Sensitivitaumlt und Spezifitaumlt dieser Entzuumlndungszeichen wird von verschiedensten internationalen Arbeitsgruppen unterschiedlich beurteilt Die Wertigkeit der verschiedenen Infektionszeichen als so genannte raquoFruumlherkennungsparameterlaquo sollte auf keinen Fall uumlber-schaumltzt werden

Der Stellenwert der einzelnen Parameter wird am ehesten deut-lich wenn man sich die Sequenz des Entzuumlndungsgeschehens vor Augen fuumlhrt ( Abb 754) Nach Keiminvasion werden mit einer kurzen Latenz neutrophile Granulozyten rekrutiert die moumlglicher-weise im Verlauf des initialen Abwehrgeschehens bereits verbraucht werden ndash die Patienten entwickeln eine Neutrozytopenie ndash oder aber es werden vermehrt unreife und reife Granulozyten aus dem Kno-chenmark freigesetzt Erst im Rahmen der Makrophagenaktivierung werden der Tumornekrosefaktor Interleukin-1 und Interleukin-6 sezerniert diese immunologischen Hormone (Zytokine) stimulie-ren die Synthese des CRP in der Leber sie lassen sich relativ fruumlh und zum Teil nur innerhalb eines kurzen Zeitfensters sicher identifizie-ren Mit einem Konzentrationsanstieg dieses Akutphaseproteins ist

erst 4ndash6 h nach Keiminvasion oder lokaler Inflammation zu rech-nen Das CRP ist allerdings als idealer Verlaufsparameter einer neo-natalen Infektion anzusehen

kDifferenzialdiagnoseVerschiedene Erkrankungen Fruumlh- und Neugeborener koumlnnen sich unter nahezu identischer Symptomatologie manifestieren wie die neonatale Sepsis Bei Fruumlhgeborenen kann eine Infektion mit Strep-tokokken der Gruppe B unter dem Bild eines Atemnotsyndroms verlaufen Weitere Erkrankungen akute pulmonale Erkrankungen des Neugeborenen persistierende fetale Zirkulation Hyperviskosi-taumltssyndrom kardiale Erkrankungen nekrotisierende Enterokolitis zerebrale Blutungen metabolische Stoumlrungen intrauterine Infektio-nen u a

kTherapieNach Durchfuumlhrung der Sepsisdiagnostik ist unverzuumlglich eine int-ravenoumlse antibiotische Therapie durchzufuumlhren

Antibiotische Therapie Bei der Fruumlhsepsis wird von vielen klini-schen Gruppen an einer Kombinationsbehandlung mit Ampicillin und einem Aminoglykosid (z B Gentamicin) festgehalten alter-nativ wird eine empirische Therapie mit Ampicillin und einem Cephalosporin der 3 Generation (z B Cefotaxim) praktiziert Beide Therapiestrategien wurden von der raquoAmerican Academy of Pediatricslaquo empfohlen Der Hauptgrund fuumlr die Gabe von Ampicillin ist die unzulaumlngliche Aktivitaumlt der Cephalosporine gegen Listeria monocytogenes und Enterokokken Bei Verdacht auf eine Staphylo-kokkeninfektion muss die verwendete Kombination um ein gegen Staphylokokken wirksames Mittel erweitert werden Bestehen durch bakteriologische Untersuchungen der Mutter Hinweise auf einen seltenen Erreger der Fruumlhsepsis (Klebsiella Pseudomonas Serratia etc) sollte eine Kombinationstherapie mit einem Cephalosporin und einem Aminoglykosid gewaumlhlt werden Nach Vorliegen der bakteriologischen Resistenztestung (Blut- Liquorkulturen) wer-den die Patienten meist in einer Zweierkombination weiterbe-handelt

Vor einigen Jahren wurde im Rahmen einer Standardtherapie mit Cefotaxim eine rasche Selektion von cefotaximresistenten En-terobacter-Spezies (Enterobacter cloacae) nachgewiesen diese Erreger waren auch gegen neuere Cephalosporine resistent

gt Eine Anwendung von Cephalosporinen sollte daher nur unter strenger Indikationsstellung erfolgen

Bei Staph-epidermidis-Sepsis kann eine Vancomycintherapie erfor-derlich sein Infektionen mit Anaerobiern werden mit Metronidazol und Infektionen mit Candida spp bzw Aspergillus spp mit 5ndashFluo-rocytosin und Amphotericin B behandelt

Die Behandlungsdauer fuumlr eine neonatale Sepsis ohne Menin-gitis oder andere schwere Begleitinfektionen betraumlgt in der Regel 10ndash14 Tage

Supportivtherapie Eine optimale Supportivtherapie saumlmtlicher im Verlauf der Sepsis auftretender Funktionsstoumlrungen von Organsys-temen (Herz-Kreislauf Atmung Saumlure-Basen-Haushalt Gerinnung u a) ist eine wesentliche Voraussetzung in der Behandlung dieser lebensbedrohlichen Erkrankung

Ein Therapiekonzept sollte sich immer nach dem lokalen Erre-gerspektrum richten Daher ist es sinnvoll durch regelmaumlszligige bak-teriologische Untersuchungen von Patienten und Gegenstaumlnden der neonatalen Intensivstation Aumlnderungen im Resistenzverhalten von Problemkeimen fruumlhzeitig zu erfassen

Abb 754 Hypothetische Sequenz des Entzuumlndungsgeschehens im Ver-lauf einer Sepsis die Zytokine TNF-α IL-1 und IL-6 stimulieren die Synthese von CRP in der Leber

7185710 middot Fetale und neonatale Infektionen

kProphylaxeEine Immunprophylaxe gegen das breite Erregerspektrum der neo-natalen Sepsis existiert nicht Die Entwicklung eines speziellen Impf-stoffes gegen Streptokokken der Gruppe B duumlrfte erst in einigen Jahren gelingen

Einen weiteren praumlventiven Ansatz stellt die sog Chemoprophy-laxe dar Schwangere die vaginal und zervikal mit B-Streptokokken besiedelt sind zusaumltzlich vorzeitige Wehen undoder einen vorzeiti-gen Blasensprung von gt12 h haben erhielten eine selektive intrapar-tale Chemoprophylaxe mit Penicillin Durch diese Maszlignahme konnte die Kolonisierung Neugeborener und die Sepsisinzidenz durch Streptokokken der Gruppe B eindeutig gesenkt werden Aller-dings ist diese Maszlignahme nur dann wirksam wenn die antibiotische Prophylaxe mindestens gt4 h praumlpartal verabreicht wird

Seit 1996 wird in den USA ein generelles Screening bei allen Schwangeren in der 35ndash37 Gestationswoche durchgefuumlhrt um eine maternale Kolonisierung mit B-Streptokokken zum Zeitpunkt der Geburt zu erfassen Trotz der erheblichen Kosten und der potenziel-len Risiken einer Penicillinallergie erhalten alle Schwangeren prauml-partal eine Penicillingabe Durch diese Strategie konnte eine fruumlh einsetzende neonatale Sepsis mit B-Streptokokken wirksamer ver-hindert werden als durch eine Identifizierung Schwangerer mit be-kannten Risikofaktoren Bis zu 60 aller reifen Neugeborenen mit B-Streptokokkenerkrankungen hatten symptomfreie Muumltter die keinen Risikofaktor aufwiesen Durch die Screeningstrategie koumlnnen bis zu 70 aller fruumlh einsetzenden Septikaumlmien mit B-Streptokok-ken verhindert werden

71010 Meningitis

kDefinitionDie neonatale MeningitisMeningoenzephalitis ist eine mikrobielle Infektion der Hirnhaumlute des Gehirns und haumlufig auch der Ventrikel sie wird durch die typischen Erreger neonataler Infektionen ver-ursacht

kEpidemiologieDie Inzidenz der neonatalen Meningitis hat in den letzten 10 Jahren abgenommen vermutlich haben die verbesserte Perinatalver-sorgung und Fruumlherfassung neonataler Infektionen sowie die recht-zeitige antibiotische Behandlung zu diesem Ruumlckgang beigetragen Die durchschnittliche Erkrankungsrate liegt zwischen 01ndash04 pro 1000 Lebendgeborene

kAumltiologieIn Mitteleuropa und in Nordamerika werden bis zu 23 aller neona-talen Meningitiden durch Streptokokken der Gruppe B und E coli verursacht Fuumlr die in den ersten Lebenstagen auftretende Strepto-kokkenmeningitis sind uumlberwiegend die Serotypen I und II verant-wortlich sie stammen aus der muumltterlichen Vaginal- und Rektal-flora Bei der Spaumltform der Streptokokkenmeningitis wird der Serotyp III isoliert Die verantwortlichen E coli besitzen ein Kapsel-polysaccharidantigen K1 das die Virulenz der Erreger erhoumlht (Eli-mination der Bakterien nur bei kompletter Opsonierung)

In einzelnen Regionen werden gehaumluft Listerien (L monocyto-genes) als Meningitiserreger identifiziert Eine nosokomiale Menin-gitis wird in Abhaumlngigkeit vom lokalen Erregerspektrum am haumlu-figsten durch Klebsiella- und Enterobacter-Spezies Pseudomonas aeruginosa u a hervorgerufen Bei intensivmedizinisch behandel-ten Fruumlhgeborenen die an einer unklaren systemischen Infektion erkrankt sind muss immer an eine Candida-Meningitis gedacht

werden Wenn auch selten so koumlnnen doch die typischen Erreger der eitrigen Hirnhautentzuumlndung im Kindesalter eine neonatale Menin-gitis verursachen

kPathogenese RisikofaktorenDie bekannten geburtshilflichen praumlnatalen und postnatalen Risiko-faktoren der neonatalen Sepsis lassen sich uneingeschraumlnkt bei der Meningitis Neugeborener nachweisen Eine Meningitis entwickelt sich haumlufig als Folge einer zu spaumlt diagnostizierten Sepsis Ausgangs-punkte fuumlr die haumlmatogene Streuung sind Pneumonien Hautin-fektionen infizierter Nabel Harnwegsinfektionen Otitis media etc

gt Neugeborene mit Liquorshuntsystemen sind besonders gefaumlhrdet uumlber eine Bakteriaumlmie eine Ventilinfektion zu entwickeln der haumlufigste Erreger ist Staph epidermidis

kKlinikDie klinischen Zeichen der neonatalen Meningitis sind unspezifisch und in der Regel nicht von den Symptomen der Neugeborenensepsis zu unterscheiden Als zusaumltzliche Symptome koumlnnen Beruumlhrungs-empfindlichkeit spaumlrliche Spontanbewegungen und schrilles Schreien hinzukommen Eine gespannte Fontanelle die opistho-tone Koumlrperhaltung oder gar Nackensteifigkeit treten insgesamt selten und erst im fortgeschrittenen Stadium der Meningitis auf Krampfanfaumllle werden bei ca 15 der erkrankten Neugeborenen beobachtet

kDiagnoseAufgrund der uncharakteristischen Symptomatologie sollte bei je-dem Patienten bei dem eine neonatale Sepsis zu vermuten ist eine Liquoruntersuchung erfolgen Bei ausgepraumlgter Instabilitaumlt der Kinder kann man jedoch gezwungen sein die erforderliche Lumbal-punktion erst nach Therapiebeginn durchzufuumlhren Die Besonder-heiten der Liquordiagnostik im Neugeborenenalter sind an anderer Stelle ausgefuumlhrt Repetitive Sonographien und eventuell MRT- Untersuchungen sind zur Erfassung von Komplikationen durchzu-fuumlhren

kTherapieDie Prognose der neonatalen Meningitis wird entscheidend vom Therapiebeginn und der Wahl der Antibiotika bestimmt die anti-biotische Behandlung muss sich gegen das besondere Spektrum der zu vermutenden Erreger neonataler Infektionen richten (s neonata-le Sepsis) Eine zuverlaumlssige Liquorgaumlngigkeit sowie eine ausreichen-de Dosierung der Antibiotika ist unbedingt zu beachten die Dosie-rung der verschiedenen Praumlparate liegt in der Regel houmlher als bei der neonatalen Sepsis

kPrognoseDie Prognose der neonatalen Meningitis ist trotz aller Behandlungs-fortschritte immer noch als ernst anzusehen Die Letalitaumlt betraumlgt 20ndash50 Akute Komplikationen sind ein kommunizierender oder nicht-kommunizierender Hydrozephalus subdurale Effusionen Taubheit und Blindheit ( Abb 755) Bis zu 70 aller Patienten mit E-coli-Meningitis entwickeln eine Ventrikulitis Selten werden Hirnabszesse beobachtet sie treten u a bei Infektionen mit Citro-bacter diversus Proteus mirabilis und Enterobacter-Spezies auf

Schwere neurologische Spaumltschaumlden (Zerebralparesen An-fallsleiden mentale Retardierung Taubheit Blindheit) sind bei un-gefaumlhr 10 der Patienten nachweisbar ein Viertel aller erkrankter Kinder weist leichte bis mittelschwere neurologische und psycho-mentale Beeintraumlchtigungen auf Uumlber den Effekt einer im akuten

Kapitel 7 middot Neonatologie186

7

Erkrankungsstadium durchgefuumlhrten Dexamethasontherapie auf die Komplikationsrate der neonatalen Meningitis liegen zurzeit noch keine Ergebnisse vor Aspekte zur Prophylaxe der neonatalen Meningitis sind im Kapitel raquoneonatale Sepsislaquo abgehandelt

71011 Osteomyelitis und septische Arthritis

kEpidemiologie AumltiologieDie Osteomyelitis und bakterielle Arthritis sind seltene Erkrankun-gen im Neugeborenenalter verlaumlssliche Angaben zur Inzidenz liegen nicht vor Staphylococcus aureus wird bei bis zu 8 der Patienten mit Osteomyelitis als kausaler Erreger identifiziert Daneben werden Streptokokken der Gruppen A und B Staph epidermidis und Strep-tococcus pneumoniae sowie eine Reihe gramnegativer Erreger nach-gewiesen Besonders bei der septischen Arthritis lassen sich neben Staph aureus auch E coli Klebsiella- und Enterobacter-Spezies Pseudomonas Salmonellen Serratia Neisseria gonorrhoeae und auch Candida albicans isolieren

kPathogeneseAufgrund der besonderen ossaumlren Gefaumlszligversorgung bei Neugebore-nen und Saumluglingen treten Osteomyelitis und septische Arthritis haumlufig zusammen auf Diaphyse Metaphyse und Epiphyse werden uumlber gemeinsame Arterien versorgt Als Konsequenz koumlnnen sich Erreger die in die Metaphyse der langen Roumlhrenknochen gelangt sind uumlber diese Gefaumlszligverbindungen zur Epiphyse ausbreiten und das Gelenk in das Infektionsgeschehen einbeziehen Erst gegen Ende des ersten Lebensjahres werden diese Gefaumlszligverbindungen und somit die ungehinderte Infektionsausbreitung unterbrochen

Die meisten Osteomyelitiden treten haumlmatogen auf systemi-sche bakterielle Infektionen koumlnnen ebenso wie lokale Infektionen (Pyodermie Omphalitis Mastitis u a) oder infizierte Infusions-systeme (Nabelgefaumlszligkatheter zentrale Silastic-Katheter u a) im Rahmen einer Bakteriaumlmie zu einer Absiedlung von Erregern in Knochen und Gelenk fuumlhren Bei einem Teil der Patienten lassen sich multiple Knochenherde nachweisen Neben der haumlmatogenen Genese kann auch ein lokales Entzuumlndungsgeschehen per continu-itatem eine Osteomyelitis induzieren (Abszess infiziertes Kephal-haumlmatom etc) Durch repetitive Fersenpunktionen zur kapillaren Blutentnahme kann sich eine Kalkaneusosteomyelitis entwickeln

kKlinikHaumlufig finden sich eine lokalisierte Schwellung im Bereich der be-troffenen Knochen bzw Gelenke sowie eine eingeschraumlnkte Be-weglichkeit mit Schonhaltung der Extremitaumlt (sog Pseudoparalyse) Am haumlufigsten sind die langen Roumlhrenknochen Femur Humerus und Tibia betroffen Aber auch die Maxilla und andere Schaumldel-knochen koumlnnen ebenso wie Finger- oder Wirbelknochen infiziert sein Die haumlufigsten eitrigen Arthritiden treten in Huumlft- Knie- und Schultergelenken auf

kDiagnoseBlutkultur(en) Entzuumlndungszeichen im Blut roumlntgenologische Un-tersuchung Szintigraphie und bei septischer Arthritis Sonographien und Gelenkpunktionen ermoumlglichen die Diagnosestellung Bei der Differenzialdiagnose muumlssen neben Frakturen und Paresen Weich-teilinfektionen sowie ossaumlre Veraumlnderungen durch intrauterine In-fektionen von der Osteomyelitis abgegrenzt werden

kTherapie PrognoseBei dem infrage kommenden Erregerspektrum empfiehlt sich eine antibiotische Initialbehandlung in Analogie zur Sepsistherapie zusaumltzlich sollte in jedem Fall ein staphylokokkenwirksames Medi-kament (z B Oxacillin) eingesetzt werden

Die Langzeitprognose der NeugeborenenosteomyelitisArthri-tis ist immer noch alles andere als zufriedenstellend Eine chronische Osteomyelitis Skelett- oder Knochendeformitaumlten und gestoumlrtes Knochenwachstum sind bei 25ndash50 aller Kinder zu erwarten

71012 Haut- und Weichteilinfektionen

kKlinikDas Spektrum neonataler Hautinfektionen die durch Bakterien Viren oder Pilze hervorgerufen werden reicht von unproblema-tischen lokalen Affektionen bis hin zu lebensgefaumlhrlichen Erkran-kungen

Pustuloumlse und bulloumlse Hautveraumlnderungen Die Impetigo neona-torum eine oberflaumlchliche pustuloumlse Pyodermie ist die haumlufigste Hautinfektion der Neugeborenenperiode Die Pusteln sind haumlufig in der Inguinalregion periumbilikal nuchal und retroaurikulaumlr zu fin-den Erreger Staph aureus Lokale Behandlungsmaszlignahmen sind ausreichend Kontaktinfektionen sind unbedingt zu vermeiden In der Differenzialdiagnose sind folgende Erkrankungen abzugrenzen Erythema toxicum neonatorum (roumltliche Flecken die von einer gelblichen Pustel besetzt sein koumlnnen treten am ganzen Koumlrper auf Direktpraumlparat der Pustel eosinophile Granulozyten) Milien (weiszlig-lich-gelbliche Talgretention an Nase Wange oder Stirn)

Eine weitere Staphylokokkenerkrankung ist die Impetigo bullosa oder Pemphigus neonatorum Durch intra- oder post-natale Besiedlung mit Staph aureus (Phagengruppe II Produktion des Exotoxins Exfoliatin) kann das Neugeborene diese ernste Hauterkrankung akquirieren Es bilden sich groumlszligere von einem roten Hof umgebene Blasen aus diese hinterlassen nach Platzen geroumltete naumlssende Hautstellen 3ndash5 Tage nach Erkrankungsbeginn tritt eine Desquamation von epidermalen Teilen auf (Nikolsky-Phaumlnomen negativ) Die schwerste Verlaufsform einer durch Staph-aureus-Enterotoxin ausgeloumlsten Hautinfektion ist die Dermatitis exfoliativa neonatorum (Ritter von Rittershain Abb 756) Im Bereich groszligflaumlchiger unscharf begrenzter Ery-theme entstehen nach Hautabloumlsung groszlige Wundflaumlchen (Nikolsky-Phaumlnomen positiv)

Abb 755 Ausgepraumlgte im MRT nachweisbare uumlberwiegend okzipital gelegene subkortikale Substanzdefekte bei einem Neugeborenem mit Meningoenzephalitis

7187711 middot Neugeborenenkraumlmpfe

kDifferenzialdiagnoseDie Differenzialdiagnose umfasst vesikulaumlre Effloreszenzen bei neo-nataler Herpes simplex Zytomegalie- und Varizelleninfektion sowie bulloumlse Veraumlnderungen bei der Lues connata (Pemphigus syphili-ticus)

kTherapieDie antibiotische Behandlung beider Verlaufsformen muss immer systemisch (intravenoumls) erfolgen Die Supportivtherapie der Derma-titis exfoliativa erfolgt nach den Prinzipien der Verbrennungsthera-pie Als Komplikationen sind die neonatale Sepsis Meningitis Osteomyelitis und andere Organmanifestationen gefuumlrchtet

71013 Omphalitis

kAumltiologieBevorzugter Erreger der Omphalitis ist Staph aureus aber auch andere Erreger der Neonatalperiode koumlnnen eine Nabelinfektion ausloumlsen Durch konsequente prophylaktische Nabelhygiene ist die-se Infektion selten geworden

kKlinikDie eitrige Entzuumlndung des Nabels manifestiert sich durch eine periumbilikale Roumltung derbe Infiltration und gegebenenfalls Ulze-ration Der Nabelgrund kann eitrig belegt sein haumlufig entleert sich purulentes Sekret Im Rahmen der Diagnostik werden Abstriche und Blutkulturen abgenommen sowie zur Verlaufskontrolle Ent-zuumlndungszeichen bestimmt Als Komplikationen koumlnnen eine Nabelphlegmone Nabelsepsis Infektion der Nabelgefaumlszlige u a auf-treten Die Therapie besteht in einer Lokalbehandlung und syste-misch intravenoumlsen Antibiotikatherapie

71014 Mastitis

kEpidemiologieEine Mastitis entwickelt sich in der Regel zwischen der 2 bis 3 Lebens woche weibliche Neugeborene erkranken haumlufiger als maumlnnliche Diese Erkrankung tritt vermutlich wegen der noch nicht entsprechend entwickelten Brustdruumlsen bei Fruumlhgeborenen nicht auf Eine beidseitige Affektion ist selten Haumlufigster Erreger ist Staph aureus zunehmend auch E coli und Streptokokken der Gruppe B Der Entstehungsmechanismus ist unklar es ist nicht auszuschlieszligen dass Manipulationen an der geschwollenen Brust die Infektion beguumlnstigen

kDiagnose TherapieDirektpraumlparat des Brustdruumlsensekrets und Abstriche Die Therapie erfolgt immer mit intravenoumlsen Antibiotika bei ausgepraumlgten Be-funden kann eine chirurgische Intervention notwendig werden Langzeitnachuntersuchungen lassen nicht ausschlieszligen dass einige der erkrankten Maumldchen ein vermindertes Brustgewebe auf der erkrankten Seite zuruumlckbehalten

Weitere recht haumlufige bakterielle Lokalinfektionen des Neuge-borenen sind

4 Kopfschwartenabszess (Verletzung durch CTG-Elektroden Erreger Staph aureus Streptokokken der Gruppe B u a Erreger neonataler Infektionen)

4 infiziertes Kephalhaumlmatom (s Kopfschwartenabszess) 4 Paronychien (wichtigste Erreger Staph aureus Streptokokken

der Gruppe B)

71015 Lokale Candidainfektionen

Der Mundsoor ist eine haumlufig auftretende Lokalinfektion des Neu-geborenen weiszligliche Belaumlge die im Gegensatz zu Milchresten nicht abwischbar sind kleiden uumlberwiegend die Wangenschleimhaut Neugeborener aus Diese Infektion mit Candida albicans wird ent-weder unter der Geburt oder durch postnatale Kontamination von verschiedenen Gegenstaumlnden uumlbertragen Sie verheilt unter konse-quenter lokaler antimykotischer Behandlung Eine Candidiasis tritt haumlufig auch als perianale intertriginoumlse Dermatitis auf neben blass-gelblichen makuloumlsen Veraumlnderungen finden sich feuerrote leicht schaumllende Areale Die Behandlung erfolgt durch orale und lokale Applikation von Antimykotika

71016 Neonataler Tetanus

In einigen Teilen der Welt stellt der neonatale Tetanus eine ernsthafte Bedrohung Neugeborener dar Von einer Infektion des Nabels ausge-hend entwickeln die Neugeborenen gegen Ende der ersten Lebens-woche Trinkschwaumlche muskulaumlre Hypertonie und generalisierte Spasmen Die akute Erkrankung kann nur durch neuromuskulaumlre Blockade und maschinelle Beatmung wirksam behandelt werden

71017 Ophthalmia neonatorum

7 Kap 33

711 Neugeborenenkraumlmpfe

kGrundlagenVon Krampfanfaumlllen spricht man wenn aufgrund einer voruumlberge-henden Beeintraumlchtigung der Hirnfunktion eine abnormale motori-sche undoder vegetative Aktivitaumlt mit oder ohne Aumlnderung der

Abb 756 Dermatitis exfoliativa neonatorum durch S aureus

Kapitel 7 middot Neonatologie188

7

Bewusstseinslage auftritt die von einer paroxysmalen elektrischen Aktivitaumlt des Gehirns begleitet wird Typisch fuumlr Neugeborene ist dass nicht alle als Krampfanfall imponierende motorische Aktivitauml-ten mit Veraumlnderungen des EEG einher gehen Da es bei Krampfan-faumlllen zu einer Auschuumlttung von Katecholaminen kommt sind sie oft mit autonom-vegetativen Phaumlnomenen wie Tachykardie und einem Blutdruckanstieg verbunden

gt Im Gegensatz zu Krampfanfaumlllen bei aumllteren Saumluglingen und Kindern sind Krampfanfaumllle beim Neugeborenen in der uumlberwiegenden Mehrzahl nicht idiopathisch sondern beruhen auf einer akuten zerebralen Funktionsstoumlrung

Die Inzidenz wird mit 05 aller Neugeborenen angegeben Die klinische Diagnose neonataler Kraumlmpfe ist nicht immer einfach aus diesem Grund ist immer eine genaue Beobachtung und Beschrei-bung der registrierten Phaumlnomene notwendig

kKlinikKlinisch koumlnnen spezifische Typen neonataler Anfaumllle unterschie-den werden 4 Klonische Kraumlmpfe rhythmische Zuckungen mit einer Fre-

quenz von 1ndash2 pro Sekunde wobei Hin- und Ruumlckbewegung von unterschiedlicher Geschwindigkeit sind (meist schnelle Hin- und langsamere Ruumlckbewegung) auf einer oder beiden Koumlrperseiten (fokal oder generalisiert)

4 Tonische Kraumlmpfe fokale tonische Anfaumllle manifestieren sich als einseitige anhaltende tonische Beugung oder Streckung einer Extremitaumlt des Halses oder Rumpfes Bei der generali-sierten Form betreffen diese Bewegungen beide Koumlrperseiten z T mit Streckung der Beine und Beugung der Arme

4 Myoklonische Kraumlmpfe Ploumltzlich einschieszligende rasche Kon-traktion eines Beugemuskels entweder fokal oder multifokal d h asynchrone alternierende Myoklonien unterschiedlicher Koumlrperteile Myoklonische Kraumlmpfe sind in der Regel ohne EEG-Veraumlnderungen Im Schlaf werden fokale Myoklonien bei Neugeborenen insbesondere bei Fruumlhgeborenen sehr haumlufig gesehen Diese Schlafmyoklonien sind physiologisch und kein Ausdruck einer Hirnfunktionsstoumlrung beim Erwecken der sbquoNeugeborenen sistieren sie unverzuumlglich

4 Subtile Kraumlmpfe orale Automatismen stereotype komplexe Bewegungsmuster wie Pedalieren der Beine tonische Augen-deviation Selten koumlnnen sich Kraumlmpfe auch als Apnoe praumlsen-tieren die dann in der Regel mit einer Tachykardie einhergeht (differenzialdiagnostisch wichtiges Kriterium zu anderen Apnoeformen)

kAumltiologie DiagnostikSehr verschiedene Grundkrankheiten koumlnnen sich mit Kraumlmpfen in der Neugeborenenperiode praumlsentieren und die Prognose der Kin-der wird in der Regel durch diese zugrundeliegenden Erkrankungen bestimmt Die basale Diagnostik bei Neugeborenenkraumlmpfen um-fasst neben der Anamnese und der klinischen Untersuchung be-stimmte Laboruntersuchungen (Blutzucker Elektrolyte Kalzium gr Blutbild Blutgasanalyse CRP Urinstatus) die Sonographie des Kopfes und das EEG Weitere Untersuchungen erfolgen entspre-chend spezifischer Auffaumllligkeiten

Ursache von Neugeborenenkrampfanfaumlllen 4 Akute metabolische Stoumlrungen

ndash Hypoglykaumlmie ndash Hypokalzaumlmie ndash Hyponatriaumlmie ndash Hypernatriaumlmie ndash Hypomagnesiaumlmie

4 Asphyxie 4 ZNS-Infektion

ndash Meningitis ndash Enzephalitis

4 Hirnblutung Hirninfarkt 4 Periventrikulaumlre Leukomalazie 4 Sinusvenenthrombose 4 Hirnfehlbildungen 4 Angeborene Stoffwechselerkrankungen

ndash Aminoazidopathien ndash Organoazidurien

4 Benigne Neugeborenenkraumlmpfe ndash Familiaumlr ndash Fifth-day fits (Kraumlmpfe am 5 Lebenstag) ndash Pyridoxinabhaumlngige Kraumlmpfe

4 Angeborene peroxisomale Erkrankungen 4 Neurokutane Sydrome 4 Toxine

ndash Bilirubin ndash Heroin ndash Kokain ndash Lokalanaumlsthetika

Akute metabolische Stoumlrungen Eine unverzuumlgliche Therapie dieser Stoumlrungen stellt die Erstmaszlignahme bei Neugeborenenkraumlmpfen dar

Asphyxie Dieses ist die haumlufigste Ursache fuumlr Krampfanfaumllle inner-halb der ersten 2 Lebenstage Das fruumlhe Auftreten innerhalb der ers-ten 4ndash6 h spricht fuumlr eine sehr schlechte Prognose

ZNS-Infektion Bei nicht sicher einzuordnenden Kraumlmpfen oder bei entsprechender klinischer Symptomatik ist immer eine Liquor-punktion indiziert Bei pathologischen Befunden differenzierte Diagnostik

Hirnblutungen Sowohl traumatisch bedingte Hirnblutungen reifer Neugeborener als auch intrazerebrale Blutungen bei Fruumlhgeborenen koumlnnen mit Krampfanfaumlllen einhergehen Bei Fruumlhgeborenen ist die sonographische Untersuchung ausreichend bei Reifgeborenen ist meist ein CT oder MRT notwendig

Hirnfehlbildungen Lissenzephalie Holoprosenzephalie Porenze-phalie Bei Verdacht im Ultraschallbild ist eine genaue weitergehen-de bildgebende Diagnostik erforderlich

Angeborene Stoffwechselerkrankungen Dieses sind vor allem Aminoazidopathien (Ahornsirupkrankheit Hyperglyzinaumlmie) oder Organoazidurien (Propionaziaumlmie) Aufgrund eines Abbau- oder Synthesedefektes kommt es zur Akkumulation toxischer Meta-bolite Die Symptome treten dann auf wenn die Kinder eine gewisse Nahrungsmenge erhalten haben oder sich in einer katabolen Stoff-wechselsituation befinden (Abbau von koumlrpereigenem Eiweiszlig) Toxinentfernung Begrenzung der Eiweiszligzufuhr und Beseitigung

7189712 middot Metabolische Stoumlrungen

der Katabolie sind die Hauptmaszlignahmen Diagnostik Ammoniak Laktat Blutzucker im Serum Ketonkoumlrper im Urin sofortige Asser-vierung von Urin zur spezifischen Diagnostik

Benigne Neugeborenenkraumlmpfe Ein recht groszliger Anteil der Kraumlmpfe in der Neugeborenenperiode sind benigner Natur Sie tre-ten in der ersten Lebenswoche auf sind transient und die Kinder entwickeln sich unauffaumlllig Die Diagnose erfolg per Ausschluss an-derer Ursachen Eine familiaumlre Form wird autosomal-dominant ver-erbt der Genort liegt auf Chromosom 20q Eine weitere Sonderform sind Kraumlmpfe die typischerweise am 5 Lebenstag auftreten (raquofifth-day fitslaquo) Die Ursache ist ungeklaumlrt die Bedeutung eines Zinkman-gels unklar Aumltiologisch unklare Kraumlmpfe sollten als Neugeborenen-kraumlmpfe ohne Dignitaumltsangabe bezeichnet werden erst die unauffaumll-lige weitere Entwicklung erlaubt es die Diagnose benigner Anfaumllle sicher zu stellen

Pyridoxinabhaumlngige Kraumlmpfe Diesem seltenen Krankheitsbild liegt wahrscheinlich ein GABA-Sythesedefekt zugrunde Die Krampfan-faumllle treten am ersten Lebenstag auf und sind gegenuumlber den uumlblichen Antikonvulsiva therapieresistent Vitamin B6 stellt einen Cofaktor fuumlr die Sythese von GABA dar und ist therapeutisch wirksam Trotz der Seltenheit dieses Krankheitsbildes ist bei therapieresistenten Krampf-anfaumlllen ein Behandlungsversuch mit Vitamin B6 sinnvoll

Angeborene peroxisomale Erkrankungen (Zellweger-Syndrom neonatale Adrenoleukodystrophie) Klinisch finden sich bei die-sen selteneren Erkrankungen in der Neonatalphase neben den Krampfanfaumlllen eine kraniofaziale Dysmorphie Muskelhypotonie Trinkschwaumlche Optikusatrophie oder Katarakt Die Diagnose er-folgt uumlber die Bestimmung biochemischer Marker im Blut insbe-sondere den sehr langen Fettsaumluren (VLFA)

Neurokutane Sydrome Diese angeborenen Erkrankungen koumlnnen selten ebenfalls mit Krampfanfaumlllen im Neugeborenenalter ein-hergehen Klinisch ist auf kutane Depigmentierungen (tuberoumlse Sklerose) Cafeacute-au-lait-Flecken (Neurofibromatose) oder faziale Portwein-Naevi (Sturge-Weber) zu achten

Toxine Die Bilirubinenzephalopathie ist eine Raritaumlt geworden Bei maternaler Heroineinnahme koumlnnen Neugeborenenkraumlmpfe als neonatales Entzugssyndrom auftreten Nach maternaler Kokain-einnahme kann es zu intrazerebralen Gefaumlszligverschluumlssen kommen Die akzidentelle Injektion eines Lokalanaumlsthetikums in den Fetus bei Pudendusanaumlsthesie kann zu Kraumlmpfen fuumlhren klinisch finden sich eine muskulaumlre Hypotonie und dilatierte Pupillen

kTherapieBei Neugeborenenkraumlmpfen muss Diagnostik und Therapie parallel erfolgen Da die Hypoglykaumlmie sofort behandelbar und ihre Folgen schwerwiegend sind erfolgt als erste Maszlignahme die Bestimmung des Blutzuckers als kapillaumlrer Schnelltest und sofort nach Blutab-nahme moumlglichst durch eine 2 Person Verabreichung von Glukose 10 iv 2 mlkg KG Unter der Glukosezufuhr sollte der Krampf-anfall beobachtet und beschrieben werden Krampftyp ein- oder beidseitig vegetative Symptome Dauer Anschlieszligend Blutab-nahme fuumlr Kalzium Natrium Magnesium und Kalium Wenn der Krampfanfall nicht innerhalb von einigen Minuten sistiert werden intravenoumls Antikonvulsiva verabreicht (Mittel der ersten Wahl Lorazepam Midazolam oder Clonazepam dann Phenobarbital und Phenytoin) Findet sich keine Krampfursache sollte bei persistieren-den Kraumlmpfen Pyridoxin (VitaminB6) verabreicht werden

712 Metabolische Stoumlrungen

7121 Hyperglykaumlmie

Eine Hyperglykaumlmie ist bei Neugeborenen wesentlich seltener als die Hypoglykaumlmie

kPathogeneseDie neonatale Hyperglykaumlmie kann verursacht werden durch eine zu hohe parenterale Glukosezufuhr durch eine eingeschraumlnkte Gluko-setoleranz z B bei Fruumlhgeborenen oder bei neonataler Sepsis Selten besteht ein transitorischer neonataler Diabetes mellitus

kKlinikDurch eine osmotische Diurese kommt es zur Dehydratation

kDiagnoseEin Blutzucker gt125 mgdl (7 mmoll) ist eine Hyperglykaumlmie Ebenfalls bestimmt werden sollten Serumelektrolyte Saumlure-Basen-Status Urinzucker Urinausscheidung und Veraumlnderungen des Koumlrpergewichts

kTherapieIn der Regel durch eine Reduktion der Glukosezufuhr

CaveEine Insulingabe sollte nur in Ausnahmefaumlllen erfolgen da die Insulintherapie bei Neugeborenen sehr schwer steuerbar ist

7122 Hypoglykaumlmie

kEpidemiologieEine symptomatische Hypoglykaumlmie ereignet sich bei 1ndash3 von 1000 Neugeborenen Deutlich houmlher ist das Hypoglykaumlmierisiko bei dystrophen Neugeborenen (5ndash15) und bei Fruumlhgeborenen Weite-re Risikofaktoren fuumlr eine Hypoglykaumlmie sind Hypothermie Hypo-xie muumltterlicher Gestationsdiabetes oder Diabetes mellitus und Polyzythaumlmie

kPathogeneseHypoglykaumlmien bei Neugeborenen koumlnnen folgende Ursachen haben 4 Der Glukoseverbrauch uumlbersteigt die Glukosezufuhr bzw die

Glukoseproduktion Da Neugeborene nur einen geringen Glykogenvorrat (1 des Koumlrpergewichts) haben kommt es bei Ausbleiben einer exogenen Glukosezufuhr rasch zu Hypo-glykaumlmien Dies ist die haumlufigste Ursache von Hypoglykaumlmien beim Neugeborenen

4 Ein Hyperinsulinismus liegt bei Kindern diabetischer Muumltter (transient) beim Beckwith-Wiedemann-Syndrom und bei der Nesidioblastose (diffuse Inselzellhyperplasie) vor

4 Kongenitale Stoffwechseldefekte Aminosaumlurestoffwechsel-stoumlrungen (z B Ahornsirupkrankheit) stoumlren die Glukoneoge-nese Glykogenspeicherkrankheiten Galaktosaumlmie und Fruk-toseintoleranz verringern die Verfuumlgbarkeit von Glukose aus Glykogen

4 Polyglobulie Die Ursache der Hypoglykaumlmien bei Polyglobu-lie ist nicht bekannt

Kapitel 7 middot Neonatologie190

7

kKlinikDie Symptome der Hypoglykaumlmie sind unspezifisch und umfassen Zittrigkeit Apathie Krampfanfaumllle Apnoen muskulaumlre Hypotonie und Trinkschwaumlche

kDiagnoseDie Definition der Hypoglykaumlmie beim Neugeborenen ist schwierig da Neugeborene auch bei niedrigen Blutzuckerwerten haumlufig asym-ptomatisch sind

Laborchemische Definition der Hypoglykaumlmie 4 FruumlhgeboreneReifgeborene (gt24 h) Plasmaglukose

lt35 mgdl 4 FruumlhgeboreneReifgeborene (gt24 h) Plasmaglukose

lt45 mgdl

Risikokinder sollten eine Blutzuckerbestimmung 1 h postnatal er-halten und danach 3-stuumlndliche Blutzuckerkontrollen fuumlr die naumlchs-ten 24 h Bei persistierender Hypoglykaumlmie sollte nach einem ange-borenen Stoffwechseldefekt gesucht und Insulin Kortisol und Wachstumshormon bestimmt werden

kTherapieBei einer Hypoglykaumlmie mit klinischer Symptomatik erfolgt die int-ravenoumlse Gabe von 2 mlkg KG Glukose 10 uumlber 10 min gefolgt von einer Glukoseinfusion mit 8 mg Glukosekg KGmin Neugebo-rene mit besonderem Risiko fuumlr eine Hypoglykaumlmie sollten eine Fruumlhfuumltterung mit Glukose 5 oder Dextrinloumlsungen erhalten

kPrognoseWenn die Hypoglykaumlmie nur kurz dauert ist die Prognose gut Prolongierte oder tiefe Hypoglykaumlmien sind mit neurologischen Folgeschaumlden assoziiert

7123 Fetopathia diabetica

kPathogeneseBei optimaler Einstellung und Uumlberwachung des muumltterlichen Dia-betes mellitus waumlhrend der Schwangerschaft kann sich die fetale intrauterine Entwicklung voumlllig normal vollziehen Bei schlechter Einstellung besteht ein deutlich erhoumlhtes Risiko fuumlr den Feten intra-uterin zu versterben die Neugeborenen sind entweder makrosom oder hypotroph und weisen eine Reihe schwerwiegender postnata-ler Adaptionsstoumlrungen auf Da Glukose ungehindert durch die Pla-zenta diffundiert fuumlhrt eine anhaltende muumltterliche Hyperglykaumlmie zu erhoumlhten Blutzuckerkonzentrationen beim Feten der als Folge mit einem kompensatorischen Hyperinsulinismus reagiert Dieser Hyperinsulininismus ist fuumlr das typische Organwachstum der mak-rosomen Neugeborenen verantwortlich Bei einer schweren diabe-tischen Plazentainsuffizienz koumlnnen Neugeborene aber auch eine ausgepraumlgte Hypotrophie aufweisen Die Neugeborenen sind post-natal extrem Hypoglykaumlmiegefaumlhrdet da sich der Hyperinsulinis-mus nur langsam zuruumlckbildet

Das klinische Bild ist aumluszligerst eindrucksvoll und durch eine Rei-he von Funktionsstoumlrungen charakterisiert 4 Makrosomie cushingoides Aussehen 4 Hepatomegalie hypertrophe Kardiomyophathie (Glykogenein-

lagerungen) 4 Atemnotsyndrom durch beeintraumlchtigte Surfactantproduktion

4 Plethora Polyzythaumlmie Hyperviskositaumltssyndrom Hyperbilirubinaumlmie

4 Geburtstraumatische Komplikationen Plexuslaumlhmung Asphyxie u a

4 metabolische Entgleisungen Hypoglykaumlmie Hypokalzaumlmie Hypomagnesiaumlmie

4 evtl Fehlbildungen kaudales Regressionssyndrom Mikrokolon Vitium cordis

kTherapieZeitgerechte und konsequente Behandlung aller klinischen und metabolischen Stoumlrungen

7124 Hypokalzaumlmie

Je unreifer ein Neugeborenes ist desto haumlufiger tritt eine Hypokalzauml-mie auf

kPathogeneseAls Ursache fuumlr die fruumlhe Hypokalzaumlmie (Lebenstag 1ndash3) wird die nach der Geburt ploumltzlich ausbleibende hohe intrauterine Kalzium-zufuhr angenommen Ein erhoumlhtes Hypokalzaumlmierisiko besteht bei Kindern diabetischer Muumltter bei Sepsis und nach Asphyxie Die spauml-te Hypokalzaumlmie (nach dem 3 Lebenstag) kann durch hohe Phos-phatzufuhr mit der Nahrung bei verfruumlhter Kuhmilchfuumltterung oder durch Vitamin-D-Mangel verursacht werden

kKlinikLaborchemisch liegt eine Hypokalzaumlmie vor wenn das Serum-kalzium lt18 mmoll ist Die klinischen Symptome der Hypokal-zaumlmie sind unspezifisch (Zittrigkeit Tremor Hyperexzitaumlbilitaumlt oder Krampfanfaumllle) Die fruumlhe Hypokalzaumlmie ist meist asymptoma-tisch

kDifferenzialdiagnoseHypoglykaumlmie Hypomagnesiaumlmie

kTherapieBei klinischer Symptomatik langsame intravenoumlse Gabe von 1ndash2 mlkg KG Kalziumglukonat 10 Bei asymptomatischer Hypo-kalzaumlmie Erhoumlhung der taumlglichen Kalziumzufuhr auf 5ndash10 mlkg Kalziumglukonat

CaveSchnelle intravenoumlse Kalziumgabe fuumlhrt zur Bradykardie Paravenoumlse Kalziumgabe fuumlhrt zu schweren Gewebsnek-rosen

Persistiert die Symptomatik trotz Kalziumsubstitution kann eine Hypomagnesiaumlmie vorliegen

713 Spezielle Aspekte der Ernaumlhrung Fruumlh- und Neugeborener

7131 Naumlhrstoffbedarf

Der Fluumlssigkeitsbedarf des Neugeborenen ist deutlich houmlher als beim Erwachsenen weil der Wasserumsatz des Neugeborenen we-gen der geringeren Konzentrationsfaumlhigkeit der Niere des hohen insensiblen Wasserverlustes uumlber Haut und Lunge und des hohen Energieumsatzes sehr hoch ist

7191Literatur

Der Kalorien- und Eiweiszligbedarf des Neugeborenen ist wegen des raschen Wachstums ebenfalls houmlher als beim Erwachsenen ( Tab 719)

7132 Ernaumlhrung des reifen Neugeborenen

Die optimale Ernaumlhrung fuumlr das reife Neugeborene ist Muttermilch Um die Muttermilchproduktion anzuregen soll das Neugeborene anfangs alle 3ndash4 h an beiden Bruumlsten saugen Mit zunehmender Muttermilchmenge muss kein starrer Stillrhythmus mehr eingehal-ten werden sondern das Kind wird dann angelegt wenn es Hunger hat Die Muttermilchmenge deckt in der Regel am Ende der 1 Le-benswoche den Bedarf des Neugeborenen

gt Das reife Neugeborene soll in den ersten Lebenstagen zusaumltzlich zum regelmaumlszligigen Anlegen an der Brust nur Fluumlssigkeit angeboten bekommen bei normalem Anstieg der Muttermilchmenge ist keine Zufuumltterung von Milch-nahrung notwendig

7133 Ernaumlhrung des Fruumlhgeborenen

Aktivitaumlt von Verdauungsenzymen ist im Gastrointestinaltrakt be-reits ab 20 Schwangerschaftswochen nachzuweisen Deshalb ist die Resorption von kurzkettigen Kohlenhydraten und Protein auch bei unreifen Fruumlhgeborenen gut Fett wird allerdings von Fruumlhgebore-nen wegen geringer Lipaseaktivitaumlt und geringer Gallensaumlurenmen-ge nur unvollstaumlndig resorbiert

Auch wenn Saugbewegungen intrauterin bereits mit 22 Gestati-onswochen stattfinden wird eine effektive Saug-Schluck-Koordina-tion erst mit 32ndash34 Gestationswochen erreicht Auch die koordinier-te antegrade Peristaltik im Magen-Darm-Trakt entwickelt sich in diesem Zeitraum erst allmaumlhlich ( Abb 725)

Bei unreiferen Fruumlhgeborenen muss deshalb mit sehr kleinen Nahrungsmengen (3ndash5 ml pro Mahlzeit) begonnen und die Nah-rung in den Magen sondiert werden bis das Kind die Faumlhigkeit selbst zu trinken entwickelt hat

Die beste enterale Nahrung ist auch fuumlr das Fruumlhgeborene Muttermilch die allerdings wegen des hohen Naumlhrstoffbedarfs Fruumlhgeborener mit Kalorien Protein und Mineralstoffen angerei-

chert werden muss Da Fruumlhgeborene anfangs nur sehr kleine e nterale Nahrungsmengen vertragen ist eine zusaumltzliche parente-rale Ernaumlhrung notwendig bis der enterale Nahrungsaufbau voll-staumlndig ist

Literatur

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Tab 719 Bedarf an Fluumlssigkeit und Naumlhrstoffen von Fruumlh- und Neugeborenen in den ersten Lebenswochen im Vergleich zum Erwachsenen

Fruumlh-geborenes

Reif-geborenes

Erwachsener

Fluumlssigkeit [mlkg KGTag]

180 130 40ndash50

Kalorien [kcalkg KGTag]

130 110 30ndash40

Protein [gkg KGTag]

3 2ndash3 08

Gewichtszunahme [gkg KGTag]

15 8 0

Abb 757 Entwicklung der gastrointestinalen Motorik

  • III13Neonatologie und paumldiatrische Intensivmedizin
    • 713Neonatologie
      • Definitionen
      • Postnatale Adaptation
        • Lunge
        • Herz und Kreislauf
        • Temperaturregulation
        • Niere
        • Gastrointestinaltrakt
        • Eltern-Kind-Beziehung
        • Beurteilung der postnatalen Adaptation (Apgar-Schema)
        • Akut lebensbedrohliche Fehlbildungen der Neugeborenenperiode
          • Untersuchung des Neugeborenen
            • Zeitpunkte der Neugeborenenuntersuchung
            • Durchfuumlhrung der Neugeborenenuntersuchung
            • Neurologische Neugeborenenuntersuchung
            • Bestimmung der somatischen Reifezeichen
              • Reanimation Fruumlhund Neugeborener
                • Voraussetzungen zur Reanimation
                • Maszlignahmen der Neugeborenenreanimation
                  • Perinatale Schaumlden und ihre Folgen
                    • Asphyxie
                    • Hypoxisch-ischaumlmische Enzephalopathie (HIE)
                    • Geburtstraumatische Schaumlden
                      • Das Fruumlhgeborene
                        • Das Atemnotsyndrom Fruumlhgeborener
                        • Persistierender Ductus arteriosus (PDA)
                        • Wilson-Mikity-Syndrom
                        • Bronchopulmonale Dysplasie
                        • Retinopathia praematurorum
                        • Hirnblutungen des Fruumlhgeborenen
                        • Germinale Matrixblutung des Fruumlhgeborenen
                        • Andere intrazerebrale Blutungen bei Fruumlhgeborenen
                        • Periventrikulaumlre Leukomalazie
                        • Apnoen bei Fruumlhgeborenen
                          • Lungenerkrankungen des Neugeborenen
                            • Transitorische Tachypnoe
                            • Mekoniumaspirationssyndrom
                            • Pneumothorax
                            • Kongenitales lobaumlres Emphysem
                            • Lungenhypoplasie
                            • Zwerchfellhernie (Enterothorax)
                            • Neonatale Pneumonien
                            • Persistierende pulmonale Hypertonie (persistierende fetale Zirkulation)
                            • Lungenblutung
                            • Chylothorax
                            • Obstruktion der oberen Atemwege
                              • Bluterkrankungen
                                • Fetale Erythropoese
                                • Neonatale Anaumlmie
                                • Anaumlmie Fruumlhgeborener
                                • Polyzythaumlmie Hyperviskositaumltssyndrom
                                • Icterus neonatorum und Hyperbilirubinaumlmie
                                • Physiologischer Ikterus
                                • Muttermilchikterus
                                • Ikterus bei Fruumlhgeborenen
                                • Pathologische Hyperbilirubinaumlmie
                                • Morbus haemolyticus neonatorum
                                • Kernikterus Bilirubinenzephalopathie
                                • AB0-Erythroblastose
                                • Rh-Erythroblastose
                                • Weitere haumlmolytische Erkrankungen
                                • Direkte Hyperbilirubinaumlmie
                                • Weiszliges Blutbild Neugeborener
                                • Neonatale Thrombozytopenie
                                • Neonatale Alloimmunthrombozytopenie
                                • Koagulopathien
                                • Morbus haemorrhagicus neonatorum (Vitamin-K-Mangel)
                                  • Nekrotisierende Enterokolitis
                                  • Fetale und neonatale Infektionen
                                    • Besonderheiten des Immunsystems Neugeborener
                                    • Nichtbakterielle konnatale Infektionen
                                    • Roumlteln
                                    • Zytomegalie
                                    • Herpes simplex
                                    • Varizella-Zoster-Virus
                                    • Weitere konnatale Virusinfektionen
                                    • Toxoplasmose
                                    • Neugeborenensepsis
                                    • Meningitis
                                    • Osteomyelitis und septische Arthritis
                                    • Hautund Weichteilinfektionen
                                    • Omphalitis
                                    • Mastitis
                                    • Lokale Candidainfektionen
                                    • Neonataler Tetanus
                                    • Ophthalmia neonatorum
                                      • Neugeborenenkraumlmpfe
                                      • Metabolische Stoumlrungen
                                        • Hyperglykaumlmie
                                        • Hypoglykaumlmie
                                        • Fetopathia diabetica
                                        • Hypokalzaumlmie
                                          • Spezielle Aspekte der Ernaumlhrung Fruumlhund Neugeborener
                                            • Naumlhrstoffbedarf
                                            • Ernaumlhrung des reifen Neugeborenen
                                            • Ernaumlhrung des Fruumlhgeborenen
Page 5: Neonatologie - Springer...7.8.5 Icterus neonatorum und Hyperbilirubinämie – 168 7.8.6 Physiologischer Ikterus – 169 7.8.7 Muttermilchikterus – 169 7.8.8 Ikterus bei Frühgeborenen

712972 middot Postnatale Adaptation

721 Lunge

Intrauterin Die Lunge ist intrauterin ein fluumlssigkeitsgefuumllltes Organ in dem kein Gasaustausch stattfindet Es besteht ein staumln-diger Einstrom von Fluumlssigkeit aus dem Lungengewebe in den sich entwickelnden Bronchialbaum und von dort uumlber die Trachea ins Fruchtwasser Ab der 20 Schwangerschaftswoche lassen sich spo-radische Thoraxbewegungen feststellen mit denen Fluumlssigkeit ein- und ausgeatmet wird Die Surfactantproduktion durch die Typ-II-Pneumozyten nimmt ab 24 Schwangerschaftswochen deutlich zu

CaveEine deutlich verminderte Fluumlssigkeitsfuumlllung der fetalen Lunge bei Ahydramnie oder persistierendem vorzeitigen Blasensprung kann in der vulnerablen Phase der Lungenentwicklung zu einer schweren Lungen-hypoplasie fuumlhren

Fehlende intrauterine Atemexkursionen bei neuromuskulaumlren Er-krankungen der Feten oder schweren Thoraxdysyplasien koumlnnen ebenfalls das normale Lungenwachstum nachhaltig beeintraumlchtigen

Postnatal Innerhalb weniger Atemzuumlge muss sich die Lunge mit Luft fuumlllen durchblutet werden und eine regelmaumlszligige Atmung ein-setzen damit nach der Durchtrennung der Nabelschnur kein Sauer-stoffmangel entsteht

Adaptationsvorgaumlnge Bereits einige Tage vor der Geburt beginnt sich der Fluumlssigkeitsstrom in der Lunge umzukehren anstelle des Fluumlssigkeitseinstroms in die Alveolen beginnt eine Fluumlssigkeitsre-sorption Bereits mit dem ersten Atemzug bei dem das Neuge-borene einen Sog von bis zu 100 cm H2O aufbringt werden groszlige Teile der Lunge mit Luft gefuumlllt der verbleibende Fluumlssigkeitsfilm an der Alveolarwand wird im Lauf der naumlchsten Stunden resorbiert Verzoumlgert sich diese Fluumlssigkeitsresorption so kommt es zur transienten Tachypnoe des Neugeborenen Der in der Lunge vor-handene Surfactant reicht beim Reifgeborenen aus um die an der Grenzflaumlche Luft-Fluumlssigkeit auftretende Oberflaumlchenspannung so zu verringern dass es nicht zu einem Kollaps der Alveolen kommt Der initiale paO2-Abfall und paCO2-Anstieg afferente Reize durch die Lungendehnung und Kaumlltereize setzen die Atem-exkursionen in Gang und fuumlhren zum kontinuierlichen postnatalen Atemtyp

722 Herz und Kreislauf

Intrauterin Zum Blutkreislauf des Feten gehoumlren die Nabelschnur-gefaumlszlige und der fetale Teil der Plazenta Deshalb ist das Blutvolumen des Feten doppelt so groszlig wie das des Neugeborenen Nur 10 des Blutes flieszligen durch die Lunge da der Widerstand im Pulmonal-kreislauf hoch ist 90 des Blutes im rechten Herzen gelangen an der Lunge vorbei uumlber das offene Foramen ovale vom rechten in den linken Vorhof oder uumlber den Ductus arteriosus aus der Arteria pul-monalis in die Aorta ( Abb 72)

Postnatal Foramen ovale und Ductus arteriosus sind verschlossen Das gesamte Herzzeitvolumen flieszligt durch die Lunge

Tab 72 Gegenuumlberstellung der intra- und extrauterinen Lebensumstaumlnde

Organ Intrauterin Extrauterin

Lungen Fluumlssigkeitsgefuumlllt hoher pulmonaler Gefaumlszlig-widerstand sporadische Atemexkursionen

Luftgefuumlllt Abfall des pulmonalen Widerstandes regelmaumlszligige Atemzuumlge

Kreislauf 10 des Herzminutenvolumens durch die Lunge Rechts-links-Shunt uumlber Foramen ovale und Ductus arteriosus

100 des Herzminutenvolumens durch die Lunge Foramen ovale und Ductus arteriosus verschlossen

Thermoregulation Keine Thermoregulation erforderlich Waumlrmeproduktion und Minimierung von Waumlrmeverlusten

Ernaumlhrung Kontinuierlich uumlber Plazenta Intermittierend enteral (Saugen Schlucken Peristaltik Verdauung)

Niere Produktion von Fruchtwasser Regulation von Wasser-Elektrolyt- und Saumlure-Basen-Haushalt

Sinneswelt Dunkel gedaumlmpfte Geraumlusche gleichmaumlszligig warm raquoschwereloslaquo

Hell laut Temperaturwechsel Schwerkraft

Abb 72 Schema des fetalen Kreislaufs mit Sauerstoffpartialdruumlcken in verschiedenen Gefaumlszligen

Kapitel 7 middot Neonatologie130

7Adaptationsvorgaumlnge Die Beluumlftung der Lunge induziert eine Vasodilatation im Pulmonalkreislauf Die Erhoumlhung des paO2 von 30 auf 60ndash99 Torr im Blut das den Ductus arteriosus durchstroumlmt fuumlhrt zu Konstriktion und funktionellem Verschluss des Ductus der Druckanstieg im kindlichen Koumlrperkreislauf leitet nach dem Wegfall des plazentaren Niederdrucksystems den funktionellen Verschluss des Foramen ovale ein

723 Temperaturregulation

Intrauterin Waumlrme ist fuumlr den Feten ein Nebenprodukt des Stoff-wechsels Obwohl ein Groszligteil dieser Waumlrme uumlber die Plazenta ab-gefuumlhrt wird liegt die Koumlrpertemperatur des Feten dadurch um 05degC uumlber der Koumlrpertemperatur der Mutter Intrauterin benoumltigt der Fetus keine eigene Waumlrmeregulation

Postnatal Die Umgebungstemperatur liegt 15ndash20degC unter der Koumlrpertemperatur und es treten Waumlrmeverluste durch Strahlung (kuumlhle Raumwaumlnde) Konvektion (kuumlhle bewegte Luft) und Ver-dunstung (trockene Luft) auf Um die Koumlrpertemperatur konstant zu halten muumlssen die auftretenden Waumlrmeverluste durch Waumlrme-produktion ausgeglichen werden

Adaptationsvorgaumlnge Das Neugeborene verringert Waumlrmever-luste durch Vasokonstriktion in der Haut und produziert Waumlrme im braunen Fettgewebe Nur Neugeborene besitzen dieses braune Fettgewebe das zwischen den Schulterblaumlttern hinter dem Herzen und den groszligen Gefaumlszligen liegt die dort produzierte Waumlrme verteilt sich rasch im Koumlrper Die Braunfaumlrbung des Gewebes entsteht durch den hohen Anteil an Mitochondrien Die Fettoxidation ist durch das so genannte raquouncoupling proteinlaquo von der ATP-Produktion abge-koppelt und erlaubt eine direkte und rasche Waumlrmeproduktion Trotz dieses Adaptationsmechanismus uumlbertreffen die Waumlrmever-luste eines unbekleideten reifen Neugeborenen in Raumtemperatur (22degC) seine Waumlrmeproduktion und es besteht die Gefahr der Aus-kuumlhlung ( Abb 73)

gt Um eine postnatale Auskuumlhlung zu verhindern wird ein reifes Neugeborenes nach der Geburt gut abgetrocknet in direktem Hautkontakt der Mutter auf die Brust gelegt und mit einem trockenen Tuch zugedeckt

724 Niere

Intrauterin Die Plazenta uumlbernimmt die Ausscheidungsfunktion der Nieren Die Aufgabe der fetalen Nieren ist die Produktion von Fruchtwasser das zum groszligen Teil fetaler Urin ist Fehlt das Frucht-wasser kommt es zur Lungenhypoplasie

Postnatal Die Nieren muumlssen die Fluumlssigkeits- und Elektrolytho-moumlostase aufrechterhalten Stoffwechselprodukte ausscheiden und den Saumlure-Basen-Haushalt ausgleichen

Adaptationsvorgaumlnge Der erste Urin wird oft bei oder unmittelbar nach der Geburt abgesetzt und nach einer Pause setzt dann inner-halb von 24 h die Diurese ein In den ersten Lebenstagen reduziert das Neugeborene als Adaptation an das trockene extrauterine Milieu seinen groszligen Extrazellulaumlrraum Durch die Fluumlssigkeitsausschei-dung kommt es zur physiologischen postnatalen Gewichtsabnah-me von maximal 10 des Geburtsgewichts

Die Filtrationsleistung der Nieren betraumlgt beim Neugeborenen nur 110ndash16 des Erwachsenen und auch die Tubuli sind deutlich weniger leistungsfaumlhig Trotzdem kann die Niere des Neugeborenen die Homoumlostase in der Regel aufrechterhalten

gt Da die Regulationsfaumlhigkeit der Niere des Neugeborenen geringer ist ist das Risiko einer Hyperhydratation sowie einer Dehydratation groumlszliger als beim Erwachsenen

725 Gastrointestinaltrakt

Intrauterin Die Ernaumlhrung des Feten erfolgt uumlber die Plazenta Der Fet schluckt und resorbiert Fruchtwasser und reguliert damit das Fruchtwasservolumen

CaveEin Polyhydramnion kann Symptom einer gastrointestina-len Obstruktion (z B Oumlsophagusatresie Duodenalatresie) oder einer Schluckstoumlrung des Feten sein

Postnatal Die Ernaumlhrung erfolgt durch die Resorption von Naumlhr-stoffen aus dem Gastrointestinaltrakt

Adaptationsvorgaumlnge 70 der Neugeborenen setzen innerhalb der ersten 12 Lebensstunden Mekonium den ersten Stuhl ab die restlichen Neugeborenen innerhalb von 48 h Mekonium ist gruumln-lich-schwarz und besteht aus eingedickter Galle Lanugo und Zell-detritus Beim reifen Neugeborenen ist der Saug- und Schluckreflex ausreichend entwickelt so dass orale Nahrung aufgenommen werden kann Die Nahrungsmenge wird langsam gesteigert bis sich eine koordinierte gastrointestinale Peristaltik entwickelt hat

726 Eltern-Kind-Beziehung

Die Geburt ist ein wichtiger Augenblick fuumlr die Entwicklung der Eltern-Kind-Beziehung Die Eltern sehen zum ersten Mal das lange erwartete Kind und auch das gesunde reife Neugeborene ist in der ersten Stunde nach der Geburt wach und aufmerksam Augen- und Hautkontakt zum Neugeborenen sind in dieser Phase der Entwick-lung der Eltern-Kind-Beziehung besonders foumlrderlich Zudem sollte das gesunde reife Neugeborene bereits im Kreiszligsaal an die Brust der Mutter angelegt werden weil dadurch das spaumltere erfolgreiche Stil-len beguumlnstigt wird

Abb 73 Waumlrmebilanz eines unbekleideten reifen Neugeborenen bei Raumtemperatur

713173 middot Untersuchung des Neugeborenen

727 Beurteilung der postnatalen Adaptation (Apgar-Schema)

Zur Beurteilung der postnatalen Adaptation hat sich das von der amerikanischen Anaumlsthesistin Virginia Apgar eingefuumlhrte Apgar-Schema ohne Zweifel bewaumlhrt ( Tab 73) Dr Apgarrsquos primaumlres Ziel war es Neugeborene zu identifizieren die unmittelbar postnatal deprimiert waren und eine unverzuumlgliche Hilfe benoumltigten

gt Der Apgar-Wert wird 1 5 und 10 min nach der Geburt erhoben

Der 1-min-Apgar-Wert dient zur Identifikation der Neugeborenen die sofortiger Hilfe beduumlrfen Fuumlr die neonatale Mortalitaumlt und spaumltere neurologische Morbiditaumlt kommt dem 5-min Apgar-Score eine gewisse prognostische Bedeutung zu

728 Akut lebensbedrohliche Fehlbildungen der Neugeborenenperiode

2ndash3 der Neugeborenen haben angeborene Fehlbildungen die mit bedeutsamer Behinderung einhergehen oder lebensbedrohend sind 3ndash4 der Neugeborenen haben geringfuumlgige Fehlbildungen Durch die praumlnatale Ultraschalldiagnostik koumlnnen zahlreiche angeborene Fehlbildungen bereits vor der Geburt erkannt werden ( Abb 74) Bei intrauteriner Diagnose einer angeborenen Fehlbildung sollten die Eltern von Geburtshelfern Neonatologen und Kinderchirurgen gemeinsam beraten werden und der Geburtsmodus und das post-natale Vorgehen festgelegt werden

73 Untersuchung des Neugeborenen

731 Zeitpunkte der Neugeborenenuntersuchung

4 Bei jedem Neugeborenen werden vorgeschriebene Vorsorge-untersuchungen gemacht

4 die U1 in den ersten 4 Lebensstunden 4 die U2 im Alter von 3ndash10 Tagen 4 die U3 am Ende der Neonatalperiode im Alter von

4ndash6 Wochen

Auszligerdem hat sich eine zusaumltzliche Untersuchung im spaumlteren Ver-lauf des 1 Lebenstages als nuumltzlich erwiesen Jeder Untersuchungs-zeitpunkt hat eigene Untersuchungsschwerpunkte und beinhaltet zusaumltzliche praumlventive Maszlignahmen

732 Durchfuumlhrung der Neugeborenenuntersuchung

AnamneseZuerst sollte die Schwangerschafts- und Geburtsanamnese er-hoben werden 4 Alter der Mutter Anzahl und Ausgang vorausgegangener

Schwangerschaften 4 jetzige Schwangerschaft Dauer Komplikationen oder

Erkrankungen der Mutter in der Schwangerschaft Medi-kamente Blutgruppe der Mutter Schwangerenvorsorge Mutterpass

4 Geburtsmodus Geburtsdauer Risikofaktoren fuumlr eine Amnion infektion (vorzeitiger Blasensprung Fieber bei Ge-burt) Fruchtwasser Nabelarterien-pH

4 Erstversorgung Apgar-Score

Tab 73 Apgar-Schema zur Beurteilung der postnatalen Adaptation

0 Punkte 1 Punkt 2 Punkte

Aussehen Hautfarbe Blass oder zyanotisch Stamm rosig Akrozyanose Ganz rosig

Puls (Herzfrequenz) Keine lt100min gt100min

Gesichtsmimik bei Stimulation Keine Grimassieren Schreien

Aktivitaumlt (Muskeltonus) Schlaff Geringe Extremitaumltenflexion Kraumlftig aktive Bewegung

Respiration (Atmung)Bestimmung nach 12 und 10 min Keine Langsam unregelmaumlszligig Regelmaumlszligig kraumlftig

Abb 74a b Praumlnatale Diagnose eines fetalen Spaltfuszliges mit Hilfe der 3-D-Sonographie (a) klinischer Befund nach der Geburt (b)

a b

Exkurs

Neugeborenenscreening auf Stoffwechselstoumlrungen

Am 5 Lebenstag wird bei allen Neugeborenen ein Screening auf folgende angeborene Stoffwechselstoumlrungen durchgefuumlhrt (7 Kap 51)

4 Hypothyreose (14000 Lebendgeborene) Messung der TSH-Konzentration

4 Phenylketonurie (17000 Lebendgeborene) semiquantitative Bestimmung des Phenylalaninspiegels

4 Galaktosaumlmie (140000 Lebendgeborene) semiquantitative Bestimmung der Uridyltransferaseaktivitaumlt

Kapitel 7 middot Neonatologie132

7

UntersuchungsablaufDie Qualitaumlt einer Neugeborenenuntersuchung haumlngt vom Koumlnnen und der Erfahrung des Untersuchers ab sie erfordert ausreichend Zeit und ein Eingehen auf das Neugeborene und seine Eltern

10 Grundregeln fuumlr die Neugeborenenuntersuchung 4 1 Die Untersuchung soll in einem warmen Raum auf

einer warmen Unterlage erfolgen 4 2 Das Licht soll hell aber nicht grell sein 4 3 Zur Untersuchung soll das Neugeborene vollstaumlndig

entkleidet werden 4 4 Der beste Untersuchungszeitpunkt ist 2ndash3 h nach der

letzten Mahlzeit wenn das Neugeborene wach aber ruhig ist

4 5 Die Eltern sollen bei der Untersuchung anwesend sein 4 6 Das Neugeborene soll immer erst in Ruhe beobachtet

werden bevor Untersuchungen vorgenommen werden 4 7 Immer mit den Untersuchungen beginnen die das

Neugeborene am wenigsten irritieren und belasten 4 8 Bei der Untersuchung soll mit dem Neugeborenen ge-

sprochen werden und nicht nur uumlber das Neugeborene 4 9 Auch harmlose Befunde die aber unerfahrene Eltern

beunruhigen koumlnnen sollen erklaumlrt und demonstriert werden (z B Fuumlhlen der Fontanelle)

4 10 Alle Fragen der Eltern sollen in Ruhe und ausfuumlhrlich beantwortet werden

Der Ablauf der koumlrperlichen Untersuchung soll flexibel dem ein-zelnen Neugeborenen angepasst werden Folgende prinzipielle Vor-gehensweise hat sich bewaumlhrt zuerst wird das Neugeborene be-obachtet ohne es durch raquoAnfassenlaquo zu irritieren Dabei werden Aussehen Spontanatmung Spontanhaltung und Spontanmotorik beurteilt Solange das Neugeborene noch ruhig ist erfolgt danach die Auskultation von Herz und Lunge Die weitere Untersuchung er-folgt vom Kopf zu den Zehen

gt Zur Neugeborenenuntersuchung gehoumlren neben der allgemeinen koumlrperlichen Untersuchung die Bestimmung der somatischen Reifezeichen die Suche nach Geburts-verletzungen und nach Fehlbildungen

Untersuchung der einzelnen KoumlrperregionenIn diesem Abschnitt sind wichtige Untersuchungsinhalte und haumlufi-ge Befunde fuumlr die einzelnen Koumlrperregionen des Neugeborenen aufgefuumlhrt ( Tab 74) Geburtsverletzungen (7 Abschn 753) und Dysmorphiezeichen sind andernorts abgehandelt

Haut Akrozyanose (haumlufig bei kalten Haumlnden Fuumlszligen) zentrale Zyanose (Zunge) Blaumlsse Plethora Oumldeme marmoriertes Haut-kolorit graues Munddreieck Ikterus 4 Storchenbiss (Naevus simplex) angeborene Teleangiektasien

symmetrisch auf Stirn Oberlidern Nase Oberlippe und im Nacken die im Gesicht meist bis zum 3 Lebensjahr verschwin-den im Nacken aber haumlufig persistieren Differenzialdiagnose Naevus flammeus Haumlmangiome

4 Milien zahlreiche punktfoumlrmige weiszlige Papeln auf dem Nasen-ruumlcken und am Kinn durch transiente Keratinzysten Milien verschwinden ohne Therapie

4 Waschfrauenhaumlnde Schuppung und Abschilferung der Haut an Handinnenflaumlchen und Fuszligsohlen bei Uumlbertragung oder Plazentainsuffizienz

4 Neugeborenenexanthem (Erythema toxicum neonatorum) nichtinfektioumlse transiente erythematoumlse Makulae zum Teil mit zentraler gelblicher Papel die meist am Stamm zwischen dem 3 und 7 Lebenstag auftreten ( Abb 75) Im Direktpraumlparat im Wesentlichen eosinophile Granulozyten Differenzialdiag-nose Staphylodermie

4 Transiente neonatale pustuloumlse Melanose Dabei handelt es sich vermutlich um eine selten auftretende Variante des Ery-thema toxicum neonatorum Die Pusteln und Vesikel sind be-reits bei der Geburt vorhanden und nicht von einem erythema-toumlsen Hof umgeben Die abgeheilten Laumlsionen hinterlassen oft hyperpigmentierte Maculae die fuumlr 2ndash3 Monate persistieren koumlnnen ( Abb 76)

Kopf Messung des frontookzipitalen Kopfumfangs (Makrozephalie Mikrozephalie) Groumlszlige und Konsistenz der Fontanellen Schaumldel-naumlhte Die Schaumldelform ist abhaumlngig vom Geburtsmodus nach vagi-naler Entbindung sind haumlufig die Scheitelbeine uumlber die Stirnbeine geschoben

Tab 74 Haumlufige Befunde bei der koumlrperlichen Untersuchung des Neugeborenen

Koumlrperregion Haumlufige Befunde

Haut raquoStorchenbisslaquo Milien Waschfrauenhaumlnde Neugeborenenexanthem

Kopf Geburtsgeschwulst Kephalhaumlmatom

Augen Subkonjunktivale Einblutung Konjunktivitis

Mund Retentionszysten (Epstein-Perlen)

Hals Haumlmatom des M sternocleidomastoideus

Thorax Klavikulafraktur Brustdruumlsenschwellungen

Nabel Naumlssender Nabel Nabelgranulom

Weibliches Genitale Vaginalsekretion Hymenalpolyp

Maumlnnliches Genitale

Physiologische Phimose unvollstaumlndiger Descensus testis

Extremitaumlten Huumlftdysplasie Polydaktylie 4-Fingerfurche Sichelfuszlighaltung

Wirbelsaumlule Lumbosakrales Hautgruumlbchen

Abb 75 Neugeborenenexanthem

713373 middot Untersuchung des Neugeborenen

4 Geburtsgeschwulst oumldematoumls-teigige Kopfhautschwellung meist parietookzipital verschwindet in den ersten Lebens-tagen

4 Kephalhaumlmatom prallelastische Schwellung die durch die Schaumldelnaumlhte begrenzt wird nach subperiostaler Einblutung haumlufig parietookzipital kann uumlber Monate persistieren und am Rand verknoumlchern die raquoVerknoumlcherunglaquo loumlst sich in der Regel bis zum Ende des 1 Lebensjahres wieder auf

Augen Roter Pupillenreflex Konjunktivitis Kolobom Stellung der Lidachsen Kongenitale Katarakt bei direktem Lichteinfall Leuko-korie (weiszliglicher Pupillenreflex) bei seitlichem Lichteinfall raquoPupil-lentruumlbunglaquo Normal sind symmetrische Stellung und koordinierte Bewegungen Bei ploumltzlichem hellen Licht schlieszligt das Neugeborene geblendet die Augen 4 Subkonjunktivale Einblutungen entstehen durch den Press-

druck unter der Geburt harmlos 4 Konjunktivitis meist nichtinfektioumls durch chemische oder

physikalische Irritation Differenzialdiagnose infektioumlse Konjunktivitis (Chlamydien)

gt Das Neugeborene oumlffnet oft spontan die Augen wenn es aufrecht gehalten wird

Mund Physiologische Retrogenie auf Spaltbildungen in Lippen Kiefer hartem und weichem Gaumen achten Mikrogenie Retroge-nie Glossophthose Pierre-Robin-Sequenz raquoneonatalelaquo Zaumlhne 4 Retentionszysten (Epstein-Perlen) weiszligliche Knoumltchen laumlngs

der Mittellinie am Gaumen oder den Zahnleisten 4 Bednarrsquosche Aphthen ulzerative Laumlsionen am Gaumenbogen

aumltiologisch unklare in den ersten Lebenstagen auftretende zT eindrucksvolle ulzerative Laumlsionen transient keine Therapie

Hals Schiefhals Struma Halszysten 4 Sternocleidomastoideushaumlmatom kirschgroszlige harte

schmerzlose Verdickung im Muskel nach geburtstraumatisch bedingter Einblutung Die nachfolgende Vernarbung kann zum Schiefhals fuumlhren mit Neigung des Kopfes zur kranken und Drehung des Kopfes zur gesunden Seite Physiotherapie

Thorax Brustkorb fast kreisrund Rippen weich 4 Brustdruumlsenschwellung treten zwischen dem 3 und 7 Lebens-

tag meist beidseits bei maumlnnlichen und weiblichen Neugebore-nen auf Roumltung und Uumlberwaumlrmung ist moumlglich es kann sogar

zu einer kolostrumaumlhnlichen Sekretion kommen (raquoHexen-milchlaquo) Ursache sind diaplazentar uumlbergetretene muumltterliche Hormone ( Abb 77) Differenzialdiagnose eitrige Mastitis

4 Klavikulafraktur Schmerzempfindung im Bereich der betrof-fenen Schulterregion Schonung des Arms auf der betroffenen Seite nach einer Woche tastbarer Kugelkallus

Herz und Kreislauf Zyanose Blaumlsse Oumldeme Lage des Herzspitzen-stoszliges periphere Pulse an oberer und unterer Extremitaumlt Herz-frequenz und Herzrhythmus Blutdruck Herztoumlne Herzgeraumlusch ( Tab 75) Systolische Herzgeraumlusche in den ersten Lebenstagen sind haumlufig funktionell oder durch einen noch nicht komplett ver-schlossenen Ductus arteriosus verursacht und verschwinden haumlufig nach einigen Tagen Nur 8 der Neugeborenen mit einem Herz-geraumlusch haben ein Vitium cordis

CaveFehlende Pulse an der unteren Extremitaumlt sind pathognomonisch fuumlr eine Aortenisthmusstenose

Lunge Die Atemfrequenz liegt in Ruhe zwischen 22ndash40min Bauchatmung und pueriles Atemgeraumlusch mit houmlrbarem Exspiri-um sind beim Neugeborenen physiologisch Dyspnoezeichen sind Nasenfluumlgeln (Erweiterung der Nasenloumlcher bei der Einatmung) Einziehungen (interkostal subkostal jugulaumlr) Stridor und exspira-torisches Stoumlhnen

Abb 76 Transitorische neonatale pustuloumlse Melanose die bereits bei der Geburt des Neugeborenen nachweisbar war

Abb 77 Brustdruumlsenschwellungen und kolostrumaumlhnliche Sekretion (raquoHexenmilchlaquo) bei einem Neugeborenen

Tab 75 Wichtige Normalwerte bei reifen Neugeborenen

Koumlrpergewicht [g] 3500 (3000ndash4300)

Laumlnge [cm] 50 (46ndash58)

Frontookzipitaler Kopfumfang [cm] 34 (325ndash365)

Herzfrequenz [min] 125 (70ndash190)

Atemfrequenz [min] 30 (22ndash40)

Systolischer Blutdruck [mmHg] 60 (50ndash70)

Diastolischer Blutdruck [mmHg] 35 (28ndash45)

50 Perzentile (10ndash90 Perzentile)

Kapitel 7 middot Neonatologie134

7

Abdomen Das Abdomen des Neugeborenen ist ausladend da die Bauchwandmuskulatur schwach ausgepraumlgt ist haumlufig besteht eine Rektusdiastase Lebergroumlszlige (normal bis 2 cm unter dem Rippen-bogen) Milzgroumlszlige Lage und Aussehen der Analoumlffnung Abdomen-distension und Abwehrspannung sollten untersucht werden 4 Zystische abdominelle Tumoren Hydronephrose multizys-

tisch-dysplastische Nieren Nebennierenblutung Hydrometro-kolpos Darmduplikaturen Choledochuszyste Ovarialzyste

4 Solide abdominelle Tumoren Neuroblastom Wilms-Tumor Teratom Nierenvenenthrombose Pylorushypertrophie

Nabel Sekretion Roumltung Hernie Normalerweise trocknet die Nabelschnur bis zum 6ndash10 Lebenstag ein und faumlllt dann ab

4 Naumlssender Nabel nach Abfallen des Nabelstumpfes auftretende geringe seroumlse Sekretion aus dem Nabel ohne Roumltung Falls 2 Wochen nach dem Abfallen der Nabelschnur der Nabel weiter sezerniert kommen folgende Differenzialdiagnosen in Frage

4 Nabelgranulom am Nabelgrund mit seroumls-blutiger Sekretion 4 Ductus omphaloentericus (zwischen Nabel und Darm) oder

Urachusfistel (zwischen Nabel und Blase) 4 Omphalitis Roumltung und Schwellung des Nabelrings mit

eitriger Sekretion

gt Der Nabel soll nicht mit Puder oder Nabelbinde versorgt sondern unverbunden und trocken belassen werden

Maumlnnliches Genitale Hydrozele Hypospadie Hoden tastbar im Skrotum oder im Leistenkanal Hodengroumlszlige 4 Phimose ist beim Neugeborenen physiologisch

Weibliches Genitale Klitorisgroumlszlige Vaginalsekretion ( Abb 78) 4 Hymenalpolyp Zipfel des hypertrophierten Hymens der aus

der Scheide ragt ndash Normvariante 4 Vaginalsekretion weiszligliches manchmal leicht blutiges Sekret

bei Abstoszligung des durch muumltterliche Hormone proliferierten Endometriums

Extremitaumlten Beweglichkeit Schonhaltung Beinlaumlngendifferenz Huumlftdysplasie 4 Kongenitale Huumlftdysplasie Bei kongenitaler Huumlftdysplasie

sind klinische Zeichen wie Abspreizhemmung der Oberschen-

kel Faltenasymmetrie oder Beinlaumlngendifferenz nicht zuverlaumls-sig Der Ortolani-Test (Ausrenken und Wiedereinrenken der dysplastischen Huumlfte) wird heute nicht mehr empfohlen Bei klinischer Untersuchung auf Instabilitaumlt der Huumlften achten

gt Die adaumlquate Diagnostik zum Ausschluss einer Huumlft-dysplasie ist heute die Ultraschalluntersuchung der Huumlfte

4 Polydaktylie uumlberzaumlhlige haumlufig rudimentaumlre Finger oder Zehen

4 Vierfingerfurche einzelne die gesamte Plantarflaumlche durch-ziehende Furche Kommt bei 5 der Normalbevoumllkerung vor kann jedoch ein unspezifisches Hinweiszeichen auf eine Chromosomenstoumlrung z B Trisomie 21 sein

4 Sichelfuszlighaltung (Pes adductus et supinatus) Supinations-stellung des Vorfuszliges bedingt durch intrauterine Haltung Durch Stimulation der Fuszligauszligenkante vom Neugeborenen aktiv ausgleichbar Differenzialdiagnose Klumpfuszlig

Wirbelsaumlule Achten auf Hinweiszeichen fuumlr eine Spina bifida occulta wie lumbosakral gelegenes Hautgruumlbchen Haarbuumlschel subkutanes Lipom oder Dermalsinus (epithelialisierter Ver-bindungsgang zwischen aumluszligerer Haut und Neuralrohr)

CaveraquoTethered cordlaquo evtl spinale Sonographie

733 Neurologische Neugeborenenuntersuchung

Die Untersuchungsergebnisse der neurologischen Neugeborenen-untersuchung haumlngen sehr vom Verhaltenszustand des Neugebore-nen ab (ruhiger Schlaf ruhiges Wachsein aktives Wachsein Schrei-en) Der Verhaltenszustand muss also dokumentiert und in die Be-urteilung einbezogen werden Die besten Ausgangsbedingungen fuumlr die neurologische Untersuchung sind ruhiges und aktives Wachsein

Die neurologische Untersuchung am 1 Lebenstag hat eher orientierenden Charakter wesentlich aussagekraumlftiger ist die Unter-suchung am 3 Lebenstag Bei der neurologischen Untersuchung des Neugeborenen werden folgende Funktionen beurteilt

Spontanverhalten und Spontanmotorik Das gesunde Neugebore-ne zeigt im Wachzustand eine lebhafte Spontanmotorik mit seiten-gleichem alternierendem Strampeln der Beine und alternierendem Rudern mit den Armen Auffaumlllig sind Apathie oder Hyperexzitabi-litaumlt Das gesunde Neugeborene saugt kraumlftig und trinkt ohne sich zu verschlucken

Muskeltonus Das gesunde Neugeborene haumllt Arme und Beine ge-beugt am Koumlrper Beim Hochziehen des Oberkoumlrpers an den Armen bleiben die Arme leicht gebeugt und der Kopf wird ndash zumindest anfangs ndash mitgenommen Das gesunde Neugeborene kann aus der Bauchlage heraus kurz den Kopf heben

Neugeborenenreflexmuster (Auswahl) 4 Suchreflex Beim Beruumlhren der Wangen wendet sich das Neu-

geborene suchend in Richtung der Beruumlhrung und oumlffnet den Mund

4 Saugreflex Das Neugeborene saugt kraumlftig am Finger 4 Greifreflexe an Haumlnden und Fuumlszligen Das Neugeborene

umfasst den in seine Handinnenflaumlche gelegten Finger des Unter suchers

Abb 78 Vaginalsekretion weiszligliches gelegentlich leicht blutiges Sekret das nach Abstoszligung des durch muumltterlichen Hormoneinfluss pro-liferierten Endometriums auftritt

713574 middot Reanimation Fruumlh- und Neugeborener

4 Arm-Recoil Wenn die Arme des Neugeborenen gestreckt und dann ploumltzlich losgelassen werden federn die Unterarme in den Beugezustand zuruumlck

4 Moro-Reaktion Durch kurzes Zuruumlckfallenlassen des kindlichen Kopfes kommt es zu einer raschen ausfahrenden Bewegung mit Streckung der Arme und Spreizen der Finger ( Abb 79) gefolgt von einem langsameren Zuruumlckholen der Arme an den Rumpf

4 Stuumltzreaktion Das Aufsetzen des Kindes mit beiden Beinen auf eine Unterlage fuumlhrt zu einer kurzen tonischen Streckung des gesamten Koumlrpers

4 Reflexschreiten Ausloumlsen von Schreitbewegungen durch alter-nierendes Aufsetzen der Fuumlszlige auf die Unterlage

4 Asymmetrisch-tonischer Nackenreflex Die Seitwaumlrtsdrehung des Kopfes fuumlhrt zur Streckung des Armes und Beines auf der Gesichtsseite und zur Beugung des Armes und Beines auf der Gegenseite (raquoFechterstellunglaquo Abb 710)

CaveBei der Beurteilung der Seitengleichheit von Bewegungen bei Neugeborenen darf der Kopf nicht zur Seite gedreht sein da sonst durch den asymmetrisch-tonischen Nacken-reflex eine Seitendifferenz vorgetaumluscht wird

734 Bestimmung der somatischen Reifezeichen

Zur klinischen Schaumltzung des Gestationsalters werden somatische und neurologische Merkmale herangezogen Ein gut validiertes Untersuchungsschema zur Schaumltzung des Gestationsalters ist

der Ballard-Score Die klinische Reifealterbestimmung ist auf plusmn15 Wochen genau In Tab 76 sind somatische Reifezeichen eines Fruumlhgeborenen und eines reifen Neugeborenen gegenuumlber-gestellt

74 Reanimation Fruumlh- und Neugeborener

741 Voraussetzungen zur Reanimation

Voraussetzungen zur Durchfuumlhrung Die meisten Neugeborenen durchlaufen eine unproblematische kardiorespiratorische Adapta-tion bei ca 10 der Kinder koumlnnen allerdings mehr oder weniger intensive Reanimationsmaszlignahmen erforderlich sein Ungefaumlhr 23 dieser Patienten lassen sich aufgrund definierter Risiken bereits vor der Geburt identifizieren bei 13 der Neugeborenen tritt die Reani-mationssituation voumlllig unerwartet auf Diese Tatsache unterstreicht die Notwendigkeit dass die essenziellen Wiederbelebungsmaszlignah-men zu jeder Zeit differenziert und kompetent durch ein geschultes neonatologisches Reanimationsteam durchgefuumlhrt werden koumlnnen Weitere Voraussetzungen sind eine optimale Information uumlber maternale und fetale Risiken sowie eine gezielte Vorbereitung auf die spezielle Reanimationssituation

Sind die personellen und apparativen Moumlglichkeiten in einer Geburtsklinik nicht vorhanden um ein Fruumlhgeborenes oder Risiko-neugeborenes optimal zu versorgen so muss die Mutter ndash wenn immer medizinisch vertretbar ndash in ein Perinatalzentrum verlegt werden Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses der Krankenkassen

Der antenatale Transport von Schwangeren und damit von Risiko-fruumlh- und Neugeborenen in ein Perinatalzentrum Level 1 ist bei folgenden Situationen obligat 4 Fruumlhgeborene mit einem Gestationsalter lt290 Wochen

( geschaumltztes Gewicht lt1250 g) 4 Houmlhergradige Mehrlinge (gt2) lt33 Gestationswochen

Abb 79 Moro-Reflex (I) durch kurzes Zuruumlckfallenlassen des Kopfes ploumltzliche Extension und Abduktion der oberen Extremitaumlt sowie Spreizung der Finger

Abb 710 Asymmetrisch tonischer Nackenreflex (Fechterstellung)

Tab 76 Somatische Reifezeichen eines Fruumlhgeborenen und eines reifen Neugeborenen

Fruumlhgeborenes (28 Wochen)

Reifgeborenes (40 Wochen)

Hauttextur Oumldematoumls glaumlnzend transparent

Einzelne Venen sichtbar

Hautfarbe Rot Rosig

Lanugohaare Flaumlchig vorhanden Fehlen

Sohlenfaumlltelung Nur vereinzelt Uumlber ganzer Sohle

Brustwarze Roter Punkt uumlber 1 cm erhaben

Ohrmuschelrand Weich formlos Fest elastisch

Hoden Im Inguinalkanal Im Skrotum

Skrotum Klein wenig Falten Groszlig viele Falten

Groszlige Labien Klaffend Bedecken kleine Labien

Spontanhaltung Extremitaumlten gestreckt

Extremitaumlten gebeugt

Kapitel 7 middot Neonatologie136

7

4 Alle praumlnatal diagnostizierten Erkrankungen bei denen nach der Geburt eine unmittelbare Notfallversorgung erforderlich ist Dies betrifft Erkrankungen der Mutter mit fetaler Gefaumlhr-dung sowie angeborene Fehlbildungen

Postnatale Beurteilung Fuumlr die postnatale Beurteilung reifer Neugeborener hat sich das Apgar-Schema bewaumlhrt Fruumlhgeborene lassen sich aufgrund des vom Gestationsalter abhaumlngigen Muskel-tonus und der Reflexerregbarkeit allerdings nicht adaumlquat beurtei-len Eine allzu schematische Erfassung der einzelnen Apgar-Krite-rien bei der Erstversorgung eines deprimierten reifen Neugebore-nen birgt daruumlber hinaus die Gefahr dass die Wiederbelebungs-maszlignahmen nur verzoumlgert einsetzen Die Bestimmung des Saumlure-Basen-Status ist als ein fester Bestandteil und eine wesent-liche Ergaumlnzung der kindlichen Zustandsbeurteilung anzusehen Diese nur mit einer zeitlichen Latenz verfuumlgbare Diagnostik ist jedoch fuumlr die initialen therapeutischen Entscheidungen in der Regel nicht relevant

742 Maszlignahmen der Neugeborenenreanimation

Drei klinische Kriterien ndash naumlmlich Hautfarbe Atmung und Herzfre-quenz ndash geben ausreichende Informationen um das akute Vorgehen zu planen und die Maszlignahmen die in 3 Stufen erfolgen sollten weder zu spaumlt noch zu voreilig durchzufuumlhren ( Abb 711)

Stufe 1 BasismaszlignahmenDie einfachen Basismaszlignahmen der Reanimation beinhalten Ab-trocknen Stimulation und Absaugen des Neugeborenen Waumlhrend dieser Maszlignahmen ist eine schnelle Beurteilung zum Ausschluss von schweren Fehlbildungen erforderlich

Nach dem Abtrocknen wird das Neugeborene in angewaumlrmte trockene Tuumlcher gehuumlllt Die Erstversorgung erfolgt unter einem Heizstrahler Zugluft im Raum ist zu vermeiden Bei sehr kleinen Fruumlhgeborenen und extrem hypotrophen Neugeborenen ist ein zu-saumltzlicher Waumlrmeschutz durch verschiedenste Folien (u a Plastik-folien) oder Warmluftdecken erforderlich Durch die taktile Stimu-lation u a von Ruumlcken und Fuszligsohlen wird die kindliche Atmung stimuliert Die Mehrzahl der Neugeborenen beginnt innerhalb von 10 s nach der Geburt spontan zu atmen allerdings ist damit zu rech-nen dass ca 10 der Neugeborenen nach 1 Lebensminute noch keine regelmaumlszligige Atemtaumltigkeit aufweisen Bei entsprechender In-dikation wie Verlegung der Atemwege durch Fruchtwasser Blut oder Mekonium erfolgt das Absaugen zuerst des Oropharynx und dann der Nasenwege des Neugeborenen mit einem ausreichend groszliglumigen Katheter (Ch 8ndash10)

CaveMund vor Nase Es besteht eine erhoumlhte Aspirationsgefahr durch die Stimulation der kindlichen Eigenatmung nach nasalem Absaugen

Weiterhin ist unbedingt darauf zu achten dass beim Absaugen keine Bradykardien auftreten (Vagusstimulation) Der Sog am Absaugge-raumlt ist in der Regel auf 200 mbar zu begrenzen um Verletzungen der Schleimhaut zu vermeiden Ein routinemaumlszligiges Absaugen aller Neu-geborenen ist nicht indiziert

Stufe 2 Zusatzmaszlignahmen bei insuffizienter SpontanatmungFuumlhren die beschriebenen Basismaszlignahmen nicht zum Einsetzen der Spontanatmung so sind zur Vermeidung von Bradykardie und Hypoxie weitere Schritte erforderlich

Blaumlhmanoumlver und Beutel-Masken-Beatmung Neugeborene mit fehlender Eigenatmung werden nach 30 s mit einer Beutel-Masken-Beatmung und inspiratorischem Druckplateau behandelt Dieses raquoBlaumlhmanoumlverlaquo besteht aus max 3 Beatmungshuumlben mit einem ho-hen inspiratorischen Beatmungsdruck (ca 20ndash35 cmH2O) und einer langen Inspirationszeit (ca 3ndash5 s) Diese manuelle Maskenbeatmung wurde in vielen neonatologischen Zentren durch ein manometer-kontrolliertes Blaumlhmanoumlver ersetzt Ziel dieser Beatmungsstrategie ist die intraalveolaumlre Lungenfluumlssigkeit in das pulmonale Lymph- und Gefaumlszligsystem zu pressen und somit ndash in Analogie zur Atemtech-nik Neugeborener ndash eine funktionelle Residualkapazitaumlt herzu-stellen Diese Maszlignahme sollte unter Auskultationskontrolle erfol-gen und in eine assistierte den Beduumlrfnissen des Neugeborenen angepasste Beatmung uumlbergehen Runde Silikonmasken eignen sich fuumlr die Maskenbeatmung am besten sie erlauben eine optimale Ab-dichtung

Diese Beatmungsform ist nicht auf sehr unreife Fruumlhgeborene zu uumlbertragen Wie juumlngere Untersuchungen zeigen kann ein inadaumlqua-tes Baro- und Volutrauma im Rahmen der Reanimation gravierende akute und chronische Lungenschaumlden der unreifen Lungenstruktur induzieren die u a durch eine erhoumlhte alveolaumlr-kapillaumlre Leakage charakterisiert sind und moumlglicherweise die pathogenetische Sequenz der pulmonalen Inflammationsreaktion induzieren oder aggravieren Vor dem Hintergrund dieser Beobachtung ist eine dem Fruumlhgeborenen individuell angemessene Beatmungsform zu waumlhlen die das Risiko der mechanischen Traumatisierung so gering wie moumlglich haumllt Juumlngste Untersuchungen belegen dass durch eine un-mittelbar nach der Geburt erfolgte Anlage eines binasalen CPAP-Sys-tems (CPAP = continuous positive airway pressure = kontinuierlicher positiver Atemwegsdruck) eine betraumlchtliche Anzahl sehr unreifer Fruumlhgeborener bereits im Kreiszligsaal stabilisiert werden koumlnnen

Abb 711 3-Stufenmodell der Neugeborenenreanimation

713774 middot Reanimation Fruumlh- und Neugeborener

CaveEine inkorrekte Kopfhaltung oder fehlerhafte Masken-positionierung kann die Atemtaumltigkeit des Fruumlh- und Neu-geborenen empfindlich beeintraumlchtigen (raquoErstickung un-ter der Maskelaquo) Ebenso kann ein inadaumlquates Baro- und Volutrauma im Rahmen einer forcierten Maskenbeatmung zu einer Schaumldigung der Alveolen fuumlhren

Die Indikation fuumlr eine Beutel-Masken-Beatmung reifer Neugebo-rener ist eine fehlende Spontanatmung nach ca 30 s Bei sehr kleinen Fruumlhgeborenen die postnatal nicht schreien sollte sofort mit einer adaumlquaten Beutel-Masken-Beatmung begonnen werden um eine hypoxisch bedingte Bradykardie und somit das Risiko von Fluktua-tionen des zerebralen Blutflusses zu vermeiden (Cave Hirnblutung)

Eine primaumlre Maskenbeatmung sollte bei folgenden Erkrankun-gen des Neugeborenen gaumlnzlich vermieden werden 4 Mekonium- und Blutaspiration 4 Zwerchfellhernie 4 schwerste postnatale Asphyxie

Sauerstoffzufuhr Eine Stabilisierung oder Reanimation erfolgt pri-maumlr mit Raumluft Nur bei unzureichender Oxygenierung wird dem Neugeborenen und unreifen Fruumlhgeborenen unter kontinuierlicher pulsoxymetrischer Uumlberwachung Sauerstoff angeboten Auf Grund der aktuellen Datenlage empfehlen die meisten internationalen Fach-gesellschaften eine primaumlre Reanimation mit Raumluft (21 O2)

Wenn man bedenkt dass der Sauerstoffpartialdruck im fetalen Blut ca 25 mmHg betraumlgt kann eine zu rasche postnatale Hyperoxy-genierung des depremierten Neugeborenen durchaus problematisch sein Dieser Aspekt gilt besonders fuumlr Hochrisikofruumlhgeborene die nicht nur einen Mangel an protektiven Antioxidanzien in allen Ge-weben aufweisen sondern auch ernstzunehmende Spuren einer Ge-websschaumldigung durch Sauerstoffradikale aufweisen In dieser Hochrisikogruppe sollte eine Sauerstofftherapie nur unter Messung der Sauerstoffsaumlttigung erfolgen und auf jeden Fall eine Hyperoxy-genierung bereits waumlhrend der Stabilisierungsphase vermieden wer-den (cave Retinopathia praematurorum)

Intubation Bleibt ein Neugeborenes trotz Beutel-Masken-Beatmung apnoisch oder bradykard so wird das Kind umgehend endotracheal intubiert Fuumlr die Gruppe sehr kleiner Fruumlhgeborener ist inzwischen eindeutig belegt dass die Vermeidung von einer postnatalen Hypoxie zu einer Reduktion der Sterblichkeit und der Inzidenz des Atemnot-syndroms beitraumlgt Dennoch ist von einer generellen Intubation dieser besonderen Patientengruppe abzuraten da gerade bei sehr vitalen Fruumlhgeborenen unter der Intubation transitorische hypoxaumlmische Phasen und Alterationen der zerebralen Zirkulation nicht auszuschlie-szligen sind Es empfiehlt sich die Intubation selektiv durchzufuumlhren In Abhaumlngigkeit vom Schweregrad der Atemnotsymptomatik sollte das Fruumlhgeborene innerhalb von Minuten intubiert oder aber mit einem binasalen CPAP-System versorgt werden (CPAP raquocontinous positive airway pressurelaquo kontinuierlicher positiver Atemwegsdruck)

Waumlhrend der Intubation muss eine kontinuierliche Uumlberwa-chung der kindlichen Herzfrequenz und O2-Saumlttigung (Pulsoxime-ter) erfolgen Bei einer Bradykardie ist der Intubationsversuch un-verzuumlglich abzubrechen und das Kind mit erneuter Beutel-Masken-Beatmung und adaumlquater O2-Zufuhr zu stabilisieren (Cave Hyper-oxie) Die haumlufigsten Komplikationen im Verlauf der Intubation sind die Fehlpositionen des Tubus in den Oumlsophagus und eine ein-seitige selektive Intubation des rechten Hauptbronchus durch ent-sprechende Korrektur der Tubuslage sind diese Situationen leicht zu beheben Ernsthafte Komplikationen stellen die Perforation des

Oumlsophagus und Hypopharynx dar tracheale Perforationen wurden durch Fuumlhrungsstaumlbe von Endotrachealtuben beobachtet Magen-rupturen wurden nach Reanimation Neugeborener mit tracheooumlso-phagealer Fistel beschrieben Subglottische Stenosen koumlnnen sich als chronische Komplikationen eines Intubationsschadens ausbilden

Naloxon Neugeborene deren Muumltter unter der Geburt Opiate er-halten haben fallen haumlufig durch einen fehlenden Atemantrieb nach der Geburt auf Durch die intravenoumlse Gabe des Opiatantagonisten Naloxon (z B Narcanti neonatal) kann die atemdepressive Wirkung diaplazentar uumlbergetretener Morphinderivate aufgehoben werden (Dosierung 001 mgkg KG) Da die Opiatanalgetika eine laumlngere Halbwertszeit als Naloxon haben muss mit symptomatischen Re-boundeffekten beim Kind gerechnet werden sie machen wieder-holte Gaben von Naloxon erforderlich

CaveKinder heroinabhaumlngiger Muumltter duumlrfen kein Naloxon erhalten da schwerste akute Entzugserscheinungen aus-geloumlst werden koumlnnen

Stufe 3 Zusatzmaszlignahmen bei insuffizienter KreislauffunktionDa Bradykardien bei Neugeborenen in der Regel durch eine Hypoxie bedingt sind lassen sich die meisten Kreislaufprobleme durch eine suffiziente Oxygenierung beheben Besteht die Bradykardie trotz ausreichender Lungenbeluumlftung fort so sind weitere Maszlignahmen wie extrathorakale Herzmassage Adrenalingabe Volumensubstitu-tion und Azidosekorrektur angezeigt

Herzmassage Eine externe Herzmassage sollte bei allen Neugebo-renen durchgefuumlhrt werden bei denen die Herzfrequenz lt60 Schlauml-genmin liegt und die nach Beginn der adaumlquaten Ventilation nicht mit einem Anstieg der Herzfrequenz reagieren Bei einer der moumlgli-chen Techniken wird der Thorax des Kindes von beiden Seiten um-fasst und am unteren Teil des Sternums um 1ndash2 cm mit einer Fre-quenz von 100min komprimiert ( Abb 712) Diese Art der Herz-

Abb 712 Reanimation eines Neugeborenen mit Beutel-Masken-Beat-mung und extrathorakaler Herzmassage

Kapitel 7 middot Neonatologie138

7

massage stellt die effektivste Maszlignahme zur Aufrechterhaltung der Kreislauffunktion dar sie setzt aber voraus dass 2 in der Reanima-tion Neugeborener erfahrene Personen die kardiozirkulatorische und respiratorische Reanimation durchfuumlhren Eine Einzelperson ist gezwungen durch Sternumkompression mittels 2 Fingern eine wirksame Herzmassage und gleichzeitig eine effiziente Beatmung zu gewaumlhrleisten

gt Momentan wird ein Verhaumlltnis von 3 Herzkompressionen zu 1 Beatmung empfohlen

Trotz wirksamer Herzmassage muss die Ursache der Bradykardie rasch erkannt und wenn moumlglich kausal behandelt werden

Adrenalin Bleibt der unter externer Herzmassage erwartete Anstieg der Herzfrequenz aus so sollte unverzuumlglich Adrenalin uumlber die ka-theterisierte Nabelvene oder eine periphere Vene (001ndash003 mgkg KG) appliziert werden Ist kein Gefaumlszligzugang moumlglich so sollte Adrenalin (01ndash03 mlkg KG in einer Verduumlnnung von 110000) uumlber den endotrachealen Tubus oder intraossaumlr verabreicht werden Trotz einer geringen Lungendurchblutung kann diese Maszlignahme zu einem raschen Anstieg der Herzfrequenz oder sogar einem erstma-ligen Nachweis der Herzaktion fuumlhren

CaveIntrakardiale Injektionen sind obsolet

Natriumbikarbonat Die Indikation fuumlr die Gabe von Natriumbi-karbonat ist nur bei schwerer protrahierter metabolischer Azidose z B nach intrauteriner Hypoxie und nach laumlnger dauernden Reani-mationsmaszlignahmen insbesondere bei schlechtem Ansprechen auf Adrenalin indiziert Die Gabe von Natriumbikarbonat erfolgt intra-venoumls in einer mindestens 11 verduumlnnten Loumlsung (Aqua destillata) und uumlber einen laumlngeren Zeitraum ndash uumlber 15 Minuten bei Neugebo-renen und uumlber laumlngere Zeit bei Fruumlhgeborenen ndash (Initialdosis 1ndash3 mval NaHCO3kg KG) Da Natriumbikarbonat 84 hyper-osmolar ist besteht die Gefahr dass Fruumlhgeborene im Rahmen der Serumosmolalitaumltspitzen und -schwankungen eine Hirnblutung entwickeln Eine Bikarbonatbehandlung verbietet sich bei einer aus-gepraumlgten respiratorischen Azidose

Volumengabe Bei anamnestischem und klinischem Verdacht auf einen akuten kindlichen Blutverlust sollte unverzuumlglich Volumen zugefuumlhrt werden Fuumlr eine initiale Volumensubstitution bietet sich physiologische Kochsalzloumlsung (10ndash15 mlkg KG) an Als effektivs-te Maszlignahme ist unter kritischer Indikationsstellung die Gabe von 0 Rh negativem lysinfreiem Erythrozytenkonzentrat (10ndash20 mlkg KG) anzusehen Eine entsprechende Notfallkonserve die ohne Kreuzprobe transfundiert werden kann sollte heute fuumlr Risikositu-ationen unmittelbar nach der Geburt verfuumlgbar sein bei haumlmorrha-

gischem Schock ist die Transfusion bis zu einer Stabilisierung des kindlichen Zustandes fortzufuumlhren

Schritte der Reanimation von Neugeborenen 4 Adaumlquate Waumlrmezufuhr Abtrocknen und Zudecken des

Neugeborenen 4 Luftwege freimachen (Mund vor Nase gezielt absaugen) 4 Auskultation (Stethoskop) 4 Anlage eines Pulsoximeters 4 Beutel-Masken-Beatmung mit 21 O2 initiale raquoBlaumlh-

maneuverlaquo (3ndash5 s) danach assistierte Beatmung (Beat-mungsfrequenz 40ndash60min) Bei unzureichender Oxige-nierung zusaumltzlich Sauerstoffzufuhr unter kontinuierli-cher pulsoximetrischer Uumlberwachung

4 Bei Apnoe undoder Bradykardie (Herzfrequenz 60ndash80min unter Beutel-Masken-Beatmung)

ndash Endotracheale Intubation (Tubus 30ndash35 mm) ndash Herzmassage (Beatmungsfrequenz Herzmassage [ 13]) ndash Bei Bedarf Suprarenin 001ndash003 mgkgKG iv bei

fehlendem iv-Zugang evtl Suprarenin 001 mgkg KG ndash 01 mlkg KG der Verduumlnnung 110000 uumlber Endotrache-altubus

ndash Evtl Natriumbikarbonat 84 (11 mit Aqua dest verduumlnnt) 1ndash3 mmolkgKG sehr langsam i v (per infusionem)

ndash Evtl Nabelvenenkatheter Volumenzufuhr 09 NaCl5 Glukose Blut 10ndash20 mlkgKG

ndash Besonderheiten der Reanimation Fruumlhgeborener 7 Text

75 Perinatale Schaumlden und ihre Folgen

751 Asphyxie

kDefinitionEine perinatale Asphyxie stellt einen bedrohlichen Insult fuumlr den Fetus oder das Neugeborene dar der durch eine Hypoxie undoder Ischaumlmie vor unter oder nach der Geburt ausgeloumlst wird Sauerstoff-mangel undoder Ischaumlmie lebenswichtiger Organe sind mit einer mehr oder minder ausgepraumlgten Azidose assoziiert und fuumlhren zu einer stark gestoumlrten postnatalen respiratorischen und kardiozirku-latorischen Adaption

kPathophysiologieDie Risikofaktoren fuumlr die Entwicklung einer perinatalen Asphyxie sind in Tab 77 dargestellt Folgende fetale Warnzeichen weisen auf einen praumlnatalen Sauerstoffmangel hin

Exkurs

Die Geburt Goethes

Die Geburt des Kindes war schwer Sie dauerte 3 Tage So gut wie leblos kam Goethe zur Welt raquoganz schwarzlaquo wie die Mutter spaumlter er-zaumlhlte Ein Arzt war nicht zugegen nur eine Hebamme die sich ungeschickt angestellt haben soll und die Groszligmutter Sie stand hinter den Vorhaumlngen des Bettes das mit blau-gewuumlrfelten Gardinen zugezogen werden

konnte Man schuumlttelte das Kind rieb ihm die Herzgrube mit Wein raquoRaumltin er lebtlaquo rief die alte Frau als das Kind die Augen aufschlug sehr groszlige dunkelbraune fast schwarze Augenlaquo (aus Richard Friedenthal Goethe Sein Leben und seine Zeit Piper 1963)Trotz der vom Autor eindruumlcklich geschilder-ten Zyanose haben taktile Maszlignahmen bei

Goethe zur Initiierung des ersten Atemzuges gefuumlhrt Dieses weist darauf hin dass sich das Neugeborene in einer respiratorischen De-pression befunden hat und keinen Sauerstoff-mangel lebenswichtiger Organe d h keine schwere Asphyxie erfahren hat

713975 middot Perinatale Schaumlden und ihre Folgen

4 Herztondezelerationen (Norm 120ndash160 Schlaumlgemin) 4 pathologisches Herzfrequenzmuster im Kardiotokogramm

Verlust der raquoBeat-to-beat-Variationlaquo spaumlte Dezelerationen (d h fetale Bradykardie die uumlber die Uteruskontraktion hinaus anhaumllt) silentes CTG selten auch fetale Tachykardie

4 gruumlnlich verfaumlrbtes Fruchtwasser (vorzeitige Darmentleerung des Fetus Mekoniumabgang)

4 Laktazidose pH lt72 (kapillaumlre Mikroblutanalyse aus kind-licher Kopfhaut)

Eine chronische intrauterine Hypoxie geht oft mit einer fetalen Hy-pomotorik sowie einem Oligohydramnion aufgrund einer kompro-mittierten Nierenperfusion einher

Bei einer postnatalen HypoxieIschaumlmie faumlllt das Neugeborene unmittelbar nach der Geburt durch eine schwer gestoumlrte kardio-respiratorische Adaption auf Als klinische Zeichen imponieren u a 4 Dyspnoe Atemstillstand 4 Bradykardie 4 Hypotension 4 Zyanose (fruumlher als raquoblaue Asphyxielaquo bezeichnet) 4 extreme Blaumlsse (haumlufig akuter Volumenmangel raquoweiszligelaquo

Asphyxie) 4 muskulaumlre Hypotonie Bewegungslosigkeit

Das Ausmaszlig einer Asphyxie zeigt sich an der Schnelligkeit mit der ein asphyktisches Kind auf Reanimationsmaszlignahmen reagiert For-men der fetalen Depression bei denen eine ausreichende kardiores-piratorische Adaptation nach taktiler Stimulation oder kurzfristiger Maskenbeatmung zu erreichen ist ndash Phase der primaumlren Apnoe ndash koumlnnen nicht als schwere perinatale Asphyxie bezeichnet werden Bei einer terminalen Apnoe dagegen ist das Neugeborene schwerst deprimiert und bedarf einer umgehenden intensiven kardiopulmo-nalen Reanimation

Der durch HypoxieIschaumlmie bedingte Substratmangel hat bei totaler Asphyxie nach spaumltestens 12 min eine irreversible Hirn-schaumldigung zur Folge

Obwohl ein niedriger Apgar-Score die Notwendigkeit von Re-animationsmaszlignahmen anzeigt so ist er aber kein sicherer Indikator

fuumlr eine perinatale Asphyxie und stellt allein kein Prognosekriterium fuumlr die Entwicklung einer Zerebralparese dar Ansteigende Apgar-Werte unter der Reanimation belegen lediglich den Erfolg der durch-gefuumlhrten Maszlignahmen Neugeborene mit einer fuumlr die Prognose relevanten Asphyxie unter der Geburt zeigen in der Regel 4 eine schwere Azidose im Nabelschnurblut (lt70) 4 einen 10-min-Apgarwert von le5 4 eine verzoumlgerte Aufnahme der Eigenatmung (gt10 Minuten) 4 Symptome der hypoxisch-ischaumlmischen Enzephalopathie

(s unten) d h neonatale neurologische Symptome einschlieszlig-lich Krampfanfaumllle

4 hypoxisch-ischaumlmisch bedingte Funktionsstoumlrungen anderer Zielorgane

Allerdings erfuumlllt nur ein Teil der Neugeborenen die nach einer pe-rinatalen Asphyxie eine Zerebralparese entwickeln diese Kriterien In vielen Faumlllen liegt der Schaumldigungszeitpunkt praumlnatal dabei weist das unter der Geburt abgeleitete Kardiotokogramm oft nur geringe Auffaumllligkeiten auf und der Nabelarterien-pH zeigt keine oder nur eine maumlszligige Azidose In solchen Faumlllen liegt offenbar ein Zustand nach vorhergehenden Episoden mit fetaler Asphyxie vor von denen sich das Kind partiell erholt hat Ein wahrscheinlicher Zusammen-hang unmittelbar mit dem Geburtsereignis darf nur angenommen werden wenn die oben genannten Kriterien vorhanden sind

Zielorgane der Asphyxie Hypoxisch-ischaumlmische Laumlsionen koumln-nen sich an verschiedenen Organsystemen manifestieren

4 Zentrales Nervensystem hypoxisch-ischaumlmische Enzephalopa-thie erhoumlhte Inzidenz von Hirnblutungen bei Fruumlhgeborenen

4 Herz-Kreislauf myokardiale Ischaumlmie Hypotension 4 Lunge persistierende fetale Zirkulation (PFC) pulmonale

Hypertension sekundaumlres Atemnotsyndrom (akutes RDS = ARDS)

4 Mikrozirkulation disseminierte intravasale Gerinnung mit Thrombozytenabfall 5 Niere Oligurie Anurie 5 Nebenniere NNR-Blutung 5 Magen-Darmtrakt Perforation Ulzeration nekrotisierende Enterokolitis

4 Leber Leberzellschaumldigung verminderte Syntheseleistung 4 Metabolische Stoumlrungen Hypoglykaumlmie Hypokalzaumlmie

752 Hypoxisch-ischaumlmische Enzephalopathie (HIE)

Pathophysiologie Wie verschiedenste Untersuchungen zur Patho-genese ischaumlmischer Hirnlaumlsionen belegen setzt die Gewebsschaumldi-gung waumlhrend der HypoxieIschaumlmie ein und nimmt in der Reper-fusionsphase weiter zu Die Hauptmediatoren des Reperfusions-schadens sind freie Sauerstoffradikale neutrophile Granulozyten und endotheliale Faktoren wie Stickstoffmonoxid (NO)

Freie Radikale fuumlhren vermutlich uumlber eine Hemmung des trans-membranoumlsen Enzyms Na+-K+-ATPase zum Zusammenbruch des Membranpotenzials Die geschaumldigten Zellen setzen in der Folge die neurotoxischen exzitatorischen Aminosaumluren Glutamat und Aspar-tat frei die durch Aktivierung von Proteasen den Zelltod einleiten

Waumlhrend sich die meisten Organe vom asphyktischen Insult er-holen ist dies beim Gehirn nicht immer der Fall Die Hypoxie und Ischaumlmie fuumlhren zu einer lokalen Laktatakkumulation im Gehirn und zu einer Verminderung energiereicher Phosphate Das Energie-versagen ist in der Regel erst nach 24ndash72 h in voller Auspraumlgung

Tab 77 Risikofaktoren fuumlr die Entwicklung einer perinatalen Asphyxie

Maternale Erkrankungen

Uteroplazentare Insuffizienz Gestose Hyperten-sion Hypotension Diabetes Infektion andere Grunderkrankung

Plazenta Chorioamnionitis vorzeitige Loumlsung Placenta praevia Vasa praevia Randsinusruptur

Nabelschnur-zwischenfaumllle

Prolaps Knoten Kompression Umschlingung kurze Nabelschnur

Geburt Traumatisch (abnorme Lage Missverhaumlltnis von Becken ndash Kind hypertrophes Neugeborenes Schul-terdystokie) langdauernd uumlberstuumlrzt Sturzgeburt

Fetale Ursachen

Fruumlhgeburtlichkeit Infektion Wachstumsretardie-rung Uumlbertragung

Neu-geborenes

Anaumlmie (fetomaternale Transfusion etc) Neuro-muskulaumlre Erkrankungen Erkrankungen der Atem-wege und Lungen (Choanalatresie Trachealagene-sie Lungenhypoplasie Zwerchfellhernie etc)

Kapitel 7 middot Neonatologie140

7

vorhanden (sekundaumlres Energieversagen) Je nach Ausmaszlig der Schaumldigung entwickelt sich eine lokale Hirnlaumlsion oder eine diffuse neuronale Nekrose mit schwerem Hirnoumldem oder Hirntod

kNeuropathologieDie typischen anatomischen Laumlsionen einer HIE sind bei reifen Neugeborenen 4 eine kortikale Nekrose 4 Wasserscheideninfarkte zwischen A cerebri anterior und me-

dia in Form von parasagittalen bilateralen Infarzierungen 4 Thalamus- und Basalgangliennekrose ( Abb 713) 4 Bei Fruumlhgeborenen fuumlhrt eine schwere perinatale Asphyxie in

der Regel zu einer intrazerebralen Blutung (s dort)

kKlinikIn Abhaumlngigkeit vom Ausmaszlig der hypoxisch-ischaumlmischen Schaumldi-gung kann die klinische Symptomatologie von Irritabilitaumlt Trink-schwaumlche und milder Hypotonie bis hin zum Koma reichen Die typischen neurologischen Symptome sind 4 Beeintraumlchtigung der Bewusstseinslage Irritabilitaumlt

Schreckhaftigkeit Somnolenz Lethargie oder Koma 4 Aumlnderung des Muskeltonus Hypotonie Hypertonie 4 Aumlnderung des Reflexverhaltens 4 Auftreten von Krampfanfaumlllen oftmals prolongiert und schwer

zu behandeln

Das EEG zeigt typische Veraumlnderungen in Abhaumlngigkeit vom Schwe-regrad der Hirnschaumldigung Zur klinischen Verlaufsbeurteilung hat sich ein neurologischer Score bewaumlhrt der auch eine gewisse prog-nostische Einschaumltzung erlaubt ( Tab 78) Die Klassifizierung ist allerdings nicht bei Anwendung von Sedativa oder Analgetika ver-wertbar

Trotz genauer Dokumentation aller zur Verfuumlgung stehenden prauml- peri- und postnatalen Befunde laumlsst sich in vielen Faumlllen keine sichere Kausalitaumltskette der Ereignisse die zur Asphyxie und hypo-xisch-ischaumlmischen Enzephalopathie gefuumlhrt haben ermitteln

kPrognoseDurch die Verlaufsbeurteilung der klinischen Symptome der bildge-benden Diagnostik und des EEG lassen sich in vielen Faumlllen schon fruumlh Aussagen zur Prognose der Kinder machen Faktoren die mit einer schlechten Prognose assoziiert sind sind in der Uumlbersicht aufgefuumlhrt Im Ultraschallbild zeigt sich oft eine raquoverwaschenelaquo Parenchymzeich-nung als Ausdruck einer diffusen neuronalen Nekrose oder eines Hirnoumldems Als Zeichen einer Thalamusnekrose koumlnnen in den ersten Lebenswochen ausgepraumlgte Echoverdichtungen in dieser Region dar-stellbar sein Eine Magnetresonanztomographie (MRT) kann bereits in den ersten Lebenstagen deutliche Signalveraumlnderungen aufweisen ( Abb 713) Eine nuumltzliche jedoch nicht immer durchfuumlhrbare Untersuchung ist die Magnetresonanzspektroskopie (MRS) Ein Nachweis von hohen Laktatsignalen im Gehirn sowie niedrigen Signalen fuumlr N-Acetyl-Aspartat einem Marker fuumlr Neuronen spricht fuumlr eine schwere Hirnschaumldigung mit schlechter Prognose

Unguumlnstige Prognosefaktoren bei der HIE Neugeborener 4 Keine Spontanatmung innerhalb der ersten 30 Lebens-

minuten Auf spontane Atemaktivitaumlt achten 4 Notwendigkeit einer Herzmassage 4 Auftreten von Krampfanfaumlllen in den ersten 4 Lebens-

stunden 4 Neurologischer Zustand (Thompson-Score gt15) 4 Sehr flaches EEG oder raquoBurst-supression-Musterlaquo 4 Oligurie am 1 oder 2 Lebenstag (lt1 mlkg KGh)

kDifferenzialdiagnoseVon einer hypoxisch-ischaumlmischen Enzephalopathie sollte nur ge-sprochen werden wenn sich eindeutige Hinweise auf eine vorausge-

Abb 713 Thalamus- und Basalgangliennekrose eines reifen Neugebore-nen mit schwerer intrauteriner Asphyxie

Tab 78 Klinischer Verlaufs- und Prognosescore bei der hypoxisch-ischaumlmischen Enzephalopathie

Punkte 0 1 2 3

Muskel-tonus

Normal Erhoumlht Vermindert Schlaff

Bewusst-seinslage

Normal Schreck-haft

Lethargie Koma

Kraumlmpfe Keine lt3Tag ge3Tag

Haltung Normal Faumlusteln bzw Peda-lieren

Steif distale Flexion

Dezerebra-tion

Moro-Reflex Normal Teilweise ausloumlsbar

Fehlend

Greifreflex Hand

Normal Schwach Fehlend

Saugreflex Normal Schwach Fehlend

Atmung Normal Hyperven-tilation

Kurze Apnoen

Laumlngere Apnoen Beatmung

Fontanelle Normal Gefuumlllt Gespannt

Prognose Maximalscore lt10 oder Score 0 an Tag 7 normales Outcome wahrscheinlich Maximalscore gt15 hohes Risiko von Folgeschaumlden

714175 middot Perinatale Schaumlden und ihre Folgen

hende HypoxieIschaumlmie feststellen lassen Ansonsten wird das Krankheitsbild als neonatale Enzephalopathie bezeichnet Andere Ursachen fuumlr eine Enzephalopathie des Neugeborenen sind 4 Sepsis Meningoenzephalitis Diagnostik Liquorpunktion 4 Maternale Anaumlsthesie Drogeneinnahme vor der Geburt 4 Geburtstraumatische intrazerebrale Blutungen 4 Metabolische Enzephalopathie Die klinische Symptomatolo-

gie tritt meist erst Stunden oder Tage nach der Geburt auf Grund Katabole Stoffwechselsituation oder Zufuhr von Nahrungseiweiszlig bei Aminoazidopathien oder Organoazidopa-thien Diagnostik Ammoniakbestimmung Laktatbestimmung Ketonkoumlrper im Urin spezifische Laboruntersuchungen

4 Hypoglykaumlmie 4 Bilirubinenzephalopathie 4 Intrazerebrale Blutungen bei Gerinnungsstoumlrungen Gefaumlszligmal-

formationen u a 4 Sinusthrombosen u a 4 Konnatale Hirntumoren

kTherapieVentilation Bei unregelmaumlszligiger Atmung oder Apnoen sollte eine fruumlhzeitige Intubation und Beatmung erfolgen Das Ziel ist die Er-haltung der Homoumlostase Der pO2 und pCO2 sollten in normalen Grenzen gehalten werden eine Hyperventilation ist obsolet

Kreislauf Wichtigste Groumlszlige fuumlr ausreichende Hirnperfusion ist der Blutdruck Bei Kindern mit schwerer Asphyxie soll bereits im Kreis-saal ein sicherer intravenoumlser Zugang gelegt werden bei instabilem Blutdruck Gabe von Katecholaminen

Antikonvulsive Therapie Bei Auftreten von Krampfanfaumlllen erfolgt eine Behandlung mit Phenobarbital Phenytoin oder Lorazepam

Hypothermie Wie mehrere kontrolliert-randomisierte Studien be-legen verbessert eine Hypothermiebehandlung von Neugeborenen mit moderater oder schwerer HIE das neurologische Outcome Die Neugeborenen werden fuumlr 72 h auf eine Koumlrpertemperatur von 335degC gekuumlhlt

Der besondere FallAnamnese Gegen Ende der Schwangerschaft verspuumlrt eine 32-jaumlhri-ge Zweitgebaumlrende erhebliche Schmerzen im Unterleib und registriert keine sicheren Kindsbewegungen mehr Sie faumlhrt in eine nahe gelege-ne FrauenklinikBefunde In der Notaufnahme stellt der Arzt im Ultraschall eine fetale Bradykardie von 40 Schlaumlgenmin fest es wird umgehend eine Notsec-tio durchgefuumlhrt Das Neugeborene wiegt 3270 g und zeigt nach der Geburt keine Spontanatmung Die Plazenta weist ein retroplazentares Haumlmatom aufTherapie Das Kind wird durch den Anaumlsthesisten intubiert eine Herz-massage begonnen intratracheal Suprarenin verabreicht und der Transportdienst einer Kinderklinik verstaumlndigt Dieser trifft 22 min nach der Geburt ein zu diesem Zeitpunkt ist das Kind schlaff hat eine fehlende Spontanmotorik ein blasses Hautkolorit bei rosigen Lippen die Lungen sind bei Beutelbeatmung uumlber den Trachealtubus seiten-gleich beluumlftet Es wird ein Nabelvenenkatheter gelegt uumlber den das Kind eine Glukoseloumlsung erhaumllt Aufgrund niedriger Blutdrucke (MAD 32 mmHg) wird eine Suprarenindauerinfusion angelegt Noch im Kreis-saal wird der Haumlmoglobin-Wert bestimmt er betraumlgt 15 gdlVerlauf Innerhalb der naumlchsten 2 Stunden kommt es zu einer deutli-chen Zunahme der Spontanmotorik die nach 6 Stunden wieder sis-

tiert Mit 12 Stunden ist das Kind komatoumls es zeigt keinen Saugreflex und keinen Kornealreflex Mit 26 Stunden ist die Fontanelle vorge-woumllbt und hart Das EEG zeigt am Folgetag eine Nulllinie bei der dopplersonographischen Untersuchung der Hirngefaumlszlige zeigt sich ein Pendelfluss Es wird der Hirntod festgestellt und das Kind extubiert es verstirbt sofortBeurteilung Die Schmerzen der Mutter und das retroplazentare Hauml-matom zeigen eine vorzeitige Loumlsung der Plazenta an Die daraus re-sultierende fetale Hypoperfusion fuumlhrte zu einer irreversiblen Hirn-schaumldigung Eine kindliche Anaumlmie trat nicht auf Die unmittelbare postnatale Symptomatik entspricht der akuten ischaumlmischen Beein-traumlchtigung der Beginn des Komas markiert die Phase des sekundaumlren Energieversagens

753 Geburtstraumatische Schaumlden

kGrundlagenAls geburtstraumatische Schaumlden werden Laumlsionen bezeichnet die durch mechanische Faktoren waumlhrend der Geburt entstanden sind Zumeist liegt eine schwierige Kindesentwicklung vor bedingt durch eine atypische Lage eine Makrosomie bzw ein Missverhaumlltnis zwi-schen Kind und Geburtswegen oder eine verzoumlgerte Austreibung mit Notwendigkeit zur Zangengeburt oder Vakuumextraktion Obwohl Fortschritte in der Geburtshilfe zu einer deutlichen Reduktion von geburtstraumatischen Schaumldigungen gefuumlhrt haben sind sie nicht immer vermeidbar Einige als Geburtstraumata imponierende Laumlsi-onen sind intrauterin lagebedingt durch chronischen Druck ent-standen

Traumata im KopfbereichExtrakranielle traumatische Laumlsionen am Kopf des Neugeborenen sind haumlufig Je nach Ausbreitung in den verschiedenen Schichten zwischen Haut und Kalotte (Haut ndash Galea aponeurotica ndash aumluszligeres Periost der Kalotte) unterscheidet man ( Abb 714) 4 Caput succedaneum Diese weiche eindruumlckbare teilweise

auch haumlmmorrhagische Schwellung bildet sich sehr haumlufig am fuumlhrenden Kopfbereich bei vaginaler Geburt aus und hat kei-nen Krankheitswert Es ist zwischen Haut und Schaumldelaponeu-rose gelegen die Grenzen uumlberschreiten die Schaumldelnaumlhte Eine spontane Ruumlckbildung erfolgt in den ersten Tagen nach der Geburt

4 Subgaleale Blutung Dieses bezeichnet eine Blutansammlung zwischen Galea und Kalotte Die Blutung entsteht durch eine Nahtdiastase oder eine Schaumldelfraktur Klinisch zeigt sich eine fluktuierende Schwellung uumlber dem gesamten Schaumldel die Schaumldelnaumlhte werden uumlberschritten Das Blut kann konfluieren und sich im subkutanen Gewebe des Nackens ansammeln Die subgaleale Blutung tritt haumlufiger bei Vakuumextraktion und bei Vitamin-K-Mangel auf Eine Uumlberpruumlfung des Gerinnungssta-tus ist angezeigt

CaveBei der subgalealen Blutung kann es zu erheblichem Blutverlust kommen oft resultiert eine behandlungsbe-duumlrftige Hyperbilirubinaumlmie

4 Kephalhaumlmatom Diese Blutung bildet sich zwischen dem aumlu-szligeren Periost und dem Schaumldelknochen (subperiostal) aus Aufgrund dieser Lage uumlberschreitet sie nie die Schaumldelnaumlhte Klinisch imponiert eine prall elastische fluktuierende Schwel-lung die zumeist parietal gelegen ist und nach der Geburt zu-naumlchst noch an Groumlszlige zunehmen kann Am Rand ist das abge-6

Kapitel 7 middot Neonatologie142

7

hobene Periost meist palpabel Die Blutung kommt bei 2 aller Geburten vor mit einer Haumlufung bei Forcepsentwicklung Eine Schaumldelfraktur kann begleitend vorliegen Eine Therapie ins-besondere eine Punktion ist nicht indiziert die Blutung bildet sich uumlber Wochen bis Monate spontan zuruumlck Manche Blutun-gen verkalken und bilden eine knoumlcherne Protuberanz die sich ebenfalls langsam zuruumlckbildet

Geburtstraumatische Schaumldelfrakturen koumlnnen als nichtimprimie-rende lineare Frakturen oder als Impressionsfrakturen vorliegen Lineare Frakturen koumlnnen mit einem Kephalhaumlmatom einer subga-lealen Blutung und mit einer epi- oder subduralen Blutung einherge-hen Selten sind die begleitenden Blutungen jedoch schwerer Natur Sie sind meist parietal gelegen eine Therapie ist nicht notwendig

CaveIn Ausnahmefaumlllen kann die Dura unter der Fraktur ein-reiszligen und sich eine leptomeningeale Zyste ausbilden die zu einer Ausweitung des Frakturspaltes fuumlhrt (wachsende Fraktur)

Die Impressionsfraktur besteht in einer Impression des weichen Schaumldels nach innen meist ohne Kontinuitaumltsunterbrechung des Knochens (sog Ping-Pong-Fraktur) Eine begleitende intrakranielle Blutung sollte ausgeschlossen werden In der Regel ist eine neuro-chirurgische Versorgung erforderlich

Intrazerebrale BlutungenIntrazerebrale Haumlmorrhagien (ICH) unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Lokalisation ( Abb 814) ihrer Genese sowie ihres Vorkom-mens bei Fruumlhgeborenen und reifen Neugeborenen Der mit Ab-stand haumlufigste Blutungstyp ist die intrazerebrale Blutung des Fruumlh-geborenen die an typischer Lokalisation im Bereich der periventri-kulaumlren germinalen Matrix oder dem angrenzenden Hirnparenchym auftritt (7 Abschn 766) Hirnblutungen bei reifen Neugeborenen sind selten Nicht alle Blutungen sind traumatischer Genese sie werden aber hier gemeinsam behandelt

Subdurale Blutung Die subdurale Blutung ist in der Regel ge-burtstraumatisch bedingt Praumldisponierende Faktoren sind

4 Makrosomie des Kindes 4 extrem kurze oder stark verlaumlngerte Austreibungsperiode

4 besondere Kindslage (Beckenendlage Fuszliglage Gesichtslage) 4 erschwerte Entwicklung mit notwendiger Zangenentbindung

oder Vakuumextraktion

Bei massiven Formen kommt es zum Einriss des Tentoriums mit meist letaler Blutung aus den groszligen Blutleitern Geringere Trauma-ta des Tentoriums koumlnnen zur Ansammlung von Blut in der hinteren Schaumldelgrube fuumlhren die Symptome sind abhaumlngig vom Ausmaszlig der Blutansammlung Eine weitere traumatisch bedingte Schaumldigung ist der Abriss der Bruumlckenvenen uumlber der Hirnkonvexitaumlt mit sub-duraler Blutansammlung Diese kann symptomlos bleiben oder aber mit meist fokalen neurologischen Symptomen in den ersten Lebens-tagen verbunden sein Dabei werden fokale Krampfanfaumllle eine dis-krete Hemisymptomatik oder Blickdeviation in Richtung des Herdes beobachtet Die Diagnose kann mithilfe des Ultraschalls nicht im-mer gestellt werden Eine nichtentdeckte subdurale Blutung kann spaumlter zu einem chronischen subduralen Erguss mit Makrozepha-lie und Hirndrucksymptomatik fuumlhren Bei klinischem Verdacht sollte daher immer eine weitergehende Diagnostik (CT MRT) durchgefuumlhrt werden Bei raumfordernden Befunden ist eine opera-tive Entlastung notwendig

Weitere Lokalisationen Andere traumatisch bedingte Blutungen koumlnnen epidural (zwischen Schaumldel und innerem Periost) intraven-trikulaumlr und intrazerebellaumlr lokalisiert sein In seltenen Faumlllen koumlnnen subarachnoidale Blutungen auch eine hypoxische Genese aufweisen Die Klinik wird von der Ausdehnung des Befundes be-stimmt Subarachnoidale Blutungen sind oft klinisch inapparent und mithilfe des Ultraschalls praktisch nicht zu diagnostizieren Da Erythrozyten im Liquor moumlglicherweise auch durch eine raquotraumati-schelaquo Lumbalpunktion bedingt sind kann ein niedriger Glukose-wert im Liquor (oft unter 30 mgdl Normalwert ca 75 des simul-tan bestimmten Blutzuckerwerts) oder eine Erythrophagozytose ein Hinweis fuumlr eine subarachnoidale Blutung sein Die anderen ge-nannten Blutungen zeigen in der Regel deutliche klinische Sympto-me in Form von Hyperexzitabilitaumlt Stupor Apnoen Krampfanfaumlllen oder einer gespannten Fontanelle Als bildgebende Diagnostik ist bei nicht eindeutigen sonographischen Befunden immer ein CT oder MRT indiziert

Gerinnungsstoumlrungen Stoumlrungen der Blutgerinnung koumlnnen so-wohl prauml- als auch postnatal zu Hirnblutungen beim Neugeborenen fuumlhren Die Ursachen sind eine dissiminierte intravasale Gerinnung bei Schock oder Sepsis Thrombozytopenien (neonatale Isoimmun-thrombozytopenie Thrombozytopenie bei kongenitalen Infektio-nen insbesondere Cytomegalie) oder in seltenen Faumlllen ein isolierter Mangel an einzelnen Gerinnungsfaktoren Der Morbus haumlmorrha-gicus neonatorum bedingt durch einen Vitamin-K-Mangel fuumlhrt in der Neugeborenenzeit nur dann zu einer Hirnblutung wenn er mit anderen Faktoren assoziiert ist (schwere kongenitale Lebererkran-kung maternale antikonvulsive Therapie)

Verletzungen der Hirnnerven des Ruumlckenmarks und der peripheren NervenHirnnervenlaumlsionen Bei einer Fazialisparese zeigt sich ein schiefes Gesicht beim Schreien der Mundwinkel wird auf der gesunden Seite tiefer heruntergezogen In Ruhe haumlngt eher die erkrankte Seite etwas herab die Nasolabialfalte ist verstrichen Bei der meist vorliegenden peripheren Fazialisparese kommt es aufgrund einer Schaumldigung direkt nach dem Austritt aus dem Foramen stylomastoideum zu einer Funktionsstoumlrung sowohl der oberen als auch der unteren Ge-sichtsmuskeln In der Regel findet sich in Ruhe eine Lidspaltendiffe-

Abb 714 Lokalisation geburtstraumatischer extra- und intrakranieller Blutungen 1 Caput succedaneum 2 subgaleale Blutung 3 Kephalhaumlmatom (subperiostal auszligen) 4 epidurale Blutung (subperiostal innen) 5 subdurale Blutung

714375 middot Perinatale Schaumlden und ihre Folgen

renz ( Abb 715) Im Gegensatz dazu sind bei einer zentralen Ge-sichtsnervenlaumlhmung Bewegungen der Stirn und der Augenlider nicht beeintraumlchtigt Ursache der peripheren Laumlhmung kann eine Druckschaumldigung bei Forcepsentwicklung sein Weiterhin kann die Laumlhmung aufgrund einer intrauterin lagebedingten Kompression durch das muumltterliche Promontorium zustande kommen Therapeu-tisch muss bei einer peripheren Fazialisparese die Austrocknung des Auges verhindert werden Traumatische Schaumldigungen bilden sich in der Regel uumlber einige Wochen zuruumlck

gt Die Fazialisparese kann mit dem raquoschiefen Schreigesichtlaquo verwechselt werden

Beim schiefen Schreigesicht wird ausschlieszliglich beim Schreien der Mund auf einer Seite stark herabgezogen Andere Funktionen der Gesichtsmuskulatur wie Stirnrunzeln Augenschluss und Tiefe der Nasolabialfalte sind normal Ursaumlchlich liegt der Anormalie eine Hypoplasie des M depressor anguli oris zugrunde

Plexusschaumlden Die Inzidenz von Verletzungen des Plexus brachia-lis liegt zwischen 05 und 2 pro 1000 Geburten Die obere Plexuslaumlh-mung (Erb-Duchenne) wird am haumlufigsten beobachtet und betrifft die Fasern von C5 und C6 Alle Formen der Nervenlaumlsion koumlnnen vorliegen von Neuropraxie (Schaumldigung der Reizleitung durch Haumlmatom oder Oumldem der Nervenscheide) bis voumllliger Disruption des gesamten Plexusbuumlndels Mit der Entstehung von Plexusschaumlden verbundene Faktoren sind prolongierte Geburt Schulterdystokie Makrosomie abnorme Kindslage und Zeichen fetaler Beeintraumlchti-gung mit niedrigen Apgar-Werten Klinisch faumlllt zunaumlchst ein fehlen-der Moro-Reflex sowie eine Hypomotorik des betroffenen Armes auf Die charakteristische Haltung besteht in einem herabhaumlngenden Arm der in Adduktion und Innenrotation gehalten wird sowie einer Pronationshaltung der Hand Die Motorik der Hand ist ungestoumlrt der Greifreflex kann ausgeloumlst werden ( Abb 716)

gt Die typische Haltung bei oberer Plexuslaumlhmung mit herabhaumlngendem nach innen rotiertem Arm sowie der nach auszligen und oben gerichteten offenen Handflaumlche wird im englischen Schrifttum als raquoWaiterrsquos-Tip-Haltunglaquo bezeichnet

Die physiotherapeutische Behandlung besteht in einer initialen Ruhigstellung des betroffenen Armes Nach der ersten Woche erfolgt eine passive Bewegung der betroffenen Gelenke in allen Freiheits-graden Die Prognose haumlngt ab von der Schwere der Schaumldigung In den meisten Faumlllen kommt es zu einer kompletten Restitutio Je schneller diese Erholung erfolgt umso vollstaumlndiger ist die funktio-nelle Wiederherstellung Wenn es im Alter von 3 Monaten noch nicht zu einer spontanen Erholung gekommen ist sollte eine Vor-stellung in einer mit diesem Krankheitsbild vertrauten neurochirur-gischen Einrichtung erfolgen

Die untere Plexuslaumlhmung betrifft C8 und Th1Sie ist isoliert sehr selten und kommt eher in Kombination mit der oberen Laumlh-mung als komplette Plexuslaumlhmung vor Klinisch imponiert eine Laumlhmung der kleinen Handmuskeln und der Flexoren im Hand-gelenk Der Greifreflex ist nicht ausloumlsbar Aufgrund der beglei-tenden Schaumldigung von sympathischen Fasern in Th1 wird oft ein Horner-Syndrom mit Ptosis Miosis und Enophthalmus be obachtet

Akute schwere Ruumlckenmarkverletzungen Diese werden nach ex-zessiver Rotations- oder Zugbelastung der Wirbelsaumlule vor allem bei Beckenendlagen und Forzepsextraktionen beobachtet Die klinische Symptomatologie die dem Bild eines spinalen Schocks entspricht haumlngt von der Houmlhe der Ruumlckenmarksverletzung ab Am haumlufigsten treten die Verletzungen im Hals- und Brustwirbelbereich auf Bei Einblutungen in das Ruumlckenmark (Haumlmatomyelie) kann eine schwe-re generalisierte Laumlhmung vorhanden sein

Abb 715 Vermutlich traumatisch bedingte periphere Fazialisparese rechts

Abb 716 Neugeborenes mit oberer Plexusparese links Zustand nach Schulterdystokie

Kapitel 7 middot Neonatologie144

7

Weichteil- Knochen- und OrganlaumlsionenPetechien und Ekchymosen auf der Haut Sie treten haumlufig an den fuumlhrenden Teilen und bedingt durch venoumlse Kongestion waumlhrend des Geburtsvorganges auf Insbesondere das Gesicht kann aufgrund petechialer Blutungen raquozyanotischlaquo imponieren Blutungen finden sich ebenfalls haumlufig subkonjunktival Das Fehlen einer Blutungsbe-reitschaft an anderen Stellen und die typische Lokalisation unter-scheiden den Befund von einer Koagulopathie

Kongenitaler Tortikollis Der angeborene Schiefhals besteht in ei-ner Kontraktur des M sternocleidomastoideus mit resultierender Drehung des Kopfes zur Laumlsionsseite und Schraumlgstellung des Gesich-tes mit Drehung des Kinns von der Seite weg Er wurde lange als geburtstraumatische Laumlsion angesehen bedingt durch ein Haumlmatom des M sternocleidomastoideus mit subsequenter Fibrose Alle Be-funde sprechen jedoch dafuumlr dass diese Kontraktur durch eine intrauterine lagebedingte Zwangshaltung entstanden ist Die Behandlung ist physiotherapeutisch

Frakturen Die haumlufigste geburtstraumatische Fraktur ist die Klavi-kulafraktur In den meisten Faumlllen liegt eine Gruumlnholzfraktur vor und das Kind zeigt nach der Geburt keine Symptome Bei der Erst-untersuchung wird die Fraktur manchmal nicht erkannt und faumlllt erst bei der Folgeuntersuchung als tastbarer Kallus auf Frakturen mit deutlichen Dislokationen koumlnnen nach der Geburt zu Schonhal-tung und Schmerzen bei der Armbewegung fuumlhren Bei der Unter-suchung laumlsst sich eine Krepitation tasten der Moro-Reflex ist nicht seitengleich ausloumlsbar Eine Roumlntgenuntersuchung ist nur bei klini-schen Symptomen indiziert Die Prognose ist gut Kallus bildet sich bereits nach 7ndash10 Tagen Frakturen der Roumlhrenknochen (Humerus-fraktur Femurfraktur) koumlnnen ebenfalls geburtstraumatisch be-dingt sein Klinisch fallen Schmerzen Krepitation Schwellung und Bewegungsarmut auf Eine Schonhaltung des Arms mit Schwellung im Oberarm-Schulterbereich findet sich bei der akuten Osteoepi-physenloumlsung des Humeruskopfes sie ist klinisch schwer von der oberen Plexuslaumlhmung abzugrenzen Die Diagnose ist in der Regel durch eine Ultraschalluntersuchung zu stellen im Zweifel muss eine radiologische Untersuchung erfolgen

Intraabdominale Verletzungen Die Nebennierenblutung ist rela-tiv haumlufig Sie wird oft im Rahmen einer perinatalen Asphyxie beo-bachtet kann aber auch traumatisch bedingt sein Klinisch faumlllt sie auf durch eine tastbare abdominelle Resistenz einer Anaumlmie in den ersten Lebenstagen oder bei einer Ultraschalluntersuchung des Ab-domens im Rahmen einer Asphyxiediagnostik Die Blutung kann ein- oder beidseitig sein Bei bilateralen Laumlsionen sollte die Neben-nierenfunktion der Blutzucker und Blutdruck uumlberpruumlft werden

gt Differenzialdiagnostisch ist ein zystisches Neuroblastom auszuschlieszligen (Katecholaminbestimmung im Urin)

Die Blutung liquefiziert im weiteren Verlauf und kann spaumlter kalzi-fizieren Die Erkrankung erfordert auszliger bei massiven bilateralen Befunden mit Nebenniereninsuffizienzzeichen keine Behandlung die Prognose ist gut

Subkutane Fettgewebsnekrose Fuumlr die Entwicklung dieses Krankheitsbildes ist offenbar eine Kombination von verminderter Hautperfusion im Rahmen einer fetalen Hypoxie mit einem lokalen Trauma verantwortlich Arme Beine Gesaumlszlig Ruumlcken und Gesicht sind bevorzugt betroffen Klinisch findet sich eine in den ersten Lebenstagen auftretende unregelmaumlszligig begrenzte leicht erhabene derbe Schwellung mit Hautroumltung Im Verlauf werden die Ver-

aumlnderungen weicher und loumlsen sich auf selten resultiert eine lokale Atrophie Pathologisch liegt eine perivaskulaumlre Inflammation der Subkutis vor gefolgt von Nekrose und Ausbildung eines Granu-loms Diese Granulomzellen sind offenbar in der Lage extrarenal 125-Dihydroxyvitamin D zu produzieren das zu einer Hyper-kalzaumlmie fuumlhren kann

Cave3ndash6 Wochen nach Ausbildung einer subkutanen Fett-gewebsnekrose kann sich eine ausgepraumlgte Hyper-kalzaumlmie mit klinischen Symptomen (Erbrechen Somnolenz) entwickeln Entsprechende laborchemische Kontrollen sind erforderlich

76 Das Fruumlhgeborene

kEpidemiologieUngefaumlhr 65 aller Geburten erfolgen vor der vollendeten 37 Schwangerschaftswoche etwa 15 der Kinder sind sehr kleine Fruumlhgeborene (Geburtsgewicht lt1500 g Gestationsalter lt32 vollen-dete Gestationswochen)

kAumltiologieDie Fruumlhgeburtlichkeit traumlgt als wesentlicher Faktor zur peri- und neonatalen Sterblichkeit bei Die Ursachen der Fruumlhgeburtlichkeit lassen sich nur bei einem Teil der Patienten eruieren 4 vorzeitige Wehen 4 vorzeitiger Blasensprung 4 Amnioninfektionssyndrom 4 Mehrlingsschwangerschaften 4 akute Plazentaloumlsung 4 muumltterliche Erkrankungen wie EPH-Gestose

kPrognoseDie Uumlberlebenschance Fruumlhgeborener mit einem Geburtsgewicht lt1500 g hat sich im letzten Jahrzehnt deutlich verbessert Waumlhrend in den fruumlhen 1970er Jahren nur 15ndash40 dieser Risikopatienten die Neonatalperiode uumlberlebten ist 10 Jahre spaumlter die Uumlberlebensrate Fruumlhgeborener auf gt90 angestiegen Die Spaumltprognose ist aller-dings immer noch Anlass zur Besorgnis Zum Zeitpunkt der Ein-schulung weisen 6ndash12 der Fruumlhgeborenen mit einem Geburtsge-wicht zwischen 500ndash1500 g die in den 1990er Jahren geboren wur-den schwere Behinderungen auf Hier werden in verschiedenen Follow-up-Studien Zerebralparesen bei 2ndash9 zum Teil schwerste Sehbehinderungen bei 2ndash18 und Houmlrbehinderungen bei 2ndash14 der Hochrisikofruumlhgeborenen berichtet Partielle Leistungsschwauml-chen und Schulschwierigkeiten wurden bei mehr als 13 der Kinder beobachtet Erste Nachuntersuchungsergebnisse die bei Hochrisi-kofruumlhgeborenen der letzten 10 Jahre durchgefuumlhrt wurden berich-ten erfreulicherweise von einer Abnahme der neurologischen Spaumlt-folgen

Die guumlnstigere Prognose ist zu einem groszligen Teil auf die Ver-besserung der Betreuung und des perinatalen Managements von Risikoschwangeren sowie die Fortschritte der neonatalen Inten-sivmedizin zuruumlckzufuumlhren

kKlinikDas Grundproblem sehr kleiner Fruumlhgeborener bleibt jedoch beste-hen die Unreife von Organsystemen und -funktionen die postnatal zu einer Reihe von akuten Erkrankungen und chronischen pulmo-nalen und neurologischen Folgeschaumlden fuumlhren koumlnnen

714576 middot Das Fruumlhgeborene

4 Atemnotsyndrom chronische Lungenerkrankung broncho-pulmonale Dysplasie

4 intrazerebrale Blutung periventrikulaumlre Leukomalazie 4 persistierender Ductus arteriosus 4 Apnoe Bradykardie 4 nekrotisierende Enterokolitis 4 erhoumlhte Infektionsdisposition nosokomiale Sepsis 4 Hypothermie Hypoglykaumlmie 4 Fruumlhgeborenenretinopathie Taubheit 4 psychomotorische Retardierung neurologische Schaumldigung

In den letzten Jahren gibt es eine zunehmende Anzahl von experi-mentellen Untersuchungen sowie klinischen Beobachtungen und Studien die eine Assoziation zwischen maternaler Chorioamnioni-tis und dem Auftreten einer bronchopulmonalen Dysplasie sowie Hirnblutungen bzw periventrikulaumlrer Leukomalazie nahelegen Eine Chorioamnionitis laumlsst sich bei mehr als 50 aller sehr unreifer Fruumlhgeborener in der Vorgeschichte nachweisen Vermutlich fuumlhrt die im Rahmen einer Chorioamnionitis beschriebene intrauterine Zytokinexposition des Feten zu einer Inflammationsreaktion in der kindlichen Lunge sowie zu einer ersten Schaumldigung der unreifen vaskulaumlren Endothelstrukturen dem sog raquofirst hitlaquo ( Abb 717) Treten unmittelbar nach der Geburt weitere schicksalshafte oder auch vermeidbare Ereignisse auf die zu einer Veraumlnderung der zere-bralen Durchblutung und Fluktuationen des zerebralen Blutflusses fuumlhren so kann eine Hirnblutung oder Minderperfusion vulnerabler Gehirnstrukturen auftreten Die intrauterine pulmonale Inflamma-tionsreaktion wird durch postnatale Sauerstofftoxizitaumlt Baro-Volu-trauma sowie Infektionen verstaumlrkt und kann in eine bronchopul-monale Dysplasie einmuumlnden

Maumlnnliche Fruumlhgeborene und Mehrlinge haben allerdings eine geringere Uumlberlebenschance als weibliche Risikopatienten bzw Ein-zelgeborene gleichen Gestationsalters

kManagementFuumlr eine optimale Betreuung von Risikofruumlhgeborenen muumlssen eine Reihe von Bedingungen erfuumlllt sein Risikoschwangere und Fruumlhge-borene sollten nur in personell und technisch optimal ausgestatteten Perinatalzentren betreut werden Ein In-utero-Transport eines ge-faumlhrdeten Fruumlhgeborenen ist mit ungleich geringeren Risiken ver-bunden als eine postnatale Verlegung Die Inzidenz von bleibenden Behinderungen ist ndash wie in vielen Studien belegt ndash bei einer Behand-lung in Perinatalzentren deutlich geringer als in kleinen Kinder-kliniken die uumlber eine geringere Erfahrung in der Behandlung der Patienten undoder eine unzureichende personelle bzw apparative Ausstattung verfuumlgen

gt Bei einer drohenden Geburt vor der 34 Gestationswoche ist unter maximaler tokolytischer Therapie und kritischer Indikationsstellung eine Lungenreifungsbehandlung mit Betamethason oder Dexamethason durchzufuumlhren

Die Geburt dieser Risikopatienten sollte so atraumatisch wie moumlg-lich erfolgen Durch eine schonende Spontangeburt scheint die Kom-plikationsrate insbesondere zerebraler Schaumldigungen nicht erhoumlht zu sein Eine primaumlre Sectio caesarea ist in jedem Fall bei Kindern mit Beckenendlage drohender intrauteriner Asphyxie Verdacht auf Am-nioninfektionssyndrom sowie jedweder Form relevanter muumltterli-cher und kindlicher Pathologie indiziert Waumlhrend der muumltterlichen Anaumlsthesie muss eine intrauterine und postnatale Depression des Kindes unbedingt vermieden werden Dies setzt eine enge Abstim-mung von Anaumlsthesieverfahren chirurgischem Vorgehen und un-mittelbar postnataler Versorgung der Fruumlhgeborenen voraus

Nach der Erstversorgung der Fruumlhgeborenen im Kreiszligsaal er-folgt die weitere zeit- und personalaufwaumlndige Behandlung und Pfle-ge der Kinder auf einer neonatologischen Intensivstation Die therapeutischen Maszlignahmen zielen auf eine Stabilisierung und Kor-rektur von postnatal einsetzenden Organstoumlrungen ab Da Fruumlhge-borene nicht in der Lage sind die Koumlrpertemperatur selbststaumlndig aufrecht zu erhalten werden die Kinder in einem Inkubator oder in speziellen Waumlrmeeinheiten gepflegt die Temperatur wird den Be-duumlrfnissen der Patienten (thermoneutrale Temperatur ausreichende Luftfeuchtigkeit) angepasst Zur Uumlberwachung der Fruumlhgeborenen werden EKG- und Atmungsmonitore eingesetzt in Abhaumlngigkeit vom postnatalen Verlauf (maschinelle Beatmung Sauerstoffthera-pie) erfolgt eine kontinuierliche transkutane Messung des O2- und CO2-Partialdrucks eine kontinuierliche Pulsoxymetrie repetitive Blutgasanalysen Blutdruckmessungen u a Sehr kleine Fruumlhgebore-ne werden haumlufig parenteral (zentrale Katheter) undoder mithilfe einer Magensonde ernaumlhrt

Das Risiko an einer nosokomialen Sepsis und lokalen noso-komialen Infektionen zu erkranken ist hoch in einigen Perinatal-zentren erkranken bis zu 25 der Hochrisikopatienten an einer Sepsis Die psychische Bindung zwischen Mutter und Fruumlhgebore-nem bzw zwischen Vater und Fruumlhgeborenem soll auch bei be-atmeten aber respiratorisch und zirkulatorisch stabilen Kindern so fruumlh wie moumlglich erfolgen Die sog Kaumlnguru-Methode wird von den meisten Fruumlhgeborenen auszligerordentlich gut toleriert ( Abb 718)

Abb 717 Maternale Chorioamnionitis und intrauterine Zytokinexposi-tion des Feten Proinflammatorische Zytokine wie Tumornekrosefaktor-α (TNF-α) und die Interleukine 1 6 8 (IL-1 IL-6 IL-8) die im Rahmen einer Chorioamnionitis in das Fruchtwasser gelangen koumlnnen bereits intrauterin eine pulmonale Entzuumlndungsreaktion des Feten ausloumlsen Dieses Ereignis ist vermutlich ein bedeutender Risikofaktor fuumlr die Entwicklung einer bron-chopulmonalen Dysplasie Daruumlber hinaus kann eine Chorioamnionitis eine systemische fetale Entzuumlndungsreaktion induzieren die mit einem erhoumlh-ten Risiko fuumlr zerebrale Schaumldigungen assoziiert ist

Kapitel 7 middot Neonatologie146

7

761 Das Atemnotsyndrom Fruumlhgeborener

Die Surfactantsubstitution stellt einen entscheidenden Durchbruch in der Behandlung des Atemnotsyndroms Fruumlhgeborener dar Durch diese kausale Therapiemaszlignahme konnten die akuten pulmonalen Komplikationen beatmeter Fruumlhgeborener um 23 reduziert werden und die Sterblichkeit von Fruumlhgeborenen mit Atemnotsyndrom nahezu halbiert werden

kEpidemiologieDas Atemnotsyndrom Fruumlhgeborener (RDS raquorespiratory distress syndromelaquo syn hyalines Membranensyndrom) stellte vor Einfuumlh-rung der Surfactantsubstitution die haumlufigste Todesursache der Neonatalperiode dar Ungefaumlhr 1 aller Neugeborenen erkranken an einem RDS Die Inzidenz steigt mit abnehmendem Gestationsal-ter bis zu 60 der Fruumlhgeborenen lt30 Gestationswoche entwickeln ein RDS

kPathogeneseWesentliche Ursache des RDS ist der Mangel eines pulmonalen ober-flaumlchenaktiven Surfactantsystems das die Oberflaumlchenspannung der Alveolen vermindert und somit zur Stabilitaumlt des Alveolarsys-tems beitraumlgt es beugt einem Alveolarkollaps in der Exspiration vor (Surfactant raquosurface active agentlaquo) Surfactant das in Pneumozy-ten vom Typ II gebildet und in den Alveolarraum sezerniert wird besteht uumlberwiegend aus verschiedenen Phospholipiden

Bei Patienten mit RDS ist die Surfactant-Hauptkomponente Dipalmitoylphosphatidylcholin (Lecithin) quantitativ vermindert

Phosphatidylcholin fehlt vollstaumlndig Da eine staumlndige Sekretion von Surfactant in das Fruchtwasser stattfindet kann durch eine Bestimmung des LS-Quotienten (LecithinSphingomyelin) die Lungenreife von Fruumlhgeborenen abgeschaumltzt werden Der Sphingo-myelingehalt im Fruchtwasser bleibt im Verlauf der Schwangerschaft konstant Ein LS-Quotient von gt21 weist auf ein ausgereiftes Sur-factantsystem hin

Neben Phospholipiden enthaumllt Surfactant Apoproteine unter-schiedlichen Molekulargewichts (SP raquosurfactant proteinlaquo) Waumlh-rend die hochmolekularen Apoproteine (SP-A) vermutlich die zellulaumlre Sekretion und Wiederaufnahme der Phospholipide regulie-ren sowie lokale Abwehrfunktionen gegen verschiedenste mikro-bielle Erreger uumlbernehmen (SP-A SP-D) kommt den hydrophoben niedermolekularen Apoproteinen (SP-B SP-C) eine besondere funktionelle Bedeutung zu sie verbessern die Absorption und Aus-breitung der Surfactantphospholipide

Die Surfactantdefizienz wird typischerweise durch eine postna-tal einsetzende intraalveolaumlre Akkumulation von Plasmaproteinen kompliziert die nach Schaumldigung des Alveolarepithels und Kapilla-rendothels die Alveoli auskleiden und die Surfactantwirkung direkt inhibieren (hyaline Membranen Abb 719)

Eine ausreichende Surfactantsynthese besteht in der Regel von der 35 Gestationswoche an Eine verzoumlgerte Lungenreifung koumln-nen Kinder diabetischer Muumltter Neugeborene mit Asphyxie oder schwerer Erythroblastose aufweisen Eine beschleunigte Lungen-reifung wird bei Praumleklampsie und Wachstumsretardierung bei intrauterinem Stress durch vorzeitigen Blasensprung (2ndash7 Tage) und durch ein muumltterliches Amnioninfektionssyndrom beobachtet

kPathophysiologieBei einem Surfactantmangel entwickeln sich in den Lungen der Fruumlhgeborenen unmittelbar nach der Geburt zunehmende diffuse Atelektasen die alveolaumlre Minderbeluumlftung fuumlhrt zu einer Hypoxauml-mieHypoxie und zu einem Anstieg des CO2-Partialdruckes Die Folgen sind eine systemische Hypotension und Vasokonstriktion der pulmonalen Gefaumlszlige die eine pulmonale Minderperfusion so-wie eine Ausbildung intrapulmonaler Shunts und eines Rechts-links-Shunts auf Vorhofebene (Foramen ovale) bzw uumlber den Ductus arteriosus nach sich ziehen Der pulmonale Metabolismus

Abb 718 Direkter Koumlrper- und Blickkontakt zwischen Vater und Kind im Rahmen der Kaumlnguru-Methode Fruumlhgeborenes der 25 Gestationswoche 660 g Geburtsgewicht Spontangeburt mittelschweres Atemnotsyndrom und transitorische chronische Lungenerkrankung ohne weitere Komplika-tionen hier im Alter von 6 Lebenswochen

Abb 719 Histologie des Atemnotsyndroms Fruumlhgeborener ausgedehn-te Atelektasen in den wenigen uumlberblaumlhten Alveolen typische hyaline Membranen aus verschiedenen Proteinen Fibrin und zellulaumlrem Detritus (Pfeile rosa gefaumlrbte hyaline Membranen)

714776 middot Das Fruumlhgeborene

wird erheblich eingeschraumlnkt Sowohl Azidose Hypoxie und der veraumlnderte Lungenstoffwechsel inhibieren die postnatal einsetzende De-novo-Synthese von Surfactant In Abb 720 ist der Circulus vitiosus des Atemnotsyndroms dargestellt

kKlinikKlinische Symptome treten unmittelbar nach der Geburt oder in-nerhalb der ersten 3ndash4 Stunden post partum auf 4 Tachypnoe gt60min 4 Nasenfluumlgeln 4 exspiratorisches Stoumlhnen 4 sternale und interkostale Einziehungen 4 abgeschwaumlchtes Atemgeraumlusch 4 Mikrozirkulationsstoumlrungen blass-graues Hautkolorit 4 Temperaturinstabilitaumlt 4 evtl Zyanose (bei insuffizienter Behandlung)

Bei der roumlntgenologischen Untersuchung des Thorax finden sich typische Veraumlnderungen unter zunehmender Verdichtung des Lun-genparenchyms mit Ausloumlschung der Herz- und Zwerchfellkonturen entwickelt sich eine so genannte raquoweiszlige Lungelaquo ( Abb 721)

CaveEine neonatale Infektion mit β-haumlmolysierenden Streptokokken der Gruppe B kann sich unter klinischen und radiologischen Zeichen eines RDS manifestieren

kKomplikationenIm Verlauf der Erkrankung koumlnnen folgende Komplikationen auf-treten 4 extraalveolaumlre Luftansammlung pulmonales interstitielles Em-

physem 4 Pneumothorax 4 Pneumomediastinum 4 Pneumoperitoneum 4 Pneumoperikard

Als Folge der Lungenunreife der Langzeitbeatmung und Sauerstoff-toxizitaumlt in der Einatmungsluft kann sich bei Risikopatienten eine chronische Lungenerkrankung die bronchopulmonale Dysplasie (BPD) entwickeln

kSymptomatische TherapieDie Therapie des RDS wird vom Schweregrad der pulmonalen Er-krankung bestimmt 4 Bei leichtem RDS Nasen-CPAP (raquocontinuous positive airway

pressurelaquo uumlber einen binasalen CPAP) 4 Bei deutlicher Ventilations- und Oxygenierungsstoumlrung in-

termittierende oder kontrollierte maschinelle Beatmung der Patienten uumlber einen trachealen Tubus

4 Uumlberwachung kontinuierliche transkutane Messung des pO2 und pCO2 kontinuierliche Pulsoxymetrie regelmaumlszligige Blut-gasanalysen engmaschige Blutdruckkontrollen evtl Plasma- bzw Bluttransfusionen u a Maszlignahmen

gt Das Grundprinzip besteht im raquominimal handlinglaquo einer moumlglichst geringen Belastung des Fruumlhgeborenen durch diagnostische und therapeutische Maszlignahmen

kSurfactantsubstitutionstherapieIn den letzten 20 Jahren ist mit der Substitution mit natuumlrlichem und synthetischem Surfactant als kausaler Therapie ein entscheidender Fortschritt in der Behandlung des Atemnotsyndroms Fruumlhgebore-ner erzielt worden

Natuumlrliche Surfactantpraumlparate werden durch Lavage von Kaumllber- und Rinderlungen (Alveofact Infasurf) oder Homogenisie-rung von Rinderlungen (Surfactant-TA Survanta) oder Schweine-lungen (Curosurf) extrahiert oder aber wurden fuumlr klinische Studien aus dem menschlichen Fruchtwasser isoliert Die Praumlparate enthal-ten die Apoproteine SP-B und SP-C (ca 1) sie unterscheiden sich aber in der Zusammensetzung der Phospholipidfraktionen der Konzentration und dem Applikationsvolumen

Synthetische Surfactantpraumlparate sind apoproteinfrei Wie in randomisierten Studien belegt wurde uumlberlebten mehr Fruumlhge-borene mit RDS die ein natuumlrliches Surfactantpraumlparat erhielten synthetische Surfactantpraumlparate stehen zur Zeit nicht mehr zur Ver-fuumlgung

Effekte der Surfactantsubstitution Unmittelbar nach intratrache-aler Applikation natuumlrlicher Surfactantpraumlparate konnte bei Fruumlh-geborenen mit manifestem RDS in allen kontrollierten Studien eine ndash wenn auch recht unterschiedliche ndash Verbesserung der Oxigenie-rung und der Beatmungssituation erzielt werden

Abb 720 Circulus vitiosus des Surfactantmangels

Abb 721 Radiologische Veraumlnderungen bei schwerem Atemnotsyn-drom verdichtetes Lungenparenchym Ausloumlschung von Zwerchfell- und Herzkonturen sog raquoweiszlige Lungelaquo

Kapitel 7 middot Neonatologie148

7 Sowohl nach prophylaktischer als auch therapeutischer Surfactantgabe konnte die Pneumothoraxinzidenz um 50ndash70 und die Sterblichkeit um ca 40 reduziert werden Alle anderen akuten und chronischen mit Atemnotsyndrom assoziierten Komplikationen wurden durch eine Surfactanttherapie nicht be-einflusst

Neuere Untersuchungen weisen darauf hin dass eine Surfactant-behandlung in der fruumlhen Phase des Atemnotsyndroms einer Therapie in einer spaumlteren Erkrankungsphase uumlberlegen ist Beson-ders Fruumlhgeborene lt28 Gestationswochen profitieren von einer prophylaktischen oder sehr fruumlhen Surfactantapplikation Wie Me-taanalysen belegen fuumlhrt eine Surfactantsubstitution innerhalb von 15 min nach der Geburt zu einer geringen Auspraumlgung des Atemnotsyndroms zu einer reduzierten Inzidenz der BPD und einer geringen Sterblichkeit in dieser Altersgruppe

Empfehlungen zur postnatalen Surfactantbehandlung 4 Moumlglichst fruumlhzeitige Behandlung im Kreiszligsaal fuumlr sehr

unreife Fruumlhgeborene lt28 Gestationswochen 4 Fruumlhe Surfactantsubstitution bei Fruumlhgeborenen

lt32 Gestationswochen mit klinischen Zeichen des raquorespiratory distress syndromelaquo maschineller Beatmung und O2-Bedarf gt40

4 Spaumltere Behandlung bei etwas raquoreiferenlaquo Fruumlhgebore-nen mit RDS maschineller Beatmung und einem O2-Bedarf gt50ndash60

4 Initialdosis fuumlr die prophylaktische Behandlung mit natuumlrlichen Surfactantpraumlparaten ca 100 mgkg KG bei manifestem RDS 100 bis maximal 200 mgkg KG

4 Innerhalb von 48 h wiederholte Surfactantgaben bei er-neutem O2-Anstieg gt30 und maschineller Beatmung (kumulative Dosis 400 mgkg KG)

4 Unabhaumlngig von der Art der Surfactantpraumlparation muss der behandelnde Kinderarzt mit allen Aspekten der Surfactantapplikation der maschinellen Beatmung sowie allen anderen Maszlignahmen der neonatologischen Intensivmedizin vertraut sein

Surfactant-raquoNonresponderlaquo Eine Reihe von Grunderkrankungen koumlnnen den Effekt einer Surfactanttherapie negativ beeinflussen So muss bei Fruumlhgeborenen mit struktureller Lungenunreife oder Lungenhypoplasie z B nach laumlngerem vorzeitigem Blasensprung sowie bei Kindern mit konnataler und neonataler Pneumonie mit einem fehlenden oder deutlich geringeren Therapieerfolg gerechnet werden Aber auch die perinatale Hypoxie Hypothermie und nicht

zuletzt die systemische Hypotension haben unmittelbaren Einfluss auf die initiale Wirksamkeit der Surfactantbehandlung

Eine nur transitorische Verbesserung der Oxygenierung und des Gasaustauschs wird bei Fruumlhgeborenen beobachtet die im Rahmen eines haumlmodynamisch signifikanten persistierenden Ductus arterio-sus ein intraalveolaumlres Oumldem entwickeln

Nebenwirkungen Unmittelbare Nebenwirkungen einer Behand-lung mit natuumlrlichen Surfactantpraumlparaten sind ndash von Fehlern bei der Anpassung der maschinellen Beatmung abgesehen ndash bisher nicht beschrieben

CaveNach Gabe natuumlrlicher Surfactantpraumlparate kann eine akute Uumlberblaumlhung des Lungenparenchyms (raquoHyperex-pansionlaquo) durch eine ungenuumlgende Anpassung des Beat-mungsdrucks zu ernsthaften Ventilations- und Zirkula-tionsproblemen der behandelten Kinder fuumlhren

Eine Sensibilisierung gegen tierische im Surfactant enthaltende Apoproteine wurde bei keinem Patienten beschrieben In Nachun-tersuchungen von Kindern die mit natuumlrlichen oder synthetischen Praumlparaten behandelt worden waren konnte kein Unterschied in der somatischen oder neurologischen Entwicklung im Vergleich zu un-behandelten Kontrollpatienten festgestellt werden Eine gehaumlufte Infektanfaumllligkeit oder gar ein Auftreten einer chronischen Slow-virus-Infektion wurde nach Behandlung mit natuumlrlichen Surfactant-praumlparaten auch nach einer 23-jaumlhrigen Erfahrung mit diesem neuen Therapieprinzip bisher nicht beobachtet

Andere Indikationen fuumlr eine Surfactanttherapie Neben dem neonatalen Atemnotsyndrom ist eine Surfactantbehandlung auch bei Erkrankungen vorstellbar in deren Verlauf ein sekundaumlrer Surfactantmangel auftritt Zurzeit laufende kontrollierte randomi-sierte Studien evaluieren den Einfluss einer Surfactantbehandlung bei konnataler Pneumonie Mekoniumaspirationssyndrom und Zwerchfellhernie

kPraumlventionDie sog Lungenreifungsbehandlung durch Betamethason oder Dexamethason kann die Inzidenz und den Schweregrad des RDS Fruumlhgeborener durch eine Enzyminduktion vermindern Betame-thason sollte der Schwangeren moumlglichst 48 h vor der Geburt ver-abreicht werden Praumlnatale Kortikosteroide in Kombination mit der postnatalen Surfactantherapie (natuumlrliches Surfactant) reduzieren die Sterblichkeit sowie die Inzidenz pulmonaler sowie extrapulmo-naler Komplikationen (Hirnblutung) Allerdings ist von einer repe-

Exkurs

Surfactantsubstitution ndash ein Meilenstein in der Neonatalmedizin

1959 konnten Avery und Mead Boston bei verstorbenen Fruumlhgeborenen erstmals bele-gen dass das hyaline Membranensyndrom mit dem Mangel des oberflaumlchenaktiven Materials assoziiert war 1967 gelang es Rufer Goumlttin-gen die mechanischen Eigenschaften surfac-tantdepletierter isolierter Tierlungen durch in-trabronchiale Instillation einer oberflaumlchenak-tiven Substanz zu verbessern ein Jahr spaumlter konnte er diesen positiven Effekt einer Surfac-tantwirkung an isolierten Lungen Fruumlhgebore-

ner erbringen die an einem Atemnotsyndrom verstorben waren Enhorning und Robertson Toronto bzw Stockholm publizierten 1972 die vielbeachteten Ergebnisse einer Surfactant-substitutionstherapie bei beatmeten fruumlhge-borenen Kaninchen 1980 berichteten Fujiwara et al Akita erstmals von Fruumlhgeborenen mit manifestem Atemnotsyndrom die nach intrat-rachealer Applikation eines Rindersurfactants deutliche Veraumlnderungen des pulmonalen Gasaustausches zeigten In der folgenden

Dekade wurde die klinische Wirksamkeit der Surfactantbehandlung in sorgfaumlltig geplanten multizentrisch kontrollierten undoder rando-misierten Studien eindrucksvoll belegt welt-weit wurden mehr als 10000 Fruumlhgeborene mit verschiedensten Surfactantpraumlparationen behandelt Die Surfactantsubstitution ist da-mit die am besten untersuchte Therapie der Neonatalmedizin

714976 middot Das Fruumlhgeborene

titiven Gabe die noch in juumlngster Vergangenheit in 8- bis 10-taumlgigen Abstaumlnden bis zum Zeitpunkt der Geburt erfolgte abzuraten Es gibt ernst zu nehmende Hinweise dass die Entwicklung des fetalen Ge-hirns durch diese Strategie beeintraumlchtigt wird

Als weiterer bedeutsamer Faktor in der Praumlvention des RDS ist eine schonende Geburtseinleitung und optimale primaumlre Reani-mation der Risikokinder anzusehen

Der besondere FallAnamnese Nach unauffaumllligem Schwangerschaftsverlauf treten bei einer 24-jaumlhrigen Zweitgebaumlrenden in der 29 Gestationswoche ploumltz-lich vorzeitige Wehen auf dazu rasche Muttermundseroumlffnung unauf-faumllliges kindliches CTG Trotz sofortigen Beginns einer tokolytischen (wehenhemmenden) Therapie erfolgt nach einmaliger Kortisongabe die Spontangeburt wenige Stunden nach stationaumlrer AufnahmeBefund und Erstversorgung Weibliches Fruumlhgeborenes der 29 Ge-stationswoche Geburtsgewicht 1060 g vital Wegen unregelmaumlszligiger Atmung wird nach kurzzeitiger Maskenbeatmung mit 40 O2 ein stabiler klinischer Zustand erreicht mit O2-Saumlttigung von 92 Nach 45 min zeigt sich eine zunehmende Tachypnoe (Atemfrequenz um 70min) raquostoumlhnendelaquo Atmung und beginnende jugulaumlre und inter-kostale Einziehungen Darauf folgt die endotracheale IntubationVerlauf Unter maschineller intermittierender Beatmung nimmt der O2-Bedarf weiter zu im Alter von 3 h unter 80 inspiratorischem O2-Gehalt normale Saumlttigung Ventilation und systemischer BlutdruckRoumlntgenthorax Diffuse feingranulaumlre Verdichtung des Lungenparen-chyms mit beginnender Ausloumlschung des Herzrandes RDS Grad IIITherapie Nach intratrachealer Applikation eines natuumlrlichen Surfac-tantpraumlparats (100 mg Phospholipidekg KG asymp125 ml Fluumlssigkeitkg KG) kann innerhalb weniger Minuten eine Reduktion des inspirato-rischen O2-Gehaltes auf 30 erfolgen Etwa 30 min spaumlter faumlllt dann eine rasch progrediente Verschlechterung der Oxygenierung und der Ventilationssituation auf (inspiratorische O2-Konzentration 100 pCO2 65 mmHg) Radiologisch zeigte die Lunge eine massive Uumlber-blaumlhung mit geringer Gefaumlszligzeichnung Durch drastische Senkung des inspiratorischen Spitzendrucks und Atemwegmitteldrucks normalisiert sich die Beatmungssituation der kindliche Zustands stabilisiert sich Die Extubation erfolgt am 5 Lebenstag Im weiteren Verlauf treten keine pulmonalen und zerebralen Komplikationen (Hirnblutung) nach Atemnotsyndrom auf die Entlassung eines gesunden ehemaligen Fruumlhgeborenen erfolgt in der 10 Lebenswoche bei einem Gewicht von 2560 gBeurteilung Typisches mittelschweres durch Surfactantmangel be-dingtes Atemnotsyndrom erfolgreiche Surfactantsubstitutionsbe-handlung Durch die unterlassene Reduktion des Beatmungsdrucks nach Surfactantapplikation iatrogene Uumlberblaumlhung des Lungenparen-chyms mit schwerer Ventilations- und Oxygenierungsstoumlrung sowie Drosselung der pulmonalen Perfusion

762 Persistierender Ductus arteriosus (PDA)

gt Ein haumlmodynamisch wirksamer persistierender Ductus arteriosus stellt das haumlufigste kardiovaskulaumlre Problem Fruumlhgeborener dar

kPathogenese PathophysiologieBei reifen Neugeborenen setzt mit ansteigenden O2-Partialdrucken nach der Geburt eine Konstriktion des Ductus arteriosus und ein konsekutiver Verschluss ein Der Ductus arteriosus Fruumlhgeborener reagiert schwaumlcher auf die postnatalen Kontraktionsreize Wesent-liche Faktoren duumlrften die unreife Muskulatur des Ductus und der

persistierende vasodilatatorische Effekt hoher Prostaglandinkon-zentrationen (PGE2) bei Fruumlhgeborenen sein Bei ausbleibendem Ductusverschluss entwickelt sich in der akuten Phase des RDS ein Shunt zwischen pulmonaler und systemischer Zirkulation (Rechts-links-Shunt)

Mit Ruumlckbildung des RDS sinkt der pulmonale Gefaumlszligwiderstand ab In dieser Phase kann sich ein haumlmodynamisch signifikanter Links-rechts-Shunt uumlber den PDA entwickeln Die Folge ist eine akute pulmonale Uumlberflutung mit haumlmorrhagischem Lungenoumldem und akuter kardialer Insuffizienz Die Beatmungssituation der Pati-enten verschlechtert sich akut durch Intensivierung der Beatmung und Erhoumlhung der inspiratorischen O2-Konzentration nimmt die Lungenschaumldigung zu (bronchopulmonale Dysplasie) Auch bei pro-trahierter Manifestation eines PDA koumlnnen u a ein interstitielles Lungenoumldem und Veraumlnderungen der Organperfusion (Nieren Magen-Darm-Trakt) auftreten

kKlinikEin PDA manifestiert sich haumlufig zwischen dem 3 und 5 Lebenstag 4 praumlkordiale Hyperaktivitaumlt 4 systolisches Herzgeraumlusch gelegentlich kontinuierlich 4 Pulsus celer et altus (raquospringende Pulselaquo) Tachykardie 4 Verschlechterung der Beatmungssituation evtl feinblasige

Rasselgeraumlusche 4 evtl Hepatomegalie 4 renale Ausscheidungsprobleme 4 Zirkulationsstoumlrungen

CaveEtwa 20 der Fruumlhgeborenen mit haumlmodynamisch signi-fikantem persistierendem Ductus arteriosus haben kein Herzgeraumlusch

Die klinische Verdachtsdiagnose wird durch die Roumlntgenthoraxauf-nahme die 2-dimensionale Echokardiographie und den direkten Shuntnachweis mithilfe der Dopplertechnik und Farbdopplerver-fahren bestaumltigt

kTherapieDie wesentlichen Therapieprinzipien des symptomatischen PDA sind 4 Fluumlssigkeitsrestriktion 4 Prostaglandinsynthesehemmer (Indometacin Ibuprofen) 4 operativer PDA-Verschluss

Durch die Hemmung der Prostaglandinsynthese wird der gefaumlszliger-weiternde Effekt von Prostaglandin E2 antagonisiert Kontraindika-tionen der Indometacinbehandlung sind Thrombozytopenie Serumkreatinin gt18 mgdl und Oligurie Etwa 40 aller Indometa-cinbehandelten Fruumlhgeborenen sprechen auf diese konservative Be-handlung nicht an

763 Wilson-Mikity-Syndrom

kDefinitionDiese chronisch-respiratorische Erkrankung kann auch bei nicht beatmeten Fruumlhgeborenen mit einem Gestationsalter von weniger als 32 Gestationswochen im postnatalen Alter von 10ndash14 Tagen auf-treten Die Kinder haben in der Regel keine oder nur eine milde Atemnotsymptomatik waumlhrend der ersten Lebenstage Der radiolo-gische Befund ist durch diffuse zystisch erscheinende Areale charakterisiert die besonders in den oberen Lungenpartien auf-

Kapitel 7 middot Neonatologie150

7

treten sollen Bei dieser chronisch-pulmonalen Erkrankung duumlrfte es sich um eine der moumlglichen Verlaufsformen der raquobonchopulmo-nalen Dysplasie (BPD)laquo Fruumlhgeborener handeln

kEpidemiologieDie Inzidenz des Wilson-Mikity-Syndroms ist nicht bekannt da eine eindeutig klinische und radiologische Abgrenzung von der raquoBPDlaquo nicht moumlglich ist

kPathogeneseWegweisende Untersuchungen zu pathogenetischen Mechanismen dieser chronischen Lungenerkrankung liegen nicht vor Eine erhoumlh-te Inzidenz von maternaler Chorioamnionitis bei Fruumlhgeborenen mit Wilson-Mikity-Syndrom duumlrfte auf eine moumlgliche Rolle von in-trauterinen bzw prauml- und postnatalen Infektionen hinweisen (s Pathogenese der BPD) Bei japanischen Fruumlhgeborenen mit Wilson-Mikity-Syndrom wurden erhoumlhte Gesamtkonzentrationen des Serumimmunglobulin M sowie erhoumlhte Aktivitaumlten der Granu-lozytenelastase im Tracheobronchialsekret nachgewiesen Es ist vor-stellbar dass das bei der BPD vorhandene pulmonale Entzuumlndungs-geschehen durch verschiedenste Infektionserreger ausgeloumlst oder aggraviert wird

kKlinikDie betroffenen Fruumlhgeborenen entwickeln um den 10ndash14 Lebens-tag langsam progrediente Zeichen der Atemnot (Tachypnoe Dys-pnoe etc) und oftmals einen erhoumlhten O2-Bedarf Die Luftnotsym-ptomatik kann uumlber mehrere Wochen und selten auch uumlber mehrere Monate anhalten

CaveDurch suboptimale O2-Saumlttigung und erniedrigten O2-Partialdruck kann sich eine persistierende pulmonale Hypertonie entwickeln

kTherapieUnter optimalen supportiven Maszlignahmen (7 Abschn 764 Thera-pie) sollte diese Erkrankung in der Regel ohne Folgen ausheilen

764 Bronchopulmonale Dysplasie

kGrundlagen1967 beschrieb Northway erstmalig eine Gruppe von Fruumlhge-borenen die nach maschineller Beatmung wegen eines Atemnot-syndroms keine Besserung der Lungenfunktion zeigten Die Kinder blieben uumlber lange Zeit respiratorabhaumlngig oder verstarben unter der Beatmung Diese vorher nicht beobachtete chronische Lun-genkrankheit wurde als bronchopulmonale Dysplasie (BPD) be-zeichnet

kPathogeneseDie BPD ist eine chronische Lungenkrankheit Fruumlhgeborener Grund-voraussetzung fuumlr die Entstehung ist die Unreife der Lunge welche sowohl die anatomischen Strukturen als auch funktionelle Systeme wie das Surfactantsystem betrifft In der Fruumlhphase liegt eine pulmo-nale Inflammationsreaktion vor die durch ein maschinelles Beat-mungstrauma die Sauerstofftoxizitaumlt in der Einatmungsluft oder eine praumlnatale Infektion im Rahmen einer Chorioamnionitis ausgeloumlst

Abb 722 Moumlgliche pathogenetische Sequenz der bronchopulmonalen Dysplasie

715176 middot Das Fruumlhgeborene

wird Eine postnatale Infektion ist ebenfalls in der Lage eine pulmo-nale Entzuumlndung zu induzieren Folge ist zunaumlchst ein interstitielles und alveolaumlres Oumldem Bei anhaltender Exposition gegenuumlber den No-xen wird der normale Gewebsreparaturprozess in der Lunge gestoumlrt es kommt zur Ausbildung einer Fibrose und eines Lungenemphy-sems ( Abb 722 und Abb 723) Moumlglicherweise beeinflusst die Inflammationsreaktion die physiologische Sequenz des Lungen-wachstums Die Folge ist eine abnorme Lungenent wicklung mit einer Beeintraumlchtigung der Alveolarisierung und der Vaskularisierung

gt Fuumlr die Entwicklung einer bronchopulmonalen Dysplasie ist haumlufig ein Atemnotsyndrom in den ersten Lebenstagen verantwortlich es ist aber keine unbedingte Vorausset-zung ein Teil sehr unreifer Fruumlhgeborener entwickelt eine BPD auch bei initial scheinbar gesunder Lunge

kPathophysiologieDie Lungenfunktion ist durch ein niedriges Lungenvolumen sowie eine erniedrigte Compliance charakterisiert Entwickelt sich in der Folge ein erhoumlhter Atemwegswiderstand so liegt eine Kombination von obstruktiver und restriktiver Ventilationsstoumlrung vor Atelek-tasen und Emphysem fuumlhren zu einer Stoumlrung der Relation zwischen alveolaumlrer Ventilation und Perfusion Der resultierende intrapulmo-nale Rechts-links-Shunt ist die Ursache fuumlr die Hypoxaumlmie bzw den Sauerstoffbedarf Aufgrund der Gefaumlszligrarefizierung und einer Mediahypertrophie entwickelt sich bei fortgeschrittenem Krank-heitsbild ein pulmonaler Hypertonus

kKlinikFruumlhgeborene mit einer BPD zeigen folgende Charakteristika und klinische Symptome

4 Langzeitbeatmung schwierige Entwoumlhnung von der maschi-nellen Beatmung

4 nach der Extubation eine persistierende Atemnot mit an-haltendem Sauerstoffbedarf sternalen und kostalen Ein-ziehungen und Tachypnoe

4 Kardiopulmonale Instabilitaumlt mit Neigung zu haumlufigen O2-Saumlttigungsabfaumlllen und Bradykardien

4 Typisches radiologisches Bild fleckig-steifige roumlntgendichte Veraumlnderungen in Abwechslung mit Regionen erhoumlhter Strah-lentransparenz oder zystisch-emphysematoumlsen Bereichen ( Abb 724)

4 Auf Grund der erhoumlhten Atemarbeit Gedeihstoumlrung

kDiagnoseDer Schweregrad der BPD wird durch Sauerstoffbedarf bzw Beat-mungsform zu bestimmten Zeitpunkten definiert ( Tab 79)

kPraumlventionPrinzipiell ist die Praumlvention der BPD das erste Behandlungsziel

Allgemeine Maszlignahmen zur Praumlvention der bronchopulmonalen Dysplasie

4 Praumlnatale Steroidbehandlung 4 Fruumlhzeitige Surfactanttherapie bei Atemnotsyndrom 4 Fruumlhzeitige Behandlung eines klinisch relevanten

persistierenden Ductus arteriosus 4 Vermeidung einer Fluumlssigkeitsuumlberladung 4 Niedrigste moumlgliche Beatmungsunterstuumltzung

und Sauerstoffgabe zur Aufrechterhaltung eines ausreichenden Gasaustausches

4 Falls moumlglich Vermeidung einer maschinellen Beatmung

4 Bei Beatmung fruumlhzeitige Extubation und CPAP- Behandlung

4 Gewaumlhrleistung einer ausreichenden Ernaumlhrung (parenteralenteral) sowie Versorgung mit Spuren-elementen und Vitaminen (Vitamin A)

Abb 723 Histologie der bronchopulmonalen Dysplasie diffuse Atelekta-sen sowie ausgepraumlgte emphysematoumlse Bezirke verbreitertes Interstitium

Abb 724 Radiologischer Befund einer bronchopulmonale Dysplasie Neben fibrotisch verdichteten und atelektatischen Arealen ( ) finden sich uumlberblaumlhte Bezirke ( )

Tab 79 Definition der BPD

Milde BPD O2 mit 28 Tagen Raumluft mit 36 Wochen PMA oder bei Entlassung

Moderate BPD lt30 O2 mit 36 Wochen PMA oder bei Entlassung

Schwere BPD ge30 O2 undoder BeatmungCPAP mit 36 Wochen PMA oder bei Entlassung

PMA postmenstruelles Alter

Kapitel 7 middot Neonatologie152

7

kTherapieWaumlhrend der stationaumlren Behandlung koumlnnen folgende gut belegte Behandlungsmaszlignahmen sinnvoll sein 4 Koffein Offenbar durch Verbesserung der Lungenmechanik

sowie der diuretischen Wirkung fuumlhrt die Behandlung mit Coffein zu einer Senkung der BPD-Rate

4 Steroide Unter einer postnatalen Behandlung Fruumlhgeborener mit Dexamethason kommt es zu einer Verminderung des pul-monalen Wassergehaltes zu einer Verbesserung des Gasaus-tauschs einer Abnahme der pulmonalen Inflammationsreak-tion sowie der mikrovaskulaumlren Permeabilitaumlt der Lunge Die Therapie ermoumlglicht innerhalb von 2ndash5 Tagen bei der Mehrzahl der behandelten beatmeten Patienten eine Extubation Dexame-thason hat bei einer fruumlhen postnatalen Behandlung eine Fuumllle von Nebenwirkungen und unguumlnstigen Langzeiteffekten

gt Da das Risiko fuumlr die Entwicklung einer Zerebralparese bei der Behandlung mit Dexamethason erhoumlht ist darf eine Therapie nur bei schwerer pulmonaler Insuffizienz eines Fruumlhgeborenen erfolgen

4 Inhalative Kortikosteroide wirken nicht prophylaktisch haben jedoch einen Stellenwert bei etablierter BPD

4 Sauerstoff Bei etablierter BPD insbesondere bei schweren Verlaumlufen besteht eine deutliche Mediahypertrophie der Pulmonalgefaumlszlige In dieser Situation sollte Sauerstoff nicht zu niedrig dosiert werden um die Entwicklung bzw Zunahme einer pulmonalen Hypertonie zu vermeiden (SO2 gt92 pO2 gt55 mmHg) Ausreichende Sauerstoffzufuhr ist ebenfalls erforderlich fuumlr eine befriedigende Gewichtszunahme Eine regelmaumlszligige echokardiographische Uumlberwachung zur Beur-teilung des Lungengefaumlszligwiderstandes ist notwendig

kPrognoseIn den meisten Faumlllen kommt es zu einer Reparatur der pulmonalen Veraumlnderungen dieses zeigt sich am Ruumlckgang der Atemnotsymp-tomatik und des Sauerstoffbedarfs Nur wenige Fruumlhgeborene be-noumltigen auch zum Zeitpunkt der Entlassung aus der Klinik noch Sauerstoff und erhalten eine entsprechende haumlusliche Therapie die in der Regel nicht laumlnger als 3ndash6 Monate erforderlich ist Einzelne Kinder lassen sich nicht von der Beatmung entwoumlhnen

Weiterhin haben Kinder mit BPD nicht selten ein hyperreagib-les Bronchialsystem und erkranken innerhalb der ersten 2 Lebens-jahre haumlufig an einer obstruktiven Bronchitis Virale Infektionen insbesondere die RSV-Bronchiolitis koumlnnen bei BPD-Patienten zu einem schwer verlaufenden Krankheitsbild fuumlhren Auffaumllligkeiten der Lungenfunktion (reversible oder fixierte Obstruktionen erhoumlh-tes intrathorakales Gasvolumen) sind bis ins Erwachsenenalter nachweisbar In der Regel sind die Kinder jedoch koumlrperlich spaumlter gut belastbar und in der Lage Sport zu treiben

765 Retinopathia praematurorum

kDefinitionDie Fruumlhgeborenenretinopathie (raquoretinopathy of prematuritylaquo ROP) ist eine multifaktorielle vasoproliferative Netzhauterkran-kung deren Inzidenz und Schweregrad mit zunehmender Unreife zunimmt 10 der Fruumlhgeborenen mit einem Geburtsgewicht lt1750 g aber fast 50 aller Kinder lt1000 g entwickeln irgendeine Form dieser Erkrankung Sie ist die haumlufigste Ursache von Blindheit bei Kindern unter 6 Jahren

kPathogeneseFuumlr die ROP-Entwicklung sind neben der Unreife postnatale Situa-tionen als Risikofaktoren anzusehen die entweder mit einer retina-len Minderperfusion oder einem erhoumlhten retinalen Sauerstoffan-gebot einhergehen 4 Hyperoxie 4 beatmungsbedingte Hypokapnie 4 Hypotension bei Sepsis 4 rezidivierende Apnoen 4 Fluktuationen der Sauerstoffsaumlttigung 4 intraventrikulaumlre Blutung 4 persisitierender Ductus arteriosus 4 Hyperkapnie

Der Schaumldigungsmechanismus setzt vermutlich zum Zeitpunkt der Geburt sehr unreifer Fruumlhgeborener ein ( Abb 725) Bereits die unmittelbare postnatale Exposition gegenuumlber erhoumlhten Sauerstoff-konzentrationen aber auch Raumluft fuumlhrt bei extrem unreifen

Exkurs

Die Geschichte der Fruumlhgeborenenretinopathie

Die Geschichte der Retinopathia praematuro-rum stellt ein erschreckendes Beispiel dar wie dogmatisch getroffene medizinische Entschei-dungen zu menschlichen Katastrophen fuumlhren koumlnnen Seit Beginn der 1940er Jahre wurden viele Fruumlhgeborene mit zusaumltzlichem Sauer-stoff (O2) behandelt die Konzentrationen lagen bei 70 O2 Erst in den 1950er Jahren wurde von australischen Kinderaumlrzten der freizuumlgige Einsatz von O2 als Ursache des epidemieartigen Auftretens der retrolentalen Fibroplasie (= ROP) und damit der Erblindung von relativ raquoreifenlaquo Fruumlhgeborenen identifi-ziert Eines der beruumlhmtesten Opfer ist Stevie Wonder Jahrgang 1950 der in der 34 Gestati-onswoche geboren wurde Aufgrund dieser alamierenden Ergebnisse wurden strenge Therapierichtlinien mit Limitierung der

O2-Gabe auf 40 eingefuumlhrt Die Folge war ein dramatischer Ruumlckgang der ROP Dieses wurde als uumlberzeugender Beweis fuumlr die Richtigkeit der These angesehen dass Sauerstoff in der Tat die einzige notwendige und ausreichende Ursache der retinalen Erkrankung war Jeder Fall von ROP-bedingter Blindheit wurde als Folge einer fehlerhaften Sauerstofftherapie angesehen und hatte entsprechende juristi-sche FolgenIn der Folge stiegen jedoch die Mortalitaumlt und Morbiditaumlt der Fruumlhgeborenen drastisch an Durch Einfuumlhrung intensivmedizinischer Kon-zepte in die Neonatologie mit der Moumlglichkeit der Blutgasanalyse in den 1970er Jahren sank die Mortalitaumlt von Fruumlhgeborenen waumlhrend die ROP-Inzidenz relativ niedrig war Die Sauer-stofftherapie wurde nach dem arteriell gemes-

senen pO2 gesteuert eine Hyperoxie schien so trotz Verabreichung houmlherer Sauerstoffkonzen-trationen vermeidbar Erneut galt die ROP als eine durch iatrogene Uumlberdosierung von O2 verursachte vermeidbare Erkrankung Auf-grund der zunehmenden Uumlberlebensraten sehr unreifer Fruumlhgeborener kam es in den 1980er Jahren jedoch zu einer deutlichen Wiederzu-nahme der Erkrankung sodass von einer neu-en 2 Epidemie gesprochen wurde Es wurde nun jedoch klar dass die ROP eine multikausa-le Erkrankung war die ihre Hauptursache in der Unreife der Fruumlhgeborenen hat Waumlhrend die Inzidenz der schweren ROP in den meisten westlichen Laumlndern erfreulicherweise ruumlck-laumlufig ist erkranken gerade in den Schwellen-laumlndern wieder relativ reife Fruumlhgeborene an dieser bedrohlichen Retinopathie

715376 middot Das Fruumlhgeborene

Fruumlhgeborenen zu einer relativen Hyperoxie der Retina Dadurch wird ein wichtiger Wachstumsfaktor fuumlr die Gefaumlszligentwicklung der Netzhaut VEGF (raquovascular endothelial growth factorlaquo) herabregu-liert Niedrige Konzentrationen von VEGF fuumlhren zu Arretierung des Gefaumlszligwachstums und zu einer retinalen Vasoobliteration Mit zunehmendem Wachstum der neuralen retinalen Strukturen steigt der metabolische Bedarf der Netzhaut an es entsteht eine relative Gewebshypoxie Hierzu koumlnnen auch die genannten Risikofaktoren beitragen die zu einer retinalen Minderperfusion fuumlhren In dieser Phase induziert die Gewebshypoxie eine massive Uumlberproduktion von angiogenetischen Faktoren wie VEGF als Konsequenz resultiert eine abnorme Neovaskularisierung von retinalen Gefaumlszligen Die Ge-faumlszlige wachsen in den Glaskoumlrper ein aufgrund einer vermehrten Permeabilitaumlt kann es zu Blutungen und Oumldembildung kommen

CaveDurch narbige Traktion kann die Retina an der das vaskulaumlr-fibrotische Gewebe anheftet abgehoben werden

kKlinikWaumlhrend der ROP-Entwicklung zeigen die Fruumlhgeborenen keine typischen klinischen Symptome Aus diesem Grund sind regel-maumlszligige ophthalmologische Kontrolluntersuchungen zwingend notwendig Der Zeitpunkt des Auftretens haumlngt von der retinalen Gefaumlszligentwicklung und somit vom postkonzeptionellen Alter ab Die ersten Veraumlnderungen treten in der Regel in der 34 Woche auf und die ersten Gefaumlszligproliferationen in der 36 Woche

gt Um eine Retinopathie nicht zu uumlbersehen sollte die Erst-untersuchung bei Fruumlhgeborenen mit einem Geburtsge-wicht (GG) lt1000 g im Alter von 6 Wochen oder in der 32 Woche pc erfolgen bei Fruumlhgeborenen mit einem GG zwischen 1000ndash1500 g im Alter von 4 Wochen

Kontrolluntersuchungen werden je nach Befund alle 7ndash14 Tage oder in kuumlrzeren Abstaumlnden durchgefuumlhrt Die letzte Untersuchung er-folgt nach Abschluss der Netzhautvaskularisierung

kKlassifizierungIn die internationale Klassifizierung der ROP (ICROP 1984) geht ein dass die Erkrankung umso schwerer ist je weiter posterior (d h zentral) und je ausgedehnter (d h Anzahl der betroffenen Sektoren)

die Laumlsionen sind Dann folgt die Beurteilung des Schweregrades an der Grenzlinie zwischen vaskularisierter und avaskulaumlrer Retina sowie das Vorhandensein zusaumltzlicher aggravierender Zeichen (raquoplus diseaselaquo) 4 Lokalisation Zone 1ndash3 von zentral nach peripher 4 Ausdehnung Angabe von betroffenen 30deg-Sektoren (12 Stuumlck)

als Uhrzeiten mit Sehnerv als Mittelpunkt 4 Schweregrad

5 Grad 1 duumlnne weiszlige Demarkationslinie zwischen vasku-larisierter und avaskulaumlrer Netzhaut 5 Grad 2 erhabene rosagefaumlrbte Proliferationsleiste 5 Grad 3 extraretinale fibrovaskulaumlre Proliferationen ( Abb 726) 5 Grad 4 partielle Netzhautabloumlsung der Raum zwischen Netzhaut und Aderhaut fuumlllt sich mit seroumlser Fluumlssigkeit 5 Grad 5 komplette Netzhautabloumlsung

4 Plus Disease Auftreten vermehrter Gefaumlszligdilatation und -schlaumlngelung (Tortuositas)

kVerlauf PrognoseDie meisten Kinder mit Erkrankungen des Stadiums 1 und 2 zeigen eine Regression In Stadium 3 haumlngt die Prognose von der Ausdeh-nung des Befundes ab im Stadium 4 insbesondere bei Beteiligung der Makula ist die Prognose sehr schlecht Das Risiko fuumlr eine Er-blindung betraumlgt bei Fruumlhgeborenen unter 750 g 5ndash9 unter 1000 g 2 und uumlber 1000 g 01 Die ROP erhoumlht das Risiko der Kinder fuumlr Myopie Strabismus und andere Visusprobleme

kPraumlvention TherapieEine sicher wirksame Praumlvention der ROP besteht nicht Notwendig ist die Uumlberwachung der Sauerstoffzufuhr Dieses erfolgt bei kleinen Fruumlhgeborenen vorzugsweise uumlber den transkutan gemes senen pO2 anzustreben ist ein pO2 50ndash70 mmHg Die pulsoxi metrisch gemesse-ne Sauerstoffsaumlttigung sollte bei allen Fruumlhge borenen die einen zu-saumltzlichen Sauerstoffbedarf haben zwischen 90 ndash 95 liegen

Therapeutisch wird uumlberwiegend die Lasertherapie seltener eine Kryotherapie angewendet Ziel der Photokoagulation oder Kryotherapie ist die Zerstoumlrung von Gefaumlszligproliferationen und des angiogenem Granulationsgewebe Die Behandlung vermindert die Wahrscheinlichkeit eines Visusverlustes um uumlber 50 Zur Zeit wird in kontrollierten klinischen Studien der Einsatz einer anti-VEGF-

Abb 725 Entstehungsmechanismus der Fruumlhgeborenenretinopathie

Abb 726 Retinopathia praematurorum Stadium III auf der rechten Seite vaskularisierte Netzhaut mit erweiterten Gefaumlszligen die in eine breite Proliferationsleiste uumlbergehen Peripher der Leiste Blutung im Bereich der avaskulaumlren Netzhaut (weiszlige Punkte sind Spiegelungsartefakte)

Kapitel 7 middot Neonatologie154

7

Therapie untersucht Erste Daten bei schwersten Verlaufsformen der ROP lassen hoffen dass sich die therapeutischen Moumlglichkeiten in der Zukunft verbessern werden

766 Hirnblutungen des Fruumlhgeborenen

767 Germinale Matrixblutung des Fruumlhgeborenen

kNeuropathologie und zerebrovaskulaumlre ArchitekturDie typische Hirnblutung Fruumlhgeborener entsteht in der germinalen Matrix einer subventrikulaumlr gelegenen Zone uumlber dem Kopf des Nucleus caudatus Von der germinalen Matrix wandern zerebrale Neuroblasten ab der 10ndash20 Gestationswoche auf die Hirnober-flaumlche aus gefolgt von den Glioblasten nach der 20 Woche Das Matrixgewebe nimmt mit zunehmender Schwangerschaftsdauer an Ausdehnung ab um die 34ndash36 Schwangerschaftswoche kommt es zu einer Involution Es ist sehr zellreich von gelatinoumlser Konsistenz und reich vaskularisiert Den Gefaumlszligen fehlen Charakteristika von Arteriolen und Venolen sie werden als unreifes vaskulaumlres Netz beschrieben Die V terminalis verlaumluft innerhalb der germinalen Matrix

kGradeinteilung nach AusdehnungNach einer Endothellaumlsion im Bereich der germinalen Matrix kann eine Blutung entstehen die subependymal begrenzt bleiben kann oder in das Ventrikelsystem ausdehnen kann (subependymale

Haumlmorrhagie Grad 1 intraventrikulaumlre Haumlmorrhagie Grad 2) Bei intraventrikulaumlrer Ansammlung groszliger Mengen an Blut mit deut licher Dilatation des Ventrikels liegt eine Grad-3-Blutung vor Groumlszligere Ventrikelblutungen behindern den Abfluss aus der Vena terminalis und koumlnnen zu einer Obstruktion mit resulti-erendem haumlmorrhagischen venoumlsen Infarkt fuumlhren Abb 727) Bei einer Ventrikelblutung ist der begleitende Infarkt in der Regel einseitig auf der Seite der ausgedehnteren Blutung zu finden ( Abb 728)

Exkurs

Intrazerebrale Blutung Fruumlhgeborener

Die intrazerebrale Blutung ist eine typische und haumlufige Komplikation Inzidenz und Schweregrad sind direkt abhaumlngig von der Un-reife der Fruumlhgeborenen Innerhalb der letzten Jahre ist die Haumlufigkeit der Hirnblutungen bei Fruumlhgeborenen mit einem Geburtsgewicht lt1500 g insgesamt zuruumlckgegangen Da zur gleichen Zeit die Mortalitaumlt der Fruumlhgeborenen ebenfalls stark abgenommen hat spiegelt die-

ses die erheblich gestiegene Qualitaumlt der neonatalen Versorgung wider Somit gilt eine niedrige Mortalitaumlt in Verbindung mit einer niedrigen Hirnblutungsrate bei Fruumlhgeborenen mit sehr niedrigem Geburtsgewicht als Quali-taumltsmaszligstab einer neonatalen VersorgungUntersuchungen der letzten 6ndash8 Jahre haben jedoch gezeigt dass trotz anhaltend sinkender Mortalitaumltsziffern die Rate der Hirnblutungen

in der Gruppe sehr unreifer Fruumlhgeborener nicht weiter abgenommen hat Dieses beruht darauf dass heute vermehrt extrem unreife Kinder aus der 24-26 Schwangerschaftswo-che uumlberleben Bei diesen Kindern haumlngt das Risiko einer Hirnblutung offenbar mehr von praumlnatalen und unreifeassoziierten Faktoren als von einer weiteren Verbesserung der post-natalen Versorgungsqualitaumlt ab

Abb 727 Schwere intraventrikulaumlre Hirnblutung mit Ventrikeldilatation beidseits sowie rechtsseitige massive intraparenchymatoumlse Blutung

Abb 728a b Intraventrikulaumlre Blutungen a Intraventrikulaumlre dem Plexus aufsitzende Blutung die sich bereits in Aufloumlsung befindet (Schaumldelsonographie Laumlngsschnitt Pfeil) b Sonographischer Befund nach Aufloumlsung der intraventrikulaumlren Blutung nachweisbar ist nur noch eine leichte Erweiterung des Ventrikels

a

b

715576 middot Das Fruumlhgeborene

kKomplikationenBei einer intraventikulaumlrer Blutung kann es zu einer Behinderung des Liquorabflusses oder der Liquorresorption kommen Die resul-tierende Ventrikeldilatation kann sich spontan zuruumlckbilden persis-tieren oder progressiv weiterentwickeln Ein solcher posthaumlmorrha-gischer Hydrozephalus mit Druckentwicklung muss neurochirur-gisch entlastet werden

kPathogeneseFuumlr die Entstehung einer Hirnblutung sind neben der Unreife des vaskulaumlren Gefaumlszlignetzes verschiedene Faktoren von Bedeutung ( Abb 729)

4 postnatale Faktoren Hypo- und Hypertension Hypoxie Ischauml-mie Azidose maschinelle Beatmung Pneumothorax PDA Sepsis Gerinnungsstoumlrungen Volumenexpansion u a

4 perinatale Faktoren Zytokinexposition bei Chorioamnionitis intrauterine Hypoxie

Aufgrund der Gefaumlszligarchitektur liegt eine gesteigerte Vulnerabilitaumlt der Mikrovaskulatur im Bereich der germinalen Matrix sowohl bei Hypotension und bei Hypertension vor Eine zerebrale Hyperper-fusion kann zu einer mechanischen Ruptur der Matrixgefaumlszlige fuumlhren ( Abb 729) Eine zerebrale Hypoperfusion eine Azidose oder Hypoxie fuumlhrt zu einer ischaumlmie-induzierten Laumlsion der Matrixge-faumlszlige Bei einer Chorioamnionitis sind proinflammatorische Zytoki-ne in der fetalen und neonatalen Zirkulation offenbar in der Lage die Gefaumlszlige der germinalen Matrix zu schaumldigen und dadurch eine Hirnblutung zu induzieren Neben einer gestoumlrten Perfusion auf der arteriellen Seite ist ein erhoumlhter venoumlser Druck in der V terminalis ebenfalls von Bedeutung Beatmete Kinder haben ein houmlheres Risiko fuumlr eine Hirnblutung insbesondere bei Entwicklung eines Pneumo-thorax ( Abb 729)

gt Durch Fortschritte in der neonatologischen Intensiv-therapie sind die beschriebenen postnatalen Ursachen der Hirnblutungsgenese in den Hintergrund geruumlckt Perinatale Faktoren haben eine zunehmende Bedeutung erlangt

kKlinikSchwere intraventrikulaumlre und intraparenchymatose Hirnblutungen (Grad 3 und 4) fuumlhren bei sehr kleinen Fruumlhgeborenen praktisch immer zu mehr oder weniger ausgepraumlgten klinischen Symptomen 4 ploumltzliche Aumlnderung der Hautperfusion raquoseptisches Aussehenlaquo

mit blass-grauem oder marmoriertem Hautkolorit und verzouml-gerter Kapillarfuumlllungszeit

4 ploumltzliche Aumlnderung des respiratorischen Status mit erhoumlhtem Sauerstoffbedarf Apnoen oder erhoumlhtem Ventilationsbedarf bei beatmeten Patienten

4 Instabilitaumlt des Blutdrucks 4 bei massiven Blutungen raquogefuumllltelaquo oder gespannte Fontanelle 4 Krampfanfaumllle 4 Abfall von Haumlmoglobin bzw Haumlmatokrit 4 muskulaumlre Hypotonie und Hypomotorik 4 Temperaturinstabilitaumlt

CaveBei entsprechenden Symptomen gehoumlrt die zerebrale Sonographie zu einer Notfalluntersuchung bei fehlender Blutung muumlssen andere Ursachen fuumlr die Zustandsver-schlechterung gesucht werden

80ndash90 der Hirnblutungen treten innerhalb der ersten 48 h nach der Geburt auf

kDiagnoseDie Diagnose wird durch die zerebrale Sonographie gestellt ( Abb 727) eine weitergehende bildgebende Diagnostik ist nicht indiziert Die anfaumlnglich echodichte Blutung wird im Verlauf zuneh-mend echoaumlrmer als Zeichen der Liquefizierung bis sie nicht mehr darstellbar ist Zum Zeitpunkt der Entlassung aus dem Krankenhaus sind bei den meisten Fruumlhgeborenen nach Hirnblutungen vom Grad 1 oder 2 keine Residuen nachweisbar Bei ca 30 der Patienten mit Ventrikelblutung kommt es zu einer Ventrikeldilatation (s un-ten) venoumlse Infarkte im Parenchymbereich hinterlassen eine poren-zephale Zyste

kTherapie PraumlventionEine kausale Therapie der intrazerebralen Blutung gibt es nicht

Abb 729 Pathogenetische Faktoren die an der Entstehung der periventrikulaumlren und intraventrikulaumlren Hirnblutung beteiligt sind

Kapitel 7 middot Neonatologie156

7

Ziel der symptomatischen Therapie ist es die Kreislauffunktion Hirnperfusion und Beatmungssituation zu stabilisieren und Fluktua-tionen der Organdurchblutung zu vermeiden Ein hoher Qualitaumlts-standard der neonatalen Versorgung ist Grundvoraussetzung fuumlr die Praumlvention potenziell vermeidbarer Hirnblutungen Diese betrifft das Vorhalten einer ausreichenden Anzahl gut geschulten Personals sowie die Regionalisierung von extrem unreifen Fruumlhgeborenen in speziell ausgestatteten Zentren Die praumlnatale Behandlung mit Glukokortikoiden und ein spaumltes Abnabeln der Kinder sind wohl die am besten belegten praumlventiven Maszlignahmen

kPrognoseDie Prognose der intrazerebralen Blutung haumlngt vor allem vom Vor-handensein einer Parenchymlaumlsion ab Waumlhrend neurologische Fol-geschaumlden bei einer erst- oder zweitgradigen Blutung nur selten auf-treten zeigen ca 13 der Fruumlhgeborenen mit ausgepraumlgter intravent-rikulaumlrer Blutung neurologische Auffaumllligkeiten Die Ausdehnung dieser Parenchymlaumlsion hat jedoch ebenfalls einen Einfluss auf die Prognose Ausgedehnte Laumlsionen mit Beteiligung der frontoparieto-okzipitalen Regionen gehen nahezu immer mit neurologischen Schaumldigungen und einer mentalen Retardierung einher Bei lokali-sierten Blutungen ist die Schaumldigungswahrscheinlichkeit geringer frontal gelegene Blutungen sind prognostisch guumlnstiger als okzipital gelegene

Die typische neurologische Konsequenz der unilateralen Hirn-parenchymblutung ist die spastische Hemiparese Wegen der Naumlhe zum Tractus corticospinalis ist dabei ist die untere Extremitaumlt deut-lich bevorzugt beteiligt (s periventrikulaumlre Leukomalazie)

768 Andere intrazerebrale Blutungen bei Fruumlhgeborenen

Ischaumlmischer und haumlmorrhagischer Infarkt (raquoStrokelaquo)Eine vaskulaumlre Minderperfusion oder Okklusion im Bereich der arteriellen Hirngefaumlszlige hat einen ischaumlmischen Infarkt zur Folge dessen Ausdehnung dem Versorgungsgebiet des betroffenen Ge-faumlszliges entspricht Stroumlmt nach Verschluss eines Arterienastes aus der

Umgebung Blut in die nekrotische Region ein oder liegt ein venoumlser Gefaumlszligverschluss vor so entsteht ein haumlmorrhagischer Infarkt Diese Laumlsionen betreffen sowohl Fruumlh- als auch reife Neugeborene Sie sind zu 90 unilateral mit Bevorzugung der linken Seite und betref-fen vor allem die A cerebri media Als Folge des Infarktes entwickelt sich eine porenzephale Zyste Selten fuumlhren praumlnatale bilaterale Ver-schluumlsse zu einer Hydranenzephalie

Die Diagnose wird durch die zerebrale Ultraschallunter-suchung gestellt Bei einigen Kindern ist bereits intrauterin eine unilaterale porenzephale Zyste nachweisbar andere zeigen zum Zeitpunkt der Geburt einen Infarkt an typischer Stelle im arteriellen Versorgungsgebiet Diese isolierten (d h ohne Ventrikelblutung auftretenden) Parenchymlaumlsionen sollten unbedingt von den oben beschriebenen Hirnblutungen vom Grad 4 unterschieden werden

In einigen Faumlllen entstehen zerebrovaskulaumlre Infarkte postnatal Die Gefaumlszligverschluumlsse koumlnnen durch Thrombose (arteriell oder ve-noumls) Embolien Vasospasmus oder Gefaumlszligfehlbidung bedingt sein haumlufig findet sich jedoch keine fassbare Ursache Infarkte die im Rahmen einer schweren arteriellen Hypotension auftreten finden sich in der Regel nicht im Versorgungsgebiet der A cerebri media

Eine spezifische Therapie ist nicht moumlglich Trotz der manchmal groszligen Ausdehnung des Defekts ist die Prognose unilateraler Ge-faumlszligverschluumlsse meist erstaunlich gut durch Hypotension oder Kreis-laufschock bedingte Infarkte haben in der Regel eine sehr schlechte Prognose

769 Periventrikulaumlre Leukomalazie

kGrundlagen

gt Als periventrikulaumlre Leukomalazie (PVL) wird eine Nekrose mit nachfolgender zystischer Umwandlung der weiszligen Substanz lateral der Seitenventrikel bezeichnet die durch eine Ischaumlmie im Grenzgebiet vaskulaumlrer Versorgungsge-biete entsteht

Es ist eine typische Laumlsion Fruumlhgeborener mit einem Maximum um die 28 Schwangerschaftswoche die Inzidenz betraumlgt bei Fruumlhgebo-renen unter der 32 SSW zwischen 3 und 9 Klinisch fuumlhrt sie haumlu-

Abb 730 Faktoren die an der Pathogenese der PVL beteiligt sind

715776 middot Das Fruumlhgeborene

fig zum Bild der spastischen Diplegie Die Diagnose wird durch die zerebrale Ultraschalluntersuchung gestellt

kNeuropathologie und zerebrovaskulaumlre ArchitekturDie pathologischen Veraumlnderungen der PVL bestehen aus einer fokalen periventrikulaumlren Nekrose sowie einer diffusen Laumlsion der umgebenden weiszligen Substanz ( Abb 730) Der fokalen immer symmetrischen bilateralen Laumlsion liegt eine ischaumlmiebedingte Nekrose zugrunde die sich innerhalb von 2ndash4 Wochen in Zysten umwandeln Durch Proliferation von Astrozyten bilden sich diese zystischen Veraumlnderungen innerhalb einiger Monate zuruumlck Diffu-ser Oligodendrogliaverlust Beeintraumlchtigung der Myelinisierung und Proliferation von Astroglia koumlnnen zu einer Verminderung des Volumens der weiszligen Substanz fuumlhren daraus resultiert als Spaumlt-folge eine Dilatation der Seitenventrikel

Die Hauptorte der fokalen Nekrose liegen in der weiszligen Subs-tanz in Houmlhe der Foramina Monroi (anterior) sowie im Trigonum-bereich (posterior) In diesem Bereich liegen die Grenzgebiete der vaskulaumlren Versorgung langer penetrierender Arterien von der Hirnoberflaumlche und der Hirnbasis ( Abb 730) Eine Ischaumlmie in diesen so genannten raquoletzten Wiesenlaquo wird als raquoWasserscheidenin-farktlaquo bezeichnet Bei zunehmender Reife aumlndert sich die Blut-versorgung Aus diesem Grunde wird bei reifen Neugeborenen eine PVL nicht mehr beobachtet

kPathogeneseFuumlr die Entstehung der PVL sind folgende Faktoren von Bedeutung ( Abb 730)

4 anatomische Voraussetzungen spezielle zerebrovaskulaumlre Architektur (s oben)

4 Faktoren die zu einer zerebralen Ischaumlmie fuumlhren 4 eine vermehrte Vulnerabilitaumlt der weiszligen Substanz

Eine zerebrale Ischaumlmie kann bei Fruumlhgeborenen durch eine Vielzahl von Faktoren bedingt sein welche praumlnatal perinatal oder postnatal ihren Ursprung haben Praumlnatale und perinatale Ursachen sind zirkulatorische Beeintraumlchtigungen aufgrund maternaler Blutun-gen waumlhrend der Schwangerschaft Plazentaloumlsungen oder Kompli-kationen bei Mehrlingsgraviditaumlt In solchen Faumlllen zeigen sich bei der Ultraschalluntersuchung unmittelbar nach der Geburt bereits periventrikulaumlre Laumlsionen an typischer Lokalisation

Am haumlufigsten entsteht eine PVL in Verbindung mit einer Chorioamnionitis Vermutlich werden Oligodendrozyten im Rah-men einer fetalen Entzuumlndungsreaktion durch proinflammatorische Zytokine und andere entzuumlndliche Mediatoren geschaumldigt Bei Fruumlh-geborenen mit PVL finden sich zum Zeitpunkt der Geburt haumlufig erhoumlhte Serumkonzentrationen an proinflammatorischen Zytoki-nen (TNF α Interleukin-6) die Hochrisikopatienten zeigen jedoch in der Regel keine Infektionssymptome

gt Eine Chorioamnionitis spielt in der Pathogenese der peri-ventrikulaumlren Leukomalazie eine entscheidende Rolle

Im zerebralen Ultraschall laumlsst sich zum Zeitpunkt der Geburt be-reits eine symmetrische periventrikulaumlre Echoverdichtung darstel-len die spaumlter in zystische Veraumlnderungen uumlbergeht ( Abb 731)

Postnatal kann eine PVL bei schweren kardiorespiratorischen Beeintraumlchtigungen auftreten Dazu gehoumlren ein persistierender Ductus arteriosus Blutdruckabfaumllle im Rahmen einer Sepsis oder eine zerebrale Hirnminderdurchblutung aufgrund einer beatmungs-bedingten ausgepraumlgten Hypokapnie oder schwerer Apnoen In sol-chen Faumlllen sind periventrikulaumlre Echoverdichtungen erst spaumlter im Verlauf sonographisch darstellbar

kKlinikIn den meisten Faumlllen von prauml- und perinatal entstandener PVL sind die Kinder asymptomatisch Eine muskulaumlre Hypotonie und Hypo-motorik wird nur bei ausgedehnten Befunden beobachtet und zeigt sich auch bei kranken Fruumlhgeborenen ohne PVL

Die klinischen Spaumltfolgen der PVL sind durch die Lokalisation der Laumlsionen bedingt ( Abb 730) Eine PVL betrifft vorwiegend die untere Extremitaumlt und fuumlhrt zu einer spastischen Diplegie Ein mas-siver Befund mit lateraler Ausdehnung kann auch zu einer Beeintraumlch-tigung der Funktion der oberen Extremitaumlt und des Intellekts fuumlhren

kPraumlventionEine Praumlvention der PVL ist zur Zeit nur bei den postnatal entstan-denen Laumlsionen moumlglich und hier auch oft nur sehr bedingt Sie besteht in der Vermeidung der Hyperventilation bei beatmeten Fruumlhgeborenen sowie der adaumlquaten Therapie einer Hypotension eines PDA oder schwerer Apnoen Eine kausale Praumlvention der Chorioamnionitis-assoziierten PVL gibt es bisher nicht

Der besondere FallAnamnese Ein weibliches Fruumlhgeborenes wurde spontan nach unauf-haltsamer Wehentaumltigkeit in der 29 Gestationswoche mit einem Ge-burtsgewicht von 1360 g geboren Der Blasensprung erfolgte 4 Tage vor der Geburt das Fruchtwasser war klar Die Mutter zeigte keine Er-houmlhung des C-reaktiven Proteins sie hatte kein Fieber Die histologi-sche Untersuchung der Plazenta aber zeigte deutliche Zeichen einer Chorioamnionitis mit massiver leukozytaumlrer Infiltration der EihaumluteBefunde Postnatal zeigte das Fruumlhgeborene eine rasche und gute cardiopulmonale Adaptation Es entwickelte kein Atemnotsyndrom und keinen zusaumltzlichen Sauerstoffbedarf Eine Ultraschalluntersu-chung des Kopfes am 2 Lebenstag zeigte eine deutliche scharf be-grenzte Echoverdichtung beidseits frontal und lateral der Seitenventri-kel Eine Echoverdichtung im Bereich der germinalen Matrix oder in-nerhalb der Seitenventrikel fand sich nichtKlinischer Verlauf Im Alter von 11 Tagen zeigte das Fruumlhgeborene eine Serie von Apnoen welche nach taktiler Stimulation sistierten Der Muskeltonus war schlaffer als vorher das Kind wies eine diskrete Marmorierung der Haut auf der Blutdruck war instabil und bedurfte einer Volumengabe Es wurde die Verdachtsdiagnose einer Sepsis ge-stellt und nach Abnahme von Blutkulturen eine antibiotische Therapie begonnen Die Blutkultur zeigt ein Wachstum von Staphylococcus

Abb 731 Zystische Erweichungsherde bei periventrikulaumlrer Leukomala-zie (Schaumldelsonographie Laumlngsschnitt)

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Kapitel 7 middot Neonatologie158

7

epidermidis Nach einer Woche waren im Ultraschallbild zystische Veraumlnderungen beidseits periventrikulaumlr nachweisbar Das Kind ent-wickelte eine spastische Diplegie bei unauffaumllliger mentaler Ent icklungBeurteilung Das Kind zeigte die typischen sonographischen Befunde einer PVL Die unmittelbar postnatal registrierten periventrikulaumlren Echoverdichtungen weisen auf eine prauml- oder perinatale Genese hin Obwohl die Anamnese keine sicheren maternalen Infektionssymptome zeigte lag histologisch eine Chorioamnionitis vor welche wahrschein-lich mit der Entstehung einer periventrikulaumlren Leukomalazie in Ver-bindung gebracht werden kann Die Chorioamnionitis hatte zu keiner kindlichen Infektion gefuumlhrt Die Atem- und Kreislaufregulations-stoumlrungen sind als Symptome der nosokomialen Sepsis zu deuten

7610 Apnoen bei Fruumlhgeborenen

kGrundlagenFruumlhgeborene insbesondere sehr unreife Kinder mit einem Geburts-gewicht lt1000 g zeigen nach der Geburt uumlber eine lange Zeit eine ausgepraumlgte kardiorespiratorische Instabilitaumlt Ohne Zeichen einer anderen Grunderkrankung treten ploumltzlich Apnoen Bradykardien und Hypoxaumlmien auf Aufgrund der Unreife zentraler Steuerungs-strukturen sind solche Apnoen bei Fruumlhgeborenen regelhaft zu beo-bachten und somit physiologisch (Fruumlhgeborenenapnoen) Sie wer-den jedoch pathologisch durch ihre Dauer und den Schweregrad der begleitenden Hypoxaumlmie undoder Bradykardie Apnoen mit relevan-ten Hypoxaumlmien und Bradykardien sind behandlungsbeduumlrftig Da die Herzauswurfleistung bei Neugeborenen im Wesentlichen durch die Herzfrequenz bestimmt wird kommt es bei solchen Ereignissen stets zu einer betraumlchtlichen Verminderung der Hirnperfusion

gt Schwere Fruumlhgeborenenapnoen koumlnnen vermutlich das Risiko fuumlr ischaumlmische Hirnlaumlsionen sowie fuumlr die Ent-wicklung einer eine Retinopathie erhoumlhen

kDefinitionenApnoen Bradykardien und Hypoxaumlmien werden in der Literatur recht unterschiedlich definiert die folgenden Definitionen werden jedoch fuumlr Fruumlhgeborene zunehmend akzeptiert 4 Apnoe Atempause gt20 s oder Atempause lt20 s mit begleiten-

der BradykardieHypoxaumlmie 4 Bradykardie Abfall der Herzfrequenz lt80min oder Abfall

gt13 des Basalwerts 4 Hypoxaumlmie SO2-Abfall lt80 Dauer ge4 s

kPathogeneseNeben dieser unreifebedingten Genese von Apnoen koumlnnen prolon-gierte Atempausen jedoch auch Symptome einer Grunderkrankung sein (symptomatische Apnoen) Insbesondere bei systemischen Infektionen oder anderen schweren Erkrankungen kommt es haumlufig zur Beeintraumlchtigung der Atemregulation

Ursachen symptomatischer Apnoen 4 Sepsis und Meningitis (besonders bei neuauftretenden

Apnoen) NEC 4 Persistierender Ductus arteriosus (Wiedereroumlffnung

eines bereits verschlossenen Ductus arteriosus) 4 Apnoen als Symptom einer beginnenden respiratori-

schen Insuffizienz bei Atemnotsyndrom Pneumonie oder BPD

4 Zentrale Atemregulationsstoumlrung bei Asphyxie Hirn-blutung Hirnfehlbildung

4 Gastrooumlsophagealer Reflux 4 Obere Luftwegsobstruktion bei Choanalstenose

Pierre-Robin-Sequenz oder Stimmbandlaumlhmung 4 Fuumltterungsbedingte Bradykardien durch Vagusreiz

CavePrinzipiell sind Apnoen solange verdaumlchtig auf eine Sepsis bis das Gegenteil bewiesen ist

Fruumlhgeborenenapnoen besser als Apnoe-Bradykardie-Hypoxaumlmie-Syndrom Fruumlhgeborener beschrieben sind komplexer Genese Zu-grunde liegt eine Kombination unreifebedingter Ursachen ganz verschiedener Organsysteme des Atemzentrums der oberen Luft-wege des Thorax und der Lunge ( Abb 732) Das Atemzentrum in der Medulla oblongata sowie die peripheren Chemorezeptoren zei-gen bei Fruumlhgeborenen eine Persistenz fetaler Reaktionsweisen Im Gegensatz zum reifen Neugeborenen das verstaumlrkt atmet reagiert das Fruumlhgeborene auf eine Hypoxie mit einer Apnoe ( Abb 732) Weiterhin liegt eine verminderte CO2-Responsivitaumlt d h es erfolgt nur eine geringe Atemstimulation bei Hyperkapnie Ein Kollaps der oberen Luftwege kann ebenso wie Thoraxinstabilitaumlt oder eine Ver-minderung des Atemminutenvolumens bei periodischer Atmung eine intermittierende Hypoventilation mit Hypoxie zur Folge haben

kDiagnoseMithilfe der gleichzeitigen Registrierung von thorakaler und nasaler Atmung Herzfrequenz und Sauerstoffsaumlttigung (Oxykardiorespi-rographie) koumlnnen bei Fruumlhgeborenen die oben beschriebenen ver-schiedenen Formen der Atemregulationsstoumlrung dargestellt werden 4 Zentrale Apnoe thorakale Atmungsaktivitaumlt und nasaler Luft-

strom sistieren parallel Herzfrequenz und Sauerstoffsaumlttigung fallen anschlieszligend ab

4 Obstruktive Apnoe thorakale Atmungsaktivitaumlt haumllt an nasaler Luftstom sistiert Herzfrequenz und Sauerstoffsaumlttigung fallen ab

4 Gemischte Apnoe erst obstruktive dann zentrale Apnoe oder umgekehrt

4 Primaumlre Hypoxaumlmie primaumlrer Abfall der Sauerstoffsaumlttigung dann Abfall von Herzfrequenz und Apnoe

gt Aufgrund der Haumlufigkeit von Apoen Bradykardien und Hypoxaumlmien bei Fruumlhgeborenen muumlssen die Vitalparame-ter dieser Kinder in der Regel uumlber lange Zeit auf einer Intensivstation uumlberwacht werden

kTherapieZur Behandlung des Apnoe-Bradykardie-Hypoxaumlmie-Syndroms Fruumlhgeborener stehen verschiedene Optionen zur Verfuumlgung Weiterhin haumlngt die Wahl der Therapiemaszlignahme von der Haumlufig-keit und Schwere der Atemregulationsstoumlrung ab

Therapeutische Maszlignahmen bei Fruumlhgeborenenapnoe 4 Taktile Stimulation Taktile Maszlignahmen wie Streicheln

oder sanftes Schuumltteln fuumlhren in den meisten Faumlllen zur Wiederaufnahme der Atmung

4 Atemstimulation durch Methylxanthine (Coffein Theophyllin) oder Doxapram

6 6

715977 middot Lungenerkrankungen des Neugeborenen

4 Verminderung von Hypoxaumlmien durch Nasen-CPAP undoder geringfuumlgige Anhebung der inspiratorischen Sauerstoffkonzentration (5)

4 Bei Versagen dieser Maszlignahmen ist eine maschinelle Beatmung erforderlich

Es gibt zur Zeit keine sicheren Angaben wie viele Apnoen und welcher Schweregrad toleriert werden koumlnnen und somit keine klaren Indikationen wann die konservative Behandlung beendet und eine maschinelle Beatmung erfolgen soll Wenn bei schweren Apnoen wiederholt eine Maskenbeatmung zur Behandlung der Bradykardie und Hypoxie notwendig ist besteht in der Regel die Indikation zur maschinellen Beatmung

CaveDie auf den Intensivstationen uumlbliche Uumlberwachung der Sauerstofftherapie durch Pulsoxymeter ist nur fuumlr die Erfassung einer Hypoxie sinnvoll und eignet sich nicht gut fuumlr die Kontrolle einer Hyperoxie Diese erfolgt besser durch die transkutane Messung des pO2

77 Lungenerkrankungen des Neugeborenen

771 Transitorische Tachypnoe

kDefinitionDie transitorische Tachypnoe (Synonym transientes Atemnotsyn-drom des Neugeborenen raquofluid lunglaquo Fluumlssigkeitslunge) entwickelt sich in den ersten Lebensstunden nach der Geburt uumlberwiegend bei reifen Neugeborenen oder relativ raquoreifenlaquo Fruumlhgeborenen Charak-teristisch ist die deutlich beschleunigte Atemfrequenz mit minima-len Einziehungen und gelegentlich auftretender leichter Zyanose Die Erkrankung bildet sich in der Regel innerhalb der ersten 2ndash3 Le-benstage spontan zuruumlck

kPathogeneseDie transitorische Tachypnoe wird vermutlich durch eine ver-zoumlgerte Resorption der kindlichen Lungenfluumlssigkeit uumlber die pulmonalen Lymph- und Blutgefaumlszlige oder aber einen vermehrten pulmonalen Fluumlssigkeitsgehalt ausgeloumlst Die praumldisponierenden Faktoren die mit einer normalen Fluumlssigkeitsresorption interferie-ren oder aber zu einer Erhoumlhung des pulmonalen Fluumlssigkeitsgehalts fuumlhren sind in der Uumlbersicht dargestellt

Faktoren die mit verzoumlgerter Fluumlssigkeitsresorption oder vermehrtem pulmonalem Fluumlssigkeitsgehalt einhergehen

4 Sectio caesarea am wehenlosen Uterus 4 raquoWunschlaquosectio vor der 39 Gestationswoche 4 Perinatale Asphyxie 4 Muumltterlicher Diabetes 4 Exzessive muumltterliche Analgesie 4 Oxytocin und vermehrte maternale Fluumlssigkeitszufuhr 4 Polyglobulie (Polyzythaumlmie) des Neugeborenen 4 Erhoumlhter zentraler Venendruck des Neugeborenen 4 Verspaumltetes raquoAbnabelnlaquo

kKlinikDie Neugeborenen fallen durch eine kurze Zeit nach der Geburt einsetzende Tachypnoe (bis zu 120 Atemzuumlgemin) auf die nur von geringen Einziehungen und wechselnd ausgepraumlgtem inspiratori-schem Stoumlhnen begleitet ist die Lungen sind haumlufig uumlberblaumlht Bei Hypoxaumlmie ist in der Regel eine Zufuhr von 30ndash40 O2 in der Inspirationsluft ausreichend um eine suffiziente Oxygenierung zu erzielen Das Roumlntgenthoraxbild zeigt typischerweise vermehrte zen-trale Verdichtungen mit einer peripheren Uumlberblaumlhung der Lunge und gelegentlich interlobaumlren Fluumlssigkeitsansammlungen oder kleinen Pleuraerguumlssen Gelegentlich entwickelt sich auf dem Boden einer massiven pulmonalen Uumlberblaumlhung eine pulmonale Hyper-tonie mit Rechts-links-Shunt die in das gefuumlrchtete Krankheitsbild der persistierenden pulmonalen Hypertonie einmuumlnden kann

Abb 732 Unreifebedingte Faktoren mit Bedeutung fuumlr die Genese von Apnoen Bradykardien undoder Hypoxaumlmien bei Fruumlhgeborenen

Kapitel 7 middot Neonatologie160

7

kDiagnoseDie Diagnose der transitorischen Tachypnoe basiert haumlufig auf dem Ausschluss anderer akuter pulmonaler Erkrankungen und wird haumlufig erst retrospektiv gestellt Neonatale Pneumonien insbeson-dere mit β-haumlmolysierenden Streptokokken der Gruppe B koumlnnen unter einer identischen initialen Dynamik verlaufen

kTherapieBei Atemfrequenzen gt80min wegen Aspirationsgefahr keine orale Ernaumlhrung intravenoumlse Fluumlssigkeitszufuhr bei Bedarf O2-Gabe haumlufig ist eine kurzzeitige antibiotische Behandlung indiziert

772 Mekoniumaspirationssyndrom

kDefinitionNach der Aspiration von Mekonium entwickelt sich eine pathogene-tisch komplexe Erkrankung die durch eine akute Atemnotsympto-matik der uumlberwiegend uumlbertragenen oder reifen hypotrophen Neugeborenen und einen kompatiblen radiologischen Lungen-befund charakterisiert ist Mekoniumhaltiges Fruchtwasser ist bei 10ndash18 aller Geburten nachzuweisen

kEpidemiologieDie Inzidenz des schweren Mekoniumaspirationssyndroms liegt zwischen 02ndash6 erkrankten Neugeborenen1000 Lebendgeborene Es bestehen erhebliche geographische und regionale Unterschiede in der Erkrankungshaumlufigkeit

kAumltiopathogeneseMekonium besteht aus eingedickten intestinalen Sekreten und Zellen sowie loumlslichen und zellulaumlren Fruchtwasserbestandteilen Die wasserloumlslichen Festsubstanzen bestehen u a aus Mukopoly-sacchariden Plasmaproteinen Proteasen konjugiertem Bilirubin die fettloumlslichen Bestandteile u a aus Bilirubin Bilirubinoiden freien Fettsaumluren Cholesterin und Glykolipiden Mekonium wird bereits von der 10ndash16 Gestationswoche an im fetalen Gastrointes-tinaltrakt gefunden Aufgrund einer intestinalen Hypomotorik wird

nur selten ein Mekoniumabgang bei Fruumlhgeborenen beobachtet Die Haumlufigkeit des Auftretens von mekoniumhaltigem Fruchtwasser ist direkt mit der Reife der Neugeborenen verbunden und ist mit houmlheren Serumspiegeln des properistaltischen Hormons Motilin as-soziiert Bei fehlenden Hinweisen auf eine intrauterine oder subpar-tale Gefaumlhrdungssituation duumlrfte ein Mekoniumabgang vor allem ein reifeabhaumlngiges Phaumlnomen reflektieren Eine akute intrauterine oder subpartuale kindliche Hypoxie kann gerade in den letzten Gestationswochen einen vorzeitigen Mekoniumabgang ausloumlsen der besonders bei einem Oligohydramnion ein sehr konsistentes raquoerbsbreiartigeslaquo Fruchtwasser hinterlassen kann Der Abgang von partikelhaltigem und dickfluumlssigem Mekonium praumldisponiert zur Entstehung eines Mekoniumaspirationssyndroms und zu kompli-zierten Erkrankungsverlaumlufen

Die konnatale Listerioseinfektion kann eine Ursache fuumlr den vorzeitigen Mekoniumabgang bei Fruumlhgeborenen sein

kPathophysiologieIm Verlauf einer intrauterinen oder subpartualen Hypoxie die zu einer Vasokonstriktion mesenterialer Gefaumlszlige Darmischaumlmie konsekutiver Hyperperistaltik und Sphinkterrelaxation fuumlhrt tritt ein fruumlhzeitiger Mekoniumabgang auf Die Aspiration von Meko-niumpartikeln kann durch eine hypoxieinduzierte vorzeitige Atemtaumltigkeit die ein bestimmtes Muster aufweist bereits in utero erfolgen haumlufiger findet die Aspiration von Mekonium jedoch un-mittelbar nach der Geburt statt Bei gt50 aller Neugeborenen mit mekoniumhaltigem Fruchtwasser lassen sich Mekoniumbestand-teile im Trachealaspirat nachweisen die bei der Mehrzahl der Kinder folgenlos eliminiert werden Groumlszligere Mekoniumpartikel die mit den ersten Atemzuumlgen in die kleineren Luftwege gelangen fuumlhren zu einer partiellen Bronchusobstruktion und Verlegung der Alveolen Die Folgen sind die Ausbildung von Atelektasen uumlberblaumlhten emphysematoumlsen Arealen (raquoair trappinglaquo) und extraalveolaumlre Luftansammlungen (interstitielles Emphysem Pneumothorax Pneumomediastinum etc Abb 83 Abb 733)

Durch im Mekonium enthaltene Substanzen (z B Fettsaumluren) entwickelt sich innerhalb von 24ndash48 h eine chemische Pneumonie Daruumlber hinaus fuumlhren verschiedene Proteine und Phospholipasen zu einer direkten Inaktivierung des Surfactantsystems Haumlufig bilden sich intrapulmonale Shunts und eine durch eine Konstriktion der Lungengefaumlszlige bedingte persistierende pulmonale Hypertonie aus die zu einer Rekonstitution fetaler Zirkulationsverhaumlltnisse fuumlhren kann

kKlinikDas klinische Bild wird vom Schweregrad der intrauterinen Asphyxie und dem Ausmaszlig der Mekoniumaspiration bestimmt Die Neu-geborenen fallen unmittelbar nach Geburt durch schwere Atem depression Schnappatmung Bradykardie Hypotonie Schocksymptome auf die Haut ist mit Mekonium bedeckt Finger-naumlgel und Nabelschnur koumlnnen gruumlnlich verfaumlrbt sein Neuge-borene mit Spontanatmung weisen eine Tachypnoe ausgepraumlgte Dyspnoezeichen und evtl eine Zyanose auf Die Roumlntgenthorax-aufnahme zeigt dichte fleckige Infiltrate neben uumlberblaumlhten Arealen abgeflachte Zwerchfelle und haumlufig extraalveolaumlre Luft ( Abb 734)

kPraumlventionDurch sorgfaumlltiges fetales Monitoring sind die Warnzeichen der intrauterinen Hypoxie zu erkennen Bestehen Hinweise auf eine kindliche Gefaumlhrdung so ist die sofortige Geburtsbeendigung obli-gat Bei allen Geburten die durch mekoniumhaltiges Fruchtwasser

Abb 733 Pathogenetische Sequenz der Mekoniumaspiration neben mechanischen Faktoren die zu einer schweren Beeintraumlchtigung der Lungenfunktion beitragen beguumlnstigt die chemische pulmonale Inflamma-tionsreaktion die Entwicklung von Hypoxie und Azidose

716177 middot Lungenerkrankungen des Neugeborenen

auffallen sollte umgehend ein erfahrener Kinderarzt zur postnatalen Versorgung des Neugeborenen hinzugezogen werden

gt Bei Abgang von mekoniumhaltigem Fruchtwasser muss bereits vor dem ersten Atemzug d h nach der Geburt des kindlichen Kopfes von Geburtshelfer oder Hebamme Mekonium aus dem Oropharynx entfernt werden

Findet sich bei einem klinisch auffaumllligen Neugeborenen waumlhrend der laryngoskopischen Inspektion des Kehlkopfes Mekonium unter-halb der Stimmbaumlnder so ist es unverzuumlglich mit einem dicklumigen Katheter oder evtl direkt uumlber einen Endotrachealtubus abzusau-gen Bei groumlszligeren Mengen erbsbreiartigen Mekoniums in den Luft-wegen sollte eine Bronchiallavage durchgefuumlhrt werden Tierexpe-rimentelle Untersuchungen und einzelne klinische Erfahrungsbe-richte aus juumlngster Zeit weisen darauf hin dass eine Bronchiallavage mit einer verduumlnnten Loumlsung einer natuumlrlichen Surfactantpraumlpara-tion (ca 5 mg Phospholipideml) zu einer deutlichen Verbesserung der Oxygenierung und Ventilation fuumlhren Auf eine primaumlre Mas-kenbeatmung ist ndash wenn moumlglich ndash zu verzichten

kTherapieDie zum Teil auszligerordentlich schwierige Behandlung Neugeborener mit Mekoniumaspirationssyndrom schlieszligt zur Behandlung der Hypoxaumlmie eine konventionelle Beatmungstherapie die Hochfre-quenzoszillationsbeatmung die Surfactantsubstitutionstherapie und den Einsatz von Stickstoffmonoxid (NO) ein Als Ultima-ratio-Therapie ist eine extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO) zu erwaumlgen Einzelheiten der Therapie sind den Lehrbuumlchern der Neonatologie zu entnehmen

773 Pneumothorax

kEpidemiologieEin spontaner asymptomatischer Pneumothorax tritt bei ca 05ndash1 aller Neugeborenen auf Die Pneumothoraxinzidenz bei maschinell beatmeten Fruumlhgeborenen mit Atemnotsyndrom betrug vor Einfuumlh-rung der Surfactanttherapie 15ndash30 Inzwischen wird diese Kompli-kation bei 3ndash6 aller beatmeten Fruumlhgeborenen beobachtet

kAumltiologieEin symptomatischer Pneumothorax kann bei einer Reihe pulmo-naler Erkrankungen Fruumlh- und Neugeborener auftreten Atemnot-syndrom Mekoniumaspiration Lungenhypoplasie kongenitale Zwerchfellhernie transitorische Tachypnoe Aspirationspneumonie Staphylokokkenpneumonie mit Pneumatozele lobaumlres Emphysem nach Thorakotomie Ebenso findet es sich nach unsachgemaumlszliger Reanimation und maschineller Beatmung

kPathogeneseEin hoher intraalveolaumlrer Druck der durch erhoumlhten Spitzendruck und positiv endexspiratorischen Druck (raquopositive endexpiratory pressurelaquo PEEP) bei maschineller Beatmung entsteht oder aber von tachypnoeischen spontanatmenden Kindern durch einen er-houmlhten so genannten raquoAuto-PEEPlaquo gebildet wird kann besonders in ungleich beluumlfteten Lungenarealen zu einer Uumlberblaumlhung von Alveolen und zu einer moumlglichen Ruptur der Alveolarwand fuumlhren Die extraalveolaumlre Luft ist in der Lage durch das interstitielle Ge-webe und entlang der perivaskulaumlren Gefaumlszligscheiden sowie der peribronchialen Lymphgefaumlszlige zu entweichen In Abhaumlngigkeit von der Ausbreitung der Luft ist mit einer Reihe von Komplikationen zu rechnen interstitielles Emphysem Pneumomediastinum Span-nungspneumothorax Pneumoperitoneum Pneumoperikard und subkutanes zervikales oder thorakales Emphysem

Ein Spannungspneumothorax entwickelt sich bei einer druck-wirksamen Ansammlung von Luft im Pleuraspalt Ein einseitiger Spannungspneumothorax fuumlhrt nicht nur zu einer schweren Venti-lationsstoumlrung der betroffenen gelegentlich kollabierten Lungens-eite sondern durch die Mediastinalverlagerung auch der kontralate-ralen Lunge Daneben wird durch Kompression der V cava oder Torsion der groszligen Gefaumlszlige der venoumlse Ruumlckfluss erheblich be-eintraumlchtigt Bei der Entstehung des interstitiellen Emphysems scheinen nicht nur physikalische Faktoren von Bedeutung zu sein sondern auch pulmonale Entzuumlndungsvorgaumlnge und proteolytische Lungengeruumlstschaumldigungen die u a nach praumlnatalen Infektionen beobachtet wurden

kKlinikDie klinischen Leitsymptome des gefuumlrchteten Spannungspneumo-thorax sind

4 ploumltzlich einsetzende Atemnot 4 Zyanose 4 Hypotension 4 Schocksymptome 4 Bradykardie 4 Thoraxasymmetrie 4 Verlagerung der Herztoumlne 4 seitendifferentes Atemgeraumlusch

Gerade bei kleinen Fruumlhgeborenen kann die Diagnose eines Span-nungspneumothorax schwierig sein da bei maschinell beatmeten Patienten nicht immer ein fehlendes oder abgeschwaumlchtes Atem-geraumlusch nachweisbar ist

kDiagnose TherapieIn lebensbedrohlichen Situationen darf keine Zeit durch Anferti-gung einer Roumlntgenaufnahme vergehen es ist eine sofortige Pleura-punktion mit Entlastung des Pneumothorax durchzufuumlhren

Anschlieszligend wird eine Pleuradrainage unter optimalen Bedin-gungen gelegt Die Transillumination des Thorax mit einer fiberop-tischen Kaltlichtlampe erlaubt eine rasche Identifizierung des illumi-nierenden lufthaltigen Pleuraraumes ( Abb 735)

Abb 734 Radiologische Veraumlnderungen bei schwerem Mekonium-aspirationssyndrom neben verdichteten dystelektatischen Arealen finden sich typische uumlberblaumlhte Lungenanteile

Kapitel 7 middot Neonatologie162

7

774 Kongenitales lobaumlres Emphysem

kDefinitionDas kongenitale lobaumlre Emphysem ist durch eine Uumlberblaumlhung einer oder mehrerer Lungenlappen charakterisiert ( Abb 736) Meistens sind die Oberlappen oder der rechte Mittellappen be-troffen Ungefaumlhr 10 der betroffenen Kinder haben zusaumltzlich ein Vitium cordis oder andere Fehlbildungen

kAumltiologieAls Ursachen des lobaumlren Emphysems das mit der zunehmenden Uumlberblaumlhung auch normales Lungengewebe komprimiert werden

Stoumlrungen im Aufbau der Bronchialwand (z B Fehlen des bronchia-len Knorpels) intraluminale Bronchusobstruktionen (eingedicktes Sekret Schleimhautfalten) oder extraluminale Bronchusobstruk-tionen (z B Kompression durch aberrierende Gefaumlszlige) gefunden

kKlinik TherapieHaumlufig entwickelt sich die klinische Symptomatologie die durch eine progrediente Tachypnoe und andere Dyspnoezeichen auffaumlllt innerhalb der ersten Lebenswochen Einige Neugeborene erkranken allerdings unmittelbar postnatal an einer akuten progredienten Atemnotsymptomatik Bei diesen Kindern ist eine sofortige Bron-choskopie undoder Resektion des betroffenen uumlberblaumlhten Lun-genteils lebensrettend Bei vital milder aber progredienter Sympto-matik ist eine chirurgische Therapie angezeigt Nur bei asymptoma-tischen Kindern kann unter regelmaumlszligiger Kontrolle auf eine invasive Behandlung verzichtet werden da sich ein lobaumlres Emphysem ge-legentlich zuruumlckbilden kann

775 Lungenhypoplasie

kDefinitionEine Lungenhypoplasie ist entweder Ausdruck einer gestoumlrten Organanlage oder einer Ausreifungsstoumlrung der fetalen Lunge die durch verschiedene mit der normalen Lungenentwicklung inter-ferierende Faktoren ausgeloumlst werden kann

kAumltiopathogeneseEine Anlagestoumlrung der Lunge wird bei seltenen Chromosomen-aberationen beobachtet Wesentlich haumlufiger entwickelt sich eine Lungenhypoplasie im Rahmen fetaler Grunderkrankungen oder Stouml-rungen die mit der normalen Ausbildung der Alveolen inter ferieren Ein Mangel an Fruchtwasser der zu einem Verlust intraalveolaumlrer Fluumlssigkeit in der vulnerablen Phase der Lungenentwicklung (vor der 26 Gestationswoche) fuumlhrt kann eine schwere Lungenhypoplasie

Abb 735a b Diagnose eines linksseitigen Pneumothorax durch Transillumination mit Hilfe einer Kaltlichtlampe (a) linksseitiger Spannungspneumo-thorax mit Verdraumlngung des Mediastinums nach rechts (Roumlntgen-Thorax) (b)

a b

Abb 736 Lobaumlres Emphysem des linken Lungenoberlappens bei einem 4 Wochen alten Fruumlhgeborenen der 36 Gestationswoche Mediastinalver-schiebung nach rechts Kompression des linken Unterlappens

716377 middot Lungenerkrankungen des Neugeborenen

nach sich ziehen Eine bilaterale Nierenagenesie (Potter-Sequenz) Anhydramnie bei vorzeitigem Blasensprung oder Fruchtwasserver-lust nach Amniozentese sind als Ursache der Lungenhypoplasie defi-niert Aber auch fehlende intrauterine Atembewegungen der Feten wie sie bei neuromuskulaumlren Erkrankungen Myasthenia gravis An-enzephalie u a Erkrankungen beobachtet werden koumlnnen die nor-male Entwicklung nachhaltig beeinflussen Eine Kompression der fe-talen Lunge nach Malformation des Thorax fuumlhrt bei verschiedenen Skeletterkrankungen (u a asphyxierende Thoraxdysplasie) zu einer Lungenhypoplasie Auch andere Fehlbildungen wie die Zwerchfellher-nie und Chylothorax koumlnnen uumlber eine Kompression des Lungenge-webes die normale Wachstumsdynamik nachhaltig beeintraumlchtigen

kKlinik DiagnoseDie schwere Lungenhypoplasie manifestiert sich entweder unter dem Bild einer Asphyxie oder aber schwersten respiratorischen Insuffizienz Die hypoplastischen Lungen lassen sich haumlufig auch unter intensiven Beatmungsmaszlignahmen nicht wirksam eroumlffnen Haumlufig treten bilaterale Pneumothoraces auf einige Patienten ent-wickeln auf dem Boden einer primaumlren pulmonalen Hypertonie eine persistierende fetale Zirkulation Bei ausgepraumlgten Formen der Lungenhypoplasie ist die Prognose infaust Die Thoraxaufnahme zeigt typischerweise schmale Lungen mit einem glockenfoumlrmigen Thorax ( Abb 737) Die Diagnose ist allerdings haumlufig nur zu ver-muten und wird anhand anamnestischer Risiken sowie des postna-talen Verlaufs nicht selten retrospektiv gestellt Post mortem kann durch Bestimmung des Lungengewichts sowie mithilfe morphome-trischer Techniken die Verdachtsdiagnose verifiziert werden

kTherapieNur bei weniger ausgepraumlgten Formen der Lungenhypoplasie kann durch differenzierte Beatmungstechniken Einsatz von Stickstoff-monoxid NO und gegebenenfalls Surfactantsubstitution (sekun-

daumlrer Surfactantmangel) eine nachhaltige Stabilisierung der Lungen-funktion erzielt werden

776 Zwerchfellhernie (Enterothorax)

kEpidemiologieDie Inzidenz einer Zwerchfellhernie betraumlgt ca 0251000 Lebend-geborene 80ndash90 der Hernien treten auf der linken Seite auf

kPathogeneseEin Zwerchfelldefekt kann zu einer Verlagerung saumlmtlicher Bauch-organe in die Thoraxhoumlhle fuumlhren ( Abb 738) Dieses Krankheits-bild ist ein dringlicher Notfall der Neugeborenenchirurgie (7 Kap 36) Infolge der Lungenkompression und Herzverlagerung kann sich eine schwerste rasch progrediente respiratorische und kardiozirkulatorische Insuffizienz mit persistierender fetaler Zir-kulation entwickeln ( Abb 739)

gt Die operative Versorgung eines Neugeborenen mit Zwerchfellhernie sollte erst nach optimaler Stabilisierung der respiratorischen und kardiozirkulatorischen Funktio-nen erfolgen

kKlinikDie Leitsymptome der Zwerchfellhernie sind 4 zunehmende Atemnot 4 Zyanose 4 Schocksymptome 4 Verlagerung der Herztoumlne 4 ein asymmetrisch vorgewoumllbter Thorax ohne Atemexkursion 4 fehlendes Atemgeraumlusch 4 evtl Darmgeraumlusche im Thorax 4 ein eingesunkenes raquoleereslaquo Abdomen

Abb 737 Radiologischer Befund einer aumltiologisch ungeklaumlrten Lungen-hypoplasie bei einem Fruumlhgeborenem der 34 Gestationswoche

Abb 738 Linksseitiger Zwerchfelldefekt mit intrathorakal gelegenem Magen und Darmanteilen massive Verlagerung des Herzens nach rechts

Kapitel 7 middot Neonatologie164

7

kTherapieDa mit zunehmender Luftfuumlllung des intrathorakal gelegenen Darmes Lunge Herz und Mediastinum verdraumlngt werden und somit eine Spannungssymptomatik entstehen kann ist eine primaumlre Maskenbeatmung obsolet Die Neugeborenen werden umgehend intubiert erhalten eine offene Magensonde und werden bereits im Kreiszligsaal auf die betroffene Seite gelagert

kPrognoseDie Prognose der Zwerchfellhernie wird entscheidend vom Grad der Lungenhypoplasie der optimalen Erstversorgung der chirurgi-schen Therapie und der anschlieszligenden intensivmedizinischen Behandlung beeinflusst Die Diagnose kann bei bereits zum Unter-suchungszeitpunkt vorliegendem Enterothorax praumlnatal gestellt werden

777 Neonatale Pneumonien

kDefinitionEine neonatale Pneumonie entwickelt sich auf dem Boden einer intrauterinen sub- oder postnatalen Infektion mit muumltterlichen oder nosokomialen Erregern u a durch Aspiration infizierten Fruchtwassers Man kann davon ausgehen dass bakteriell kontami-niertes Fruchtwasser oder infizierte Lungenfluumlssigkeit mit den ers-ten Atemzuumlgen in die terminalen Atemwege gelangt und dort mit einer kurzen Latenz eine Entzuumlndungsreaktion ausloumlst Dieser Mechanismus erklaumlrt das oftmals symptomfreie Intervall nach der Geburt ( Abb 740)

kPathogenesePathogenese Risikofaktoren und Erregerspektrum sind im 7 Ab-schn 7109 abgehandelt

Beatmete und intensivmedizinisch behandelte Fruumlh- und Neugeborene sind besonders gefaumlhrdet eine Pneumonie mit Pseudomonas- oder Klebsiellenspezies zu akquirieren Chlamy-dien und Ureaplasmen kommen ebenfalls als Erreger von Pneu-monien Fruumlhgeborener vor Seltener treten Mykoplasmen als Er-reger auf

gt Bei langzeitbeatmeten Fruumlhgeborenen die uumlber laumlngere Zeit antibiotisch behandelt wurden ist immer an eine Pilzpneumonie insbesondere mit Candida spp zu denken

kKlinikDie klinische Symptomatik einer in den ersten Lebensstunden und Lebenstagen oder auch spaumlter auftretenden neonatalen Pneumonie verlaumluft haumlufig unter dem Bild eines progredienten Atemnot-syndroms mit Tachypnoe Einziehungen und Nasenfluumlgeln

kTherapieDie primaumlre antibiotische Behandlung muss gegen die potenziellen Mikroorganismen gerichtet sein (s Therapie der neonatalen Sepsis) Bei Atem- undoder Kreislaufinsuffizienz der erkrankten Neuge-borenen wird die erforderliche Supportivtherapie durchgefuumlhrt Chlamydien- und Ureaplasmapneumonien werden mit Erythromy-cin behandelt Pneumocystispneumonien mit TrimethoprimSulfa-methoxazol

778 Persistierende pulmonale Hypertonie (persistierende fetale Zirkulation)

kDefinitionDie persistierende pulmonale Hypertonie (PPH syn persistierende fetale Zirkulation) ist ein lebensbedrohliches Krankheitsbild das auf dem Boden eines persistierenden erhoumlhten pulmonalen Gefaumlszlig-druckes durch einen signifikanten Rechts-links-Shunt uumlber das of-fene Foramen ovale uumlber den persistierenden Ductus arteriosus und auch intrapulmonale Shunts ohne Hinweise auf eine strukturel-le Herzerkrankung charakterisiert ist

kAumltiologieDie PPH tritt uumlberwiegend bei reifen und uumlbertragenen Neuge-borenen auf Nach intrauteriner und subpartualer Hypoxie muumltterlicher Aspirin- und Indometacineinnahme waumlhrend der Schwangerschaft wurde eine Verdickung und Ausdehnung der Ge-faumlszligmuskulatur bis in kleine pulmonale Arterien hinein beschrieben Am haumlufigsten entwickelt sich eine PPH sekundaumlr bei Neugeborenen

Abb 739 Charakteristischer radiologischer Befund einer linksseitigen Zwerchfellhernie luftgefuumlllte Darmschlingen Verlagerung des Mediasti-nums und des Herzens nach rechts verdichtete Lunge rechts

Abb 740 Aumltiopathogenese der neonatalen Pneumonie Bakteriell infizierte Lungenfluumlssigkeit gelangt mit den ersten Atemzuumlgen des Neu-geborenen in die terminalen Atemwege

716577 middot Lungenerkrankungen des Neugeborenen

nach Mekoniumaspiration Weitere Erkrankungen in deren Folge sich eine PPH entwickeln kann sind die subpartuale und post-natale Hypoxie die neonatale Sepsis mit β-haumlmolysierenden Streptokokken der Gruppe B und Listerien die Zwerchfellhernie die Lungenhypoplasie Pneumothorax Hyperviskositaumltssyndrom Hypoglykaumlmie und Hypothermie sowie ein Atemnotsyndrom Die PPH ist nicht selten idiopathisch Die Praumlvalenz dieser Erkran-kung wurde auf etwa 1 Neugeborenes pro 1000 Lebendgeborene geschaumltzt

kPathophysiologieBei intranataler oder postnataler Hypoxie entwickelt sich rasch eine metabolisch-respiratorische Azidose Die normalerweise durch Anstieg des paO2 und Abfall der paCO2 unmittelbar nach der Geburt einsetzende Dilatation der Lungenarterien bleibt aus die Azidose induziert uumlber eine pulmonale Vasokonstriktion eine pulmonale Hypertonie die uumlber das Foramen ovale den Ductus arteriosus Bo-talli und intrapulmonale Shunts die Entwicklung eines persistieren-den Rechts-links-Shunts nach sich zieht Es bildet sich eine zuneh-mende Sauerstoffuntersaumlttigung des arteriellen Blutes aus die mit der postnatal einsetzenden Vasodilatation interferiert ( Abb 741) Bei einigen dieser Patienten liegen bereits pulmonale Gefaumlszligveraumlnde-rungen im Sinne einer Mediahypertrophie vor die Ausdruck einer chronischen intrauterinen Hypoxie sein koumlnnten (primaumlrer pulmo-naler Hochdruck andere Kinder haben als Grunderkrankung eine mehr oder weniger ausgepraumlgte Lungenhypoplasie) Potente Stimuli der pulmonalen Vasokonstriktion sind Leukotriene und weitere Lipidmediatoren deren Freisetzung bei allen sekundauml ren Formen der PPH durch Hypoxie Infektionen und die im Verlauf verschie-denster Grunderkrankungen einsetzenden Inflammationsreaktion gefoumlrdert wird

kKlinikDie Neugeborenen erkranken in der Regel innerhalb der ersten 12 Lebensstunden In Abhaumlngigkeit von der Grunderkrankung ste-hen entweder die Zyanose (Polyzythaumlmie idiopatische PPH u a) oder die schwere Atemnotsymptomatik mit Zyanose (Mekoniu-maspiration Zwerchfellhernie u a) im Vordergrund Die Patienten koumlnnen innerhalb kurzer Zeit ein Multiorganversagen oder Myokar-dischaumlmie entwickeln Die klinische Verdachtsdiagnose einer PPH kann durch die prauml- und postduktale O2-Differenz und nicht zuletzt durch die Echokardiographie (einschlieszliglich dopplersonographi-scher Diagnostik) bestaumltigt werden Der Roumlntgenthoraxbefund ist bei einigen Erkrankungen unauffaumlllig (Asphyxie Hyperviskositaumlts-syndrom etc) bei anderen zeigt er die typischen Veraumlnderungen der Grunderkrankung

kTherapieZu einer optimalen Behandlung gehoumlrt ndash wenn immer moumlglich ndash eine Korrektur der Grundproblematik sowie eine gezielte Suppor-tivtherapie und Behandlung aller im Verlauf der Erkrankung auf-getretenen Komplikationen wie z B Hypotension myokardiale Dysfunktion Azidose Die Kinder sind zu sedieren und gegebenen-falls zu relaxieren Der entscheidende therapeutische Ansatz ist eine suffiziente maschinelle Beatmung mit ausreichender Oxyge-nierung Die fruumlher geuumlbte Hyperventilationstherapie mit einem pCO2 von 20ndash25 mmHg ist wegen der Drosselung der zerebralen Durchblutung heute obsolet Zusaumltzlich wird das kurzzeitig wirksa-me und gut steuerbare Prostazyklin auch in inhalativer Form ein-gesetzt

Als vielversprechender neuer therapeutischer Ansatz ist die in-halative Behandlung mit NO (raquonitric oxidelaquo Stickstoffmonoxid)

anzusehen NO fuumlhrt zu einer selektiven Vasodilatation der Pulmo-nalgefaumlszlige in den ventilierten Lungenarealen Zurzeit verfuumlgen nur einige Neonatalzentren uumlber die Therapiemoumlglichkeit Neugebore-ne die auf keine dieser Maszlignahmen ansprechen werden einer Hochfrequenzoszillationsbeatmungstherapie zugefuumlhrt

Reichen diese Maszlignahmen nicht aus um eine ausreichende Oxygenierung zu erreichen so sollte der Patient mit einer extrakor-poralen Membranoxygenierung (ECMO) behandelt werden Die international anerkannten Kriterien fuumlr ECMO-Therapie sind Ge-stationsalter gt34 Wochen Geburtsgewicht gt20 kg keine Gerin-nungsstoumlrung fehlendes Ansprechen auf alle erwaumlhnten therapeuti-schen Maszlignahmen und das Vorliegen eines Oxygenierungsindex (OI) von 25ndash40 (mittlerer Atemwegsdruck [cmH2O] times FiO2 times 100paO2 [mmHg])

kPrognoseDie neonatale Sterblichkeit der PPH liegt bei 20ndash30 In den wenigen Langzeituntersuchungen der uumlberlebenden Kinder wird deutlich dass nur ca 40 diese Erkrankung unbeschadet uumlberste-hen die restlichen Patienten weisen neurologische Folgeschaumlden in unterschiedlichster Auspraumlgung auf Bei 20 der Kinder wurde ein neurosensorischer Houmlrverlust diagnostiziert

779 Lungenblutung

kDefinitionEine akute von den Alveolen ausgehende Lungenblutung tritt uumlberwiegend bei Fruumlhgeborenen und hypotrophen Neugeborenen auf die an verschiedensten Erkrankungen der Neonatalperiode leiden

kEpidemiologieWaumlhrend bei mehr als 10 verstorbener Neugeborener eine Lungen-blutung autoptisch diagnostiziert wird entwickelt sich dieses lebens-bedrohliche Ereignis bei weniger als 5 aller Fruumlhgeborenen mit

Abb 741 Circulus vitiosus der perinatalen Hypoxie und postnataler Risikofaktoren die zur Entwicklung einer pulmonalen Hypertonie und per-sistierenden fetalen Zirkulation fuumlhren

Kapitel 7 middot Neonatologie166

7

einem Geburtsgewicht lt1500 g die an einem Atemnotsyndrom er-krankt sind

kAumltiologiePraumldisponierende Faktoren fuumlr eine Lungenblutung sind eine neo-natale Streptokokkenpneumonie die perinatale Asphyxie Hypo-thermie Azidose Hypoglykaumlmie Gerinnungsstoumlrungen Herzver-sagen schwere Erythroblastose Surfactanttherapie und Sauerstoff-toxizitaumlt

kKlinikAkute Blutung aus Mund Nase und den Atemwegen mit rasch progredientem Kreislauf- und Atmungsversagen In den Roumlnt-genthoraxaufnahmen zeigt sich eine zunehmende Verdichtung der Lunge

kTherapieUnverzuumlgliche Stabilisierung der Beatmungs- und Kreislaufsituation mit allen zur Verfuumlgung stehenden intensivmedizinischen Maszlignah-men sowie ndash wenn immer moumlglich ndash Behandlung der Grundproble-matik

7710 Chylothorax

kDefinitionUnter einem Chylothorax wird eine Ansammlung von chyloumlser Fluumls-sigkeit im Pleuraraum verstanden ( Abb 742)

kEpidemiologieEin angeborener Chylothorax ist ein seltenes Ereignis haumlufiger werden erworbene Ansammlungen chyloumlser Fluumlssigkeit nach kar-diochirurgischen Eingriffen beobachtet Als Folge parenteraler Langzeiternaumlhrung uumlber einen zentralen Venenkatheter wurden Thrombosierungen der oberen Hohlvene mit sekundaumlrem Chy-lothorax beschrieben

kAumltiopathogeneseDie Ursache fuumlr die Entstehung eines angeborenen Chylothorax ist unklar es wird ein angeborener Defekt des Ductus thoracicus ver-mutet Bei Neugeborenen mit Down- Noonan- und Turner-Syn-

drom sowie bei Hydrops fetalis tritt gelegentlich ein Chylothorax auf ebenso wurde nach Geburtstraumata die Entwicklung chyloumlser Effusionen berichtet

kKlinik DiagnoseDie Neugeborenen fallen unmittelbar postnatal oder innerhalb der ersten Lebenstage durch mehr oder minder ausgepraumlgte Zeichen der Atemnot auf Vor Beginn einer oralen Ernaumlhrung enthaumllt die serum-aumlhnliche Pleurafluumlssigkeit mehrere Tausend Leukozytenμl mehr als 90 sind mononukleaumlre Zellen (Lymphozyten) Nach Milchernaumlh-rung nimmt die Pleurafluumlssigkeit eine weiszligliche typisch chyloumlse Farbe an

kTherapieDie kontinuierliche Ableitung der chyloumlsen Fluumlssigkeit fuumlhrt bei den meisten Kindern zu einer Ausheilung Es treten aber z T erheb-liche Eiweiszlig- und Antikoumlrper- sowie Lymphozytenverluste auf Eine orale Ernaumlhrung mit mittelkettigen Triglyzeriden reduziert die Chylusproduktion

kPrognoseBei den meisten Formen eines Chylothoraxes kann man von einer sich selbstlimitierenden Erkrankung ausgehen Selten werden Ver-suche chirurgischer Korrekturmaszlignahmen oder intraperitoneale Shuntableitung allerdings mit unsicherem Ausgang noumltig

7711 Obstruktion der oberen Atemwege

kDefinitionAngeborene Obstruktionen der oberen Luftwege gehen haumlufig mit akuter unmittelbar postnatal auftretender Atemnot einher

kAumltiopathogenese TherapieDa Neugeborene fuumlr eine suffiziente Atmung auf eine ungehin-derte Nasenatmung angewiesen sind fuumlhren saumlmtliche anato-mischen und funktionellen Obstruktionen der oberen Luftwege zu einer akuten Atemnotsymptomatik Trotz deutlicher Atem-exkursionen unmittelbar nach der Geburt koumlnnen Neugeborene mit Choanalatresie oder Pierre-Robin-Sequenz (Mikrognathie Glossophtose Gaumenspalte) kein adaumlquates Atemzugvolumen aufbauen ( Abb 743) Diese bedrohliche Situation ist durch Einfuumlhren eines passenden Guedel-Tubus haumlufig akut zu beheben Die Bauchlage kann das Zuruumlckfallen der Zunge bei Neuge-borenen mit Pierre-Robin- Sequenz haumlufig verhindern und die Luftnotsymptomatik verbessern Eine fruumlhe individuelle kiefer-orthopaumldische Behandlung kann mit Hilfe einer Gaumenplatte und einem integrierten pharyngealen Sporn der das Zuruumlckfallen der Zunge verhindert langfristig zu einer Ausheilung der Fehl-bildung fuumlhren

Larynx- und Trachealatresien verlaufen meistens letal Der kon-genitale laryngeale Stridor auf dem Boden einer Laryngomalazie heilt bei den meisten Kindern im Verlauf des ersten Lebensjahres aus Schwieriger gestaltet sich die Behandlung einer kongenitalen oder haumlufig durch prolongierte Intubation oder Intubationsschaumlden erworbenen subglottischen Stenose Bei dieser Problematik koumln-nen langwierige tracheale Dilatationen Lasertherapien oder auch laryngotracheale Rekonstruktionen angezeigt sein

Abb 742 Linksseitig ausgepraumlgter Pleuraerguss mit Mediastinalverla-gerung nach rechts Durch Punktion Nachweis von lt90 mononukleaumlren Zellen (Lymphozyten) Diagnose linksseitiger Chylothorax

716778 middot Bluterkrankungen

78 Bluterkrankungen

781 Fetale Erythropoese

kPhysiologische BesonderheitenDie Erythropoese die am 20 Gestationstag beginnt findet in der Fetalzeit uumlberwiegend in Leber und Milz statt Erst im letzten Trime-non wird das Knochenmark zum Hauptbildungsort der Erythropo-ese Die Haumlmoglobinkonzentration steigt von 8ndash10 gdl im Alter von 12 Gestationswochen auf 165ndash20 gdl im Alter von 40 Gesta-tionswochen an Nach einem kurzen postnatalen Anstieg der Hauml-moglobinkonzentration innerhalb von 6ndash12 Lebensstunden faumlllt sie kontinuierlich auf 10 gdl im Alter von 3ndash6 Monaten ab Fruumlhgebo-rene unterhalb der 32 Gestationswoche haben niedrigere Ausgangs-haumlmoglobinkonzentrationen und erfahren einen schnelleren Abfall der Haumlmoglobinkonzentration der Tiefpunkt ist 1ndash2 Monate nach der Geburt erreicht Waumlhrend dieser physiologischen Anaumlmisie-rung laumlsst sich kaum Erythropoetin im Plasma nachweisen

kBesonderheiten fetaler ErythrozytenFetale und neonatale Erythrozyten weisen eine kuumlrzere Uumlberlebens-zeit (70ndash90 Tage) und ein groumlszligeres mittleres korpuskulaumlres Volu-men auf (MCV 110ndash120 fl) als Erythrozyten Erwachsener In den ersten Tagen nach der Geburt besteht in der Regel eine Retikulozy-tose von 50ndash120permil Die Erythrozyten enthalten uumlberwiegend feta-les Haumlmoglobin F das aus 2 α-Ketten und 2 γ-Ketten besteht Un-mittelbar vor der Geburt setzt bei einem reifen Neugeborenen die Synthese von β-Haumlmoglobinketten und damit adultem Haumlmoglobin ein (2 α-Ketten und 2 β-Ketten) Zum Zeitpunkt der Geburt haben die Erythrozyten reifer Neugeborener 60ndash90 fetales Haumlmoglobin diese Konzentration sinkt bis zum Alter von 4 Monaten auf lt5 ab

Das Blutvolumen reifer Neugeborener betraumlgt ungefaumlhr 85 mlkg KG Plazenta und Nabelgefaumlszlige enthalten ca 20ndash30 mlkg Blut

Eine spaumlte Abnabelung kann zu voruumlbergehendem Anstieg des neonatalen Blutvolumens fuumlhren (7 Abschn 784) eine zu fruumlhe Ab-nabelung zur Anaumlmie

gt Um diese Komplikationen zu vermeiden sollte die Abnabelung ca 60 s nach der Geburt erfolgen

782 Neonatale Anaumlmie

kDefinitionEine Anaumlmie Neugeborener ist durch Haumlmoglobinkonzentrationen (Hb) lt14 gdl sowie einen Haumlmatokrit (Hkt) von lt40 charakterisiert

kAumltiologieSie kann durch akuten oder chronischen Blutverlust eine ver-minderte Bildung sowie durch eine immunologisch vermittelte oder nichtimmunologisch bedingte Haumlmolyse der Erythrozyten verur-sacht sein ( Tab 710)

Nach einem akuten Blutungsereignis sind die Haumlmoglobin-konzentration und der Haumlmatokrit Fruumlh- und Neugeborener haumlufig normal und fallen erst im Rahmen der Haumlmodilution kontinuierlich ab Das zirkulierende Blutvolumen kann jedoch bereits waumlhrend der Blutungsereignisse bedrohlich vermindert sein Ein chronischer Blutverlust kann u a durch fetomaternale Transfusion zustande kommen die bei ca 50 aller Schwangerschaften beobachtet wird der fetale Blutverlust kann erheblich sein Die Diagnose einer feto-maternalen Transfusion wird durch den Nachweis von HbF-halti-gen kindlichen Erythrozyten im muumltterlichen Blut erbracht

kKlinikLeitsymptome der akuten Blutungsanaumlmie sind Blaumlsse Tachykar-die schwache oder nicht tastbare periphere Pulse Hypotension Tachypnoe und bei massivem Blutverlust Schnappatmung und Schock Die klinischen Symptome bei chronischem Blutverlust sind Blaumlsse bei erhaltener Vitalitaumlt Tachykardie und normaler Blutdruck Haumlufig besteht eine Herzinsuffizienz mit Hepatomegalie Die gele-gentlich nachweisbare Splenomegalie ist Ausdruck der extramedul-laumlren Blutbildung Selten entwickelt sich ein Hydrops fetalis Eine neonatale Anaumlmie die durch eine verminderte Bildung von Eryth-rozyten verursacht wird wie z B bei Blackfan-Diamond-Anaumlmie ist durch niedrige Retikulozytenzahlen und Fehlen von Erythrozy-tenvorstufen im Knochenmark charakterisiert Haumlufigste Ursachen fuumlr eine immunologisch vermittelte Haumlmolyse bei Neugeborenen sind Inkompatibilitaumlten zwischen muumltterlicher und kindlicher Blut-gruppe (s Rh-Erythroblastose AB0-Erythroblastose etc) Nichtim-munologische Erkrankungen die mit einer Haumlmolyse einhergehen sind Defekte der Erythrozytenmembran (hereditaumlre Sphaumlrozytose) Erythrozytenenzymdefekte (Glukose-6-Phosphatdehydrogenase- und Pyruvatkinasemangel) seltene Haumlmoglobinopathien sowie die α-Thalassaumlmie

Abb 743 3 Wochen altes Neugeborenes mit Pierre-Robin-Sequenz Aus-gepraumlgte Mikrognathie und Retrogenie mit rezidivierenden Episoden akuter Atemwegsobstruktion durch Glossophtose Nach Anpassung einer speziel-len Gaumenplatte mit distalem Sporn keine weiteren Hypoxieepisoden

Tab 710 Aumltiologie der neonatalen Anaumlmie

Blutverlust Verminderte Blutbildung

Haumlmolyse

Fetomaternale BlutungPlazenta praumlviaVorzeitige PlazentaloumlsungFetofetale TransfusionNabelschnureinrissVasa praeviaNeonatale Blutung intrakraniell gastro-intestinal u a

Konnatale und perinatale InfektionenBlackfan-Diamond-AnaumlmieKonnatale LeukaumlmieFruumlhgeborenen-anaumlmie

Rh-ErythroblastoseAB0-ErythroblastoseAndere Blutgruppen-inkompatibilitaumltenErythrozyten-membran defekteErythrozytenenzym-defekteSelten Haumlmoglobinopathien

Kapitel 7 middot Neonatologie168

7 kTherapie

gt Neugeborene mit ausgepraumlgtem akutem Blutverlust (hauml-morrhagischer Schock raquoweiszlige Asphyxielaquo) werden notfall-maumlszligig mit 0 Rh-negativem Erythrozytenkonzentrat ohne vorherige Kreuzprobe transfundiert (Hepatitis B Anti-HCV TPHA (Lues) CMV HIV negativ)

Bei allen anderen Indikationen ist vor der Transfusion eine kindliche Blutgruppenbestimmung und Kreuzprobe durchzufuumlhren Bei Verdacht auf Stoumlrung der Erythropoese und haumlmolytische Anaumlmien ist vor Gabe von Blutprodukten kindliches Blut fuumlr die entsprechen-de Spezialdiagnostik abzunehmen (s Rh-Erythroblastose u a)

783 Anaumlmie Fruumlhgeborener

Ein besonderes klinisches Problem stellt die Anaumlmie Fruumlhgeborener dar Die meisten sehr kleinen Fruumlhgeborenen entwickeln bereits waumlhrend der ersten Lebenswochen eine mehr oder weniger ausge-praumlgte Anaumlmie Eine Reihe von Faktoren sind fuumlr die Entstehung der Anaumlmie Fruumlhgeborener verantwortlich u a ein Erythropoetin-mangel der zu einer inadaumlquaten Erythropoese fuumlhrt sowie repeti-tive diagnostische Blutentnahmen Seltener entwickelt sich eine haumlmolytische Anaumlmie durch Vitamin-E-Mangel oder im Verlauf systemischer Infektionen

Bei klinischen Zeichen einer akuten oder chronischen Anaumlmie oder Hinweisen auf eine haumlmodynamisch signifikante Hypovolaumlmie ist eine Transfusion mit bestrahltem CMV-negativen Erythrozyten-konzentrat unabdingbar Eine Erythropoetintherapie kann wie in mehreren randomisierten und kontrollierten Studien belegt die Spaumltanaumlmisierung Fruumlhgeborener zu einem gewissen Grad verhin-dern Da noch eine Reihe klinisch relevanter Fragen der Erythropo-etinsubstitution ungeklaumlrt sind (optimaler Zeitpunkt des Behand-lungsbeginns Dosis Therapiedauer optimale Eisensubstitution u a) kann diese Therapie allerdings nicht als Standardtherapie empfohlen werden

784 Polyzythaumlmie Hyperviskositaumltssyndrom

kDefinitionUnter einer Polyzythaumlmie (Synonym neonatale Polyglobulie) wird ein venoumlser Haumlmatokrit gt65 (Haumlmoglobin gt22 gdl) verstanden der unter dem Bild eines Hyperviskositaumltssyndroms zu einem An-

stieg der Blutviskositaumlt zur vaskulaumlren Stase mit Mikrothrombosie-rung zu Hypoperfusion und Ischaumlmie von Organen fuumlhren kann

kAumltiologieEtwa 3ndash5 aller Neugeborenen weisen nach der Geburt einen Hkt gt65 auf Risikokollektive sind reife oder postmature hypotrophe Neugeborene (intrauterine Wachstumsretardierung chronische fe-tale Hypoxie) Patienten nach fetofetaler oder maternofetaler Trans-fusion Neugeborene nach spaumlter Abnabelung Kinder diabetischer Muumltter Nikotinabusus waumlhrend der Schwangerschaft Neugeborene mit Hyperthyreose oder Kinder mit angeborenen Erkrankungen (adrenogenitales Syndrom Trisomie 21 Beckwith-Wiedemann-Syndrom) Bei einem Haumlmatokrit von gt65 steigt die Blutviskositaumlt exponenziell an

kKlinikDie klinische Symptomatik ist auszligerordentlich vielfaumlltig und reflek-tiert die Mikrozirkulationsstoumlrungen und manifesten Durchblu-tungsstoumlrungen der betroffenen Organsysteme Die Neugebore-nen fallen haumlufig durch ihr plethorisches oder auch blass-graues Hautkolorit und eine Belastungszyanose auf Daneben finden sich Hyperexzitabilitaumlt Myoklonien Hypotonie Lethargie und zerebrale Krampfanfaumllle Bei einigen Kindern steht die kardiopulmonale so-wie renale Symptomatik im Vordergrund Atemnotsyndrom per-sistierende pulmonale Hypertonie mit PFC-Syndrom Herzinsuffi-zienz Oligurie Haumlmaturie und Nierenversagen Die Neugeborenen koumlnnen foudroyante Verlaufsformen einer nekrotisierenden Ente-rokolitis sowie einen Ileus entwickeln Daneben treten zum Teil gra-vierende Thrombozytopenien Hypoglykaumlmien Hypokalzaumlmien und ausgepraumlgte Hyperbilirubinaumlmien auf

kTherapieBeim Auftreten erster Symptome muss unverzuumlglich eine partielle modifizierte Austauschtransfusion durchgefuumlhrt werden Zur Sen-kung des Hkt auf 55 wird kindliches Blut gegen Plasma oder eine Albuminloumlsung simultan ausgetauscht (Haumlmodilution)

785 Icterus neonatorum und Hyperbilirubinaumlmie

Bilirubinstoffwechsel Durch den Abbau von Haumlmoglobin ( Bili-verdin) im retikuloendothelialen System entsteht wasser un loumlsliches unkonjugiertes Bilirubin ① Aus 1 g Haumlmoglobin werden ca 35 mg

Abb 744 Schematische Darstellung des Bilirubinstoffwechsels (ER endoplasmatisches Retikulum GK Gallenkapillare Erlaumluterungen s Text)

716978 middot Bluterkrankungen

Bilirubin gebildet Im Blut bindet sich das unkonjugierte Bilirubin an Albumin Man geht davon aus dass Albumin eine primaumlre und sekundaumlre Bindungsstelle mit unterschiedlicher Affinitaumlt fuumlr Biliru-bin besitzt Nach Transport zur Leberzelle dissoziiert das Bilirubin vom Albumin und wird aktiv mit Hilfe der Transportproteine Y und Z (Ligandine) in das Zellinnere geschleust ② Dort erfolgt die Kon-jugation durch die UDP-Glukuronyltransferase ③ das an Uridin- 5ʹ-di-Phosphat-Glukuronsaumlure gekoppelte Bilirubin ist wasserloumls-lich und wird uumlber das biliaumlre System in den Darm ausgeschieden (④ Abb 744)

Besonderheiten beim Neugeborenen Der Bilirubinstoffwechsel des Neugeborenen weist im Vergleich zum Erwachsenen einige Be-sonderheiten auf die die Entstehung des physiologischen Neugebo-renenikterus erklaumlren 4 eine 2- bis 3-fach houmlhere Bilirubinproduktion bedingt durch

die houmlhere Erythrozytenzahl und Haumlmoglobinkonzentration 4 die verkuumlrzte Erythrozytenuumlberlebenszeit (Neugeborene

70ndash90 Tage Erwachsene 120 Tage) 4 die Hydrolyse des in den Darm gelangten glukuronidierten

Bilirubins durch intestinale Glukuronidasen und vermehrte Ruumlckresorption des Bilirubins aus dem Darm (raquoenterohepati-scher Kreislauflaquo)

Dieser Vorgang wird durch eine verzoumlgerte Darmpassage des mekoniumhaltigen Darms und die fehlende intestinale Kolonisation mit Bakterien die Bilirubin in Urobilinogen und Sterkobilinogen umwandeln verstaumlrkt Weiterhin besteht eine relative Defizienz der hepatischen Transportproteine Y und Z sowie der Glukuronyl-transferaseaktivitaumlt Die Bindungskapazitaumlt des Albumins wird nicht nur von der Gesamtkonzentration des Transporteiweiszliges be-stimmt sondern auch von im Blut vorhandenen Faktoren die mit Bilirubin um die Albuminbindungsstellen konkurrieren Zu diesen Substanzen die zu einer Verdraumlngung des Bilirubins aus der Albu-minbindung fuumlhren koumlnnen gehoumlren freie Fettsaumluren Steroid-hormone und Medikamente (Sulfonamide Salizylate u a) eine verminderte Bindungsaffinitaumlt des Albuminmolekuumlls wird bei Azidose beobachtet

786 Physiologischer Ikterus

kKlinikUnter normalen Bedingungen betraumlgt der Bilirubinspiegel im Nabel-schnurblut 1ndash3 mgdl Vor dem Hintergrund der Besonderheiten des Bilirubinstoffwechsels entwickeln mehr als die Haumllfte aller reifen Neugeborenen und nahezu 80 aller Fruumlhgeborenen 2ndash3 Tage nach der Geburt einen physiologischen Ikterus der am 4ndash5 Le-benstag seinen Houmlhepunkt erreicht und dann langsam abklingt Bis zu 7 aller Neugeborenen haben maximale indirekte Bilirubin-spiegel von mehr als 13 mgdl und nahezu 3 von mehr als 15 mgdl Bei diesen Kindern findet man haumlufig eine Reihe von Risikofaktoren ethnische Zugehoumlrigkeit (Chinesen Koreaner Japa-ner) Houmlhe uumlber Meeresspiegel Polyzythaumlmie maumlnnliches Ge-schlecht Muttermilchernaumlhrung starker Gewichtsverlust verzoumlger-te Stuhlentleerung u a Der Ikterus faumlllt in der Regel bei Bilirubin-konzentrationen von 5 mgdl zuerst im Gesicht auf und breitet sich dann kaudal aus die Kinder sind nicht beeintraumlchtigt Bei Fruumlhge-borenen kann der Ikterus ausgepraumlgter sein das Maximum des Bilirubinanstieges tritt spaumlter auf und der Ikterus haumllt laumlnger an Viele Neugeborene erreichen nach ca 14 Tagen mit Erwachsenen vergleichbare Serumbilirubinspiegel

kTherapieDie meisten Neugeborenen mit physiologischem Ikterus beduumlrfen keiner speziellen Behandlung Eine Phototherapie ist nur bei Uumlber-schreiten eines festgelegten Grenzwertes indiziert

Phototherapie Durch sichtbares Licht (Wellenlaumlnge 425ndash475 nm) wird das in der Haut vorhandene Bilirubin zu nichttoxischen Biliru-binisomeren umgeformt diese wasserloumlslichen Substanzen koumlnnen ohne Glukuronidierung mit der Galle und dem Urin ausgeschieden werden Eine optimale Isomerisierung des Bilirubins findet im Be-reich des normalen Adsorptionsspektrums statt blaues Licht mit einer Wellenlaumlnge von 445 nm ist daher besonders zur Behandlung der Hyperbilirubinaumlmie geeignet Bei reifen Neugeborenen mit phy-siologischem Ikterus ohne weitere Risikofaktoren sollte eine Photo-therapie nach dem 3 Lebenstag erst bei Bilirubinserumspiegeln von gt16 mgdl begonnen werden Neuere deutschsprachige Richt-linien setzen die Behandlungsgrenze in dieser Patientengruppe bei 18 mgdl an

Durch kritiklose Anwendung von speziell fuumlr haumlmolytische Er-krankungen erstellte Therapieschemata werden zu viele Neugebore-ne ohne klare Indikationsstellung einer Phototherapie unterzogen Nebenwirkungen dieser Therapie sind Diarrhouml vermehrter Fluumlssig-keitsverlust Temperaturinstabilitaumlt und Dehydratation

Durch das blaue Licht der Phototherapielampe ist die Hautfarbe des Neugeborenen nicht mehr zu beurteilen bedrohliche klinische Veraumlnderungen und Erkrankungen (u a neonatale Infektion) wer-den moumlglicherweise trotz einer Monitoruumlberwachung zu spaumlt er-kannt Die Neugeborenen muumlssen daher regelmaumlszligig klinisch unter-sucht werden ( Abb 745)

CaveDie zum Schutz von potenziellen Retinaschaumlden zu applizierenden Schutzbrillen koumlnnen zur Verlegung der Nasenwege fuumlhren

787 Muttermilchikterus

kAumltiologieEin laumlnger bekanntes Phaumlnomen ist der deutliche Anstieg des un-konjugierten indirekten Bilirubins unter Muttermilchernaumlhrung Obwohl die exakte Ursache dieser Ikterusform bis heute nicht ge-klaumlrt ist wird vermutet dass entweder Pregnandiol oder nicht ver-

Abb 745 Neugeborenes mit Hyperbilirubinaumlmie waumlhrend einer Photo-therapie mit blauem Licht

Kapitel 7 middot Neonatologie170

7

esterte langkettige Fettsaumluren die konjugierende Aktivitaumlt der hepa-tischen Glukuronyltransferase kompetitiv hemmen Erst vor Kur-zem wurde eine erhoumlhte Aktivitaumlt von β-Glukuronidase in der Mut-termilch nachgewiesen ein erhoumlhtes enterohepatisches raquoRecyclinglaquo koumlnnte ebenfalls die erhoumlhten Bilirubinkonzentrationen erklaumlren

kVerlauf TherapieMit Muttermilch ernaumlhrte Neugeborene haben im Vergleich zu mit Formula ernaumlhrten Kindern haumlufiger houmlhere Bilirubinspiegel thera-peutische Konsequenzen ergeben sich bei den meisten Neugebore-nen nicht Allerdings entwickelt 1 von 200 mit Muttermilch ernaumlhr-ten Neugeborenen zwischen dem 4ndash7 Lebenstag einen deutlichen Anstieg der Bilirubinkonzentration das Maximum wurde bei eini-gen Neugeborenen erst in der 3 Lebenswoche erreicht Nur wenige Neugeborene mit Muttermilchikterus sind mit Phototherapie zu behandeln ein Unterbrechen des Stillens ist in der Regel nicht ange-zeigt

788 Ikterus bei Fruumlhgeborenen

kAumltiopathogeneseEine Reihe von Beobachtungen deuten darauf hin dass sehr kranke kleine Fruumlhgeborene besonders gefaumlhrdet sind eine Bilirubinenze-phalopathie zu entwickeln Die Albuminkonzentrationen sind im Vergleich zu reifen Neugeborenen haumlufig deutlich erniedrigt ver-schiedene Faktoren wie Azidose erhoumlhte Freisetzung von Fettsaumluren waumlhrend einer Hypothermie und Hypoglykaumlmie interferieren mit der Bilirubin-Albumin-Bindung Im Rahmen verschiedener Grund-erkrankungen Fruumlhgeborener kann eine erhoumlhte Permeabilitaumlt der Hirngefaumlszlige zu einem vermehrten Uumlbertritt des Bilirubins in das Hirngewebe fuumlhren Langsamer intestinaler Transport und Nah-rungsaufbau sowie verzoumlgerter Mekoniumabgang koumlnnen zu einem Bilirubinanstieg beitragen

kTherapieEine Phototherapie muss bei Fruumlhgeborenen bereits bei niedrigeren Bilirubinspiegeln als bei Neugeborenen eingeleitet werden Die differenzierten Indikationen sind in den Lehrbuumlchern der Neonato-logie dargestellt

789 Pathologische Hyperbilirubinaumlmie

kAumltiopathogeneseNeben Erkrankungen die mit einer gesteigerten Haumlmolyse ein-hergehen koumlnnen pathologische Erhoumlhungen des indirekten Biliru-bins bei angeborenen Defekten der Glukuronidierung bei erhoumlhtem Bilirubinanfall durch vermehrten Erythrozytenabbau sowie durch eine vermehrte enterale Ruumlckresorption von Bilirubin erfolgen

Aumltiologie der indirekten Hyperbilirubinaumlmie (Erhoumlhung des unkonjugierten Bilirubins)

4 Gesteigerte Haumlmolyse ndash Blutgruppeninkompatibilitaumlt

ndash Rh AB0 Kell Duffy u a ndash Neonatale Infektionen

ndash Bakteriell ndash Viral

ndash Genetisch bedingte haumlmolytische Anaumlmien ndash Enzymdefekte Glukose-6-Phosphatdehydrogenase

Pyruvatkinase ndash Membrandefekte Sphaumlrozytose u a ndash Haumlmoglobinopathien (homozygote a-Thalassaumlmie)

4 Keine Haumlmolyse ndash Verminderte Bilirubinkonjugation

ndash Physiologischer Ikterus ndash Muttermilchikterus ndash Kinder diabetischer Muumltter ndash Crigler-Najjar-Syndrom (genetisch bedingter

Glukuronyltransferasemangel) ndash Gilbert-Meulengracht-Syndrom (verminderte Bilirubin-

aufnahme in Leberzelle) ndash Hypothyreose ndash Medikamente (Pregnandiol)

ndash Vermehrter Bilirubinanfall ndash Polyzythaumlmie ndash Organblutungen Haumlmatome

ndash Vermehrte enterale Ruumlckresorption von Bilirubin ndash Intestinale Obstruktion ndash Unzureichende Ernaumlhrung (verminderte Peristaltik)

7810 Morbus haemolyticus neonatorum

kAllgemeine AumltiopathogeneseDie haumlufigsten Ursachen fuumlr einen Morbus haemolyticus neonato-rum sind Blutgruppenunvertraumlglichkeiten zwischen Mutter und Fetus die Rhesus-Inkompatibilitaumlt (Rh) die AB0-Erythroblastose und seltene Unvertraumlglichkeiten gegen andere erythrozytaumlre Antige-ne (Kell Duffy u a) Durch Uumlbertritt von fetalen inkompatiblen Erythrozyten waumlhrend der Schwangerschaft oder vorherige Transfu-sion mit nicht blutgruppengleichen Erythrozyten (Sensibilisierung) reagiert das muumltterliche Immunsystem mit der Bildung spezifischer IgG-Antikoumlrper Diese Immunglobuline sind plazentagaumlngig und binden sich nach Uumlbertritt auf das Kind an spezifische Antigen-strukturen fetaler Erythrozyten Die Folge ist ein vorzeitiger und vermehrter Abbau der fetalen Erythrozyten der Fetus beantwortet diese In-utero-Haumlmolyse mit einer Steigerung vorwiegend der extramedullaumlren Blutbildung (Leber Milz) es gelangen unreife Erythrozyten (Erythroblasten) in die kindliche Blutbahn Das durch die gesteigerte Haumlmolyse anfallende indirekte Bilirubin wird uumlber die Plazenta transportiert und vom hepatischen Enzymsystem der Mutter glukuronidiert und biliaumlr ausgeschieden selbst bei schwerer fetaler Haumlmolyse sind die kindlichen Bilirubinkonzentrationen int-rauterin kaum erhoumlht

7811 Kernikterus Bilirubinenzephalopathie

kAumltiologieUnkonjugiertes nicht an Albumin gebundenes Bilirubin kann auf-grund seiner lipophilen Eigenschaften leicht in das zentrale Nerven-system eindringen Es inhibiert den neuronalen Metabolismus (eine Hemmung der oxidativen Phosphorylierung) und hinterlaumlsst eine irreversible Schaumldigung im Bereich der Basalganglien des Globus pallidus des Nucleus caudatus (Kernikterus) des Hypothalamus einiger Kerngebiete von Hirnnerven und auch der Groszlighirnrinde ( Abb 746) Bei einer erhoumlhten Permeabilitaumlt der Blut-Hirn-

6

717178 middot Bluterkrankungen

Schranke (schwere Anaumlmie Hypoxie Hydrops) kann auch an Albu-min gebundenes Bilirubin in das Hirngewebe uumlbertreten

kPathogeneseDie Entstehung einer Bilirubinenzephalopathie wird von folgenden Faktoren beeinflusst Lebensalter und Reifegrad der Kinder Uumlber-schreiten der Albuminbindungskapazitaumlt durch zu hohe Bilirubin-spiegel Verminderung der Bindungskapazitaumlt bei Hypalbuminaumlmie Verdraumlngung des Bilirubins durch Gallensaumluren freie Fettsaumluren (Hypoglykaumlmie) oder Medikamente und Veraumlnderungen bzw Schaumldigung der Blut-Hirn-Schranke nach Asphyxie Hypoxie neo-nataler Meningitis und anderen Erkrankungen

kKlinikDie Fruumlhsymptome der Bilirubinenzephalopathie sind Apathie Hypotonie Trinkschwaumlche Erbrechen abgeschwaumlchte Neugebore-nenreflexe und schrilles Schreien Danach fallen die Neugeborenen durch eine vorgewoumllbte Fontanelle eine opisthotone Koumlrperhaltung muskulaumlre Hypertonie und zerebrale Krampfanfaumllle auf Uumlberleben-de Kinder weisen haumlufig eine beidseitige Taubheit choreoathetoi-de Bewegungsmuster sowie eine mentale Retardierung auf

kTherapieKeine therapeutische Maszlignahme kann diese irreversible Schaumldi-gung ruumlckgaumlngig machen In der heutigen Zeit sollte diese vermeid-bare Komplikation nicht mehr auftreten Gerade in den westlichen Industrienationen wird aber inzwischen eine zunehmende Anzahl von Kindern beobachtet die an den Folgen einer Bilirubinenzapha-lopathie leiden Ziel aller in der Peri- und Neonatalmedizin taumltigen Aumlrzte Hebammen und Kinderkrankenschwestern muss es sein die Fruumlh- und Neugeborenen mit einem erhoumlhten Risiko fuumlr eine Hy-perbilirubinaumlmie fruumlhzeitig zu identifizieren und einer adaumlquaten Therapie zuzufuumlhren

7812 AB0-Erythroblastose

kEpidemiologieMit einer AB0-Unvertraumlglichkeit ist bei ca 1 von 200 Neugeborenen zu rechnen

kPathogeneseIm Gegensatz zur Rh-Inkompatibilitaumlt tritt die AB0-Erythroblastose haumlufig in der ersten Schwangerschaft auf Muumltter mit der Blutgrup-pe 0 haben natuumlrlich vorkommende Anti-A- und Anti-B-Antikoumlr-per (Isoagglutinine) die zur Gruppe der IgM-Antikoumlrper gehoumlren und deshalb nicht die Plazenta passieren Dennoch bilden einige Schwangere plazentagaumlngige IgG-Antikoumlrper die gegen die kindli-che Blutgruppeneigenschaft A B oder AB gerichtet sind Die muumlt-terliche IgG-Antikoumlrperbildung kann vermutlich durch exogene Ursachen wie z B Darmparasiten stimuliert werden Als weitere Ursache wird der Uumlbertritt kindlicher Erythrozyten in die muumltterli-che Zirkulation vermutet da die Antigenitaumlt der kindlichen Blut-gruppeneigenschaften erst gegen Ende der Schwangerschaft voll ausgebildet ist erklaumlrt sich der im Vergleich zur Rh-Inkompatibilitaumlt milde Verlauf der haumlmolytischen Erkrankung beim ersten Neugebo-renen sowie die Tatsache dass Fruumlhgeborene nur extrem selten an einer AB0-Inkompatibilitaumlt erkranken Der Schweregrad der haumlmo-lytischen Erkrankung Neugeborener nimmt bei nachfolgenden Schwangerschaften in der Regel nicht zu Der Grund liegt vermutlich in einer Suppression der IgG-Antikoumlrperbildung durch die natuumlrlich vorkommenden IgM-Anti-A- oder Anti-B-Antikoumlrper

kKlinikDie Neugeborenen weisen meistens nur eine geringgradige Anaumlmie auf es besteht nur selten eine Hepatosplenomegalie die Kinder entwickeln keinen Hydrops Im peripheren Blut finden sich neben Retikulozyten und Erythroblasten als Ausdruck der gesteigerten Erythropoese Sphaumlrozyten die infolge der komplementvermittelten Haumlmolyse durch Fragmentation entstehen Erkrankte Neugeborene sind lediglich durch die Hyperbilirubinaumlmie und das damit verbun-dene Risiko einer Bilirubinenzephalopathie gefaumlhrdet

kDiagnoseDie wesentlichen diagnostischen Merkmale der AB0-Inkompatibi-litaumlt im Vergleich zur Rh-Inkompatibilitaumlt sind in der Tab 711 zusammengefasst

kTherapieDurch eine rechtzeitig begonnene und konsequent durchgefuumlhrte Phototherapie koumlnnen bei den meisten Kindern kritische Bilirubin-serumkonzentrationen vermieden werden Eine Austauschtrans-fusion ist nur extrem selten durchzufuumlhren Durch zirkulierende Antikoumlrper kann sich in den ersten Lebenswochen eine in der Regel blande verlaufende Anaumlmie entwickeln

7813 Rh-Erythroblastose

kEpidemiologieUngefaumlhr 15 der europaumlischen Bevoumllkerung sind Rh-negativ ca 5 der amerikanischen schwarzen Bevoumllkerung Vor Einfuumlhrung der Anti-D-Prophylaxe betrug die Praumlvalenz der Rh-Inkompatibili-taumlt 45 erkrankte Kinder pro 10000 Lebendgeborene Die Erkran-kungshaumlufigkeit konnte um weit mehr als 90 reduziert werden

kAumltiopathogeneseDas erythrozytaumlre Rhesusantigensystem besteht aus 5 Antigenen C D E c und e d hat keine antigenen Eigenschaften Bei ca 90 der Faumllle von Rhesusinkompatibilitaumlt sensibilisiert das D-Antigen des Fetus die Rh(d)-negative Mutter die in der Folge IgG-Antikoumlrper (Anti-D-Antikoumlrper) bildet Da in der Fruumlhschwangerschaft nur

Abb 746 Charakteristische Bilirubinablagerungen in den Stammgang-lien bei Bilirubinenzephalopathie

Kapitel 7 middot Neonatologie172

7

ausnahmsweise kindliche Erythrozyten in den Kreislauf der Mutter gelangen bildet die Mutter keine oder nur geringe Mengen an Anti-D-Antikoumlrpern Das erste Kind bleibt entweder gesund oder entwi-ckelt nur eine haumlmolytische Anaumlmie undoder Hyperbilirubinaumlmie vorausgesetzt dass eine fruumlhere Sensibilisierung durch Aborte oder Bluttransfusionen ausgeschlossen ist Unter der Geburt und bei der Plazentaloumlsung kann eine groumlszligere Menge kindlicher Erythrozyten in die muumltterliche Blutbahn uumlbertreten Die Rh-Erythroblastose bei unterlassener Rh-Prophylaxe manifestiert sich typischerweise waumlh-rend der 2 und weiteren Schwangerschaften mit zunehmendem Schweregrad der fetalen Erkrankung die in einen Hydrops fetalis einmuumlnden kann

kKlinikIn Abhaumlngigkeit vom Schweregrad der Erkrankung bestehen eine mehr oder weniger ausgepraumlgte Anaumlmie ein Icterus praecox (Ge-samtbilirubin gt7 mgdl innerhalb der ersten 24 Lebensstunden) ein Icterus gravis (Gesamtbilirubin gt15 mgdl bei reifen Neugebore-nen) und als Ausdruck der extramedullaumlren Blutbildung eine Hepa-tosplenomegalie Als Zeichen der gesteigerten Haumlmatopoese sind Erythroblasten und Retikulozyten im peripheren Blut in groszliger Zahl nachweisbar

Hydrops fetalis Bei schwerer fetaler Anaumlmie (Haumlmoglobin lt8 gdl) koumlnnen sich eine intrauterine Hypoxie und Hypoproteinaumlmie infol-ge einer verminderten Albuminsynthese entwickeln Veraumlnderun-gen der Zellpermeabilitaumlt und Verminderungen des onkotischen Drucks fuumlhren zu generalisierten Oumldemen Houmlhlenerguumlssen (Aszi-tes Pleuraerguss Perikarderguss) Hypervolaumlmie und Herzinsuffizi-enz ( Abb 747) Beim generalisierten Hydrops kann bereits ein intrauteriner Fruchttod oder eine irreparable zerebrale Schaumldigung auftreten

kDiagnoseIm Rahmen der Schwangerschaftsvorsorge wird bei allen Frauen im Verlauf der Schwangerschaft nach irregulaumlren Antikoumlrpern gesucht um Inkompatibilitaumlten in Rh- Duffy- Kell- oder anderen Blut-gruppensystemen zu erkennen Mit dem indirekten Coombs-Test werden plazentagaumlngige IgG-Antikoumlrper nachgewiesen Bei vorhan-denen Antikoumlrpern ist eine engmaschige fetale Ultraschalldiag-nostik imperativ Da keine Korrelation zwischen der Houmlhe vorhan-

dener Antikoumlrper und dem Schweregrad der moumlglichen kindlichen Erkrankung besteht ist bei vorhandenen Antikoumlrpern eine sequen-zielle Bestimmung der fetalen zerebralen Durchblutung indiziert Die dopplersonographische Messung der Flussgeschwindigkeit kor-reliert mit dem Grad der Anaumlmisierung Nur noch selten wird eine Fruchtwasseruntersuchung (Amniozentese) zur Bilirubinbestim-mung durchgefuumlhrt Das Ausmaszlig der Haumlmolyse laumlsst sich durch spektrophotometrische Analyse der optischen Dichte (450 nm) des Fruchtwassers ablesen (Liley-Diagramm) Durch Zuordnung in 3 Gefahrenzonen kann der kindliche Zustand beurteilt und ent-sprechende therapeutische Konsequenzen eingeleitet werden

Nach der Geburt sind beim Neugeborenen unverzuumlglich folgen-de Bestimmungen durchzufuumlhren 4 Haumlmoglobinkonzentration 4 Serumbilirubinspiegel 4 Blutgruppenbestimmung 4 Coombs-Test 4 Retikulozytenzahl 4 Blutausstrich

Bei Neugeborenen mit Rh-Erythroblastose ist neben den beschrie-benen haumlmatologischen Auffaumllligkeiten immer ein positiver direk-ter Coombs-Test zu finden (Nachweis von inkompletten an kind-liche Erythrozyten gebundene Antikoumlrper) Unmittelbar nach der Geburt kann die Konzentration des indirekten Bilirubins stark an-steigen es sind daher engstmaschige Bilirubinbestimmungen erfor-derlich

Tab 711 Unterschiede zwischen der Rh- und ABO-Inkompatibilitaumlt

Inkompatibilitaumlt

Rh ABO

Erkrankung bei erster Schwangerschaft Selten Haumlufig

Fruumlhzeitige Anaumlmisierung des Kindes ++ +

Hyperbilirubinaumlmie waumlhrend der ersten 24 h post partum

++ +

Erythroblasten +++ +

Sphaumlrozyten plusmn ++

Retikulozyten ++ + bis ++

Direkter Coombs-Test (Kind) +++ ndash bis +

Indirekter Coombs-Test (Mutter) +++ plusmn

Abb 747a b Fruumlhgeborenes der 35 Gestationswoche mit Hydrops fetalis bei Erythroblastosis fetalis Uumlbersicht (a) deutliche Oumldeme der linken unteren Extremitaumlt (b) Neben generalisierten Oumldemen wies das Fruumlhge-borene einen ausgepraumlgten Aszites sowie beidseitige Pleuraerguumlsse auf

a

b

717378 middot Bluterkrankungen

kTherapieIntrauterine Therapie des Feten Bei ausgepraumlgter fetaler Anaumlmie ist eine intrauterine Transfusion in die kindliche Bauchhoumlhle oder neuerdings durch Kordozentese in die Nabelvene erforderlich bei ersten Zeichen eines Hydrops fetalis ist eine vorzeitige Beendigung der Schwangerschaft durch Sectio caesarea notwendig

Phototherapie Bei leichten Verlaumlufen (einer Rh-Inkompatibilitaumlt) kann eine Phototherapie unter Umstaumlnden in 2 Ebenen zur Behand-lung der Hyperbilirubinaumlmie ausreichen Die Indikation fuumlr den Beginn einer Phototherapie haumlngt vom Gestationsalter Lebensalter Houmlhe der Bilirubinkonzentration Dynamik des Bilirubinanstieges von dem Ausmaszlig der Anaumlmie und anderen Risikofaktoren ab

Austauschtransfusion Zur Vermeidung der Bilirubinenzephalopa-thie wird nach wie vor eine Austauschtransfusion reifer Neugebo-rener bei Bilirubinserumkonzentrationen gt20 mgdl empfohlen bei schweren Grunderkrankungen (Asphyxie neonatale Sepsis haumlmo-lytische Anaumlmie u a) sowie einer Hyperbilirubinaumlmie in den ersten 3 Lebenstagen liegt die Austauschgrenze in dieser Gruppe niedriger Fuumlr Fruumlhgeborene gelten besondere Austauschgrenzen (Fruumlhge-borene mit einem Gewicht von gt1500 g gt15 mgdl Fruumlhgeborene gt1000 g gt10 mgdl) Der Blutaustausch erfolgt mit kompatiblem Spendervollblut in 5ndash20-ml-Portionen uumlber einen liegenden Nabel-venenkatheter durch diese Maszlignahme wird das 2- bis 3fache Blut-volumen eines Neugeborenen ausgetauscht d h ca 90 der kind-lichen Erythrozyten werden neben muumltterlichen Antikoumlrpern und verfuumlgbarem Bilirubin eliminiert Als Komplikationen der Blut-austauschtransfusion koumlnnen Infektionen (u a Sepsis) Katheter-perforation Pfortaderthrombose Hypotension Azidose nekrotisie-rende Enterokolitis und Elektrolytentgleisungen auftreten Nach ei-nem Blutaustausch besteht haumlufig eine Anaumlmie und Thrombozyto-penie durch eine zusaumltzliche kontinuierlich durchgefuumlhrte Phototherapie kann die Zahl von mehrfachen Austauschtransfusio-nen gesenkt werden

kPraumlventionDurch Gabe eines Anti-D-Immunglobulins innerhalb von 72 h nach der Geburt kann die Sensibilisierung einer Rh-negativen Mutter durch die Rh-positiven fetalen Erythrozyten haumlufig vermieden wer-den Die Anti-D-Prophylaxe muss bei Rh-negativen Frauen auch nach Aborten Amniozentesen oder unsachgemaumlszliger Transfusion mit Rh-positivem Blut durchgefuumlhrt werden

gt In der ersten Schwangerschaft kann eine maternale Im-munglobulinprophylaxe in der 28 Gestationswoche und unmittelbar postnatal die Sensibilisierung auf weniger als 1 reduzieren

Nach bisherigen Kenntnissen scheint die im letzten Trimenon durchgefuumlhrte Anti-D-Prophylaxe beim Neugeborenen keine kli-nisch signifikante Haumlmolyse auszuloumlsen

kPrognoseTrotz adaumlquater Initialbehandlung entwickeln die Kinder aufgrund der noch vorhandenen Anti-D-Antikoumlrper haumlufig eine uumlber mehrere Wochen anhaltende Spaumltanaumlmie Bei erhoumlhten Retikulozytenzahlen und asymptomatischem Kind ist keine weitere Therapie notwendig Stellen sich eine persistierende Tachykardie sowie andere Zeichen der chronischen Anaumlmie ein so ist eine weitere Transfusion in-diziert Selten wird eine Pfortaderthrombose nach Austauschtrans-fusion beobachtet diese schwerwiegende Komplikation ist thera-peutisch nicht zu beeinflussen

7814 Weitere haumlmolytische Erkrankungen

Blutgruppenunvertraumlglichkeiten gegen andere Erythrozytenanti-gene [c E Kell (K) Duffy u a] sind fuumlr weniger als 5 aller haumlmo-lytischen Erkrankungen der Neonatalperiode verantwortlich Der direkte Coombs-Test ist bei diesen Unvertraumlglichkeiten immer posi-tiv Kongenitale Infektionen mit verschiedenen Erregern sowie neo-natale Infektionen koumlnnen eine nichtimmunologische Haumlmolyse induzieren Die homozygote α-Thalassaumlmie kann sich ebenfalls un-ter dem Bild einer schweren haumlmolytischen Anaumlmie mit Hydrops fetalis praumlsentieren auch bei dieser und den folgenden Erkrankun-gen ist der direkte Coombs-Test negativ Haumlmolytische Anaumlmie und ausgepraumlgte Hyperbilirubinaumlmie mit Gefahr der Bilirubinenzepha-lopathie werden bei Neugeborenen mit hereditaumlrer Sphaumlrozytose oder angeborenen Enzymdefekten wie dem Pyruvatkinase- oder Glukose-6-Phosphatdehydrogenasemangel beobachtet

7815 Direkte Hyperbilirubinaumlmie

Eine direkte Hyperbilirubinaumlmie (direktes konjugiertes Bilirubin gt2 mgdl) wird bei einer Reihe angeborener und erworbener hepa-tischer sowie extrahepatischer Erkrankungen gefunden Groumlszligere Schwierigkeiten bereitet es die extrahepatische Gallengangsatresie von der neonatalen Hepatitis abzugrenzen Bei einigen Kindern konn-te inzwischen belegt werden dass eine Hepatitis der Entwicklung einer Gallengangsatresie vorausging Eine nicht unerhebliche Anzahl Neu-geborener mit prolongierter direkter Hyperbilirubinaumlmie hat als Grund erkrankung einen α1-Antitrypsinmangel (α1-Proteinase-In-hibitor) Ebenso wird ein cholestatischer passagerer Ikterus haumlufig bei Fruumlh- und Neugeborenen beobachtet die eine langzeitige parenterale Ernaumlhrung erhalten Als Ursache wird weniger die Infusion mit Lipi-den als die Gabe bestimmter Aminosaumluren vermutet

Aumltiologie der direkten Hyperbilirubinaumlmie (Erhoumlhung des konjugierten Bilirubins)

4 Intrahepatische Cholestase ndash Neonatale Hepatitis (B) ndash Perinatale Infektionen (CMV u a) ndash Syndrom der eingedickten Galle ndash Parenterale Ernaumlhrung ndash α1-Antitrypsinmangel (= α1-Proteinasemangel) ndash Galaktosaumlmie Tyrosinose ndash Intrahepatische Gallengangshypoplasie (Alagille-

Syndrom) 4 Extrahepatische Cholestase

ndash Gallengangsatresie ndash Choledochuszyste ndash Zystische Fibrose (Mukoviszidose)

7816 Weiszliges Blutbild Neugeborener

Die peripheren Gesamtleukozytenzahlen sowie die Verteilung der einzelnen Leukozytensubpopulationen unterscheiden sich waumlhrend der Neonatalperiode deutlich von denen spaumlterer Lebensalter Im Zusammenhang mit dem Geburtsvorgang werden physiologischer-weise die Knochenmarksreserven der Fruumlh- und Neugeborenen mobilisiert d h die Zahl unreifer und reifer Granulozyten steigt in der Peripherie an Das Maximum der Granulozytose ist 12 h post

Kapitel 7 middot Neonatologie174

7partum erreicht im Verlauf der ersten 3 Lebenstage faumlllt die Zellzahl kontinuierlich ab Eine stabile obere Normgrenze findet sich vom 5 Lebenstag an In Abb 748 sind die Gesamtzahl der neutrophilen Granulozyten und der unreifen Granulozyten (Stabkernige und ju-gendliche Formen) waumlhrend der Neonatalperiode dargestellt

Erniedrigte Gesamtzahlen der neutrophilen Granulozyten werden nach muumltterlicher Hypertonie EPH-Gestose und viralen konnatalen Infektionen beobachtet sie sind moumlglicherweise Aus-druck einer verminderten Bildung von Granulozyten im kindlichen Knochenmark Daneben tritt eine Neutrozytopenie haumlufig bei Neu-geborenen mit neonataler Sepsis auf im Verlauf der Erkrankung werden uumlberwiegend periphere neutrophile Granulozyten ver-braucht die Knochenmarkreserven sind durch die geburtsbedingte Mobilisierung der Granulozyten erschoumlpft

Nach Regeneration der Knochenmarksreserven entwickeln Neugeborene die nach dem 3 Lebenstag an einer Sepsis erkranken haumlufig eine Granulozytose In der Regenerationsphase einer neona-talen Infektion kann gelegentlich eine leukaumlmoide Reaktion be o-bachtet werden

7817 Neonatale Thrombozytopenie

kAumltiologieDie wesentlichen maternalen und kindlichen Ursachen und Erkran-kungen die eine neonatale Thrombozytopenie (lt150000 Thrombo-zytenμl) ausloumlsen koumlnnen sind in Tab 712 dargestellt

Maternale Ursachen Im Rahmen einer aktiven idiopatisch throm-bozytopenischen Purpura (ITP) oder eines Lupus erythematodes koumlnnen die maternalen Autoantikoumlrper durch diaplazentaren Uumlber-tritt beim Neugeborenen eine Immunthrombozytopenie induzie-ren Bei Muumlttern die sich gegen Medikamente sensibilisiert haben wurde nach Anlagerung des Antigen(Medikament)-Antikoumlrper-Komplexes an fetale Blutplaumlttchen von der Entwicklung einer Thrombozytopenie berichtet

Kindliche Ursachen Unter den kindlichen Ursachen ist das Wiskott-Aldrich-Syndrom hervorzuheben Aufgrund eines intrinsi-schen Thrombozytendefekts ist die Uumlberlebenszeit der Blutplaumlttchen deutlich vermindert Die Thrombozyten sind bei dieser Erkrankung deutlich kleiner als bei allen anderen Formen der neonatalen Throm-bozytopenie Mithilfe moderner haumlmatologischer Analysegeraumlte soll-te die Diagnose dieser komplexen Immundefizienzerkrankung noch vor Auftreten der typischen Manifestationszeichen gestellt werden

7818 Neonatale Alloimmunthrombozytopenie

kDefinitionBei der neonatalen Alloimmunthrombozytopenie handelt es sich um eine fetomaternale Thrombozyteninkompatibilitaumlt

kPathogeneseKindliche Thrombozyten die spezifische inkompatible Antigene tragen und im Verlauf der Schwangerschaft in den muumltterlichen Blutkreislauf gelangen koumlnnen bei den Muumlttern eine humorale Im-munantwort gegen das fremde Plaumlttchenantigen ausloumlsen die ma-ternalen Thrombozyten weisen dieses Antigenmerkmal nicht auf In der Folge treten die im muumltterlichen Organismus gebildeten IgG-Iso-Antikoumlrper diaplazentar auf das Kind uumlber binden an die kindlichen Thrombozyten und fuumlhren zu einem beschleunigten Abbau der Blutplaumlttchen Die maternalen Thrombozytenzahlen sind normal

kEpidemiologieDie Inzidenz der Alloimmunthrombozytopenie wird mit 12ndash3000 Neugeborenen angegeben Verantwortlich fuumlr die muumltter-liche Sensibilisierung ist in mehr als 75 der Faumllle das plaumlttchenspe-zifische Antigen PLA1 das bereits in der 19 Schwangerschaftswoche von den fetalen Thrombozyten exprimiert wird 98 der Bevoumllke-rung besitzen PLA1-positive Thrombozyten Weitere Plaumlttchenanti-gene fuumlr die Sensibilisierungen beschrieben wurden sind PLA2 PLE1 PLE2 u a Bis zu 15 der betroffenen Neugeborenen koumlnnen an den Folgen einer zu spaumlt erkannten Alloimmunthrombozytope-nie versterben Bei komplikationslosen Verlaumlufen limitiert sich die Krankheit innerhalb der ersten 4ndash6 Lebenswochen durch Elimina-tion der zirkulierenden Antikoumlrper in der Regel von selbst Eine Sen-sibilisierung mit Entwicklung der Thrombozyteninkompatibilitaumlt tritt im Verlauf der 1 Schwangerschaft bei ca 50 der Risikokons-tellationen auf das Wiederholungsrisiko steigt bei weiteren Schwan-gerschaften auf 85 an

kKlinikKlinisch symptomatische Neugeborene mit Alloimmunothrombo-zytopenie fallen durch Petechien Purpura und gelegentlich Schleimhautblutungen auf Neben renalen und gastrointestinalen Blutungen ist die gefuumlrchtete Komplikation eine innerhalb der ersten

Tab 712 Ursachen der neonatalen Thrombozytopenie

Muumltterliche Ursachen Kindliche Ursachen

Idiopathisch thrombozyto-penische Purpura der MutterLupus erythematodes der MutterMedikamente waumlhrend der SchwangerschaftThrombozyten-Inkompatibi-litaumlt Alloimmunthrombozy-topenie

Konnatale Infektionen Toxoplas-mose Roumlteln Zytomegalie Herpes simplex LuesNeonatale Infektionen Sepsis neonatorumDisseminierte intravaskulaumlre Gerinnungsstoumlrung nach Asphyxie Schock etcNekrotisierende EnterokolitisAustauschtransfusionSelten aplastische Anaumlmie kongeni-tale Leukaumlmie Wiskott-Aldrich-Syndrom Riesenhaumlmangiom u aRetardierungPolyzythaumlmie

Abb 748 Gesamtzahl der neutrophilen Granulozyten gesunder Neuge-borener im Verlauf der ersten 28 Lebenstage

717579 middot Nekrotisierende Enterokolitis

Lebenstage auftretende Hirnblutung Einige Neugeborene sind auch bei ausgepraumlgten Thrombozytopenien symptomfrei

kDiagnoseDie Diagnose wird durch Nachweis spezifischer Thrombozyten-merkmale und Antikoumlrpernachweis bei Mutter und Kind gestellt

kTherapieBei Thrombozytenzahlen lt50000μl oder klinischen Blutungs-zeichen ist eine sofortige Transfusion eines kompatiblen Thrombo-zytenkonzentrats angezeigt Ein Problem stellt jedoch die Selektion geeigneter Thrombozytenspender dar da 98 der Bevoumllkerung PLA1-positive Thrombozyten besitzen und somit als Spender aus-scheiden Eine Thrombozytentypisierung potenzieller Spender ist nur in wenigen Blutbanken vorhanden

gt Als idealer Spender kompatibler Thrombozyten kommt daher nur die Mutter in Frage Das Verfahren der Thrombo-zytenisolierung durch Zellseparation wird auch unmittel-bar nach der Geburt von den Muumlttern gut toleriert

Einige Neugeborene sprechen auch auf eine hochdosierte intra-venoumlse Immunglobulintherapie an

Bei erneuter Schwangerschaft einer sensibilisierten Mutter be-steht ein hohes Risiko fuumlr das Kind an einer Alloimmunthrombozy-topenie zu erkranken Der durch Nabelschnurpunktion erfolgte Nachweis einer fetalen Thrombozytopenie kann eine repetitive In-utero-Transfusion von kompatiblen Thrombozyten erfordern Der therapeutische Effekt einer hochdosierten muumltterlichen Thera-pie mit Gammaglobulinpraumlparaten ist aufgrund der unzureichenden Datenlage noch nicht zu beurteilen

7819 Koagulopathien

In der Neonatalperiode werden nicht selten Stoumlrungen der plasma-tischen Blutgerinnung beobachtet sie koumlnnen Ausdruck einer an-geborenen Defizienz an Gerinnungsfaktoren (s Haumlmophilie u a) eines Vitamin-K-Mangels oder einer disseminierten intravasalen Gerinnungsstoumlrung (DIC raquodisseminated intravascular coagulati-onlaquo) sein Neugeborene haben erniedrigte Plasmakonzentrationen nahezu aller Gerinnungsfaktoren besonders die Synthese der vita-min-K-abhaumlngigen Faktoren II VII IX und X ist gestoumlrt Es gibt keinen diaplazentaren Uumlbertritt von Gerinnungsfaktoren

7820 Morbus haemorrhagicus neonatorum (Vitamin-K-Mangel)

kDefinitionDer Morbus haemorrhagicus neonatorum ist eine durch einen Vita-min-K-Mangel ausgeloumlste potenziell lebensbedrohliche Erkrankung die durch praumlventive Vitamin-K-Substitution verhindert werden kann

kEpidemiologieBei ca 1 von 200 Neugeborenen die keine postnatale Vitamin-K-Prophylaxe erhalten haben tritt ein unerwartetes Blutungsereignis innerhalb der ersten Lebenswochen auf

kAumltiologieVitamin K ist fuumlr die hepatische Synthese von Prothrombin Faktor VII IX und X verantwortlich Ein Vitamin-K-Mangel kann sich bei Neugeborenen zu verschiedenen Zeitpunkten manifestieren

Eine am 1 Lebenstag aufgetretene Blutung wird nach muumltter-licher Medikamenteneinnahme beobachtet Phenytoin Phenobar-bital Primidon Salizylate Antikoagulanzien u a beeintraumlchtigen den Vitamin-K-Metabolismus Neugeborener eine muumltterliche Heparinbehandlung dagegen hat keine Auswirkungen auf das kind-liche Gerinnungssystem Die typische Vitamin-K-Mangelblutung des reifen Neugeborenen tritt vom 3ndash7 Lebenstag uumlberwiegend bei mit Muttermilch ernaumlhrten Kindern auf Muttermilch hat nur einen geringen Vitamin-K-Gehalt Bei allen Fruumlh- und Neugeborenen die einer antibiotischen Langzeitbehandlung oder einer parenteralen Ernaumlhrung unterzogen sind koumlnnen sich bei mangelnder Vitamin-K-Substitution im Verlauf der Neonatalperiode bedrohliche Blutun-gen entwickeln Eine Spaumltmanifestation des Vitamin-K-Mangels im Alter von 4ndash12 Wochen kann bei mit Muttermilch ernaumlhrten Saumluglingen besonders aber bei Kindern mit einer Vitamin-K-Malab-sorption auftreten (Mukoviszidose cholestatischer Ikterus u a bei Gallengangsatresie Wachstumshemmung der vitamin-K-produzie-renden intestinalen mikrobiellen Flora durch Antibiotika)

kKlinikEine Vitamin-K-Mangelblutung ist immer dann zu vermuten wenn ein gesund wirkendes Neugeborenes spontane Haumlmorrhagien ent-wickelt Haumlmatemesis gatrointestinale Blutung (Melaena vera) Epi-staxis Nabelschnur- und Hautblutungen intrakranielle Blutung u a

kDifferenzialdiagnoseEine in den ersten Lebenstagen auftretende Haumlmatemesis oder Melaumlna kann auch durch muumltterliches bei der Geburt verschlucktes Blut verursacht sein

gt Mithilfe des Alkaliresistenztests (Apt-Test) kann in kuumlrzester Zeit entschieden werden ob es sich um kind-liches oder muumltterliches Blut handelt

Kindliche Erythrozyten enthalten uumlberwiegend alkaliresistentes Haumlmoglobin F sie werden in einer Loumlsung von 1 Natronlauge nicht denaturiert die Loumlsung bleibt roumltlich gefaumlrbt Die muumltterlichen Haumlmoglobin A enthaltenen Erythrozyten dagegen werden sofort zerstoumlrt die Loumlsung bekommt eine gelblich-braune Farbe

kPraumlvention TherapieBei manifester Vitamin-K-Mangelblutung (Risikopatienten Vita-min-K-Malabsorption) muss unverzuumlglich Vitamin K iv appliziert werden zusaumltzlich kann die Gabe von Frischplasma notwendig sein Houmlhere Dosen von Vitamin K sind bei muumltterlicher Medikamenten-einnahme oder Lebererkrankung des Neugeborenen indiziert Der Verdacht dass intramuskulaumlr injiziertes Vitamin K zu einem er-houmlhten Krebsrisiko bei Kindern fuumlhrt konnte inzwischen eindeutig widerlegt werden

gt Durch routinemaumlszligig prophylaktische Gabe von Vitamin K an alle Neugeborenen unmittelbar post partum sowie am 5 und 28 Lebenstag laumlsst sich ein Morbus haumlmorrhagicus neonatorum vermeiden (jeweils 2 mg Vitamin K oral)

79 Nekrotisierende Enterokolitis

kGrundlagenDie nekrotisierende Enterokolitis (NEC) ist eine akut auftretende inflammatorische Erkrankung des Duumlnn- und Dickdarms welche im Verlauf zu einem septischen Krankheitsbild mit disseminierten Darmnekrosen fuumlhrt Die Ursache ist multifaktoriell Die NEC ist die

Kapitel 7 middot Neonatologie176

7

haumlufigste Ursache gastrointestinaler Notfallsituationen Neugebore-ner vor allem erkranken Fruumlhgeborene mit einem Geburtsgewicht unter 1500 g Neben einzelnen sporadischen Faumlllen wird haumlufig ein gruppenweises Auftreten der Erkrankung beobachtet

kPathogeneseEine Erklaumlrung der Genese der Erkrankung muss folgende Faktoren beruumlcksichtigen 90 der Faumllle treten bei Fruumlhgeborenen auf Fast alle erkrankten Kinder sind oral ernaumlhrt worden Die NEC tritt er-heblich seltener auf bei Ernaumlhrung mit Muttermilch Viele Faumllle tre-ten endemisch auf ohne dass sich oft ein gemeinsamer Erreger iso-lieren laumlsst Es ist somit offensichtlich dass die NEC multifaktoriell verursacht wird Dabei koumlnnen verschiedene pathogenetische Fak-toren identifiziert werden ( Abb 749) 4 Unreife der intestinalen Abwehrmechanismen 4 bakterielle Uumlberwucherung des Darmes 4 orale Ernaumlhrung

Die intestinale Abwehr gegenuumlber pathogenen Erregern ist bei Fruumlhgeborenen beeintraumlchtigt Neben einer verminderten Konzent-ration des sekretorischen IgA auf der Darmschleimhaut finden sich eine geringe Anzahl an intestinalen T-Lymphozyten ein relativ hoher pH-Wert der Magensaumlure und weitere Defizienzen der lokalen Immunitaumlt Die geringe Darmmotilitaumlt beguumlnstigt ebenfalls die Bak-terienadhaumlsion Die herabgesetzte lokale Immunitaumlt ist einer der wesentlichen pathogenetischen Faktoren der NEC

Die bakterielle Besiedlung des Darmes ist ebenfalls von Bedeu-tung In der Tat lassen sich bei einer NEC haumlufig bakterielle Erreger vor allem gramnegative Keime wie Klebsiella Enterobacter- und Pseudomonas-Spezies oder Escherichia coli aus der Peritonealfluumlssig-keit der Blutkultur oder aus dem Stuhl isolieren Aber auch Infektio-nen mit Staphylokkokus epidermidis oder Rotaviren werden bei einer NEC beobachtet Die Pneumatosis als pathognomonisches Symptom entsteht durch intraluminale Ausbreitung der bakteriellen H2-Bildung im Rahmen der Kohlenhydratvergaumlrung des Darminhalts

Die orale Ernaumlhrung ist ein weiterer pathogenetischer Faktor Eine NEC tritt praktisch nur bei oral ernaumlhrten Neugeborenen auf Eine zu rasche Steigerung der Nahrung (gt20 kalkg KGTag) kann bei der bestehenden Immaturitaumlt des Verdauungsapparats zu einer Verbesserung der Wachstumsbedingungen von Bakterien mit nach-folgender bakterieller Uumlberwucherung fuumlhren Bei Fuumltterung mit Frauenmilch kommt eine NEC seltener vor als bei Ernaumlhrung mit einer Kuhmilchpraumlparation Dieses kann daran liegen dass die lokale Schleimhautabwehr sowie die Verdauung der Nahrung durch Frauenmilch guumlnstig beeinflusst wird

kKlinikKinder mit NEC praumlsentieren sich mit folgenden Symptomen 4 geblaumlhtes meist druckschmerzhaftes Abdomen 4 blutige Stuumlhle 4 Erbrechen Nahrungs- oder Sekretruumlckstau im Magen 4 haumlufig lokalisierte Resistenz im Abdomen 4 livide oder roumltlich verfaumlrbte Bauchhaut 4 bei fortschreitender Erkrankung mit diffuser Peritonitis

gesamte Bauchhaut glaumlnzend und oumldematoumls 4 fehlende Darmgeraumlusche

Neben den lokalen Befunden zeigen die Kinder Symptome einer systemischen Infektion 4 Temperaturinstabilitaumlt 4 Apnoen 4 Muskelhypotonie 4 Hypomotorik bis Lethargie 4 Bei schweren Verlaumlufen zusaumltzlich 4 Hypotension 4 Azidose 4 dissiminierte intravasale Gerinnung mit Thrombozytopenie

Die Erkrankung verlaumluft progressiv klinisch hat sich eine Einteilung in 3 Stadien bewaumlhrt ( Tab 713)

Abb 749 Pathogenetische Faktoren bei der Entstehung der nekrotisierenden Enterokolitis

7177710 middot Fetale und neonatale Infektionen

kLabordiagnostikTypische laborchemische Befunde gibt es nicht sie entsprechen der einer Sepsis (Leukozytose oder Leukozytopenie raquoLinksverschie-bunglaquo im Verlauf erhoumlhte Serumkonzentrationen des C-reaktiven Proteins)

kRoumlntgendiagnostikRadiologisch findet sich in den fruumlhen Stadien der Erkrankung eine lokalisierte oder generalisierte Dilatation von Darmschlingen so-wie eine Verdickung der Darmwand Das typische Symptom einer NEC ist die Pneumatosis intestinalis mit einer perlschnurartigen Ansammlung von Gasblasen in der Darmwand Bei Extension dieser Gasansammlung uumlber die Mesenterialgefaumlszlige in die Lebervenen laumlsst sich intrahepatische Luft nachweisen Eine Perforation des Darms fuumlhrt zum Auftreten freier Luft im Abdomen Das Pneumoperito-neum imponiert in Ruumlckenlage oft als rundliche strahlentranspa-rente Figur in Bauchmitte die Perforation laumlsst sich meist besser bei einer Aufnahme in Linksseitenlage als sichelartige Luftdarstellung uumlber der Leber nachweisen

kTherapieDie Behandlung der NEC haumlngt ab von der Schwere der Erkrankungsbquo Bei Verdacht auf NEC erfolgt eine konservative Behandlung mit Nahrungspause (keine oralen Medikamente) Magenablaufsonde und breiter antibiotischer Therapie Die Fluumlssigkeits- und Elektro-lyttherapie ist von besonderer Bedeutung da es zu erheblichen Ver-lusten von Fluumlssigkeit in den Darm kommen kann (sog dritter Raum) in der Regel ist die Gabe von isotoner Elektrolytloumlsung erforderlich Bei definitiver NEC oder Ileussymptomatik ist unbe-dingt eine Mitbeurteilung des klinischen Befundes durch einen Kinderchirurgen notwendig um eine rechtzeitige Indikation zu ope-rativem Vorgehen stellen zu koumlnnen Eine Operationsindikation ist gegeben bei Perforation klinischen Peritonitissymptomen oder deutlichen Pneumatosiszeichen Ein toxisches Krankheitsbild erfor-dert eine notfallmaumlszligige operative Therapie

710 Fetale und neonatale Infektionen

7101 Besonderheiten des Immunsystems Neugeborener

Waumlhrend der 2 Schwangerschaftshaumllfte entwickelt der Fetus die Faumlhigkeit zur zellulaumlren und humoralen Immunabwehr jedoch ist das Immunsystem des Feten in seiner Aktivitaumlt supprimiert um Abstoszligungsreaktionen zwischen Feten und Mutter zu vermeiden

Die Umstellung des Immunsystems auf die aktive Bekaumlmpfung von invasiven Erregern erfolgt erst postnatal Deshalb sind viele immu-nologische Effektorsysteme beim Neugeborenen und noch ausge-praumlgter beim Fruumlhgeborenen weniger funktionsfaumlhig als beim Er-wachsenen ( Tab 714)

Immunglobuline Fetale B-Lymphozyten sind in der Lage bei intra-uterinen Infektionen IgM-Antikoumlrper zu bilden Die IgG-Antikoumlr-per des Neugeborenen sind dagegen IgG-Antikoumlrper der Mutter die uumlber einen aktiven Transportmechanismus der Plazenta auf das Neugeborenen uumlbertragen werden und ihm den so genannten Nest-schutz vor Infektionen vermitteln Der protektive Effekt von muumltter-lichen IgG-Antikoumlrpern z B gegen β-haumlmolysierende Streptokok-ken der Gruppe B oder Herpes simplex ist eindeutig belegt Dieser transplazentare Transport beginnt mit 20 Schwangerschaftswochen und fuumlhrt zu mit dem Gestationsalter zunehmenden IgG-Konzent-rationen beim Neugeborenen Fruumlhgeborene haben deshalb nur einen ungenuumlgenden Nestschutz IgA passiert die Plazenta nicht und ist beim Neugeborenen nicht nachzuweisen

gt Beim Neugeborenen nachweisbares IgM ist ein Hinweis auf eine intrauterine Infektion da muumltterliche IgM-Anti-koumlrper wegen ihrer Groumlszlige die Plazenta nicht passieren

Komplementsystem Die Serumkonzentrationen der meisten Kom-plementfaktoren und Komplementaktivitaumlt betragen beim reifen Neugeborenen nur ca 50 der Erwachsenenwerte Dadurch ist die Opsonisierung von Erregern verringert und somit die opsoninab-haumlngige Phagozytose eingeschraumlnkt

Granulozyten Das Neugeborene hat nur geringe Granulozytenre-serven im Knochenmark Die Granulozyten zeigen normales Phago-zytoseverhalten und Bakterizidie jedoch eine eingeschraumlnkte Adhauml-renz und Chemotaxis

Makrophagen Neonatale Makrophagen zeigen eine verringerte Chemotaxis und Aktivierbarkeit

T-Lymphozyten Mit 15ndash20 Schwangerschaftswochen haben Feten eine nachweisbare T-Zell-Population im peripheren Blut Diese ist allerdings in ihrer Aktivitaumlt supprimiert und zeigt eine verringerte

Tab 713 Stadien der nekrotisierenden Enterokolitis (NEC) nach Bell

Stadium 1 Ver-dacht auf NEC

Systemische Symptome und Distension des Darmes (A ohne B mit blutigen Stuumlhlen)

Stadium 2 defini-tive NEC

Zunahme der systemischen Symptome Ileus als diagnostisches Symptom Nachweis einer Pneumatosis intestinalis (A ohne B mit deut-lichen abdominellen Lokalbefunden ndash Ab-wehrspannung Bauchwandinfiltration abdominelle Resistenz Aszites)

Stadium 3 fortge-schrittene NEC

Schwere systemische Infektionssymptome sehr krankes Kind deutliche Zeichen der Peritonitis (A ohne B mit Darmperforation)

Tab 714 Funktionseinschraumlnkungen des neonatalen Immun-system

Immun-globuline

IgG von der Mutter uumlbertragen (Nestschutz)Evtl Mangel an spezifischen AntikoumlrpernIgG bei Fruumlhgeborenen deutlich vermindertIgM-Produktion bei intrauteriner Infektion moumlglich

Komple-mentsystem

Serumspiegel nur 50ndash75 des Erwachsenen

Granulo-zyten

Geringe KnochenmarksreservenVerminderte Adhaumlrenz und Chemotaxis

Makro-phagen

Verringerte Chemotaxis und Aktivierbarkeit

T-Lympho-zyten

Verringerte MitogenstimulierbarkeitVerringerte ZytokinproduktionVerringerte Faumlhigkeit B-Zellen und Makrophagen zu stimulieren

Kapitel 7 middot Neonatologie178

7

Mitogenstimulierbarkeit eine verminderte Faumlhigkeit B-Zellen und Makrophagen durch eine eingeschraumlnkte Zytokinproduktion z B von γ-Interferon zu aktivieren

7102 Nichtbakterielle konnatale Infektionen

kGrundlagenDie nichtbakteriellen Erreger konnataler Infektionen werden haumlufig unter dem Merkwort TORCH zusammengefasst 4 T Toxoplasma gondii 4 O Others (HIV Varizella-Zoster-Virus Hepatitis-B-Virus

Parvovirus-B19) 4 R Roumltelnvirus 4 C Zytomegalievirus 4 H Herpes-simplex-Virus Typ 1 und 2

kUumlbertragungDiese Erreger koumlnnen auf verschiedenen Wegen von der Mutter auf das Kind uumlbertragen werden ( Tab 715)

4 Transplazentare Infektion der Erreger im muumltterlichen Blut durchdringt die Plazentaschranke und infiziert das Kind Die Durchlaumlssigkeit der Plazentaschranke haumlngt von der Art des Erregers und vom Zeitpunkt der Gestation ab so wird die Plazenta z B mit zunehmendem Gestationsalter durchlaumlssiger fuumlr Toxoplasmen

4 Perinatale Infektion das Kind infiziert sich beim Durchtritt durch den Geburtskanal

4 Postnatale Infektion die Infektion erfolgt durch Muttermilch oder Kontakt mit infektioumlsem Material von der Mutter

kKlinikDie Symptomatik der TORCH-Infektionen reicht von der asympto-matischen Infektion bis zur toumldlichen Erkrankung ( Tab 716)

Folgende Symptome bei Geburt sind verdaumlchtig auf eine intra-uterin uumlbertragene TORCH-Infektion 4 Untergewicht 4 Mikrozephalie intrazerebrale Verkalkungen Krampfanfaumllle

(Enzephalitis) 4 Netzhautverkalkungen Mikrophthalmie (Chorioretinitis) 4 Anaumlmie Thrombozytopenie (Knochenmarkdepression) 4 Hepatomegalie Ikterus (Hepatitis)

kDiagnoseDiagnostisch stehen der direkte Erregernachweis in Urin Speichel oder anderen Koumlrpersekreten zur Verfuumlgung die Erregerausschei-dung persistiert oft uumlber Monate Die Nachweis von IgM-Antikoumlr-pern gelingt oft nicht deshalb sind Verlaufsuntersuchungen des IgG-Titers erforderlich

7103 Roumlteln

kEpidemiologieDas Risiko einer Roumltelnembryofetopathie betraumlgt 30 bei einer muumltterlichen Infektion vor der 12 Schwangerschaftswoche und 10 bei einer muumltterlichen Infektion zwischen 13 und 20 Schwanger-schaftswochen Die Haumlufigkeit der Roumltelnembryopathie hat in Deutschland durch die Impfung und die verbesserte praumlnatale Diagnostik auf 1 pro 10000 Geburten abgenommen

kPathogeneseDas Roumltelnvirus wird waumlhrend der muumltterlichen Viraumlmie trans-plazentar uumlbertragen 50 der infizierten Schwangeren sind selbst asymptomatisch Bei unbeabsichtigter Roumltelnimpfung einer Schwan-geren kann es zwar selten zu einer kindlichen Infektion kommen aber nicht zu einer Roumltelnembryopathie

kKlinikTypisch ist die Roumltelnembryopathie mit der Fehlbildungstrias In-nenohrschwerhoumlrigkeit Herzfehler (persistierender Ductus arte-riosus) und Katarakt die auch als Gregg-Syndrom bezeichnet wird Es kann aber auch zum Abort zur intrauterinen Infektion ohne Fehlbildung zu transienten neonatalen Symptomen oder zur persis-tierenden Infektion mit permanenten Organschaumlden kommen

Tab 715 Bedeutung der verschiedenen Infektionswege bei nicht-bakteriellen konnatalen Infektionen

Erreger Transplazentare Infektion

Perinatale Infektion

Postnatale Infektion

Toxoplasmose ++ ndash ndash

HIV + ++ +

Parvovirus ++ ndash ndash

Hepatitis-B-Virus + ++ +

Varicella-Zoster-Virus ++ + +

Roumlteln ++ ndash ndash

Zytomegalie ++ ++ +

Herpes simplex ndash ++ +

Tab 716 Symptome der nichtbakteriellen konnatalen Infektionen

Erreger Symptomatik

Roumlteln Embryopathie mit Trias Innenohrschwerhoumlrigkeit Herzfehler Katarakt

Zytomegalie 90 bei Geburt asymptomatisch (Spaumltschaumlden psychomotorische Retardierung Schwerhoumlrigkeit)10 bei Geburt symptomatisch (Enzephalitis Hepatitis Chorioretinitis Wachstumsretardierung)

Herpes sim-plex (Typ 2)

Generalisiert-septische Infektion oder lokalisierte Herpeslaumlsionen an Haut Auge und Mund oder isolierte Enzephalitis

Varicella Zoster

Varizellenembryopathie (Hautnarben Extremitauml-tenhypoplasie) neonatale Varizellen

Hepatitis B Hepatitis haumlufig mit chronischem Verlauf

HIV Bei Geburt meist asymptomatisch in den ersten Lebensmonaten Lymphadenopathie Gedeihstoumlrung rezidivierende Diarrhouml oder Atemwegsinfektionen

Parvovirus B19 Transiente intrauterine Anaumlmie

Toxoplas mose 90 bei Geburt asymptomatisch (Spaumltschaumlden Chorioretinits psychomotor Retardierung Hydro-zephalus)10 bei Geburt symptomatisch (Enzephalitis Hepatitis Chorioretinitis Gedeihstoumlrung)

7179710 middot Fetale und neonatale Infektionen

CaveMeningoenzephalitis Chorioretinitis Glaukom Hepatitis etc

kDiagnoseZur Diagnose tragen Anamnese und Virusnachweis in Speichel Blut oder Urin bei Die Virusausscheidung ist 1ndash3 Monate nach der Geburt am houmlchsten und kann bis zu 1 Jahr persistieren Positives Roumlteln-IgM in der Serologie persistierender oder ansteigender Roumlteln-IgG-Titer sind diagnostisch wegweisend

kDifferenzialdiagnoseZytomegalie Toxoplasmose

kTherapieBei hohem Verdacht auf eine Roumltelnembryopathie kann eine Schwangerschaftsunterbrechung erwogen werden

gt Entscheidend ist die Sicherstellung des Roumltelnimpf schutzes bei allen Maumldchen vor Eintritt der Pubertaumlt denn bei intra-uteriner Infektion ist keine spezifische Therapie moumlglich

kPrognoseDie Gesamtmortalitaumlt infizierter Neugeborener betraumlgt 10 davon 35 im 1 Lebensjahr

7104 Zytomegalie

kEpidemiologieDie Zytomegalie ist die haumlufigste nichtbakterielle konnatale Infekti-on 1 aller Neugeborenen sind bei Geburt mit dem Zytomegalie-virus infiziert 10 der infizierten Neugeborenen sind bei Geburt symptomatisch (7 Kap 154)

kPathogeneseDas Zytomegalievirus persistiert lebenslaumlnglich in Lymphozyten und anderen Koumlrperzellen ( Abb 750) Die Infektion wird in der Schwan-gerschaft haumlufig reaktiviert Bei einer Erstinfektion der Mutter in der Schwangerschaft kommt es zu einem wesentlich schwereren fetalen Krankheitsverlauf als bei transplazentarer Erregeruumlbertragung im Rahmen einer in der Schwangerschaft reaktivierten Zytomegalie-infektion Daneben ist auch eine perinatale Uumlbertragung durch infek-tioumlse Genitalsekrete und eine postnatale Uumlbertragung durch Mutter-milch oder eine Bluttransfusion moumlglich Eine postnatale CMV-Infek-tion ist vermutlich nur fuumlr sehr unreife Fruumlhgeborene problematisch sie koumlnnen von einem Sepsis-aumlhnlichen Krankheitsbild betroffen sein

kKlinik90 der intrauterin infizierten Neugeborenen sind bei Geburt asym-ptomatisch scheiden allerdings das Virus uumlber Monate im Urin Traumlnen Blut und Rachensekret aus 10 der bei Geburt symptom-freien Neugeborenen entwickeln im Verlauf Spaumltmanifestationen (Houmlrstoumlrung psychomotorische Retardierung) Die 10 bei Geburt symptomatischen Neugeborenen koumlnnen verschiedenste Organ-schaumlden aufweisen (Enzephalitis mit periventrikulaumlren Kalzifikatio-nen Mikrozephalie Taubheit Hepatitis Wachstumsretardierung Chorioretinitis petechialer Hautausschlag Thrombozytopenie) und entwickeln zu 90 bleibende Organschaumlden

kKomplikationenEntwicklung von bleibenden Organschaumlden vor allem im Gehirn ( Abb 750) Gehoumlr und am Auge durch die persistierende Infektion

kDiagnoseDurch direkten Erregernachweis (Early Antigen Virus-PCR) und Viruskultur von Urin Speichel wird die Infektion nachgewiesen IgM-Antikoumlrper sind auch bei florider Zytomegalieinfektion nicht immer nachzuweisen deshalb erfolgt die Kontrolle des IgG-Titer-verlaufs

kDifferenzialdiagnoseKonnatale Roumlteln Toxoplasmose bakterielle Sepsis

kTherapieEine mehrwoumlchige Behandlung mit Ganciclovir scheint den Grad der Schwerhoumlrigkeit und moumlglicherweise auch der neurologischen Schaumldigung guumlnstig zu beeinflussen

gt Die konnatale Zytomegalieinfektion ist eine fuumlhrende Ursache von geistiger Behinderung und Schwerhoumlrigkeit

7105 Herpes simplex

kEpidemiologieDie Haumlufigkeit der konnatalen Herpes-simplex-Infektion betraumlgt 1 auf 7500 Neugeborene In 85 der Faumllle wird sie durch den Virustyp 2 (Herpes genitalis) verursacht (7 Kap 151)

kPathogenese90 der Infektionen finden perinatal beim Durchtritt durch den Geburtskanal statt Das Uumlbertragungsrisiko ist bei einer primaumlren Herpes-genitalis-Infektion der Mutter 10-mal houmlher (50) als bei einer rekurrierenden muumltterlichen Infektion Die Herpes-simplex-Typ-1-Infektion (Herpes labialis) beim Neugeborenen wird meist postnatal durch Kontakt mit infektioumlsem Sekret uumlbertragen

kKlinikBei der peri- oder postnatalen Infektion kann es zu einer generali-sierten Infektion kommen zur einer auf Haut Augen und Mund beschraumlnkten Infektion oder zur Enzephalitis Die generalisierte Infektion hat unspezifische Symptome wie bei einer Sepsis (Apnoen Lethargie oder Hepatosplenomegalie) Hauteffloreszenzen kommen nur bei 70ndash80 der Neugeborenen mit HSV-Sepsis vor Die lokali-sierte Infektion zeigt Herpeslaumlsionen auf der Haut Keratokonjunk-

Abb 750 Typische im Nierenparenchym gelegene Riesenzellen die aus Virusaggregaten bestehende Zelleinschlusskoumlrperchen (sog Eulenaugen-zellen) enthalten

Kapitel 7 middot Neonatologie180

7

tivitis und Chorioretinitis Die isolierte Enzephalitis manifestiert sich mit Fieber Irritabilitaumlt Lethargie Koma fokalen und generali-sierten Krampfanfaumlllen und gespannter Fontanelle Hautlaumlsionen sind dabei selten Im CT findet man typischerweise fokale Laumlsionen im Temporallappen

kKomplikationenSchock disseminierte intravasale Koagulopathie

kDiagnoseZur Diagnose fuumlhren die charakteristischen Hauteffloreszenzen sowie der Virusnachweis aus Blaumlscheninhalt und Blut (Nachweis von HSV-Antigen und HSV-DNA) Bei der Enzephalitis laumlsst sich das Virus in 25ndash40 der Faumllle im Liquor nachweisen Die Serologie ist in der Regel nicht hilfreich

kDifferenzialdiagnoseToxoplasmose Zytomegalie Roumlteln intrakranielle Blutung Sepsis

kTherapieBei primaumlrer Herpes-genitalis-Infektion der Mutter zum Zeitpunkt der Geburt sollte die Entbindung per Kaiserschnitt durchgefuumlhrt werden um das Infektionsrisiko zu reduzieren Beim geringsten klinischen Verdacht auf eine neonatale Herpesinfektion sollte eine antivirale Therapie mit Aciclovir begonnen werden Die fruumlh ein-setzende antivirale Therapie verbessert die Prognose und eine Gene-ralisierung kann verhindert werden

kPrognoseBei einer generalisierten Infektion betraumlgt die Letatlitaumlt 60 Uumlber-lebende haben meist schwere neurologische und okulaumlre Schaumlden

7106 Varizella-Zoster-Virus

kEpidemiologieDie Inzidenz muumltterlicher Windpocken in der Schwangerschaft betraumlgt nur 1ndash510000 Schwangerschaften Bei muumltterlichen Wind-pocken in der Schwangerschaft werden 25 der Feten infiziert

kPathogeneseDie fruumlhe transplanzentare Infektion fuumlhrt zur Varizellenembryo-pathie die spaumlte transplazentare Infektion in den letzten 3 Schwan-gerschaftswochen zu neonatalen Windpocken

kKlinikDie Varizellenembryopathie geht mit Enzephalitis Chorioretinitis Hypoplasie von Gliedmaszligen und dermatombezogenen Hautnarben einher Neonatale Windpocken verlaufen je nach Infektionszeit-punkt unterschiedlich schwer 4 Auftreten der muumltterlichen Windpocken 5ndash21 Tage vor der

Geburt Die Infektion erfolgt transplazentar Die Inkubations-zeit nach transplazentarer Infektion ist kuumlrzer (10 statt 14 Tage) als nach Infektion uumlber den Nasopharynx Das Neugeborene zeigt innerhalb weniger Tage nach Geburt in der Regel milde Symptome da es auch muumltterliche Antikoumlrper uumlber die Plazenta bekommt

4 Auftreten der muumltterlichen Windpocken 4 Tage vor dem Ent-bindungstermin bis 2 Tage nach Geburt Das Neugeborenes wird 5ndash10 Tage post partum symptomatisch Die Erkrankung kann in 20 der Faumllle schwer verlaufen mit sich rasch aus-breitendem haumlmorrhagischem Exanthem Pneumonie Enzephalitis und Tod da das Neugeborene keine muumltterlichen Antikoumlrper mehr erhalten hat

4 Postnatale Infektion Wird ein NeugeborenesSaumlugling postnatal uumlber den Nasopharynx infiziert hat es kein houmlheres Erkrankungsrisiko als aumlltere Kinder

kKomplikationenNach neonatalen oder postnatalen Windpocken tritt in den ersten 10 Lebensjahren haumlufig ein Zoster auf

kDiagnoseAnamnese und Nachweis des typischen Exanthems Virusisolie-rung aus Effloreszenzen und Serologie ermoumlglichen die Diagnose-stellung

kDifferenzialdiagnoseKonnatale Herpes-simplex-Virus-Infektion

kTherapieBei muumltterlichen Varizellen kurz vor dem Entbindungstermin erhaumllt die Mutter sofort und das Kind nach der Geburt ein Varizellen- Hyperimmunglobulin auszligerdem werden beide mit Aciclovir be-handelt

kPrognoseDie Letalitaumlt der Varizellenembryopathie betraumlgt 47

7107 Weitere konnatale Virusinfektionen

Hepatitis B kEpidemiologie

1 der Schwangeren sind HBs-Antigen positiv und etwa 6 ihrer Neugeborenen werden infiziert Ist die Mutter HBs- und HBe-Anti-gen positiv verzehnfacht sich das Infektionsrisiko fuumlr den Feten 20ndash30 der infizierten Neugeborenen werden zu chronischen He-patitis-B-Traumlgern

kPathogeneseDie Uumlbertragung des Hepatitis-B-Virus erfolgt perinatal

Abb 751 Periventrikulaumlre Echogenitaumltsvermehrung und Hydrozephalus im zerebralen Ultraschall als Ausdruck einer VentrikulitisEnzephalitis bei neonataler Zytomegalieinfektion

7181710 middot Fetale und neonatale Infektionen

kDiagnoseDer Nachweis von HBs-Antigen bei der Mutter erfolgt im Rahmen der Schwangerenvorsorge

kTherapieDurch die unmittelbar postnatal durchgefuumlhrte aktive und passive Immunisierung des Neugeborenen gegen Hepatitis B lassen sich 80 der neonatalen Infektionen verhindern

HIV-Infektion kPathogenese

Der wichtigste Infektionsmodus ist die perinatale Infektion jedoch kann die Infektion auch transplazentar oder postnatal z B durch Muttermilch erfolgen

kKlinikDie Neugeborenen sind bei Geburt meist symptomfrei In den ersten Lebensmonaten entwickeln sich Symptome wie Mikrozephalie psychomotorische Retardierung Gedeihstoumlrung persistierende Candidainfektionen oder Diarrhouml Lymphadenopathie oder rezidi-vierende Atemwegsinfektionen

kDiagnoseDie Diagnose der HIV-Infektion beim Neugeborenen oder Saumlugling kann nur durch HIV-PCR oder Viruskultur gefuumlhrt werden

CaveDer Nachweis von HIV-Antikoumlrpern beim Neugeborenen ist nicht beweisend fuumlr eine HIV-Infektion da es sich um muumltterliche Leihantikoumlrper handeln kann

kTherapieDurch die antiretrovirale Behandlung der Mutter ab 34 Schwanger-schaftswochen die Kaiserschnittentbindung mit 38 Schwanger-schaftswochen und die sofortige postnatale Azidothymidinbehand-lung des Neugeborenen konnte die Rate der perinatalen Infektionen auf unter 2 gesenkt werden HIV-infizierte Muumltter sollen nicht stillen

Parvovirus-B19-Infektion kPathogenese

Parvovirus B19 wird transplazentar uumlbertragen Bei der Mutter ver-laumluft die Infektion haumlufig subklinisch und nicht mit dem fuumlr den Parvovirus B19 typischen Exanthem der Ringelroumlteln

kKlinikBeim Feten fuumlhrt die Infektion zu einer transienten Depression der Erythropoese und zur Entwicklung einer intrauterinen Anaumlmie die so ausgepraumlgt sein kann dass sich ein Hydrops fetalis entwickelt

kDiagnoseParvovirus-B19-Serologie bei der Mutter positives IgM beim Kind

kTherapieBei nachgewiesener muumltterlicher Infektion engmaschige Ultra-schallkontrolle des Feten Bei drohendem Hydrops fetalis Bestim-mung des fetalen Haumlmatokrits und intrauterine Transfusion Nach erfolgreicher intrauteriner Behandlung ist die Prognose der Kinder als gut anzusehen

7108 Toxoplasmose

kEpidemiologieDie Haumlufigkeit der konnatalen Toxoplasmose betraumlgt 3ndash6 auf 1000 Lebendgeborene (7 Kap 177)

kPathogeneseDie Erstinfektion fuumlhrt beim Erwachsenen zu grippalen Symptomen mit Lymphknotenschwellungen Bei einer Erstinfektion in der Schwangerschaft kommt es in ca 50 der Faumllle zu einer Infektion des Feten Dabei uumlberwindet der Erreger die Planzenta im 3 Trime-non leichter als im 2 Trimenon die Erkrankung verlaumluft allerdings bei Infektion im 3 Trimenon wesentlich leichter

kKlinik10 der infizierten Feten entwickeln eine symptomatische ge-neralisierte Infektion mit Enzephalitis Hepatitis Chorioretinitis ( Abb 752) Pneumonie und Myokarditis 90 haben primaumlr einen subklinischen Krankheitsverlauf und werden asymptomatisch ge-boren

kKomplikationenRezidivierende Chorioretinitis

kDiagnoseIm Vordergrund steht die serologische Diagnostik In 70 der Faumllle gelingt ein Nachweis von IgM-Antikoumlrpern Antigennachweise sind in Erprobung

kDifferenzialdiagnoseZytomegalie Roumlteln

kTherapieBei muumltterlicher Erstinfektion in der Schwangerschaft wird die Mutter mit Spiramycin Sulfonamiden und Pyrimethamin be-handelt Dieselbe Therapie wird postnatal einem infizierten Neuge-borenen verabreicht

kPrognoseEin Teil der asymptomatischen Neugeborenen entwickelt postenze-phalitische Spaumltschaumlden (intrazerebrale Verkalkungen Hydroze-

Abb 752 Chorioretinitis bei konnataler Toxoplasmose

Kapitel 7 middot Neonatologie182

7

phalus und Chorioretinitis) Kinder mit angeborener Toxoplasmose sollten bis zum 10 Lebensjahr in regelmaumlszligigen Abstaumlnden ophtal-mologisch und neurologisch untersucht werden

7109 Neugeborenensepsis

kDefinitionDie neonatale Sepsis stellt nach wie vor eines der Hauptprobleme der Neugeborenenmedizin dar sie ist eine disseminierte mikrobielle Erkrankung die durch die klinischen Symptome einer systemischen Infektion und die Septikaumlmie d h den kulturellen Nachweis patho-gener Erreger in der Blutkultur charakterisiert ist Im Rahmen des septischen Schocks kann sich ein Multiorganversagen ausbilden

kEpidemiologieIn Westeuropa und den USA erkranken 1ndash4 Neugeborene1000 Le-bendgeboreneJahr an einer neonatalen Sepsis 10ndash25 der Patien-ten versterben an den Komplikationen dieser oftmals foudroyant verlaufenden Infektion bis zu frac14 der Kinder entwickeln als Folge einer zu spaumlt diagnostizierten Sepsis eine eitrige Meningitis Diese Komplikation tritt in Deutschland inzwischen bei weniger als 10 der Fruumlh- und Neugeborenen auf Besonders kritisch ist die Situation auf neonatologischen Intensivstationen hier kann bei 25 der Kindern im Verlauf der Intensivtherapie eine Sepsis nachgewiesen werden Wie eine Reihe von epidemiologischen Untersuchungen belegen hat die Inzidenz der neonatalen Sepsis in den letzten 20 Jah-ren zugenommen

kVerlaufDie neonatale Sepsis manifestiert sich in 2 Verlaufsformen 4 fruumlheinsetzende Form (Fruumlhsepsis) 4 spaumlteinsetzende Form (Spaumltsepsis)

Die fruumlheinsetzende Form zeichnet sich durch den Krankheitsbeginn in den ersten Lebenstagen das typische Erregerspektrum (s unten) und die fulminante Verlaufsform aus Haumlufig entwickelt sich die sys-temische Infektion auf dem Boden einer neonatalen Pneumonie Bei vielen Kindern sind geburtshilfliche Risikofaktoren vorhanden

Die spaumlteinsetzende Form tritt in der Regel nach dem 5 Le-benstag auf der klinische Verlauf kann entweder foudroyant oder langsamer fortschreitend sein die Neugeborenen erkranken haumlufig an einer Meningitis Die Erreger stammen haumlufig aus dem postnata-len Umfeld Besonders intensivmedizinisch behandelte Fruumlh- und Neugeborene sind gefaumlhrdet an einer spaumlteinsetzenden nosoko-mialen Sepsis zu erkranken

kPathogenese RisikofaktorenDie geburtshilflichen Risikofaktoren der fruumlheinsetzenden Sepsis sind 4 vorzeitiger Blasensprung 4 Amnioninfektionssyndrom 4 Fieber Bakteriaumlmie der Mutter 4 Fruumlhgeburtlichkeit

Durch vorzeitigen Blasensprung Aszension vaginaler Erreger (as-zendierende Infektion) oder im Rahmen einer muumltterlichen Bakte-riaumlmie (deszendierende Infektion) kann das Neugeborene bereits in utero infiziert werden und manifest erkranken ( Abb 753)

Bei einer muumltterlichen vaginalen und rektalen Kolonisierung mit pathogenen Erregern kann ein Neugeborenes daruumlber hinaus auf dem Geburtsweg infiziert werden Bis zu 30 der amerikanischen und westeuropaumlischen Schwangeren weisen eine vaginale Besiedlung mit β-haumlmolysierenden Streptokokken der Gruppe B auf maximal 50 mit pathogenen E coli Nach einer vaginalen Geburt sind bis zu 70 der Neugeborenen mit diesen pathogenen Bakterien auf Haut- und Schleimhaumluten kolonisiert Das Ausmaszlig der Besiedlung erhoumlht das Risiko an einer Sepsis zu erkranken Man kann davon ausgehen dass ca 1 von 100 Neugeborenen die mit β-haumlmolysierenden Strep-tokokken der Gruppe B besiedelt sind an einer Sepsis erkrankt

Eine Gruppe von Risikopatienten ist in einem hohen Maszlig gefaumlhrdet eine nosokomiale Sepsis zu akquirieren intensivmedizi-nisch behandelte Fruumlh- und Neugeborene Die gut belegten Risiko-faktoren sind in Tab 717 zusammengefasst

gt Eine Uumlbertragung von pathogenen Erregern erfolgt uumlber-wiegend durch unzureichende Handwaschpraktiken der betreuenden Schwestern und Aumlrzte

Abb 753 Prauml- und postnatale Infektionswege der neonatalen Sepsis

7183710 middot Fetale und neonatale Infektionen

In einzelnen amerikanischen Intensivstationen wurden bei 15 aller Hochrisikofruumlhgeborenen systemische Infektionen mit Candida spp diagnostiziert In Tab 718 sind die wesentlichen Erreger der neonatalen Sepsis zusammengefasst

kKlinikDie klinische Symptomatik der Neugeborenensepsis ist uncharak-teristisch und variabel bleiben die oftmals diskreten klinischen Zeichen unerkannt so kann sich innerhalb kurzer Zeit das Vollbild des septischen Schocks entwickeln Einer der wichtigsten Hinwei-se ist das von einer erfahrenen Kinderkrankenschwester registrierte raquoschlechte Aussehenlaquo des Neugeborenen Neben Stoumlrungen der Temperaturregulation und der Atmungsfunktion werden gastro-intestinale Symptome beobachtet Phasenweise nachweisbare Veraumlnderungen des Hautkolorits weisen auf die im Rahmen der Bakteriaumlmie auftretende Mikrozirkulationsstoumlrung hin Daneben koumlnnen Hyperexzitabilitaumlt Hypotonie Apathie und zerebrale Krampfanfaumllle auftreten Petechien verstaumlrkte Blutungsneigung Hypotension und septischer Schock entwickeln sich im Verlauf der Erkrankung

Wesentliche Symptome der neonatalen Sepsis 4 Temperaturinstabilitaumlt Hyper- Hypothermie 4 Atemstoumlrungen Tachypnoe Dyspnoe Apnoe 4 Gastrointestinale Symptome Trinkschwaumlche

Erbrechen abdominelle Distension

4 Zirkulatorische Insuffizienz periphere Mikrozirkulati-onsstoumlrungen Blaumlsse grau-marmoriertes Hautkolorit septischer Schock Multiorganversagen disseminierte intravasale Gerinnung

4 Neurologische Stoumlrungen Hyperexzitabilitaumlt Lethargie Krampfanfaumllle

Bei klinischen Warnzeichen muss solange der Verdacht auf eine neo-natale Sepsis bestehen bis das Gegenteil bewiesen ist also eine In-fektion ausgeschlossen oder eine andere Ursache fuumlr die Verschlech-terung des kindlichen Zustandes gefunden wurde

gt Der Verlauf der Neugeborenensepsis wird entscheidend vom Zeitpunkt der Diagnose bzw des Behandlungsbe-ginns beeinflusst

kErregernachweisMit Blutkulturen (aerob anaerob) gegebenenfalls Liquorkulturen Urinstatus und -kultur Haut- und Schleimhautabstrichen sowie Un-tersuchung von Magensekret erfolgt der Erregernachweis Bei jedem isolierten Erreger ist eine Resistenztestung durchzufuumlhren

kLabordiagnostikVerschiedene Entzuumlndungsparameter koumlnnen als Warnzeichen einer neonatalen Infektion angesehen werden und zur Fruumlherken-nung der neonatalen Sepsis beitragen

Tab 717 Risikofaktoren der nosokomialen Sepsis

Intensivmedizinische Maszlignahmen

Endotracheale IntubationMaschinelle BeatmungZentrale Katheter Lipidinfusionen

Mangelhafte Stationshygiene

Unzureichende HandwaschpraktikenUumlberbelegung der IntensivstationPersonelle Unterbesetzung

Kontamination InkubatorenWaschbeckenAndere Gegenstaumlnde

Tab 718 Wesentliche Erreger der fruumlh oder spaumlt einsetzenden neonatalen Sepsis

Fruumlheinsetzende Sepsis Spaumlteinsetzende Sepsis

Streptokokken Gruppe BEscherichia coliStaphylococcus aureusListeria monocytogenesEnterokokken u a

Escherichia coliStaphylococcus epidermidisKlebsiella-Enterobacter-SpeziesPseudomonas aeruginosaProteus-SpeziesStreptokokken Gruppe BCandida albicans u a

Exkurs

Erregerspektrum der Neugeborenensepsis

Eines der faszinierenden aber immer noch nicht geklaumlrten Phaumlnomene neonataler In-fektionen ist ein von Zeit zu Zeit auftretender Wechsel im bakteriologischen SpektrumSo wurden in den USA in den 1930er-Jahren β-haumlmolysierende Streptokokken der Grup-pe A als haumlufigste Erreger der neonatalen Sepsis identifiziert In den naumlchsten Dekaden folgten Escherichia coli Staphylococcus aureus erneut E coli und schlieszliglich in den 1970er-Jahren β-haumlmolysierende Streptokok-ken der Gruppe B Das Verschwinden von haumlmolysierenden Streptokokken der Gruppe A sowie von Staph aureus in der vorantibioti-

schen Aumlra kann nicht auf medizinische oder hygienische Maszlignahmen zuruumlckgefuumlhrt werden Das Auftreten von Streptokokken der Gruppe B faumlllt in eine Periode in der Penicillin zum meist verwendeten Antibiotikum wurde bis heute haben diese Erreger ihr Resistenz-verhalten nicht veraumlndertIn Deutschland wurden β-haumlmolysierende Streptokokken der Gruppe B erstmals Ende der 70er-Jahre beobachtet sie sind inzwischen in den meisten Regionen die haumlufigsten Er-reger der neonatalen Sepsis Weiterhin sind E coli Listerien Enterokokken und Staph aureus typische Erreger der Fruumlhsepsis

Es gilt jedoch festzustellen dass nicht nur zwischen geographisch definierten Regionen sondern auch zwischen einzelnen Hospitaumllern mit unterschiedlichen Infektionserregern zu rechnen ist In vielen neonatologischen Zent-ren wird Staph epidermidis als haumlufigster Er-reger von spaumlteinsetzenden nosokomialen In-fektionen isoliert dieser Erreger fuumlhrt daruumlber hinaus immer wieder zu raquoAusbruumlchenlaquo von Hospitalinfektionen Daneben spielen Klebsiel-la- Enterobacter- und Pseudomonas-Spezies Staph aureus und andere pathogene Mikroor-ganismen eine unveraumlnderte Rolle als gefuumlrch-tete Erreger einer nosokomialen Spaumltsepsis

6

Kapitel 7 middot Neonatologie184

7

Fruumlherkennung und Warnzeichen neonataler Infektionen 4 Geburtshilfliche Risikofaktoren 4 Klinische Zeichen 4 Entzuumlndungsparameter

ndash Leukozytose (Gesamtzahl aller neutrophiler Granulozyten)

ndash IT-Quotient ndash CRP ndash Interleukin-6 u a

4 Erregernachweis

Zu diesen Entzuumlndungsindikatoren gehoumlren die Gesamtzahl der Leukozyten am 1 Lebenstag (lt10000 Leukozytenμl) die Gesamt-zahl aller neutrophilen Granulozyten sowie der unreifen Granulo-zyten sowie der IT-Quotient (ImmatureTotal neutrophils d h Gesamtzahl aller unreifen GranulozytenGesamtzahl aller Granulo-zyten gt02) Eine Thrombozytopenie tritt bei ca 30 der Neugebo-renen mit neonataler Sepsis im Verlauf der Infektion auf

Auch erhoumlhte Konzentrationen des C-reaktiven Proteins (CRP) und des Interleukin-6 (IL-6) weisen auf eine Infektion hin Die Sensitivitaumlt und Spezifitaumlt dieser Entzuumlndungszeichen wird von verschiedensten internationalen Arbeitsgruppen unterschiedlich beurteilt Die Wertigkeit der verschiedenen Infektionszeichen als so genannte raquoFruumlherkennungsparameterlaquo sollte auf keinen Fall uumlber-schaumltzt werden

Der Stellenwert der einzelnen Parameter wird am ehesten deut-lich wenn man sich die Sequenz des Entzuumlndungsgeschehens vor Augen fuumlhrt ( Abb 754) Nach Keiminvasion werden mit einer kurzen Latenz neutrophile Granulozyten rekrutiert die moumlglicher-weise im Verlauf des initialen Abwehrgeschehens bereits verbraucht werden ndash die Patienten entwickeln eine Neutrozytopenie ndash oder aber es werden vermehrt unreife und reife Granulozyten aus dem Kno-chenmark freigesetzt Erst im Rahmen der Makrophagenaktivierung werden der Tumornekrosefaktor Interleukin-1 und Interleukin-6 sezerniert diese immunologischen Hormone (Zytokine) stimulie-ren die Synthese des CRP in der Leber sie lassen sich relativ fruumlh und zum Teil nur innerhalb eines kurzen Zeitfensters sicher identifizie-ren Mit einem Konzentrationsanstieg dieses Akutphaseproteins ist

erst 4ndash6 h nach Keiminvasion oder lokaler Inflammation zu rech-nen Das CRP ist allerdings als idealer Verlaufsparameter einer neo-natalen Infektion anzusehen

kDifferenzialdiagnoseVerschiedene Erkrankungen Fruumlh- und Neugeborener koumlnnen sich unter nahezu identischer Symptomatologie manifestieren wie die neonatale Sepsis Bei Fruumlhgeborenen kann eine Infektion mit Strep-tokokken der Gruppe B unter dem Bild eines Atemnotsyndroms verlaufen Weitere Erkrankungen akute pulmonale Erkrankungen des Neugeborenen persistierende fetale Zirkulation Hyperviskosi-taumltssyndrom kardiale Erkrankungen nekrotisierende Enterokolitis zerebrale Blutungen metabolische Stoumlrungen intrauterine Infektio-nen u a

kTherapieNach Durchfuumlhrung der Sepsisdiagnostik ist unverzuumlglich eine int-ravenoumlse antibiotische Therapie durchzufuumlhren

Antibiotische Therapie Bei der Fruumlhsepsis wird von vielen klini-schen Gruppen an einer Kombinationsbehandlung mit Ampicillin und einem Aminoglykosid (z B Gentamicin) festgehalten alter-nativ wird eine empirische Therapie mit Ampicillin und einem Cephalosporin der 3 Generation (z B Cefotaxim) praktiziert Beide Therapiestrategien wurden von der raquoAmerican Academy of Pediatricslaquo empfohlen Der Hauptgrund fuumlr die Gabe von Ampicillin ist die unzulaumlngliche Aktivitaumlt der Cephalosporine gegen Listeria monocytogenes und Enterokokken Bei Verdacht auf eine Staphylo-kokkeninfektion muss die verwendete Kombination um ein gegen Staphylokokken wirksames Mittel erweitert werden Bestehen durch bakteriologische Untersuchungen der Mutter Hinweise auf einen seltenen Erreger der Fruumlhsepsis (Klebsiella Pseudomonas Serratia etc) sollte eine Kombinationstherapie mit einem Cephalosporin und einem Aminoglykosid gewaumlhlt werden Nach Vorliegen der bakteriologischen Resistenztestung (Blut- Liquorkulturen) wer-den die Patienten meist in einer Zweierkombination weiterbe-handelt

Vor einigen Jahren wurde im Rahmen einer Standardtherapie mit Cefotaxim eine rasche Selektion von cefotaximresistenten En-terobacter-Spezies (Enterobacter cloacae) nachgewiesen diese Erreger waren auch gegen neuere Cephalosporine resistent

gt Eine Anwendung von Cephalosporinen sollte daher nur unter strenger Indikationsstellung erfolgen

Bei Staph-epidermidis-Sepsis kann eine Vancomycintherapie erfor-derlich sein Infektionen mit Anaerobiern werden mit Metronidazol und Infektionen mit Candida spp bzw Aspergillus spp mit 5ndashFluo-rocytosin und Amphotericin B behandelt

Die Behandlungsdauer fuumlr eine neonatale Sepsis ohne Menin-gitis oder andere schwere Begleitinfektionen betraumlgt in der Regel 10ndash14 Tage

Supportivtherapie Eine optimale Supportivtherapie saumlmtlicher im Verlauf der Sepsis auftretender Funktionsstoumlrungen von Organsys-temen (Herz-Kreislauf Atmung Saumlure-Basen-Haushalt Gerinnung u a) ist eine wesentliche Voraussetzung in der Behandlung dieser lebensbedrohlichen Erkrankung

Ein Therapiekonzept sollte sich immer nach dem lokalen Erre-gerspektrum richten Daher ist es sinnvoll durch regelmaumlszligige bak-teriologische Untersuchungen von Patienten und Gegenstaumlnden der neonatalen Intensivstation Aumlnderungen im Resistenzverhalten von Problemkeimen fruumlhzeitig zu erfassen

Abb 754 Hypothetische Sequenz des Entzuumlndungsgeschehens im Ver-lauf einer Sepsis die Zytokine TNF-α IL-1 und IL-6 stimulieren die Synthese von CRP in der Leber

7185710 middot Fetale und neonatale Infektionen

kProphylaxeEine Immunprophylaxe gegen das breite Erregerspektrum der neo-natalen Sepsis existiert nicht Die Entwicklung eines speziellen Impf-stoffes gegen Streptokokken der Gruppe B duumlrfte erst in einigen Jahren gelingen

Einen weiteren praumlventiven Ansatz stellt die sog Chemoprophy-laxe dar Schwangere die vaginal und zervikal mit B-Streptokokken besiedelt sind zusaumltzlich vorzeitige Wehen undoder einen vorzeiti-gen Blasensprung von gt12 h haben erhielten eine selektive intrapar-tale Chemoprophylaxe mit Penicillin Durch diese Maszlignahme konnte die Kolonisierung Neugeborener und die Sepsisinzidenz durch Streptokokken der Gruppe B eindeutig gesenkt werden Aller-dings ist diese Maszlignahme nur dann wirksam wenn die antibiotische Prophylaxe mindestens gt4 h praumlpartal verabreicht wird

Seit 1996 wird in den USA ein generelles Screening bei allen Schwangeren in der 35ndash37 Gestationswoche durchgefuumlhrt um eine maternale Kolonisierung mit B-Streptokokken zum Zeitpunkt der Geburt zu erfassen Trotz der erheblichen Kosten und der potenziel-len Risiken einer Penicillinallergie erhalten alle Schwangeren prauml-partal eine Penicillingabe Durch diese Strategie konnte eine fruumlh einsetzende neonatale Sepsis mit B-Streptokokken wirksamer ver-hindert werden als durch eine Identifizierung Schwangerer mit be-kannten Risikofaktoren Bis zu 60 aller reifen Neugeborenen mit B-Streptokokkenerkrankungen hatten symptomfreie Muumltter die keinen Risikofaktor aufwiesen Durch die Screeningstrategie koumlnnen bis zu 70 aller fruumlh einsetzenden Septikaumlmien mit B-Streptokok-ken verhindert werden

71010 Meningitis

kDefinitionDie neonatale MeningitisMeningoenzephalitis ist eine mikrobielle Infektion der Hirnhaumlute des Gehirns und haumlufig auch der Ventrikel sie wird durch die typischen Erreger neonataler Infektionen ver-ursacht

kEpidemiologieDie Inzidenz der neonatalen Meningitis hat in den letzten 10 Jahren abgenommen vermutlich haben die verbesserte Perinatalver-sorgung und Fruumlherfassung neonataler Infektionen sowie die recht-zeitige antibiotische Behandlung zu diesem Ruumlckgang beigetragen Die durchschnittliche Erkrankungsrate liegt zwischen 01ndash04 pro 1000 Lebendgeborene

kAumltiologieIn Mitteleuropa und in Nordamerika werden bis zu 23 aller neona-talen Meningitiden durch Streptokokken der Gruppe B und E coli verursacht Fuumlr die in den ersten Lebenstagen auftretende Strepto-kokkenmeningitis sind uumlberwiegend die Serotypen I und II verant-wortlich sie stammen aus der muumltterlichen Vaginal- und Rektal-flora Bei der Spaumltform der Streptokokkenmeningitis wird der Serotyp III isoliert Die verantwortlichen E coli besitzen ein Kapsel-polysaccharidantigen K1 das die Virulenz der Erreger erhoumlht (Eli-mination der Bakterien nur bei kompletter Opsonierung)

In einzelnen Regionen werden gehaumluft Listerien (L monocyto-genes) als Meningitiserreger identifiziert Eine nosokomiale Menin-gitis wird in Abhaumlngigkeit vom lokalen Erregerspektrum am haumlu-figsten durch Klebsiella- und Enterobacter-Spezies Pseudomonas aeruginosa u a hervorgerufen Bei intensivmedizinisch behandel-ten Fruumlhgeborenen die an einer unklaren systemischen Infektion erkrankt sind muss immer an eine Candida-Meningitis gedacht

werden Wenn auch selten so koumlnnen doch die typischen Erreger der eitrigen Hirnhautentzuumlndung im Kindesalter eine neonatale Menin-gitis verursachen

kPathogenese RisikofaktorenDie bekannten geburtshilflichen praumlnatalen und postnatalen Risiko-faktoren der neonatalen Sepsis lassen sich uneingeschraumlnkt bei der Meningitis Neugeborener nachweisen Eine Meningitis entwickelt sich haumlufig als Folge einer zu spaumlt diagnostizierten Sepsis Ausgangs-punkte fuumlr die haumlmatogene Streuung sind Pneumonien Hautin-fektionen infizierter Nabel Harnwegsinfektionen Otitis media etc

gt Neugeborene mit Liquorshuntsystemen sind besonders gefaumlhrdet uumlber eine Bakteriaumlmie eine Ventilinfektion zu entwickeln der haumlufigste Erreger ist Staph epidermidis

kKlinikDie klinischen Zeichen der neonatalen Meningitis sind unspezifisch und in der Regel nicht von den Symptomen der Neugeborenensepsis zu unterscheiden Als zusaumltzliche Symptome koumlnnen Beruumlhrungs-empfindlichkeit spaumlrliche Spontanbewegungen und schrilles Schreien hinzukommen Eine gespannte Fontanelle die opistho-tone Koumlrperhaltung oder gar Nackensteifigkeit treten insgesamt selten und erst im fortgeschrittenen Stadium der Meningitis auf Krampfanfaumllle werden bei ca 15 der erkrankten Neugeborenen beobachtet

kDiagnoseAufgrund der uncharakteristischen Symptomatologie sollte bei je-dem Patienten bei dem eine neonatale Sepsis zu vermuten ist eine Liquoruntersuchung erfolgen Bei ausgepraumlgter Instabilitaumlt der Kinder kann man jedoch gezwungen sein die erforderliche Lumbal-punktion erst nach Therapiebeginn durchzufuumlhren Die Besonder-heiten der Liquordiagnostik im Neugeborenenalter sind an anderer Stelle ausgefuumlhrt Repetitive Sonographien und eventuell MRT- Untersuchungen sind zur Erfassung von Komplikationen durchzu-fuumlhren

kTherapieDie Prognose der neonatalen Meningitis wird entscheidend vom Therapiebeginn und der Wahl der Antibiotika bestimmt die anti-biotische Behandlung muss sich gegen das besondere Spektrum der zu vermutenden Erreger neonataler Infektionen richten (s neonata-le Sepsis) Eine zuverlaumlssige Liquorgaumlngigkeit sowie eine ausreichen-de Dosierung der Antibiotika ist unbedingt zu beachten die Dosie-rung der verschiedenen Praumlparate liegt in der Regel houmlher als bei der neonatalen Sepsis

kPrognoseDie Prognose der neonatalen Meningitis ist trotz aller Behandlungs-fortschritte immer noch als ernst anzusehen Die Letalitaumlt betraumlgt 20ndash50 Akute Komplikationen sind ein kommunizierender oder nicht-kommunizierender Hydrozephalus subdurale Effusionen Taubheit und Blindheit ( Abb 755) Bis zu 70 aller Patienten mit E-coli-Meningitis entwickeln eine Ventrikulitis Selten werden Hirnabszesse beobachtet sie treten u a bei Infektionen mit Citro-bacter diversus Proteus mirabilis und Enterobacter-Spezies auf

Schwere neurologische Spaumltschaumlden (Zerebralparesen An-fallsleiden mentale Retardierung Taubheit Blindheit) sind bei un-gefaumlhr 10 der Patienten nachweisbar ein Viertel aller erkrankter Kinder weist leichte bis mittelschwere neurologische und psycho-mentale Beeintraumlchtigungen auf Uumlber den Effekt einer im akuten

Kapitel 7 middot Neonatologie186

7

Erkrankungsstadium durchgefuumlhrten Dexamethasontherapie auf die Komplikationsrate der neonatalen Meningitis liegen zurzeit noch keine Ergebnisse vor Aspekte zur Prophylaxe der neonatalen Meningitis sind im Kapitel raquoneonatale Sepsislaquo abgehandelt

71011 Osteomyelitis und septische Arthritis

kEpidemiologie AumltiologieDie Osteomyelitis und bakterielle Arthritis sind seltene Erkrankun-gen im Neugeborenenalter verlaumlssliche Angaben zur Inzidenz liegen nicht vor Staphylococcus aureus wird bei bis zu 8 der Patienten mit Osteomyelitis als kausaler Erreger identifiziert Daneben werden Streptokokken der Gruppen A und B Staph epidermidis und Strep-tococcus pneumoniae sowie eine Reihe gramnegativer Erreger nach-gewiesen Besonders bei der septischen Arthritis lassen sich neben Staph aureus auch E coli Klebsiella- und Enterobacter-Spezies Pseudomonas Salmonellen Serratia Neisseria gonorrhoeae und auch Candida albicans isolieren

kPathogeneseAufgrund der besonderen ossaumlren Gefaumlszligversorgung bei Neugebore-nen und Saumluglingen treten Osteomyelitis und septische Arthritis haumlufig zusammen auf Diaphyse Metaphyse und Epiphyse werden uumlber gemeinsame Arterien versorgt Als Konsequenz koumlnnen sich Erreger die in die Metaphyse der langen Roumlhrenknochen gelangt sind uumlber diese Gefaumlszligverbindungen zur Epiphyse ausbreiten und das Gelenk in das Infektionsgeschehen einbeziehen Erst gegen Ende des ersten Lebensjahres werden diese Gefaumlszligverbindungen und somit die ungehinderte Infektionsausbreitung unterbrochen

Die meisten Osteomyelitiden treten haumlmatogen auf systemi-sche bakterielle Infektionen koumlnnen ebenso wie lokale Infektionen (Pyodermie Omphalitis Mastitis u a) oder infizierte Infusions-systeme (Nabelgefaumlszligkatheter zentrale Silastic-Katheter u a) im Rahmen einer Bakteriaumlmie zu einer Absiedlung von Erregern in Knochen und Gelenk fuumlhren Bei einem Teil der Patienten lassen sich multiple Knochenherde nachweisen Neben der haumlmatogenen Genese kann auch ein lokales Entzuumlndungsgeschehen per continu-itatem eine Osteomyelitis induzieren (Abszess infiziertes Kephal-haumlmatom etc) Durch repetitive Fersenpunktionen zur kapillaren Blutentnahme kann sich eine Kalkaneusosteomyelitis entwickeln

kKlinikHaumlufig finden sich eine lokalisierte Schwellung im Bereich der be-troffenen Knochen bzw Gelenke sowie eine eingeschraumlnkte Be-weglichkeit mit Schonhaltung der Extremitaumlt (sog Pseudoparalyse) Am haumlufigsten sind die langen Roumlhrenknochen Femur Humerus und Tibia betroffen Aber auch die Maxilla und andere Schaumldel-knochen koumlnnen ebenso wie Finger- oder Wirbelknochen infiziert sein Die haumlufigsten eitrigen Arthritiden treten in Huumlft- Knie- und Schultergelenken auf

kDiagnoseBlutkultur(en) Entzuumlndungszeichen im Blut roumlntgenologische Un-tersuchung Szintigraphie und bei septischer Arthritis Sonographien und Gelenkpunktionen ermoumlglichen die Diagnosestellung Bei der Differenzialdiagnose muumlssen neben Frakturen und Paresen Weich-teilinfektionen sowie ossaumlre Veraumlnderungen durch intrauterine In-fektionen von der Osteomyelitis abgegrenzt werden

kTherapie PrognoseBei dem infrage kommenden Erregerspektrum empfiehlt sich eine antibiotische Initialbehandlung in Analogie zur Sepsistherapie zusaumltzlich sollte in jedem Fall ein staphylokokkenwirksames Medi-kament (z B Oxacillin) eingesetzt werden

Die Langzeitprognose der NeugeborenenosteomyelitisArthri-tis ist immer noch alles andere als zufriedenstellend Eine chronische Osteomyelitis Skelett- oder Knochendeformitaumlten und gestoumlrtes Knochenwachstum sind bei 25ndash50 aller Kinder zu erwarten

71012 Haut- und Weichteilinfektionen

kKlinikDas Spektrum neonataler Hautinfektionen die durch Bakterien Viren oder Pilze hervorgerufen werden reicht von unproblema-tischen lokalen Affektionen bis hin zu lebensgefaumlhrlichen Erkran-kungen

Pustuloumlse und bulloumlse Hautveraumlnderungen Die Impetigo neona-torum eine oberflaumlchliche pustuloumlse Pyodermie ist die haumlufigste Hautinfektion der Neugeborenenperiode Die Pusteln sind haumlufig in der Inguinalregion periumbilikal nuchal und retroaurikulaumlr zu fin-den Erreger Staph aureus Lokale Behandlungsmaszlignahmen sind ausreichend Kontaktinfektionen sind unbedingt zu vermeiden In der Differenzialdiagnose sind folgende Erkrankungen abzugrenzen Erythema toxicum neonatorum (roumltliche Flecken die von einer gelblichen Pustel besetzt sein koumlnnen treten am ganzen Koumlrper auf Direktpraumlparat der Pustel eosinophile Granulozyten) Milien (weiszlig-lich-gelbliche Talgretention an Nase Wange oder Stirn)

Eine weitere Staphylokokkenerkrankung ist die Impetigo bullosa oder Pemphigus neonatorum Durch intra- oder post-natale Besiedlung mit Staph aureus (Phagengruppe II Produktion des Exotoxins Exfoliatin) kann das Neugeborene diese ernste Hauterkrankung akquirieren Es bilden sich groumlszligere von einem roten Hof umgebene Blasen aus diese hinterlassen nach Platzen geroumltete naumlssende Hautstellen 3ndash5 Tage nach Erkrankungsbeginn tritt eine Desquamation von epidermalen Teilen auf (Nikolsky-Phaumlnomen negativ) Die schwerste Verlaufsform einer durch Staph-aureus-Enterotoxin ausgeloumlsten Hautinfektion ist die Dermatitis exfoliativa neonatorum (Ritter von Rittershain Abb 756) Im Bereich groszligflaumlchiger unscharf begrenzter Ery-theme entstehen nach Hautabloumlsung groszlige Wundflaumlchen (Nikolsky-Phaumlnomen positiv)

Abb 755 Ausgepraumlgte im MRT nachweisbare uumlberwiegend okzipital gelegene subkortikale Substanzdefekte bei einem Neugeborenem mit Meningoenzephalitis

7187711 middot Neugeborenenkraumlmpfe

kDifferenzialdiagnoseDie Differenzialdiagnose umfasst vesikulaumlre Effloreszenzen bei neo-nataler Herpes simplex Zytomegalie- und Varizelleninfektion sowie bulloumlse Veraumlnderungen bei der Lues connata (Pemphigus syphili-ticus)

kTherapieDie antibiotische Behandlung beider Verlaufsformen muss immer systemisch (intravenoumls) erfolgen Die Supportivtherapie der Derma-titis exfoliativa erfolgt nach den Prinzipien der Verbrennungsthera-pie Als Komplikationen sind die neonatale Sepsis Meningitis Osteomyelitis und andere Organmanifestationen gefuumlrchtet

71013 Omphalitis

kAumltiologieBevorzugter Erreger der Omphalitis ist Staph aureus aber auch andere Erreger der Neonatalperiode koumlnnen eine Nabelinfektion ausloumlsen Durch konsequente prophylaktische Nabelhygiene ist die-se Infektion selten geworden

kKlinikDie eitrige Entzuumlndung des Nabels manifestiert sich durch eine periumbilikale Roumltung derbe Infiltration und gegebenenfalls Ulze-ration Der Nabelgrund kann eitrig belegt sein haumlufig entleert sich purulentes Sekret Im Rahmen der Diagnostik werden Abstriche und Blutkulturen abgenommen sowie zur Verlaufskontrolle Ent-zuumlndungszeichen bestimmt Als Komplikationen koumlnnen eine Nabelphlegmone Nabelsepsis Infektion der Nabelgefaumlszlige u a auf-treten Die Therapie besteht in einer Lokalbehandlung und syste-misch intravenoumlsen Antibiotikatherapie

71014 Mastitis

kEpidemiologieEine Mastitis entwickelt sich in der Regel zwischen der 2 bis 3 Lebens woche weibliche Neugeborene erkranken haumlufiger als maumlnnliche Diese Erkrankung tritt vermutlich wegen der noch nicht entsprechend entwickelten Brustdruumlsen bei Fruumlhgeborenen nicht auf Eine beidseitige Affektion ist selten Haumlufigster Erreger ist Staph aureus zunehmend auch E coli und Streptokokken der Gruppe B Der Entstehungsmechanismus ist unklar es ist nicht auszuschlieszligen dass Manipulationen an der geschwollenen Brust die Infektion beguumlnstigen

kDiagnose TherapieDirektpraumlparat des Brustdruumlsensekrets und Abstriche Die Therapie erfolgt immer mit intravenoumlsen Antibiotika bei ausgepraumlgten Be-funden kann eine chirurgische Intervention notwendig werden Langzeitnachuntersuchungen lassen nicht ausschlieszligen dass einige der erkrankten Maumldchen ein vermindertes Brustgewebe auf der erkrankten Seite zuruumlckbehalten

Weitere recht haumlufige bakterielle Lokalinfektionen des Neuge-borenen sind

4 Kopfschwartenabszess (Verletzung durch CTG-Elektroden Erreger Staph aureus Streptokokken der Gruppe B u a Erreger neonataler Infektionen)

4 infiziertes Kephalhaumlmatom (s Kopfschwartenabszess) 4 Paronychien (wichtigste Erreger Staph aureus Streptokokken

der Gruppe B)

71015 Lokale Candidainfektionen

Der Mundsoor ist eine haumlufig auftretende Lokalinfektion des Neu-geborenen weiszligliche Belaumlge die im Gegensatz zu Milchresten nicht abwischbar sind kleiden uumlberwiegend die Wangenschleimhaut Neugeborener aus Diese Infektion mit Candida albicans wird ent-weder unter der Geburt oder durch postnatale Kontamination von verschiedenen Gegenstaumlnden uumlbertragen Sie verheilt unter konse-quenter lokaler antimykotischer Behandlung Eine Candidiasis tritt haumlufig auch als perianale intertriginoumlse Dermatitis auf neben blass-gelblichen makuloumlsen Veraumlnderungen finden sich feuerrote leicht schaumllende Areale Die Behandlung erfolgt durch orale und lokale Applikation von Antimykotika

71016 Neonataler Tetanus

In einigen Teilen der Welt stellt der neonatale Tetanus eine ernsthafte Bedrohung Neugeborener dar Von einer Infektion des Nabels ausge-hend entwickeln die Neugeborenen gegen Ende der ersten Lebens-woche Trinkschwaumlche muskulaumlre Hypertonie und generalisierte Spasmen Die akute Erkrankung kann nur durch neuromuskulaumlre Blockade und maschinelle Beatmung wirksam behandelt werden

71017 Ophthalmia neonatorum

7 Kap 33

711 Neugeborenenkraumlmpfe

kGrundlagenVon Krampfanfaumlllen spricht man wenn aufgrund einer voruumlberge-henden Beeintraumlchtigung der Hirnfunktion eine abnormale motori-sche undoder vegetative Aktivitaumlt mit oder ohne Aumlnderung der

Abb 756 Dermatitis exfoliativa neonatorum durch S aureus

Kapitel 7 middot Neonatologie188

7

Bewusstseinslage auftritt die von einer paroxysmalen elektrischen Aktivitaumlt des Gehirns begleitet wird Typisch fuumlr Neugeborene ist dass nicht alle als Krampfanfall imponierende motorische Aktivitauml-ten mit Veraumlnderungen des EEG einher gehen Da es bei Krampfan-faumlllen zu einer Auschuumlttung von Katecholaminen kommt sind sie oft mit autonom-vegetativen Phaumlnomenen wie Tachykardie und einem Blutdruckanstieg verbunden

gt Im Gegensatz zu Krampfanfaumlllen bei aumllteren Saumluglingen und Kindern sind Krampfanfaumllle beim Neugeborenen in der uumlberwiegenden Mehrzahl nicht idiopathisch sondern beruhen auf einer akuten zerebralen Funktionsstoumlrung

Die Inzidenz wird mit 05 aller Neugeborenen angegeben Die klinische Diagnose neonataler Kraumlmpfe ist nicht immer einfach aus diesem Grund ist immer eine genaue Beobachtung und Beschrei-bung der registrierten Phaumlnomene notwendig

kKlinikKlinisch koumlnnen spezifische Typen neonataler Anfaumllle unterschie-den werden 4 Klonische Kraumlmpfe rhythmische Zuckungen mit einer Fre-

quenz von 1ndash2 pro Sekunde wobei Hin- und Ruumlckbewegung von unterschiedlicher Geschwindigkeit sind (meist schnelle Hin- und langsamere Ruumlckbewegung) auf einer oder beiden Koumlrperseiten (fokal oder generalisiert)

4 Tonische Kraumlmpfe fokale tonische Anfaumllle manifestieren sich als einseitige anhaltende tonische Beugung oder Streckung einer Extremitaumlt des Halses oder Rumpfes Bei der generali-sierten Form betreffen diese Bewegungen beide Koumlrperseiten z T mit Streckung der Beine und Beugung der Arme

4 Myoklonische Kraumlmpfe Ploumltzlich einschieszligende rasche Kon-traktion eines Beugemuskels entweder fokal oder multifokal d h asynchrone alternierende Myoklonien unterschiedlicher Koumlrperteile Myoklonische Kraumlmpfe sind in der Regel ohne EEG-Veraumlnderungen Im Schlaf werden fokale Myoklonien bei Neugeborenen insbesondere bei Fruumlhgeborenen sehr haumlufig gesehen Diese Schlafmyoklonien sind physiologisch und kein Ausdruck einer Hirnfunktionsstoumlrung beim Erwecken der sbquoNeugeborenen sistieren sie unverzuumlglich

4 Subtile Kraumlmpfe orale Automatismen stereotype komplexe Bewegungsmuster wie Pedalieren der Beine tonische Augen-deviation Selten koumlnnen sich Kraumlmpfe auch als Apnoe praumlsen-tieren die dann in der Regel mit einer Tachykardie einhergeht (differenzialdiagnostisch wichtiges Kriterium zu anderen Apnoeformen)

kAumltiologie DiagnostikSehr verschiedene Grundkrankheiten koumlnnen sich mit Kraumlmpfen in der Neugeborenenperiode praumlsentieren und die Prognose der Kin-der wird in der Regel durch diese zugrundeliegenden Erkrankungen bestimmt Die basale Diagnostik bei Neugeborenenkraumlmpfen um-fasst neben der Anamnese und der klinischen Untersuchung be-stimmte Laboruntersuchungen (Blutzucker Elektrolyte Kalzium gr Blutbild Blutgasanalyse CRP Urinstatus) die Sonographie des Kopfes und das EEG Weitere Untersuchungen erfolgen entspre-chend spezifischer Auffaumllligkeiten

Ursache von Neugeborenenkrampfanfaumlllen 4 Akute metabolische Stoumlrungen

ndash Hypoglykaumlmie ndash Hypokalzaumlmie ndash Hyponatriaumlmie ndash Hypernatriaumlmie ndash Hypomagnesiaumlmie

4 Asphyxie 4 ZNS-Infektion

ndash Meningitis ndash Enzephalitis

4 Hirnblutung Hirninfarkt 4 Periventrikulaumlre Leukomalazie 4 Sinusvenenthrombose 4 Hirnfehlbildungen 4 Angeborene Stoffwechselerkrankungen

ndash Aminoazidopathien ndash Organoazidurien

4 Benigne Neugeborenenkraumlmpfe ndash Familiaumlr ndash Fifth-day fits (Kraumlmpfe am 5 Lebenstag) ndash Pyridoxinabhaumlngige Kraumlmpfe

4 Angeborene peroxisomale Erkrankungen 4 Neurokutane Sydrome 4 Toxine

ndash Bilirubin ndash Heroin ndash Kokain ndash Lokalanaumlsthetika

Akute metabolische Stoumlrungen Eine unverzuumlgliche Therapie dieser Stoumlrungen stellt die Erstmaszlignahme bei Neugeborenenkraumlmpfen dar

Asphyxie Dieses ist die haumlufigste Ursache fuumlr Krampfanfaumllle inner-halb der ersten 2 Lebenstage Das fruumlhe Auftreten innerhalb der ers-ten 4ndash6 h spricht fuumlr eine sehr schlechte Prognose

ZNS-Infektion Bei nicht sicher einzuordnenden Kraumlmpfen oder bei entsprechender klinischer Symptomatik ist immer eine Liquor-punktion indiziert Bei pathologischen Befunden differenzierte Diagnostik

Hirnblutungen Sowohl traumatisch bedingte Hirnblutungen reifer Neugeborener als auch intrazerebrale Blutungen bei Fruumlhgeborenen koumlnnen mit Krampfanfaumlllen einhergehen Bei Fruumlhgeborenen ist die sonographische Untersuchung ausreichend bei Reifgeborenen ist meist ein CT oder MRT notwendig

Hirnfehlbildungen Lissenzephalie Holoprosenzephalie Porenze-phalie Bei Verdacht im Ultraschallbild ist eine genaue weitergehen-de bildgebende Diagnostik erforderlich

Angeborene Stoffwechselerkrankungen Dieses sind vor allem Aminoazidopathien (Ahornsirupkrankheit Hyperglyzinaumlmie) oder Organoazidurien (Propionaziaumlmie) Aufgrund eines Abbau- oder Synthesedefektes kommt es zur Akkumulation toxischer Meta-bolite Die Symptome treten dann auf wenn die Kinder eine gewisse Nahrungsmenge erhalten haben oder sich in einer katabolen Stoff-wechselsituation befinden (Abbau von koumlrpereigenem Eiweiszlig) Toxinentfernung Begrenzung der Eiweiszligzufuhr und Beseitigung

7189712 middot Metabolische Stoumlrungen

der Katabolie sind die Hauptmaszlignahmen Diagnostik Ammoniak Laktat Blutzucker im Serum Ketonkoumlrper im Urin sofortige Asser-vierung von Urin zur spezifischen Diagnostik

Benigne Neugeborenenkraumlmpfe Ein recht groszliger Anteil der Kraumlmpfe in der Neugeborenenperiode sind benigner Natur Sie tre-ten in der ersten Lebenswoche auf sind transient und die Kinder entwickeln sich unauffaumlllig Die Diagnose erfolg per Ausschluss an-derer Ursachen Eine familiaumlre Form wird autosomal-dominant ver-erbt der Genort liegt auf Chromosom 20q Eine weitere Sonderform sind Kraumlmpfe die typischerweise am 5 Lebenstag auftreten (raquofifth-day fitslaquo) Die Ursache ist ungeklaumlrt die Bedeutung eines Zinkman-gels unklar Aumltiologisch unklare Kraumlmpfe sollten als Neugeborenen-kraumlmpfe ohne Dignitaumltsangabe bezeichnet werden erst die unauffaumll-lige weitere Entwicklung erlaubt es die Diagnose benigner Anfaumllle sicher zu stellen

Pyridoxinabhaumlngige Kraumlmpfe Diesem seltenen Krankheitsbild liegt wahrscheinlich ein GABA-Sythesedefekt zugrunde Die Krampfan-faumllle treten am ersten Lebenstag auf und sind gegenuumlber den uumlblichen Antikonvulsiva therapieresistent Vitamin B6 stellt einen Cofaktor fuumlr die Sythese von GABA dar und ist therapeutisch wirksam Trotz der Seltenheit dieses Krankheitsbildes ist bei therapieresistenten Krampf-anfaumlllen ein Behandlungsversuch mit Vitamin B6 sinnvoll

Angeborene peroxisomale Erkrankungen (Zellweger-Syndrom neonatale Adrenoleukodystrophie) Klinisch finden sich bei die-sen selteneren Erkrankungen in der Neonatalphase neben den Krampfanfaumlllen eine kraniofaziale Dysmorphie Muskelhypotonie Trinkschwaumlche Optikusatrophie oder Katarakt Die Diagnose er-folgt uumlber die Bestimmung biochemischer Marker im Blut insbe-sondere den sehr langen Fettsaumluren (VLFA)

Neurokutane Sydrome Diese angeborenen Erkrankungen koumlnnen selten ebenfalls mit Krampfanfaumlllen im Neugeborenenalter ein-hergehen Klinisch ist auf kutane Depigmentierungen (tuberoumlse Sklerose) Cafeacute-au-lait-Flecken (Neurofibromatose) oder faziale Portwein-Naevi (Sturge-Weber) zu achten

Toxine Die Bilirubinenzephalopathie ist eine Raritaumlt geworden Bei maternaler Heroineinnahme koumlnnen Neugeborenenkraumlmpfe als neonatales Entzugssyndrom auftreten Nach maternaler Kokain-einnahme kann es zu intrazerebralen Gefaumlszligverschluumlssen kommen Die akzidentelle Injektion eines Lokalanaumlsthetikums in den Fetus bei Pudendusanaumlsthesie kann zu Kraumlmpfen fuumlhren klinisch finden sich eine muskulaumlre Hypotonie und dilatierte Pupillen

kTherapieBei Neugeborenenkraumlmpfen muss Diagnostik und Therapie parallel erfolgen Da die Hypoglykaumlmie sofort behandelbar und ihre Folgen schwerwiegend sind erfolgt als erste Maszlignahme die Bestimmung des Blutzuckers als kapillaumlrer Schnelltest und sofort nach Blutab-nahme moumlglichst durch eine 2 Person Verabreichung von Glukose 10 iv 2 mlkg KG Unter der Glukosezufuhr sollte der Krampf-anfall beobachtet und beschrieben werden Krampftyp ein- oder beidseitig vegetative Symptome Dauer Anschlieszligend Blutab-nahme fuumlr Kalzium Natrium Magnesium und Kalium Wenn der Krampfanfall nicht innerhalb von einigen Minuten sistiert werden intravenoumls Antikonvulsiva verabreicht (Mittel der ersten Wahl Lorazepam Midazolam oder Clonazepam dann Phenobarbital und Phenytoin) Findet sich keine Krampfursache sollte bei persistieren-den Kraumlmpfen Pyridoxin (VitaminB6) verabreicht werden

712 Metabolische Stoumlrungen

7121 Hyperglykaumlmie

Eine Hyperglykaumlmie ist bei Neugeborenen wesentlich seltener als die Hypoglykaumlmie

kPathogeneseDie neonatale Hyperglykaumlmie kann verursacht werden durch eine zu hohe parenterale Glukosezufuhr durch eine eingeschraumlnkte Gluko-setoleranz z B bei Fruumlhgeborenen oder bei neonataler Sepsis Selten besteht ein transitorischer neonataler Diabetes mellitus

kKlinikDurch eine osmotische Diurese kommt es zur Dehydratation

kDiagnoseEin Blutzucker gt125 mgdl (7 mmoll) ist eine Hyperglykaumlmie Ebenfalls bestimmt werden sollten Serumelektrolyte Saumlure-Basen-Status Urinzucker Urinausscheidung und Veraumlnderungen des Koumlrpergewichts

kTherapieIn der Regel durch eine Reduktion der Glukosezufuhr

CaveEine Insulingabe sollte nur in Ausnahmefaumlllen erfolgen da die Insulintherapie bei Neugeborenen sehr schwer steuerbar ist

7122 Hypoglykaumlmie

kEpidemiologieEine symptomatische Hypoglykaumlmie ereignet sich bei 1ndash3 von 1000 Neugeborenen Deutlich houmlher ist das Hypoglykaumlmierisiko bei dystrophen Neugeborenen (5ndash15) und bei Fruumlhgeborenen Weite-re Risikofaktoren fuumlr eine Hypoglykaumlmie sind Hypothermie Hypo-xie muumltterlicher Gestationsdiabetes oder Diabetes mellitus und Polyzythaumlmie

kPathogeneseHypoglykaumlmien bei Neugeborenen koumlnnen folgende Ursachen haben 4 Der Glukoseverbrauch uumlbersteigt die Glukosezufuhr bzw die

Glukoseproduktion Da Neugeborene nur einen geringen Glykogenvorrat (1 des Koumlrpergewichts) haben kommt es bei Ausbleiben einer exogenen Glukosezufuhr rasch zu Hypo-glykaumlmien Dies ist die haumlufigste Ursache von Hypoglykaumlmien beim Neugeborenen

4 Ein Hyperinsulinismus liegt bei Kindern diabetischer Muumltter (transient) beim Beckwith-Wiedemann-Syndrom und bei der Nesidioblastose (diffuse Inselzellhyperplasie) vor

4 Kongenitale Stoffwechseldefekte Aminosaumlurestoffwechsel-stoumlrungen (z B Ahornsirupkrankheit) stoumlren die Glukoneoge-nese Glykogenspeicherkrankheiten Galaktosaumlmie und Fruk-toseintoleranz verringern die Verfuumlgbarkeit von Glukose aus Glykogen

4 Polyglobulie Die Ursache der Hypoglykaumlmien bei Polyglobu-lie ist nicht bekannt

Kapitel 7 middot Neonatologie190

7

kKlinikDie Symptome der Hypoglykaumlmie sind unspezifisch und umfassen Zittrigkeit Apathie Krampfanfaumllle Apnoen muskulaumlre Hypotonie und Trinkschwaumlche

kDiagnoseDie Definition der Hypoglykaumlmie beim Neugeborenen ist schwierig da Neugeborene auch bei niedrigen Blutzuckerwerten haumlufig asym-ptomatisch sind

Laborchemische Definition der Hypoglykaumlmie 4 FruumlhgeboreneReifgeborene (gt24 h) Plasmaglukose

lt35 mgdl 4 FruumlhgeboreneReifgeborene (gt24 h) Plasmaglukose

lt45 mgdl

Risikokinder sollten eine Blutzuckerbestimmung 1 h postnatal er-halten und danach 3-stuumlndliche Blutzuckerkontrollen fuumlr die naumlchs-ten 24 h Bei persistierender Hypoglykaumlmie sollte nach einem ange-borenen Stoffwechseldefekt gesucht und Insulin Kortisol und Wachstumshormon bestimmt werden

kTherapieBei einer Hypoglykaumlmie mit klinischer Symptomatik erfolgt die int-ravenoumlse Gabe von 2 mlkg KG Glukose 10 uumlber 10 min gefolgt von einer Glukoseinfusion mit 8 mg Glukosekg KGmin Neugebo-rene mit besonderem Risiko fuumlr eine Hypoglykaumlmie sollten eine Fruumlhfuumltterung mit Glukose 5 oder Dextrinloumlsungen erhalten

kPrognoseWenn die Hypoglykaumlmie nur kurz dauert ist die Prognose gut Prolongierte oder tiefe Hypoglykaumlmien sind mit neurologischen Folgeschaumlden assoziiert

7123 Fetopathia diabetica

kPathogeneseBei optimaler Einstellung und Uumlberwachung des muumltterlichen Dia-betes mellitus waumlhrend der Schwangerschaft kann sich die fetale intrauterine Entwicklung voumlllig normal vollziehen Bei schlechter Einstellung besteht ein deutlich erhoumlhtes Risiko fuumlr den Feten intra-uterin zu versterben die Neugeborenen sind entweder makrosom oder hypotroph und weisen eine Reihe schwerwiegender postnata-ler Adaptionsstoumlrungen auf Da Glukose ungehindert durch die Pla-zenta diffundiert fuumlhrt eine anhaltende muumltterliche Hyperglykaumlmie zu erhoumlhten Blutzuckerkonzentrationen beim Feten der als Folge mit einem kompensatorischen Hyperinsulinismus reagiert Dieser Hyperinsulininismus ist fuumlr das typische Organwachstum der mak-rosomen Neugeborenen verantwortlich Bei einer schweren diabe-tischen Plazentainsuffizienz koumlnnen Neugeborene aber auch eine ausgepraumlgte Hypotrophie aufweisen Die Neugeborenen sind post-natal extrem Hypoglykaumlmiegefaumlhrdet da sich der Hyperinsulinis-mus nur langsam zuruumlckbildet

Das klinische Bild ist aumluszligerst eindrucksvoll und durch eine Rei-he von Funktionsstoumlrungen charakterisiert 4 Makrosomie cushingoides Aussehen 4 Hepatomegalie hypertrophe Kardiomyophathie (Glykogenein-

lagerungen) 4 Atemnotsyndrom durch beeintraumlchtigte Surfactantproduktion

4 Plethora Polyzythaumlmie Hyperviskositaumltssyndrom Hyperbilirubinaumlmie

4 Geburtstraumatische Komplikationen Plexuslaumlhmung Asphyxie u a

4 metabolische Entgleisungen Hypoglykaumlmie Hypokalzaumlmie Hypomagnesiaumlmie

4 evtl Fehlbildungen kaudales Regressionssyndrom Mikrokolon Vitium cordis

kTherapieZeitgerechte und konsequente Behandlung aller klinischen und metabolischen Stoumlrungen

7124 Hypokalzaumlmie

Je unreifer ein Neugeborenes ist desto haumlufiger tritt eine Hypokalzauml-mie auf

kPathogeneseAls Ursache fuumlr die fruumlhe Hypokalzaumlmie (Lebenstag 1ndash3) wird die nach der Geburt ploumltzlich ausbleibende hohe intrauterine Kalzium-zufuhr angenommen Ein erhoumlhtes Hypokalzaumlmierisiko besteht bei Kindern diabetischer Muumltter bei Sepsis und nach Asphyxie Die spauml-te Hypokalzaumlmie (nach dem 3 Lebenstag) kann durch hohe Phos-phatzufuhr mit der Nahrung bei verfruumlhter Kuhmilchfuumltterung oder durch Vitamin-D-Mangel verursacht werden

kKlinikLaborchemisch liegt eine Hypokalzaumlmie vor wenn das Serum-kalzium lt18 mmoll ist Die klinischen Symptome der Hypokal-zaumlmie sind unspezifisch (Zittrigkeit Tremor Hyperexzitaumlbilitaumlt oder Krampfanfaumllle) Die fruumlhe Hypokalzaumlmie ist meist asymptoma-tisch

kDifferenzialdiagnoseHypoglykaumlmie Hypomagnesiaumlmie

kTherapieBei klinischer Symptomatik langsame intravenoumlse Gabe von 1ndash2 mlkg KG Kalziumglukonat 10 Bei asymptomatischer Hypo-kalzaumlmie Erhoumlhung der taumlglichen Kalziumzufuhr auf 5ndash10 mlkg Kalziumglukonat

CaveSchnelle intravenoumlse Kalziumgabe fuumlhrt zur Bradykardie Paravenoumlse Kalziumgabe fuumlhrt zu schweren Gewebsnek-rosen

Persistiert die Symptomatik trotz Kalziumsubstitution kann eine Hypomagnesiaumlmie vorliegen

713 Spezielle Aspekte der Ernaumlhrung Fruumlh- und Neugeborener

7131 Naumlhrstoffbedarf

Der Fluumlssigkeitsbedarf des Neugeborenen ist deutlich houmlher als beim Erwachsenen weil der Wasserumsatz des Neugeborenen we-gen der geringeren Konzentrationsfaumlhigkeit der Niere des hohen insensiblen Wasserverlustes uumlber Haut und Lunge und des hohen Energieumsatzes sehr hoch ist

7191Literatur

Der Kalorien- und Eiweiszligbedarf des Neugeborenen ist wegen des raschen Wachstums ebenfalls houmlher als beim Erwachsenen ( Tab 719)

7132 Ernaumlhrung des reifen Neugeborenen

Die optimale Ernaumlhrung fuumlr das reife Neugeborene ist Muttermilch Um die Muttermilchproduktion anzuregen soll das Neugeborene anfangs alle 3ndash4 h an beiden Bruumlsten saugen Mit zunehmender Muttermilchmenge muss kein starrer Stillrhythmus mehr eingehal-ten werden sondern das Kind wird dann angelegt wenn es Hunger hat Die Muttermilchmenge deckt in der Regel am Ende der 1 Le-benswoche den Bedarf des Neugeborenen

gt Das reife Neugeborene soll in den ersten Lebenstagen zusaumltzlich zum regelmaumlszligigen Anlegen an der Brust nur Fluumlssigkeit angeboten bekommen bei normalem Anstieg der Muttermilchmenge ist keine Zufuumltterung von Milch-nahrung notwendig

7133 Ernaumlhrung des Fruumlhgeborenen

Aktivitaumlt von Verdauungsenzymen ist im Gastrointestinaltrakt be-reits ab 20 Schwangerschaftswochen nachzuweisen Deshalb ist die Resorption von kurzkettigen Kohlenhydraten und Protein auch bei unreifen Fruumlhgeborenen gut Fett wird allerdings von Fruumlhgebore-nen wegen geringer Lipaseaktivitaumlt und geringer Gallensaumlurenmen-ge nur unvollstaumlndig resorbiert

Auch wenn Saugbewegungen intrauterin bereits mit 22 Gestati-onswochen stattfinden wird eine effektive Saug-Schluck-Koordina-tion erst mit 32ndash34 Gestationswochen erreicht Auch die koordinier-te antegrade Peristaltik im Magen-Darm-Trakt entwickelt sich in diesem Zeitraum erst allmaumlhlich ( Abb 725)

Bei unreiferen Fruumlhgeborenen muss deshalb mit sehr kleinen Nahrungsmengen (3ndash5 ml pro Mahlzeit) begonnen und die Nah-rung in den Magen sondiert werden bis das Kind die Faumlhigkeit selbst zu trinken entwickelt hat

Die beste enterale Nahrung ist auch fuumlr das Fruumlhgeborene Muttermilch die allerdings wegen des hohen Naumlhrstoffbedarfs Fruumlhgeborener mit Kalorien Protein und Mineralstoffen angerei-

chert werden muss Da Fruumlhgeborene anfangs nur sehr kleine e nterale Nahrungsmengen vertragen ist eine zusaumltzliche parente-rale Ernaumlhrung notwendig bis der enterale Nahrungsaufbau voll-staumlndig ist

Literatur

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Tab 719 Bedarf an Fluumlssigkeit und Naumlhrstoffen von Fruumlh- und Neugeborenen in den ersten Lebenswochen im Vergleich zum Erwachsenen

Fruumlh-geborenes

Reif-geborenes

Erwachsener

Fluumlssigkeit [mlkg KGTag]

180 130 40ndash50

Kalorien [kcalkg KGTag]

130 110 30ndash40

Protein [gkg KGTag]

3 2ndash3 08

Gewichtszunahme [gkg KGTag]

15 8 0

Abb 757 Entwicklung der gastrointestinalen Motorik

  • III13Neonatologie und paumldiatrische Intensivmedizin
    • 713Neonatologie
      • Definitionen
      • Postnatale Adaptation
        • Lunge
        • Herz und Kreislauf
        • Temperaturregulation
        • Niere
        • Gastrointestinaltrakt
        • Eltern-Kind-Beziehung
        • Beurteilung der postnatalen Adaptation (Apgar-Schema)
        • Akut lebensbedrohliche Fehlbildungen der Neugeborenenperiode
          • Untersuchung des Neugeborenen
            • Zeitpunkte der Neugeborenenuntersuchung
            • Durchfuumlhrung der Neugeborenenuntersuchung
            • Neurologische Neugeborenenuntersuchung
            • Bestimmung der somatischen Reifezeichen
              • Reanimation Fruumlhund Neugeborener
                • Voraussetzungen zur Reanimation
                • Maszlignahmen der Neugeborenenreanimation
                  • Perinatale Schaumlden und ihre Folgen
                    • Asphyxie
                    • Hypoxisch-ischaumlmische Enzephalopathie (HIE)
                    • Geburtstraumatische Schaumlden
                      • Das Fruumlhgeborene
                        • Das Atemnotsyndrom Fruumlhgeborener
                        • Persistierender Ductus arteriosus (PDA)
                        • Wilson-Mikity-Syndrom
                        • Bronchopulmonale Dysplasie
                        • Retinopathia praematurorum
                        • Hirnblutungen des Fruumlhgeborenen
                        • Germinale Matrixblutung des Fruumlhgeborenen
                        • Andere intrazerebrale Blutungen bei Fruumlhgeborenen
                        • Periventrikulaumlre Leukomalazie
                        • Apnoen bei Fruumlhgeborenen
                          • Lungenerkrankungen des Neugeborenen
                            • Transitorische Tachypnoe
                            • Mekoniumaspirationssyndrom
                            • Pneumothorax
                            • Kongenitales lobaumlres Emphysem
                            • Lungenhypoplasie
                            • Zwerchfellhernie (Enterothorax)
                            • Neonatale Pneumonien
                            • Persistierende pulmonale Hypertonie (persistierende fetale Zirkulation)
                            • Lungenblutung
                            • Chylothorax
                            • Obstruktion der oberen Atemwege
                              • Bluterkrankungen
                                • Fetale Erythropoese
                                • Neonatale Anaumlmie
                                • Anaumlmie Fruumlhgeborener
                                • Polyzythaumlmie Hyperviskositaumltssyndrom
                                • Icterus neonatorum und Hyperbilirubinaumlmie
                                • Physiologischer Ikterus
                                • Muttermilchikterus
                                • Ikterus bei Fruumlhgeborenen
                                • Pathologische Hyperbilirubinaumlmie
                                • Morbus haemolyticus neonatorum
                                • Kernikterus Bilirubinenzephalopathie
                                • AB0-Erythroblastose
                                • Rh-Erythroblastose
                                • Weitere haumlmolytische Erkrankungen
                                • Direkte Hyperbilirubinaumlmie
                                • Weiszliges Blutbild Neugeborener
                                • Neonatale Thrombozytopenie
                                • Neonatale Alloimmunthrombozytopenie
                                • Koagulopathien
                                • Morbus haemorrhagicus neonatorum (Vitamin-K-Mangel)
                                  • Nekrotisierende Enterokolitis
                                  • Fetale und neonatale Infektionen
                                    • Besonderheiten des Immunsystems Neugeborener
                                    • Nichtbakterielle konnatale Infektionen
                                    • Roumlteln
                                    • Zytomegalie
                                    • Herpes simplex
                                    • Varizella-Zoster-Virus
                                    • Weitere konnatale Virusinfektionen
                                    • Toxoplasmose
                                    • Neugeborenensepsis
                                    • Meningitis
                                    • Osteomyelitis und septische Arthritis
                                    • Hautund Weichteilinfektionen
                                    • Omphalitis
                                    • Mastitis
                                    • Lokale Candidainfektionen
                                    • Neonataler Tetanus
                                    • Ophthalmia neonatorum
                                      • Neugeborenenkraumlmpfe
                                      • Metabolische Stoumlrungen
                                        • Hyperglykaumlmie
                                        • Hypoglykaumlmie
                                        • Fetopathia diabetica
                                        • Hypokalzaumlmie
                                          • Spezielle Aspekte der Ernaumlhrung Fruumlhund Neugeborener
                                            • Naumlhrstoffbedarf
                                            • Ernaumlhrung des reifen Neugeborenen
                                            • Ernaumlhrung des Fruumlhgeborenen
Page 6: Neonatologie - Springer...7.8.5 Icterus neonatorum und Hyperbilirubinämie – 168 7.8.6 Physiologischer Ikterus – 169 7.8.7 Muttermilchikterus – 169 7.8.8 Ikterus bei Frühgeborenen

Kapitel 7 middot Neonatologie130

7Adaptationsvorgaumlnge Die Beluumlftung der Lunge induziert eine Vasodilatation im Pulmonalkreislauf Die Erhoumlhung des paO2 von 30 auf 60ndash99 Torr im Blut das den Ductus arteriosus durchstroumlmt fuumlhrt zu Konstriktion und funktionellem Verschluss des Ductus der Druckanstieg im kindlichen Koumlrperkreislauf leitet nach dem Wegfall des plazentaren Niederdrucksystems den funktionellen Verschluss des Foramen ovale ein

723 Temperaturregulation

Intrauterin Waumlrme ist fuumlr den Feten ein Nebenprodukt des Stoff-wechsels Obwohl ein Groszligteil dieser Waumlrme uumlber die Plazenta ab-gefuumlhrt wird liegt die Koumlrpertemperatur des Feten dadurch um 05degC uumlber der Koumlrpertemperatur der Mutter Intrauterin benoumltigt der Fetus keine eigene Waumlrmeregulation

Postnatal Die Umgebungstemperatur liegt 15ndash20degC unter der Koumlrpertemperatur und es treten Waumlrmeverluste durch Strahlung (kuumlhle Raumwaumlnde) Konvektion (kuumlhle bewegte Luft) und Ver-dunstung (trockene Luft) auf Um die Koumlrpertemperatur konstant zu halten muumlssen die auftretenden Waumlrmeverluste durch Waumlrme-produktion ausgeglichen werden

Adaptationsvorgaumlnge Das Neugeborene verringert Waumlrmever-luste durch Vasokonstriktion in der Haut und produziert Waumlrme im braunen Fettgewebe Nur Neugeborene besitzen dieses braune Fettgewebe das zwischen den Schulterblaumlttern hinter dem Herzen und den groszligen Gefaumlszligen liegt die dort produzierte Waumlrme verteilt sich rasch im Koumlrper Die Braunfaumlrbung des Gewebes entsteht durch den hohen Anteil an Mitochondrien Die Fettoxidation ist durch das so genannte raquouncoupling proteinlaquo von der ATP-Produktion abge-koppelt und erlaubt eine direkte und rasche Waumlrmeproduktion Trotz dieses Adaptationsmechanismus uumlbertreffen die Waumlrmever-luste eines unbekleideten reifen Neugeborenen in Raumtemperatur (22degC) seine Waumlrmeproduktion und es besteht die Gefahr der Aus-kuumlhlung ( Abb 73)

gt Um eine postnatale Auskuumlhlung zu verhindern wird ein reifes Neugeborenes nach der Geburt gut abgetrocknet in direktem Hautkontakt der Mutter auf die Brust gelegt und mit einem trockenen Tuch zugedeckt

724 Niere

Intrauterin Die Plazenta uumlbernimmt die Ausscheidungsfunktion der Nieren Die Aufgabe der fetalen Nieren ist die Produktion von Fruchtwasser das zum groszligen Teil fetaler Urin ist Fehlt das Frucht-wasser kommt es zur Lungenhypoplasie

Postnatal Die Nieren muumlssen die Fluumlssigkeits- und Elektrolytho-moumlostase aufrechterhalten Stoffwechselprodukte ausscheiden und den Saumlure-Basen-Haushalt ausgleichen

Adaptationsvorgaumlnge Der erste Urin wird oft bei oder unmittelbar nach der Geburt abgesetzt und nach einer Pause setzt dann inner-halb von 24 h die Diurese ein In den ersten Lebenstagen reduziert das Neugeborene als Adaptation an das trockene extrauterine Milieu seinen groszligen Extrazellulaumlrraum Durch die Fluumlssigkeitsausschei-dung kommt es zur physiologischen postnatalen Gewichtsabnah-me von maximal 10 des Geburtsgewichts

Die Filtrationsleistung der Nieren betraumlgt beim Neugeborenen nur 110ndash16 des Erwachsenen und auch die Tubuli sind deutlich weniger leistungsfaumlhig Trotzdem kann die Niere des Neugeborenen die Homoumlostase in der Regel aufrechterhalten

gt Da die Regulationsfaumlhigkeit der Niere des Neugeborenen geringer ist ist das Risiko einer Hyperhydratation sowie einer Dehydratation groumlszliger als beim Erwachsenen

725 Gastrointestinaltrakt

Intrauterin Die Ernaumlhrung des Feten erfolgt uumlber die Plazenta Der Fet schluckt und resorbiert Fruchtwasser und reguliert damit das Fruchtwasservolumen

CaveEin Polyhydramnion kann Symptom einer gastrointestina-len Obstruktion (z B Oumlsophagusatresie Duodenalatresie) oder einer Schluckstoumlrung des Feten sein

Postnatal Die Ernaumlhrung erfolgt durch die Resorption von Naumlhr-stoffen aus dem Gastrointestinaltrakt

Adaptationsvorgaumlnge 70 der Neugeborenen setzen innerhalb der ersten 12 Lebensstunden Mekonium den ersten Stuhl ab die restlichen Neugeborenen innerhalb von 48 h Mekonium ist gruumln-lich-schwarz und besteht aus eingedickter Galle Lanugo und Zell-detritus Beim reifen Neugeborenen ist der Saug- und Schluckreflex ausreichend entwickelt so dass orale Nahrung aufgenommen werden kann Die Nahrungsmenge wird langsam gesteigert bis sich eine koordinierte gastrointestinale Peristaltik entwickelt hat

726 Eltern-Kind-Beziehung

Die Geburt ist ein wichtiger Augenblick fuumlr die Entwicklung der Eltern-Kind-Beziehung Die Eltern sehen zum ersten Mal das lange erwartete Kind und auch das gesunde reife Neugeborene ist in der ersten Stunde nach der Geburt wach und aufmerksam Augen- und Hautkontakt zum Neugeborenen sind in dieser Phase der Entwick-lung der Eltern-Kind-Beziehung besonders foumlrderlich Zudem sollte das gesunde reife Neugeborene bereits im Kreiszligsaal an die Brust der Mutter angelegt werden weil dadurch das spaumltere erfolgreiche Stil-len beguumlnstigt wird

Abb 73 Waumlrmebilanz eines unbekleideten reifen Neugeborenen bei Raumtemperatur

713173 middot Untersuchung des Neugeborenen

727 Beurteilung der postnatalen Adaptation (Apgar-Schema)

Zur Beurteilung der postnatalen Adaptation hat sich das von der amerikanischen Anaumlsthesistin Virginia Apgar eingefuumlhrte Apgar-Schema ohne Zweifel bewaumlhrt ( Tab 73) Dr Apgarrsquos primaumlres Ziel war es Neugeborene zu identifizieren die unmittelbar postnatal deprimiert waren und eine unverzuumlgliche Hilfe benoumltigten

gt Der Apgar-Wert wird 1 5 und 10 min nach der Geburt erhoben

Der 1-min-Apgar-Wert dient zur Identifikation der Neugeborenen die sofortiger Hilfe beduumlrfen Fuumlr die neonatale Mortalitaumlt und spaumltere neurologische Morbiditaumlt kommt dem 5-min Apgar-Score eine gewisse prognostische Bedeutung zu

728 Akut lebensbedrohliche Fehlbildungen der Neugeborenenperiode

2ndash3 der Neugeborenen haben angeborene Fehlbildungen die mit bedeutsamer Behinderung einhergehen oder lebensbedrohend sind 3ndash4 der Neugeborenen haben geringfuumlgige Fehlbildungen Durch die praumlnatale Ultraschalldiagnostik koumlnnen zahlreiche angeborene Fehlbildungen bereits vor der Geburt erkannt werden ( Abb 74) Bei intrauteriner Diagnose einer angeborenen Fehlbildung sollten die Eltern von Geburtshelfern Neonatologen und Kinderchirurgen gemeinsam beraten werden und der Geburtsmodus und das post-natale Vorgehen festgelegt werden

73 Untersuchung des Neugeborenen

731 Zeitpunkte der Neugeborenenuntersuchung

4 Bei jedem Neugeborenen werden vorgeschriebene Vorsorge-untersuchungen gemacht

4 die U1 in den ersten 4 Lebensstunden 4 die U2 im Alter von 3ndash10 Tagen 4 die U3 am Ende der Neonatalperiode im Alter von

4ndash6 Wochen

Auszligerdem hat sich eine zusaumltzliche Untersuchung im spaumlteren Ver-lauf des 1 Lebenstages als nuumltzlich erwiesen Jeder Untersuchungs-zeitpunkt hat eigene Untersuchungsschwerpunkte und beinhaltet zusaumltzliche praumlventive Maszlignahmen

732 Durchfuumlhrung der Neugeborenenuntersuchung

AnamneseZuerst sollte die Schwangerschafts- und Geburtsanamnese er-hoben werden 4 Alter der Mutter Anzahl und Ausgang vorausgegangener

Schwangerschaften 4 jetzige Schwangerschaft Dauer Komplikationen oder

Erkrankungen der Mutter in der Schwangerschaft Medi-kamente Blutgruppe der Mutter Schwangerenvorsorge Mutterpass

4 Geburtsmodus Geburtsdauer Risikofaktoren fuumlr eine Amnion infektion (vorzeitiger Blasensprung Fieber bei Ge-burt) Fruchtwasser Nabelarterien-pH

4 Erstversorgung Apgar-Score

Tab 73 Apgar-Schema zur Beurteilung der postnatalen Adaptation

0 Punkte 1 Punkt 2 Punkte

Aussehen Hautfarbe Blass oder zyanotisch Stamm rosig Akrozyanose Ganz rosig

Puls (Herzfrequenz) Keine lt100min gt100min

Gesichtsmimik bei Stimulation Keine Grimassieren Schreien

Aktivitaumlt (Muskeltonus) Schlaff Geringe Extremitaumltenflexion Kraumlftig aktive Bewegung

Respiration (Atmung)Bestimmung nach 12 und 10 min Keine Langsam unregelmaumlszligig Regelmaumlszligig kraumlftig

Abb 74a b Praumlnatale Diagnose eines fetalen Spaltfuszliges mit Hilfe der 3-D-Sonographie (a) klinischer Befund nach der Geburt (b)

a b

Exkurs

Neugeborenenscreening auf Stoffwechselstoumlrungen

Am 5 Lebenstag wird bei allen Neugeborenen ein Screening auf folgende angeborene Stoffwechselstoumlrungen durchgefuumlhrt (7 Kap 51)

4 Hypothyreose (14000 Lebendgeborene) Messung der TSH-Konzentration

4 Phenylketonurie (17000 Lebendgeborene) semiquantitative Bestimmung des Phenylalaninspiegels

4 Galaktosaumlmie (140000 Lebendgeborene) semiquantitative Bestimmung der Uridyltransferaseaktivitaumlt

Kapitel 7 middot Neonatologie132

7

UntersuchungsablaufDie Qualitaumlt einer Neugeborenenuntersuchung haumlngt vom Koumlnnen und der Erfahrung des Untersuchers ab sie erfordert ausreichend Zeit und ein Eingehen auf das Neugeborene und seine Eltern

10 Grundregeln fuumlr die Neugeborenenuntersuchung 4 1 Die Untersuchung soll in einem warmen Raum auf

einer warmen Unterlage erfolgen 4 2 Das Licht soll hell aber nicht grell sein 4 3 Zur Untersuchung soll das Neugeborene vollstaumlndig

entkleidet werden 4 4 Der beste Untersuchungszeitpunkt ist 2ndash3 h nach der

letzten Mahlzeit wenn das Neugeborene wach aber ruhig ist

4 5 Die Eltern sollen bei der Untersuchung anwesend sein 4 6 Das Neugeborene soll immer erst in Ruhe beobachtet

werden bevor Untersuchungen vorgenommen werden 4 7 Immer mit den Untersuchungen beginnen die das

Neugeborene am wenigsten irritieren und belasten 4 8 Bei der Untersuchung soll mit dem Neugeborenen ge-

sprochen werden und nicht nur uumlber das Neugeborene 4 9 Auch harmlose Befunde die aber unerfahrene Eltern

beunruhigen koumlnnen sollen erklaumlrt und demonstriert werden (z B Fuumlhlen der Fontanelle)

4 10 Alle Fragen der Eltern sollen in Ruhe und ausfuumlhrlich beantwortet werden

Der Ablauf der koumlrperlichen Untersuchung soll flexibel dem ein-zelnen Neugeborenen angepasst werden Folgende prinzipielle Vor-gehensweise hat sich bewaumlhrt zuerst wird das Neugeborene be-obachtet ohne es durch raquoAnfassenlaquo zu irritieren Dabei werden Aussehen Spontanatmung Spontanhaltung und Spontanmotorik beurteilt Solange das Neugeborene noch ruhig ist erfolgt danach die Auskultation von Herz und Lunge Die weitere Untersuchung er-folgt vom Kopf zu den Zehen

gt Zur Neugeborenenuntersuchung gehoumlren neben der allgemeinen koumlrperlichen Untersuchung die Bestimmung der somatischen Reifezeichen die Suche nach Geburts-verletzungen und nach Fehlbildungen

Untersuchung der einzelnen KoumlrperregionenIn diesem Abschnitt sind wichtige Untersuchungsinhalte und haumlufi-ge Befunde fuumlr die einzelnen Koumlrperregionen des Neugeborenen aufgefuumlhrt ( Tab 74) Geburtsverletzungen (7 Abschn 753) und Dysmorphiezeichen sind andernorts abgehandelt

Haut Akrozyanose (haumlufig bei kalten Haumlnden Fuumlszligen) zentrale Zyanose (Zunge) Blaumlsse Plethora Oumldeme marmoriertes Haut-kolorit graues Munddreieck Ikterus 4 Storchenbiss (Naevus simplex) angeborene Teleangiektasien

symmetrisch auf Stirn Oberlidern Nase Oberlippe und im Nacken die im Gesicht meist bis zum 3 Lebensjahr verschwin-den im Nacken aber haumlufig persistieren Differenzialdiagnose Naevus flammeus Haumlmangiome

4 Milien zahlreiche punktfoumlrmige weiszlige Papeln auf dem Nasen-ruumlcken und am Kinn durch transiente Keratinzysten Milien verschwinden ohne Therapie

4 Waschfrauenhaumlnde Schuppung und Abschilferung der Haut an Handinnenflaumlchen und Fuszligsohlen bei Uumlbertragung oder Plazentainsuffizienz

4 Neugeborenenexanthem (Erythema toxicum neonatorum) nichtinfektioumlse transiente erythematoumlse Makulae zum Teil mit zentraler gelblicher Papel die meist am Stamm zwischen dem 3 und 7 Lebenstag auftreten ( Abb 75) Im Direktpraumlparat im Wesentlichen eosinophile Granulozyten Differenzialdiag-nose Staphylodermie

4 Transiente neonatale pustuloumlse Melanose Dabei handelt es sich vermutlich um eine selten auftretende Variante des Ery-thema toxicum neonatorum Die Pusteln und Vesikel sind be-reits bei der Geburt vorhanden und nicht von einem erythema-toumlsen Hof umgeben Die abgeheilten Laumlsionen hinterlassen oft hyperpigmentierte Maculae die fuumlr 2ndash3 Monate persistieren koumlnnen ( Abb 76)

Kopf Messung des frontookzipitalen Kopfumfangs (Makrozephalie Mikrozephalie) Groumlszlige und Konsistenz der Fontanellen Schaumldel-naumlhte Die Schaumldelform ist abhaumlngig vom Geburtsmodus nach vagi-naler Entbindung sind haumlufig die Scheitelbeine uumlber die Stirnbeine geschoben

Tab 74 Haumlufige Befunde bei der koumlrperlichen Untersuchung des Neugeborenen

Koumlrperregion Haumlufige Befunde

Haut raquoStorchenbisslaquo Milien Waschfrauenhaumlnde Neugeborenenexanthem

Kopf Geburtsgeschwulst Kephalhaumlmatom

Augen Subkonjunktivale Einblutung Konjunktivitis

Mund Retentionszysten (Epstein-Perlen)

Hals Haumlmatom des M sternocleidomastoideus

Thorax Klavikulafraktur Brustdruumlsenschwellungen

Nabel Naumlssender Nabel Nabelgranulom

Weibliches Genitale Vaginalsekretion Hymenalpolyp

Maumlnnliches Genitale

Physiologische Phimose unvollstaumlndiger Descensus testis

Extremitaumlten Huumlftdysplasie Polydaktylie 4-Fingerfurche Sichelfuszlighaltung

Wirbelsaumlule Lumbosakrales Hautgruumlbchen

Abb 75 Neugeborenenexanthem

713373 middot Untersuchung des Neugeborenen

4 Geburtsgeschwulst oumldematoumls-teigige Kopfhautschwellung meist parietookzipital verschwindet in den ersten Lebens-tagen

4 Kephalhaumlmatom prallelastische Schwellung die durch die Schaumldelnaumlhte begrenzt wird nach subperiostaler Einblutung haumlufig parietookzipital kann uumlber Monate persistieren und am Rand verknoumlchern die raquoVerknoumlcherunglaquo loumlst sich in der Regel bis zum Ende des 1 Lebensjahres wieder auf

Augen Roter Pupillenreflex Konjunktivitis Kolobom Stellung der Lidachsen Kongenitale Katarakt bei direktem Lichteinfall Leuko-korie (weiszliglicher Pupillenreflex) bei seitlichem Lichteinfall raquoPupil-lentruumlbunglaquo Normal sind symmetrische Stellung und koordinierte Bewegungen Bei ploumltzlichem hellen Licht schlieszligt das Neugeborene geblendet die Augen 4 Subkonjunktivale Einblutungen entstehen durch den Press-

druck unter der Geburt harmlos 4 Konjunktivitis meist nichtinfektioumls durch chemische oder

physikalische Irritation Differenzialdiagnose infektioumlse Konjunktivitis (Chlamydien)

gt Das Neugeborene oumlffnet oft spontan die Augen wenn es aufrecht gehalten wird

Mund Physiologische Retrogenie auf Spaltbildungen in Lippen Kiefer hartem und weichem Gaumen achten Mikrogenie Retroge-nie Glossophthose Pierre-Robin-Sequenz raquoneonatalelaquo Zaumlhne 4 Retentionszysten (Epstein-Perlen) weiszligliche Knoumltchen laumlngs

der Mittellinie am Gaumen oder den Zahnleisten 4 Bednarrsquosche Aphthen ulzerative Laumlsionen am Gaumenbogen

aumltiologisch unklare in den ersten Lebenstagen auftretende zT eindrucksvolle ulzerative Laumlsionen transient keine Therapie

Hals Schiefhals Struma Halszysten 4 Sternocleidomastoideushaumlmatom kirschgroszlige harte

schmerzlose Verdickung im Muskel nach geburtstraumatisch bedingter Einblutung Die nachfolgende Vernarbung kann zum Schiefhals fuumlhren mit Neigung des Kopfes zur kranken und Drehung des Kopfes zur gesunden Seite Physiotherapie

Thorax Brustkorb fast kreisrund Rippen weich 4 Brustdruumlsenschwellung treten zwischen dem 3 und 7 Lebens-

tag meist beidseits bei maumlnnlichen und weiblichen Neugebore-nen auf Roumltung und Uumlberwaumlrmung ist moumlglich es kann sogar

zu einer kolostrumaumlhnlichen Sekretion kommen (raquoHexen-milchlaquo) Ursache sind diaplazentar uumlbergetretene muumltterliche Hormone ( Abb 77) Differenzialdiagnose eitrige Mastitis

4 Klavikulafraktur Schmerzempfindung im Bereich der betrof-fenen Schulterregion Schonung des Arms auf der betroffenen Seite nach einer Woche tastbarer Kugelkallus

Herz und Kreislauf Zyanose Blaumlsse Oumldeme Lage des Herzspitzen-stoszliges periphere Pulse an oberer und unterer Extremitaumlt Herz-frequenz und Herzrhythmus Blutdruck Herztoumlne Herzgeraumlusch ( Tab 75) Systolische Herzgeraumlusche in den ersten Lebenstagen sind haumlufig funktionell oder durch einen noch nicht komplett ver-schlossenen Ductus arteriosus verursacht und verschwinden haumlufig nach einigen Tagen Nur 8 der Neugeborenen mit einem Herz-geraumlusch haben ein Vitium cordis

CaveFehlende Pulse an der unteren Extremitaumlt sind pathognomonisch fuumlr eine Aortenisthmusstenose

Lunge Die Atemfrequenz liegt in Ruhe zwischen 22ndash40min Bauchatmung und pueriles Atemgeraumlusch mit houmlrbarem Exspiri-um sind beim Neugeborenen physiologisch Dyspnoezeichen sind Nasenfluumlgeln (Erweiterung der Nasenloumlcher bei der Einatmung) Einziehungen (interkostal subkostal jugulaumlr) Stridor und exspira-torisches Stoumlhnen

Abb 76 Transitorische neonatale pustuloumlse Melanose die bereits bei der Geburt des Neugeborenen nachweisbar war

Abb 77 Brustdruumlsenschwellungen und kolostrumaumlhnliche Sekretion (raquoHexenmilchlaquo) bei einem Neugeborenen

Tab 75 Wichtige Normalwerte bei reifen Neugeborenen

Koumlrpergewicht [g] 3500 (3000ndash4300)

Laumlnge [cm] 50 (46ndash58)

Frontookzipitaler Kopfumfang [cm] 34 (325ndash365)

Herzfrequenz [min] 125 (70ndash190)

Atemfrequenz [min] 30 (22ndash40)

Systolischer Blutdruck [mmHg] 60 (50ndash70)

Diastolischer Blutdruck [mmHg] 35 (28ndash45)

50 Perzentile (10ndash90 Perzentile)

Kapitel 7 middot Neonatologie134

7

Abdomen Das Abdomen des Neugeborenen ist ausladend da die Bauchwandmuskulatur schwach ausgepraumlgt ist haumlufig besteht eine Rektusdiastase Lebergroumlszlige (normal bis 2 cm unter dem Rippen-bogen) Milzgroumlszlige Lage und Aussehen der Analoumlffnung Abdomen-distension und Abwehrspannung sollten untersucht werden 4 Zystische abdominelle Tumoren Hydronephrose multizys-

tisch-dysplastische Nieren Nebennierenblutung Hydrometro-kolpos Darmduplikaturen Choledochuszyste Ovarialzyste

4 Solide abdominelle Tumoren Neuroblastom Wilms-Tumor Teratom Nierenvenenthrombose Pylorushypertrophie

Nabel Sekretion Roumltung Hernie Normalerweise trocknet die Nabelschnur bis zum 6ndash10 Lebenstag ein und faumlllt dann ab

4 Naumlssender Nabel nach Abfallen des Nabelstumpfes auftretende geringe seroumlse Sekretion aus dem Nabel ohne Roumltung Falls 2 Wochen nach dem Abfallen der Nabelschnur der Nabel weiter sezerniert kommen folgende Differenzialdiagnosen in Frage

4 Nabelgranulom am Nabelgrund mit seroumls-blutiger Sekretion 4 Ductus omphaloentericus (zwischen Nabel und Darm) oder

Urachusfistel (zwischen Nabel und Blase) 4 Omphalitis Roumltung und Schwellung des Nabelrings mit

eitriger Sekretion

gt Der Nabel soll nicht mit Puder oder Nabelbinde versorgt sondern unverbunden und trocken belassen werden

Maumlnnliches Genitale Hydrozele Hypospadie Hoden tastbar im Skrotum oder im Leistenkanal Hodengroumlszlige 4 Phimose ist beim Neugeborenen physiologisch

Weibliches Genitale Klitorisgroumlszlige Vaginalsekretion ( Abb 78) 4 Hymenalpolyp Zipfel des hypertrophierten Hymens der aus

der Scheide ragt ndash Normvariante 4 Vaginalsekretion weiszligliches manchmal leicht blutiges Sekret

bei Abstoszligung des durch muumltterliche Hormone proliferierten Endometriums

Extremitaumlten Beweglichkeit Schonhaltung Beinlaumlngendifferenz Huumlftdysplasie 4 Kongenitale Huumlftdysplasie Bei kongenitaler Huumlftdysplasie

sind klinische Zeichen wie Abspreizhemmung der Oberschen-

kel Faltenasymmetrie oder Beinlaumlngendifferenz nicht zuverlaumls-sig Der Ortolani-Test (Ausrenken und Wiedereinrenken der dysplastischen Huumlfte) wird heute nicht mehr empfohlen Bei klinischer Untersuchung auf Instabilitaumlt der Huumlften achten

gt Die adaumlquate Diagnostik zum Ausschluss einer Huumlft-dysplasie ist heute die Ultraschalluntersuchung der Huumlfte

4 Polydaktylie uumlberzaumlhlige haumlufig rudimentaumlre Finger oder Zehen

4 Vierfingerfurche einzelne die gesamte Plantarflaumlche durch-ziehende Furche Kommt bei 5 der Normalbevoumllkerung vor kann jedoch ein unspezifisches Hinweiszeichen auf eine Chromosomenstoumlrung z B Trisomie 21 sein

4 Sichelfuszlighaltung (Pes adductus et supinatus) Supinations-stellung des Vorfuszliges bedingt durch intrauterine Haltung Durch Stimulation der Fuszligauszligenkante vom Neugeborenen aktiv ausgleichbar Differenzialdiagnose Klumpfuszlig

Wirbelsaumlule Achten auf Hinweiszeichen fuumlr eine Spina bifida occulta wie lumbosakral gelegenes Hautgruumlbchen Haarbuumlschel subkutanes Lipom oder Dermalsinus (epithelialisierter Ver-bindungsgang zwischen aumluszligerer Haut und Neuralrohr)

CaveraquoTethered cordlaquo evtl spinale Sonographie

733 Neurologische Neugeborenenuntersuchung

Die Untersuchungsergebnisse der neurologischen Neugeborenen-untersuchung haumlngen sehr vom Verhaltenszustand des Neugebore-nen ab (ruhiger Schlaf ruhiges Wachsein aktives Wachsein Schrei-en) Der Verhaltenszustand muss also dokumentiert und in die Be-urteilung einbezogen werden Die besten Ausgangsbedingungen fuumlr die neurologische Untersuchung sind ruhiges und aktives Wachsein

Die neurologische Untersuchung am 1 Lebenstag hat eher orientierenden Charakter wesentlich aussagekraumlftiger ist die Unter-suchung am 3 Lebenstag Bei der neurologischen Untersuchung des Neugeborenen werden folgende Funktionen beurteilt

Spontanverhalten und Spontanmotorik Das gesunde Neugebore-ne zeigt im Wachzustand eine lebhafte Spontanmotorik mit seiten-gleichem alternierendem Strampeln der Beine und alternierendem Rudern mit den Armen Auffaumlllig sind Apathie oder Hyperexzitabi-litaumlt Das gesunde Neugeborene saugt kraumlftig und trinkt ohne sich zu verschlucken

Muskeltonus Das gesunde Neugeborene haumllt Arme und Beine ge-beugt am Koumlrper Beim Hochziehen des Oberkoumlrpers an den Armen bleiben die Arme leicht gebeugt und der Kopf wird ndash zumindest anfangs ndash mitgenommen Das gesunde Neugeborene kann aus der Bauchlage heraus kurz den Kopf heben

Neugeborenenreflexmuster (Auswahl) 4 Suchreflex Beim Beruumlhren der Wangen wendet sich das Neu-

geborene suchend in Richtung der Beruumlhrung und oumlffnet den Mund

4 Saugreflex Das Neugeborene saugt kraumlftig am Finger 4 Greifreflexe an Haumlnden und Fuumlszligen Das Neugeborene

umfasst den in seine Handinnenflaumlche gelegten Finger des Unter suchers

Abb 78 Vaginalsekretion weiszligliches gelegentlich leicht blutiges Sekret das nach Abstoszligung des durch muumltterlichen Hormoneinfluss pro-liferierten Endometriums auftritt

713574 middot Reanimation Fruumlh- und Neugeborener

4 Arm-Recoil Wenn die Arme des Neugeborenen gestreckt und dann ploumltzlich losgelassen werden federn die Unterarme in den Beugezustand zuruumlck

4 Moro-Reaktion Durch kurzes Zuruumlckfallenlassen des kindlichen Kopfes kommt es zu einer raschen ausfahrenden Bewegung mit Streckung der Arme und Spreizen der Finger ( Abb 79) gefolgt von einem langsameren Zuruumlckholen der Arme an den Rumpf

4 Stuumltzreaktion Das Aufsetzen des Kindes mit beiden Beinen auf eine Unterlage fuumlhrt zu einer kurzen tonischen Streckung des gesamten Koumlrpers

4 Reflexschreiten Ausloumlsen von Schreitbewegungen durch alter-nierendes Aufsetzen der Fuumlszlige auf die Unterlage

4 Asymmetrisch-tonischer Nackenreflex Die Seitwaumlrtsdrehung des Kopfes fuumlhrt zur Streckung des Armes und Beines auf der Gesichtsseite und zur Beugung des Armes und Beines auf der Gegenseite (raquoFechterstellunglaquo Abb 710)

CaveBei der Beurteilung der Seitengleichheit von Bewegungen bei Neugeborenen darf der Kopf nicht zur Seite gedreht sein da sonst durch den asymmetrisch-tonischen Nacken-reflex eine Seitendifferenz vorgetaumluscht wird

734 Bestimmung der somatischen Reifezeichen

Zur klinischen Schaumltzung des Gestationsalters werden somatische und neurologische Merkmale herangezogen Ein gut validiertes Untersuchungsschema zur Schaumltzung des Gestationsalters ist

der Ballard-Score Die klinische Reifealterbestimmung ist auf plusmn15 Wochen genau In Tab 76 sind somatische Reifezeichen eines Fruumlhgeborenen und eines reifen Neugeborenen gegenuumlber-gestellt

74 Reanimation Fruumlh- und Neugeborener

741 Voraussetzungen zur Reanimation

Voraussetzungen zur Durchfuumlhrung Die meisten Neugeborenen durchlaufen eine unproblematische kardiorespiratorische Adapta-tion bei ca 10 der Kinder koumlnnen allerdings mehr oder weniger intensive Reanimationsmaszlignahmen erforderlich sein Ungefaumlhr 23 dieser Patienten lassen sich aufgrund definierter Risiken bereits vor der Geburt identifizieren bei 13 der Neugeborenen tritt die Reani-mationssituation voumlllig unerwartet auf Diese Tatsache unterstreicht die Notwendigkeit dass die essenziellen Wiederbelebungsmaszlignah-men zu jeder Zeit differenziert und kompetent durch ein geschultes neonatologisches Reanimationsteam durchgefuumlhrt werden koumlnnen Weitere Voraussetzungen sind eine optimale Information uumlber maternale und fetale Risiken sowie eine gezielte Vorbereitung auf die spezielle Reanimationssituation

Sind die personellen und apparativen Moumlglichkeiten in einer Geburtsklinik nicht vorhanden um ein Fruumlhgeborenes oder Risiko-neugeborenes optimal zu versorgen so muss die Mutter ndash wenn immer medizinisch vertretbar ndash in ein Perinatalzentrum verlegt werden Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses der Krankenkassen

Der antenatale Transport von Schwangeren und damit von Risiko-fruumlh- und Neugeborenen in ein Perinatalzentrum Level 1 ist bei folgenden Situationen obligat 4 Fruumlhgeborene mit einem Gestationsalter lt290 Wochen

( geschaumltztes Gewicht lt1250 g) 4 Houmlhergradige Mehrlinge (gt2) lt33 Gestationswochen

Abb 79 Moro-Reflex (I) durch kurzes Zuruumlckfallenlassen des Kopfes ploumltzliche Extension und Abduktion der oberen Extremitaumlt sowie Spreizung der Finger

Abb 710 Asymmetrisch tonischer Nackenreflex (Fechterstellung)

Tab 76 Somatische Reifezeichen eines Fruumlhgeborenen und eines reifen Neugeborenen

Fruumlhgeborenes (28 Wochen)

Reifgeborenes (40 Wochen)

Hauttextur Oumldematoumls glaumlnzend transparent

Einzelne Venen sichtbar

Hautfarbe Rot Rosig

Lanugohaare Flaumlchig vorhanden Fehlen

Sohlenfaumlltelung Nur vereinzelt Uumlber ganzer Sohle

Brustwarze Roter Punkt uumlber 1 cm erhaben

Ohrmuschelrand Weich formlos Fest elastisch

Hoden Im Inguinalkanal Im Skrotum

Skrotum Klein wenig Falten Groszlig viele Falten

Groszlige Labien Klaffend Bedecken kleine Labien

Spontanhaltung Extremitaumlten gestreckt

Extremitaumlten gebeugt

Kapitel 7 middot Neonatologie136

7

4 Alle praumlnatal diagnostizierten Erkrankungen bei denen nach der Geburt eine unmittelbare Notfallversorgung erforderlich ist Dies betrifft Erkrankungen der Mutter mit fetaler Gefaumlhr-dung sowie angeborene Fehlbildungen

Postnatale Beurteilung Fuumlr die postnatale Beurteilung reifer Neugeborener hat sich das Apgar-Schema bewaumlhrt Fruumlhgeborene lassen sich aufgrund des vom Gestationsalter abhaumlngigen Muskel-tonus und der Reflexerregbarkeit allerdings nicht adaumlquat beurtei-len Eine allzu schematische Erfassung der einzelnen Apgar-Krite-rien bei der Erstversorgung eines deprimierten reifen Neugebore-nen birgt daruumlber hinaus die Gefahr dass die Wiederbelebungs-maszlignahmen nur verzoumlgert einsetzen Die Bestimmung des Saumlure-Basen-Status ist als ein fester Bestandteil und eine wesent-liche Ergaumlnzung der kindlichen Zustandsbeurteilung anzusehen Diese nur mit einer zeitlichen Latenz verfuumlgbare Diagnostik ist jedoch fuumlr die initialen therapeutischen Entscheidungen in der Regel nicht relevant

742 Maszlignahmen der Neugeborenenreanimation

Drei klinische Kriterien ndash naumlmlich Hautfarbe Atmung und Herzfre-quenz ndash geben ausreichende Informationen um das akute Vorgehen zu planen und die Maszlignahmen die in 3 Stufen erfolgen sollten weder zu spaumlt noch zu voreilig durchzufuumlhren ( Abb 711)

Stufe 1 BasismaszlignahmenDie einfachen Basismaszlignahmen der Reanimation beinhalten Ab-trocknen Stimulation und Absaugen des Neugeborenen Waumlhrend dieser Maszlignahmen ist eine schnelle Beurteilung zum Ausschluss von schweren Fehlbildungen erforderlich

Nach dem Abtrocknen wird das Neugeborene in angewaumlrmte trockene Tuumlcher gehuumlllt Die Erstversorgung erfolgt unter einem Heizstrahler Zugluft im Raum ist zu vermeiden Bei sehr kleinen Fruumlhgeborenen und extrem hypotrophen Neugeborenen ist ein zu-saumltzlicher Waumlrmeschutz durch verschiedenste Folien (u a Plastik-folien) oder Warmluftdecken erforderlich Durch die taktile Stimu-lation u a von Ruumlcken und Fuszligsohlen wird die kindliche Atmung stimuliert Die Mehrzahl der Neugeborenen beginnt innerhalb von 10 s nach der Geburt spontan zu atmen allerdings ist damit zu rech-nen dass ca 10 der Neugeborenen nach 1 Lebensminute noch keine regelmaumlszligige Atemtaumltigkeit aufweisen Bei entsprechender In-dikation wie Verlegung der Atemwege durch Fruchtwasser Blut oder Mekonium erfolgt das Absaugen zuerst des Oropharynx und dann der Nasenwege des Neugeborenen mit einem ausreichend groszliglumigen Katheter (Ch 8ndash10)

CaveMund vor Nase Es besteht eine erhoumlhte Aspirationsgefahr durch die Stimulation der kindlichen Eigenatmung nach nasalem Absaugen

Weiterhin ist unbedingt darauf zu achten dass beim Absaugen keine Bradykardien auftreten (Vagusstimulation) Der Sog am Absaugge-raumlt ist in der Regel auf 200 mbar zu begrenzen um Verletzungen der Schleimhaut zu vermeiden Ein routinemaumlszligiges Absaugen aller Neu-geborenen ist nicht indiziert

Stufe 2 Zusatzmaszlignahmen bei insuffizienter SpontanatmungFuumlhren die beschriebenen Basismaszlignahmen nicht zum Einsetzen der Spontanatmung so sind zur Vermeidung von Bradykardie und Hypoxie weitere Schritte erforderlich

Blaumlhmanoumlver und Beutel-Masken-Beatmung Neugeborene mit fehlender Eigenatmung werden nach 30 s mit einer Beutel-Masken-Beatmung und inspiratorischem Druckplateau behandelt Dieses raquoBlaumlhmanoumlverlaquo besteht aus max 3 Beatmungshuumlben mit einem ho-hen inspiratorischen Beatmungsdruck (ca 20ndash35 cmH2O) und einer langen Inspirationszeit (ca 3ndash5 s) Diese manuelle Maskenbeatmung wurde in vielen neonatologischen Zentren durch ein manometer-kontrolliertes Blaumlhmanoumlver ersetzt Ziel dieser Beatmungsstrategie ist die intraalveolaumlre Lungenfluumlssigkeit in das pulmonale Lymph- und Gefaumlszligsystem zu pressen und somit ndash in Analogie zur Atemtech-nik Neugeborener ndash eine funktionelle Residualkapazitaumlt herzu-stellen Diese Maszlignahme sollte unter Auskultationskontrolle erfol-gen und in eine assistierte den Beduumlrfnissen des Neugeborenen angepasste Beatmung uumlbergehen Runde Silikonmasken eignen sich fuumlr die Maskenbeatmung am besten sie erlauben eine optimale Ab-dichtung

Diese Beatmungsform ist nicht auf sehr unreife Fruumlhgeborene zu uumlbertragen Wie juumlngere Untersuchungen zeigen kann ein inadaumlqua-tes Baro- und Volutrauma im Rahmen der Reanimation gravierende akute und chronische Lungenschaumlden der unreifen Lungenstruktur induzieren die u a durch eine erhoumlhte alveolaumlr-kapillaumlre Leakage charakterisiert sind und moumlglicherweise die pathogenetische Sequenz der pulmonalen Inflammationsreaktion induzieren oder aggravieren Vor dem Hintergrund dieser Beobachtung ist eine dem Fruumlhgeborenen individuell angemessene Beatmungsform zu waumlhlen die das Risiko der mechanischen Traumatisierung so gering wie moumlglich haumllt Juumlngste Untersuchungen belegen dass durch eine un-mittelbar nach der Geburt erfolgte Anlage eines binasalen CPAP-Sys-tems (CPAP = continuous positive airway pressure = kontinuierlicher positiver Atemwegsdruck) eine betraumlchtliche Anzahl sehr unreifer Fruumlhgeborener bereits im Kreiszligsaal stabilisiert werden koumlnnen

Abb 711 3-Stufenmodell der Neugeborenenreanimation

713774 middot Reanimation Fruumlh- und Neugeborener

CaveEine inkorrekte Kopfhaltung oder fehlerhafte Masken-positionierung kann die Atemtaumltigkeit des Fruumlh- und Neu-geborenen empfindlich beeintraumlchtigen (raquoErstickung un-ter der Maskelaquo) Ebenso kann ein inadaumlquates Baro- und Volutrauma im Rahmen einer forcierten Maskenbeatmung zu einer Schaumldigung der Alveolen fuumlhren

Die Indikation fuumlr eine Beutel-Masken-Beatmung reifer Neugebo-rener ist eine fehlende Spontanatmung nach ca 30 s Bei sehr kleinen Fruumlhgeborenen die postnatal nicht schreien sollte sofort mit einer adaumlquaten Beutel-Masken-Beatmung begonnen werden um eine hypoxisch bedingte Bradykardie und somit das Risiko von Fluktua-tionen des zerebralen Blutflusses zu vermeiden (Cave Hirnblutung)

Eine primaumlre Maskenbeatmung sollte bei folgenden Erkrankun-gen des Neugeborenen gaumlnzlich vermieden werden 4 Mekonium- und Blutaspiration 4 Zwerchfellhernie 4 schwerste postnatale Asphyxie

Sauerstoffzufuhr Eine Stabilisierung oder Reanimation erfolgt pri-maumlr mit Raumluft Nur bei unzureichender Oxygenierung wird dem Neugeborenen und unreifen Fruumlhgeborenen unter kontinuierlicher pulsoxymetrischer Uumlberwachung Sauerstoff angeboten Auf Grund der aktuellen Datenlage empfehlen die meisten internationalen Fach-gesellschaften eine primaumlre Reanimation mit Raumluft (21 O2)

Wenn man bedenkt dass der Sauerstoffpartialdruck im fetalen Blut ca 25 mmHg betraumlgt kann eine zu rasche postnatale Hyperoxy-genierung des depremierten Neugeborenen durchaus problematisch sein Dieser Aspekt gilt besonders fuumlr Hochrisikofruumlhgeborene die nicht nur einen Mangel an protektiven Antioxidanzien in allen Ge-weben aufweisen sondern auch ernstzunehmende Spuren einer Ge-websschaumldigung durch Sauerstoffradikale aufweisen In dieser Hochrisikogruppe sollte eine Sauerstofftherapie nur unter Messung der Sauerstoffsaumlttigung erfolgen und auf jeden Fall eine Hyperoxy-genierung bereits waumlhrend der Stabilisierungsphase vermieden wer-den (cave Retinopathia praematurorum)

Intubation Bleibt ein Neugeborenes trotz Beutel-Masken-Beatmung apnoisch oder bradykard so wird das Kind umgehend endotracheal intubiert Fuumlr die Gruppe sehr kleiner Fruumlhgeborener ist inzwischen eindeutig belegt dass die Vermeidung von einer postnatalen Hypoxie zu einer Reduktion der Sterblichkeit und der Inzidenz des Atemnot-syndroms beitraumlgt Dennoch ist von einer generellen Intubation dieser besonderen Patientengruppe abzuraten da gerade bei sehr vitalen Fruumlhgeborenen unter der Intubation transitorische hypoxaumlmische Phasen und Alterationen der zerebralen Zirkulation nicht auszuschlie-szligen sind Es empfiehlt sich die Intubation selektiv durchzufuumlhren In Abhaumlngigkeit vom Schweregrad der Atemnotsymptomatik sollte das Fruumlhgeborene innerhalb von Minuten intubiert oder aber mit einem binasalen CPAP-System versorgt werden (CPAP raquocontinous positive airway pressurelaquo kontinuierlicher positiver Atemwegsdruck)

Waumlhrend der Intubation muss eine kontinuierliche Uumlberwa-chung der kindlichen Herzfrequenz und O2-Saumlttigung (Pulsoxime-ter) erfolgen Bei einer Bradykardie ist der Intubationsversuch un-verzuumlglich abzubrechen und das Kind mit erneuter Beutel-Masken-Beatmung und adaumlquater O2-Zufuhr zu stabilisieren (Cave Hyper-oxie) Die haumlufigsten Komplikationen im Verlauf der Intubation sind die Fehlpositionen des Tubus in den Oumlsophagus und eine ein-seitige selektive Intubation des rechten Hauptbronchus durch ent-sprechende Korrektur der Tubuslage sind diese Situationen leicht zu beheben Ernsthafte Komplikationen stellen die Perforation des

Oumlsophagus und Hypopharynx dar tracheale Perforationen wurden durch Fuumlhrungsstaumlbe von Endotrachealtuben beobachtet Magen-rupturen wurden nach Reanimation Neugeborener mit tracheooumlso-phagealer Fistel beschrieben Subglottische Stenosen koumlnnen sich als chronische Komplikationen eines Intubationsschadens ausbilden

Naloxon Neugeborene deren Muumltter unter der Geburt Opiate er-halten haben fallen haumlufig durch einen fehlenden Atemantrieb nach der Geburt auf Durch die intravenoumlse Gabe des Opiatantagonisten Naloxon (z B Narcanti neonatal) kann die atemdepressive Wirkung diaplazentar uumlbergetretener Morphinderivate aufgehoben werden (Dosierung 001 mgkg KG) Da die Opiatanalgetika eine laumlngere Halbwertszeit als Naloxon haben muss mit symptomatischen Re-boundeffekten beim Kind gerechnet werden sie machen wieder-holte Gaben von Naloxon erforderlich

CaveKinder heroinabhaumlngiger Muumltter duumlrfen kein Naloxon erhalten da schwerste akute Entzugserscheinungen aus-geloumlst werden koumlnnen

Stufe 3 Zusatzmaszlignahmen bei insuffizienter KreislauffunktionDa Bradykardien bei Neugeborenen in der Regel durch eine Hypoxie bedingt sind lassen sich die meisten Kreislaufprobleme durch eine suffiziente Oxygenierung beheben Besteht die Bradykardie trotz ausreichender Lungenbeluumlftung fort so sind weitere Maszlignahmen wie extrathorakale Herzmassage Adrenalingabe Volumensubstitu-tion und Azidosekorrektur angezeigt

Herzmassage Eine externe Herzmassage sollte bei allen Neugebo-renen durchgefuumlhrt werden bei denen die Herzfrequenz lt60 Schlauml-genmin liegt und die nach Beginn der adaumlquaten Ventilation nicht mit einem Anstieg der Herzfrequenz reagieren Bei einer der moumlgli-chen Techniken wird der Thorax des Kindes von beiden Seiten um-fasst und am unteren Teil des Sternums um 1ndash2 cm mit einer Fre-quenz von 100min komprimiert ( Abb 712) Diese Art der Herz-

Abb 712 Reanimation eines Neugeborenen mit Beutel-Masken-Beat-mung und extrathorakaler Herzmassage

Kapitel 7 middot Neonatologie138

7

massage stellt die effektivste Maszlignahme zur Aufrechterhaltung der Kreislauffunktion dar sie setzt aber voraus dass 2 in der Reanima-tion Neugeborener erfahrene Personen die kardiozirkulatorische und respiratorische Reanimation durchfuumlhren Eine Einzelperson ist gezwungen durch Sternumkompression mittels 2 Fingern eine wirksame Herzmassage und gleichzeitig eine effiziente Beatmung zu gewaumlhrleisten

gt Momentan wird ein Verhaumlltnis von 3 Herzkompressionen zu 1 Beatmung empfohlen

Trotz wirksamer Herzmassage muss die Ursache der Bradykardie rasch erkannt und wenn moumlglich kausal behandelt werden

Adrenalin Bleibt der unter externer Herzmassage erwartete Anstieg der Herzfrequenz aus so sollte unverzuumlglich Adrenalin uumlber die ka-theterisierte Nabelvene oder eine periphere Vene (001ndash003 mgkg KG) appliziert werden Ist kein Gefaumlszligzugang moumlglich so sollte Adrenalin (01ndash03 mlkg KG in einer Verduumlnnung von 110000) uumlber den endotrachealen Tubus oder intraossaumlr verabreicht werden Trotz einer geringen Lungendurchblutung kann diese Maszlignahme zu einem raschen Anstieg der Herzfrequenz oder sogar einem erstma-ligen Nachweis der Herzaktion fuumlhren

CaveIntrakardiale Injektionen sind obsolet

Natriumbikarbonat Die Indikation fuumlr die Gabe von Natriumbi-karbonat ist nur bei schwerer protrahierter metabolischer Azidose z B nach intrauteriner Hypoxie und nach laumlnger dauernden Reani-mationsmaszlignahmen insbesondere bei schlechtem Ansprechen auf Adrenalin indiziert Die Gabe von Natriumbikarbonat erfolgt intra-venoumls in einer mindestens 11 verduumlnnten Loumlsung (Aqua destillata) und uumlber einen laumlngeren Zeitraum ndash uumlber 15 Minuten bei Neugebo-renen und uumlber laumlngere Zeit bei Fruumlhgeborenen ndash (Initialdosis 1ndash3 mval NaHCO3kg KG) Da Natriumbikarbonat 84 hyper-osmolar ist besteht die Gefahr dass Fruumlhgeborene im Rahmen der Serumosmolalitaumltspitzen und -schwankungen eine Hirnblutung entwickeln Eine Bikarbonatbehandlung verbietet sich bei einer aus-gepraumlgten respiratorischen Azidose

Volumengabe Bei anamnestischem und klinischem Verdacht auf einen akuten kindlichen Blutverlust sollte unverzuumlglich Volumen zugefuumlhrt werden Fuumlr eine initiale Volumensubstitution bietet sich physiologische Kochsalzloumlsung (10ndash15 mlkg KG) an Als effektivs-te Maszlignahme ist unter kritischer Indikationsstellung die Gabe von 0 Rh negativem lysinfreiem Erythrozytenkonzentrat (10ndash20 mlkg KG) anzusehen Eine entsprechende Notfallkonserve die ohne Kreuzprobe transfundiert werden kann sollte heute fuumlr Risikositu-ationen unmittelbar nach der Geburt verfuumlgbar sein bei haumlmorrha-

gischem Schock ist die Transfusion bis zu einer Stabilisierung des kindlichen Zustandes fortzufuumlhren

Schritte der Reanimation von Neugeborenen 4 Adaumlquate Waumlrmezufuhr Abtrocknen und Zudecken des

Neugeborenen 4 Luftwege freimachen (Mund vor Nase gezielt absaugen) 4 Auskultation (Stethoskop) 4 Anlage eines Pulsoximeters 4 Beutel-Masken-Beatmung mit 21 O2 initiale raquoBlaumlh-

maneuverlaquo (3ndash5 s) danach assistierte Beatmung (Beat-mungsfrequenz 40ndash60min) Bei unzureichender Oxige-nierung zusaumltzlich Sauerstoffzufuhr unter kontinuierli-cher pulsoximetrischer Uumlberwachung

4 Bei Apnoe undoder Bradykardie (Herzfrequenz 60ndash80min unter Beutel-Masken-Beatmung)

ndash Endotracheale Intubation (Tubus 30ndash35 mm) ndash Herzmassage (Beatmungsfrequenz Herzmassage [ 13]) ndash Bei Bedarf Suprarenin 001ndash003 mgkgKG iv bei

fehlendem iv-Zugang evtl Suprarenin 001 mgkg KG ndash 01 mlkg KG der Verduumlnnung 110000 uumlber Endotrache-altubus

ndash Evtl Natriumbikarbonat 84 (11 mit Aqua dest verduumlnnt) 1ndash3 mmolkgKG sehr langsam i v (per infusionem)

ndash Evtl Nabelvenenkatheter Volumenzufuhr 09 NaCl5 Glukose Blut 10ndash20 mlkgKG

ndash Besonderheiten der Reanimation Fruumlhgeborener 7 Text

75 Perinatale Schaumlden und ihre Folgen

751 Asphyxie

kDefinitionEine perinatale Asphyxie stellt einen bedrohlichen Insult fuumlr den Fetus oder das Neugeborene dar der durch eine Hypoxie undoder Ischaumlmie vor unter oder nach der Geburt ausgeloumlst wird Sauerstoff-mangel undoder Ischaumlmie lebenswichtiger Organe sind mit einer mehr oder minder ausgepraumlgten Azidose assoziiert und fuumlhren zu einer stark gestoumlrten postnatalen respiratorischen und kardiozirku-latorischen Adaption

kPathophysiologieDie Risikofaktoren fuumlr die Entwicklung einer perinatalen Asphyxie sind in Tab 77 dargestellt Folgende fetale Warnzeichen weisen auf einen praumlnatalen Sauerstoffmangel hin

Exkurs

Die Geburt Goethes

Die Geburt des Kindes war schwer Sie dauerte 3 Tage So gut wie leblos kam Goethe zur Welt raquoganz schwarzlaquo wie die Mutter spaumlter er-zaumlhlte Ein Arzt war nicht zugegen nur eine Hebamme die sich ungeschickt angestellt haben soll und die Groszligmutter Sie stand hinter den Vorhaumlngen des Bettes das mit blau-gewuumlrfelten Gardinen zugezogen werden

konnte Man schuumlttelte das Kind rieb ihm die Herzgrube mit Wein raquoRaumltin er lebtlaquo rief die alte Frau als das Kind die Augen aufschlug sehr groszlige dunkelbraune fast schwarze Augenlaquo (aus Richard Friedenthal Goethe Sein Leben und seine Zeit Piper 1963)Trotz der vom Autor eindruumlcklich geschilder-ten Zyanose haben taktile Maszlignahmen bei

Goethe zur Initiierung des ersten Atemzuges gefuumlhrt Dieses weist darauf hin dass sich das Neugeborene in einer respiratorischen De-pression befunden hat und keinen Sauerstoff-mangel lebenswichtiger Organe d h keine schwere Asphyxie erfahren hat

713975 middot Perinatale Schaumlden und ihre Folgen

4 Herztondezelerationen (Norm 120ndash160 Schlaumlgemin) 4 pathologisches Herzfrequenzmuster im Kardiotokogramm

Verlust der raquoBeat-to-beat-Variationlaquo spaumlte Dezelerationen (d h fetale Bradykardie die uumlber die Uteruskontraktion hinaus anhaumllt) silentes CTG selten auch fetale Tachykardie

4 gruumlnlich verfaumlrbtes Fruchtwasser (vorzeitige Darmentleerung des Fetus Mekoniumabgang)

4 Laktazidose pH lt72 (kapillaumlre Mikroblutanalyse aus kind-licher Kopfhaut)

Eine chronische intrauterine Hypoxie geht oft mit einer fetalen Hy-pomotorik sowie einem Oligohydramnion aufgrund einer kompro-mittierten Nierenperfusion einher

Bei einer postnatalen HypoxieIschaumlmie faumlllt das Neugeborene unmittelbar nach der Geburt durch eine schwer gestoumlrte kardio-respiratorische Adaption auf Als klinische Zeichen imponieren u a 4 Dyspnoe Atemstillstand 4 Bradykardie 4 Hypotension 4 Zyanose (fruumlher als raquoblaue Asphyxielaquo bezeichnet) 4 extreme Blaumlsse (haumlufig akuter Volumenmangel raquoweiszligelaquo

Asphyxie) 4 muskulaumlre Hypotonie Bewegungslosigkeit

Das Ausmaszlig einer Asphyxie zeigt sich an der Schnelligkeit mit der ein asphyktisches Kind auf Reanimationsmaszlignahmen reagiert For-men der fetalen Depression bei denen eine ausreichende kardiores-piratorische Adaptation nach taktiler Stimulation oder kurzfristiger Maskenbeatmung zu erreichen ist ndash Phase der primaumlren Apnoe ndash koumlnnen nicht als schwere perinatale Asphyxie bezeichnet werden Bei einer terminalen Apnoe dagegen ist das Neugeborene schwerst deprimiert und bedarf einer umgehenden intensiven kardiopulmo-nalen Reanimation

Der durch HypoxieIschaumlmie bedingte Substratmangel hat bei totaler Asphyxie nach spaumltestens 12 min eine irreversible Hirn-schaumldigung zur Folge

Obwohl ein niedriger Apgar-Score die Notwendigkeit von Re-animationsmaszlignahmen anzeigt so ist er aber kein sicherer Indikator

fuumlr eine perinatale Asphyxie und stellt allein kein Prognosekriterium fuumlr die Entwicklung einer Zerebralparese dar Ansteigende Apgar-Werte unter der Reanimation belegen lediglich den Erfolg der durch-gefuumlhrten Maszlignahmen Neugeborene mit einer fuumlr die Prognose relevanten Asphyxie unter der Geburt zeigen in der Regel 4 eine schwere Azidose im Nabelschnurblut (lt70) 4 einen 10-min-Apgarwert von le5 4 eine verzoumlgerte Aufnahme der Eigenatmung (gt10 Minuten) 4 Symptome der hypoxisch-ischaumlmischen Enzephalopathie

(s unten) d h neonatale neurologische Symptome einschlieszlig-lich Krampfanfaumllle

4 hypoxisch-ischaumlmisch bedingte Funktionsstoumlrungen anderer Zielorgane

Allerdings erfuumlllt nur ein Teil der Neugeborenen die nach einer pe-rinatalen Asphyxie eine Zerebralparese entwickeln diese Kriterien In vielen Faumlllen liegt der Schaumldigungszeitpunkt praumlnatal dabei weist das unter der Geburt abgeleitete Kardiotokogramm oft nur geringe Auffaumllligkeiten auf und der Nabelarterien-pH zeigt keine oder nur eine maumlszligige Azidose In solchen Faumlllen liegt offenbar ein Zustand nach vorhergehenden Episoden mit fetaler Asphyxie vor von denen sich das Kind partiell erholt hat Ein wahrscheinlicher Zusammen-hang unmittelbar mit dem Geburtsereignis darf nur angenommen werden wenn die oben genannten Kriterien vorhanden sind

Zielorgane der Asphyxie Hypoxisch-ischaumlmische Laumlsionen koumln-nen sich an verschiedenen Organsystemen manifestieren

4 Zentrales Nervensystem hypoxisch-ischaumlmische Enzephalopa-thie erhoumlhte Inzidenz von Hirnblutungen bei Fruumlhgeborenen

4 Herz-Kreislauf myokardiale Ischaumlmie Hypotension 4 Lunge persistierende fetale Zirkulation (PFC) pulmonale

Hypertension sekundaumlres Atemnotsyndrom (akutes RDS = ARDS)

4 Mikrozirkulation disseminierte intravasale Gerinnung mit Thrombozytenabfall 5 Niere Oligurie Anurie 5 Nebenniere NNR-Blutung 5 Magen-Darmtrakt Perforation Ulzeration nekrotisierende Enterokolitis

4 Leber Leberzellschaumldigung verminderte Syntheseleistung 4 Metabolische Stoumlrungen Hypoglykaumlmie Hypokalzaumlmie

752 Hypoxisch-ischaumlmische Enzephalopathie (HIE)

Pathophysiologie Wie verschiedenste Untersuchungen zur Patho-genese ischaumlmischer Hirnlaumlsionen belegen setzt die Gewebsschaumldi-gung waumlhrend der HypoxieIschaumlmie ein und nimmt in der Reper-fusionsphase weiter zu Die Hauptmediatoren des Reperfusions-schadens sind freie Sauerstoffradikale neutrophile Granulozyten und endotheliale Faktoren wie Stickstoffmonoxid (NO)

Freie Radikale fuumlhren vermutlich uumlber eine Hemmung des trans-membranoumlsen Enzyms Na+-K+-ATPase zum Zusammenbruch des Membranpotenzials Die geschaumldigten Zellen setzen in der Folge die neurotoxischen exzitatorischen Aminosaumluren Glutamat und Aspar-tat frei die durch Aktivierung von Proteasen den Zelltod einleiten

Waumlhrend sich die meisten Organe vom asphyktischen Insult er-holen ist dies beim Gehirn nicht immer der Fall Die Hypoxie und Ischaumlmie fuumlhren zu einer lokalen Laktatakkumulation im Gehirn und zu einer Verminderung energiereicher Phosphate Das Energie-versagen ist in der Regel erst nach 24ndash72 h in voller Auspraumlgung

Tab 77 Risikofaktoren fuumlr die Entwicklung einer perinatalen Asphyxie

Maternale Erkrankungen

Uteroplazentare Insuffizienz Gestose Hyperten-sion Hypotension Diabetes Infektion andere Grunderkrankung

Plazenta Chorioamnionitis vorzeitige Loumlsung Placenta praevia Vasa praevia Randsinusruptur

Nabelschnur-zwischenfaumllle

Prolaps Knoten Kompression Umschlingung kurze Nabelschnur

Geburt Traumatisch (abnorme Lage Missverhaumlltnis von Becken ndash Kind hypertrophes Neugeborenes Schul-terdystokie) langdauernd uumlberstuumlrzt Sturzgeburt

Fetale Ursachen

Fruumlhgeburtlichkeit Infektion Wachstumsretardie-rung Uumlbertragung

Neu-geborenes

Anaumlmie (fetomaternale Transfusion etc) Neuro-muskulaumlre Erkrankungen Erkrankungen der Atem-wege und Lungen (Choanalatresie Trachealagene-sie Lungenhypoplasie Zwerchfellhernie etc)

Kapitel 7 middot Neonatologie140

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vorhanden (sekundaumlres Energieversagen) Je nach Ausmaszlig der Schaumldigung entwickelt sich eine lokale Hirnlaumlsion oder eine diffuse neuronale Nekrose mit schwerem Hirnoumldem oder Hirntod

kNeuropathologieDie typischen anatomischen Laumlsionen einer HIE sind bei reifen Neugeborenen 4 eine kortikale Nekrose 4 Wasserscheideninfarkte zwischen A cerebri anterior und me-

dia in Form von parasagittalen bilateralen Infarzierungen 4 Thalamus- und Basalgangliennekrose ( Abb 713) 4 Bei Fruumlhgeborenen fuumlhrt eine schwere perinatale Asphyxie in

der Regel zu einer intrazerebralen Blutung (s dort)

kKlinikIn Abhaumlngigkeit vom Ausmaszlig der hypoxisch-ischaumlmischen Schaumldi-gung kann die klinische Symptomatologie von Irritabilitaumlt Trink-schwaumlche und milder Hypotonie bis hin zum Koma reichen Die typischen neurologischen Symptome sind 4 Beeintraumlchtigung der Bewusstseinslage Irritabilitaumlt

Schreckhaftigkeit Somnolenz Lethargie oder Koma 4 Aumlnderung des Muskeltonus Hypotonie Hypertonie 4 Aumlnderung des Reflexverhaltens 4 Auftreten von Krampfanfaumlllen oftmals prolongiert und schwer

zu behandeln

Das EEG zeigt typische Veraumlnderungen in Abhaumlngigkeit vom Schwe-regrad der Hirnschaumldigung Zur klinischen Verlaufsbeurteilung hat sich ein neurologischer Score bewaumlhrt der auch eine gewisse prog-nostische Einschaumltzung erlaubt ( Tab 78) Die Klassifizierung ist allerdings nicht bei Anwendung von Sedativa oder Analgetika ver-wertbar

Trotz genauer Dokumentation aller zur Verfuumlgung stehenden prauml- peri- und postnatalen Befunde laumlsst sich in vielen Faumlllen keine sichere Kausalitaumltskette der Ereignisse die zur Asphyxie und hypo-xisch-ischaumlmischen Enzephalopathie gefuumlhrt haben ermitteln

kPrognoseDurch die Verlaufsbeurteilung der klinischen Symptome der bildge-benden Diagnostik und des EEG lassen sich in vielen Faumlllen schon fruumlh Aussagen zur Prognose der Kinder machen Faktoren die mit einer schlechten Prognose assoziiert sind sind in der Uumlbersicht aufgefuumlhrt Im Ultraschallbild zeigt sich oft eine raquoverwaschenelaquo Parenchymzeich-nung als Ausdruck einer diffusen neuronalen Nekrose oder eines Hirnoumldems Als Zeichen einer Thalamusnekrose koumlnnen in den ersten Lebenswochen ausgepraumlgte Echoverdichtungen in dieser Region dar-stellbar sein Eine Magnetresonanztomographie (MRT) kann bereits in den ersten Lebenstagen deutliche Signalveraumlnderungen aufweisen ( Abb 713) Eine nuumltzliche jedoch nicht immer durchfuumlhrbare Untersuchung ist die Magnetresonanzspektroskopie (MRS) Ein Nachweis von hohen Laktatsignalen im Gehirn sowie niedrigen Signalen fuumlr N-Acetyl-Aspartat einem Marker fuumlr Neuronen spricht fuumlr eine schwere Hirnschaumldigung mit schlechter Prognose

Unguumlnstige Prognosefaktoren bei der HIE Neugeborener 4 Keine Spontanatmung innerhalb der ersten 30 Lebens-

minuten Auf spontane Atemaktivitaumlt achten 4 Notwendigkeit einer Herzmassage 4 Auftreten von Krampfanfaumlllen in den ersten 4 Lebens-

stunden 4 Neurologischer Zustand (Thompson-Score gt15) 4 Sehr flaches EEG oder raquoBurst-supression-Musterlaquo 4 Oligurie am 1 oder 2 Lebenstag (lt1 mlkg KGh)

kDifferenzialdiagnoseVon einer hypoxisch-ischaumlmischen Enzephalopathie sollte nur ge-sprochen werden wenn sich eindeutige Hinweise auf eine vorausge-

Abb 713 Thalamus- und Basalgangliennekrose eines reifen Neugebore-nen mit schwerer intrauteriner Asphyxie

Tab 78 Klinischer Verlaufs- und Prognosescore bei der hypoxisch-ischaumlmischen Enzephalopathie

Punkte 0 1 2 3

Muskel-tonus

Normal Erhoumlht Vermindert Schlaff

Bewusst-seinslage

Normal Schreck-haft

Lethargie Koma

Kraumlmpfe Keine lt3Tag ge3Tag

Haltung Normal Faumlusteln bzw Peda-lieren

Steif distale Flexion

Dezerebra-tion

Moro-Reflex Normal Teilweise ausloumlsbar

Fehlend

Greifreflex Hand

Normal Schwach Fehlend

Saugreflex Normal Schwach Fehlend

Atmung Normal Hyperven-tilation

Kurze Apnoen

Laumlngere Apnoen Beatmung

Fontanelle Normal Gefuumlllt Gespannt

Prognose Maximalscore lt10 oder Score 0 an Tag 7 normales Outcome wahrscheinlich Maximalscore gt15 hohes Risiko von Folgeschaumlden

714175 middot Perinatale Schaumlden und ihre Folgen

hende HypoxieIschaumlmie feststellen lassen Ansonsten wird das Krankheitsbild als neonatale Enzephalopathie bezeichnet Andere Ursachen fuumlr eine Enzephalopathie des Neugeborenen sind 4 Sepsis Meningoenzephalitis Diagnostik Liquorpunktion 4 Maternale Anaumlsthesie Drogeneinnahme vor der Geburt 4 Geburtstraumatische intrazerebrale Blutungen 4 Metabolische Enzephalopathie Die klinische Symptomatolo-

gie tritt meist erst Stunden oder Tage nach der Geburt auf Grund Katabole Stoffwechselsituation oder Zufuhr von Nahrungseiweiszlig bei Aminoazidopathien oder Organoazidopa-thien Diagnostik Ammoniakbestimmung Laktatbestimmung Ketonkoumlrper im Urin spezifische Laboruntersuchungen

4 Hypoglykaumlmie 4 Bilirubinenzephalopathie 4 Intrazerebrale Blutungen bei Gerinnungsstoumlrungen Gefaumlszligmal-

formationen u a 4 Sinusthrombosen u a 4 Konnatale Hirntumoren

kTherapieVentilation Bei unregelmaumlszligiger Atmung oder Apnoen sollte eine fruumlhzeitige Intubation und Beatmung erfolgen Das Ziel ist die Er-haltung der Homoumlostase Der pO2 und pCO2 sollten in normalen Grenzen gehalten werden eine Hyperventilation ist obsolet

Kreislauf Wichtigste Groumlszlige fuumlr ausreichende Hirnperfusion ist der Blutdruck Bei Kindern mit schwerer Asphyxie soll bereits im Kreis-saal ein sicherer intravenoumlser Zugang gelegt werden bei instabilem Blutdruck Gabe von Katecholaminen

Antikonvulsive Therapie Bei Auftreten von Krampfanfaumlllen erfolgt eine Behandlung mit Phenobarbital Phenytoin oder Lorazepam

Hypothermie Wie mehrere kontrolliert-randomisierte Studien be-legen verbessert eine Hypothermiebehandlung von Neugeborenen mit moderater oder schwerer HIE das neurologische Outcome Die Neugeborenen werden fuumlr 72 h auf eine Koumlrpertemperatur von 335degC gekuumlhlt

Der besondere FallAnamnese Gegen Ende der Schwangerschaft verspuumlrt eine 32-jaumlhri-ge Zweitgebaumlrende erhebliche Schmerzen im Unterleib und registriert keine sicheren Kindsbewegungen mehr Sie faumlhrt in eine nahe gelege-ne FrauenklinikBefunde In der Notaufnahme stellt der Arzt im Ultraschall eine fetale Bradykardie von 40 Schlaumlgenmin fest es wird umgehend eine Notsec-tio durchgefuumlhrt Das Neugeborene wiegt 3270 g und zeigt nach der Geburt keine Spontanatmung Die Plazenta weist ein retroplazentares Haumlmatom aufTherapie Das Kind wird durch den Anaumlsthesisten intubiert eine Herz-massage begonnen intratracheal Suprarenin verabreicht und der Transportdienst einer Kinderklinik verstaumlndigt Dieser trifft 22 min nach der Geburt ein zu diesem Zeitpunkt ist das Kind schlaff hat eine fehlende Spontanmotorik ein blasses Hautkolorit bei rosigen Lippen die Lungen sind bei Beutelbeatmung uumlber den Trachealtubus seiten-gleich beluumlftet Es wird ein Nabelvenenkatheter gelegt uumlber den das Kind eine Glukoseloumlsung erhaumllt Aufgrund niedriger Blutdrucke (MAD 32 mmHg) wird eine Suprarenindauerinfusion angelegt Noch im Kreis-saal wird der Haumlmoglobin-Wert bestimmt er betraumlgt 15 gdlVerlauf Innerhalb der naumlchsten 2 Stunden kommt es zu einer deutli-chen Zunahme der Spontanmotorik die nach 6 Stunden wieder sis-

tiert Mit 12 Stunden ist das Kind komatoumls es zeigt keinen Saugreflex und keinen Kornealreflex Mit 26 Stunden ist die Fontanelle vorge-woumllbt und hart Das EEG zeigt am Folgetag eine Nulllinie bei der dopplersonographischen Untersuchung der Hirngefaumlszlige zeigt sich ein Pendelfluss Es wird der Hirntod festgestellt und das Kind extubiert es verstirbt sofortBeurteilung Die Schmerzen der Mutter und das retroplazentare Hauml-matom zeigen eine vorzeitige Loumlsung der Plazenta an Die daraus re-sultierende fetale Hypoperfusion fuumlhrte zu einer irreversiblen Hirn-schaumldigung Eine kindliche Anaumlmie trat nicht auf Die unmittelbare postnatale Symptomatik entspricht der akuten ischaumlmischen Beein-traumlchtigung der Beginn des Komas markiert die Phase des sekundaumlren Energieversagens

753 Geburtstraumatische Schaumlden

kGrundlagenAls geburtstraumatische Schaumlden werden Laumlsionen bezeichnet die durch mechanische Faktoren waumlhrend der Geburt entstanden sind Zumeist liegt eine schwierige Kindesentwicklung vor bedingt durch eine atypische Lage eine Makrosomie bzw ein Missverhaumlltnis zwi-schen Kind und Geburtswegen oder eine verzoumlgerte Austreibung mit Notwendigkeit zur Zangengeburt oder Vakuumextraktion Obwohl Fortschritte in der Geburtshilfe zu einer deutlichen Reduktion von geburtstraumatischen Schaumldigungen gefuumlhrt haben sind sie nicht immer vermeidbar Einige als Geburtstraumata imponierende Laumlsi-onen sind intrauterin lagebedingt durch chronischen Druck ent-standen

Traumata im KopfbereichExtrakranielle traumatische Laumlsionen am Kopf des Neugeborenen sind haumlufig Je nach Ausbreitung in den verschiedenen Schichten zwischen Haut und Kalotte (Haut ndash Galea aponeurotica ndash aumluszligeres Periost der Kalotte) unterscheidet man ( Abb 714) 4 Caput succedaneum Diese weiche eindruumlckbare teilweise

auch haumlmmorrhagische Schwellung bildet sich sehr haumlufig am fuumlhrenden Kopfbereich bei vaginaler Geburt aus und hat kei-nen Krankheitswert Es ist zwischen Haut und Schaumldelaponeu-rose gelegen die Grenzen uumlberschreiten die Schaumldelnaumlhte Eine spontane Ruumlckbildung erfolgt in den ersten Tagen nach der Geburt

4 Subgaleale Blutung Dieses bezeichnet eine Blutansammlung zwischen Galea und Kalotte Die Blutung entsteht durch eine Nahtdiastase oder eine Schaumldelfraktur Klinisch zeigt sich eine fluktuierende Schwellung uumlber dem gesamten Schaumldel die Schaumldelnaumlhte werden uumlberschritten Das Blut kann konfluieren und sich im subkutanen Gewebe des Nackens ansammeln Die subgaleale Blutung tritt haumlufiger bei Vakuumextraktion und bei Vitamin-K-Mangel auf Eine Uumlberpruumlfung des Gerinnungssta-tus ist angezeigt

CaveBei der subgalealen Blutung kann es zu erheblichem Blutverlust kommen oft resultiert eine behandlungsbe-duumlrftige Hyperbilirubinaumlmie

4 Kephalhaumlmatom Diese Blutung bildet sich zwischen dem aumlu-szligeren Periost und dem Schaumldelknochen (subperiostal) aus Aufgrund dieser Lage uumlberschreitet sie nie die Schaumldelnaumlhte Klinisch imponiert eine prall elastische fluktuierende Schwel-lung die zumeist parietal gelegen ist und nach der Geburt zu-naumlchst noch an Groumlszlige zunehmen kann Am Rand ist das abge-6

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hobene Periost meist palpabel Die Blutung kommt bei 2 aller Geburten vor mit einer Haumlufung bei Forcepsentwicklung Eine Schaumldelfraktur kann begleitend vorliegen Eine Therapie ins-besondere eine Punktion ist nicht indiziert die Blutung bildet sich uumlber Wochen bis Monate spontan zuruumlck Manche Blutun-gen verkalken und bilden eine knoumlcherne Protuberanz die sich ebenfalls langsam zuruumlckbildet

Geburtstraumatische Schaumldelfrakturen koumlnnen als nichtimprimie-rende lineare Frakturen oder als Impressionsfrakturen vorliegen Lineare Frakturen koumlnnen mit einem Kephalhaumlmatom einer subga-lealen Blutung und mit einer epi- oder subduralen Blutung einherge-hen Selten sind die begleitenden Blutungen jedoch schwerer Natur Sie sind meist parietal gelegen eine Therapie ist nicht notwendig

CaveIn Ausnahmefaumlllen kann die Dura unter der Fraktur ein-reiszligen und sich eine leptomeningeale Zyste ausbilden die zu einer Ausweitung des Frakturspaltes fuumlhrt (wachsende Fraktur)

Die Impressionsfraktur besteht in einer Impression des weichen Schaumldels nach innen meist ohne Kontinuitaumltsunterbrechung des Knochens (sog Ping-Pong-Fraktur) Eine begleitende intrakranielle Blutung sollte ausgeschlossen werden In der Regel ist eine neuro-chirurgische Versorgung erforderlich

Intrazerebrale BlutungenIntrazerebrale Haumlmorrhagien (ICH) unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Lokalisation ( Abb 814) ihrer Genese sowie ihres Vorkom-mens bei Fruumlhgeborenen und reifen Neugeborenen Der mit Ab-stand haumlufigste Blutungstyp ist die intrazerebrale Blutung des Fruumlh-geborenen die an typischer Lokalisation im Bereich der periventri-kulaumlren germinalen Matrix oder dem angrenzenden Hirnparenchym auftritt (7 Abschn 766) Hirnblutungen bei reifen Neugeborenen sind selten Nicht alle Blutungen sind traumatischer Genese sie werden aber hier gemeinsam behandelt

Subdurale Blutung Die subdurale Blutung ist in der Regel ge-burtstraumatisch bedingt Praumldisponierende Faktoren sind

4 Makrosomie des Kindes 4 extrem kurze oder stark verlaumlngerte Austreibungsperiode

4 besondere Kindslage (Beckenendlage Fuszliglage Gesichtslage) 4 erschwerte Entwicklung mit notwendiger Zangenentbindung

oder Vakuumextraktion

Bei massiven Formen kommt es zum Einriss des Tentoriums mit meist letaler Blutung aus den groszligen Blutleitern Geringere Trauma-ta des Tentoriums koumlnnen zur Ansammlung von Blut in der hinteren Schaumldelgrube fuumlhren die Symptome sind abhaumlngig vom Ausmaszlig der Blutansammlung Eine weitere traumatisch bedingte Schaumldigung ist der Abriss der Bruumlckenvenen uumlber der Hirnkonvexitaumlt mit sub-duraler Blutansammlung Diese kann symptomlos bleiben oder aber mit meist fokalen neurologischen Symptomen in den ersten Lebens-tagen verbunden sein Dabei werden fokale Krampfanfaumllle eine dis-krete Hemisymptomatik oder Blickdeviation in Richtung des Herdes beobachtet Die Diagnose kann mithilfe des Ultraschalls nicht im-mer gestellt werden Eine nichtentdeckte subdurale Blutung kann spaumlter zu einem chronischen subduralen Erguss mit Makrozepha-lie und Hirndrucksymptomatik fuumlhren Bei klinischem Verdacht sollte daher immer eine weitergehende Diagnostik (CT MRT) durchgefuumlhrt werden Bei raumfordernden Befunden ist eine opera-tive Entlastung notwendig

Weitere Lokalisationen Andere traumatisch bedingte Blutungen koumlnnen epidural (zwischen Schaumldel und innerem Periost) intraven-trikulaumlr und intrazerebellaumlr lokalisiert sein In seltenen Faumlllen koumlnnen subarachnoidale Blutungen auch eine hypoxische Genese aufweisen Die Klinik wird von der Ausdehnung des Befundes be-stimmt Subarachnoidale Blutungen sind oft klinisch inapparent und mithilfe des Ultraschalls praktisch nicht zu diagnostizieren Da Erythrozyten im Liquor moumlglicherweise auch durch eine raquotraumati-schelaquo Lumbalpunktion bedingt sind kann ein niedriger Glukose-wert im Liquor (oft unter 30 mgdl Normalwert ca 75 des simul-tan bestimmten Blutzuckerwerts) oder eine Erythrophagozytose ein Hinweis fuumlr eine subarachnoidale Blutung sein Die anderen ge-nannten Blutungen zeigen in der Regel deutliche klinische Sympto-me in Form von Hyperexzitabilitaumlt Stupor Apnoen Krampfanfaumlllen oder einer gespannten Fontanelle Als bildgebende Diagnostik ist bei nicht eindeutigen sonographischen Befunden immer ein CT oder MRT indiziert

Gerinnungsstoumlrungen Stoumlrungen der Blutgerinnung koumlnnen so-wohl prauml- als auch postnatal zu Hirnblutungen beim Neugeborenen fuumlhren Die Ursachen sind eine dissiminierte intravasale Gerinnung bei Schock oder Sepsis Thrombozytopenien (neonatale Isoimmun-thrombozytopenie Thrombozytopenie bei kongenitalen Infektio-nen insbesondere Cytomegalie) oder in seltenen Faumlllen ein isolierter Mangel an einzelnen Gerinnungsfaktoren Der Morbus haumlmorrha-gicus neonatorum bedingt durch einen Vitamin-K-Mangel fuumlhrt in der Neugeborenenzeit nur dann zu einer Hirnblutung wenn er mit anderen Faktoren assoziiert ist (schwere kongenitale Lebererkran-kung maternale antikonvulsive Therapie)

Verletzungen der Hirnnerven des Ruumlckenmarks und der peripheren NervenHirnnervenlaumlsionen Bei einer Fazialisparese zeigt sich ein schiefes Gesicht beim Schreien der Mundwinkel wird auf der gesunden Seite tiefer heruntergezogen In Ruhe haumlngt eher die erkrankte Seite etwas herab die Nasolabialfalte ist verstrichen Bei der meist vorliegenden peripheren Fazialisparese kommt es aufgrund einer Schaumldigung direkt nach dem Austritt aus dem Foramen stylomastoideum zu einer Funktionsstoumlrung sowohl der oberen als auch der unteren Ge-sichtsmuskeln In der Regel findet sich in Ruhe eine Lidspaltendiffe-

Abb 714 Lokalisation geburtstraumatischer extra- und intrakranieller Blutungen 1 Caput succedaneum 2 subgaleale Blutung 3 Kephalhaumlmatom (subperiostal auszligen) 4 epidurale Blutung (subperiostal innen) 5 subdurale Blutung

714375 middot Perinatale Schaumlden und ihre Folgen

renz ( Abb 715) Im Gegensatz dazu sind bei einer zentralen Ge-sichtsnervenlaumlhmung Bewegungen der Stirn und der Augenlider nicht beeintraumlchtigt Ursache der peripheren Laumlhmung kann eine Druckschaumldigung bei Forcepsentwicklung sein Weiterhin kann die Laumlhmung aufgrund einer intrauterin lagebedingten Kompression durch das muumltterliche Promontorium zustande kommen Therapeu-tisch muss bei einer peripheren Fazialisparese die Austrocknung des Auges verhindert werden Traumatische Schaumldigungen bilden sich in der Regel uumlber einige Wochen zuruumlck

gt Die Fazialisparese kann mit dem raquoschiefen Schreigesichtlaquo verwechselt werden

Beim schiefen Schreigesicht wird ausschlieszliglich beim Schreien der Mund auf einer Seite stark herabgezogen Andere Funktionen der Gesichtsmuskulatur wie Stirnrunzeln Augenschluss und Tiefe der Nasolabialfalte sind normal Ursaumlchlich liegt der Anormalie eine Hypoplasie des M depressor anguli oris zugrunde

Plexusschaumlden Die Inzidenz von Verletzungen des Plexus brachia-lis liegt zwischen 05 und 2 pro 1000 Geburten Die obere Plexuslaumlh-mung (Erb-Duchenne) wird am haumlufigsten beobachtet und betrifft die Fasern von C5 und C6 Alle Formen der Nervenlaumlsion koumlnnen vorliegen von Neuropraxie (Schaumldigung der Reizleitung durch Haumlmatom oder Oumldem der Nervenscheide) bis voumllliger Disruption des gesamten Plexusbuumlndels Mit der Entstehung von Plexusschaumlden verbundene Faktoren sind prolongierte Geburt Schulterdystokie Makrosomie abnorme Kindslage und Zeichen fetaler Beeintraumlchti-gung mit niedrigen Apgar-Werten Klinisch faumlllt zunaumlchst ein fehlen-der Moro-Reflex sowie eine Hypomotorik des betroffenen Armes auf Die charakteristische Haltung besteht in einem herabhaumlngenden Arm der in Adduktion und Innenrotation gehalten wird sowie einer Pronationshaltung der Hand Die Motorik der Hand ist ungestoumlrt der Greifreflex kann ausgeloumlst werden ( Abb 716)

gt Die typische Haltung bei oberer Plexuslaumlhmung mit herabhaumlngendem nach innen rotiertem Arm sowie der nach auszligen und oben gerichteten offenen Handflaumlche wird im englischen Schrifttum als raquoWaiterrsquos-Tip-Haltunglaquo bezeichnet

Die physiotherapeutische Behandlung besteht in einer initialen Ruhigstellung des betroffenen Armes Nach der ersten Woche erfolgt eine passive Bewegung der betroffenen Gelenke in allen Freiheits-graden Die Prognose haumlngt ab von der Schwere der Schaumldigung In den meisten Faumlllen kommt es zu einer kompletten Restitutio Je schneller diese Erholung erfolgt umso vollstaumlndiger ist die funktio-nelle Wiederherstellung Wenn es im Alter von 3 Monaten noch nicht zu einer spontanen Erholung gekommen ist sollte eine Vor-stellung in einer mit diesem Krankheitsbild vertrauten neurochirur-gischen Einrichtung erfolgen

Die untere Plexuslaumlhmung betrifft C8 und Th1Sie ist isoliert sehr selten und kommt eher in Kombination mit der oberen Laumlh-mung als komplette Plexuslaumlhmung vor Klinisch imponiert eine Laumlhmung der kleinen Handmuskeln und der Flexoren im Hand-gelenk Der Greifreflex ist nicht ausloumlsbar Aufgrund der beglei-tenden Schaumldigung von sympathischen Fasern in Th1 wird oft ein Horner-Syndrom mit Ptosis Miosis und Enophthalmus be obachtet

Akute schwere Ruumlckenmarkverletzungen Diese werden nach ex-zessiver Rotations- oder Zugbelastung der Wirbelsaumlule vor allem bei Beckenendlagen und Forzepsextraktionen beobachtet Die klinische Symptomatologie die dem Bild eines spinalen Schocks entspricht haumlngt von der Houmlhe der Ruumlckenmarksverletzung ab Am haumlufigsten treten die Verletzungen im Hals- und Brustwirbelbereich auf Bei Einblutungen in das Ruumlckenmark (Haumlmatomyelie) kann eine schwe-re generalisierte Laumlhmung vorhanden sein

Abb 715 Vermutlich traumatisch bedingte periphere Fazialisparese rechts

Abb 716 Neugeborenes mit oberer Plexusparese links Zustand nach Schulterdystokie

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Weichteil- Knochen- und OrganlaumlsionenPetechien und Ekchymosen auf der Haut Sie treten haumlufig an den fuumlhrenden Teilen und bedingt durch venoumlse Kongestion waumlhrend des Geburtsvorganges auf Insbesondere das Gesicht kann aufgrund petechialer Blutungen raquozyanotischlaquo imponieren Blutungen finden sich ebenfalls haumlufig subkonjunktival Das Fehlen einer Blutungsbe-reitschaft an anderen Stellen und die typische Lokalisation unter-scheiden den Befund von einer Koagulopathie

Kongenitaler Tortikollis Der angeborene Schiefhals besteht in ei-ner Kontraktur des M sternocleidomastoideus mit resultierender Drehung des Kopfes zur Laumlsionsseite und Schraumlgstellung des Gesich-tes mit Drehung des Kinns von der Seite weg Er wurde lange als geburtstraumatische Laumlsion angesehen bedingt durch ein Haumlmatom des M sternocleidomastoideus mit subsequenter Fibrose Alle Be-funde sprechen jedoch dafuumlr dass diese Kontraktur durch eine intrauterine lagebedingte Zwangshaltung entstanden ist Die Behandlung ist physiotherapeutisch

Frakturen Die haumlufigste geburtstraumatische Fraktur ist die Klavi-kulafraktur In den meisten Faumlllen liegt eine Gruumlnholzfraktur vor und das Kind zeigt nach der Geburt keine Symptome Bei der Erst-untersuchung wird die Fraktur manchmal nicht erkannt und faumlllt erst bei der Folgeuntersuchung als tastbarer Kallus auf Frakturen mit deutlichen Dislokationen koumlnnen nach der Geburt zu Schonhal-tung und Schmerzen bei der Armbewegung fuumlhren Bei der Unter-suchung laumlsst sich eine Krepitation tasten der Moro-Reflex ist nicht seitengleich ausloumlsbar Eine Roumlntgenuntersuchung ist nur bei klini-schen Symptomen indiziert Die Prognose ist gut Kallus bildet sich bereits nach 7ndash10 Tagen Frakturen der Roumlhrenknochen (Humerus-fraktur Femurfraktur) koumlnnen ebenfalls geburtstraumatisch be-dingt sein Klinisch fallen Schmerzen Krepitation Schwellung und Bewegungsarmut auf Eine Schonhaltung des Arms mit Schwellung im Oberarm-Schulterbereich findet sich bei der akuten Osteoepi-physenloumlsung des Humeruskopfes sie ist klinisch schwer von der oberen Plexuslaumlhmung abzugrenzen Die Diagnose ist in der Regel durch eine Ultraschalluntersuchung zu stellen im Zweifel muss eine radiologische Untersuchung erfolgen

Intraabdominale Verletzungen Die Nebennierenblutung ist rela-tiv haumlufig Sie wird oft im Rahmen einer perinatalen Asphyxie beo-bachtet kann aber auch traumatisch bedingt sein Klinisch faumlllt sie auf durch eine tastbare abdominelle Resistenz einer Anaumlmie in den ersten Lebenstagen oder bei einer Ultraschalluntersuchung des Ab-domens im Rahmen einer Asphyxiediagnostik Die Blutung kann ein- oder beidseitig sein Bei bilateralen Laumlsionen sollte die Neben-nierenfunktion der Blutzucker und Blutdruck uumlberpruumlft werden

gt Differenzialdiagnostisch ist ein zystisches Neuroblastom auszuschlieszligen (Katecholaminbestimmung im Urin)

Die Blutung liquefiziert im weiteren Verlauf und kann spaumlter kalzi-fizieren Die Erkrankung erfordert auszliger bei massiven bilateralen Befunden mit Nebenniereninsuffizienzzeichen keine Behandlung die Prognose ist gut

Subkutane Fettgewebsnekrose Fuumlr die Entwicklung dieses Krankheitsbildes ist offenbar eine Kombination von verminderter Hautperfusion im Rahmen einer fetalen Hypoxie mit einem lokalen Trauma verantwortlich Arme Beine Gesaumlszlig Ruumlcken und Gesicht sind bevorzugt betroffen Klinisch findet sich eine in den ersten Lebenstagen auftretende unregelmaumlszligig begrenzte leicht erhabene derbe Schwellung mit Hautroumltung Im Verlauf werden die Ver-

aumlnderungen weicher und loumlsen sich auf selten resultiert eine lokale Atrophie Pathologisch liegt eine perivaskulaumlre Inflammation der Subkutis vor gefolgt von Nekrose und Ausbildung eines Granu-loms Diese Granulomzellen sind offenbar in der Lage extrarenal 125-Dihydroxyvitamin D zu produzieren das zu einer Hyper-kalzaumlmie fuumlhren kann

Cave3ndash6 Wochen nach Ausbildung einer subkutanen Fett-gewebsnekrose kann sich eine ausgepraumlgte Hyper-kalzaumlmie mit klinischen Symptomen (Erbrechen Somnolenz) entwickeln Entsprechende laborchemische Kontrollen sind erforderlich

76 Das Fruumlhgeborene

kEpidemiologieUngefaumlhr 65 aller Geburten erfolgen vor der vollendeten 37 Schwangerschaftswoche etwa 15 der Kinder sind sehr kleine Fruumlhgeborene (Geburtsgewicht lt1500 g Gestationsalter lt32 vollen-dete Gestationswochen)

kAumltiologieDie Fruumlhgeburtlichkeit traumlgt als wesentlicher Faktor zur peri- und neonatalen Sterblichkeit bei Die Ursachen der Fruumlhgeburtlichkeit lassen sich nur bei einem Teil der Patienten eruieren 4 vorzeitige Wehen 4 vorzeitiger Blasensprung 4 Amnioninfektionssyndrom 4 Mehrlingsschwangerschaften 4 akute Plazentaloumlsung 4 muumltterliche Erkrankungen wie EPH-Gestose

kPrognoseDie Uumlberlebenschance Fruumlhgeborener mit einem Geburtsgewicht lt1500 g hat sich im letzten Jahrzehnt deutlich verbessert Waumlhrend in den fruumlhen 1970er Jahren nur 15ndash40 dieser Risikopatienten die Neonatalperiode uumlberlebten ist 10 Jahre spaumlter die Uumlberlebensrate Fruumlhgeborener auf gt90 angestiegen Die Spaumltprognose ist aller-dings immer noch Anlass zur Besorgnis Zum Zeitpunkt der Ein-schulung weisen 6ndash12 der Fruumlhgeborenen mit einem Geburtsge-wicht zwischen 500ndash1500 g die in den 1990er Jahren geboren wur-den schwere Behinderungen auf Hier werden in verschiedenen Follow-up-Studien Zerebralparesen bei 2ndash9 zum Teil schwerste Sehbehinderungen bei 2ndash18 und Houmlrbehinderungen bei 2ndash14 der Hochrisikofruumlhgeborenen berichtet Partielle Leistungsschwauml-chen und Schulschwierigkeiten wurden bei mehr als 13 der Kinder beobachtet Erste Nachuntersuchungsergebnisse die bei Hochrisi-kofruumlhgeborenen der letzten 10 Jahre durchgefuumlhrt wurden berich-ten erfreulicherweise von einer Abnahme der neurologischen Spaumlt-folgen

Die guumlnstigere Prognose ist zu einem groszligen Teil auf die Ver-besserung der Betreuung und des perinatalen Managements von Risikoschwangeren sowie die Fortschritte der neonatalen Inten-sivmedizin zuruumlckzufuumlhren

kKlinikDas Grundproblem sehr kleiner Fruumlhgeborener bleibt jedoch beste-hen die Unreife von Organsystemen und -funktionen die postnatal zu einer Reihe von akuten Erkrankungen und chronischen pulmo-nalen und neurologischen Folgeschaumlden fuumlhren koumlnnen

714576 middot Das Fruumlhgeborene

4 Atemnotsyndrom chronische Lungenerkrankung broncho-pulmonale Dysplasie

4 intrazerebrale Blutung periventrikulaumlre Leukomalazie 4 persistierender Ductus arteriosus 4 Apnoe Bradykardie 4 nekrotisierende Enterokolitis 4 erhoumlhte Infektionsdisposition nosokomiale Sepsis 4 Hypothermie Hypoglykaumlmie 4 Fruumlhgeborenenretinopathie Taubheit 4 psychomotorische Retardierung neurologische Schaumldigung

In den letzten Jahren gibt es eine zunehmende Anzahl von experi-mentellen Untersuchungen sowie klinischen Beobachtungen und Studien die eine Assoziation zwischen maternaler Chorioamnioni-tis und dem Auftreten einer bronchopulmonalen Dysplasie sowie Hirnblutungen bzw periventrikulaumlrer Leukomalazie nahelegen Eine Chorioamnionitis laumlsst sich bei mehr als 50 aller sehr unreifer Fruumlhgeborener in der Vorgeschichte nachweisen Vermutlich fuumlhrt die im Rahmen einer Chorioamnionitis beschriebene intrauterine Zytokinexposition des Feten zu einer Inflammationsreaktion in der kindlichen Lunge sowie zu einer ersten Schaumldigung der unreifen vaskulaumlren Endothelstrukturen dem sog raquofirst hitlaquo ( Abb 717) Treten unmittelbar nach der Geburt weitere schicksalshafte oder auch vermeidbare Ereignisse auf die zu einer Veraumlnderung der zere-bralen Durchblutung und Fluktuationen des zerebralen Blutflusses fuumlhren so kann eine Hirnblutung oder Minderperfusion vulnerabler Gehirnstrukturen auftreten Die intrauterine pulmonale Inflamma-tionsreaktion wird durch postnatale Sauerstofftoxizitaumlt Baro-Volu-trauma sowie Infektionen verstaumlrkt und kann in eine bronchopul-monale Dysplasie einmuumlnden

Maumlnnliche Fruumlhgeborene und Mehrlinge haben allerdings eine geringere Uumlberlebenschance als weibliche Risikopatienten bzw Ein-zelgeborene gleichen Gestationsalters

kManagementFuumlr eine optimale Betreuung von Risikofruumlhgeborenen muumlssen eine Reihe von Bedingungen erfuumlllt sein Risikoschwangere und Fruumlhge-borene sollten nur in personell und technisch optimal ausgestatteten Perinatalzentren betreut werden Ein In-utero-Transport eines ge-faumlhrdeten Fruumlhgeborenen ist mit ungleich geringeren Risiken ver-bunden als eine postnatale Verlegung Die Inzidenz von bleibenden Behinderungen ist ndash wie in vielen Studien belegt ndash bei einer Behand-lung in Perinatalzentren deutlich geringer als in kleinen Kinder-kliniken die uumlber eine geringere Erfahrung in der Behandlung der Patienten undoder eine unzureichende personelle bzw apparative Ausstattung verfuumlgen

gt Bei einer drohenden Geburt vor der 34 Gestationswoche ist unter maximaler tokolytischer Therapie und kritischer Indikationsstellung eine Lungenreifungsbehandlung mit Betamethason oder Dexamethason durchzufuumlhren

Die Geburt dieser Risikopatienten sollte so atraumatisch wie moumlg-lich erfolgen Durch eine schonende Spontangeburt scheint die Kom-plikationsrate insbesondere zerebraler Schaumldigungen nicht erhoumlht zu sein Eine primaumlre Sectio caesarea ist in jedem Fall bei Kindern mit Beckenendlage drohender intrauteriner Asphyxie Verdacht auf Am-nioninfektionssyndrom sowie jedweder Form relevanter muumltterli-cher und kindlicher Pathologie indiziert Waumlhrend der muumltterlichen Anaumlsthesie muss eine intrauterine und postnatale Depression des Kindes unbedingt vermieden werden Dies setzt eine enge Abstim-mung von Anaumlsthesieverfahren chirurgischem Vorgehen und un-mittelbar postnataler Versorgung der Fruumlhgeborenen voraus

Nach der Erstversorgung der Fruumlhgeborenen im Kreiszligsaal er-folgt die weitere zeit- und personalaufwaumlndige Behandlung und Pfle-ge der Kinder auf einer neonatologischen Intensivstation Die therapeutischen Maszlignahmen zielen auf eine Stabilisierung und Kor-rektur von postnatal einsetzenden Organstoumlrungen ab Da Fruumlhge-borene nicht in der Lage sind die Koumlrpertemperatur selbststaumlndig aufrecht zu erhalten werden die Kinder in einem Inkubator oder in speziellen Waumlrmeeinheiten gepflegt die Temperatur wird den Be-duumlrfnissen der Patienten (thermoneutrale Temperatur ausreichende Luftfeuchtigkeit) angepasst Zur Uumlberwachung der Fruumlhgeborenen werden EKG- und Atmungsmonitore eingesetzt in Abhaumlngigkeit vom postnatalen Verlauf (maschinelle Beatmung Sauerstoffthera-pie) erfolgt eine kontinuierliche transkutane Messung des O2- und CO2-Partialdrucks eine kontinuierliche Pulsoxymetrie repetitive Blutgasanalysen Blutdruckmessungen u a Sehr kleine Fruumlhgebore-ne werden haumlufig parenteral (zentrale Katheter) undoder mithilfe einer Magensonde ernaumlhrt

Das Risiko an einer nosokomialen Sepsis und lokalen noso-komialen Infektionen zu erkranken ist hoch in einigen Perinatal-zentren erkranken bis zu 25 der Hochrisikopatienten an einer Sepsis Die psychische Bindung zwischen Mutter und Fruumlhgebore-nem bzw zwischen Vater und Fruumlhgeborenem soll auch bei be-atmeten aber respiratorisch und zirkulatorisch stabilen Kindern so fruumlh wie moumlglich erfolgen Die sog Kaumlnguru-Methode wird von den meisten Fruumlhgeborenen auszligerordentlich gut toleriert ( Abb 718)

Abb 717 Maternale Chorioamnionitis und intrauterine Zytokinexposi-tion des Feten Proinflammatorische Zytokine wie Tumornekrosefaktor-α (TNF-α) und die Interleukine 1 6 8 (IL-1 IL-6 IL-8) die im Rahmen einer Chorioamnionitis in das Fruchtwasser gelangen koumlnnen bereits intrauterin eine pulmonale Entzuumlndungsreaktion des Feten ausloumlsen Dieses Ereignis ist vermutlich ein bedeutender Risikofaktor fuumlr die Entwicklung einer bron-chopulmonalen Dysplasie Daruumlber hinaus kann eine Chorioamnionitis eine systemische fetale Entzuumlndungsreaktion induzieren die mit einem erhoumlh-ten Risiko fuumlr zerebrale Schaumldigungen assoziiert ist

Kapitel 7 middot Neonatologie146

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761 Das Atemnotsyndrom Fruumlhgeborener

Die Surfactantsubstitution stellt einen entscheidenden Durchbruch in der Behandlung des Atemnotsyndroms Fruumlhgeborener dar Durch diese kausale Therapiemaszlignahme konnten die akuten pulmonalen Komplikationen beatmeter Fruumlhgeborener um 23 reduziert werden und die Sterblichkeit von Fruumlhgeborenen mit Atemnotsyndrom nahezu halbiert werden

kEpidemiologieDas Atemnotsyndrom Fruumlhgeborener (RDS raquorespiratory distress syndromelaquo syn hyalines Membranensyndrom) stellte vor Einfuumlh-rung der Surfactantsubstitution die haumlufigste Todesursache der Neonatalperiode dar Ungefaumlhr 1 aller Neugeborenen erkranken an einem RDS Die Inzidenz steigt mit abnehmendem Gestationsal-ter bis zu 60 der Fruumlhgeborenen lt30 Gestationswoche entwickeln ein RDS

kPathogeneseWesentliche Ursache des RDS ist der Mangel eines pulmonalen ober-flaumlchenaktiven Surfactantsystems das die Oberflaumlchenspannung der Alveolen vermindert und somit zur Stabilitaumlt des Alveolarsys-tems beitraumlgt es beugt einem Alveolarkollaps in der Exspiration vor (Surfactant raquosurface active agentlaquo) Surfactant das in Pneumozy-ten vom Typ II gebildet und in den Alveolarraum sezerniert wird besteht uumlberwiegend aus verschiedenen Phospholipiden

Bei Patienten mit RDS ist die Surfactant-Hauptkomponente Dipalmitoylphosphatidylcholin (Lecithin) quantitativ vermindert

Phosphatidylcholin fehlt vollstaumlndig Da eine staumlndige Sekretion von Surfactant in das Fruchtwasser stattfindet kann durch eine Bestimmung des LS-Quotienten (LecithinSphingomyelin) die Lungenreife von Fruumlhgeborenen abgeschaumltzt werden Der Sphingo-myelingehalt im Fruchtwasser bleibt im Verlauf der Schwangerschaft konstant Ein LS-Quotient von gt21 weist auf ein ausgereiftes Sur-factantsystem hin

Neben Phospholipiden enthaumllt Surfactant Apoproteine unter-schiedlichen Molekulargewichts (SP raquosurfactant proteinlaquo) Waumlh-rend die hochmolekularen Apoproteine (SP-A) vermutlich die zellulaumlre Sekretion und Wiederaufnahme der Phospholipide regulie-ren sowie lokale Abwehrfunktionen gegen verschiedenste mikro-bielle Erreger uumlbernehmen (SP-A SP-D) kommt den hydrophoben niedermolekularen Apoproteinen (SP-B SP-C) eine besondere funktionelle Bedeutung zu sie verbessern die Absorption und Aus-breitung der Surfactantphospholipide

Die Surfactantdefizienz wird typischerweise durch eine postna-tal einsetzende intraalveolaumlre Akkumulation von Plasmaproteinen kompliziert die nach Schaumldigung des Alveolarepithels und Kapilla-rendothels die Alveoli auskleiden und die Surfactantwirkung direkt inhibieren (hyaline Membranen Abb 719)

Eine ausreichende Surfactantsynthese besteht in der Regel von der 35 Gestationswoche an Eine verzoumlgerte Lungenreifung koumln-nen Kinder diabetischer Muumltter Neugeborene mit Asphyxie oder schwerer Erythroblastose aufweisen Eine beschleunigte Lungen-reifung wird bei Praumleklampsie und Wachstumsretardierung bei intrauterinem Stress durch vorzeitigen Blasensprung (2ndash7 Tage) und durch ein muumltterliches Amnioninfektionssyndrom beobachtet

kPathophysiologieBei einem Surfactantmangel entwickeln sich in den Lungen der Fruumlhgeborenen unmittelbar nach der Geburt zunehmende diffuse Atelektasen die alveolaumlre Minderbeluumlftung fuumlhrt zu einer Hypoxauml-mieHypoxie und zu einem Anstieg des CO2-Partialdruckes Die Folgen sind eine systemische Hypotension und Vasokonstriktion der pulmonalen Gefaumlszlige die eine pulmonale Minderperfusion so-wie eine Ausbildung intrapulmonaler Shunts und eines Rechts-links-Shunts auf Vorhofebene (Foramen ovale) bzw uumlber den Ductus arteriosus nach sich ziehen Der pulmonale Metabolismus

Abb 718 Direkter Koumlrper- und Blickkontakt zwischen Vater und Kind im Rahmen der Kaumlnguru-Methode Fruumlhgeborenes der 25 Gestationswoche 660 g Geburtsgewicht Spontangeburt mittelschweres Atemnotsyndrom und transitorische chronische Lungenerkrankung ohne weitere Komplika-tionen hier im Alter von 6 Lebenswochen

Abb 719 Histologie des Atemnotsyndroms Fruumlhgeborener ausgedehn-te Atelektasen in den wenigen uumlberblaumlhten Alveolen typische hyaline Membranen aus verschiedenen Proteinen Fibrin und zellulaumlrem Detritus (Pfeile rosa gefaumlrbte hyaline Membranen)

714776 middot Das Fruumlhgeborene

wird erheblich eingeschraumlnkt Sowohl Azidose Hypoxie und der veraumlnderte Lungenstoffwechsel inhibieren die postnatal einsetzende De-novo-Synthese von Surfactant In Abb 720 ist der Circulus vitiosus des Atemnotsyndroms dargestellt

kKlinikKlinische Symptome treten unmittelbar nach der Geburt oder in-nerhalb der ersten 3ndash4 Stunden post partum auf 4 Tachypnoe gt60min 4 Nasenfluumlgeln 4 exspiratorisches Stoumlhnen 4 sternale und interkostale Einziehungen 4 abgeschwaumlchtes Atemgeraumlusch 4 Mikrozirkulationsstoumlrungen blass-graues Hautkolorit 4 Temperaturinstabilitaumlt 4 evtl Zyanose (bei insuffizienter Behandlung)

Bei der roumlntgenologischen Untersuchung des Thorax finden sich typische Veraumlnderungen unter zunehmender Verdichtung des Lun-genparenchyms mit Ausloumlschung der Herz- und Zwerchfellkonturen entwickelt sich eine so genannte raquoweiszlige Lungelaquo ( Abb 721)

CaveEine neonatale Infektion mit β-haumlmolysierenden Streptokokken der Gruppe B kann sich unter klinischen und radiologischen Zeichen eines RDS manifestieren

kKomplikationenIm Verlauf der Erkrankung koumlnnen folgende Komplikationen auf-treten 4 extraalveolaumlre Luftansammlung pulmonales interstitielles Em-

physem 4 Pneumothorax 4 Pneumomediastinum 4 Pneumoperitoneum 4 Pneumoperikard

Als Folge der Lungenunreife der Langzeitbeatmung und Sauerstoff-toxizitaumlt in der Einatmungsluft kann sich bei Risikopatienten eine chronische Lungenerkrankung die bronchopulmonale Dysplasie (BPD) entwickeln

kSymptomatische TherapieDie Therapie des RDS wird vom Schweregrad der pulmonalen Er-krankung bestimmt 4 Bei leichtem RDS Nasen-CPAP (raquocontinuous positive airway

pressurelaquo uumlber einen binasalen CPAP) 4 Bei deutlicher Ventilations- und Oxygenierungsstoumlrung in-

termittierende oder kontrollierte maschinelle Beatmung der Patienten uumlber einen trachealen Tubus

4 Uumlberwachung kontinuierliche transkutane Messung des pO2 und pCO2 kontinuierliche Pulsoxymetrie regelmaumlszligige Blut-gasanalysen engmaschige Blutdruckkontrollen evtl Plasma- bzw Bluttransfusionen u a Maszlignahmen

gt Das Grundprinzip besteht im raquominimal handlinglaquo einer moumlglichst geringen Belastung des Fruumlhgeborenen durch diagnostische und therapeutische Maszlignahmen

kSurfactantsubstitutionstherapieIn den letzten 20 Jahren ist mit der Substitution mit natuumlrlichem und synthetischem Surfactant als kausaler Therapie ein entscheidender Fortschritt in der Behandlung des Atemnotsyndroms Fruumlhgebore-ner erzielt worden

Natuumlrliche Surfactantpraumlparate werden durch Lavage von Kaumllber- und Rinderlungen (Alveofact Infasurf) oder Homogenisie-rung von Rinderlungen (Surfactant-TA Survanta) oder Schweine-lungen (Curosurf) extrahiert oder aber wurden fuumlr klinische Studien aus dem menschlichen Fruchtwasser isoliert Die Praumlparate enthal-ten die Apoproteine SP-B und SP-C (ca 1) sie unterscheiden sich aber in der Zusammensetzung der Phospholipidfraktionen der Konzentration und dem Applikationsvolumen

Synthetische Surfactantpraumlparate sind apoproteinfrei Wie in randomisierten Studien belegt wurde uumlberlebten mehr Fruumlhge-borene mit RDS die ein natuumlrliches Surfactantpraumlparat erhielten synthetische Surfactantpraumlparate stehen zur Zeit nicht mehr zur Ver-fuumlgung

Effekte der Surfactantsubstitution Unmittelbar nach intratrache-aler Applikation natuumlrlicher Surfactantpraumlparate konnte bei Fruumlh-geborenen mit manifestem RDS in allen kontrollierten Studien eine ndash wenn auch recht unterschiedliche ndash Verbesserung der Oxigenie-rung und der Beatmungssituation erzielt werden

Abb 720 Circulus vitiosus des Surfactantmangels

Abb 721 Radiologische Veraumlnderungen bei schwerem Atemnotsyn-drom verdichtetes Lungenparenchym Ausloumlschung von Zwerchfell- und Herzkonturen sog raquoweiszlige Lungelaquo

Kapitel 7 middot Neonatologie148

7 Sowohl nach prophylaktischer als auch therapeutischer Surfactantgabe konnte die Pneumothoraxinzidenz um 50ndash70 und die Sterblichkeit um ca 40 reduziert werden Alle anderen akuten und chronischen mit Atemnotsyndrom assoziierten Komplikationen wurden durch eine Surfactanttherapie nicht be-einflusst

Neuere Untersuchungen weisen darauf hin dass eine Surfactant-behandlung in der fruumlhen Phase des Atemnotsyndroms einer Therapie in einer spaumlteren Erkrankungsphase uumlberlegen ist Beson-ders Fruumlhgeborene lt28 Gestationswochen profitieren von einer prophylaktischen oder sehr fruumlhen Surfactantapplikation Wie Me-taanalysen belegen fuumlhrt eine Surfactantsubstitution innerhalb von 15 min nach der Geburt zu einer geringen Auspraumlgung des Atemnotsyndroms zu einer reduzierten Inzidenz der BPD und einer geringen Sterblichkeit in dieser Altersgruppe

Empfehlungen zur postnatalen Surfactantbehandlung 4 Moumlglichst fruumlhzeitige Behandlung im Kreiszligsaal fuumlr sehr

unreife Fruumlhgeborene lt28 Gestationswochen 4 Fruumlhe Surfactantsubstitution bei Fruumlhgeborenen

lt32 Gestationswochen mit klinischen Zeichen des raquorespiratory distress syndromelaquo maschineller Beatmung und O2-Bedarf gt40

4 Spaumltere Behandlung bei etwas raquoreiferenlaquo Fruumlhgebore-nen mit RDS maschineller Beatmung und einem O2-Bedarf gt50ndash60

4 Initialdosis fuumlr die prophylaktische Behandlung mit natuumlrlichen Surfactantpraumlparaten ca 100 mgkg KG bei manifestem RDS 100 bis maximal 200 mgkg KG

4 Innerhalb von 48 h wiederholte Surfactantgaben bei er-neutem O2-Anstieg gt30 und maschineller Beatmung (kumulative Dosis 400 mgkg KG)

4 Unabhaumlngig von der Art der Surfactantpraumlparation muss der behandelnde Kinderarzt mit allen Aspekten der Surfactantapplikation der maschinellen Beatmung sowie allen anderen Maszlignahmen der neonatologischen Intensivmedizin vertraut sein

Surfactant-raquoNonresponderlaquo Eine Reihe von Grunderkrankungen koumlnnen den Effekt einer Surfactanttherapie negativ beeinflussen So muss bei Fruumlhgeborenen mit struktureller Lungenunreife oder Lungenhypoplasie z B nach laumlngerem vorzeitigem Blasensprung sowie bei Kindern mit konnataler und neonataler Pneumonie mit einem fehlenden oder deutlich geringeren Therapieerfolg gerechnet werden Aber auch die perinatale Hypoxie Hypothermie und nicht

zuletzt die systemische Hypotension haben unmittelbaren Einfluss auf die initiale Wirksamkeit der Surfactantbehandlung

Eine nur transitorische Verbesserung der Oxygenierung und des Gasaustauschs wird bei Fruumlhgeborenen beobachtet die im Rahmen eines haumlmodynamisch signifikanten persistierenden Ductus arterio-sus ein intraalveolaumlres Oumldem entwickeln

Nebenwirkungen Unmittelbare Nebenwirkungen einer Behand-lung mit natuumlrlichen Surfactantpraumlparaten sind ndash von Fehlern bei der Anpassung der maschinellen Beatmung abgesehen ndash bisher nicht beschrieben

CaveNach Gabe natuumlrlicher Surfactantpraumlparate kann eine akute Uumlberblaumlhung des Lungenparenchyms (raquoHyperex-pansionlaquo) durch eine ungenuumlgende Anpassung des Beat-mungsdrucks zu ernsthaften Ventilations- und Zirkula-tionsproblemen der behandelten Kinder fuumlhren

Eine Sensibilisierung gegen tierische im Surfactant enthaltende Apoproteine wurde bei keinem Patienten beschrieben In Nachun-tersuchungen von Kindern die mit natuumlrlichen oder synthetischen Praumlparaten behandelt worden waren konnte kein Unterschied in der somatischen oder neurologischen Entwicklung im Vergleich zu un-behandelten Kontrollpatienten festgestellt werden Eine gehaumlufte Infektanfaumllligkeit oder gar ein Auftreten einer chronischen Slow-virus-Infektion wurde nach Behandlung mit natuumlrlichen Surfactant-praumlparaten auch nach einer 23-jaumlhrigen Erfahrung mit diesem neuen Therapieprinzip bisher nicht beobachtet

Andere Indikationen fuumlr eine Surfactanttherapie Neben dem neonatalen Atemnotsyndrom ist eine Surfactantbehandlung auch bei Erkrankungen vorstellbar in deren Verlauf ein sekundaumlrer Surfactantmangel auftritt Zurzeit laufende kontrollierte randomi-sierte Studien evaluieren den Einfluss einer Surfactantbehandlung bei konnataler Pneumonie Mekoniumaspirationssyndrom und Zwerchfellhernie

kPraumlventionDie sog Lungenreifungsbehandlung durch Betamethason oder Dexamethason kann die Inzidenz und den Schweregrad des RDS Fruumlhgeborener durch eine Enzyminduktion vermindern Betame-thason sollte der Schwangeren moumlglichst 48 h vor der Geburt ver-abreicht werden Praumlnatale Kortikosteroide in Kombination mit der postnatalen Surfactantherapie (natuumlrliches Surfactant) reduzieren die Sterblichkeit sowie die Inzidenz pulmonaler sowie extrapulmo-naler Komplikationen (Hirnblutung) Allerdings ist von einer repe-

Exkurs

Surfactantsubstitution ndash ein Meilenstein in der Neonatalmedizin

1959 konnten Avery und Mead Boston bei verstorbenen Fruumlhgeborenen erstmals bele-gen dass das hyaline Membranensyndrom mit dem Mangel des oberflaumlchenaktiven Materials assoziiert war 1967 gelang es Rufer Goumlttin-gen die mechanischen Eigenschaften surfac-tantdepletierter isolierter Tierlungen durch in-trabronchiale Instillation einer oberflaumlchenak-tiven Substanz zu verbessern ein Jahr spaumlter konnte er diesen positiven Effekt einer Surfac-tantwirkung an isolierten Lungen Fruumlhgebore-

ner erbringen die an einem Atemnotsyndrom verstorben waren Enhorning und Robertson Toronto bzw Stockholm publizierten 1972 die vielbeachteten Ergebnisse einer Surfactant-substitutionstherapie bei beatmeten fruumlhge-borenen Kaninchen 1980 berichteten Fujiwara et al Akita erstmals von Fruumlhgeborenen mit manifestem Atemnotsyndrom die nach intrat-rachealer Applikation eines Rindersurfactants deutliche Veraumlnderungen des pulmonalen Gasaustausches zeigten In der folgenden

Dekade wurde die klinische Wirksamkeit der Surfactantbehandlung in sorgfaumlltig geplanten multizentrisch kontrollierten undoder rando-misierten Studien eindrucksvoll belegt welt-weit wurden mehr als 10000 Fruumlhgeborene mit verschiedensten Surfactantpraumlparationen behandelt Die Surfactantsubstitution ist da-mit die am besten untersuchte Therapie der Neonatalmedizin

714976 middot Das Fruumlhgeborene

titiven Gabe die noch in juumlngster Vergangenheit in 8- bis 10-taumlgigen Abstaumlnden bis zum Zeitpunkt der Geburt erfolgte abzuraten Es gibt ernst zu nehmende Hinweise dass die Entwicklung des fetalen Ge-hirns durch diese Strategie beeintraumlchtigt wird

Als weiterer bedeutsamer Faktor in der Praumlvention des RDS ist eine schonende Geburtseinleitung und optimale primaumlre Reani-mation der Risikokinder anzusehen

Der besondere FallAnamnese Nach unauffaumllligem Schwangerschaftsverlauf treten bei einer 24-jaumlhrigen Zweitgebaumlrenden in der 29 Gestationswoche ploumltz-lich vorzeitige Wehen auf dazu rasche Muttermundseroumlffnung unauf-faumllliges kindliches CTG Trotz sofortigen Beginns einer tokolytischen (wehenhemmenden) Therapie erfolgt nach einmaliger Kortisongabe die Spontangeburt wenige Stunden nach stationaumlrer AufnahmeBefund und Erstversorgung Weibliches Fruumlhgeborenes der 29 Ge-stationswoche Geburtsgewicht 1060 g vital Wegen unregelmaumlszligiger Atmung wird nach kurzzeitiger Maskenbeatmung mit 40 O2 ein stabiler klinischer Zustand erreicht mit O2-Saumlttigung von 92 Nach 45 min zeigt sich eine zunehmende Tachypnoe (Atemfrequenz um 70min) raquostoumlhnendelaquo Atmung und beginnende jugulaumlre und inter-kostale Einziehungen Darauf folgt die endotracheale IntubationVerlauf Unter maschineller intermittierender Beatmung nimmt der O2-Bedarf weiter zu im Alter von 3 h unter 80 inspiratorischem O2-Gehalt normale Saumlttigung Ventilation und systemischer BlutdruckRoumlntgenthorax Diffuse feingranulaumlre Verdichtung des Lungenparen-chyms mit beginnender Ausloumlschung des Herzrandes RDS Grad IIITherapie Nach intratrachealer Applikation eines natuumlrlichen Surfac-tantpraumlparats (100 mg Phospholipidekg KG asymp125 ml Fluumlssigkeitkg KG) kann innerhalb weniger Minuten eine Reduktion des inspirato-rischen O2-Gehaltes auf 30 erfolgen Etwa 30 min spaumlter faumlllt dann eine rasch progrediente Verschlechterung der Oxygenierung und der Ventilationssituation auf (inspiratorische O2-Konzentration 100 pCO2 65 mmHg) Radiologisch zeigte die Lunge eine massive Uumlber-blaumlhung mit geringer Gefaumlszligzeichnung Durch drastische Senkung des inspiratorischen Spitzendrucks und Atemwegmitteldrucks normalisiert sich die Beatmungssituation der kindliche Zustands stabilisiert sich Die Extubation erfolgt am 5 Lebenstag Im weiteren Verlauf treten keine pulmonalen und zerebralen Komplikationen (Hirnblutung) nach Atemnotsyndrom auf die Entlassung eines gesunden ehemaligen Fruumlhgeborenen erfolgt in der 10 Lebenswoche bei einem Gewicht von 2560 gBeurteilung Typisches mittelschweres durch Surfactantmangel be-dingtes Atemnotsyndrom erfolgreiche Surfactantsubstitutionsbe-handlung Durch die unterlassene Reduktion des Beatmungsdrucks nach Surfactantapplikation iatrogene Uumlberblaumlhung des Lungenparen-chyms mit schwerer Ventilations- und Oxygenierungsstoumlrung sowie Drosselung der pulmonalen Perfusion

762 Persistierender Ductus arteriosus (PDA)

gt Ein haumlmodynamisch wirksamer persistierender Ductus arteriosus stellt das haumlufigste kardiovaskulaumlre Problem Fruumlhgeborener dar

kPathogenese PathophysiologieBei reifen Neugeborenen setzt mit ansteigenden O2-Partialdrucken nach der Geburt eine Konstriktion des Ductus arteriosus und ein konsekutiver Verschluss ein Der Ductus arteriosus Fruumlhgeborener reagiert schwaumlcher auf die postnatalen Kontraktionsreize Wesent-liche Faktoren duumlrften die unreife Muskulatur des Ductus und der

persistierende vasodilatatorische Effekt hoher Prostaglandinkon-zentrationen (PGE2) bei Fruumlhgeborenen sein Bei ausbleibendem Ductusverschluss entwickelt sich in der akuten Phase des RDS ein Shunt zwischen pulmonaler und systemischer Zirkulation (Rechts-links-Shunt)

Mit Ruumlckbildung des RDS sinkt der pulmonale Gefaumlszligwiderstand ab In dieser Phase kann sich ein haumlmodynamisch signifikanter Links-rechts-Shunt uumlber den PDA entwickeln Die Folge ist eine akute pulmonale Uumlberflutung mit haumlmorrhagischem Lungenoumldem und akuter kardialer Insuffizienz Die Beatmungssituation der Pati-enten verschlechtert sich akut durch Intensivierung der Beatmung und Erhoumlhung der inspiratorischen O2-Konzentration nimmt die Lungenschaumldigung zu (bronchopulmonale Dysplasie) Auch bei pro-trahierter Manifestation eines PDA koumlnnen u a ein interstitielles Lungenoumldem und Veraumlnderungen der Organperfusion (Nieren Magen-Darm-Trakt) auftreten

kKlinikEin PDA manifestiert sich haumlufig zwischen dem 3 und 5 Lebenstag 4 praumlkordiale Hyperaktivitaumlt 4 systolisches Herzgeraumlusch gelegentlich kontinuierlich 4 Pulsus celer et altus (raquospringende Pulselaquo) Tachykardie 4 Verschlechterung der Beatmungssituation evtl feinblasige

Rasselgeraumlusche 4 evtl Hepatomegalie 4 renale Ausscheidungsprobleme 4 Zirkulationsstoumlrungen

CaveEtwa 20 der Fruumlhgeborenen mit haumlmodynamisch signi-fikantem persistierendem Ductus arteriosus haben kein Herzgeraumlusch

Die klinische Verdachtsdiagnose wird durch die Roumlntgenthoraxauf-nahme die 2-dimensionale Echokardiographie und den direkten Shuntnachweis mithilfe der Dopplertechnik und Farbdopplerver-fahren bestaumltigt

kTherapieDie wesentlichen Therapieprinzipien des symptomatischen PDA sind 4 Fluumlssigkeitsrestriktion 4 Prostaglandinsynthesehemmer (Indometacin Ibuprofen) 4 operativer PDA-Verschluss

Durch die Hemmung der Prostaglandinsynthese wird der gefaumlszliger-weiternde Effekt von Prostaglandin E2 antagonisiert Kontraindika-tionen der Indometacinbehandlung sind Thrombozytopenie Serumkreatinin gt18 mgdl und Oligurie Etwa 40 aller Indometa-cinbehandelten Fruumlhgeborenen sprechen auf diese konservative Be-handlung nicht an

763 Wilson-Mikity-Syndrom

kDefinitionDiese chronisch-respiratorische Erkrankung kann auch bei nicht beatmeten Fruumlhgeborenen mit einem Gestationsalter von weniger als 32 Gestationswochen im postnatalen Alter von 10ndash14 Tagen auf-treten Die Kinder haben in der Regel keine oder nur eine milde Atemnotsymptomatik waumlhrend der ersten Lebenstage Der radiolo-gische Befund ist durch diffuse zystisch erscheinende Areale charakterisiert die besonders in den oberen Lungenpartien auf-

Kapitel 7 middot Neonatologie150

7

treten sollen Bei dieser chronisch-pulmonalen Erkrankung duumlrfte es sich um eine der moumlglichen Verlaufsformen der raquobonchopulmo-nalen Dysplasie (BPD)laquo Fruumlhgeborener handeln

kEpidemiologieDie Inzidenz des Wilson-Mikity-Syndroms ist nicht bekannt da eine eindeutig klinische und radiologische Abgrenzung von der raquoBPDlaquo nicht moumlglich ist

kPathogeneseWegweisende Untersuchungen zu pathogenetischen Mechanismen dieser chronischen Lungenerkrankung liegen nicht vor Eine erhoumlh-te Inzidenz von maternaler Chorioamnionitis bei Fruumlhgeborenen mit Wilson-Mikity-Syndrom duumlrfte auf eine moumlgliche Rolle von in-trauterinen bzw prauml- und postnatalen Infektionen hinweisen (s Pathogenese der BPD) Bei japanischen Fruumlhgeborenen mit Wilson-Mikity-Syndrom wurden erhoumlhte Gesamtkonzentrationen des Serumimmunglobulin M sowie erhoumlhte Aktivitaumlten der Granu-lozytenelastase im Tracheobronchialsekret nachgewiesen Es ist vor-stellbar dass das bei der BPD vorhandene pulmonale Entzuumlndungs-geschehen durch verschiedenste Infektionserreger ausgeloumlst oder aggraviert wird

kKlinikDie betroffenen Fruumlhgeborenen entwickeln um den 10ndash14 Lebens-tag langsam progrediente Zeichen der Atemnot (Tachypnoe Dys-pnoe etc) und oftmals einen erhoumlhten O2-Bedarf Die Luftnotsym-ptomatik kann uumlber mehrere Wochen und selten auch uumlber mehrere Monate anhalten

CaveDurch suboptimale O2-Saumlttigung und erniedrigten O2-Partialdruck kann sich eine persistierende pulmonale Hypertonie entwickeln

kTherapieUnter optimalen supportiven Maszlignahmen (7 Abschn 764 Thera-pie) sollte diese Erkrankung in der Regel ohne Folgen ausheilen

764 Bronchopulmonale Dysplasie

kGrundlagen1967 beschrieb Northway erstmalig eine Gruppe von Fruumlhge-borenen die nach maschineller Beatmung wegen eines Atemnot-syndroms keine Besserung der Lungenfunktion zeigten Die Kinder blieben uumlber lange Zeit respiratorabhaumlngig oder verstarben unter der Beatmung Diese vorher nicht beobachtete chronische Lun-genkrankheit wurde als bronchopulmonale Dysplasie (BPD) be-zeichnet

kPathogeneseDie BPD ist eine chronische Lungenkrankheit Fruumlhgeborener Grund-voraussetzung fuumlr die Entstehung ist die Unreife der Lunge welche sowohl die anatomischen Strukturen als auch funktionelle Systeme wie das Surfactantsystem betrifft In der Fruumlhphase liegt eine pulmo-nale Inflammationsreaktion vor die durch ein maschinelles Beat-mungstrauma die Sauerstofftoxizitaumlt in der Einatmungsluft oder eine praumlnatale Infektion im Rahmen einer Chorioamnionitis ausgeloumlst

Abb 722 Moumlgliche pathogenetische Sequenz der bronchopulmonalen Dysplasie

715176 middot Das Fruumlhgeborene

wird Eine postnatale Infektion ist ebenfalls in der Lage eine pulmo-nale Entzuumlndung zu induzieren Folge ist zunaumlchst ein interstitielles und alveolaumlres Oumldem Bei anhaltender Exposition gegenuumlber den No-xen wird der normale Gewebsreparaturprozess in der Lunge gestoumlrt es kommt zur Ausbildung einer Fibrose und eines Lungenemphy-sems ( Abb 722 und Abb 723) Moumlglicherweise beeinflusst die Inflammationsreaktion die physiologische Sequenz des Lungen-wachstums Die Folge ist eine abnorme Lungenent wicklung mit einer Beeintraumlchtigung der Alveolarisierung und der Vaskularisierung

gt Fuumlr die Entwicklung einer bronchopulmonalen Dysplasie ist haumlufig ein Atemnotsyndrom in den ersten Lebenstagen verantwortlich es ist aber keine unbedingte Vorausset-zung ein Teil sehr unreifer Fruumlhgeborener entwickelt eine BPD auch bei initial scheinbar gesunder Lunge

kPathophysiologieDie Lungenfunktion ist durch ein niedriges Lungenvolumen sowie eine erniedrigte Compliance charakterisiert Entwickelt sich in der Folge ein erhoumlhter Atemwegswiderstand so liegt eine Kombination von obstruktiver und restriktiver Ventilationsstoumlrung vor Atelek-tasen und Emphysem fuumlhren zu einer Stoumlrung der Relation zwischen alveolaumlrer Ventilation und Perfusion Der resultierende intrapulmo-nale Rechts-links-Shunt ist die Ursache fuumlr die Hypoxaumlmie bzw den Sauerstoffbedarf Aufgrund der Gefaumlszligrarefizierung und einer Mediahypertrophie entwickelt sich bei fortgeschrittenem Krank-heitsbild ein pulmonaler Hypertonus

kKlinikFruumlhgeborene mit einer BPD zeigen folgende Charakteristika und klinische Symptome

4 Langzeitbeatmung schwierige Entwoumlhnung von der maschi-nellen Beatmung

4 nach der Extubation eine persistierende Atemnot mit an-haltendem Sauerstoffbedarf sternalen und kostalen Ein-ziehungen und Tachypnoe

4 Kardiopulmonale Instabilitaumlt mit Neigung zu haumlufigen O2-Saumlttigungsabfaumlllen und Bradykardien

4 Typisches radiologisches Bild fleckig-steifige roumlntgendichte Veraumlnderungen in Abwechslung mit Regionen erhoumlhter Strah-lentransparenz oder zystisch-emphysematoumlsen Bereichen ( Abb 724)

4 Auf Grund der erhoumlhten Atemarbeit Gedeihstoumlrung

kDiagnoseDer Schweregrad der BPD wird durch Sauerstoffbedarf bzw Beat-mungsform zu bestimmten Zeitpunkten definiert ( Tab 79)

kPraumlventionPrinzipiell ist die Praumlvention der BPD das erste Behandlungsziel

Allgemeine Maszlignahmen zur Praumlvention der bronchopulmonalen Dysplasie

4 Praumlnatale Steroidbehandlung 4 Fruumlhzeitige Surfactanttherapie bei Atemnotsyndrom 4 Fruumlhzeitige Behandlung eines klinisch relevanten

persistierenden Ductus arteriosus 4 Vermeidung einer Fluumlssigkeitsuumlberladung 4 Niedrigste moumlgliche Beatmungsunterstuumltzung

und Sauerstoffgabe zur Aufrechterhaltung eines ausreichenden Gasaustausches

4 Falls moumlglich Vermeidung einer maschinellen Beatmung

4 Bei Beatmung fruumlhzeitige Extubation und CPAP- Behandlung

4 Gewaumlhrleistung einer ausreichenden Ernaumlhrung (parenteralenteral) sowie Versorgung mit Spuren-elementen und Vitaminen (Vitamin A)

Abb 723 Histologie der bronchopulmonalen Dysplasie diffuse Atelekta-sen sowie ausgepraumlgte emphysematoumlse Bezirke verbreitertes Interstitium

Abb 724 Radiologischer Befund einer bronchopulmonale Dysplasie Neben fibrotisch verdichteten und atelektatischen Arealen ( ) finden sich uumlberblaumlhte Bezirke ( )

Tab 79 Definition der BPD

Milde BPD O2 mit 28 Tagen Raumluft mit 36 Wochen PMA oder bei Entlassung

Moderate BPD lt30 O2 mit 36 Wochen PMA oder bei Entlassung

Schwere BPD ge30 O2 undoder BeatmungCPAP mit 36 Wochen PMA oder bei Entlassung

PMA postmenstruelles Alter

Kapitel 7 middot Neonatologie152

7

kTherapieWaumlhrend der stationaumlren Behandlung koumlnnen folgende gut belegte Behandlungsmaszlignahmen sinnvoll sein 4 Koffein Offenbar durch Verbesserung der Lungenmechanik

sowie der diuretischen Wirkung fuumlhrt die Behandlung mit Coffein zu einer Senkung der BPD-Rate

4 Steroide Unter einer postnatalen Behandlung Fruumlhgeborener mit Dexamethason kommt es zu einer Verminderung des pul-monalen Wassergehaltes zu einer Verbesserung des Gasaus-tauschs einer Abnahme der pulmonalen Inflammationsreak-tion sowie der mikrovaskulaumlren Permeabilitaumlt der Lunge Die Therapie ermoumlglicht innerhalb von 2ndash5 Tagen bei der Mehrzahl der behandelten beatmeten Patienten eine Extubation Dexame-thason hat bei einer fruumlhen postnatalen Behandlung eine Fuumllle von Nebenwirkungen und unguumlnstigen Langzeiteffekten

gt Da das Risiko fuumlr die Entwicklung einer Zerebralparese bei der Behandlung mit Dexamethason erhoumlht ist darf eine Therapie nur bei schwerer pulmonaler Insuffizienz eines Fruumlhgeborenen erfolgen

4 Inhalative Kortikosteroide wirken nicht prophylaktisch haben jedoch einen Stellenwert bei etablierter BPD

4 Sauerstoff Bei etablierter BPD insbesondere bei schweren Verlaumlufen besteht eine deutliche Mediahypertrophie der Pulmonalgefaumlszlige In dieser Situation sollte Sauerstoff nicht zu niedrig dosiert werden um die Entwicklung bzw Zunahme einer pulmonalen Hypertonie zu vermeiden (SO2 gt92 pO2 gt55 mmHg) Ausreichende Sauerstoffzufuhr ist ebenfalls erforderlich fuumlr eine befriedigende Gewichtszunahme Eine regelmaumlszligige echokardiographische Uumlberwachung zur Beur-teilung des Lungengefaumlszligwiderstandes ist notwendig

kPrognoseIn den meisten Faumlllen kommt es zu einer Reparatur der pulmonalen Veraumlnderungen dieses zeigt sich am Ruumlckgang der Atemnotsymp-tomatik und des Sauerstoffbedarfs Nur wenige Fruumlhgeborene be-noumltigen auch zum Zeitpunkt der Entlassung aus der Klinik noch Sauerstoff und erhalten eine entsprechende haumlusliche Therapie die in der Regel nicht laumlnger als 3ndash6 Monate erforderlich ist Einzelne Kinder lassen sich nicht von der Beatmung entwoumlhnen

Weiterhin haben Kinder mit BPD nicht selten ein hyperreagib-les Bronchialsystem und erkranken innerhalb der ersten 2 Lebens-jahre haumlufig an einer obstruktiven Bronchitis Virale Infektionen insbesondere die RSV-Bronchiolitis koumlnnen bei BPD-Patienten zu einem schwer verlaufenden Krankheitsbild fuumlhren Auffaumllligkeiten der Lungenfunktion (reversible oder fixierte Obstruktionen erhoumlh-tes intrathorakales Gasvolumen) sind bis ins Erwachsenenalter nachweisbar In der Regel sind die Kinder jedoch koumlrperlich spaumlter gut belastbar und in der Lage Sport zu treiben

765 Retinopathia praematurorum

kDefinitionDie Fruumlhgeborenenretinopathie (raquoretinopathy of prematuritylaquo ROP) ist eine multifaktorielle vasoproliferative Netzhauterkran-kung deren Inzidenz und Schweregrad mit zunehmender Unreife zunimmt 10 der Fruumlhgeborenen mit einem Geburtsgewicht lt1750 g aber fast 50 aller Kinder lt1000 g entwickeln irgendeine Form dieser Erkrankung Sie ist die haumlufigste Ursache von Blindheit bei Kindern unter 6 Jahren

kPathogeneseFuumlr die ROP-Entwicklung sind neben der Unreife postnatale Situa-tionen als Risikofaktoren anzusehen die entweder mit einer retina-len Minderperfusion oder einem erhoumlhten retinalen Sauerstoffan-gebot einhergehen 4 Hyperoxie 4 beatmungsbedingte Hypokapnie 4 Hypotension bei Sepsis 4 rezidivierende Apnoen 4 Fluktuationen der Sauerstoffsaumlttigung 4 intraventrikulaumlre Blutung 4 persisitierender Ductus arteriosus 4 Hyperkapnie

Der Schaumldigungsmechanismus setzt vermutlich zum Zeitpunkt der Geburt sehr unreifer Fruumlhgeborener ein ( Abb 725) Bereits die unmittelbare postnatale Exposition gegenuumlber erhoumlhten Sauerstoff-konzentrationen aber auch Raumluft fuumlhrt bei extrem unreifen

Exkurs

Die Geschichte der Fruumlhgeborenenretinopathie

Die Geschichte der Retinopathia praematuro-rum stellt ein erschreckendes Beispiel dar wie dogmatisch getroffene medizinische Entschei-dungen zu menschlichen Katastrophen fuumlhren koumlnnen Seit Beginn der 1940er Jahre wurden viele Fruumlhgeborene mit zusaumltzlichem Sauer-stoff (O2) behandelt die Konzentrationen lagen bei 70 O2 Erst in den 1950er Jahren wurde von australischen Kinderaumlrzten der freizuumlgige Einsatz von O2 als Ursache des epidemieartigen Auftretens der retrolentalen Fibroplasie (= ROP) und damit der Erblindung von relativ raquoreifenlaquo Fruumlhgeborenen identifi-ziert Eines der beruumlhmtesten Opfer ist Stevie Wonder Jahrgang 1950 der in der 34 Gestati-onswoche geboren wurde Aufgrund dieser alamierenden Ergebnisse wurden strenge Therapierichtlinien mit Limitierung der

O2-Gabe auf 40 eingefuumlhrt Die Folge war ein dramatischer Ruumlckgang der ROP Dieses wurde als uumlberzeugender Beweis fuumlr die Richtigkeit der These angesehen dass Sauerstoff in der Tat die einzige notwendige und ausreichende Ursache der retinalen Erkrankung war Jeder Fall von ROP-bedingter Blindheit wurde als Folge einer fehlerhaften Sauerstofftherapie angesehen und hatte entsprechende juristi-sche FolgenIn der Folge stiegen jedoch die Mortalitaumlt und Morbiditaumlt der Fruumlhgeborenen drastisch an Durch Einfuumlhrung intensivmedizinischer Kon-zepte in die Neonatologie mit der Moumlglichkeit der Blutgasanalyse in den 1970er Jahren sank die Mortalitaumlt von Fruumlhgeborenen waumlhrend die ROP-Inzidenz relativ niedrig war Die Sauer-stofftherapie wurde nach dem arteriell gemes-

senen pO2 gesteuert eine Hyperoxie schien so trotz Verabreichung houmlherer Sauerstoffkonzen-trationen vermeidbar Erneut galt die ROP als eine durch iatrogene Uumlberdosierung von O2 verursachte vermeidbare Erkrankung Auf-grund der zunehmenden Uumlberlebensraten sehr unreifer Fruumlhgeborener kam es in den 1980er Jahren jedoch zu einer deutlichen Wiederzu-nahme der Erkrankung sodass von einer neu-en 2 Epidemie gesprochen wurde Es wurde nun jedoch klar dass die ROP eine multikausa-le Erkrankung war die ihre Hauptursache in der Unreife der Fruumlhgeborenen hat Waumlhrend die Inzidenz der schweren ROP in den meisten westlichen Laumlndern erfreulicherweise ruumlck-laumlufig ist erkranken gerade in den Schwellen-laumlndern wieder relativ reife Fruumlhgeborene an dieser bedrohlichen Retinopathie

715376 middot Das Fruumlhgeborene

Fruumlhgeborenen zu einer relativen Hyperoxie der Retina Dadurch wird ein wichtiger Wachstumsfaktor fuumlr die Gefaumlszligentwicklung der Netzhaut VEGF (raquovascular endothelial growth factorlaquo) herabregu-liert Niedrige Konzentrationen von VEGF fuumlhren zu Arretierung des Gefaumlszligwachstums und zu einer retinalen Vasoobliteration Mit zunehmendem Wachstum der neuralen retinalen Strukturen steigt der metabolische Bedarf der Netzhaut an es entsteht eine relative Gewebshypoxie Hierzu koumlnnen auch die genannten Risikofaktoren beitragen die zu einer retinalen Minderperfusion fuumlhren In dieser Phase induziert die Gewebshypoxie eine massive Uumlberproduktion von angiogenetischen Faktoren wie VEGF als Konsequenz resultiert eine abnorme Neovaskularisierung von retinalen Gefaumlszligen Die Ge-faumlszlige wachsen in den Glaskoumlrper ein aufgrund einer vermehrten Permeabilitaumlt kann es zu Blutungen und Oumldembildung kommen

CaveDurch narbige Traktion kann die Retina an der das vaskulaumlr-fibrotische Gewebe anheftet abgehoben werden

kKlinikWaumlhrend der ROP-Entwicklung zeigen die Fruumlhgeborenen keine typischen klinischen Symptome Aus diesem Grund sind regel-maumlszligige ophthalmologische Kontrolluntersuchungen zwingend notwendig Der Zeitpunkt des Auftretens haumlngt von der retinalen Gefaumlszligentwicklung und somit vom postkonzeptionellen Alter ab Die ersten Veraumlnderungen treten in der Regel in der 34 Woche auf und die ersten Gefaumlszligproliferationen in der 36 Woche

gt Um eine Retinopathie nicht zu uumlbersehen sollte die Erst-untersuchung bei Fruumlhgeborenen mit einem Geburtsge-wicht (GG) lt1000 g im Alter von 6 Wochen oder in der 32 Woche pc erfolgen bei Fruumlhgeborenen mit einem GG zwischen 1000ndash1500 g im Alter von 4 Wochen

Kontrolluntersuchungen werden je nach Befund alle 7ndash14 Tage oder in kuumlrzeren Abstaumlnden durchgefuumlhrt Die letzte Untersuchung er-folgt nach Abschluss der Netzhautvaskularisierung

kKlassifizierungIn die internationale Klassifizierung der ROP (ICROP 1984) geht ein dass die Erkrankung umso schwerer ist je weiter posterior (d h zentral) und je ausgedehnter (d h Anzahl der betroffenen Sektoren)

die Laumlsionen sind Dann folgt die Beurteilung des Schweregrades an der Grenzlinie zwischen vaskularisierter und avaskulaumlrer Retina sowie das Vorhandensein zusaumltzlicher aggravierender Zeichen (raquoplus diseaselaquo) 4 Lokalisation Zone 1ndash3 von zentral nach peripher 4 Ausdehnung Angabe von betroffenen 30deg-Sektoren (12 Stuumlck)

als Uhrzeiten mit Sehnerv als Mittelpunkt 4 Schweregrad

5 Grad 1 duumlnne weiszlige Demarkationslinie zwischen vasku-larisierter und avaskulaumlrer Netzhaut 5 Grad 2 erhabene rosagefaumlrbte Proliferationsleiste 5 Grad 3 extraretinale fibrovaskulaumlre Proliferationen ( Abb 726) 5 Grad 4 partielle Netzhautabloumlsung der Raum zwischen Netzhaut und Aderhaut fuumlllt sich mit seroumlser Fluumlssigkeit 5 Grad 5 komplette Netzhautabloumlsung

4 Plus Disease Auftreten vermehrter Gefaumlszligdilatation und -schlaumlngelung (Tortuositas)

kVerlauf PrognoseDie meisten Kinder mit Erkrankungen des Stadiums 1 und 2 zeigen eine Regression In Stadium 3 haumlngt die Prognose von der Ausdeh-nung des Befundes ab im Stadium 4 insbesondere bei Beteiligung der Makula ist die Prognose sehr schlecht Das Risiko fuumlr eine Er-blindung betraumlgt bei Fruumlhgeborenen unter 750 g 5ndash9 unter 1000 g 2 und uumlber 1000 g 01 Die ROP erhoumlht das Risiko der Kinder fuumlr Myopie Strabismus und andere Visusprobleme

kPraumlvention TherapieEine sicher wirksame Praumlvention der ROP besteht nicht Notwendig ist die Uumlberwachung der Sauerstoffzufuhr Dieses erfolgt bei kleinen Fruumlhgeborenen vorzugsweise uumlber den transkutan gemes senen pO2 anzustreben ist ein pO2 50ndash70 mmHg Die pulsoxi metrisch gemesse-ne Sauerstoffsaumlttigung sollte bei allen Fruumlhge borenen die einen zu-saumltzlichen Sauerstoffbedarf haben zwischen 90 ndash 95 liegen

Therapeutisch wird uumlberwiegend die Lasertherapie seltener eine Kryotherapie angewendet Ziel der Photokoagulation oder Kryotherapie ist die Zerstoumlrung von Gefaumlszligproliferationen und des angiogenem Granulationsgewebe Die Behandlung vermindert die Wahrscheinlichkeit eines Visusverlustes um uumlber 50 Zur Zeit wird in kontrollierten klinischen Studien der Einsatz einer anti-VEGF-

Abb 725 Entstehungsmechanismus der Fruumlhgeborenenretinopathie

Abb 726 Retinopathia praematurorum Stadium III auf der rechten Seite vaskularisierte Netzhaut mit erweiterten Gefaumlszligen die in eine breite Proliferationsleiste uumlbergehen Peripher der Leiste Blutung im Bereich der avaskulaumlren Netzhaut (weiszlige Punkte sind Spiegelungsartefakte)

Kapitel 7 middot Neonatologie154

7

Therapie untersucht Erste Daten bei schwersten Verlaufsformen der ROP lassen hoffen dass sich die therapeutischen Moumlglichkeiten in der Zukunft verbessern werden

766 Hirnblutungen des Fruumlhgeborenen

767 Germinale Matrixblutung des Fruumlhgeborenen

kNeuropathologie und zerebrovaskulaumlre ArchitekturDie typische Hirnblutung Fruumlhgeborener entsteht in der germinalen Matrix einer subventrikulaumlr gelegenen Zone uumlber dem Kopf des Nucleus caudatus Von der germinalen Matrix wandern zerebrale Neuroblasten ab der 10ndash20 Gestationswoche auf die Hirnober-flaumlche aus gefolgt von den Glioblasten nach der 20 Woche Das Matrixgewebe nimmt mit zunehmender Schwangerschaftsdauer an Ausdehnung ab um die 34ndash36 Schwangerschaftswoche kommt es zu einer Involution Es ist sehr zellreich von gelatinoumlser Konsistenz und reich vaskularisiert Den Gefaumlszligen fehlen Charakteristika von Arteriolen und Venolen sie werden als unreifes vaskulaumlres Netz beschrieben Die V terminalis verlaumluft innerhalb der germinalen Matrix

kGradeinteilung nach AusdehnungNach einer Endothellaumlsion im Bereich der germinalen Matrix kann eine Blutung entstehen die subependymal begrenzt bleiben kann oder in das Ventrikelsystem ausdehnen kann (subependymale

Haumlmorrhagie Grad 1 intraventrikulaumlre Haumlmorrhagie Grad 2) Bei intraventrikulaumlrer Ansammlung groszliger Mengen an Blut mit deut licher Dilatation des Ventrikels liegt eine Grad-3-Blutung vor Groumlszligere Ventrikelblutungen behindern den Abfluss aus der Vena terminalis und koumlnnen zu einer Obstruktion mit resulti-erendem haumlmorrhagischen venoumlsen Infarkt fuumlhren Abb 727) Bei einer Ventrikelblutung ist der begleitende Infarkt in der Regel einseitig auf der Seite der ausgedehnteren Blutung zu finden ( Abb 728)

Exkurs

Intrazerebrale Blutung Fruumlhgeborener

Die intrazerebrale Blutung ist eine typische und haumlufige Komplikation Inzidenz und Schweregrad sind direkt abhaumlngig von der Un-reife der Fruumlhgeborenen Innerhalb der letzten Jahre ist die Haumlufigkeit der Hirnblutungen bei Fruumlhgeborenen mit einem Geburtsgewicht lt1500 g insgesamt zuruumlckgegangen Da zur gleichen Zeit die Mortalitaumlt der Fruumlhgeborenen ebenfalls stark abgenommen hat spiegelt die-

ses die erheblich gestiegene Qualitaumlt der neonatalen Versorgung wider Somit gilt eine niedrige Mortalitaumlt in Verbindung mit einer niedrigen Hirnblutungsrate bei Fruumlhgeborenen mit sehr niedrigem Geburtsgewicht als Quali-taumltsmaszligstab einer neonatalen VersorgungUntersuchungen der letzten 6ndash8 Jahre haben jedoch gezeigt dass trotz anhaltend sinkender Mortalitaumltsziffern die Rate der Hirnblutungen

in der Gruppe sehr unreifer Fruumlhgeborener nicht weiter abgenommen hat Dieses beruht darauf dass heute vermehrt extrem unreife Kinder aus der 24-26 Schwangerschaftswo-che uumlberleben Bei diesen Kindern haumlngt das Risiko einer Hirnblutung offenbar mehr von praumlnatalen und unreifeassoziierten Faktoren als von einer weiteren Verbesserung der post-natalen Versorgungsqualitaumlt ab

Abb 727 Schwere intraventrikulaumlre Hirnblutung mit Ventrikeldilatation beidseits sowie rechtsseitige massive intraparenchymatoumlse Blutung

Abb 728a b Intraventrikulaumlre Blutungen a Intraventrikulaumlre dem Plexus aufsitzende Blutung die sich bereits in Aufloumlsung befindet (Schaumldelsonographie Laumlngsschnitt Pfeil) b Sonographischer Befund nach Aufloumlsung der intraventrikulaumlren Blutung nachweisbar ist nur noch eine leichte Erweiterung des Ventrikels

a

b

715576 middot Das Fruumlhgeborene

kKomplikationenBei einer intraventikulaumlrer Blutung kann es zu einer Behinderung des Liquorabflusses oder der Liquorresorption kommen Die resul-tierende Ventrikeldilatation kann sich spontan zuruumlckbilden persis-tieren oder progressiv weiterentwickeln Ein solcher posthaumlmorrha-gischer Hydrozephalus mit Druckentwicklung muss neurochirur-gisch entlastet werden

kPathogeneseFuumlr die Entstehung einer Hirnblutung sind neben der Unreife des vaskulaumlren Gefaumlszlignetzes verschiedene Faktoren von Bedeutung ( Abb 729)

4 postnatale Faktoren Hypo- und Hypertension Hypoxie Ischauml-mie Azidose maschinelle Beatmung Pneumothorax PDA Sepsis Gerinnungsstoumlrungen Volumenexpansion u a

4 perinatale Faktoren Zytokinexposition bei Chorioamnionitis intrauterine Hypoxie

Aufgrund der Gefaumlszligarchitektur liegt eine gesteigerte Vulnerabilitaumlt der Mikrovaskulatur im Bereich der germinalen Matrix sowohl bei Hypotension und bei Hypertension vor Eine zerebrale Hyperper-fusion kann zu einer mechanischen Ruptur der Matrixgefaumlszlige fuumlhren ( Abb 729) Eine zerebrale Hypoperfusion eine Azidose oder Hypoxie fuumlhrt zu einer ischaumlmie-induzierten Laumlsion der Matrixge-faumlszlige Bei einer Chorioamnionitis sind proinflammatorische Zytoki-ne in der fetalen und neonatalen Zirkulation offenbar in der Lage die Gefaumlszlige der germinalen Matrix zu schaumldigen und dadurch eine Hirnblutung zu induzieren Neben einer gestoumlrten Perfusion auf der arteriellen Seite ist ein erhoumlhter venoumlser Druck in der V terminalis ebenfalls von Bedeutung Beatmete Kinder haben ein houmlheres Risiko fuumlr eine Hirnblutung insbesondere bei Entwicklung eines Pneumo-thorax ( Abb 729)

gt Durch Fortschritte in der neonatologischen Intensiv-therapie sind die beschriebenen postnatalen Ursachen der Hirnblutungsgenese in den Hintergrund geruumlckt Perinatale Faktoren haben eine zunehmende Bedeutung erlangt

kKlinikSchwere intraventrikulaumlre und intraparenchymatose Hirnblutungen (Grad 3 und 4) fuumlhren bei sehr kleinen Fruumlhgeborenen praktisch immer zu mehr oder weniger ausgepraumlgten klinischen Symptomen 4 ploumltzliche Aumlnderung der Hautperfusion raquoseptisches Aussehenlaquo

mit blass-grauem oder marmoriertem Hautkolorit und verzouml-gerter Kapillarfuumlllungszeit

4 ploumltzliche Aumlnderung des respiratorischen Status mit erhoumlhtem Sauerstoffbedarf Apnoen oder erhoumlhtem Ventilationsbedarf bei beatmeten Patienten

4 Instabilitaumlt des Blutdrucks 4 bei massiven Blutungen raquogefuumllltelaquo oder gespannte Fontanelle 4 Krampfanfaumllle 4 Abfall von Haumlmoglobin bzw Haumlmatokrit 4 muskulaumlre Hypotonie und Hypomotorik 4 Temperaturinstabilitaumlt

CaveBei entsprechenden Symptomen gehoumlrt die zerebrale Sonographie zu einer Notfalluntersuchung bei fehlender Blutung muumlssen andere Ursachen fuumlr die Zustandsver-schlechterung gesucht werden

80ndash90 der Hirnblutungen treten innerhalb der ersten 48 h nach der Geburt auf

kDiagnoseDie Diagnose wird durch die zerebrale Sonographie gestellt ( Abb 727) eine weitergehende bildgebende Diagnostik ist nicht indiziert Die anfaumlnglich echodichte Blutung wird im Verlauf zuneh-mend echoaumlrmer als Zeichen der Liquefizierung bis sie nicht mehr darstellbar ist Zum Zeitpunkt der Entlassung aus dem Krankenhaus sind bei den meisten Fruumlhgeborenen nach Hirnblutungen vom Grad 1 oder 2 keine Residuen nachweisbar Bei ca 30 der Patienten mit Ventrikelblutung kommt es zu einer Ventrikeldilatation (s un-ten) venoumlse Infarkte im Parenchymbereich hinterlassen eine poren-zephale Zyste

kTherapie PraumlventionEine kausale Therapie der intrazerebralen Blutung gibt es nicht

Abb 729 Pathogenetische Faktoren die an der Entstehung der periventrikulaumlren und intraventrikulaumlren Hirnblutung beteiligt sind

Kapitel 7 middot Neonatologie156

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Ziel der symptomatischen Therapie ist es die Kreislauffunktion Hirnperfusion und Beatmungssituation zu stabilisieren und Fluktua-tionen der Organdurchblutung zu vermeiden Ein hoher Qualitaumlts-standard der neonatalen Versorgung ist Grundvoraussetzung fuumlr die Praumlvention potenziell vermeidbarer Hirnblutungen Diese betrifft das Vorhalten einer ausreichenden Anzahl gut geschulten Personals sowie die Regionalisierung von extrem unreifen Fruumlhgeborenen in speziell ausgestatteten Zentren Die praumlnatale Behandlung mit Glukokortikoiden und ein spaumltes Abnabeln der Kinder sind wohl die am besten belegten praumlventiven Maszlignahmen

kPrognoseDie Prognose der intrazerebralen Blutung haumlngt vor allem vom Vor-handensein einer Parenchymlaumlsion ab Waumlhrend neurologische Fol-geschaumlden bei einer erst- oder zweitgradigen Blutung nur selten auf-treten zeigen ca 13 der Fruumlhgeborenen mit ausgepraumlgter intravent-rikulaumlrer Blutung neurologische Auffaumllligkeiten Die Ausdehnung dieser Parenchymlaumlsion hat jedoch ebenfalls einen Einfluss auf die Prognose Ausgedehnte Laumlsionen mit Beteiligung der frontoparieto-okzipitalen Regionen gehen nahezu immer mit neurologischen Schaumldigungen und einer mentalen Retardierung einher Bei lokali-sierten Blutungen ist die Schaumldigungswahrscheinlichkeit geringer frontal gelegene Blutungen sind prognostisch guumlnstiger als okzipital gelegene

Die typische neurologische Konsequenz der unilateralen Hirn-parenchymblutung ist die spastische Hemiparese Wegen der Naumlhe zum Tractus corticospinalis ist dabei ist die untere Extremitaumlt deut-lich bevorzugt beteiligt (s periventrikulaumlre Leukomalazie)

768 Andere intrazerebrale Blutungen bei Fruumlhgeborenen

Ischaumlmischer und haumlmorrhagischer Infarkt (raquoStrokelaquo)Eine vaskulaumlre Minderperfusion oder Okklusion im Bereich der arteriellen Hirngefaumlszlige hat einen ischaumlmischen Infarkt zur Folge dessen Ausdehnung dem Versorgungsgebiet des betroffenen Ge-faumlszliges entspricht Stroumlmt nach Verschluss eines Arterienastes aus der

Umgebung Blut in die nekrotische Region ein oder liegt ein venoumlser Gefaumlszligverschluss vor so entsteht ein haumlmorrhagischer Infarkt Diese Laumlsionen betreffen sowohl Fruumlh- als auch reife Neugeborene Sie sind zu 90 unilateral mit Bevorzugung der linken Seite und betref-fen vor allem die A cerebri media Als Folge des Infarktes entwickelt sich eine porenzephale Zyste Selten fuumlhren praumlnatale bilaterale Ver-schluumlsse zu einer Hydranenzephalie

Die Diagnose wird durch die zerebrale Ultraschallunter-suchung gestellt Bei einigen Kindern ist bereits intrauterin eine unilaterale porenzephale Zyste nachweisbar andere zeigen zum Zeitpunkt der Geburt einen Infarkt an typischer Stelle im arteriellen Versorgungsgebiet Diese isolierten (d h ohne Ventrikelblutung auftretenden) Parenchymlaumlsionen sollten unbedingt von den oben beschriebenen Hirnblutungen vom Grad 4 unterschieden werden

In einigen Faumlllen entstehen zerebrovaskulaumlre Infarkte postnatal Die Gefaumlszligverschluumlsse koumlnnen durch Thrombose (arteriell oder ve-noumls) Embolien Vasospasmus oder Gefaumlszligfehlbidung bedingt sein haumlufig findet sich jedoch keine fassbare Ursache Infarkte die im Rahmen einer schweren arteriellen Hypotension auftreten finden sich in der Regel nicht im Versorgungsgebiet der A cerebri media

Eine spezifische Therapie ist nicht moumlglich Trotz der manchmal groszligen Ausdehnung des Defekts ist die Prognose unilateraler Ge-faumlszligverschluumlsse meist erstaunlich gut durch Hypotension oder Kreis-laufschock bedingte Infarkte haben in der Regel eine sehr schlechte Prognose

769 Periventrikulaumlre Leukomalazie

kGrundlagen

gt Als periventrikulaumlre Leukomalazie (PVL) wird eine Nekrose mit nachfolgender zystischer Umwandlung der weiszligen Substanz lateral der Seitenventrikel bezeichnet die durch eine Ischaumlmie im Grenzgebiet vaskulaumlrer Versorgungsge-biete entsteht

Es ist eine typische Laumlsion Fruumlhgeborener mit einem Maximum um die 28 Schwangerschaftswoche die Inzidenz betraumlgt bei Fruumlhgebo-renen unter der 32 SSW zwischen 3 und 9 Klinisch fuumlhrt sie haumlu-

Abb 730 Faktoren die an der Pathogenese der PVL beteiligt sind

715776 middot Das Fruumlhgeborene

fig zum Bild der spastischen Diplegie Die Diagnose wird durch die zerebrale Ultraschalluntersuchung gestellt

kNeuropathologie und zerebrovaskulaumlre ArchitekturDie pathologischen Veraumlnderungen der PVL bestehen aus einer fokalen periventrikulaumlren Nekrose sowie einer diffusen Laumlsion der umgebenden weiszligen Substanz ( Abb 730) Der fokalen immer symmetrischen bilateralen Laumlsion liegt eine ischaumlmiebedingte Nekrose zugrunde die sich innerhalb von 2ndash4 Wochen in Zysten umwandeln Durch Proliferation von Astrozyten bilden sich diese zystischen Veraumlnderungen innerhalb einiger Monate zuruumlck Diffu-ser Oligodendrogliaverlust Beeintraumlchtigung der Myelinisierung und Proliferation von Astroglia koumlnnen zu einer Verminderung des Volumens der weiszligen Substanz fuumlhren daraus resultiert als Spaumlt-folge eine Dilatation der Seitenventrikel

Die Hauptorte der fokalen Nekrose liegen in der weiszligen Subs-tanz in Houmlhe der Foramina Monroi (anterior) sowie im Trigonum-bereich (posterior) In diesem Bereich liegen die Grenzgebiete der vaskulaumlren Versorgung langer penetrierender Arterien von der Hirnoberflaumlche und der Hirnbasis ( Abb 730) Eine Ischaumlmie in diesen so genannten raquoletzten Wiesenlaquo wird als raquoWasserscheidenin-farktlaquo bezeichnet Bei zunehmender Reife aumlndert sich die Blut-versorgung Aus diesem Grunde wird bei reifen Neugeborenen eine PVL nicht mehr beobachtet

kPathogeneseFuumlr die Entstehung der PVL sind folgende Faktoren von Bedeutung ( Abb 730)

4 anatomische Voraussetzungen spezielle zerebrovaskulaumlre Architektur (s oben)

4 Faktoren die zu einer zerebralen Ischaumlmie fuumlhren 4 eine vermehrte Vulnerabilitaumlt der weiszligen Substanz

Eine zerebrale Ischaumlmie kann bei Fruumlhgeborenen durch eine Vielzahl von Faktoren bedingt sein welche praumlnatal perinatal oder postnatal ihren Ursprung haben Praumlnatale und perinatale Ursachen sind zirkulatorische Beeintraumlchtigungen aufgrund maternaler Blutun-gen waumlhrend der Schwangerschaft Plazentaloumlsungen oder Kompli-kationen bei Mehrlingsgraviditaumlt In solchen Faumlllen zeigen sich bei der Ultraschalluntersuchung unmittelbar nach der Geburt bereits periventrikulaumlre Laumlsionen an typischer Lokalisation

Am haumlufigsten entsteht eine PVL in Verbindung mit einer Chorioamnionitis Vermutlich werden Oligodendrozyten im Rah-men einer fetalen Entzuumlndungsreaktion durch proinflammatorische Zytokine und andere entzuumlndliche Mediatoren geschaumldigt Bei Fruumlh-geborenen mit PVL finden sich zum Zeitpunkt der Geburt haumlufig erhoumlhte Serumkonzentrationen an proinflammatorischen Zytoki-nen (TNF α Interleukin-6) die Hochrisikopatienten zeigen jedoch in der Regel keine Infektionssymptome

gt Eine Chorioamnionitis spielt in der Pathogenese der peri-ventrikulaumlren Leukomalazie eine entscheidende Rolle

Im zerebralen Ultraschall laumlsst sich zum Zeitpunkt der Geburt be-reits eine symmetrische periventrikulaumlre Echoverdichtung darstel-len die spaumlter in zystische Veraumlnderungen uumlbergeht ( Abb 731)

Postnatal kann eine PVL bei schweren kardiorespiratorischen Beeintraumlchtigungen auftreten Dazu gehoumlren ein persistierender Ductus arteriosus Blutdruckabfaumllle im Rahmen einer Sepsis oder eine zerebrale Hirnminderdurchblutung aufgrund einer beatmungs-bedingten ausgepraumlgten Hypokapnie oder schwerer Apnoen In sol-chen Faumlllen sind periventrikulaumlre Echoverdichtungen erst spaumlter im Verlauf sonographisch darstellbar

kKlinikIn den meisten Faumlllen von prauml- und perinatal entstandener PVL sind die Kinder asymptomatisch Eine muskulaumlre Hypotonie und Hypo-motorik wird nur bei ausgedehnten Befunden beobachtet und zeigt sich auch bei kranken Fruumlhgeborenen ohne PVL

Die klinischen Spaumltfolgen der PVL sind durch die Lokalisation der Laumlsionen bedingt ( Abb 730) Eine PVL betrifft vorwiegend die untere Extremitaumlt und fuumlhrt zu einer spastischen Diplegie Ein mas-siver Befund mit lateraler Ausdehnung kann auch zu einer Beeintraumlch-tigung der Funktion der oberen Extremitaumlt und des Intellekts fuumlhren

kPraumlventionEine Praumlvention der PVL ist zur Zeit nur bei den postnatal entstan-denen Laumlsionen moumlglich und hier auch oft nur sehr bedingt Sie besteht in der Vermeidung der Hyperventilation bei beatmeten Fruumlhgeborenen sowie der adaumlquaten Therapie einer Hypotension eines PDA oder schwerer Apnoen Eine kausale Praumlvention der Chorioamnionitis-assoziierten PVL gibt es bisher nicht

Der besondere FallAnamnese Ein weibliches Fruumlhgeborenes wurde spontan nach unauf-haltsamer Wehentaumltigkeit in der 29 Gestationswoche mit einem Ge-burtsgewicht von 1360 g geboren Der Blasensprung erfolgte 4 Tage vor der Geburt das Fruchtwasser war klar Die Mutter zeigte keine Er-houmlhung des C-reaktiven Proteins sie hatte kein Fieber Die histologi-sche Untersuchung der Plazenta aber zeigte deutliche Zeichen einer Chorioamnionitis mit massiver leukozytaumlrer Infiltration der EihaumluteBefunde Postnatal zeigte das Fruumlhgeborene eine rasche und gute cardiopulmonale Adaptation Es entwickelte kein Atemnotsyndrom und keinen zusaumltzlichen Sauerstoffbedarf Eine Ultraschalluntersu-chung des Kopfes am 2 Lebenstag zeigte eine deutliche scharf be-grenzte Echoverdichtung beidseits frontal und lateral der Seitenventri-kel Eine Echoverdichtung im Bereich der germinalen Matrix oder in-nerhalb der Seitenventrikel fand sich nichtKlinischer Verlauf Im Alter von 11 Tagen zeigte das Fruumlhgeborene eine Serie von Apnoen welche nach taktiler Stimulation sistierten Der Muskeltonus war schlaffer als vorher das Kind wies eine diskrete Marmorierung der Haut auf der Blutdruck war instabil und bedurfte einer Volumengabe Es wurde die Verdachtsdiagnose einer Sepsis ge-stellt und nach Abnahme von Blutkulturen eine antibiotische Therapie begonnen Die Blutkultur zeigt ein Wachstum von Staphylococcus

Abb 731 Zystische Erweichungsherde bei periventrikulaumlrer Leukomala-zie (Schaumldelsonographie Laumlngsschnitt)

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Kapitel 7 middot Neonatologie158

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epidermidis Nach einer Woche waren im Ultraschallbild zystische Veraumlnderungen beidseits periventrikulaumlr nachweisbar Das Kind ent-wickelte eine spastische Diplegie bei unauffaumllliger mentaler Ent icklungBeurteilung Das Kind zeigte die typischen sonographischen Befunde einer PVL Die unmittelbar postnatal registrierten periventrikulaumlren Echoverdichtungen weisen auf eine prauml- oder perinatale Genese hin Obwohl die Anamnese keine sicheren maternalen Infektionssymptome zeigte lag histologisch eine Chorioamnionitis vor welche wahrschein-lich mit der Entstehung einer periventrikulaumlren Leukomalazie in Ver-bindung gebracht werden kann Die Chorioamnionitis hatte zu keiner kindlichen Infektion gefuumlhrt Die Atem- und Kreislaufregulations-stoumlrungen sind als Symptome der nosokomialen Sepsis zu deuten

7610 Apnoen bei Fruumlhgeborenen

kGrundlagenFruumlhgeborene insbesondere sehr unreife Kinder mit einem Geburts-gewicht lt1000 g zeigen nach der Geburt uumlber eine lange Zeit eine ausgepraumlgte kardiorespiratorische Instabilitaumlt Ohne Zeichen einer anderen Grunderkrankung treten ploumltzlich Apnoen Bradykardien und Hypoxaumlmien auf Aufgrund der Unreife zentraler Steuerungs-strukturen sind solche Apnoen bei Fruumlhgeborenen regelhaft zu beo-bachten und somit physiologisch (Fruumlhgeborenenapnoen) Sie wer-den jedoch pathologisch durch ihre Dauer und den Schweregrad der begleitenden Hypoxaumlmie undoder Bradykardie Apnoen mit relevan-ten Hypoxaumlmien und Bradykardien sind behandlungsbeduumlrftig Da die Herzauswurfleistung bei Neugeborenen im Wesentlichen durch die Herzfrequenz bestimmt wird kommt es bei solchen Ereignissen stets zu einer betraumlchtlichen Verminderung der Hirnperfusion

gt Schwere Fruumlhgeborenenapnoen koumlnnen vermutlich das Risiko fuumlr ischaumlmische Hirnlaumlsionen sowie fuumlr die Ent-wicklung einer eine Retinopathie erhoumlhen

kDefinitionenApnoen Bradykardien und Hypoxaumlmien werden in der Literatur recht unterschiedlich definiert die folgenden Definitionen werden jedoch fuumlr Fruumlhgeborene zunehmend akzeptiert 4 Apnoe Atempause gt20 s oder Atempause lt20 s mit begleiten-

der BradykardieHypoxaumlmie 4 Bradykardie Abfall der Herzfrequenz lt80min oder Abfall

gt13 des Basalwerts 4 Hypoxaumlmie SO2-Abfall lt80 Dauer ge4 s

kPathogeneseNeben dieser unreifebedingten Genese von Apnoen koumlnnen prolon-gierte Atempausen jedoch auch Symptome einer Grunderkrankung sein (symptomatische Apnoen) Insbesondere bei systemischen Infektionen oder anderen schweren Erkrankungen kommt es haumlufig zur Beeintraumlchtigung der Atemregulation

Ursachen symptomatischer Apnoen 4 Sepsis und Meningitis (besonders bei neuauftretenden

Apnoen) NEC 4 Persistierender Ductus arteriosus (Wiedereroumlffnung

eines bereits verschlossenen Ductus arteriosus) 4 Apnoen als Symptom einer beginnenden respiratori-

schen Insuffizienz bei Atemnotsyndrom Pneumonie oder BPD

4 Zentrale Atemregulationsstoumlrung bei Asphyxie Hirn-blutung Hirnfehlbildung

4 Gastrooumlsophagealer Reflux 4 Obere Luftwegsobstruktion bei Choanalstenose

Pierre-Robin-Sequenz oder Stimmbandlaumlhmung 4 Fuumltterungsbedingte Bradykardien durch Vagusreiz

CavePrinzipiell sind Apnoen solange verdaumlchtig auf eine Sepsis bis das Gegenteil bewiesen ist

Fruumlhgeborenenapnoen besser als Apnoe-Bradykardie-Hypoxaumlmie-Syndrom Fruumlhgeborener beschrieben sind komplexer Genese Zu-grunde liegt eine Kombination unreifebedingter Ursachen ganz verschiedener Organsysteme des Atemzentrums der oberen Luft-wege des Thorax und der Lunge ( Abb 732) Das Atemzentrum in der Medulla oblongata sowie die peripheren Chemorezeptoren zei-gen bei Fruumlhgeborenen eine Persistenz fetaler Reaktionsweisen Im Gegensatz zum reifen Neugeborenen das verstaumlrkt atmet reagiert das Fruumlhgeborene auf eine Hypoxie mit einer Apnoe ( Abb 732) Weiterhin liegt eine verminderte CO2-Responsivitaumlt d h es erfolgt nur eine geringe Atemstimulation bei Hyperkapnie Ein Kollaps der oberen Luftwege kann ebenso wie Thoraxinstabilitaumlt oder eine Ver-minderung des Atemminutenvolumens bei periodischer Atmung eine intermittierende Hypoventilation mit Hypoxie zur Folge haben

kDiagnoseMithilfe der gleichzeitigen Registrierung von thorakaler und nasaler Atmung Herzfrequenz und Sauerstoffsaumlttigung (Oxykardiorespi-rographie) koumlnnen bei Fruumlhgeborenen die oben beschriebenen ver-schiedenen Formen der Atemregulationsstoumlrung dargestellt werden 4 Zentrale Apnoe thorakale Atmungsaktivitaumlt und nasaler Luft-

strom sistieren parallel Herzfrequenz und Sauerstoffsaumlttigung fallen anschlieszligend ab

4 Obstruktive Apnoe thorakale Atmungsaktivitaumlt haumllt an nasaler Luftstom sistiert Herzfrequenz und Sauerstoffsaumlttigung fallen ab

4 Gemischte Apnoe erst obstruktive dann zentrale Apnoe oder umgekehrt

4 Primaumlre Hypoxaumlmie primaumlrer Abfall der Sauerstoffsaumlttigung dann Abfall von Herzfrequenz und Apnoe

gt Aufgrund der Haumlufigkeit von Apoen Bradykardien und Hypoxaumlmien bei Fruumlhgeborenen muumlssen die Vitalparame-ter dieser Kinder in der Regel uumlber lange Zeit auf einer Intensivstation uumlberwacht werden

kTherapieZur Behandlung des Apnoe-Bradykardie-Hypoxaumlmie-Syndroms Fruumlhgeborener stehen verschiedene Optionen zur Verfuumlgung Weiterhin haumlngt die Wahl der Therapiemaszlignahme von der Haumlufig-keit und Schwere der Atemregulationsstoumlrung ab

Therapeutische Maszlignahmen bei Fruumlhgeborenenapnoe 4 Taktile Stimulation Taktile Maszlignahmen wie Streicheln

oder sanftes Schuumltteln fuumlhren in den meisten Faumlllen zur Wiederaufnahme der Atmung

4 Atemstimulation durch Methylxanthine (Coffein Theophyllin) oder Doxapram

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715977 middot Lungenerkrankungen des Neugeborenen

4 Verminderung von Hypoxaumlmien durch Nasen-CPAP undoder geringfuumlgige Anhebung der inspiratorischen Sauerstoffkonzentration (5)

4 Bei Versagen dieser Maszlignahmen ist eine maschinelle Beatmung erforderlich

Es gibt zur Zeit keine sicheren Angaben wie viele Apnoen und welcher Schweregrad toleriert werden koumlnnen und somit keine klaren Indikationen wann die konservative Behandlung beendet und eine maschinelle Beatmung erfolgen soll Wenn bei schweren Apnoen wiederholt eine Maskenbeatmung zur Behandlung der Bradykardie und Hypoxie notwendig ist besteht in der Regel die Indikation zur maschinellen Beatmung

CaveDie auf den Intensivstationen uumlbliche Uumlberwachung der Sauerstofftherapie durch Pulsoxymeter ist nur fuumlr die Erfassung einer Hypoxie sinnvoll und eignet sich nicht gut fuumlr die Kontrolle einer Hyperoxie Diese erfolgt besser durch die transkutane Messung des pO2

77 Lungenerkrankungen des Neugeborenen

771 Transitorische Tachypnoe

kDefinitionDie transitorische Tachypnoe (Synonym transientes Atemnotsyn-drom des Neugeborenen raquofluid lunglaquo Fluumlssigkeitslunge) entwickelt sich in den ersten Lebensstunden nach der Geburt uumlberwiegend bei reifen Neugeborenen oder relativ raquoreifenlaquo Fruumlhgeborenen Charak-teristisch ist die deutlich beschleunigte Atemfrequenz mit minima-len Einziehungen und gelegentlich auftretender leichter Zyanose Die Erkrankung bildet sich in der Regel innerhalb der ersten 2ndash3 Le-benstage spontan zuruumlck

kPathogeneseDie transitorische Tachypnoe wird vermutlich durch eine ver-zoumlgerte Resorption der kindlichen Lungenfluumlssigkeit uumlber die pulmonalen Lymph- und Blutgefaumlszlige oder aber einen vermehrten pulmonalen Fluumlssigkeitsgehalt ausgeloumlst Die praumldisponierenden Faktoren die mit einer normalen Fluumlssigkeitsresorption interferie-ren oder aber zu einer Erhoumlhung des pulmonalen Fluumlssigkeitsgehalts fuumlhren sind in der Uumlbersicht dargestellt

Faktoren die mit verzoumlgerter Fluumlssigkeitsresorption oder vermehrtem pulmonalem Fluumlssigkeitsgehalt einhergehen

4 Sectio caesarea am wehenlosen Uterus 4 raquoWunschlaquosectio vor der 39 Gestationswoche 4 Perinatale Asphyxie 4 Muumltterlicher Diabetes 4 Exzessive muumltterliche Analgesie 4 Oxytocin und vermehrte maternale Fluumlssigkeitszufuhr 4 Polyglobulie (Polyzythaumlmie) des Neugeborenen 4 Erhoumlhter zentraler Venendruck des Neugeborenen 4 Verspaumltetes raquoAbnabelnlaquo

kKlinikDie Neugeborenen fallen durch eine kurze Zeit nach der Geburt einsetzende Tachypnoe (bis zu 120 Atemzuumlgemin) auf die nur von geringen Einziehungen und wechselnd ausgepraumlgtem inspiratori-schem Stoumlhnen begleitet ist die Lungen sind haumlufig uumlberblaumlht Bei Hypoxaumlmie ist in der Regel eine Zufuhr von 30ndash40 O2 in der Inspirationsluft ausreichend um eine suffiziente Oxygenierung zu erzielen Das Roumlntgenthoraxbild zeigt typischerweise vermehrte zen-trale Verdichtungen mit einer peripheren Uumlberblaumlhung der Lunge und gelegentlich interlobaumlren Fluumlssigkeitsansammlungen oder kleinen Pleuraerguumlssen Gelegentlich entwickelt sich auf dem Boden einer massiven pulmonalen Uumlberblaumlhung eine pulmonale Hyper-tonie mit Rechts-links-Shunt die in das gefuumlrchtete Krankheitsbild der persistierenden pulmonalen Hypertonie einmuumlnden kann

Abb 732 Unreifebedingte Faktoren mit Bedeutung fuumlr die Genese von Apnoen Bradykardien undoder Hypoxaumlmien bei Fruumlhgeborenen

Kapitel 7 middot Neonatologie160

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kDiagnoseDie Diagnose der transitorischen Tachypnoe basiert haumlufig auf dem Ausschluss anderer akuter pulmonaler Erkrankungen und wird haumlufig erst retrospektiv gestellt Neonatale Pneumonien insbeson-dere mit β-haumlmolysierenden Streptokokken der Gruppe B koumlnnen unter einer identischen initialen Dynamik verlaufen

kTherapieBei Atemfrequenzen gt80min wegen Aspirationsgefahr keine orale Ernaumlhrung intravenoumlse Fluumlssigkeitszufuhr bei Bedarf O2-Gabe haumlufig ist eine kurzzeitige antibiotische Behandlung indiziert

772 Mekoniumaspirationssyndrom

kDefinitionNach der Aspiration von Mekonium entwickelt sich eine pathogene-tisch komplexe Erkrankung die durch eine akute Atemnotsympto-matik der uumlberwiegend uumlbertragenen oder reifen hypotrophen Neugeborenen und einen kompatiblen radiologischen Lungen-befund charakterisiert ist Mekoniumhaltiges Fruchtwasser ist bei 10ndash18 aller Geburten nachzuweisen

kEpidemiologieDie Inzidenz des schweren Mekoniumaspirationssyndroms liegt zwischen 02ndash6 erkrankten Neugeborenen1000 Lebendgeborene Es bestehen erhebliche geographische und regionale Unterschiede in der Erkrankungshaumlufigkeit

kAumltiopathogeneseMekonium besteht aus eingedickten intestinalen Sekreten und Zellen sowie loumlslichen und zellulaumlren Fruchtwasserbestandteilen Die wasserloumlslichen Festsubstanzen bestehen u a aus Mukopoly-sacchariden Plasmaproteinen Proteasen konjugiertem Bilirubin die fettloumlslichen Bestandteile u a aus Bilirubin Bilirubinoiden freien Fettsaumluren Cholesterin und Glykolipiden Mekonium wird bereits von der 10ndash16 Gestationswoche an im fetalen Gastrointes-tinaltrakt gefunden Aufgrund einer intestinalen Hypomotorik wird

nur selten ein Mekoniumabgang bei Fruumlhgeborenen beobachtet Die Haumlufigkeit des Auftretens von mekoniumhaltigem Fruchtwasser ist direkt mit der Reife der Neugeborenen verbunden und ist mit houmlheren Serumspiegeln des properistaltischen Hormons Motilin as-soziiert Bei fehlenden Hinweisen auf eine intrauterine oder subpar-tale Gefaumlhrdungssituation duumlrfte ein Mekoniumabgang vor allem ein reifeabhaumlngiges Phaumlnomen reflektieren Eine akute intrauterine oder subpartuale kindliche Hypoxie kann gerade in den letzten Gestationswochen einen vorzeitigen Mekoniumabgang ausloumlsen der besonders bei einem Oligohydramnion ein sehr konsistentes raquoerbsbreiartigeslaquo Fruchtwasser hinterlassen kann Der Abgang von partikelhaltigem und dickfluumlssigem Mekonium praumldisponiert zur Entstehung eines Mekoniumaspirationssyndroms und zu kompli-zierten Erkrankungsverlaumlufen

Die konnatale Listerioseinfektion kann eine Ursache fuumlr den vorzeitigen Mekoniumabgang bei Fruumlhgeborenen sein

kPathophysiologieIm Verlauf einer intrauterinen oder subpartualen Hypoxie die zu einer Vasokonstriktion mesenterialer Gefaumlszlige Darmischaumlmie konsekutiver Hyperperistaltik und Sphinkterrelaxation fuumlhrt tritt ein fruumlhzeitiger Mekoniumabgang auf Die Aspiration von Meko-niumpartikeln kann durch eine hypoxieinduzierte vorzeitige Atemtaumltigkeit die ein bestimmtes Muster aufweist bereits in utero erfolgen haumlufiger findet die Aspiration von Mekonium jedoch un-mittelbar nach der Geburt statt Bei gt50 aller Neugeborenen mit mekoniumhaltigem Fruchtwasser lassen sich Mekoniumbestand-teile im Trachealaspirat nachweisen die bei der Mehrzahl der Kinder folgenlos eliminiert werden Groumlszligere Mekoniumpartikel die mit den ersten Atemzuumlgen in die kleineren Luftwege gelangen fuumlhren zu einer partiellen Bronchusobstruktion und Verlegung der Alveolen Die Folgen sind die Ausbildung von Atelektasen uumlberblaumlhten emphysematoumlsen Arealen (raquoair trappinglaquo) und extraalveolaumlre Luftansammlungen (interstitielles Emphysem Pneumothorax Pneumomediastinum etc Abb 83 Abb 733)

Durch im Mekonium enthaltene Substanzen (z B Fettsaumluren) entwickelt sich innerhalb von 24ndash48 h eine chemische Pneumonie Daruumlber hinaus fuumlhren verschiedene Proteine und Phospholipasen zu einer direkten Inaktivierung des Surfactantsystems Haumlufig bilden sich intrapulmonale Shunts und eine durch eine Konstriktion der Lungengefaumlszlige bedingte persistierende pulmonale Hypertonie aus die zu einer Rekonstitution fetaler Zirkulationsverhaumlltnisse fuumlhren kann

kKlinikDas klinische Bild wird vom Schweregrad der intrauterinen Asphyxie und dem Ausmaszlig der Mekoniumaspiration bestimmt Die Neu-geborenen fallen unmittelbar nach Geburt durch schwere Atem depression Schnappatmung Bradykardie Hypotonie Schocksymptome auf die Haut ist mit Mekonium bedeckt Finger-naumlgel und Nabelschnur koumlnnen gruumlnlich verfaumlrbt sein Neuge-borene mit Spontanatmung weisen eine Tachypnoe ausgepraumlgte Dyspnoezeichen und evtl eine Zyanose auf Die Roumlntgenthorax-aufnahme zeigt dichte fleckige Infiltrate neben uumlberblaumlhten Arealen abgeflachte Zwerchfelle und haumlufig extraalveolaumlre Luft ( Abb 734)

kPraumlventionDurch sorgfaumlltiges fetales Monitoring sind die Warnzeichen der intrauterinen Hypoxie zu erkennen Bestehen Hinweise auf eine kindliche Gefaumlhrdung so ist die sofortige Geburtsbeendigung obli-gat Bei allen Geburten die durch mekoniumhaltiges Fruchtwasser

Abb 733 Pathogenetische Sequenz der Mekoniumaspiration neben mechanischen Faktoren die zu einer schweren Beeintraumlchtigung der Lungenfunktion beitragen beguumlnstigt die chemische pulmonale Inflamma-tionsreaktion die Entwicklung von Hypoxie und Azidose

716177 middot Lungenerkrankungen des Neugeborenen

auffallen sollte umgehend ein erfahrener Kinderarzt zur postnatalen Versorgung des Neugeborenen hinzugezogen werden

gt Bei Abgang von mekoniumhaltigem Fruchtwasser muss bereits vor dem ersten Atemzug d h nach der Geburt des kindlichen Kopfes von Geburtshelfer oder Hebamme Mekonium aus dem Oropharynx entfernt werden

Findet sich bei einem klinisch auffaumllligen Neugeborenen waumlhrend der laryngoskopischen Inspektion des Kehlkopfes Mekonium unter-halb der Stimmbaumlnder so ist es unverzuumlglich mit einem dicklumigen Katheter oder evtl direkt uumlber einen Endotrachealtubus abzusau-gen Bei groumlszligeren Mengen erbsbreiartigen Mekoniums in den Luft-wegen sollte eine Bronchiallavage durchgefuumlhrt werden Tierexpe-rimentelle Untersuchungen und einzelne klinische Erfahrungsbe-richte aus juumlngster Zeit weisen darauf hin dass eine Bronchiallavage mit einer verduumlnnten Loumlsung einer natuumlrlichen Surfactantpraumlpara-tion (ca 5 mg Phospholipideml) zu einer deutlichen Verbesserung der Oxygenierung und Ventilation fuumlhren Auf eine primaumlre Mas-kenbeatmung ist ndash wenn moumlglich ndash zu verzichten

kTherapieDie zum Teil auszligerordentlich schwierige Behandlung Neugeborener mit Mekoniumaspirationssyndrom schlieszligt zur Behandlung der Hypoxaumlmie eine konventionelle Beatmungstherapie die Hochfre-quenzoszillationsbeatmung die Surfactantsubstitutionstherapie und den Einsatz von Stickstoffmonoxid (NO) ein Als Ultima-ratio-Therapie ist eine extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO) zu erwaumlgen Einzelheiten der Therapie sind den Lehrbuumlchern der Neonatologie zu entnehmen

773 Pneumothorax

kEpidemiologieEin spontaner asymptomatischer Pneumothorax tritt bei ca 05ndash1 aller Neugeborenen auf Die Pneumothoraxinzidenz bei maschinell beatmeten Fruumlhgeborenen mit Atemnotsyndrom betrug vor Einfuumlh-rung der Surfactanttherapie 15ndash30 Inzwischen wird diese Kompli-kation bei 3ndash6 aller beatmeten Fruumlhgeborenen beobachtet

kAumltiologieEin symptomatischer Pneumothorax kann bei einer Reihe pulmo-naler Erkrankungen Fruumlh- und Neugeborener auftreten Atemnot-syndrom Mekoniumaspiration Lungenhypoplasie kongenitale Zwerchfellhernie transitorische Tachypnoe Aspirationspneumonie Staphylokokkenpneumonie mit Pneumatozele lobaumlres Emphysem nach Thorakotomie Ebenso findet es sich nach unsachgemaumlszliger Reanimation und maschineller Beatmung

kPathogeneseEin hoher intraalveolaumlrer Druck der durch erhoumlhten Spitzendruck und positiv endexspiratorischen Druck (raquopositive endexpiratory pressurelaquo PEEP) bei maschineller Beatmung entsteht oder aber von tachypnoeischen spontanatmenden Kindern durch einen er-houmlhten so genannten raquoAuto-PEEPlaquo gebildet wird kann besonders in ungleich beluumlfteten Lungenarealen zu einer Uumlberblaumlhung von Alveolen und zu einer moumlglichen Ruptur der Alveolarwand fuumlhren Die extraalveolaumlre Luft ist in der Lage durch das interstitielle Ge-webe und entlang der perivaskulaumlren Gefaumlszligscheiden sowie der peribronchialen Lymphgefaumlszlige zu entweichen In Abhaumlngigkeit von der Ausbreitung der Luft ist mit einer Reihe von Komplikationen zu rechnen interstitielles Emphysem Pneumomediastinum Span-nungspneumothorax Pneumoperitoneum Pneumoperikard und subkutanes zervikales oder thorakales Emphysem

Ein Spannungspneumothorax entwickelt sich bei einer druck-wirksamen Ansammlung von Luft im Pleuraspalt Ein einseitiger Spannungspneumothorax fuumlhrt nicht nur zu einer schweren Venti-lationsstoumlrung der betroffenen gelegentlich kollabierten Lungens-eite sondern durch die Mediastinalverlagerung auch der kontralate-ralen Lunge Daneben wird durch Kompression der V cava oder Torsion der groszligen Gefaumlszlige der venoumlse Ruumlckfluss erheblich be-eintraumlchtigt Bei der Entstehung des interstitiellen Emphysems scheinen nicht nur physikalische Faktoren von Bedeutung zu sein sondern auch pulmonale Entzuumlndungsvorgaumlnge und proteolytische Lungengeruumlstschaumldigungen die u a nach praumlnatalen Infektionen beobachtet wurden

kKlinikDie klinischen Leitsymptome des gefuumlrchteten Spannungspneumo-thorax sind

4 ploumltzlich einsetzende Atemnot 4 Zyanose 4 Hypotension 4 Schocksymptome 4 Bradykardie 4 Thoraxasymmetrie 4 Verlagerung der Herztoumlne 4 seitendifferentes Atemgeraumlusch

Gerade bei kleinen Fruumlhgeborenen kann die Diagnose eines Span-nungspneumothorax schwierig sein da bei maschinell beatmeten Patienten nicht immer ein fehlendes oder abgeschwaumlchtes Atem-geraumlusch nachweisbar ist

kDiagnose TherapieIn lebensbedrohlichen Situationen darf keine Zeit durch Anferti-gung einer Roumlntgenaufnahme vergehen es ist eine sofortige Pleura-punktion mit Entlastung des Pneumothorax durchzufuumlhren

Anschlieszligend wird eine Pleuradrainage unter optimalen Bedin-gungen gelegt Die Transillumination des Thorax mit einer fiberop-tischen Kaltlichtlampe erlaubt eine rasche Identifizierung des illumi-nierenden lufthaltigen Pleuraraumes ( Abb 735)

Abb 734 Radiologische Veraumlnderungen bei schwerem Mekonium-aspirationssyndrom neben verdichteten dystelektatischen Arealen finden sich typische uumlberblaumlhte Lungenanteile

Kapitel 7 middot Neonatologie162

7

774 Kongenitales lobaumlres Emphysem

kDefinitionDas kongenitale lobaumlre Emphysem ist durch eine Uumlberblaumlhung einer oder mehrerer Lungenlappen charakterisiert ( Abb 736) Meistens sind die Oberlappen oder der rechte Mittellappen be-troffen Ungefaumlhr 10 der betroffenen Kinder haben zusaumltzlich ein Vitium cordis oder andere Fehlbildungen

kAumltiologieAls Ursachen des lobaumlren Emphysems das mit der zunehmenden Uumlberblaumlhung auch normales Lungengewebe komprimiert werden

Stoumlrungen im Aufbau der Bronchialwand (z B Fehlen des bronchia-len Knorpels) intraluminale Bronchusobstruktionen (eingedicktes Sekret Schleimhautfalten) oder extraluminale Bronchusobstruk-tionen (z B Kompression durch aberrierende Gefaumlszlige) gefunden

kKlinik TherapieHaumlufig entwickelt sich die klinische Symptomatologie die durch eine progrediente Tachypnoe und andere Dyspnoezeichen auffaumlllt innerhalb der ersten Lebenswochen Einige Neugeborene erkranken allerdings unmittelbar postnatal an einer akuten progredienten Atemnotsymptomatik Bei diesen Kindern ist eine sofortige Bron-choskopie undoder Resektion des betroffenen uumlberblaumlhten Lun-genteils lebensrettend Bei vital milder aber progredienter Sympto-matik ist eine chirurgische Therapie angezeigt Nur bei asymptoma-tischen Kindern kann unter regelmaumlszligiger Kontrolle auf eine invasive Behandlung verzichtet werden da sich ein lobaumlres Emphysem ge-legentlich zuruumlckbilden kann

775 Lungenhypoplasie

kDefinitionEine Lungenhypoplasie ist entweder Ausdruck einer gestoumlrten Organanlage oder einer Ausreifungsstoumlrung der fetalen Lunge die durch verschiedene mit der normalen Lungenentwicklung inter-ferierende Faktoren ausgeloumlst werden kann

kAumltiopathogeneseEine Anlagestoumlrung der Lunge wird bei seltenen Chromosomen-aberationen beobachtet Wesentlich haumlufiger entwickelt sich eine Lungenhypoplasie im Rahmen fetaler Grunderkrankungen oder Stouml-rungen die mit der normalen Ausbildung der Alveolen inter ferieren Ein Mangel an Fruchtwasser der zu einem Verlust intraalveolaumlrer Fluumlssigkeit in der vulnerablen Phase der Lungenentwicklung (vor der 26 Gestationswoche) fuumlhrt kann eine schwere Lungenhypoplasie

Abb 735a b Diagnose eines linksseitigen Pneumothorax durch Transillumination mit Hilfe einer Kaltlichtlampe (a) linksseitiger Spannungspneumo-thorax mit Verdraumlngung des Mediastinums nach rechts (Roumlntgen-Thorax) (b)

a b

Abb 736 Lobaumlres Emphysem des linken Lungenoberlappens bei einem 4 Wochen alten Fruumlhgeborenen der 36 Gestationswoche Mediastinalver-schiebung nach rechts Kompression des linken Unterlappens

716377 middot Lungenerkrankungen des Neugeborenen

nach sich ziehen Eine bilaterale Nierenagenesie (Potter-Sequenz) Anhydramnie bei vorzeitigem Blasensprung oder Fruchtwasserver-lust nach Amniozentese sind als Ursache der Lungenhypoplasie defi-niert Aber auch fehlende intrauterine Atembewegungen der Feten wie sie bei neuromuskulaumlren Erkrankungen Myasthenia gravis An-enzephalie u a Erkrankungen beobachtet werden koumlnnen die nor-male Entwicklung nachhaltig beeinflussen Eine Kompression der fe-talen Lunge nach Malformation des Thorax fuumlhrt bei verschiedenen Skeletterkrankungen (u a asphyxierende Thoraxdysplasie) zu einer Lungenhypoplasie Auch andere Fehlbildungen wie die Zwerchfellher-nie und Chylothorax koumlnnen uumlber eine Kompression des Lungenge-webes die normale Wachstumsdynamik nachhaltig beeintraumlchtigen

kKlinik DiagnoseDie schwere Lungenhypoplasie manifestiert sich entweder unter dem Bild einer Asphyxie oder aber schwersten respiratorischen Insuffizienz Die hypoplastischen Lungen lassen sich haumlufig auch unter intensiven Beatmungsmaszlignahmen nicht wirksam eroumlffnen Haumlufig treten bilaterale Pneumothoraces auf einige Patienten ent-wickeln auf dem Boden einer primaumlren pulmonalen Hypertonie eine persistierende fetale Zirkulation Bei ausgepraumlgten Formen der Lungenhypoplasie ist die Prognose infaust Die Thoraxaufnahme zeigt typischerweise schmale Lungen mit einem glockenfoumlrmigen Thorax ( Abb 737) Die Diagnose ist allerdings haumlufig nur zu ver-muten und wird anhand anamnestischer Risiken sowie des postna-talen Verlaufs nicht selten retrospektiv gestellt Post mortem kann durch Bestimmung des Lungengewichts sowie mithilfe morphome-trischer Techniken die Verdachtsdiagnose verifiziert werden

kTherapieNur bei weniger ausgepraumlgten Formen der Lungenhypoplasie kann durch differenzierte Beatmungstechniken Einsatz von Stickstoff-monoxid NO und gegebenenfalls Surfactantsubstitution (sekun-

daumlrer Surfactantmangel) eine nachhaltige Stabilisierung der Lungen-funktion erzielt werden

776 Zwerchfellhernie (Enterothorax)

kEpidemiologieDie Inzidenz einer Zwerchfellhernie betraumlgt ca 0251000 Lebend-geborene 80ndash90 der Hernien treten auf der linken Seite auf

kPathogeneseEin Zwerchfelldefekt kann zu einer Verlagerung saumlmtlicher Bauch-organe in die Thoraxhoumlhle fuumlhren ( Abb 738) Dieses Krankheits-bild ist ein dringlicher Notfall der Neugeborenenchirurgie (7 Kap 36) Infolge der Lungenkompression und Herzverlagerung kann sich eine schwerste rasch progrediente respiratorische und kardiozirkulatorische Insuffizienz mit persistierender fetaler Zir-kulation entwickeln ( Abb 739)

gt Die operative Versorgung eines Neugeborenen mit Zwerchfellhernie sollte erst nach optimaler Stabilisierung der respiratorischen und kardiozirkulatorischen Funktio-nen erfolgen

kKlinikDie Leitsymptome der Zwerchfellhernie sind 4 zunehmende Atemnot 4 Zyanose 4 Schocksymptome 4 Verlagerung der Herztoumlne 4 ein asymmetrisch vorgewoumllbter Thorax ohne Atemexkursion 4 fehlendes Atemgeraumlusch 4 evtl Darmgeraumlusche im Thorax 4 ein eingesunkenes raquoleereslaquo Abdomen

Abb 737 Radiologischer Befund einer aumltiologisch ungeklaumlrten Lungen-hypoplasie bei einem Fruumlhgeborenem der 34 Gestationswoche

Abb 738 Linksseitiger Zwerchfelldefekt mit intrathorakal gelegenem Magen und Darmanteilen massive Verlagerung des Herzens nach rechts

Kapitel 7 middot Neonatologie164

7

kTherapieDa mit zunehmender Luftfuumlllung des intrathorakal gelegenen Darmes Lunge Herz und Mediastinum verdraumlngt werden und somit eine Spannungssymptomatik entstehen kann ist eine primaumlre Maskenbeatmung obsolet Die Neugeborenen werden umgehend intubiert erhalten eine offene Magensonde und werden bereits im Kreiszligsaal auf die betroffene Seite gelagert

kPrognoseDie Prognose der Zwerchfellhernie wird entscheidend vom Grad der Lungenhypoplasie der optimalen Erstversorgung der chirurgi-schen Therapie und der anschlieszligenden intensivmedizinischen Behandlung beeinflusst Die Diagnose kann bei bereits zum Unter-suchungszeitpunkt vorliegendem Enterothorax praumlnatal gestellt werden

777 Neonatale Pneumonien

kDefinitionEine neonatale Pneumonie entwickelt sich auf dem Boden einer intrauterinen sub- oder postnatalen Infektion mit muumltterlichen oder nosokomialen Erregern u a durch Aspiration infizierten Fruchtwassers Man kann davon ausgehen dass bakteriell kontami-niertes Fruchtwasser oder infizierte Lungenfluumlssigkeit mit den ers-ten Atemzuumlgen in die terminalen Atemwege gelangt und dort mit einer kurzen Latenz eine Entzuumlndungsreaktion ausloumlst Dieser Mechanismus erklaumlrt das oftmals symptomfreie Intervall nach der Geburt ( Abb 740)

kPathogenesePathogenese Risikofaktoren und Erregerspektrum sind im 7 Ab-schn 7109 abgehandelt

Beatmete und intensivmedizinisch behandelte Fruumlh- und Neugeborene sind besonders gefaumlhrdet eine Pneumonie mit Pseudomonas- oder Klebsiellenspezies zu akquirieren Chlamy-dien und Ureaplasmen kommen ebenfalls als Erreger von Pneu-monien Fruumlhgeborener vor Seltener treten Mykoplasmen als Er-reger auf

gt Bei langzeitbeatmeten Fruumlhgeborenen die uumlber laumlngere Zeit antibiotisch behandelt wurden ist immer an eine Pilzpneumonie insbesondere mit Candida spp zu denken

kKlinikDie klinische Symptomatik einer in den ersten Lebensstunden und Lebenstagen oder auch spaumlter auftretenden neonatalen Pneumonie verlaumluft haumlufig unter dem Bild eines progredienten Atemnot-syndroms mit Tachypnoe Einziehungen und Nasenfluumlgeln

kTherapieDie primaumlre antibiotische Behandlung muss gegen die potenziellen Mikroorganismen gerichtet sein (s Therapie der neonatalen Sepsis) Bei Atem- undoder Kreislaufinsuffizienz der erkrankten Neuge-borenen wird die erforderliche Supportivtherapie durchgefuumlhrt Chlamydien- und Ureaplasmapneumonien werden mit Erythromy-cin behandelt Pneumocystispneumonien mit TrimethoprimSulfa-methoxazol

778 Persistierende pulmonale Hypertonie (persistierende fetale Zirkulation)

kDefinitionDie persistierende pulmonale Hypertonie (PPH syn persistierende fetale Zirkulation) ist ein lebensbedrohliches Krankheitsbild das auf dem Boden eines persistierenden erhoumlhten pulmonalen Gefaumlszlig-druckes durch einen signifikanten Rechts-links-Shunt uumlber das of-fene Foramen ovale uumlber den persistierenden Ductus arteriosus und auch intrapulmonale Shunts ohne Hinweise auf eine strukturel-le Herzerkrankung charakterisiert ist

kAumltiologieDie PPH tritt uumlberwiegend bei reifen und uumlbertragenen Neuge-borenen auf Nach intrauteriner und subpartualer Hypoxie muumltterlicher Aspirin- und Indometacineinnahme waumlhrend der Schwangerschaft wurde eine Verdickung und Ausdehnung der Ge-faumlszligmuskulatur bis in kleine pulmonale Arterien hinein beschrieben Am haumlufigsten entwickelt sich eine PPH sekundaumlr bei Neugeborenen

Abb 739 Charakteristischer radiologischer Befund einer linksseitigen Zwerchfellhernie luftgefuumlllte Darmschlingen Verlagerung des Mediasti-nums und des Herzens nach rechts verdichtete Lunge rechts

Abb 740 Aumltiopathogenese der neonatalen Pneumonie Bakteriell infizierte Lungenfluumlssigkeit gelangt mit den ersten Atemzuumlgen des Neu-geborenen in die terminalen Atemwege

716577 middot Lungenerkrankungen des Neugeborenen

nach Mekoniumaspiration Weitere Erkrankungen in deren Folge sich eine PPH entwickeln kann sind die subpartuale und post-natale Hypoxie die neonatale Sepsis mit β-haumlmolysierenden Streptokokken der Gruppe B und Listerien die Zwerchfellhernie die Lungenhypoplasie Pneumothorax Hyperviskositaumltssyndrom Hypoglykaumlmie und Hypothermie sowie ein Atemnotsyndrom Die PPH ist nicht selten idiopathisch Die Praumlvalenz dieser Erkran-kung wurde auf etwa 1 Neugeborenes pro 1000 Lebendgeborene geschaumltzt

kPathophysiologieBei intranataler oder postnataler Hypoxie entwickelt sich rasch eine metabolisch-respiratorische Azidose Die normalerweise durch Anstieg des paO2 und Abfall der paCO2 unmittelbar nach der Geburt einsetzende Dilatation der Lungenarterien bleibt aus die Azidose induziert uumlber eine pulmonale Vasokonstriktion eine pulmonale Hypertonie die uumlber das Foramen ovale den Ductus arteriosus Bo-talli und intrapulmonale Shunts die Entwicklung eines persistieren-den Rechts-links-Shunts nach sich zieht Es bildet sich eine zuneh-mende Sauerstoffuntersaumlttigung des arteriellen Blutes aus die mit der postnatal einsetzenden Vasodilatation interferiert ( Abb 741) Bei einigen dieser Patienten liegen bereits pulmonale Gefaumlszligveraumlnde-rungen im Sinne einer Mediahypertrophie vor die Ausdruck einer chronischen intrauterinen Hypoxie sein koumlnnten (primaumlrer pulmo-naler Hochdruck andere Kinder haben als Grunderkrankung eine mehr oder weniger ausgepraumlgte Lungenhypoplasie) Potente Stimuli der pulmonalen Vasokonstriktion sind Leukotriene und weitere Lipidmediatoren deren Freisetzung bei allen sekundauml ren Formen der PPH durch Hypoxie Infektionen und die im Verlauf verschie-denster Grunderkrankungen einsetzenden Inflammationsreaktion gefoumlrdert wird

kKlinikDie Neugeborenen erkranken in der Regel innerhalb der ersten 12 Lebensstunden In Abhaumlngigkeit von der Grunderkrankung ste-hen entweder die Zyanose (Polyzythaumlmie idiopatische PPH u a) oder die schwere Atemnotsymptomatik mit Zyanose (Mekoniu-maspiration Zwerchfellhernie u a) im Vordergrund Die Patienten koumlnnen innerhalb kurzer Zeit ein Multiorganversagen oder Myokar-dischaumlmie entwickeln Die klinische Verdachtsdiagnose einer PPH kann durch die prauml- und postduktale O2-Differenz und nicht zuletzt durch die Echokardiographie (einschlieszliglich dopplersonographi-scher Diagnostik) bestaumltigt werden Der Roumlntgenthoraxbefund ist bei einigen Erkrankungen unauffaumlllig (Asphyxie Hyperviskositaumlts-syndrom etc) bei anderen zeigt er die typischen Veraumlnderungen der Grunderkrankung

kTherapieZu einer optimalen Behandlung gehoumlrt ndash wenn immer moumlglich ndash eine Korrektur der Grundproblematik sowie eine gezielte Suppor-tivtherapie und Behandlung aller im Verlauf der Erkrankung auf-getretenen Komplikationen wie z B Hypotension myokardiale Dysfunktion Azidose Die Kinder sind zu sedieren und gegebenen-falls zu relaxieren Der entscheidende therapeutische Ansatz ist eine suffiziente maschinelle Beatmung mit ausreichender Oxyge-nierung Die fruumlher geuumlbte Hyperventilationstherapie mit einem pCO2 von 20ndash25 mmHg ist wegen der Drosselung der zerebralen Durchblutung heute obsolet Zusaumltzlich wird das kurzzeitig wirksa-me und gut steuerbare Prostazyklin auch in inhalativer Form ein-gesetzt

Als vielversprechender neuer therapeutischer Ansatz ist die in-halative Behandlung mit NO (raquonitric oxidelaquo Stickstoffmonoxid)

anzusehen NO fuumlhrt zu einer selektiven Vasodilatation der Pulmo-nalgefaumlszlige in den ventilierten Lungenarealen Zurzeit verfuumlgen nur einige Neonatalzentren uumlber die Therapiemoumlglichkeit Neugebore-ne die auf keine dieser Maszlignahmen ansprechen werden einer Hochfrequenzoszillationsbeatmungstherapie zugefuumlhrt

Reichen diese Maszlignahmen nicht aus um eine ausreichende Oxygenierung zu erreichen so sollte der Patient mit einer extrakor-poralen Membranoxygenierung (ECMO) behandelt werden Die international anerkannten Kriterien fuumlr ECMO-Therapie sind Ge-stationsalter gt34 Wochen Geburtsgewicht gt20 kg keine Gerin-nungsstoumlrung fehlendes Ansprechen auf alle erwaumlhnten therapeuti-schen Maszlignahmen und das Vorliegen eines Oxygenierungsindex (OI) von 25ndash40 (mittlerer Atemwegsdruck [cmH2O] times FiO2 times 100paO2 [mmHg])

kPrognoseDie neonatale Sterblichkeit der PPH liegt bei 20ndash30 In den wenigen Langzeituntersuchungen der uumlberlebenden Kinder wird deutlich dass nur ca 40 diese Erkrankung unbeschadet uumlberste-hen die restlichen Patienten weisen neurologische Folgeschaumlden in unterschiedlichster Auspraumlgung auf Bei 20 der Kinder wurde ein neurosensorischer Houmlrverlust diagnostiziert

779 Lungenblutung

kDefinitionEine akute von den Alveolen ausgehende Lungenblutung tritt uumlberwiegend bei Fruumlhgeborenen und hypotrophen Neugeborenen auf die an verschiedensten Erkrankungen der Neonatalperiode leiden

kEpidemiologieWaumlhrend bei mehr als 10 verstorbener Neugeborener eine Lungen-blutung autoptisch diagnostiziert wird entwickelt sich dieses lebens-bedrohliche Ereignis bei weniger als 5 aller Fruumlhgeborenen mit

Abb 741 Circulus vitiosus der perinatalen Hypoxie und postnataler Risikofaktoren die zur Entwicklung einer pulmonalen Hypertonie und per-sistierenden fetalen Zirkulation fuumlhren

Kapitel 7 middot Neonatologie166

7

einem Geburtsgewicht lt1500 g die an einem Atemnotsyndrom er-krankt sind

kAumltiologiePraumldisponierende Faktoren fuumlr eine Lungenblutung sind eine neo-natale Streptokokkenpneumonie die perinatale Asphyxie Hypo-thermie Azidose Hypoglykaumlmie Gerinnungsstoumlrungen Herzver-sagen schwere Erythroblastose Surfactanttherapie und Sauerstoff-toxizitaumlt

kKlinikAkute Blutung aus Mund Nase und den Atemwegen mit rasch progredientem Kreislauf- und Atmungsversagen In den Roumlnt-genthoraxaufnahmen zeigt sich eine zunehmende Verdichtung der Lunge

kTherapieUnverzuumlgliche Stabilisierung der Beatmungs- und Kreislaufsituation mit allen zur Verfuumlgung stehenden intensivmedizinischen Maszlignah-men sowie ndash wenn immer moumlglich ndash Behandlung der Grundproble-matik

7710 Chylothorax

kDefinitionUnter einem Chylothorax wird eine Ansammlung von chyloumlser Fluumls-sigkeit im Pleuraraum verstanden ( Abb 742)

kEpidemiologieEin angeborener Chylothorax ist ein seltenes Ereignis haumlufiger werden erworbene Ansammlungen chyloumlser Fluumlssigkeit nach kar-diochirurgischen Eingriffen beobachtet Als Folge parenteraler Langzeiternaumlhrung uumlber einen zentralen Venenkatheter wurden Thrombosierungen der oberen Hohlvene mit sekundaumlrem Chy-lothorax beschrieben

kAumltiopathogeneseDie Ursache fuumlr die Entstehung eines angeborenen Chylothorax ist unklar es wird ein angeborener Defekt des Ductus thoracicus ver-mutet Bei Neugeborenen mit Down- Noonan- und Turner-Syn-

drom sowie bei Hydrops fetalis tritt gelegentlich ein Chylothorax auf ebenso wurde nach Geburtstraumata die Entwicklung chyloumlser Effusionen berichtet

kKlinik DiagnoseDie Neugeborenen fallen unmittelbar postnatal oder innerhalb der ersten Lebenstage durch mehr oder minder ausgepraumlgte Zeichen der Atemnot auf Vor Beginn einer oralen Ernaumlhrung enthaumllt die serum-aumlhnliche Pleurafluumlssigkeit mehrere Tausend Leukozytenμl mehr als 90 sind mononukleaumlre Zellen (Lymphozyten) Nach Milchernaumlh-rung nimmt die Pleurafluumlssigkeit eine weiszligliche typisch chyloumlse Farbe an

kTherapieDie kontinuierliche Ableitung der chyloumlsen Fluumlssigkeit fuumlhrt bei den meisten Kindern zu einer Ausheilung Es treten aber z T erheb-liche Eiweiszlig- und Antikoumlrper- sowie Lymphozytenverluste auf Eine orale Ernaumlhrung mit mittelkettigen Triglyzeriden reduziert die Chylusproduktion

kPrognoseBei den meisten Formen eines Chylothoraxes kann man von einer sich selbstlimitierenden Erkrankung ausgehen Selten werden Ver-suche chirurgischer Korrekturmaszlignahmen oder intraperitoneale Shuntableitung allerdings mit unsicherem Ausgang noumltig

7711 Obstruktion der oberen Atemwege

kDefinitionAngeborene Obstruktionen der oberen Luftwege gehen haumlufig mit akuter unmittelbar postnatal auftretender Atemnot einher

kAumltiopathogenese TherapieDa Neugeborene fuumlr eine suffiziente Atmung auf eine ungehin-derte Nasenatmung angewiesen sind fuumlhren saumlmtliche anato-mischen und funktionellen Obstruktionen der oberen Luftwege zu einer akuten Atemnotsymptomatik Trotz deutlicher Atem-exkursionen unmittelbar nach der Geburt koumlnnen Neugeborene mit Choanalatresie oder Pierre-Robin-Sequenz (Mikrognathie Glossophtose Gaumenspalte) kein adaumlquates Atemzugvolumen aufbauen ( Abb 743) Diese bedrohliche Situation ist durch Einfuumlhren eines passenden Guedel-Tubus haumlufig akut zu beheben Die Bauchlage kann das Zuruumlckfallen der Zunge bei Neuge-borenen mit Pierre-Robin- Sequenz haumlufig verhindern und die Luftnotsymptomatik verbessern Eine fruumlhe individuelle kiefer-orthopaumldische Behandlung kann mit Hilfe einer Gaumenplatte und einem integrierten pharyngealen Sporn der das Zuruumlckfallen der Zunge verhindert langfristig zu einer Ausheilung der Fehl-bildung fuumlhren

Larynx- und Trachealatresien verlaufen meistens letal Der kon-genitale laryngeale Stridor auf dem Boden einer Laryngomalazie heilt bei den meisten Kindern im Verlauf des ersten Lebensjahres aus Schwieriger gestaltet sich die Behandlung einer kongenitalen oder haumlufig durch prolongierte Intubation oder Intubationsschaumlden erworbenen subglottischen Stenose Bei dieser Problematik koumln-nen langwierige tracheale Dilatationen Lasertherapien oder auch laryngotracheale Rekonstruktionen angezeigt sein

Abb 742 Linksseitig ausgepraumlgter Pleuraerguss mit Mediastinalverla-gerung nach rechts Durch Punktion Nachweis von lt90 mononukleaumlren Zellen (Lymphozyten) Diagnose linksseitiger Chylothorax

716778 middot Bluterkrankungen

78 Bluterkrankungen

781 Fetale Erythropoese

kPhysiologische BesonderheitenDie Erythropoese die am 20 Gestationstag beginnt findet in der Fetalzeit uumlberwiegend in Leber und Milz statt Erst im letzten Trime-non wird das Knochenmark zum Hauptbildungsort der Erythropo-ese Die Haumlmoglobinkonzentration steigt von 8ndash10 gdl im Alter von 12 Gestationswochen auf 165ndash20 gdl im Alter von 40 Gesta-tionswochen an Nach einem kurzen postnatalen Anstieg der Hauml-moglobinkonzentration innerhalb von 6ndash12 Lebensstunden faumlllt sie kontinuierlich auf 10 gdl im Alter von 3ndash6 Monaten ab Fruumlhgebo-rene unterhalb der 32 Gestationswoche haben niedrigere Ausgangs-haumlmoglobinkonzentrationen und erfahren einen schnelleren Abfall der Haumlmoglobinkonzentration der Tiefpunkt ist 1ndash2 Monate nach der Geburt erreicht Waumlhrend dieser physiologischen Anaumlmisie-rung laumlsst sich kaum Erythropoetin im Plasma nachweisen

kBesonderheiten fetaler ErythrozytenFetale und neonatale Erythrozyten weisen eine kuumlrzere Uumlberlebens-zeit (70ndash90 Tage) und ein groumlszligeres mittleres korpuskulaumlres Volu-men auf (MCV 110ndash120 fl) als Erythrozyten Erwachsener In den ersten Tagen nach der Geburt besteht in der Regel eine Retikulozy-tose von 50ndash120permil Die Erythrozyten enthalten uumlberwiegend feta-les Haumlmoglobin F das aus 2 α-Ketten und 2 γ-Ketten besteht Un-mittelbar vor der Geburt setzt bei einem reifen Neugeborenen die Synthese von β-Haumlmoglobinketten und damit adultem Haumlmoglobin ein (2 α-Ketten und 2 β-Ketten) Zum Zeitpunkt der Geburt haben die Erythrozyten reifer Neugeborener 60ndash90 fetales Haumlmoglobin diese Konzentration sinkt bis zum Alter von 4 Monaten auf lt5 ab

Das Blutvolumen reifer Neugeborener betraumlgt ungefaumlhr 85 mlkg KG Plazenta und Nabelgefaumlszlige enthalten ca 20ndash30 mlkg Blut

Eine spaumlte Abnabelung kann zu voruumlbergehendem Anstieg des neonatalen Blutvolumens fuumlhren (7 Abschn 784) eine zu fruumlhe Ab-nabelung zur Anaumlmie

gt Um diese Komplikationen zu vermeiden sollte die Abnabelung ca 60 s nach der Geburt erfolgen

782 Neonatale Anaumlmie

kDefinitionEine Anaumlmie Neugeborener ist durch Haumlmoglobinkonzentrationen (Hb) lt14 gdl sowie einen Haumlmatokrit (Hkt) von lt40 charakterisiert

kAumltiologieSie kann durch akuten oder chronischen Blutverlust eine ver-minderte Bildung sowie durch eine immunologisch vermittelte oder nichtimmunologisch bedingte Haumlmolyse der Erythrozyten verur-sacht sein ( Tab 710)

Nach einem akuten Blutungsereignis sind die Haumlmoglobin-konzentration und der Haumlmatokrit Fruumlh- und Neugeborener haumlufig normal und fallen erst im Rahmen der Haumlmodilution kontinuierlich ab Das zirkulierende Blutvolumen kann jedoch bereits waumlhrend der Blutungsereignisse bedrohlich vermindert sein Ein chronischer Blutverlust kann u a durch fetomaternale Transfusion zustande kommen die bei ca 50 aller Schwangerschaften beobachtet wird der fetale Blutverlust kann erheblich sein Die Diagnose einer feto-maternalen Transfusion wird durch den Nachweis von HbF-halti-gen kindlichen Erythrozyten im muumltterlichen Blut erbracht

kKlinikLeitsymptome der akuten Blutungsanaumlmie sind Blaumlsse Tachykar-die schwache oder nicht tastbare periphere Pulse Hypotension Tachypnoe und bei massivem Blutverlust Schnappatmung und Schock Die klinischen Symptome bei chronischem Blutverlust sind Blaumlsse bei erhaltener Vitalitaumlt Tachykardie und normaler Blutdruck Haumlufig besteht eine Herzinsuffizienz mit Hepatomegalie Die gele-gentlich nachweisbare Splenomegalie ist Ausdruck der extramedul-laumlren Blutbildung Selten entwickelt sich ein Hydrops fetalis Eine neonatale Anaumlmie die durch eine verminderte Bildung von Eryth-rozyten verursacht wird wie z B bei Blackfan-Diamond-Anaumlmie ist durch niedrige Retikulozytenzahlen und Fehlen von Erythrozy-tenvorstufen im Knochenmark charakterisiert Haumlufigste Ursachen fuumlr eine immunologisch vermittelte Haumlmolyse bei Neugeborenen sind Inkompatibilitaumlten zwischen muumltterlicher und kindlicher Blut-gruppe (s Rh-Erythroblastose AB0-Erythroblastose etc) Nichtim-munologische Erkrankungen die mit einer Haumlmolyse einhergehen sind Defekte der Erythrozytenmembran (hereditaumlre Sphaumlrozytose) Erythrozytenenzymdefekte (Glukose-6-Phosphatdehydrogenase- und Pyruvatkinasemangel) seltene Haumlmoglobinopathien sowie die α-Thalassaumlmie

Abb 743 3 Wochen altes Neugeborenes mit Pierre-Robin-Sequenz Aus-gepraumlgte Mikrognathie und Retrogenie mit rezidivierenden Episoden akuter Atemwegsobstruktion durch Glossophtose Nach Anpassung einer speziel-len Gaumenplatte mit distalem Sporn keine weiteren Hypoxieepisoden

Tab 710 Aumltiologie der neonatalen Anaumlmie

Blutverlust Verminderte Blutbildung

Haumlmolyse

Fetomaternale BlutungPlazenta praumlviaVorzeitige PlazentaloumlsungFetofetale TransfusionNabelschnureinrissVasa praeviaNeonatale Blutung intrakraniell gastro-intestinal u a

Konnatale und perinatale InfektionenBlackfan-Diamond-AnaumlmieKonnatale LeukaumlmieFruumlhgeborenen-anaumlmie

Rh-ErythroblastoseAB0-ErythroblastoseAndere Blutgruppen-inkompatibilitaumltenErythrozyten-membran defekteErythrozytenenzym-defekteSelten Haumlmoglobinopathien

Kapitel 7 middot Neonatologie168

7 kTherapie

gt Neugeborene mit ausgepraumlgtem akutem Blutverlust (hauml-morrhagischer Schock raquoweiszlige Asphyxielaquo) werden notfall-maumlszligig mit 0 Rh-negativem Erythrozytenkonzentrat ohne vorherige Kreuzprobe transfundiert (Hepatitis B Anti-HCV TPHA (Lues) CMV HIV negativ)

Bei allen anderen Indikationen ist vor der Transfusion eine kindliche Blutgruppenbestimmung und Kreuzprobe durchzufuumlhren Bei Verdacht auf Stoumlrung der Erythropoese und haumlmolytische Anaumlmien ist vor Gabe von Blutprodukten kindliches Blut fuumlr die entsprechen-de Spezialdiagnostik abzunehmen (s Rh-Erythroblastose u a)

783 Anaumlmie Fruumlhgeborener

Ein besonderes klinisches Problem stellt die Anaumlmie Fruumlhgeborener dar Die meisten sehr kleinen Fruumlhgeborenen entwickeln bereits waumlhrend der ersten Lebenswochen eine mehr oder weniger ausge-praumlgte Anaumlmie Eine Reihe von Faktoren sind fuumlr die Entstehung der Anaumlmie Fruumlhgeborener verantwortlich u a ein Erythropoetin-mangel der zu einer inadaumlquaten Erythropoese fuumlhrt sowie repeti-tive diagnostische Blutentnahmen Seltener entwickelt sich eine haumlmolytische Anaumlmie durch Vitamin-E-Mangel oder im Verlauf systemischer Infektionen

Bei klinischen Zeichen einer akuten oder chronischen Anaumlmie oder Hinweisen auf eine haumlmodynamisch signifikante Hypovolaumlmie ist eine Transfusion mit bestrahltem CMV-negativen Erythrozyten-konzentrat unabdingbar Eine Erythropoetintherapie kann wie in mehreren randomisierten und kontrollierten Studien belegt die Spaumltanaumlmisierung Fruumlhgeborener zu einem gewissen Grad verhin-dern Da noch eine Reihe klinisch relevanter Fragen der Erythropo-etinsubstitution ungeklaumlrt sind (optimaler Zeitpunkt des Behand-lungsbeginns Dosis Therapiedauer optimale Eisensubstitution u a) kann diese Therapie allerdings nicht als Standardtherapie empfohlen werden

784 Polyzythaumlmie Hyperviskositaumltssyndrom

kDefinitionUnter einer Polyzythaumlmie (Synonym neonatale Polyglobulie) wird ein venoumlser Haumlmatokrit gt65 (Haumlmoglobin gt22 gdl) verstanden der unter dem Bild eines Hyperviskositaumltssyndroms zu einem An-

stieg der Blutviskositaumlt zur vaskulaumlren Stase mit Mikrothrombosie-rung zu Hypoperfusion und Ischaumlmie von Organen fuumlhren kann

kAumltiologieEtwa 3ndash5 aller Neugeborenen weisen nach der Geburt einen Hkt gt65 auf Risikokollektive sind reife oder postmature hypotrophe Neugeborene (intrauterine Wachstumsretardierung chronische fe-tale Hypoxie) Patienten nach fetofetaler oder maternofetaler Trans-fusion Neugeborene nach spaumlter Abnabelung Kinder diabetischer Muumltter Nikotinabusus waumlhrend der Schwangerschaft Neugeborene mit Hyperthyreose oder Kinder mit angeborenen Erkrankungen (adrenogenitales Syndrom Trisomie 21 Beckwith-Wiedemann-Syndrom) Bei einem Haumlmatokrit von gt65 steigt die Blutviskositaumlt exponenziell an

kKlinikDie klinische Symptomatik ist auszligerordentlich vielfaumlltig und reflek-tiert die Mikrozirkulationsstoumlrungen und manifesten Durchblu-tungsstoumlrungen der betroffenen Organsysteme Die Neugebore-nen fallen haumlufig durch ihr plethorisches oder auch blass-graues Hautkolorit und eine Belastungszyanose auf Daneben finden sich Hyperexzitabilitaumlt Myoklonien Hypotonie Lethargie und zerebrale Krampfanfaumllle Bei einigen Kindern steht die kardiopulmonale so-wie renale Symptomatik im Vordergrund Atemnotsyndrom per-sistierende pulmonale Hypertonie mit PFC-Syndrom Herzinsuffi-zienz Oligurie Haumlmaturie und Nierenversagen Die Neugeborenen koumlnnen foudroyante Verlaufsformen einer nekrotisierenden Ente-rokolitis sowie einen Ileus entwickeln Daneben treten zum Teil gra-vierende Thrombozytopenien Hypoglykaumlmien Hypokalzaumlmien und ausgepraumlgte Hyperbilirubinaumlmien auf

kTherapieBeim Auftreten erster Symptome muss unverzuumlglich eine partielle modifizierte Austauschtransfusion durchgefuumlhrt werden Zur Sen-kung des Hkt auf 55 wird kindliches Blut gegen Plasma oder eine Albuminloumlsung simultan ausgetauscht (Haumlmodilution)

785 Icterus neonatorum und Hyperbilirubinaumlmie

Bilirubinstoffwechsel Durch den Abbau von Haumlmoglobin ( Bili-verdin) im retikuloendothelialen System entsteht wasser un loumlsliches unkonjugiertes Bilirubin ① Aus 1 g Haumlmoglobin werden ca 35 mg

Abb 744 Schematische Darstellung des Bilirubinstoffwechsels (ER endoplasmatisches Retikulum GK Gallenkapillare Erlaumluterungen s Text)

716978 middot Bluterkrankungen

Bilirubin gebildet Im Blut bindet sich das unkonjugierte Bilirubin an Albumin Man geht davon aus dass Albumin eine primaumlre und sekundaumlre Bindungsstelle mit unterschiedlicher Affinitaumlt fuumlr Biliru-bin besitzt Nach Transport zur Leberzelle dissoziiert das Bilirubin vom Albumin und wird aktiv mit Hilfe der Transportproteine Y und Z (Ligandine) in das Zellinnere geschleust ② Dort erfolgt die Kon-jugation durch die UDP-Glukuronyltransferase ③ das an Uridin- 5ʹ-di-Phosphat-Glukuronsaumlure gekoppelte Bilirubin ist wasserloumls-lich und wird uumlber das biliaumlre System in den Darm ausgeschieden (④ Abb 744)

Besonderheiten beim Neugeborenen Der Bilirubinstoffwechsel des Neugeborenen weist im Vergleich zum Erwachsenen einige Be-sonderheiten auf die die Entstehung des physiologischen Neugebo-renenikterus erklaumlren 4 eine 2- bis 3-fach houmlhere Bilirubinproduktion bedingt durch

die houmlhere Erythrozytenzahl und Haumlmoglobinkonzentration 4 die verkuumlrzte Erythrozytenuumlberlebenszeit (Neugeborene

70ndash90 Tage Erwachsene 120 Tage) 4 die Hydrolyse des in den Darm gelangten glukuronidierten

Bilirubins durch intestinale Glukuronidasen und vermehrte Ruumlckresorption des Bilirubins aus dem Darm (raquoenterohepati-scher Kreislauflaquo)

Dieser Vorgang wird durch eine verzoumlgerte Darmpassage des mekoniumhaltigen Darms und die fehlende intestinale Kolonisation mit Bakterien die Bilirubin in Urobilinogen und Sterkobilinogen umwandeln verstaumlrkt Weiterhin besteht eine relative Defizienz der hepatischen Transportproteine Y und Z sowie der Glukuronyl-transferaseaktivitaumlt Die Bindungskapazitaumlt des Albumins wird nicht nur von der Gesamtkonzentration des Transporteiweiszliges be-stimmt sondern auch von im Blut vorhandenen Faktoren die mit Bilirubin um die Albuminbindungsstellen konkurrieren Zu diesen Substanzen die zu einer Verdraumlngung des Bilirubins aus der Albu-minbindung fuumlhren koumlnnen gehoumlren freie Fettsaumluren Steroid-hormone und Medikamente (Sulfonamide Salizylate u a) eine verminderte Bindungsaffinitaumlt des Albuminmolekuumlls wird bei Azidose beobachtet

786 Physiologischer Ikterus

kKlinikUnter normalen Bedingungen betraumlgt der Bilirubinspiegel im Nabel-schnurblut 1ndash3 mgdl Vor dem Hintergrund der Besonderheiten des Bilirubinstoffwechsels entwickeln mehr als die Haumllfte aller reifen Neugeborenen und nahezu 80 aller Fruumlhgeborenen 2ndash3 Tage nach der Geburt einen physiologischen Ikterus der am 4ndash5 Le-benstag seinen Houmlhepunkt erreicht und dann langsam abklingt Bis zu 7 aller Neugeborenen haben maximale indirekte Bilirubin-spiegel von mehr als 13 mgdl und nahezu 3 von mehr als 15 mgdl Bei diesen Kindern findet man haumlufig eine Reihe von Risikofaktoren ethnische Zugehoumlrigkeit (Chinesen Koreaner Japa-ner) Houmlhe uumlber Meeresspiegel Polyzythaumlmie maumlnnliches Ge-schlecht Muttermilchernaumlhrung starker Gewichtsverlust verzoumlger-te Stuhlentleerung u a Der Ikterus faumlllt in der Regel bei Bilirubin-konzentrationen von 5 mgdl zuerst im Gesicht auf und breitet sich dann kaudal aus die Kinder sind nicht beeintraumlchtigt Bei Fruumlhge-borenen kann der Ikterus ausgepraumlgter sein das Maximum des Bilirubinanstieges tritt spaumlter auf und der Ikterus haumllt laumlnger an Viele Neugeborene erreichen nach ca 14 Tagen mit Erwachsenen vergleichbare Serumbilirubinspiegel

kTherapieDie meisten Neugeborenen mit physiologischem Ikterus beduumlrfen keiner speziellen Behandlung Eine Phototherapie ist nur bei Uumlber-schreiten eines festgelegten Grenzwertes indiziert

Phototherapie Durch sichtbares Licht (Wellenlaumlnge 425ndash475 nm) wird das in der Haut vorhandene Bilirubin zu nichttoxischen Biliru-binisomeren umgeformt diese wasserloumlslichen Substanzen koumlnnen ohne Glukuronidierung mit der Galle und dem Urin ausgeschieden werden Eine optimale Isomerisierung des Bilirubins findet im Be-reich des normalen Adsorptionsspektrums statt blaues Licht mit einer Wellenlaumlnge von 445 nm ist daher besonders zur Behandlung der Hyperbilirubinaumlmie geeignet Bei reifen Neugeborenen mit phy-siologischem Ikterus ohne weitere Risikofaktoren sollte eine Photo-therapie nach dem 3 Lebenstag erst bei Bilirubinserumspiegeln von gt16 mgdl begonnen werden Neuere deutschsprachige Richt-linien setzen die Behandlungsgrenze in dieser Patientengruppe bei 18 mgdl an

Durch kritiklose Anwendung von speziell fuumlr haumlmolytische Er-krankungen erstellte Therapieschemata werden zu viele Neugebore-ne ohne klare Indikationsstellung einer Phototherapie unterzogen Nebenwirkungen dieser Therapie sind Diarrhouml vermehrter Fluumlssig-keitsverlust Temperaturinstabilitaumlt und Dehydratation

Durch das blaue Licht der Phototherapielampe ist die Hautfarbe des Neugeborenen nicht mehr zu beurteilen bedrohliche klinische Veraumlnderungen und Erkrankungen (u a neonatale Infektion) wer-den moumlglicherweise trotz einer Monitoruumlberwachung zu spaumlt er-kannt Die Neugeborenen muumlssen daher regelmaumlszligig klinisch unter-sucht werden ( Abb 745)

CaveDie zum Schutz von potenziellen Retinaschaumlden zu applizierenden Schutzbrillen koumlnnen zur Verlegung der Nasenwege fuumlhren

787 Muttermilchikterus

kAumltiologieEin laumlnger bekanntes Phaumlnomen ist der deutliche Anstieg des un-konjugierten indirekten Bilirubins unter Muttermilchernaumlhrung Obwohl die exakte Ursache dieser Ikterusform bis heute nicht ge-klaumlrt ist wird vermutet dass entweder Pregnandiol oder nicht ver-

Abb 745 Neugeborenes mit Hyperbilirubinaumlmie waumlhrend einer Photo-therapie mit blauem Licht

Kapitel 7 middot Neonatologie170

7

esterte langkettige Fettsaumluren die konjugierende Aktivitaumlt der hepa-tischen Glukuronyltransferase kompetitiv hemmen Erst vor Kur-zem wurde eine erhoumlhte Aktivitaumlt von β-Glukuronidase in der Mut-termilch nachgewiesen ein erhoumlhtes enterohepatisches raquoRecyclinglaquo koumlnnte ebenfalls die erhoumlhten Bilirubinkonzentrationen erklaumlren

kVerlauf TherapieMit Muttermilch ernaumlhrte Neugeborene haben im Vergleich zu mit Formula ernaumlhrten Kindern haumlufiger houmlhere Bilirubinspiegel thera-peutische Konsequenzen ergeben sich bei den meisten Neugebore-nen nicht Allerdings entwickelt 1 von 200 mit Muttermilch ernaumlhr-ten Neugeborenen zwischen dem 4ndash7 Lebenstag einen deutlichen Anstieg der Bilirubinkonzentration das Maximum wurde bei eini-gen Neugeborenen erst in der 3 Lebenswoche erreicht Nur wenige Neugeborene mit Muttermilchikterus sind mit Phototherapie zu behandeln ein Unterbrechen des Stillens ist in der Regel nicht ange-zeigt

788 Ikterus bei Fruumlhgeborenen

kAumltiopathogeneseEine Reihe von Beobachtungen deuten darauf hin dass sehr kranke kleine Fruumlhgeborene besonders gefaumlhrdet sind eine Bilirubinenze-phalopathie zu entwickeln Die Albuminkonzentrationen sind im Vergleich zu reifen Neugeborenen haumlufig deutlich erniedrigt ver-schiedene Faktoren wie Azidose erhoumlhte Freisetzung von Fettsaumluren waumlhrend einer Hypothermie und Hypoglykaumlmie interferieren mit der Bilirubin-Albumin-Bindung Im Rahmen verschiedener Grund-erkrankungen Fruumlhgeborener kann eine erhoumlhte Permeabilitaumlt der Hirngefaumlszlige zu einem vermehrten Uumlbertritt des Bilirubins in das Hirngewebe fuumlhren Langsamer intestinaler Transport und Nah-rungsaufbau sowie verzoumlgerter Mekoniumabgang koumlnnen zu einem Bilirubinanstieg beitragen

kTherapieEine Phototherapie muss bei Fruumlhgeborenen bereits bei niedrigeren Bilirubinspiegeln als bei Neugeborenen eingeleitet werden Die differenzierten Indikationen sind in den Lehrbuumlchern der Neonato-logie dargestellt

789 Pathologische Hyperbilirubinaumlmie

kAumltiopathogeneseNeben Erkrankungen die mit einer gesteigerten Haumlmolyse ein-hergehen koumlnnen pathologische Erhoumlhungen des indirekten Biliru-bins bei angeborenen Defekten der Glukuronidierung bei erhoumlhtem Bilirubinanfall durch vermehrten Erythrozytenabbau sowie durch eine vermehrte enterale Ruumlckresorption von Bilirubin erfolgen

Aumltiologie der indirekten Hyperbilirubinaumlmie (Erhoumlhung des unkonjugierten Bilirubins)

4 Gesteigerte Haumlmolyse ndash Blutgruppeninkompatibilitaumlt

ndash Rh AB0 Kell Duffy u a ndash Neonatale Infektionen

ndash Bakteriell ndash Viral

ndash Genetisch bedingte haumlmolytische Anaumlmien ndash Enzymdefekte Glukose-6-Phosphatdehydrogenase

Pyruvatkinase ndash Membrandefekte Sphaumlrozytose u a ndash Haumlmoglobinopathien (homozygote a-Thalassaumlmie)

4 Keine Haumlmolyse ndash Verminderte Bilirubinkonjugation

ndash Physiologischer Ikterus ndash Muttermilchikterus ndash Kinder diabetischer Muumltter ndash Crigler-Najjar-Syndrom (genetisch bedingter

Glukuronyltransferasemangel) ndash Gilbert-Meulengracht-Syndrom (verminderte Bilirubin-

aufnahme in Leberzelle) ndash Hypothyreose ndash Medikamente (Pregnandiol)

ndash Vermehrter Bilirubinanfall ndash Polyzythaumlmie ndash Organblutungen Haumlmatome

ndash Vermehrte enterale Ruumlckresorption von Bilirubin ndash Intestinale Obstruktion ndash Unzureichende Ernaumlhrung (verminderte Peristaltik)

7810 Morbus haemolyticus neonatorum

kAllgemeine AumltiopathogeneseDie haumlufigsten Ursachen fuumlr einen Morbus haemolyticus neonato-rum sind Blutgruppenunvertraumlglichkeiten zwischen Mutter und Fetus die Rhesus-Inkompatibilitaumlt (Rh) die AB0-Erythroblastose und seltene Unvertraumlglichkeiten gegen andere erythrozytaumlre Antige-ne (Kell Duffy u a) Durch Uumlbertritt von fetalen inkompatiblen Erythrozyten waumlhrend der Schwangerschaft oder vorherige Transfu-sion mit nicht blutgruppengleichen Erythrozyten (Sensibilisierung) reagiert das muumltterliche Immunsystem mit der Bildung spezifischer IgG-Antikoumlrper Diese Immunglobuline sind plazentagaumlngig und binden sich nach Uumlbertritt auf das Kind an spezifische Antigen-strukturen fetaler Erythrozyten Die Folge ist ein vorzeitiger und vermehrter Abbau der fetalen Erythrozyten der Fetus beantwortet diese In-utero-Haumlmolyse mit einer Steigerung vorwiegend der extramedullaumlren Blutbildung (Leber Milz) es gelangen unreife Erythrozyten (Erythroblasten) in die kindliche Blutbahn Das durch die gesteigerte Haumlmolyse anfallende indirekte Bilirubin wird uumlber die Plazenta transportiert und vom hepatischen Enzymsystem der Mutter glukuronidiert und biliaumlr ausgeschieden selbst bei schwerer fetaler Haumlmolyse sind die kindlichen Bilirubinkonzentrationen int-rauterin kaum erhoumlht

7811 Kernikterus Bilirubinenzephalopathie

kAumltiologieUnkonjugiertes nicht an Albumin gebundenes Bilirubin kann auf-grund seiner lipophilen Eigenschaften leicht in das zentrale Nerven-system eindringen Es inhibiert den neuronalen Metabolismus (eine Hemmung der oxidativen Phosphorylierung) und hinterlaumlsst eine irreversible Schaumldigung im Bereich der Basalganglien des Globus pallidus des Nucleus caudatus (Kernikterus) des Hypothalamus einiger Kerngebiete von Hirnnerven und auch der Groszlighirnrinde ( Abb 746) Bei einer erhoumlhten Permeabilitaumlt der Blut-Hirn-

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717178 middot Bluterkrankungen

Schranke (schwere Anaumlmie Hypoxie Hydrops) kann auch an Albu-min gebundenes Bilirubin in das Hirngewebe uumlbertreten

kPathogeneseDie Entstehung einer Bilirubinenzephalopathie wird von folgenden Faktoren beeinflusst Lebensalter und Reifegrad der Kinder Uumlber-schreiten der Albuminbindungskapazitaumlt durch zu hohe Bilirubin-spiegel Verminderung der Bindungskapazitaumlt bei Hypalbuminaumlmie Verdraumlngung des Bilirubins durch Gallensaumluren freie Fettsaumluren (Hypoglykaumlmie) oder Medikamente und Veraumlnderungen bzw Schaumldigung der Blut-Hirn-Schranke nach Asphyxie Hypoxie neo-nataler Meningitis und anderen Erkrankungen

kKlinikDie Fruumlhsymptome der Bilirubinenzephalopathie sind Apathie Hypotonie Trinkschwaumlche Erbrechen abgeschwaumlchte Neugebore-nenreflexe und schrilles Schreien Danach fallen die Neugeborenen durch eine vorgewoumllbte Fontanelle eine opisthotone Koumlrperhaltung muskulaumlre Hypertonie und zerebrale Krampfanfaumllle auf Uumlberleben-de Kinder weisen haumlufig eine beidseitige Taubheit choreoathetoi-de Bewegungsmuster sowie eine mentale Retardierung auf

kTherapieKeine therapeutische Maszlignahme kann diese irreversible Schaumldi-gung ruumlckgaumlngig machen In der heutigen Zeit sollte diese vermeid-bare Komplikation nicht mehr auftreten Gerade in den westlichen Industrienationen wird aber inzwischen eine zunehmende Anzahl von Kindern beobachtet die an den Folgen einer Bilirubinenzapha-lopathie leiden Ziel aller in der Peri- und Neonatalmedizin taumltigen Aumlrzte Hebammen und Kinderkrankenschwestern muss es sein die Fruumlh- und Neugeborenen mit einem erhoumlhten Risiko fuumlr eine Hy-perbilirubinaumlmie fruumlhzeitig zu identifizieren und einer adaumlquaten Therapie zuzufuumlhren

7812 AB0-Erythroblastose

kEpidemiologieMit einer AB0-Unvertraumlglichkeit ist bei ca 1 von 200 Neugeborenen zu rechnen

kPathogeneseIm Gegensatz zur Rh-Inkompatibilitaumlt tritt die AB0-Erythroblastose haumlufig in der ersten Schwangerschaft auf Muumltter mit der Blutgrup-pe 0 haben natuumlrlich vorkommende Anti-A- und Anti-B-Antikoumlr-per (Isoagglutinine) die zur Gruppe der IgM-Antikoumlrper gehoumlren und deshalb nicht die Plazenta passieren Dennoch bilden einige Schwangere plazentagaumlngige IgG-Antikoumlrper die gegen die kindli-che Blutgruppeneigenschaft A B oder AB gerichtet sind Die muumlt-terliche IgG-Antikoumlrperbildung kann vermutlich durch exogene Ursachen wie z B Darmparasiten stimuliert werden Als weitere Ursache wird der Uumlbertritt kindlicher Erythrozyten in die muumltterli-che Zirkulation vermutet da die Antigenitaumlt der kindlichen Blut-gruppeneigenschaften erst gegen Ende der Schwangerschaft voll ausgebildet ist erklaumlrt sich der im Vergleich zur Rh-Inkompatibilitaumlt milde Verlauf der haumlmolytischen Erkrankung beim ersten Neugebo-renen sowie die Tatsache dass Fruumlhgeborene nur extrem selten an einer AB0-Inkompatibilitaumlt erkranken Der Schweregrad der haumlmo-lytischen Erkrankung Neugeborener nimmt bei nachfolgenden Schwangerschaften in der Regel nicht zu Der Grund liegt vermutlich in einer Suppression der IgG-Antikoumlrperbildung durch die natuumlrlich vorkommenden IgM-Anti-A- oder Anti-B-Antikoumlrper

kKlinikDie Neugeborenen weisen meistens nur eine geringgradige Anaumlmie auf es besteht nur selten eine Hepatosplenomegalie die Kinder entwickeln keinen Hydrops Im peripheren Blut finden sich neben Retikulozyten und Erythroblasten als Ausdruck der gesteigerten Erythropoese Sphaumlrozyten die infolge der komplementvermittelten Haumlmolyse durch Fragmentation entstehen Erkrankte Neugeborene sind lediglich durch die Hyperbilirubinaumlmie und das damit verbun-dene Risiko einer Bilirubinenzephalopathie gefaumlhrdet

kDiagnoseDie wesentlichen diagnostischen Merkmale der AB0-Inkompatibi-litaumlt im Vergleich zur Rh-Inkompatibilitaumlt sind in der Tab 711 zusammengefasst

kTherapieDurch eine rechtzeitig begonnene und konsequent durchgefuumlhrte Phototherapie koumlnnen bei den meisten Kindern kritische Bilirubin-serumkonzentrationen vermieden werden Eine Austauschtrans-fusion ist nur extrem selten durchzufuumlhren Durch zirkulierende Antikoumlrper kann sich in den ersten Lebenswochen eine in der Regel blande verlaufende Anaumlmie entwickeln

7813 Rh-Erythroblastose

kEpidemiologieUngefaumlhr 15 der europaumlischen Bevoumllkerung sind Rh-negativ ca 5 der amerikanischen schwarzen Bevoumllkerung Vor Einfuumlhrung der Anti-D-Prophylaxe betrug die Praumlvalenz der Rh-Inkompatibili-taumlt 45 erkrankte Kinder pro 10000 Lebendgeborene Die Erkran-kungshaumlufigkeit konnte um weit mehr als 90 reduziert werden

kAumltiopathogeneseDas erythrozytaumlre Rhesusantigensystem besteht aus 5 Antigenen C D E c und e d hat keine antigenen Eigenschaften Bei ca 90 der Faumllle von Rhesusinkompatibilitaumlt sensibilisiert das D-Antigen des Fetus die Rh(d)-negative Mutter die in der Folge IgG-Antikoumlrper (Anti-D-Antikoumlrper) bildet Da in der Fruumlhschwangerschaft nur

Abb 746 Charakteristische Bilirubinablagerungen in den Stammgang-lien bei Bilirubinenzephalopathie

Kapitel 7 middot Neonatologie172

7

ausnahmsweise kindliche Erythrozyten in den Kreislauf der Mutter gelangen bildet die Mutter keine oder nur geringe Mengen an Anti-D-Antikoumlrpern Das erste Kind bleibt entweder gesund oder entwi-ckelt nur eine haumlmolytische Anaumlmie undoder Hyperbilirubinaumlmie vorausgesetzt dass eine fruumlhere Sensibilisierung durch Aborte oder Bluttransfusionen ausgeschlossen ist Unter der Geburt und bei der Plazentaloumlsung kann eine groumlszligere Menge kindlicher Erythrozyten in die muumltterliche Blutbahn uumlbertreten Die Rh-Erythroblastose bei unterlassener Rh-Prophylaxe manifestiert sich typischerweise waumlh-rend der 2 und weiteren Schwangerschaften mit zunehmendem Schweregrad der fetalen Erkrankung die in einen Hydrops fetalis einmuumlnden kann

kKlinikIn Abhaumlngigkeit vom Schweregrad der Erkrankung bestehen eine mehr oder weniger ausgepraumlgte Anaumlmie ein Icterus praecox (Ge-samtbilirubin gt7 mgdl innerhalb der ersten 24 Lebensstunden) ein Icterus gravis (Gesamtbilirubin gt15 mgdl bei reifen Neugebore-nen) und als Ausdruck der extramedullaumlren Blutbildung eine Hepa-tosplenomegalie Als Zeichen der gesteigerten Haumlmatopoese sind Erythroblasten und Retikulozyten im peripheren Blut in groszliger Zahl nachweisbar

Hydrops fetalis Bei schwerer fetaler Anaumlmie (Haumlmoglobin lt8 gdl) koumlnnen sich eine intrauterine Hypoxie und Hypoproteinaumlmie infol-ge einer verminderten Albuminsynthese entwickeln Veraumlnderun-gen der Zellpermeabilitaumlt und Verminderungen des onkotischen Drucks fuumlhren zu generalisierten Oumldemen Houmlhlenerguumlssen (Aszi-tes Pleuraerguss Perikarderguss) Hypervolaumlmie und Herzinsuffizi-enz ( Abb 747) Beim generalisierten Hydrops kann bereits ein intrauteriner Fruchttod oder eine irreparable zerebrale Schaumldigung auftreten

kDiagnoseIm Rahmen der Schwangerschaftsvorsorge wird bei allen Frauen im Verlauf der Schwangerschaft nach irregulaumlren Antikoumlrpern gesucht um Inkompatibilitaumlten in Rh- Duffy- Kell- oder anderen Blut-gruppensystemen zu erkennen Mit dem indirekten Coombs-Test werden plazentagaumlngige IgG-Antikoumlrper nachgewiesen Bei vorhan-denen Antikoumlrpern ist eine engmaschige fetale Ultraschalldiag-nostik imperativ Da keine Korrelation zwischen der Houmlhe vorhan-

dener Antikoumlrper und dem Schweregrad der moumlglichen kindlichen Erkrankung besteht ist bei vorhandenen Antikoumlrpern eine sequen-zielle Bestimmung der fetalen zerebralen Durchblutung indiziert Die dopplersonographische Messung der Flussgeschwindigkeit kor-reliert mit dem Grad der Anaumlmisierung Nur noch selten wird eine Fruchtwasseruntersuchung (Amniozentese) zur Bilirubinbestim-mung durchgefuumlhrt Das Ausmaszlig der Haumlmolyse laumlsst sich durch spektrophotometrische Analyse der optischen Dichte (450 nm) des Fruchtwassers ablesen (Liley-Diagramm) Durch Zuordnung in 3 Gefahrenzonen kann der kindliche Zustand beurteilt und ent-sprechende therapeutische Konsequenzen eingeleitet werden

Nach der Geburt sind beim Neugeborenen unverzuumlglich folgen-de Bestimmungen durchzufuumlhren 4 Haumlmoglobinkonzentration 4 Serumbilirubinspiegel 4 Blutgruppenbestimmung 4 Coombs-Test 4 Retikulozytenzahl 4 Blutausstrich

Bei Neugeborenen mit Rh-Erythroblastose ist neben den beschrie-benen haumlmatologischen Auffaumllligkeiten immer ein positiver direk-ter Coombs-Test zu finden (Nachweis von inkompletten an kind-liche Erythrozyten gebundene Antikoumlrper) Unmittelbar nach der Geburt kann die Konzentration des indirekten Bilirubins stark an-steigen es sind daher engstmaschige Bilirubinbestimmungen erfor-derlich

Tab 711 Unterschiede zwischen der Rh- und ABO-Inkompatibilitaumlt

Inkompatibilitaumlt

Rh ABO

Erkrankung bei erster Schwangerschaft Selten Haumlufig

Fruumlhzeitige Anaumlmisierung des Kindes ++ +

Hyperbilirubinaumlmie waumlhrend der ersten 24 h post partum

++ +

Erythroblasten +++ +

Sphaumlrozyten plusmn ++

Retikulozyten ++ + bis ++

Direkter Coombs-Test (Kind) +++ ndash bis +

Indirekter Coombs-Test (Mutter) +++ plusmn

Abb 747a b Fruumlhgeborenes der 35 Gestationswoche mit Hydrops fetalis bei Erythroblastosis fetalis Uumlbersicht (a) deutliche Oumldeme der linken unteren Extremitaumlt (b) Neben generalisierten Oumldemen wies das Fruumlhge-borene einen ausgepraumlgten Aszites sowie beidseitige Pleuraerguumlsse auf

a

b

717378 middot Bluterkrankungen

kTherapieIntrauterine Therapie des Feten Bei ausgepraumlgter fetaler Anaumlmie ist eine intrauterine Transfusion in die kindliche Bauchhoumlhle oder neuerdings durch Kordozentese in die Nabelvene erforderlich bei ersten Zeichen eines Hydrops fetalis ist eine vorzeitige Beendigung der Schwangerschaft durch Sectio caesarea notwendig

Phototherapie Bei leichten Verlaumlufen (einer Rh-Inkompatibilitaumlt) kann eine Phototherapie unter Umstaumlnden in 2 Ebenen zur Behand-lung der Hyperbilirubinaumlmie ausreichen Die Indikation fuumlr den Beginn einer Phototherapie haumlngt vom Gestationsalter Lebensalter Houmlhe der Bilirubinkonzentration Dynamik des Bilirubinanstieges von dem Ausmaszlig der Anaumlmie und anderen Risikofaktoren ab

Austauschtransfusion Zur Vermeidung der Bilirubinenzephalopa-thie wird nach wie vor eine Austauschtransfusion reifer Neugebo-rener bei Bilirubinserumkonzentrationen gt20 mgdl empfohlen bei schweren Grunderkrankungen (Asphyxie neonatale Sepsis haumlmo-lytische Anaumlmie u a) sowie einer Hyperbilirubinaumlmie in den ersten 3 Lebenstagen liegt die Austauschgrenze in dieser Gruppe niedriger Fuumlr Fruumlhgeborene gelten besondere Austauschgrenzen (Fruumlhge-borene mit einem Gewicht von gt1500 g gt15 mgdl Fruumlhgeborene gt1000 g gt10 mgdl) Der Blutaustausch erfolgt mit kompatiblem Spendervollblut in 5ndash20-ml-Portionen uumlber einen liegenden Nabel-venenkatheter durch diese Maszlignahme wird das 2- bis 3fache Blut-volumen eines Neugeborenen ausgetauscht d h ca 90 der kind-lichen Erythrozyten werden neben muumltterlichen Antikoumlrpern und verfuumlgbarem Bilirubin eliminiert Als Komplikationen der Blut-austauschtransfusion koumlnnen Infektionen (u a Sepsis) Katheter-perforation Pfortaderthrombose Hypotension Azidose nekrotisie-rende Enterokolitis und Elektrolytentgleisungen auftreten Nach ei-nem Blutaustausch besteht haumlufig eine Anaumlmie und Thrombozyto-penie durch eine zusaumltzliche kontinuierlich durchgefuumlhrte Phototherapie kann die Zahl von mehrfachen Austauschtransfusio-nen gesenkt werden

kPraumlventionDurch Gabe eines Anti-D-Immunglobulins innerhalb von 72 h nach der Geburt kann die Sensibilisierung einer Rh-negativen Mutter durch die Rh-positiven fetalen Erythrozyten haumlufig vermieden wer-den Die Anti-D-Prophylaxe muss bei Rh-negativen Frauen auch nach Aborten Amniozentesen oder unsachgemaumlszliger Transfusion mit Rh-positivem Blut durchgefuumlhrt werden

gt In der ersten Schwangerschaft kann eine maternale Im-munglobulinprophylaxe in der 28 Gestationswoche und unmittelbar postnatal die Sensibilisierung auf weniger als 1 reduzieren

Nach bisherigen Kenntnissen scheint die im letzten Trimenon durchgefuumlhrte Anti-D-Prophylaxe beim Neugeborenen keine kli-nisch signifikante Haumlmolyse auszuloumlsen

kPrognoseTrotz adaumlquater Initialbehandlung entwickeln die Kinder aufgrund der noch vorhandenen Anti-D-Antikoumlrper haumlufig eine uumlber mehrere Wochen anhaltende Spaumltanaumlmie Bei erhoumlhten Retikulozytenzahlen und asymptomatischem Kind ist keine weitere Therapie notwendig Stellen sich eine persistierende Tachykardie sowie andere Zeichen der chronischen Anaumlmie ein so ist eine weitere Transfusion in-diziert Selten wird eine Pfortaderthrombose nach Austauschtrans-fusion beobachtet diese schwerwiegende Komplikation ist thera-peutisch nicht zu beeinflussen

7814 Weitere haumlmolytische Erkrankungen

Blutgruppenunvertraumlglichkeiten gegen andere Erythrozytenanti-gene [c E Kell (K) Duffy u a] sind fuumlr weniger als 5 aller haumlmo-lytischen Erkrankungen der Neonatalperiode verantwortlich Der direkte Coombs-Test ist bei diesen Unvertraumlglichkeiten immer posi-tiv Kongenitale Infektionen mit verschiedenen Erregern sowie neo-natale Infektionen koumlnnen eine nichtimmunologische Haumlmolyse induzieren Die homozygote α-Thalassaumlmie kann sich ebenfalls un-ter dem Bild einer schweren haumlmolytischen Anaumlmie mit Hydrops fetalis praumlsentieren auch bei dieser und den folgenden Erkrankun-gen ist der direkte Coombs-Test negativ Haumlmolytische Anaumlmie und ausgepraumlgte Hyperbilirubinaumlmie mit Gefahr der Bilirubinenzepha-lopathie werden bei Neugeborenen mit hereditaumlrer Sphaumlrozytose oder angeborenen Enzymdefekten wie dem Pyruvatkinase- oder Glukose-6-Phosphatdehydrogenasemangel beobachtet

7815 Direkte Hyperbilirubinaumlmie

Eine direkte Hyperbilirubinaumlmie (direktes konjugiertes Bilirubin gt2 mgdl) wird bei einer Reihe angeborener und erworbener hepa-tischer sowie extrahepatischer Erkrankungen gefunden Groumlszligere Schwierigkeiten bereitet es die extrahepatische Gallengangsatresie von der neonatalen Hepatitis abzugrenzen Bei einigen Kindern konn-te inzwischen belegt werden dass eine Hepatitis der Entwicklung einer Gallengangsatresie vorausging Eine nicht unerhebliche Anzahl Neu-geborener mit prolongierter direkter Hyperbilirubinaumlmie hat als Grund erkrankung einen α1-Antitrypsinmangel (α1-Proteinase-In-hibitor) Ebenso wird ein cholestatischer passagerer Ikterus haumlufig bei Fruumlh- und Neugeborenen beobachtet die eine langzeitige parenterale Ernaumlhrung erhalten Als Ursache wird weniger die Infusion mit Lipi-den als die Gabe bestimmter Aminosaumluren vermutet

Aumltiologie der direkten Hyperbilirubinaumlmie (Erhoumlhung des konjugierten Bilirubins)

4 Intrahepatische Cholestase ndash Neonatale Hepatitis (B) ndash Perinatale Infektionen (CMV u a) ndash Syndrom der eingedickten Galle ndash Parenterale Ernaumlhrung ndash α1-Antitrypsinmangel (= α1-Proteinasemangel) ndash Galaktosaumlmie Tyrosinose ndash Intrahepatische Gallengangshypoplasie (Alagille-

Syndrom) 4 Extrahepatische Cholestase

ndash Gallengangsatresie ndash Choledochuszyste ndash Zystische Fibrose (Mukoviszidose)

7816 Weiszliges Blutbild Neugeborener

Die peripheren Gesamtleukozytenzahlen sowie die Verteilung der einzelnen Leukozytensubpopulationen unterscheiden sich waumlhrend der Neonatalperiode deutlich von denen spaumlterer Lebensalter Im Zusammenhang mit dem Geburtsvorgang werden physiologischer-weise die Knochenmarksreserven der Fruumlh- und Neugeborenen mobilisiert d h die Zahl unreifer und reifer Granulozyten steigt in der Peripherie an Das Maximum der Granulozytose ist 12 h post

Kapitel 7 middot Neonatologie174

7partum erreicht im Verlauf der ersten 3 Lebenstage faumlllt die Zellzahl kontinuierlich ab Eine stabile obere Normgrenze findet sich vom 5 Lebenstag an In Abb 748 sind die Gesamtzahl der neutrophilen Granulozyten und der unreifen Granulozyten (Stabkernige und ju-gendliche Formen) waumlhrend der Neonatalperiode dargestellt

Erniedrigte Gesamtzahlen der neutrophilen Granulozyten werden nach muumltterlicher Hypertonie EPH-Gestose und viralen konnatalen Infektionen beobachtet sie sind moumlglicherweise Aus-druck einer verminderten Bildung von Granulozyten im kindlichen Knochenmark Daneben tritt eine Neutrozytopenie haumlufig bei Neu-geborenen mit neonataler Sepsis auf im Verlauf der Erkrankung werden uumlberwiegend periphere neutrophile Granulozyten ver-braucht die Knochenmarkreserven sind durch die geburtsbedingte Mobilisierung der Granulozyten erschoumlpft

Nach Regeneration der Knochenmarksreserven entwickeln Neugeborene die nach dem 3 Lebenstag an einer Sepsis erkranken haumlufig eine Granulozytose In der Regenerationsphase einer neona-talen Infektion kann gelegentlich eine leukaumlmoide Reaktion be o-bachtet werden

7817 Neonatale Thrombozytopenie

kAumltiologieDie wesentlichen maternalen und kindlichen Ursachen und Erkran-kungen die eine neonatale Thrombozytopenie (lt150000 Thrombo-zytenμl) ausloumlsen koumlnnen sind in Tab 712 dargestellt

Maternale Ursachen Im Rahmen einer aktiven idiopatisch throm-bozytopenischen Purpura (ITP) oder eines Lupus erythematodes koumlnnen die maternalen Autoantikoumlrper durch diaplazentaren Uumlber-tritt beim Neugeborenen eine Immunthrombozytopenie induzie-ren Bei Muumlttern die sich gegen Medikamente sensibilisiert haben wurde nach Anlagerung des Antigen(Medikament)-Antikoumlrper-Komplexes an fetale Blutplaumlttchen von der Entwicklung einer Thrombozytopenie berichtet

Kindliche Ursachen Unter den kindlichen Ursachen ist das Wiskott-Aldrich-Syndrom hervorzuheben Aufgrund eines intrinsi-schen Thrombozytendefekts ist die Uumlberlebenszeit der Blutplaumlttchen deutlich vermindert Die Thrombozyten sind bei dieser Erkrankung deutlich kleiner als bei allen anderen Formen der neonatalen Throm-bozytopenie Mithilfe moderner haumlmatologischer Analysegeraumlte soll-te die Diagnose dieser komplexen Immundefizienzerkrankung noch vor Auftreten der typischen Manifestationszeichen gestellt werden

7818 Neonatale Alloimmunthrombozytopenie

kDefinitionBei der neonatalen Alloimmunthrombozytopenie handelt es sich um eine fetomaternale Thrombozyteninkompatibilitaumlt

kPathogeneseKindliche Thrombozyten die spezifische inkompatible Antigene tragen und im Verlauf der Schwangerschaft in den muumltterlichen Blutkreislauf gelangen koumlnnen bei den Muumlttern eine humorale Im-munantwort gegen das fremde Plaumlttchenantigen ausloumlsen die ma-ternalen Thrombozyten weisen dieses Antigenmerkmal nicht auf In der Folge treten die im muumltterlichen Organismus gebildeten IgG-Iso-Antikoumlrper diaplazentar auf das Kind uumlber binden an die kindlichen Thrombozyten und fuumlhren zu einem beschleunigten Abbau der Blutplaumlttchen Die maternalen Thrombozytenzahlen sind normal

kEpidemiologieDie Inzidenz der Alloimmunthrombozytopenie wird mit 12ndash3000 Neugeborenen angegeben Verantwortlich fuumlr die muumltter-liche Sensibilisierung ist in mehr als 75 der Faumllle das plaumlttchenspe-zifische Antigen PLA1 das bereits in der 19 Schwangerschaftswoche von den fetalen Thrombozyten exprimiert wird 98 der Bevoumllke-rung besitzen PLA1-positive Thrombozyten Weitere Plaumlttchenanti-gene fuumlr die Sensibilisierungen beschrieben wurden sind PLA2 PLE1 PLE2 u a Bis zu 15 der betroffenen Neugeborenen koumlnnen an den Folgen einer zu spaumlt erkannten Alloimmunthrombozytope-nie versterben Bei komplikationslosen Verlaumlufen limitiert sich die Krankheit innerhalb der ersten 4ndash6 Lebenswochen durch Elimina-tion der zirkulierenden Antikoumlrper in der Regel von selbst Eine Sen-sibilisierung mit Entwicklung der Thrombozyteninkompatibilitaumlt tritt im Verlauf der 1 Schwangerschaft bei ca 50 der Risikokons-tellationen auf das Wiederholungsrisiko steigt bei weiteren Schwan-gerschaften auf 85 an

kKlinikKlinisch symptomatische Neugeborene mit Alloimmunothrombo-zytopenie fallen durch Petechien Purpura und gelegentlich Schleimhautblutungen auf Neben renalen und gastrointestinalen Blutungen ist die gefuumlrchtete Komplikation eine innerhalb der ersten

Tab 712 Ursachen der neonatalen Thrombozytopenie

Muumltterliche Ursachen Kindliche Ursachen

Idiopathisch thrombozyto-penische Purpura der MutterLupus erythematodes der MutterMedikamente waumlhrend der SchwangerschaftThrombozyten-Inkompatibi-litaumlt Alloimmunthrombozy-topenie

Konnatale Infektionen Toxoplas-mose Roumlteln Zytomegalie Herpes simplex LuesNeonatale Infektionen Sepsis neonatorumDisseminierte intravaskulaumlre Gerinnungsstoumlrung nach Asphyxie Schock etcNekrotisierende EnterokolitisAustauschtransfusionSelten aplastische Anaumlmie kongeni-tale Leukaumlmie Wiskott-Aldrich-Syndrom Riesenhaumlmangiom u aRetardierungPolyzythaumlmie

Abb 748 Gesamtzahl der neutrophilen Granulozyten gesunder Neuge-borener im Verlauf der ersten 28 Lebenstage

717579 middot Nekrotisierende Enterokolitis

Lebenstage auftretende Hirnblutung Einige Neugeborene sind auch bei ausgepraumlgten Thrombozytopenien symptomfrei

kDiagnoseDie Diagnose wird durch Nachweis spezifischer Thrombozyten-merkmale und Antikoumlrpernachweis bei Mutter und Kind gestellt

kTherapieBei Thrombozytenzahlen lt50000μl oder klinischen Blutungs-zeichen ist eine sofortige Transfusion eines kompatiblen Thrombo-zytenkonzentrats angezeigt Ein Problem stellt jedoch die Selektion geeigneter Thrombozytenspender dar da 98 der Bevoumllkerung PLA1-positive Thrombozyten besitzen und somit als Spender aus-scheiden Eine Thrombozytentypisierung potenzieller Spender ist nur in wenigen Blutbanken vorhanden

gt Als idealer Spender kompatibler Thrombozyten kommt daher nur die Mutter in Frage Das Verfahren der Thrombo-zytenisolierung durch Zellseparation wird auch unmittel-bar nach der Geburt von den Muumlttern gut toleriert

Einige Neugeborene sprechen auch auf eine hochdosierte intra-venoumlse Immunglobulintherapie an

Bei erneuter Schwangerschaft einer sensibilisierten Mutter be-steht ein hohes Risiko fuumlr das Kind an einer Alloimmunthrombozy-topenie zu erkranken Der durch Nabelschnurpunktion erfolgte Nachweis einer fetalen Thrombozytopenie kann eine repetitive In-utero-Transfusion von kompatiblen Thrombozyten erfordern Der therapeutische Effekt einer hochdosierten muumltterlichen Thera-pie mit Gammaglobulinpraumlparaten ist aufgrund der unzureichenden Datenlage noch nicht zu beurteilen

7819 Koagulopathien

In der Neonatalperiode werden nicht selten Stoumlrungen der plasma-tischen Blutgerinnung beobachtet sie koumlnnen Ausdruck einer an-geborenen Defizienz an Gerinnungsfaktoren (s Haumlmophilie u a) eines Vitamin-K-Mangels oder einer disseminierten intravasalen Gerinnungsstoumlrung (DIC raquodisseminated intravascular coagulati-onlaquo) sein Neugeborene haben erniedrigte Plasmakonzentrationen nahezu aller Gerinnungsfaktoren besonders die Synthese der vita-min-K-abhaumlngigen Faktoren II VII IX und X ist gestoumlrt Es gibt keinen diaplazentaren Uumlbertritt von Gerinnungsfaktoren

7820 Morbus haemorrhagicus neonatorum (Vitamin-K-Mangel)

kDefinitionDer Morbus haemorrhagicus neonatorum ist eine durch einen Vita-min-K-Mangel ausgeloumlste potenziell lebensbedrohliche Erkrankung die durch praumlventive Vitamin-K-Substitution verhindert werden kann

kEpidemiologieBei ca 1 von 200 Neugeborenen die keine postnatale Vitamin-K-Prophylaxe erhalten haben tritt ein unerwartetes Blutungsereignis innerhalb der ersten Lebenswochen auf

kAumltiologieVitamin K ist fuumlr die hepatische Synthese von Prothrombin Faktor VII IX und X verantwortlich Ein Vitamin-K-Mangel kann sich bei Neugeborenen zu verschiedenen Zeitpunkten manifestieren

Eine am 1 Lebenstag aufgetretene Blutung wird nach muumltter-licher Medikamenteneinnahme beobachtet Phenytoin Phenobar-bital Primidon Salizylate Antikoagulanzien u a beeintraumlchtigen den Vitamin-K-Metabolismus Neugeborener eine muumltterliche Heparinbehandlung dagegen hat keine Auswirkungen auf das kind-liche Gerinnungssystem Die typische Vitamin-K-Mangelblutung des reifen Neugeborenen tritt vom 3ndash7 Lebenstag uumlberwiegend bei mit Muttermilch ernaumlhrten Kindern auf Muttermilch hat nur einen geringen Vitamin-K-Gehalt Bei allen Fruumlh- und Neugeborenen die einer antibiotischen Langzeitbehandlung oder einer parenteralen Ernaumlhrung unterzogen sind koumlnnen sich bei mangelnder Vitamin-K-Substitution im Verlauf der Neonatalperiode bedrohliche Blutun-gen entwickeln Eine Spaumltmanifestation des Vitamin-K-Mangels im Alter von 4ndash12 Wochen kann bei mit Muttermilch ernaumlhrten Saumluglingen besonders aber bei Kindern mit einer Vitamin-K-Malab-sorption auftreten (Mukoviszidose cholestatischer Ikterus u a bei Gallengangsatresie Wachstumshemmung der vitamin-K-produzie-renden intestinalen mikrobiellen Flora durch Antibiotika)

kKlinikEine Vitamin-K-Mangelblutung ist immer dann zu vermuten wenn ein gesund wirkendes Neugeborenes spontane Haumlmorrhagien ent-wickelt Haumlmatemesis gatrointestinale Blutung (Melaena vera) Epi-staxis Nabelschnur- und Hautblutungen intrakranielle Blutung u a

kDifferenzialdiagnoseEine in den ersten Lebenstagen auftretende Haumlmatemesis oder Melaumlna kann auch durch muumltterliches bei der Geburt verschlucktes Blut verursacht sein

gt Mithilfe des Alkaliresistenztests (Apt-Test) kann in kuumlrzester Zeit entschieden werden ob es sich um kind-liches oder muumltterliches Blut handelt

Kindliche Erythrozyten enthalten uumlberwiegend alkaliresistentes Haumlmoglobin F sie werden in einer Loumlsung von 1 Natronlauge nicht denaturiert die Loumlsung bleibt roumltlich gefaumlrbt Die muumltterlichen Haumlmoglobin A enthaltenen Erythrozyten dagegen werden sofort zerstoumlrt die Loumlsung bekommt eine gelblich-braune Farbe

kPraumlvention TherapieBei manifester Vitamin-K-Mangelblutung (Risikopatienten Vita-min-K-Malabsorption) muss unverzuumlglich Vitamin K iv appliziert werden zusaumltzlich kann die Gabe von Frischplasma notwendig sein Houmlhere Dosen von Vitamin K sind bei muumltterlicher Medikamenten-einnahme oder Lebererkrankung des Neugeborenen indiziert Der Verdacht dass intramuskulaumlr injiziertes Vitamin K zu einem er-houmlhten Krebsrisiko bei Kindern fuumlhrt konnte inzwischen eindeutig widerlegt werden

gt Durch routinemaumlszligig prophylaktische Gabe von Vitamin K an alle Neugeborenen unmittelbar post partum sowie am 5 und 28 Lebenstag laumlsst sich ein Morbus haumlmorrhagicus neonatorum vermeiden (jeweils 2 mg Vitamin K oral)

79 Nekrotisierende Enterokolitis

kGrundlagenDie nekrotisierende Enterokolitis (NEC) ist eine akut auftretende inflammatorische Erkrankung des Duumlnn- und Dickdarms welche im Verlauf zu einem septischen Krankheitsbild mit disseminierten Darmnekrosen fuumlhrt Die Ursache ist multifaktoriell Die NEC ist die

Kapitel 7 middot Neonatologie176

7

haumlufigste Ursache gastrointestinaler Notfallsituationen Neugebore-ner vor allem erkranken Fruumlhgeborene mit einem Geburtsgewicht unter 1500 g Neben einzelnen sporadischen Faumlllen wird haumlufig ein gruppenweises Auftreten der Erkrankung beobachtet

kPathogeneseEine Erklaumlrung der Genese der Erkrankung muss folgende Faktoren beruumlcksichtigen 90 der Faumllle treten bei Fruumlhgeborenen auf Fast alle erkrankten Kinder sind oral ernaumlhrt worden Die NEC tritt er-heblich seltener auf bei Ernaumlhrung mit Muttermilch Viele Faumllle tre-ten endemisch auf ohne dass sich oft ein gemeinsamer Erreger iso-lieren laumlsst Es ist somit offensichtlich dass die NEC multifaktoriell verursacht wird Dabei koumlnnen verschiedene pathogenetische Fak-toren identifiziert werden ( Abb 749) 4 Unreife der intestinalen Abwehrmechanismen 4 bakterielle Uumlberwucherung des Darmes 4 orale Ernaumlhrung

Die intestinale Abwehr gegenuumlber pathogenen Erregern ist bei Fruumlhgeborenen beeintraumlchtigt Neben einer verminderten Konzent-ration des sekretorischen IgA auf der Darmschleimhaut finden sich eine geringe Anzahl an intestinalen T-Lymphozyten ein relativ hoher pH-Wert der Magensaumlure und weitere Defizienzen der lokalen Immunitaumlt Die geringe Darmmotilitaumlt beguumlnstigt ebenfalls die Bak-terienadhaumlsion Die herabgesetzte lokale Immunitaumlt ist einer der wesentlichen pathogenetischen Faktoren der NEC

Die bakterielle Besiedlung des Darmes ist ebenfalls von Bedeu-tung In der Tat lassen sich bei einer NEC haumlufig bakterielle Erreger vor allem gramnegative Keime wie Klebsiella Enterobacter- und Pseudomonas-Spezies oder Escherichia coli aus der Peritonealfluumlssig-keit der Blutkultur oder aus dem Stuhl isolieren Aber auch Infektio-nen mit Staphylokkokus epidermidis oder Rotaviren werden bei einer NEC beobachtet Die Pneumatosis als pathognomonisches Symptom entsteht durch intraluminale Ausbreitung der bakteriellen H2-Bildung im Rahmen der Kohlenhydratvergaumlrung des Darminhalts

Die orale Ernaumlhrung ist ein weiterer pathogenetischer Faktor Eine NEC tritt praktisch nur bei oral ernaumlhrten Neugeborenen auf Eine zu rasche Steigerung der Nahrung (gt20 kalkg KGTag) kann bei der bestehenden Immaturitaumlt des Verdauungsapparats zu einer Verbesserung der Wachstumsbedingungen von Bakterien mit nach-folgender bakterieller Uumlberwucherung fuumlhren Bei Fuumltterung mit Frauenmilch kommt eine NEC seltener vor als bei Ernaumlhrung mit einer Kuhmilchpraumlparation Dieses kann daran liegen dass die lokale Schleimhautabwehr sowie die Verdauung der Nahrung durch Frauenmilch guumlnstig beeinflusst wird

kKlinikKinder mit NEC praumlsentieren sich mit folgenden Symptomen 4 geblaumlhtes meist druckschmerzhaftes Abdomen 4 blutige Stuumlhle 4 Erbrechen Nahrungs- oder Sekretruumlckstau im Magen 4 haumlufig lokalisierte Resistenz im Abdomen 4 livide oder roumltlich verfaumlrbte Bauchhaut 4 bei fortschreitender Erkrankung mit diffuser Peritonitis

gesamte Bauchhaut glaumlnzend und oumldematoumls 4 fehlende Darmgeraumlusche

Neben den lokalen Befunden zeigen die Kinder Symptome einer systemischen Infektion 4 Temperaturinstabilitaumlt 4 Apnoen 4 Muskelhypotonie 4 Hypomotorik bis Lethargie 4 Bei schweren Verlaumlufen zusaumltzlich 4 Hypotension 4 Azidose 4 dissiminierte intravasale Gerinnung mit Thrombozytopenie

Die Erkrankung verlaumluft progressiv klinisch hat sich eine Einteilung in 3 Stadien bewaumlhrt ( Tab 713)

Abb 749 Pathogenetische Faktoren bei der Entstehung der nekrotisierenden Enterokolitis

7177710 middot Fetale und neonatale Infektionen

kLabordiagnostikTypische laborchemische Befunde gibt es nicht sie entsprechen der einer Sepsis (Leukozytose oder Leukozytopenie raquoLinksverschie-bunglaquo im Verlauf erhoumlhte Serumkonzentrationen des C-reaktiven Proteins)

kRoumlntgendiagnostikRadiologisch findet sich in den fruumlhen Stadien der Erkrankung eine lokalisierte oder generalisierte Dilatation von Darmschlingen so-wie eine Verdickung der Darmwand Das typische Symptom einer NEC ist die Pneumatosis intestinalis mit einer perlschnurartigen Ansammlung von Gasblasen in der Darmwand Bei Extension dieser Gasansammlung uumlber die Mesenterialgefaumlszlige in die Lebervenen laumlsst sich intrahepatische Luft nachweisen Eine Perforation des Darms fuumlhrt zum Auftreten freier Luft im Abdomen Das Pneumoperito-neum imponiert in Ruumlckenlage oft als rundliche strahlentranspa-rente Figur in Bauchmitte die Perforation laumlsst sich meist besser bei einer Aufnahme in Linksseitenlage als sichelartige Luftdarstellung uumlber der Leber nachweisen

kTherapieDie Behandlung der NEC haumlngt ab von der Schwere der Erkrankungsbquo Bei Verdacht auf NEC erfolgt eine konservative Behandlung mit Nahrungspause (keine oralen Medikamente) Magenablaufsonde und breiter antibiotischer Therapie Die Fluumlssigkeits- und Elektro-lyttherapie ist von besonderer Bedeutung da es zu erheblichen Ver-lusten von Fluumlssigkeit in den Darm kommen kann (sog dritter Raum) in der Regel ist die Gabe von isotoner Elektrolytloumlsung erforderlich Bei definitiver NEC oder Ileussymptomatik ist unbe-dingt eine Mitbeurteilung des klinischen Befundes durch einen Kinderchirurgen notwendig um eine rechtzeitige Indikation zu ope-rativem Vorgehen stellen zu koumlnnen Eine Operationsindikation ist gegeben bei Perforation klinischen Peritonitissymptomen oder deutlichen Pneumatosiszeichen Ein toxisches Krankheitsbild erfor-dert eine notfallmaumlszligige operative Therapie

710 Fetale und neonatale Infektionen

7101 Besonderheiten des Immunsystems Neugeborener

Waumlhrend der 2 Schwangerschaftshaumllfte entwickelt der Fetus die Faumlhigkeit zur zellulaumlren und humoralen Immunabwehr jedoch ist das Immunsystem des Feten in seiner Aktivitaumlt supprimiert um Abstoszligungsreaktionen zwischen Feten und Mutter zu vermeiden

Die Umstellung des Immunsystems auf die aktive Bekaumlmpfung von invasiven Erregern erfolgt erst postnatal Deshalb sind viele immu-nologische Effektorsysteme beim Neugeborenen und noch ausge-praumlgter beim Fruumlhgeborenen weniger funktionsfaumlhig als beim Er-wachsenen ( Tab 714)

Immunglobuline Fetale B-Lymphozyten sind in der Lage bei intra-uterinen Infektionen IgM-Antikoumlrper zu bilden Die IgG-Antikoumlr-per des Neugeborenen sind dagegen IgG-Antikoumlrper der Mutter die uumlber einen aktiven Transportmechanismus der Plazenta auf das Neugeborenen uumlbertragen werden und ihm den so genannten Nest-schutz vor Infektionen vermitteln Der protektive Effekt von muumltter-lichen IgG-Antikoumlrpern z B gegen β-haumlmolysierende Streptokok-ken der Gruppe B oder Herpes simplex ist eindeutig belegt Dieser transplazentare Transport beginnt mit 20 Schwangerschaftswochen und fuumlhrt zu mit dem Gestationsalter zunehmenden IgG-Konzent-rationen beim Neugeborenen Fruumlhgeborene haben deshalb nur einen ungenuumlgenden Nestschutz IgA passiert die Plazenta nicht und ist beim Neugeborenen nicht nachzuweisen

gt Beim Neugeborenen nachweisbares IgM ist ein Hinweis auf eine intrauterine Infektion da muumltterliche IgM-Anti-koumlrper wegen ihrer Groumlszlige die Plazenta nicht passieren

Komplementsystem Die Serumkonzentrationen der meisten Kom-plementfaktoren und Komplementaktivitaumlt betragen beim reifen Neugeborenen nur ca 50 der Erwachsenenwerte Dadurch ist die Opsonisierung von Erregern verringert und somit die opsoninab-haumlngige Phagozytose eingeschraumlnkt

Granulozyten Das Neugeborene hat nur geringe Granulozytenre-serven im Knochenmark Die Granulozyten zeigen normales Phago-zytoseverhalten und Bakterizidie jedoch eine eingeschraumlnkte Adhauml-renz und Chemotaxis

Makrophagen Neonatale Makrophagen zeigen eine verringerte Chemotaxis und Aktivierbarkeit

T-Lymphozyten Mit 15ndash20 Schwangerschaftswochen haben Feten eine nachweisbare T-Zell-Population im peripheren Blut Diese ist allerdings in ihrer Aktivitaumlt supprimiert und zeigt eine verringerte

Tab 713 Stadien der nekrotisierenden Enterokolitis (NEC) nach Bell

Stadium 1 Ver-dacht auf NEC

Systemische Symptome und Distension des Darmes (A ohne B mit blutigen Stuumlhlen)

Stadium 2 defini-tive NEC

Zunahme der systemischen Symptome Ileus als diagnostisches Symptom Nachweis einer Pneumatosis intestinalis (A ohne B mit deut-lichen abdominellen Lokalbefunden ndash Ab-wehrspannung Bauchwandinfiltration abdominelle Resistenz Aszites)

Stadium 3 fortge-schrittene NEC

Schwere systemische Infektionssymptome sehr krankes Kind deutliche Zeichen der Peritonitis (A ohne B mit Darmperforation)

Tab 714 Funktionseinschraumlnkungen des neonatalen Immun-system

Immun-globuline

IgG von der Mutter uumlbertragen (Nestschutz)Evtl Mangel an spezifischen AntikoumlrpernIgG bei Fruumlhgeborenen deutlich vermindertIgM-Produktion bei intrauteriner Infektion moumlglich

Komple-mentsystem

Serumspiegel nur 50ndash75 des Erwachsenen

Granulo-zyten

Geringe KnochenmarksreservenVerminderte Adhaumlrenz und Chemotaxis

Makro-phagen

Verringerte Chemotaxis und Aktivierbarkeit

T-Lympho-zyten

Verringerte MitogenstimulierbarkeitVerringerte ZytokinproduktionVerringerte Faumlhigkeit B-Zellen und Makrophagen zu stimulieren

Kapitel 7 middot Neonatologie178

7

Mitogenstimulierbarkeit eine verminderte Faumlhigkeit B-Zellen und Makrophagen durch eine eingeschraumlnkte Zytokinproduktion z B von γ-Interferon zu aktivieren

7102 Nichtbakterielle konnatale Infektionen

kGrundlagenDie nichtbakteriellen Erreger konnataler Infektionen werden haumlufig unter dem Merkwort TORCH zusammengefasst 4 T Toxoplasma gondii 4 O Others (HIV Varizella-Zoster-Virus Hepatitis-B-Virus

Parvovirus-B19) 4 R Roumltelnvirus 4 C Zytomegalievirus 4 H Herpes-simplex-Virus Typ 1 und 2

kUumlbertragungDiese Erreger koumlnnen auf verschiedenen Wegen von der Mutter auf das Kind uumlbertragen werden ( Tab 715)

4 Transplazentare Infektion der Erreger im muumltterlichen Blut durchdringt die Plazentaschranke und infiziert das Kind Die Durchlaumlssigkeit der Plazentaschranke haumlngt von der Art des Erregers und vom Zeitpunkt der Gestation ab so wird die Plazenta z B mit zunehmendem Gestationsalter durchlaumlssiger fuumlr Toxoplasmen

4 Perinatale Infektion das Kind infiziert sich beim Durchtritt durch den Geburtskanal

4 Postnatale Infektion die Infektion erfolgt durch Muttermilch oder Kontakt mit infektioumlsem Material von der Mutter

kKlinikDie Symptomatik der TORCH-Infektionen reicht von der asympto-matischen Infektion bis zur toumldlichen Erkrankung ( Tab 716)

Folgende Symptome bei Geburt sind verdaumlchtig auf eine intra-uterin uumlbertragene TORCH-Infektion 4 Untergewicht 4 Mikrozephalie intrazerebrale Verkalkungen Krampfanfaumllle

(Enzephalitis) 4 Netzhautverkalkungen Mikrophthalmie (Chorioretinitis) 4 Anaumlmie Thrombozytopenie (Knochenmarkdepression) 4 Hepatomegalie Ikterus (Hepatitis)

kDiagnoseDiagnostisch stehen der direkte Erregernachweis in Urin Speichel oder anderen Koumlrpersekreten zur Verfuumlgung die Erregerausschei-dung persistiert oft uumlber Monate Die Nachweis von IgM-Antikoumlr-pern gelingt oft nicht deshalb sind Verlaufsuntersuchungen des IgG-Titers erforderlich

7103 Roumlteln

kEpidemiologieDas Risiko einer Roumltelnembryofetopathie betraumlgt 30 bei einer muumltterlichen Infektion vor der 12 Schwangerschaftswoche und 10 bei einer muumltterlichen Infektion zwischen 13 und 20 Schwanger-schaftswochen Die Haumlufigkeit der Roumltelnembryopathie hat in Deutschland durch die Impfung und die verbesserte praumlnatale Diagnostik auf 1 pro 10000 Geburten abgenommen

kPathogeneseDas Roumltelnvirus wird waumlhrend der muumltterlichen Viraumlmie trans-plazentar uumlbertragen 50 der infizierten Schwangeren sind selbst asymptomatisch Bei unbeabsichtigter Roumltelnimpfung einer Schwan-geren kann es zwar selten zu einer kindlichen Infektion kommen aber nicht zu einer Roumltelnembryopathie

kKlinikTypisch ist die Roumltelnembryopathie mit der Fehlbildungstrias In-nenohrschwerhoumlrigkeit Herzfehler (persistierender Ductus arte-riosus) und Katarakt die auch als Gregg-Syndrom bezeichnet wird Es kann aber auch zum Abort zur intrauterinen Infektion ohne Fehlbildung zu transienten neonatalen Symptomen oder zur persis-tierenden Infektion mit permanenten Organschaumlden kommen

Tab 715 Bedeutung der verschiedenen Infektionswege bei nicht-bakteriellen konnatalen Infektionen

Erreger Transplazentare Infektion

Perinatale Infektion

Postnatale Infektion

Toxoplasmose ++ ndash ndash

HIV + ++ +

Parvovirus ++ ndash ndash

Hepatitis-B-Virus + ++ +

Varicella-Zoster-Virus ++ + +

Roumlteln ++ ndash ndash

Zytomegalie ++ ++ +

Herpes simplex ndash ++ +

Tab 716 Symptome der nichtbakteriellen konnatalen Infektionen

Erreger Symptomatik

Roumlteln Embryopathie mit Trias Innenohrschwerhoumlrigkeit Herzfehler Katarakt

Zytomegalie 90 bei Geburt asymptomatisch (Spaumltschaumlden psychomotorische Retardierung Schwerhoumlrigkeit)10 bei Geburt symptomatisch (Enzephalitis Hepatitis Chorioretinitis Wachstumsretardierung)

Herpes sim-plex (Typ 2)

Generalisiert-septische Infektion oder lokalisierte Herpeslaumlsionen an Haut Auge und Mund oder isolierte Enzephalitis

Varicella Zoster

Varizellenembryopathie (Hautnarben Extremitauml-tenhypoplasie) neonatale Varizellen

Hepatitis B Hepatitis haumlufig mit chronischem Verlauf

HIV Bei Geburt meist asymptomatisch in den ersten Lebensmonaten Lymphadenopathie Gedeihstoumlrung rezidivierende Diarrhouml oder Atemwegsinfektionen

Parvovirus B19 Transiente intrauterine Anaumlmie

Toxoplas mose 90 bei Geburt asymptomatisch (Spaumltschaumlden Chorioretinits psychomotor Retardierung Hydro-zephalus)10 bei Geburt symptomatisch (Enzephalitis Hepatitis Chorioretinitis Gedeihstoumlrung)

7179710 middot Fetale und neonatale Infektionen

CaveMeningoenzephalitis Chorioretinitis Glaukom Hepatitis etc

kDiagnoseZur Diagnose tragen Anamnese und Virusnachweis in Speichel Blut oder Urin bei Die Virusausscheidung ist 1ndash3 Monate nach der Geburt am houmlchsten und kann bis zu 1 Jahr persistieren Positives Roumlteln-IgM in der Serologie persistierender oder ansteigender Roumlteln-IgG-Titer sind diagnostisch wegweisend

kDifferenzialdiagnoseZytomegalie Toxoplasmose

kTherapieBei hohem Verdacht auf eine Roumltelnembryopathie kann eine Schwangerschaftsunterbrechung erwogen werden

gt Entscheidend ist die Sicherstellung des Roumltelnimpf schutzes bei allen Maumldchen vor Eintritt der Pubertaumlt denn bei intra-uteriner Infektion ist keine spezifische Therapie moumlglich

kPrognoseDie Gesamtmortalitaumlt infizierter Neugeborener betraumlgt 10 davon 35 im 1 Lebensjahr

7104 Zytomegalie

kEpidemiologieDie Zytomegalie ist die haumlufigste nichtbakterielle konnatale Infekti-on 1 aller Neugeborenen sind bei Geburt mit dem Zytomegalie-virus infiziert 10 der infizierten Neugeborenen sind bei Geburt symptomatisch (7 Kap 154)

kPathogeneseDas Zytomegalievirus persistiert lebenslaumlnglich in Lymphozyten und anderen Koumlrperzellen ( Abb 750) Die Infektion wird in der Schwan-gerschaft haumlufig reaktiviert Bei einer Erstinfektion der Mutter in der Schwangerschaft kommt es zu einem wesentlich schwereren fetalen Krankheitsverlauf als bei transplazentarer Erregeruumlbertragung im Rahmen einer in der Schwangerschaft reaktivierten Zytomegalie-infektion Daneben ist auch eine perinatale Uumlbertragung durch infek-tioumlse Genitalsekrete und eine postnatale Uumlbertragung durch Mutter-milch oder eine Bluttransfusion moumlglich Eine postnatale CMV-Infek-tion ist vermutlich nur fuumlr sehr unreife Fruumlhgeborene problematisch sie koumlnnen von einem Sepsis-aumlhnlichen Krankheitsbild betroffen sein

kKlinik90 der intrauterin infizierten Neugeborenen sind bei Geburt asym-ptomatisch scheiden allerdings das Virus uumlber Monate im Urin Traumlnen Blut und Rachensekret aus 10 der bei Geburt symptom-freien Neugeborenen entwickeln im Verlauf Spaumltmanifestationen (Houmlrstoumlrung psychomotorische Retardierung) Die 10 bei Geburt symptomatischen Neugeborenen koumlnnen verschiedenste Organ-schaumlden aufweisen (Enzephalitis mit periventrikulaumlren Kalzifikatio-nen Mikrozephalie Taubheit Hepatitis Wachstumsretardierung Chorioretinitis petechialer Hautausschlag Thrombozytopenie) und entwickeln zu 90 bleibende Organschaumlden

kKomplikationenEntwicklung von bleibenden Organschaumlden vor allem im Gehirn ( Abb 750) Gehoumlr und am Auge durch die persistierende Infektion

kDiagnoseDurch direkten Erregernachweis (Early Antigen Virus-PCR) und Viruskultur von Urin Speichel wird die Infektion nachgewiesen IgM-Antikoumlrper sind auch bei florider Zytomegalieinfektion nicht immer nachzuweisen deshalb erfolgt die Kontrolle des IgG-Titer-verlaufs

kDifferenzialdiagnoseKonnatale Roumlteln Toxoplasmose bakterielle Sepsis

kTherapieEine mehrwoumlchige Behandlung mit Ganciclovir scheint den Grad der Schwerhoumlrigkeit und moumlglicherweise auch der neurologischen Schaumldigung guumlnstig zu beeinflussen

gt Die konnatale Zytomegalieinfektion ist eine fuumlhrende Ursache von geistiger Behinderung und Schwerhoumlrigkeit

7105 Herpes simplex

kEpidemiologieDie Haumlufigkeit der konnatalen Herpes-simplex-Infektion betraumlgt 1 auf 7500 Neugeborene In 85 der Faumllle wird sie durch den Virustyp 2 (Herpes genitalis) verursacht (7 Kap 151)

kPathogenese90 der Infektionen finden perinatal beim Durchtritt durch den Geburtskanal statt Das Uumlbertragungsrisiko ist bei einer primaumlren Herpes-genitalis-Infektion der Mutter 10-mal houmlher (50) als bei einer rekurrierenden muumltterlichen Infektion Die Herpes-simplex-Typ-1-Infektion (Herpes labialis) beim Neugeborenen wird meist postnatal durch Kontakt mit infektioumlsem Sekret uumlbertragen

kKlinikBei der peri- oder postnatalen Infektion kann es zu einer generali-sierten Infektion kommen zur einer auf Haut Augen und Mund beschraumlnkten Infektion oder zur Enzephalitis Die generalisierte Infektion hat unspezifische Symptome wie bei einer Sepsis (Apnoen Lethargie oder Hepatosplenomegalie) Hauteffloreszenzen kommen nur bei 70ndash80 der Neugeborenen mit HSV-Sepsis vor Die lokali-sierte Infektion zeigt Herpeslaumlsionen auf der Haut Keratokonjunk-

Abb 750 Typische im Nierenparenchym gelegene Riesenzellen die aus Virusaggregaten bestehende Zelleinschlusskoumlrperchen (sog Eulenaugen-zellen) enthalten

Kapitel 7 middot Neonatologie180

7

tivitis und Chorioretinitis Die isolierte Enzephalitis manifestiert sich mit Fieber Irritabilitaumlt Lethargie Koma fokalen und generali-sierten Krampfanfaumlllen und gespannter Fontanelle Hautlaumlsionen sind dabei selten Im CT findet man typischerweise fokale Laumlsionen im Temporallappen

kKomplikationenSchock disseminierte intravasale Koagulopathie

kDiagnoseZur Diagnose fuumlhren die charakteristischen Hauteffloreszenzen sowie der Virusnachweis aus Blaumlscheninhalt und Blut (Nachweis von HSV-Antigen und HSV-DNA) Bei der Enzephalitis laumlsst sich das Virus in 25ndash40 der Faumllle im Liquor nachweisen Die Serologie ist in der Regel nicht hilfreich

kDifferenzialdiagnoseToxoplasmose Zytomegalie Roumlteln intrakranielle Blutung Sepsis

kTherapieBei primaumlrer Herpes-genitalis-Infektion der Mutter zum Zeitpunkt der Geburt sollte die Entbindung per Kaiserschnitt durchgefuumlhrt werden um das Infektionsrisiko zu reduzieren Beim geringsten klinischen Verdacht auf eine neonatale Herpesinfektion sollte eine antivirale Therapie mit Aciclovir begonnen werden Die fruumlh ein-setzende antivirale Therapie verbessert die Prognose und eine Gene-ralisierung kann verhindert werden

kPrognoseBei einer generalisierten Infektion betraumlgt die Letatlitaumlt 60 Uumlber-lebende haben meist schwere neurologische und okulaumlre Schaumlden

7106 Varizella-Zoster-Virus

kEpidemiologieDie Inzidenz muumltterlicher Windpocken in der Schwangerschaft betraumlgt nur 1ndash510000 Schwangerschaften Bei muumltterlichen Wind-pocken in der Schwangerschaft werden 25 der Feten infiziert

kPathogeneseDie fruumlhe transplanzentare Infektion fuumlhrt zur Varizellenembryo-pathie die spaumlte transplazentare Infektion in den letzten 3 Schwan-gerschaftswochen zu neonatalen Windpocken

kKlinikDie Varizellenembryopathie geht mit Enzephalitis Chorioretinitis Hypoplasie von Gliedmaszligen und dermatombezogenen Hautnarben einher Neonatale Windpocken verlaufen je nach Infektionszeit-punkt unterschiedlich schwer 4 Auftreten der muumltterlichen Windpocken 5ndash21 Tage vor der

Geburt Die Infektion erfolgt transplazentar Die Inkubations-zeit nach transplazentarer Infektion ist kuumlrzer (10 statt 14 Tage) als nach Infektion uumlber den Nasopharynx Das Neugeborene zeigt innerhalb weniger Tage nach Geburt in der Regel milde Symptome da es auch muumltterliche Antikoumlrper uumlber die Plazenta bekommt

4 Auftreten der muumltterlichen Windpocken 4 Tage vor dem Ent-bindungstermin bis 2 Tage nach Geburt Das Neugeborenes wird 5ndash10 Tage post partum symptomatisch Die Erkrankung kann in 20 der Faumllle schwer verlaufen mit sich rasch aus-breitendem haumlmorrhagischem Exanthem Pneumonie Enzephalitis und Tod da das Neugeborene keine muumltterlichen Antikoumlrper mehr erhalten hat

4 Postnatale Infektion Wird ein NeugeborenesSaumlugling postnatal uumlber den Nasopharynx infiziert hat es kein houmlheres Erkrankungsrisiko als aumlltere Kinder

kKomplikationenNach neonatalen oder postnatalen Windpocken tritt in den ersten 10 Lebensjahren haumlufig ein Zoster auf

kDiagnoseAnamnese und Nachweis des typischen Exanthems Virusisolie-rung aus Effloreszenzen und Serologie ermoumlglichen die Diagnose-stellung

kDifferenzialdiagnoseKonnatale Herpes-simplex-Virus-Infektion

kTherapieBei muumltterlichen Varizellen kurz vor dem Entbindungstermin erhaumllt die Mutter sofort und das Kind nach der Geburt ein Varizellen- Hyperimmunglobulin auszligerdem werden beide mit Aciclovir be-handelt

kPrognoseDie Letalitaumlt der Varizellenembryopathie betraumlgt 47

7107 Weitere konnatale Virusinfektionen

Hepatitis B kEpidemiologie

1 der Schwangeren sind HBs-Antigen positiv und etwa 6 ihrer Neugeborenen werden infiziert Ist die Mutter HBs- und HBe-Anti-gen positiv verzehnfacht sich das Infektionsrisiko fuumlr den Feten 20ndash30 der infizierten Neugeborenen werden zu chronischen He-patitis-B-Traumlgern

kPathogeneseDie Uumlbertragung des Hepatitis-B-Virus erfolgt perinatal

Abb 751 Periventrikulaumlre Echogenitaumltsvermehrung und Hydrozephalus im zerebralen Ultraschall als Ausdruck einer VentrikulitisEnzephalitis bei neonataler Zytomegalieinfektion

7181710 middot Fetale und neonatale Infektionen

kDiagnoseDer Nachweis von HBs-Antigen bei der Mutter erfolgt im Rahmen der Schwangerenvorsorge

kTherapieDurch die unmittelbar postnatal durchgefuumlhrte aktive und passive Immunisierung des Neugeborenen gegen Hepatitis B lassen sich 80 der neonatalen Infektionen verhindern

HIV-Infektion kPathogenese

Der wichtigste Infektionsmodus ist die perinatale Infektion jedoch kann die Infektion auch transplazentar oder postnatal z B durch Muttermilch erfolgen

kKlinikDie Neugeborenen sind bei Geburt meist symptomfrei In den ersten Lebensmonaten entwickeln sich Symptome wie Mikrozephalie psychomotorische Retardierung Gedeihstoumlrung persistierende Candidainfektionen oder Diarrhouml Lymphadenopathie oder rezidi-vierende Atemwegsinfektionen

kDiagnoseDie Diagnose der HIV-Infektion beim Neugeborenen oder Saumlugling kann nur durch HIV-PCR oder Viruskultur gefuumlhrt werden

CaveDer Nachweis von HIV-Antikoumlrpern beim Neugeborenen ist nicht beweisend fuumlr eine HIV-Infektion da es sich um muumltterliche Leihantikoumlrper handeln kann

kTherapieDurch die antiretrovirale Behandlung der Mutter ab 34 Schwanger-schaftswochen die Kaiserschnittentbindung mit 38 Schwanger-schaftswochen und die sofortige postnatale Azidothymidinbehand-lung des Neugeborenen konnte die Rate der perinatalen Infektionen auf unter 2 gesenkt werden HIV-infizierte Muumltter sollen nicht stillen

Parvovirus-B19-Infektion kPathogenese

Parvovirus B19 wird transplazentar uumlbertragen Bei der Mutter ver-laumluft die Infektion haumlufig subklinisch und nicht mit dem fuumlr den Parvovirus B19 typischen Exanthem der Ringelroumlteln

kKlinikBeim Feten fuumlhrt die Infektion zu einer transienten Depression der Erythropoese und zur Entwicklung einer intrauterinen Anaumlmie die so ausgepraumlgt sein kann dass sich ein Hydrops fetalis entwickelt

kDiagnoseParvovirus-B19-Serologie bei der Mutter positives IgM beim Kind

kTherapieBei nachgewiesener muumltterlicher Infektion engmaschige Ultra-schallkontrolle des Feten Bei drohendem Hydrops fetalis Bestim-mung des fetalen Haumlmatokrits und intrauterine Transfusion Nach erfolgreicher intrauteriner Behandlung ist die Prognose der Kinder als gut anzusehen

7108 Toxoplasmose

kEpidemiologieDie Haumlufigkeit der konnatalen Toxoplasmose betraumlgt 3ndash6 auf 1000 Lebendgeborene (7 Kap 177)

kPathogeneseDie Erstinfektion fuumlhrt beim Erwachsenen zu grippalen Symptomen mit Lymphknotenschwellungen Bei einer Erstinfektion in der Schwangerschaft kommt es in ca 50 der Faumllle zu einer Infektion des Feten Dabei uumlberwindet der Erreger die Planzenta im 3 Trime-non leichter als im 2 Trimenon die Erkrankung verlaumluft allerdings bei Infektion im 3 Trimenon wesentlich leichter

kKlinik10 der infizierten Feten entwickeln eine symptomatische ge-neralisierte Infektion mit Enzephalitis Hepatitis Chorioretinitis ( Abb 752) Pneumonie und Myokarditis 90 haben primaumlr einen subklinischen Krankheitsverlauf und werden asymptomatisch ge-boren

kKomplikationenRezidivierende Chorioretinitis

kDiagnoseIm Vordergrund steht die serologische Diagnostik In 70 der Faumllle gelingt ein Nachweis von IgM-Antikoumlrpern Antigennachweise sind in Erprobung

kDifferenzialdiagnoseZytomegalie Roumlteln

kTherapieBei muumltterlicher Erstinfektion in der Schwangerschaft wird die Mutter mit Spiramycin Sulfonamiden und Pyrimethamin be-handelt Dieselbe Therapie wird postnatal einem infizierten Neuge-borenen verabreicht

kPrognoseEin Teil der asymptomatischen Neugeborenen entwickelt postenze-phalitische Spaumltschaumlden (intrazerebrale Verkalkungen Hydroze-

Abb 752 Chorioretinitis bei konnataler Toxoplasmose

Kapitel 7 middot Neonatologie182

7

phalus und Chorioretinitis) Kinder mit angeborener Toxoplasmose sollten bis zum 10 Lebensjahr in regelmaumlszligigen Abstaumlnden ophtal-mologisch und neurologisch untersucht werden

7109 Neugeborenensepsis

kDefinitionDie neonatale Sepsis stellt nach wie vor eines der Hauptprobleme der Neugeborenenmedizin dar sie ist eine disseminierte mikrobielle Erkrankung die durch die klinischen Symptome einer systemischen Infektion und die Septikaumlmie d h den kulturellen Nachweis patho-gener Erreger in der Blutkultur charakterisiert ist Im Rahmen des septischen Schocks kann sich ein Multiorganversagen ausbilden

kEpidemiologieIn Westeuropa und den USA erkranken 1ndash4 Neugeborene1000 Le-bendgeboreneJahr an einer neonatalen Sepsis 10ndash25 der Patien-ten versterben an den Komplikationen dieser oftmals foudroyant verlaufenden Infektion bis zu frac14 der Kinder entwickeln als Folge einer zu spaumlt diagnostizierten Sepsis eine eitrige Meningitis Diese Komplikation tritt in Deutschland inzwischen bei weniger als 10 der Fruumlh- und Neugeborenen auf Besonders kritisch ist die Situation auf neonatologischen Intensivstationen hier kann bei 25 der Kindern im Verlauf der Intensivtherapie eine Sepsis nachgewiesen werden Wie eine Reihe von epidemiologischen Untersuchungen belegen hat die Inzidenz der neonatalen Sepsis in den letzten 20 Jah-ren zugenommen

kVerlaufDie neonatale Sepsis manifestiert sich in 2 Verlaufsformen 4 fruumlheinsetzende Form (Fruumlhsepsis) 4 spaumlteinsetzende Form (Spaumltsepsis)

Die fruumlheinsetzende Form zeichnet sich durch den Krankheitsbeginn in den ersten Lebenstagen das typische Erregerspektrum (s unten) und die fulminante Verlaufsform aus Haumlufig entwickelt sich die sys-temische Infektion auf dem Boden einer neonatalen Pneumonie Bei vielen Kindern sind geburtshilfliche Risikofaktoren vorhanden

Die spaumlteinsetzende Form tritt in der Regel nach dem 5 Le-benstag auf der klinische Verlauf kann entweder foudroyant oder langsamer fortschreitend sein die Neugeborenen erkranken haumlufig an einer Meningitis Die Erreger stammen haumlufig aus dem postnata-len Umfeld Besonders intensivmedizinisch behandelte Fruumlh- und Neugeborene sind gefaumlhrdet an einer spaumlteinsetzenden nosoko-mialen Sepsis zu erkranken

kPathogenese RisikofaktorenDie geburtshilflichen Risikofaktoren der fruumlheinsetzenden Sepsis sind 4 vorzeitiger Blasensprung 4 Amnioninfektionssyndrom 4 Fieber Bakteriaumlmie der Mutter 4 Fruumlhgeburtlichkeit

Durch vorzeitigen Blasensprung Aszension vaginaler Erreger (as-zendierende Infektion) oder im Rahmen einer muumltterlichen Bakte-riaumlmie (deszendierende Infektion) kann das Neugeborene bereits in utero infiziert werden und manifest erkranken ( Abb 753)

Bei einer muumltterlichen vaginalen und rektalen Kolonisierung mit pathogenen Erregern kann ein Neugeborenes daruumlber hinaus auf dem Geburtsweg infiziert werden Bis zu 30 der amerikanischen und westeuropaumlischen Schwangeren weisen eine vaginale Besiedlung mit β-haumlmolysierenden Streptokokken der Gruppe B auf maximal 50 mit pathogenen E coli Nach einer vaginalen Geburt sind bis zu 70 der Neugeborenen mit diesen pathogenen Bakterien auf Haut- und Schleimhaumluten kolonisiert Das Ausmaszlig der Besiedlung erhoumlht das Risiko an einer Sepsis zu erkranken Man kann davon ausgehen dass ca 1 von 100 Neugeborenen die mit β-haumlmolysierenden Strep-tokokken der Gruppe B besiedelt sind an einer Sepsis erkrankt

Eine Gruppe von Risikopatienten ist in einem hohen Maszlig gefaumlhrdet eine nosokomiale Sepsis zu akquirieren intensivmedizi-nisch behandelte Fruumlh- und Neugeborene Die gut belegten Risiko-faktoren sind in Tab 717 zusammengefasst

gt Eine Uumlbertragung von pathogenen Erregern erfolgt uumlber-wiegend durch unzureichende Handwaschpraktiken der betreuenden Schwestern und Aumlrzte

Abb 753 Prauml- und postnatale Infektionswege der neonatalen Sepsis

7183710 middot Fetale und neonatale Infektionen

In einzelnen amerikanischen Intensivstationen wurden bei 15 aller Hochrisikofruumlhgeborenen systemische Infektionen mit Candida spp diagnostiziert In Tab 718 sind die wesentlichen Erreger der neonatalen Sepsis zusammengefasst

kKlinikDie klinische Symptomatik der Neugeborenensepsis ist uncharak-teristisch und variabel bleiben die oftmals diskreten klinischen Zeichen unerkannt so kann sich innerhalb kurzer Zeit das Vollbild des septischen Schocks entwickeln Einer der wichtigsten Hinwei-se ist das von einer erfahrenen Kinderkrankenschwester registrierte raquoschlechte Aussehenlaquo des Neugeborenen Neben Stoumlrungen der Temperaturregulation und der Atmungsfunktion werden gastro-intestinale Symptome beobachtet Phasenweise nachweisbare Veraumlnderungen des Hautkolorits weisen auf die im Rahmen der Bakteriaumlmie auftretende Mikrozirkulationsstoumlrung hin Daneben koumlnnen Hyperexzitabilitaumlt Hypotonie Apathie und zerebrale Krampfanfaumllle auftreten Petechien verstaumlrkte Blutungsneigung Hypotension und septischer Schock entwickeln sich im Verlauf der Erkrankung

Wesentliche Symptome der neonatalen Sepsis 4 Temperaturinstabilitaumlt Hyper- Hypothermie 4 Atemstoumlrungen Tachypnoe Dyspnoe Apnoe 4 Gastrointestinale Symptome Trinkschwaumlche

Erbrechen abdominelle Distension

4 Zirkulatorische Insuffizienz periphere Mikrozirkulati-onsstoumlrungen Blaumlsse grau-marmoriertes Hautkolorit septischer Schock Multiorganversagen disseminierte intravasale Gerinnung

4 Neurologische Stoumlrungen Hyperexzitabilitaumlt Lethargie Krampfanfaumllle

Bei klinischen Warnzeichen muss solange der Verdacht auf eine neo-natale Sepsis bestehen bis das Gegenteil bewiesen ist also eine In-fektion ausgeschlossen oder eine andere Ursache fuumlr die Verschlech-terung des kindlichen Zustandes gefunden wurde

gt Der Verlauf der Neugeborenensepsis wird entscheidend vom Zeitpunkt der Diagnose bzw des Behandlungsbe-ginns beeinflusst

kErregernachweisMit Blutkulturen (aerob anaerob) gegebenenfalls Liquorkulturen Urinstatus und -kultur Haut- und Schleimhautabstrichen sowie Un-tersuchung von Magensekret erfolgt der Erregernachweis Bei jedem isolierten Erreger ist eine Resistenztestung durchzufuumlhren

kLabordiagnostikVerschiedene Entzuumlndungsparameter koumlnnen als Warnzeichen einer neonatalen Infektion angesehen werden und zur Fruumlherken-nung der neonatalen Sepsis beitragen

Tab 717 Risikofaktoren der nosokomialen Sepsis

Intensivmedizinische Maszlignahmen

Endotracheale IntubationMaschinelle BeatmungZentrale Katheter Lipidinfusionen

Mangelhafte Stationshygiene

Unzureichende HandwaschpraktikenUumlberbelegung der IntensivstationPersonelle Unterbesetzung

Kontamination InkubatorenWaschbeckenAndere Gegenstaumlnde

Tab 718 Wesentliche Erreger der fruumlh oder spaumlt einsetzenden neonatalen Sepsis

Fruumlheinsetzende Sepsis Spaumlteinsetzende Sepsis

Streptokokken Gruppe BEscherichia coliStaphylococcus aureusListeria monocytogenesEnterokokken u a

Escherichia coliStaphylococcus epidermidisKlebsiella-Enterobacter-SpeziesPseudomonas aeruginosaProteus-SpeziesStreptokokken Gruppe BCandida albicans u a

Exkurs

Erregerspektrum der Neugeborenensepsis

Eines der faszinierenden aber immer noch nicht geklaumlrten Phaumlnomene neonataler In-fektionen ist ein von Zeit zu Zeit auftretender Wechsel im bakteriologischen SpektrumSo wurden in den USA in den 1930er-Jahren β-haumlmolysierende Streptokokken der Grup-pe A als haumlufigste Erreger der neonatalen Sepsis identifiziert In den naumlchsten Dekaden folgten Escherichia coli Staphylococcus aureus erneut E coli und schlieszliglich in den 1970er-Jahren β-haumlmolysierende Streptokok-ken der Gruppe B Das Verschwinden von haumlmolysierenden Streptokokken der Gruppe A sowie von Staph aureus in der vorantibioti-

schen Aumlra kann nicht auf medizinische oder hygienische Maszlignahmen zuruumlckgefuumlhrt werden Das Auftreten von Streptokokken der Gruppe B faumlllt in eine Periode in der Penicillin zum meist verwendeten Antibiotikum wurde bis heute haben diese Erreger ihr Resistenz-verhalten nicht veraumlndertIn Deutschland wurden β-haumlmolysierende Streptokokken der Gruppe B erstmals Ende der 70er-Jahre beobachtet sie sind inzwischen in den meisten Regionen die haumlufigsten Er-reger der neonatalen Sepsis Weiterhin sind E coli Listerien Enterokokken und Staph aureus typische Erreger der Fruumlhsepsis

Es gilt jedoch festzustellen dass nicht nur zwischen geographisch definierten Regionen sondern auch zwischen einzelnen Hospitaumllern mit unterschiedlichen Infektionserregern zu rechnen ist In vielen neonatologischen Zent-ren wird Staph epidermidis als haumlufigster Er-reger von spaumlteinsetzenden nosokomialen In-fektionen isoliert dieser Erreger fuumlhrt daruumlber hinaus immer wieder zu raquoAusbruumlchenlaquo von Hospitalinfektionen Daneben spielen Klebsiel-la- Enterobacter- und Pseudomonas-Spezies Staph aureus und andere pathogene Mikroor-ganismen eine unveraumlnderte Rolle als gefuumlrch-tete Erreger einer nosokomialen Spaumltsepsis

6

Kapitel 7 middot Neonatologie184

7

Fruumlherkennung und Warnzeichen neonataler Infektionen 4 Geburtshilfliche Risikofaktoren 4 Klinische Zeichen 4 Entzuumlndungsparameter

ndash Leukozytose (Gesamtzahl aller neutrophiler Granulozyten)

ndash IT-Quotient ndash CRP ndash Interleukin-6 u a

4 Erregernachweis

Zu diesen Entzuumlndungsindikatoren gehoumlren die Gesamtzahl der Leukozyten am 1 Lebenstag (lt10000 Leukozytenμl) die Gesamt-zahl aller neutrophilen Granulozyten sowie der unreifen Granulo-zyten sowie der IT-Quotient (ImmatureTotal neutrophils d h Gesamtzahl aller unreifen GranulozytenGesamtzahl aller Granulo-zyten gt02) Eine Thrombozytopenie tritt bei ca 30 der Neugebo-renen mit neonataler Sepsis im Verlauf der Infektion auf

Auch erhoumlhte Konzentrationen des C-reaktiven Proteins (CRP) und des Interleukin-6 (IL-6) weisen auf eine Infektion hin Die Sensitivitaumlt und Spezifitaumlt dieser Entzuumlndungszeichen wird von verschiedensten internationalen Arbeitsgruppen unterschiedlich beurteilt Die Wertigkeit der verschiedenen Infektionszeichen als so genannte raquoFruumlherkennungsparameterlaquo sollte auf keinen Fall uumlber-schaumltzt werden

Der Stellenwert der einzelnen Parameter wird am ehesten deut-lich wenn man sich die Sequenz des Entzuumlndungsgeschehens vor Augen fuumlhrt ( Abb 754) Nach Keiminvasion werden mit einer kurzen Latenz neutrophile Granulozyten rekrutiert die moumlglicher-weise im Verlauf des initialen Abwehrgeschehens bereits verbraucht werden ndash die Patienten entwickeln eine Neutrozytopenie ndash oder aber es werden vermehrt unreife und reife Granulozyten aus dem Kno-chenmark freigesetzt Erst im Rahmen der Makrophagenaktivierung werden der Tumornekrosefaktor Interleukin-1 und Interleukin-6 sezerniert diese immunologischen Hormone (Zytokine) stimulie-ren die Synthese des CRP in der Leber sie lassen sich relativ fruumlh und zum Teil nur innerhalb eines kurzen Zeitfensters sicher identifizie-ren Mit einem Konzentrationsanstieg dieses Akutphaseproteins ist

erst 4ndash6 h nach Keiminvasion oder lokaler Inflammation zu rech-nen Das CRP ist allerdings als idealer Verlaufsparameter einer neo-natalen Infektion anzusehen

kDifferenzialdiagnoseVerschiedene Erkrankungen Fruumlh- und Neugeborener koumlnnen sich unter nahezu identischer Symptomatologie manifestieren wie die neonatale Sepsis Bei Fruumlhgeborenen kann eine Infektion mit Strep-tokokken der Gruppe B unter dem Bild eines Atemnotsyndroms verlaufen Weitere Erkrankungen akute pulmonale Erkrankungen des Neugeborenen persistierende fetale Zirkulation Hyperviskosi-taumltssyndrom kardiale Erkrankungen nekrotisierende Enterokolitis zerebrale Blutungen metabolische Stoumlrungen intrauterine Infektio-nen u a

kTherapieNach Durchfuumlhrung der Sepsisdiagnostik ist unverzuumlglich eine int-ravenoumlse antibiotische Therapie durchzufuumlhren

Antibiotische Therapie Bei der Fruumlhsepsis wird von vielen klini-schen Gruppen an einer Kombinationsbehandlung mit Ampicillin und einem Aminoglykosid (z B Gentamicin) festgehalten alter-nativ wird eine empirische Therapie mit Ampicillin und einem Cephalosporin der 3 Generation (z B Cefotaxim) praktiziert Beide Therapiestrategien wurden von der raquoAmerican Academy of Pediatricslaquo empfohlen Der Hauptgrund fuumlr die Gabe von Ampicillin ist die unzulaumlngliche Aktivitaumlt der Cephalosporine gegen Listeria monocytogenes und Enterokokken Bei Verdacht auf eine Staphylo-kokkeninfektion muss die verwendete Kombination um ein gegen Staphylokokken wirksames Mittel erweitert werden Bestehen durch bakteriologische Untersuchungen der Mutter Hinweise auf einen seltenen Erreger der Fruumlhsepsis (Klebsiella Pseudomonas Serratia etc) sollte eine Kombinationstherapie mit einem Cephalosporin und einem Aminoglykosid gewaumlhlt werden Nach Vorliegen der bakteriologischen Resistenztestung (Blut- Liquorkulturen) wer-den die Patienten meist in einer Zweierkombination weiterbe-handelt

Vor einigen Jahren wurde im Rahmen einer Standardtherapie mit Cefotaxim eine rasche Selektion von cefotaximresistenten En-terobacter-Spezies (Enterobacter cloacae) nachgewiesen diese Erreger waren auch gegen neuere Cephalosporine resistent

gt Eine Anwendung von Cephalosporinen sollte daher nur unter strenger Indikationsstellung erfolgen

Bei Staph-epidermidis-Sepsis kann eine Vancomycintherapie erfor-derlich sein Infektionen mit Anaerobiern werden mit Metronidazol und Infektionen mit Candida spp bzw Aspergillus spp mit 5ndashFluo-rocytosin und Amphotericin B behandelt

Die Behandlungsdauer fuumlr eine neonatale Sepsis ohne Menin-gitis oder andere schwere Begleitinfektionen betraumlgt in der Regel 10ndash14 Tage

Supportivtherapie Eine optimale Supportivtherapie saumlmtlicher im Verlauf der Sepsis auftretender Funktionsstoumlrungen von Organsys-temen (Herz-Kreislauf Atmung Saumlure-Basen-Haushalt Gerinnung u a) ist eine wesentliche Voraussetzung in der Behandlung dieser lebensbedrohlichen Erkrankung

Ein Therapiekonzept sollte sich immer nach dem lokalen Erre-gerspektrum richten Daher ist es sinnvoll durch regelmaumlszligige bak-teriologische Untersuchungen von Patienten und Gegenstaumlnden der neonatalen Intensivstation Aumlnderungen im Resistenzverhalten von Problemkeimen fruumlhzeitig zu erfassen

Abb 754 Hypothetische Sequenz des Entzuumlndungsgeschehens im Ver-lauf einer Sepsis die Zytokine TNF-α IL-1 und IL-6 stimulieren die Synthese von CRP in der Leber

7185710 middot Fetale und neonatale Infektionen

kProphylaxeEine Immunprophylaxe gegen das breite Erregerspektrum der neo-natalen Sepsis existiert nicht Die Entwicklung eines speziellen Impf-stoffes gegen Streptokokken der Gruppe B duumlrfte erst in einigen Jahren gelingen

Einen weiteren praumlventiven Ansatz stellt die sog Chemoprophy-laxe dar Schwangere die vaginal und zervikal mit B-Streptokokken besiedelt sind zusaumltzlich vorzeitige Wehen undoder einen vorzeiti-gen Blasensprung von gt12 h haben erhielten eine selektive intrapar-tale Chemoprophylaxe mit Penicillin Durch diese Maszlignahme konnte die Kolonisierung Neugeborener und die Sepsisinzidenz durch Streptokokken der Gruppe B eindeutig gesenkt werden Aller-dings ist diese Maszlignahme nur dann wirksam wenn die antibiotische Prophylaxe mindestens gt4 h praumlpartal verabreicht wird

Seit 1996 wird in den USA ein generelles Screening bei allen Schwangeren in der 35ndash37 Gestationswoche durchgefuumlhrt um eine maternale Kolonisierung mit B-Streptokokken zum Zeitpunkt der Geburt zu erfassen Trotz der erheblichen Kosten und der potenziel-len Risiken einer Penicillinallergie erhalten alle Schwangeren prauml-partal eine Penicillingabe Durch diese Strategie konnte eine fruumlh einsetzende neonatale Sepsis mit B-Streptokokken wirksamer ver-hindert werden als durch eine Identifizierung Schwangerer mit be-kannten Risikofaktoren Bis zu 60 aller reifen Neugeborenen mit B-Streptokokkenerkrankungen hatten symptomfreie Muumltter die keinen Risikofaktor aufwiesen Durch die Screeningstrategie koumlnnen bis zu 70 aller fruumlh einsetzenden Septikaumlmien mit B-Streptokok-ken verhindert werden

71010 Meningitis

kDefinitionDie neonatale MeningitisMeningoenzephalitis ist eine mikrobielle Infektion der Hirnhaumlute des Gehirns und haumlufig auch der Ventrikel sie wird durch die typischen Erreger neonataler Infektionen ver-ursacht

kEpidemiologieDie Inzidenz der neonatalen Meningitis hat in den letzten 10 Jahren abgenommen vermutlich haben die verbesserte Perinatalver-sorgung und Fruumlherfassung neonataler Infektionen sowie die recht-zeitige antibiotische Behandlung zu diesem Ruumlckgang beigetragen Die durchschnittliche Erkrankungsrate liegt zwischen 01ndash04 pro 1000 Lebendgeborene

kAumltiologieIn Mitteleuropa und in Nordamerika werden bis zu 23 aller neona-talen Meningitiden durch Streptokokken der Gruppe B und E coli verursacht Fuumlr die in den ersten Lebenstagen auftretende Strepto-kokkenmeningitis sind uumlberwiegend die Serotypen I und II verant-wortlich sie stammen aus der muumltterlichen Vaginal- und Rektal-flora Bei der Spaumltform der Streptokokkenmeningitis wird der Serotyp III isoliert Die verantwortlichen E coli besitzen ein Kapsel-polysaccharidantigen K1 das die Virulenz der Erreger erhoumlht (Eli-mination der Bakterien nur bei kompletter Opsonierung)

In einzelnen Regionen werden gehaumluft Listerien (L monocyto-genes) als Meningitiserreger identifiziert Eine nosokomiale Menin-gitis wird in Abhaumlngigkeit vom lokalen Erregerspektrum am haumlu-figsten durch Klebsiella- und Enterobacter-Spezies Pseudomonas aeruginosa u a hervorgerufen Bei intensivmedizinisch behandel-ten Fruumlhgeborenen die an einer unklaren systemischen Infektion erkrankt sind muss immer an eine Candida-Meningitis gedacht

werden Wenn auch selten so koumlnnen doch die typischen Erreger der eitrigen Hirnhautentzuumlndung im Kindesalter eine neonatale Menin-gitis verursachen

kPathogenese RisikofaktorenDie bekannten geburtshilflichen praumlnatalen und postnatalen Risiko-faktoren der neonatalen Sepsis lassen sich uneingeschraumlnkt bei der Meningitis Neugeborener nachweisen Eine Meningitis entwickelt sich haumlufig als Folge einer zu spaumlt diagnostizierten Sepsis Ausgangs-punkte fuumlr die haumlmatogene Streuung sind Pneumonien Hautin-fektionen infizierter Nabel Harnwegsinfektionen Otitis media etc

gt Neugeborene mit Liquorshuntsystemen sind besonders gefaumlhrdet uumlber eine Bakteriaumlmie eine Ventilinfektion zu entwickeln der haumlufigste Erreger ist Staph epidermidis

kKlinikDie klinischen Zeichen der neonatalen Meningitis sind unspezifisch und in der Regel nicht von den Symptomen der Neugeborenensepsis zu unterscheiden Als zusaumltzliche Symptome koumlnnen Beruumlhrungs-empfindlichkeit spaumlrliche Spontanbewegungen und schrilles Schreien hinzukommen Eine gespannte Fontanelle die opistho-tone Koumlrperhaltung oder gar Nackensteifigkeit treten insgesamt selten und erst im fortgeschrittenen Stadium der Meningitis auf Krampfanfaumllle werden bei ca 15 der erkrankten Neugeborenen beobachtet

kDiagnoseAufgrund der uncharakteristischen Symptomatologie sollte bei je-dem Patienten bei dem eine neonatale Sepsis zu vermuten ist eine Liquoruntersuchung erfolgen Bei ausgepraumlgter Instabilitaumlt der Kinder kann man jedoch gezwungen sein die erforderliche Lumbal-punktion erst nach Therapiebeginn durchzufuumlhren Die Besonder-heiten der Liquordiagnostik im Neugeborenenalter sind an anderer Stelle ausgefuumlhrt Repetitive Sonographien und eventuell MRT- Untersuchungen sind zur Erfassung von Komplikationen durchzu-fuumlhren

kTherapieDie Prognose der neonatalen Meningitis wird entscheidend vom Therapiebeginn und der Wahl der Antibiotika bestimmt die anti-biotische Behandlung muss sich gegen das besondere Spektrum der zu vermutenden Erreger neonataler Infektionen richten (s neonata-le Sepsis) Eine zuverlaumlssige Liquorgaumlngigkeit sowie eine ausreichen-de Dosierung der Antibiotika ist unbedingt zu beachten die Dosie-rung der verschiedenen Praumlparate liegt in der Regel houmlher als bei der neonatalen Sepsis

kPrognoseDie Prognose der neonatalen Meningitis ist trotz aller Behandlungs-fortschritte immer noch als ernst anzusehen Die Letalitaumlt betraumlgt 20ndash50 Akute Komplikationen sind ein kommunizierender oder nicht-kommunizierender Hydrozephalus subdurale Effusionen Taubheit und Blindheit ( Abb 755) Bis zu 70 aller Patienten mit E-coli-Meningitis entwickeln eine Ventrikulitis Selten werden Hirnabszesse beobachtet sie treten u a bei Infektionen mit Citro-bacter diversus Proteus mirabilis und Enterobacter-Spezies auf

Schwere neurologische Spaumltschaumlden (Zerebralparesen An-fallsleiden mentale Retardierung Taubheit Blindheit) sind bei un-gefaumlhr 10 der Patienten nachweisbar ein Viertel aller erkrankter Kinder weist leichte bis mittelschwere neurologische und psycho-mentale Beeintraumlchtigungen auf Uumlber den Effekt einer im akuten

Kapitel 7 middot Neonatologie186

7

Erkrankungsstadium durchgefuumlhrten Dexamethasontherapie auf die Komplikationsrate der neonatalen Meningitis liegen zurzeit noch keine Ergebnisse vor Aspekte zur Prophylaxe der neonatalen Meningitis sind im Kapitel raquoneonatale Sepsislaquo abgehandelt

71011 Osteomyelitis und septische Arthritis

kEpidemiologie AumltiologieDie Osteomyelitis und bakterielle Arthritis sind seltene Erkrankun-gen im Neugeborenenalter verlaumlssliche Angaben zur Inzidenz liegen nicht vor Staphylococcus aureus wird bei bis zu 8 der Patienten mit Osteomyelitis als kausaler Erreger identifiziert Daneben werden Streptokokken der Gruppen A und B Staph epidermidis und Strep-tococcus pneumoniae sowie eine Reihe gramnegativer Erreger nach-gewiesen Besonders bei der septischen Arthritis lassen sich neben Staph aureus auch E coli Klebsiella- und Enterobacter-Spezies Pseudomonas Salmonellen Serratia Neisseria gonorrhoeae und auch Candida albicans isolieren

kPathogeneseAufgrund der besonderen ossaumlren Gefaumlszligversorgung bei Neugebore-nen und Saumluglingen treten Osteomyelitis und septische Arthritis haumlufig zusammen auf Diaphyse Metaphyse und Epiphyse werden uumlber gemeinsame Arterien versorgt Als Konsequenz koumlnnen sich Erreger die in die Metaphyse der langen Roumlhrenknochen gelangt sind uumlber diese Gefaumlszligverbindungen zur Epiphyse ausbreiten und das Gelenk in das Infektionsgeschehen einbeziehen Erst gegen Ende des ersten Lebensjahres werden diese Gefaumlszligverbindungen und somit die ungehinderte Infektionsausbreitung unterbrochen

Die meisten Osteomyelitiden treten haumlmatogen auf systemi-sche bakterielle Infektionen koumlnnen ebenso wie lokale Infektionen (Pyodermie Omphalitis Mastitis u a) oder infizierte Infusions-systeme (Nabelgefaumlszligkatheter zentrale Silastic-Katheter u a) im Rahmen einer Bakteriaumlmie zu einer Absiedlung von Erregern in Knochen und Gelenk fuumlhren Bei einem Teil der Patienten lassen sich multiple Knochenherde nachweisen Neben der haumlmatogenen Genese kann auch ein lokales Entzuumlndungsgeschehen per continu-itatem eine Osteomyelitis induzieren (Abszess infiziertes Kephal-haumlmatom etc) Durch repetitive Fersenpunktionen zur kapillaren Blutentnahme kann sich eine Kalkaneusosteomyelitis entwickeln

kKlinikHaumlufig finden sich eine lokalisierte Schwellung im Bereich der be-troffenen Knochen bzw Gelenke sowie eine eingeschraumlnkte Be-weglichkeit mit Schonhaltung der Extremitaumlt (sog Pseudoparalyse) Am haumlufigsten sind die langen Roumlhrenknochen Femur Humerus und Tibia betroffen Aber auch die Maxilla und andere Schaumldel-knochen koumlnnen ebenso wie Finger- oder Wirbelknochen infiziert sein Die haumlufigsten eitrigen Arthritiden treten in Huumlft- Knie- und Schultergelenken auf

kDiagnoseBlutkultur(en) Entzuumlndungszeichen im Blut roumlntgenologische Un-tersuchung Szintigraphie und bei septischer Arthritis Sonographien und Gelenkpunktionen ermoumlglichen die Diagnosestellung Bei der Differenzialdiagnose muumlssen neben Frakturen und Paresen Weich-teilinfektionen sowie ossaumlre Veraumlnderungen durch intrauterine In-fektionen von der Osteomyelitis abgegrenzt werden

kTherapie PrognoseBei dem infrage kommenden Erregerspektrum empfiehlt sich eine antibiotische Initialbehandlung in Analogie zur Sepsistherapie zusaumltzlich sollte in jedem Fall ein staphylokokkenwirksames Medi-kament (z B Oxacillin) eingesetzt werden

Die Langzeitprognose der NeugeborenenosteomyelitisArthri-tis ist immer noch alles andere als zufriedenstellend Eine chronische Osteomyelitis Skelett- oder Knochendeformitaumlten und gestoumlrtes Knochenwachstum sind bei 25ndash50 aller Kinder zu erwarten

71012 Haut- und Weichteilinfektionen

kKlinikDas Spektrum neonataler Hautinfektionen die durch Bakterien Viren oder Pilze hervorgerufen werden reicht von unproblema-tischen lokalen Affektionen bis hin zu lebensgefaumlhrlichen Erkran-kungen

Pustuloumlse und bulloumlse Hautveraumlnderungen Die Impetigo neona-torum eine oberflaumlchliche pustuloumlse Pyodermie ist die haumlufigste Hautinfektion der Neugeborenenperiode Die Pusteln sind haumlufig in der Inguinalregion periumbilikal nuchal und retroaurikulaumlr zu fin-den Erreger Staph aureus Lokale Behandlungsmaszlignahmen sind ausreichend Kontaktinfektionen sind unbedingt zu vermeiden In der Differenzialdiagnose sind folgende Erkrankungen abzugrenzen Erythema toxicum neonatorum (roumltliche Flecken die von einer gelblichen Pustel besetzt sein koumlnnen treten am ganzen Koumlrper auf Direktpraumlparat der Pustel eosinophile Granulozyten) Milien (weiszlig-lich-gelbliche Talgretention an Nase Wange oder Stirn)

Eine weitere Staphylokokkenerkrankung ist die Impetigo bullosa oder Pemphigus neonatorum Durch intra- oder post-natale Besiedlung mit Staph aureus (Phagengruppe II Produktion des Exotoxins Exfoliatin) kann das Neugeborene diese ernste Hauterkrankung akquirieren Es bilden sich groumlszligere von einem roten Hof umgebene Blasen aus diese hinterlassen nach Platzen geroumltete naumlssende Hautstellen 3ndash5 Tage nach Erkrankungsbeginn tritt eine Desquamation von epidermalen Teilen auf (Nikolsky-Phaumlnomen negativ) Die schwerste Verlaufsform einer durch Staph-aureus-Enterotoxin ausgeloumlsten Hautinfektion ist die Dermatitis exfoliativa neonatorum (Ritter von Rittershain Abb 756) Im Bereich groszligflaumlchiger unscharf begrenzter Ery-theme entstehen nach Hautabloumlsung groszlige Wundflaumlchen (Nikolsky-Phaumlnomen positiv)

Abb 755 Ausgepraumlgte im MRT nachweisbare uumlberwiegend okzipital gelegene subkortikale Substanzdefekte bei einem Neugeborenem mit Meningoenzephalitis

7187711 middot Neugeborenenkraumlmpfe

kDifferenzialdiagnoseDie Differenzialdiagnose umfasst vesikulaumlre Effloreszenzen bei neo-nataler Herpes simplex Zytomegalie- und Varizelleninfektion sowie bulloumlse Veraumlnderungen bei der Lues connata (Pemphigus syphili-ticus)

kTherapieDie antibiotische Behandlung beider Verlaufsformen muss immer systemisch (intravenoumls) erfolgen Die Supportivtherapie der Derma-titis exfoliativa erfolgt nach den Prinzipien der Verbrennungsthera-pie Als Komplikationen sind die neonatale Sepsis Meningitis Osteomyelitis und andere Organmanifestationen gefuumlrchtet

71013 Omphalitis

kAumltiologieBevorzugter Erreger der Omphalitis ist Staph aureus aber auch andere Erreger der Neonatalperiode koumlnnen eine Nabelinfektion ausloumlsen Durch konsequente prophylaktische Nabelhygiene ist die-se Infektion selten geworden

kKlinikDie eitrige Entzuumlndung des Nabels manifestiert sich durch eine periumbilikale Roumltung derbe Infiltration und gegebenenfalls Ulze-ration Der Nabelgrund kann eitrig belegt sein haumlufig entleert sich purulentes Sekret Im Rahmen der Diagnostik werden Abstriche und Blutkulturen abgenommen sowie zur Verlaufskontrolle Ent-zuumlndungszeichen bestimmt Als Komplikationen koumlnnen eine Nabelphlegmone Nabelsepsis Infektion der Nabelgefaumlszlige u a auf-treten Die Therapie besteht in einer Lokalbehandlung und syste-misch intravenoumlsen Antibiotikatherapie

71014 Mastitis

kEpidemiologieEine Mastitis entwickelt sich in der Regel zwischen der 2 bis 3 Lebens woche weibliche Neugeborene erkranken haumlufiger als maumlnnliche Diese Erkrankung tritt vermutlich wegen der noch nicht entsprechend entwickelten Brustdruumlsen bei Fruumlhgeborenen nicht auf Eine beidseitige Affektion ist selten Haumlufigster Erreger ist Staph aureus zunehmend auch E coli und Streptokokken der Gruppe B Der Entstehungsmechanismus ist unklar es ist nicht auszuschlieszligen dass Manipulationen an der geschwollenen Brust die Infektion beguumlnstigen

kDiagnose TherapieDirektpraumlparat des Brustdruumlsensekrets und Abstriche Die Therapie erfolgt immer mit intravenoumlsen Antibiotika bei ausgepraumlgten Be-funden kann eine chirurgische Intervention notwendig werden Langzeitnachuntersuchungen lassen nicht ausschlieszligen dass einige der erkrankten Maumldchen ein vermindertes Brustgewebe auf der erkrankten Seite zuruumlckbehalten

Weitere recht haumlufige bakterielle Lokalinfektionen des Neuge-borenen sind

4 Kopfschwartenabszess (Verletzung durch CTG-Elektroden Erreger Staph aureus Streptokokken der Gruppe B u a Erreger neonataler Infektionen)

4 infiziertes Kephalhaumlmatom (s Kopfschwartenabszess) 4 Paronychien (wichtigste Erreger Staph aureus Streptokokken

der Gruppe B)

71015 Lokale Candidainfektionen

Der Mundsoor ist eine haumlufig auftretende Lokalinfektion des Neu-geborenen weiszligliche Belaumlge die im Gegensatz zu Milchresten nicht abwischbar sind kleiden uumlberwiegend die Wangenschleimhaut Neugeborener aus Diese Infektion mit Candida albicans wird ent-weder unter der Geburt oder durch postnatale Kontamination von verschiedenen Gegenstaumlnden uumlbertragen Sie verheilt unter konse-quenter lokaler antimykotischer Behandlung Eine Candidiasis tritt haumlufig auch als perianale intertriginoumlse Dermatitis auf neben blass-gelblichen makuloumlsen Veraumlnderungen finden sich feuerrote leicht schaumllende Areale Die Behandlung erfolgt durch orale und lokale Applikation von Antimykotika

71016 Neonataler Tetanus

In einigen Teilen der Welt stellt der neonatale Tetanus eine ernsthafte Bedrohung Neugeborener dar Von einer Infektion des Nabels ausge-hend entwickeln die Neugeborenen gegen Ende der ersten Lebens-woche Trinkschwaumlche muskulaumlre Hypertonie und generalisierte Spasmen Die akute Erkrankung kann nur durch neuromuskulaumlre Blockade und maschinelle Beatmung wirksam behandelt werden

71017 Ophthalmia neonatorum

7 Kap 33

711 Neugeborenenkraumlmpfe

kGrundlagenVon Krampfanfaumlllen spricht man wenn aufgrund einer voruumlberge-henden Beeintraumlchtigung der Hirnfunktion eine abnormale motori-sche undoder vegetative Aktivitaumlt mit oder ohne Aumlnderung der

Abb 756 Dermatitis exfoliativa neonatorum durch S aureus

Kapitel 7 middot Neonatologie188

7

Bewusstseinslage auftritt die von einer paroxysmalen elektrischen Aktivitaumlt des Gehirns begleitet wird Typisch fuumlr Neugeborene ist dass nicht alle als Krampfanfall imponierende motorische Aktivitauml-ten mit Veraumlnderungen des EEG einher gehen Da es bei Krampfan-faumlllen zu einer Auschuumlttung von Katecholaminen kommt sind sie oft mit autonom-vegetativen Phaumlnomenen wie Tachykardie und einem Blutdruckanstieg verbunden

gt Im Gegensatz zu Krampfanfaumlllen bei aumllteren Saumluglingen und Kindern sind Krampfanfaumllle beim Neugeborenen in der uumlberwiegenden Mehrzahl nicht idiopathisch sondern beruhen auf einer akuten zerebralen Funktionsstoumlrung

Die Inzidenz wird mit 05 aller Neugeborenen angegeben Die klinische Diagnose neonataler Kraumlmpfe ist nicht immer einfach aus diesem Grund ist immer eine genaue Beobachtung und Beschrei-bung der registrierten Phaumlnomene notwendig

kKlinikKlinisch koumlnnen spezifische Typen neonataler Anfaumllle unterschie-den werden 4 Klonische Kraumlmpfe rhythmische Zuckungen mit einer Fre-

quenz von 1ndash2 pro Sekunde wobei Hin- und Ruumlckbewegung von unterschiedlicher Geschwindigkeit sind (meist schnelle Hin- und langsamere Ruumlckbewegung) auf einer oder beiden Koumlrperseiten (fokal oder generalisiert)

4 Tonische Kraumlmpfe fokale tonische Anfaumllle manifestieren sich als einseitige anhaltende tonische Beugung oder Streckung einer Extremitaumlt des Halses oder Rumpfes Bei der generali-sierten Form betreffen diese Bewegungen beide Koumlrperseiten z T mit Streckung der Beine und Beugung der Arme

4 Myoklonische Kraumlmpfe Ploumltzlich einschieszligende rasche Kon-traktion eines Beugemuskels entweder fokal oder multifokal d h asynchrone alternierende Myoklonien unterschiedlicher Koumlrperteile Myoklonische Kraumlmpfe sind in der Regel ohne EEG-Veraumlnderungen Im Schlaf werden fokale Myoklonien bei Neugeborenen insbesondere bei Fruumlhgeborenen sehr haumlufig gesehen Diese Schlafmyoklonien sind physiologisch und kein Ausdruck einer Hirnfunktionsstoumlrung beim Erwecken der sbquoNeugeborenen sistieren sie unverzuumlglich

4 Subtile Kraumlmpfe orale Automatismen stereotype komplexe Bewegungsmuster wie Pedalieren der Beine tonische Augen-deviation Selten koumlnnen sich Kraumlmpfe auch als Apnoe praumlsen-tieren die dann in der Regel mit einer Tachykardie einhergeht (differenzialdiagnostisch wichtiges Kriterium zu anderen Apnoeformen)

kAumltiologie DiagnostikSehr verschiedene Grundkrankheiten koumlnnen sich mit Kraumlmpfen in der Neugeborenenperiode praumlsentieren und die Prognose der Kin-der wird in der Regel durch diese zugrundeliegenden Erkrankungen bestimmt Die basale Diagnostik bei Neugeborenenkraumlmpfen um-fasst neben der Anamnese und der klinischen Untersuchung be-stimmte Laboruntersuchungen (Blutzucker Elektrolyte Kalzium gr Blutbild Blutgasanalyse CRP Urinstatus) die Sonographie des Kopfes und das EEG Weitere Untersuchungen erfolgen entspre-chend spezifischer Auffaumllligkeiten

Ursache von Neugeborenenkrampfanfaumlllen 4 Akute metabolische Stoumlrungen

ndash Hypoglykaumlmie ndash Hypokalzaumlmie ndash Hyponatriaumlmie ndash Hypernatriaumlmie ndash Hypomagnesiaumlmie

4 Asphyxie 4 ZNS-Infektion

ndash Meningitis ndash Enzephalitis

4 Hirnblutung Hirninfarkt 4 Periventrikulaumlre Leukomalazie 4 Sinusvenenthrombose 4 Hirnfehlbildungen 4 Angeborene Stoffwechselerkrankungen

ndash Aminoazidopathien ndash Organoazidurien

4 Benigne Neugeborenenkraumlmpfe ndash Familiaumlr ndash Fifth-day fits (Kraumlmpfe am 5 Lebenstag) ndash Pyridoxinabhaumlngige Kraumlmpfe

4 Angeborene peroxisomale Erkrankungen 4 Neurokutane Sydrome 4 Toxine

ndash Bilirubin ndash Heroin ndash Kokain ndash Lokalanaumlsthetika

Akute metabolische Stoumlrungen Eine unverzuumlgliche Therapie dieser Stoumlrungen stellt die Erstmaszlignahme bei Neugeborenenkraumlmpfen dar

Asphyxie Dieses ist die haumlufigste Ursache fuumlr Krampfanfaumllle inner-halb der ersten 2 Lebenstage Das fruumlhe Auftreten innerhalb der ers-ten 4ndash6 h spricht fuumlr eine sehr schlechte Prognose

ZNS-Infektion Bei nicht sicher einzuordnenden Kraumlmpfen oder bei entsprechender klinischer Symptomatik ist immer eine Liquor-punktion indiziert Bei pathologischen Befunden differenzierte Diagnostik

Hirnblutungen Sowohl traumatisch bedingte Hirnblutungen reifer Neugeborener als auch intrazerebrale Blutungen bei Fruumlhgeborenen koumlnnen mit Krampfanfaumlllen einhergehen Bei Fruumlhgeborenen ist die sonographische Untersuchung ausreichend bei Reifgeborenen ist meist ein CT oder MRT notwendig

Hirnfehlbildungen Lissenzephalie Holoprosenzephalie Porenze-phalie Bei Verdacht im Ultraschallbild ist eine genaue weitergehen-de bildgebende Diagnostik erforderlich

Angeborene Stoffwechselerkrankungen Dieses sind vor allem Aminoazidopathien (Ahornsirupkrankheit Hyperglyzinaumlmie) oder Organoazidurien (Propionaziaumlmie) Aufgrund eines Abbau- oder Synthesedefektes kommt es zur Akkumulation toxischer Meta-bolite Die Symptome treten dann auf wenn die Kinder eine gewisse Nahrungsmenge erhalten haben oder sich in einer katabolen Stoff-wechselsituation befinden (Abbau von koumlrpereigenem Eiweiszlig) Toxinentfernung Begrenzung der Eiweiszligzufuhr und Beseitigung

7189712 middot Metabolische Stoumlrungen

der Katabolie sind die Hauptmaszlignahmen Diagnostik Ammoniak Laktat Blutzucker im Serum Ketonkoumlrper im Urin sofortige Asser-vierung von Urin zur spezifischen Diagnostik

Benigne Neugeborenenkraumlmpfe Ein recht groszliger Anteil der Kraumlmpfe in der Neugeborenenperiode sind benigner Natur Sie tre-ten in der ersten Lebenswoche auf sind transient und die Kinder entwickeln sich unauffaumlllig Die Diagnose erfolg per Ausschluss an-derer Ursachen Eine familiaumlre Form wird autosomal-dominant ver-erbt der Genort liegt auf Chromosom 20q Eine weitere Sonderform sind Kraumlmpfe die typischerweise am 5 Lebenstag auftreten (raquofifth-day fitslaquo) Die Ursache ist ungeklaumlrt die Bedeutung eines Zinkman-gels unklar Aumltiologisch unklare Kraumlmpfe sollten als Neugeborenen-kraumlmpfe ohne Dignitaumltsangabe bezeichnet werden erst die unauffaumll-lige weitere Entwicklung erlaubt es die Diagnose benigner Anfaumllle sicher zu stellen

Pyridoxinabhaumlngige Kraumlmpfe Diesem seltenen Krankheitsbild liegt wahrscheinlich ein GABA-Sythesedefekt zugrunde Die Krampfan-faumllle treten am ersten Lebenstag auf und sind gegenuumlber den uumlblichen Antikonvulsiva therapieresistent Vitamin B6 stellt einen Cofaktor fuumlr die Sythese von GABA dar und ist therapeutisch wirksam Trotz der Seltenheit dieses Krankheitsbildes ist bei therapieresistenten Krampf-anfaumlllen ein Behandlungsversuch mit Vitamin B6 sinnvoll

Angeborene peroxisomale Erkrankungen (Zellweger-Syndrom neonatale Adrenoleukodystrophie) Klinisch finden sich bei die-sen selteneren Erkrankungen in der Neonatalphase neben den Krampfanfaumlllen eine kraniofaziale Dysmorphie Muskelhypotonie Trinkschwaumlche Optikusatrophie oder Katarakt Die Diagnose er-folgt uumlber die Bestimmung biochemischer Marker im Blut insbe-sondere den sehr langen Fettsaumluren (VLFA)

Neurokutane Sydrome Diese angeborenen Erkrankungen koumlnnen selten ebenfalls mit Krampfanfaumlllen im Neugeborenenalter ein-hergehen Klinisch ist auf kutane Depigmentierungen (tuberoumlse Sklerose) Cafeacute-au-lait-Flecken (Neurofibromatose) oder faziale Portwein-Naevi (Sturge-Weber) zu achten

Toxine Die Bilirubinenzephalopathie ist eine Raritaumlt geworden Bei maternaler Heroineinnahme koumlnnen Neugeborenenkraumlmpfe als neonatales Entzugssyndrom auftreten Nach maternaler Kokain-einnahme kann es zu intrazerebralen Gefaumlszligverschluumlssen kommen Die akzidentelle Injektion eines Lokalanaumlsthetikums in den Fetus bei Pudendusanaumlsthesie kann zu Kraumlmpfen fuumlhren klinisch finden sich eine muskulaumlre Hypotonie und dilatierte Pupillen

kTherapieBei Neugeborenenkraumlmpfen muss Diagnostik und Therapie parallel erfolgen Da die Hypoglykaumlmie sofort behandelbar und ihre Folgen schwerwiegend sind erfolgt als erste Maszlignahme die Bestimmung des Blutzuckers als kapillaumlrer Schnelltest und sofort nach Blutab-nahme moumlglichst durch eine 2 Person Verabreichung von Glukose 10 iv 2 mlkg KG Unter der Glukosezufuhr sollte der Krampf-anfall beobachtet und beschrieben werden Krampftyp ein- oder beidseitig vegetative Symptome Dauer Anschlieszligend Blutab-nahme fuumlr Kalzium Natrium Magnesium und Kalium Wenn der Krampfanfall nicht innerhalb von einigen Minuten sistiert werden intravenoumls Antikonvulsiva verabreicht (Mittel der ersten Wahl Lorazepam Midazolam oder Clonazepam dann Phenobarbital und Phenytoin) Findet sich keine Krampfursache sollte bei persistieren-den Kraumlmpfen Pyridoxin (VitaminB6) verabreicht werden

712 Metabolische Stoumlrungen

7121 Hyperglykaumlmie

Eine Hyperglykaumlmie ist bei Neugeborenen wesentlich seltener als die Hypoglykaumlmie

kPathogeneseDie neonatale Hyperglykaumlmie kann verursacht werden durch eine zu hohe parenterale Glukosezufuhr durch eine eingeschraumlnkte Gluko-setoleranz z B bei Fruumlhgeborenen oder bei neonataler Sepsis Selten besteht ein transitorischer neonataler Diabetes mellitus

kKlinikDurch eine osmotische Diurese kommt es zur Dehydratation

kDiagnoseEin Blutzucker gt125 mgdl (7 mmoll) ist eine Hyperglykaumlmie Ebenfalls bestimmt werden sollten Serumelektrolyte Saumlure-Basen-Status Urinzucker Urinausscheidung und Veraumlnderungen des Koumlrpergewichts

kTherapieIn der Regel durch eine Reduktion der Glukosezufuhr

CaveEine Insulingabe sollte nur in Ausnahmefaumlllen erfolgen da die Insulintherapie bei Neugeborenen sehr schwer steuerbar ist

7122 Hypoglykaumlmie

kEpidemiologieEine symptomatische Hypoglykaumlmie ereignet sich bei 1ndash3 von 1000 Neugeborenen Deutlich houmlher ist das Hypoglykaumlmierisiko bei dystrophen Neugeborenen (5ndash15) und bei Fruumlhgeborenen Weite-re Risikofaktoren fuumlr eine Hypoglykaumlmie sind Hypothermie Hypo-xie muumltterlicher Gestationsdiabetes oder Diabetes mellitus und Polyzythaumlmie

kPathogeneseHypoglykaumlmien bei Neugeborenen koumlnnen folgende Ursachen haben 4 Der Glukoseverbrauch uumlbersteigt die Glukosezufuhr bzw die

Glukoseproduktion Da Neugeborene nur einen geringen Glykogenvorrat (1 des Koumlrpergewichts) haben kommt es bei Ausbleiben einer exogenen Glukosezufuhr rasch zu Hypo-glykaumlmien Dies ist die haumlufigste Ursache von Hypoglykaumlmien beim Neugeborenen

4 Ein Hyperinsulinismus liegt bei Kindern diabetischer Muumltter (transient) beim Beckwith-Wiedemann-Syndrom und bei der Nesidioblastose (diffuse Inselzellhyperplasie) vor

4 Kongenitale Stoffwechseldefekte Aminosaumlurestoffwechsel-stoumlrungen (z B Ahornsirupkrankheit) stoumlren die Glukoneoge-nese Glykogenspeicherkrankheiten Galaktosaumlmie und Fruk-toseintoleranz verringern die Verfuumlgbarkeit von Glukose aus Glykogen

4 Polyglobulie Die Ursache der Hypoglykaumlmien bei Polyglobu-lie ist nicht bekannt

Kapitel 7 middot Neonatologie190

7

kKlinikDie Symptome der Hypoglykaumlmie sind unspezifisch und umfassen Zittrigkeit Apathie Krampfanfaumllle Apnoen muskulaumlre Hypotonie und Trinkschwaumlche

kDiagnoseDie Definition der Hypoglykaumlmie beim Neugeborenen ist schwierig da Neugeborene auch bei niedrigen Blutzuckerwerten haumlufig asym-ptomatisch sind

Laborchemische Definition der Hypoglykaumlmie 4 FruumlhgeboreneReifgeborene (gt24 h) Plasmaglukose

lt35 mgdl 4 FruumlhgeboreneReifgeborene (gt24 h) Plasmaglukose

lt45 mgdl

Risikokinder sollten eine Blutzuckerbestimmung 1 h postnatal er-halten und danach 3-stuumlndliche Blutzuckerkontrollen fuumlr die naumlchs-ten 24 h Bei persistierender Hypoglykaumlmie sollte nach einem ange-borenen Stoffwechseldefekt gesucht und Insulin Kortisol und Wachstumshormon bestimmt werden

kTherapieBei einer Hypoglykaumlmie mit klinischer Symptomatik erfolgt die int-ravenoumlse Gabe von 2 mlkg KG Glukose 10 uumlber 10 min gefolgt von einer Glukoseinfusion mit 8 mg Glukosekg KGmin Neugebo-rene mit besonderem Risiko fuumlr eine Hypoglykaumlmie sollten eine Fruumlhfuumltterung mit Glukose 5 oder Dextrinloumlsungen erhalten

kPrognoseWenn die Hypoglykaumlmie nur kurz dauert ist die Prognose gut Prolongierte oder tiefe Hypoglykaumlmien sind mit neurologischen Folgeschaumlden assoziiert

7123 Fetopathia diabetica

kPathogeneseBei optimaler Einstellung und Uumlberwachung des muumltterlichen Dia-betes mellitus waumlhrend der Schwangerschaft kann sich die fetale intrauterine Entwicklung voumlllig normal vollziehen Bei schlechter Einstellung besteht ein deutlich erhoumlhtes Risiko fuumlr den Feten intra-uterin zu versterben die Neugeborenen sind entweder makrosom oder hypotroph und weisen eine Reihe schwerwiegender postnata-ler Adaptionsstoumlrungen auf Da Glukose ungehindert durch die Pla-zenta diffundiert fuumlhrt eine anhaltende muumltterliche Hyperglykaumlmie zu erhoumlhten Blutzuckerkonzentrationen beim Feten der als Folge mit einem kompensatorischen Hyperinsulinismus reagiert Dieser Hyperinsulininismus ist fuumlr das typische Organwachstum der mak-rosomen Neugeborenen verantwortlich Bei einer schweren diabe-tischen Plazentainsuffizienz koumlnnen Neugeborene aber auch eine ausgepraumlgte Hypotrophie aufweisen Die Neugeborenen sind post-natal extrem Hypoglykaumlmiegefaumlhrdet da sich der Hyperinsulinis-mus nur langsam zuruumlckbildet

Das klinische Bild ist aumluszligerst eindrucksvoll und durch eine Rei-he von Funktionsstoumlrungen charakterisiert 4 Makrosomie cushingoides Aussehen 4 Hepatomegalie hypertrophe Kardiomyophathie (Glykogenein-

lagerungen) 4 Atemnotsyndrom durch beeintraumlchtigte Surfactantproduktion

4 Plethora Polyzythaumlmie Hyperviskositaumltssyndrom Hyperbilirubinaumlmie

4 Geburtstraumatische Komplikationen Plexuslaumlhmung Asphyxie u a

4 metabolische Entgleisungen Hypoglykaumlmie Hypokalzaumlmie Hypomagnesiaumlmie

4 evtl Fehlbildungen kaudales Regressionssyndrom Mikrokolon Vitium cordis

kTherapieZeitgerechte und konsequente Behandlung aller klinischen und metabolischen Stoumlrungen

7124 Hypokalzaumlmie

Je unreifer ein Neugeborenes ist desto haumlufiger tritt eine Hypokalzauml-mie auf

kPathogeneseAls Ursache fuumlr die fruumlhe Hypokalzaumlmie (Lebenstag 1ndash3) wird die nach der Geburt ploumltzlich ausbleibende hohe intrauterine Kalzium-zufuhr angenommen Ein erhoumlhtes Hypokalzaumlmierisiko besteht bei Kindern diabetischer Muumltter bei Sepsis und nach Asphyxie Die spauml-te Hypokalzaumlmie (nach dem 3 Lebenstag) kann durch hohe Phos-phatzufuhr mit der Nahrung bei verfruumlhter Kuhmilchfuumltterung oder durch Vitamin-D-Mangel verursacht werden

kKlinikLaborchemisch liegt eine Hypokalzaumlmie vor wenn das Serum-kalzium lt18 mmoll ist Die klinischen Symptome der Hypokal-zaumlmie sind unspezifisch (Zittrigkeit Tremor Hyperexzitaumlbilitaumlt oder Krampfanfaumllle) Die fruumlhe Hypokalzaumlmie ist meist asymptoma-tisch

kDifferenzialdiagnoseHypoglykaumlmie Hypomagnesiaumlmie

kTherapieBei klinischer Symptomatik langsame intravenoumlse Gabe von 1ndash2 mlkg KG Kalziumglukonat 10 Bei asymptomatischer Hypo-kalzaumlmie Erhoumlhung der taumlglichen Kalziumzufuhr auf 5ndash10 mlkg Kalziumglukonat

CaveSchnelle intravenoumlse Kalziumgabe fuumlhrt zur Bradykardie Paravenoumlse Kalziumgabe fuumlhrt zu schweren Gewebsnek-rosen

Persistiert die Symptomatik trotz Kalziumsubstitution kann eine Hypomagnesiaumlmie vorliegen

713 Spezielle Aspekte der Ernaumlhrung Fruumlh- und Neugeborener

7131 Naumlhrstoffbedarf

Der Fluumlssigkeitsbedarf des Neugeborenen ist deutlich houmlher als beim Erwachsenen weil der Wasserumsatz des Neugeborenen we-gen der geringeren Konzentrationsfaumlhigkeit der Niere des hohen insensiblen Wasserverlustes uumlber Haut und Lunge und des hohen Energieumsatzes sehr hoch ist

7191Literatur

Der Kalorien- und Eiweiszligbedarf des Neugeborenen ist wegen des raschen Wachstums ebenfalls houmlher als beim Erwachsenen ( Tab 719)

7132 Ernaumlhrung des reifen Neugeborenen

Die optimale Ernaumlhrung fuumlr das reife Neugeborene ist Muttermilch Um die Muttermilchproduktion anzuregen soll das Neugeborene anfangs alle 3ndash4 h an beiden Bruumlsten saugen Mit zunehmender Muttermilchmenge muss kein starrer Stillrhythmus mehr eingehal-ten werden sondern das Kind wird dann angelegt wenn es Hunger hat Die Muttermilchmenge deckt in der Regel am Ende der 1 Le-benswoche den Bedarf des Neugeborenen

gt Das reife Neugeborene soll in den ersten Lebenstagen zusaumltzlich zum regelmaumlszligigen Anlegen an der Brust nur Fluumlssigkeit angeboten bekommen bei normalem Anstieg der Muttermilchmenge ist keine Zufuumltterung von Milch-nahrung notwendig

7133 Ernaumlhrung des Fruumlhgeborenen

Aktivitaumlt von Verdauungsenzymen ist im Gastrointestinaltrakt be-reits ab 20 Schwangerschaftswochen nachzuweisen Deshalb ist die Resorption von kurzkettigen Kohlenhydraten und Protein auch bei unreifen Fruumlhgeborenen gut Fett wird allerdings von Fruumlhgebore-nen wegen geringer Lipaseaktivitaumlt und geringer Gallensaumlurenmen-ge nur unvollstaumlndig resorbiert

Auch wenn Saugbewegungen intrauterin bereits mit 22 Gestati-onswochen stattfinden wird eine effektive Saug-Schluck-Koordina-tion erst mit 32ndash34 Gestationswochen erreicht Auch die koordinier-te antegrade Peristaltik im Magen-Darm-Trakt entwickelt sich in diesem Zeitraum erst allmaumlhlich ( Abb 725)

Bei unreiferen Fruumlhgeborenen muss deshalb mit sehr kleinen Nahrungsmengen (3ndash5 ml pro Mahlzeit) begonnen und die Nah-rung in den Magen sondiert werden bis das Kind die Faumlhigkeit selbst zu trinken entwickelt hat

Die beste enterale Nahrung ist auch fuumlr das Fruumlhgeborene Muttermilch die allerdings wegen des hohen Naumlhrstoffbedarfs Fruumlhgeborener mit Kalorien Protein und Mineralstoffen angerei-

chert werden muss Da Fruumlhgeborene anfangs nur sehr kleine e nterale Nahrungsmengen vertragen ist eine zusaumltzliche parente-rale Ernaumlhrung notwendig bis der enterale Nahrungsaufbau voll-staumlndig ist

Literatur

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Tab 719 Bedarf an Fluumlssigkeit und Naumlhrstoffen von Fruumlh- und Neugeborenen in den ersten Lebenswochen im Vergleich zum Erwachsenen

Fruumlh-geborenes

Reif-geborenes

Erwachsener

Fluumlssigkeit [mlkg KGTag]

180 130 40ndash50

Kalorien [kcalkg KGTag]

130 110 30ndash40

Protein [gkg KGTag]

3 2ndash3 08

Gewichtszunahme [gkg KGTag]

15 8 0

Abb 757 Entwicklung der gastrointestinalen Motorik

  • III13Neonatologie und paumldiatrische Intensivmedizin
    • 713Neonatologie
      • Definitionen
      • Postnatale Adaptation
        • Lunge
        • Herz und Kreislauf
        • Temperaturregulation
        • Niere
        • Gastrointestinaltrakt
        • Eltern-Kind-Beziehung
        • Beurteilung der postnatalen Adaptation (Apgar-Schema)
        • Akut lebensbedrohliche Fehlbildungen der Neugeborenenperiode
          • Untersuchung des Neugeborenen
            • Zeitpunkte der Neugeborenenuntersuchung
            • Durchfuumlhrung der Neugeborenenuntersuchung
            • Neurologische Neugeborenenuntersuchung
            • Bestimmung der somatischen Reifezeichen
              • Reanimation Fruumlhund Neugeborener
                • Voraussetzungen zur Reanimation
                • Maszlignahmen der Neugeborenenreanimation
                  • Perinatale Schaumlden und ihre Folgen
                    • Asphyxie
                    • Hypoxisch-ischaumlmische Enzephalopathie (HIE)
                    • Geburtstraumatische Schaumlden
                      • Das Fruumlhgeborene
                        • Das Atemnotsyndrom Fruumlhgeborener
                        • Persistierender Ductus arteriosus (PDA)
                        • Wilson-Mikity-Syndrom
                        • Bronchopulmonale Dysplasie
                        • Retinopathia praematurorum
                        • Hirnblutungen des Fruumlhgeborenen
                        • Germinale Matrixblutung des Fruumlhgeborenen
                        • Andere intrazerebrale Blutungen bei Fruumlhgeborenen
                        • Periventrikulaumlre Leukomalazie
                        • Apnoen bei Fruumlhgeborenen
                          • Lungenerkrankungen des Neugeborenen
                            • Transitorische Tachypnoe
                            • Mekoniumaspirationssyndrom
                            • Pneumothorax
                            • Kongenitales lobaumlres Emphysem
                            • Lungenhypoplasie
                            • Zwerchfellhernie (Enterothorax)
                            • Neonatale Pneumonien
                            • Persistierende pulmonale Hypertonie (persistierende fetale Zirkulation)
                            • Lungenblutung
                            • Chylothorax
                            • Obstruktion der oberen Atemwege
                              • Bluterkrankungen
                                • Fetale Erythropoese
                                • Neonatale Anaumlmie
                                • Anaumlmie Fruumlhgeborener
                                • Polyzythaumlmie Hyperviskositaumltssyndrom
                                • Icterus neonatorum und Hyperbilirubinaumlmie
                                • Physiologischer Ikterus
                                • Muttermilchikterus
                                • Ikterus bei Fruumlhgeborenen
                                • Pathologische Hyperbilirubinaumlmie
                                • Morbus haemolyticus neonatorum
                                • Kernikterus Bilirubinenzephalopathie
                                • AB0-Erythroblastose
                                • Rh-Erythroblastose
                                • Weitere haumlmolytische Erkrankungen
                                • Direkte Hyperbilirubinaumlmie
                                • Weiszliges Blutbild Neugeborener
                                • Neonatale Thrombozytopenie
                                • Neonatale Alloimmunthrombozytopenie
                                • Koagulopathien
                                • Morbus haemorrhagicus neonatorum (Vitamin-K-Mangel)
                                  • Nekrotisierende Enterokolitis
                                  • Fetale und neonatale Infektionen
                                    • Besonderheiten des Immunsystems Neugeborener
                                    • Nichtbakterielle konnatale Infektionen
                                    • Roumlteln
                                    • Zytomegalie
                                    • Herpes simplex
                                    • Varizella-Zoster-Virus
                                    • Weitere konnatale Virusinfektionen
                                    • Toxoplasmose
                                    • Neugeborenensepsis
                                    • Meningitis
                                    • Osteomyelitis und septische Arthritis
                                    • Hautund Weichteilinfektionen
                                    • Omphalitis
                                    • Mastitis
                                    • Lokale Candidainfektionen
                                    • Neonataler Tetanus
                                    • Ophthalmia neonatorum
                                      • Neugeborenenkraumlmpfe
                                      • Metabolische Stoumlrungen
                                        • Hyperglykaumlmie
                                        • Hypoglykaumlmie
                                        • Fetopathia diabetica
                                        • Hypokalzaumlmie
                                          • Spezielle Aspekte der Ernaumlhrung Fruumlhund Neugeborener
                                            • Naumlhrstoffbedarf
                                            • Ernaumlhrung des reifen Neugeborenen
                                            • Ernaumlhrung des Fruumlhgeborenen
Page 7: Neonatologie - Springer...7.8.5 Icterus neonatorum und Hyperbilirubinämie – 168 7.8.6 Physiologischer Ikterus – 169 7.8.7 Muttermilchikterus – 169 7.8.8 Ikterus bei Frühgeborenen

713173 middot Untersuchung des Neugeborenen

727 Beurteilung der postnatalen Adaptation (Apgar-Schema)

Zur Beurteilung der postnatalen Adaptation hat sich das von der amerikanischen Anaumlsthesistin Virginia Apgar eingefuumlhrte Apgar-Schema ohne Zweifel bewaumlhrt ( Tab 73) Dr Apgarrsquos primaumlres Ziel war es Neugeborene zu identifizieren die unmittelbar postnatal deprimiert waren und eine unverzuumlgliche Hilfe benoumltigten

gt Der Apgar-Wert wird 1 5 und 10 min nach der Geburt erhoben

Der 1-min-Apgar-Wert dient zur Identifikation der Neugeborenen die sofortiger Hilfe beduumlrfen Fuumlr die neonatale Mortalitaumlt und spaumltere neurologische Morbiditaumlt kommt dem 5-min Apgar-Score eine gewisse prognostische Bedeutung zu

728 Akut lebensbedrohliche Fehlbildungen der Neugeborenenperiode

2ndash3 der Neugeborenen haben angeborene Fehlbildungen die mit bedeutsamer Behinderung einhergehen oder lebensbedrohend sind 3ndash4 der Neugeborenen haben geringfuumlgige Fehlbildungen Durch die praumlnatale Ultraschalldiagnostik koumlnnen zahlreiche angeborene Fehlbildungen bereits vor der Geburt erkannt werden ( Abb 74) Bei intrauteriner Diagnose einer angeborenen Fehlbildung sollten die Eltern von Geburtshelfern Neonatologen und Kinderchirurgen gemeinsam beraten werden und der Geburtsmodus und das post-natale Vorgehen festgelegt werden

73 Untersuchung des Neugeborenen

731 Zeitpunkte der Neugeborenenuntersuchung

4 Bei jedem Neugeborenen werden vorgeschriebene Vorsorge-untersuchungen gemacht

4 die U1 in den ersten 4 Lebensstunden 4 die U2 im Alter von 3ndash10 Tagen 4 die U3 am Ende der Neonatalperiode im Alter von

4ndash6 Wochen

Auszligerdem hat sich eine zusaumltzliche Untersuchung im spaumlteren Ver-lauf des 1 Lebenstages als nuumltzlich erwiesen Jeder Untersuchungs-zeitpunkt hat eigene Untersuchungsschwerpunkte und beinhaltet zusaumltzliche praumlventive Maszlignahmen

732 Durchfuumlhrung der Neugeborenenuntersuchung

AnamneseZuerst sollte die Schwangerschafts- und Geburtsanamnese er-hoben werden 4 Alter der Mutter Anzahl und Ausgang vorausgegangener

Schwangerschaften 4 jetzige Schwangerschaft Dauer Komplikationen oder

Erkrankungen der Mutter in der Schwangerschaft Medi-kamente Blutgruppe der Mutter Schwangerenvorsorge Mutterpass

4 Geburtsmodus Geburtsdauer Risikofaktoren fuumlr eine Amnion infektion (vorzeitiger Blasensprung Fieber bei Ge-burt) Fruchtwasser Nabelarterien-pH

4 Erstversorgung Apgar-Score

Tab 73 Apgar-Schema zur Beurteilung der postnatalen Adaptation

0 Punkte 1 Punkt 2 Punkte

Aussehen Hautfarbe Blass oder zyanotisch Stamm rosig Akrozyanose Ganz rosig

Puls (Herzfrequenz) Keine lt100min gt100min

Gesichtsmimik bei Stimulation Keine Grimassieren Schreien

Aktivitaumlt (Muskeltonus) Schlaff Geringe Extremitaumltenflexion Kraumlftig aktive Bewegung

Respiration (Atmung)Bestimmung nach 12 und 10 min Keine Langsam unregelmaumlszligig Regelmaumlszligig kraumlftig

Abb 74a b Praumlnatale Diagnose eines fetalen Spaltfuszliges mit Hilfe der 3-D-Sonographie (a) klinischer Befund nach der Geburt (b)

a b

Exkurs

Neugeborenenscreening auf Stoffwechselstoumlrungen

Am 5 Lebenstag wird bei allen Neugeborenen ein Screening auf folgende angeborene Stoffwechselstoumlrungen durchgefuumlhrt (7 Kap 51)

4 Hypothyreose (14000 Lebendgeborene) Messung der TSH-Konzentration

4 Phenylketonurie (17000 Lebendgeborene) semiquantitative Bestimmung des Phenylalaninspiegels

4 Galaktosaumlmie (140000 Lebendgeborene) semiquantitative Bestimmung der Uridyltransferaseaktivitaumlt

Kapitel 7 middot Neonatologie132

7

UntersuchungsablaufDie Qualitaumlt einer Neugeborenenuntersuchung haumlngt vom Koumlnnen und der Erfahrung des Untersuchers ab sie erfordert ausreichend Zeit und ein Eingehen auf das Neugeborene und seine Eltern

10 Grundregeln fuumlr die Neugeborenenuntersuchung 4 1 Die Untersuchung soll in einem warmen Raum auf

einer warmen Unterlage erfolgen 4 2 Das Licht soll hell aber nicht grell sein 4 3 Zur Untersuchung soll das Neugeborene vollstaumlndig

entkleidet werden 4 4 Der beste Untersuchungszeitpunkt ist 2ndash3 h nach der

letzten Mahlzeit wenn das Neugeborene wach aber ruhig ist

4 5 Die Eltern sollen bei der Untersuchung anwesend sein 4 6 Das Neugeborene soll immer erst in Ruhe beobachtet

werden bevor Untersuchungen vorgenommen werden 4 7 Immer mit den Untersuchungen beginnen die das

Neugeborene am wenigsten irritieren und belasten 4 8 Bei der Untersuchung soll mit dem Neugeborenen ge-

sprochen werden und nicht nur uumlber das Neugeborene 4 9 Auch harmlose Befunde die aber unerfahrene Eltern

beunruhigen koumlnnen sollen erklaumlrt und demonstriert werden (z B Fuumlhlen der Fontanelle)

4 10 Alle Fragen der Eltern sollen in Ruhe und ausfuumlhrlich beantwortet werden

Der Ablauf der koumlrperlichen Untersuchung soll flexibel dem ein-zelnen Neugeborenen angepasst werden Folgende prinzipielle Vor-gehensweise hat sich bewaumlhrt zuerst wird das Neugeborene be-obachtet ohne es durch raquoAnfassenlaquo zu irritieren Dabei werden Aussehen Spontanatmung Spontanhaltung und Spontanmotorik beurteilt Solange das Neugeborene noch ruhig ist erfolgt danach die Auskultation von Herz und Lunge Die weitere Untersuchung er-folgt vom Kopf zu den Zehen

gt Zur Neugeborenenuntersuchung gehoumlren neben der allgemeinen koumlrperlichen Untersuchung die Bestimmung der somatischen Reifezeichen die Suche nach Geburts-verletzungen und nach Fehlbildungen

Untersuchung der einzelnen KoumlrperregionenIn diesem Abschnitt sind wichtige Untersuchungsinhalte und haumlufi-ge Befunde fuumlr die einzelnen Koumlrperregionen des Neugeborenen aufgefuumlhrt ( Tab 74) Geburtsverletzungen (7 Abschn 753) und Dysmorphiezeichen sind andernorts abgehandelt

Haut Akrozyanose (haumlufig bei kalten Haumlnden Fuumlszligen) zentrale Zyanose (Zunge) Blaumlsse Plethora Oumldeme marmoriertes Haut-kolorit graues Munddreieck Ikterus 4 Storchenbiss (Naevus simplex) angeborene Teleangiektasien

symmetrisch auf Stirn Oberlidern Nase Oberlippe und im Nacken die im Gesicht meist bis zum 3 Lebensjahr verschwin-den im Nacken aber haumlufig persistieren Differenzialdiagnose Naevus flammeus Haumlmangiome

4 Milien zahlreiche punktfoumlrmige weiszlige Papeln auf dem Nasen-ruumlcken und am Kinn durch transiente Keratinzysten Milien verschwinden ohne Therapie

4 Waschfrauenhaumlnde Schuppung und Abschilferung der Haut an Handinnenflaumlchen und Fuszligsohlen bei Uumlbertragung oder Plazentainsuffizienz

4 Neugeborenenexanthem (Erythema toxicum neonatorum) nichtinfektioumlse transiente erythematoumlse Makulae zum Teil mit zentraler gelblicher Papel die meist am Stamm zwischen dem 3 und 7 Lebenstag auftreten ( Abb 75) Im Direktpraumlparat im Wesentlichen eosinophile Granulozyten Differenzialdiag-nose Staphylodermie

4 Transiente neonatale pustuloumlse Melanose Dabei handelt es sich vermutlich um eine selten auftretende Variante des Ery-thema toxicum neonatorum Die Pusteln und Vesikel sind be-reits bei der Geburt vorhanden und nicht von einem erythema-toumlsen Hof umgeben Die abgeheilten Laumlsionen hinterlassen oft hyperpigmentierte Maculae die fuumlr 2ndash3 Monate persistieren koumlnnen ( Abb 76)

Kopf Messung des frontookzipitalen Kopfumfangs (Makrozephalie Mikrozephalie) Groumlszlige und Konsistenz der Fontanellen Schaumldel-naumlhte Die Schaumldelform ist abhaumlngig vom Geburtsmodus nach vagi-naler Entbindung sind haumlufig die Scheitelbeine uumlber die Stirnbeine geschoben

Tab 74 Haumlufige Befunde bei der koumlrperlichen Untersuchung des Neugeborenen

Koumlrperregion Haumlufige Befunde

Haut raquoStorchenbisslaquo Milien Waschfrauenhaumlnde Neugeborenenexanthem

Kopf Geburtsgeschwulst Kephalhaumlmatom

Augen Subkonjunktivale Einblutung Konjunktivitis

Mund Retentionszysten (Epstein-Perlen)

Hals Haumlmatom des M sternocleidomastoideus

Thorax Klavikulafraktur Brustdruumlsenschwellungen

Nabel Naumlssender Nabel Nabelgranulom

Weibliches Genitale Vaginalsekretion Hymenalpolyp

Maumlnnliches Genitale

Physiologische Phimose unvollstaumlndiger Descensus testis

Extremitaumlten Huumlftdysplasie Polydaktylie 4-Fingerfurche Sichelfuszlighaltung

Wirbelsaumlule Lumbosakrales Hautgruumlbchen

Abb 75 Neugeborenenexanthem

713373 middot Untersuchung des Neugeborenen

4 Geburtsgeschwulst oumldematoumls-teigige Kopfhautschwellung meist parietookzipital verschwindet in den ersten Lebens-tagen

4 Kephalhaumlmatom prallelastische Schwellung die durch die Schaumldelnaumlhte begrenzt wird nach subperiostaler Einblutung haumlufig parietookzipital kann uumlber Monate persistieren und am Rand verknoumlchern die raquoVerknoumlcherunglaquo loumlst sich in der Regel bis zum Ende des 1 Lebensjahres wieder auf

Augen Roter Pupillenreflex Konjunktivitis Kolobom Stellung der Lidachsen Kongenitale Katarakt bei direktem Lichteinfall Leuko-korie (weiszliglicher Pupillenreflex) bei seitlichem Lichteinfall raquoPupil-lentruumlbunglaquo Normal sind symmetrische Stellung und koordinierte Bewegungen Bei ploumltzlichem hellen Licht schlieszligt das Neugeborene geblendet die Augen 4 Subkonjunktivale Einblutungen entstehen durch den Press-

druck unter der Geburt harmlos 4 Konjunktivitis meist nichtinfektioumls durch chemische oder

physikalische Irritation Differenzialdiagnose infektioumlse Konjunktivitis (Chlamydien)

gt Das Neugeborene oumlffnet oft spontan die Augen wenn es aufrecht gehalten wird

Mund Physiologische Retrogenie auf Spaltbildungen in Lippen Kiefer hartem und weichem Gaumen achten Mikrogenie Retroge-nie Glossophthose Pierre-Robin-Sequenz raquoneonatalelaquo Zaumlhne 4 Retentionszysten (Epstein-Perlen) weiszligliche Knoumltchen laumlngs

der Mittellinie am Gaumen oder den Zahnleisten 4 Bednarrsquosche Aphthen ulzerative Laumlsionen am Gaumenbogen

aumltiologisch unklare in den ersten Lebenstagen auftretende zT eindrucksvolle ulzerative Laumlsionen transient keine Therapie

Hals Schiefhals Struma Halszysten 4 Sternocleidomastoideushaumlmatom kirschgroszlige harte

schmerzlose Verdickung im Muskel nach geburtstraumatisch bedingter Einblutung Die nachfolgende Vernarbung kann zum Schiefhals fuumlhren mit Neigung des Kopfes zur kranken und Drehung des Kopfes zur gesunden Seite Physiotherapie

Thorax Brustkorb fast kreisrund Rippen weich 4 Brustdruumlsenschwellung treten zwischen dem 3 und 7 Lebens-

tag meist beidseits bei maumlnnlichen und weiblichen Neugebore-nen auf Roumltung und Uumlberwaumlrmung ist moumlglich es kann sogar

zu einer kolostrumaumlhnlichen Sekretion kommen (raquoHexen-milchlaquo) Ursache sind diaplazentar uumlbergetretene muumltterliche Hormone ( Abb 77) Differenzialdiagnose eitrige Mastitis

4 Klavikulafraktur Schmerzempfindung im Bereich der betrof-fenen Schulterregion Schonung des Arms auf der betroffenen Seite nach einer Woche tastbarer Kugelkallus

Herz und Kreislauf Zyanose Blaumlsse Oumldeme Lage des Herzspitzen-stoszliges periphere Pulse an oberer und unterer Extremitaumlt Herz-frequenz und Herzrhythmus Blutdruck Herztoumlne Herzgeraumlusch ( Tab 75) Systolische Herzgeraumlusche in den ersten Lebenstagen sind haumlufig funktionell oder durch einen noch nicht komplett ver-schlossenen Ductus arteriosus verursacht und verschwinden haumlufig nach einigen Tagen Nur 8 der Neugeborenen mit einem Herz-geraumlusch haben ein Vitium cordis

CaveFehlende Pulse an der unteren Extremitaumlt sind pathognomonisch fuumlr eine Aortenisthmusstenose

Lunge Die Atemfrequenz liegt in Ruhe zwischen 22ndash40min Bauchatmung und pueriles Atemgeraumlusch mit houmlrbarem Exspiri-um sind beim Neugeborenen physiologisch Dyspnoezeichen sind Nasenfluumlgeln (Erweiterung der Nasenloumlcher bei der Einatmung) Einziehungen (interkostal subkostal jugulaumlr) Stridor und exspira-torisches Stoumlhnen

Abb 76 Transitorische neonatale pustuloumlse Melanose die bereits bei der Geburt des Neugeborenen nachweisbar war

Abb 77 Brustdruumlsenschwellungen und kolostrumaumlhnliche Sekretion (raquoHexenmilchlaquo) bei einem Neugeborenen

Tab 75 Wichtige Normalwerte bei reifen Neugeborenen

Koumlrpergewicht [g] 3500 (3000ndash4300)

Laumlnge [cm] 50 (46ndash58)

Frontookzipitaler Kopfumfang [cm] 34 (325ndash365)

Herzfrequenz [min] 125 (70ndash190)

Atemfrequenz [min] 30 (22ndash40)

Systolischer Blutdruck [mmHg] 60 (50ndash70)

Diastolischer Blutdruck [mmHg] 35 (28ndash45)

50 Perzentile (10ndash90 Perzentile)

Kapitel 7 middot Neonatologie134

7

Abdomen Das Abdomen des Neugeborenen ist ausladend da die Bauchwandmuskulatur schwach ausgepraumlgt ist haumlufig besteht eine Rektusdiastase Lebergroumlszlige (normal bis 2 cm unter dem Rippen-bogen) Milzgroumlszlige Lage und Aussehen der Analoumlffnung Abdomen-distension und Abwehrspannung sollten untersucht werden 4 Zystische abdominelle Tumoren Hydronephrose multizys-

tisch-dysplastische Nieren Nebennierenblutung Hydrometro-kolpos Darmduplikaturen Choledochuszyste Ovarialzyste

4 Solide abdominelle Tumoren Neuroblastom Wilms-Tumor Teratom Nierenvenenthrombose Pylorushypertrophie

Nabel Sekretion Roumltung Hernie Normalerweise trocknet die Nabelschnur bis zum 6ndash10 Lebenstag ein und faumlllt dann ab

4 Naumlssender Nabel nach Abfallen des Nabelstumpfes auftretende geringe seroumlse Sekretion aus dem Nabel ohne Roumltung Falls 2 Wochen nach dem Abfallen der Nabelschnur der Nabel weiter sezerniert kommen folgende Differenzialdiagnosen in Frage

4 Nabelgranulom am Nabelgrund mit seroumls-blutiger Sekretion 4 Ductus omphaloentericus (zwischen Nabel und Darm) oder

Urachusfistel (zwischen Nabel und Blase) 4 Omphalitis Roumltung und Schwellung des Nabelrings mit

eitriger Sekretion

gt Der Nabel soll nicht mit Puder oder Nabelbinde versorgt sondern unverbunden und trocken belassen werden

Maumlnnliches Genitale Hydrozele Hypospadie Hoden tastbar im Skrotum oder im Leistenkanal Hodengroumlszlige 4 Phimose ist beim Neugeborenen physiologisch

Weibliches Genitale Klitorisgroumlszlige Vaginalsekretion ( Abb 78) 4 Hymenalpolyp Zipfel des hypertrophierten Hymens der aus

der Scheide ragt ndash Normvariante 4 Vaginalsekretion weiszligliches manchmal leicht blutiges Sekret

bei Abstoszligung des durch muumltterliche Hormone proliferierten Endometriums

Extremitaumlten Beweglichkeit Schonhaltung Beinlaumlngendifferenz Huumlftdysplasie 4 Kongenitale Huumlftdysplasie Bei kongenitaler Huumlftdysplasie

sind klinische Zeichen wie Abspreizhemmung der Oberschen-

kel Faltenasymmetrie oder Beinlaumlngendifferenz nicht zuverlaumls-sig Der Ortolani-Test (Ausrenken und Wiedereinrenken der dysplastischen Huumlfte) wird heute nicht mehr empfohlen Bei klinischer Untersuchung auf Instabilitaumlt der Huumlften achten

gt Die adaumlquate Diagnostik zum Ausschluss einer Huumlft-dysplasie ist heute die Ultraschalluntersuchung der Huumlfte

4 Polydaktylie uumlberzaumlhlige haumlufig rudimentaumlre Finger oder Zehen

4 Vierfingerfurche einzelne die gesamte Plantarflaumlche durch-ziehende Furche Kommt bei 5 der Normalbevoumllkerung vor kann jedoch ein unspezifisches Hinweiszeichen auf eine Chromosomenstoumlrung z B Trisomie 21 sein

4 Sichelfuszlighaltung (Pes adductus et supinatus) Supinations-stellung des Vorfuszliges bedingt durch intrauterine Haltung Durch Stimulation der Fuszligauszligenkante vom Neugeborenen aktiv ausgleichbar Differenzialdiagnose Klumpfuszlig

Wirbelsaumlule Achten auf Hinweiszeichen fuumlr eine Spina bifida occulta wie lumbosakral gelegenes Hautgruumlbchen Haarbuumlschel subkutanes Lipom oder Dermalsinus (epithelialisierter Ver-bindungsgang zwischen aumluszligerer Haut und Neuralrohr)

CaveraquoTethered cordlaquo evtl spinale Sonographie

733 Neurologische Neugeborenenuntersuchung

Die Untersuchungsergebnisse der neurologischen Neugeborenen-untersuchung haumlngen sehr vom Verhaltenszustand des Neugebore-nen ab (ruhiger Schlaf ruhiges Wachsein aktives Wachsein Schrei-en) Der Verhaltenszustand muss also dokumentiert und in die Be-urteilung einbezogen werden Die besten Ausgangsbedingungen fuumlr die neurologische Untersuchung sind ruhiges und aktives Wachsein

Die neurologische Untersuchung am 1 Lebenstag hat eher orientierenden Charakter wesentlich aussagekraumlftiger ist die Unter-suchung am 3 Lebenstag Bei der neurologischen Untersuchung des Neugeborenen werden folgende Funktionen beurteilt

Spontanverhalten und Spontanmotorik Das gesunde Neugebore-ne zeigt im Wachzustand eine lebhafte Spontanmotorik mit seiten-gleichem alternierendem Strampeln der Beine und alternierendem Rudern mit den Armen Auffaumlllig sind Apathie oder Hyperexzitabi-litaumlt Das gesunde Neugeborene saugt kraumlftig und trinkt ohne sich zu verschlucken

Muskeltonus Das gesunde Neugeborene haumllt Arme und Beine ge-beugt am Koumlrper Beim Hochziehen des Oberkoumlrpers an den Armen bleiben die Arme leicht gebeugt und der Kopf wird ndash zumindest anfangs ndash mitgenommen Das gesunde Neugeborene kann aus der Bauchlage heraus kurz den Kopf heben

Neugeborenenreflexmuster (Auswahl) 4 Suchreflex Beim Beruumlhren der Wangen wendet sich das Neu-

geborene suchend in Richtung der Beruumlhrung und oumlffnet den Mund

4 Saugreflex Das Neugeborene saugt kraumlftig am Finger 4 Greifreflexe an Haumlnden und Fuumlszligen Das Neugeborene

umfasst den in seine Handinnenflaumlche gelegten Finger des Unter suchers

Abb 78 Vaginalsekretion weiszligliches gelegentlich leicht blutiges Sekret das nach Abstoszligung des durch muumltterlichen Hormoneinfluss pro-liferierten Endometriums auftritt

713574 middot Reanimation Fruumlh- und Neugeborener

4 Arm-Recoil Wenn die Arme des Neugeborenen gestreckt und dann ploumltzlich losgelassen werden federn die Unterarme in den Beugezustand zuruumlck

4 Moro-Reaktion Durch kurzes Zuruumlckfallenlassen des kindlichen Kopfes kommt es zu einer raschen ausfahrenden Bewegung mit Streckung der Arme und Spreizen der Finger ( Abb 79) gefolgt von einem langsameren Zuruumlckholen der Arme an den Rumpf

4 Stuumltzreaktion Das Aufsetzen des Kindes mit beiden Beinen auf eine Unterlage fuumlhrt zu einer kurzen tonischen Streckung des gesamten Koumlrpers

4 Reflexschreiten Ausloumlsen von Schreitbewegungen durch alter-nierendes Aufsetzen der Fuumlszlige auf die Unterlage

4 Asymmetrisch-tonischer Nackenreflex Die Seitwaumlrtsdrehung des Kopfes fuumlhrt zur Streckung des Armes und Beines auf der Gesichtsseite und zur Beugung des Armes und Beines auf der Gegenseite (raquoFechterstellunglaquo Abb 710)

CaveBei der Beurteilung der Seitengleichheit von Bewegungen bei Neugeborenen darf der Kopf nicht zur Seite gedreht sein da sonst durch den asymmetrisch-tonischen Nacken-reflex eine Seitendifferenz vorgetaumluscht wird

734 Bestimmung der somatischen Reifezeichen

Zur klinischen Schaumltzung des Gestationsalters werden somatische und neurologische Merkmale herangezogen Ein gut validiertes Untersuchungsschema zur Schaumltzung des Gestationsalters ist

der Ballard-Score Die klinische Reifealterbestimmung ist auf plusmn15 Wochen genau In Tab 76 sind somatische Reifezeichen eines Fruumlhgeborenen und eines reifen Neugeborenen gegenuumlber-gestellt

74 Reanimation Fruumlh- und Neugeborener

741 Voraussetzungen zur Reanimation

Voraussetzungen zur Durchfuumlhrung Die meisten Neugeborenen durchlaufen eine unproblematische kardiorespiratorische Adapta-tion bei ca 10 der Kinder koumlnnen allerdings mehr oder weniger intensive Reanimationsmaszlignahmen erforderlich sein Ungefaumlhr 23 dieser Patienten lassen sich aufgrund definierter Risiken bereits vor der Geburt identifizieren bei 13 der Neugeborenen tritt die Reani-mationssituation voumlllig unerwartet auf Diese Tatsache unterstreicht die Notwendigkeit dass die essenziellen Wiederbelebungsmaszlignah-men zu jeder Zeit differenziert und kompetent durch ein geschultes neonatologisches Reanimationsteam durchgefuumlhrt werden koumlnnen Weitere Voraussetzungen sind eine optimale Information uumlber maternale und fetale Risiken sowie eine gezielte Vorbereitung auf die spezielle Reanimationssituation

Sind die personellen und apparativen Moumlglichkeiten in einer Geburtsklinik nicht vorhanden um ein Fruumlhgeborenes oder Risiko-neugeborenes optimal zu versorgen so muss die Mutter ndash wenn immer medizinisch vertretbar ndash in ein Perinatalzentrum verlegt werden Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses der Krankenkassen

Der antenatale Transport von Schwangeren und damit von Risiko-fruumlh- und Neugeborenen in ein Perinatalzentrum Level 1 ist bei folgenden Situationen obligat 4 Fruumlhgeborene mit einem Gestationsalter lt290 Wochen

( geschaumltztes Gewicht lt1250 g) 4 Houmlhergradige Mehrlinge (gt2) lt33 Gestationswochen

Abb 79 Moro-Reflex (I) durch kurzes Zuruumlckfallenlassen des Kopfes ploumltzliche Extension und Abduktion der oberen Extremitaumlt sowie Spreizung der Finger

Abb 710 Asymmetrisch tonischer Nackenreflex (Fechterstellung)

Tab 76 Somatische Reifezeichen eines Fruumlhgeborenen und eines reifen Neugeborenen

Fruumlhgeborenes (28 Wochen)

Reifgeborenes (40 Wochen)

Hauttextur Oumldematoumls glaumlnzend transparent

Einzelne Venen sichtbar

Hautfarbe Rot Rosig

Lanugohaare Flaumlchig vorhanden Fehlen

Sohlenfaumlltelung Nur vereinzelt Uumlber ganzer Sohle

Brustwarze Roter Punkt uumlber 1 cm erhaben

Ohrmuschelrand Weich formlos Fest elastisch

Hoden Im Inguinalkanal Im Skrotum

Skrotum Klein wenig Falten Groszlig viele Falten

Groszlige Labien Klaffend Bedecken kleine Labien

Spontanhaltung Extremitaumlten gestreckt

Extremitaumlten gebeugt

Kapitel 7 middot Neonatologie136

7

4 Alle praumlnatal diagnostizierten Erkrankungen bei denen nach der Geburt eine unmittelbare Notfallversorgung erforderlich ist Dies betrifft Erkrankungen der Mutter mit fetaler Gefaumlhr-dung sowie angeborene Fehlbildungen

Postnatale Beurteilung Fuumlr die postnatale Beurteilung reifer Neugeborener hat sich das Apgar-Schema bewaumlhrt Fruumlhgeborene lassen sich aufgrund des vom Gestationsalter abhaumlngigen Muskel-tonus und der Reflexerregbarkeit allerdings nicht adaumlquat beurtei-len Eine allzu schematische Erfassung der einzelnen Apgar-Krite-rien bei der Erstversorgung eines deprimierten reifen Neugebore-nen birgt daruumlber hinaus die Gefahr dass die Wiederbelebungs-maszlignahmen nur verzoumlgert einsetzen Die Bestimmung des Saumlure-Basen-Status ist als ein fester Bestandteil und eine wesent-liche Ergaumlnzung der kindlichen Zustandsbeurteilung anzusehen Diese nur mit einer zeitlichen Latenz verfuumlgbare Diagnostik ist jedoch fuumlr die initialen therapeutischen Entscheidungen in der Regel nicht relevant

742 Maszlignahmen der Neugeborenenreanimation

Drei klinische Kriterien ndash naumlmlich Hautfarbe Atmung und Herzfre-quenz ndash geben ausreichende Informationen um das akute Vorgehen zu planen und die Maszlignahmen die in 3 Stufen erfolgen sollten weder zu spaumlt noch zu voreilig durchzufuumlhren ( Abb 711)

Stufe 1 BasismaszlignahmenDie einfachen Basismaszlignahmen der Reanimation beinhalten Ab-trocknen Stimulation und Absaugen des Neugeborenen Waumlhrend dieser Maszlignahmen ist eine schnelle Beurteilung zum Ausschluss von schweren Fehlbildungen erforderlich

Nach dem Abtrocknen wird das Neugeborene in angewaumlrmte trockene Tuumlcher gehuumlllt Die Erstversorgung erfolgt unter einem Heizstrahler Zugluft im Raum ist zu vermeiden Bei sehr kleinen Fruumlhgeborenen und extrem hypotrophen Neugeborenen ist ein zu-saumltzlicher Waumlrmeschutz durch verschiedenste Folien (u a Plastik-folien) oder Warmluftdecken erforderlich Durch die taktile Stimu-lation u a von Ruumlcken und Fuszligsohlen wird die kindliche Atmung stimuliert Die Mehrzahl der Neugeborenen beginnt innerhalb von 10 s nach der Geburt spontan zu atmen allerdings ist damit zu rech-nen dass ca 10 der Neugeborenen nach 1 Lebensminute noch keine regelmaumlszligige Atemtaumltigkeit aufweisen Bei entsprechender In-dikation wie Verlegung der Atemwege durch Fruchtwasser Blut oder Mekonium erfolgt das Absaugen zuerst des Oropharynx und dann der Nasenwege des Neugeborenen mit einem ausreichend groszliglumigen Katheter (Ch 8ndash10)

CaveMund vor Nase Es besteht eine erhoumlhte Aspirationsgefahr durch die Stimulation der kindlichen Eigenatmung nach nasalem Absaugen

Weiterhin ist unbedingt darauf zu achten dass beim Absaugen keine Bradykardien auftreten (Vagusstimulation) Der Sog am Absaugge-raumlt ist in der Regel auf 200 mbar zu begrenzen um Verletzungen der Schleimhaut zu vermeiden Ein routinemaumlszligiges Absaugen aller Neu-geborenen ist nicht indiziert

Stufe 2 Zusatzmaszlignahmen bei insuffizienter SpontanatmungFuumlhren die beschriebenen Basismaszlignahmen nicht zum Einsetzen der Spontanatmung so sind zur Vermeidung von Bradykardie und Hypoxie weitere Schritte erforderlich

Blaumlhmanoumlver und Beutel-Masken-Beatmung Neugeborene mit fehlender Eigenatmung werden nach 30 s mit einer Beutel-Masken-Beatmung und inspiratorischem Druckplateau behandelt Dieses raquoBlaumlhmanoumlverlaquo besteht aus max 3 Beatmungshuumlben mit einem ho-hen inspiratorischen Beatmungsdruck (ca 20ndash35 cmH2O) und einer langen Inspirationszeit (ca 3ndash5 s) Diese manuelle Maskenbeatmung wurde in vielen neonatologischen Zentren durch ein manometer-kontrolliertes Blaumlhmanoumlver ersetzt Ziel dieser Beatmungsstrategie ist die intraalveolaumlre Lungenfluumlssigkeit in das pulmonale Lymph- und Gefaumlszligsystem zu pressen und somit ndash in Analogie zur Atemtech-nik Neugeborener ndash eine funktionelle Residualkapazitaumlt herzu-stellen Diese Maszlignahme sollte unter Auskultationskontrolle erfol-gen und in eine assistierte den Beduumlrfnissen des Neugeborenen angepasste Beatmung uumlbergehen Runde Silikonmasken eignen sich fuumlr die Maskenbeatmung am besten sie erlauben eine optimale Ab-dichtung

Diese Beatmungsform ist nicht auf sehr unreife Fruumlhgeborene zu uumlbertragen Wie juumlngere Untersuchungen zeigen kann ein inadaumlqua-tes Baro- und Volutrauma im Rahmen der Reanimation gravierende akute und chronische Lungenschaumlden der unreifen Lungenstruktur induzieren die u a durch eine erhoumlhte alveolaumlr-kapillaumlre Leakage charakterisiert sind und moumlglicherweise die pathogenetische Sequenz der pulmonalen Inflammationsreaktion induzieren oder aggravieren Vor dem Hintergrund dieser Beobachtung ist eine dem Fruumlhgeborenen individuell angemessene Beatmungsform zu waumlhlen die das Risiko der mechanischen Traumatisierung so gering wie moumlglich haumllt Juumlngste Untersuchungen belegen dass durch eine un-mittelbar nach der Geburt erfolgte Anlage eines binasalen CPAP-Sys-tems (CPAP = continuous positive airway pressure = kontinuierlicher positiver Atemwegsdruck) eine betraumlchtliche Anzahl sehr unreifer Fruumlhgeborener bereits im Kreiszligsaal stabilisiert werden koumlnnen

Abb 711 3-Stufenmodell der Neugeborenenreanimation

713774 middot Reanimation Fruumlh- und Neugeborener

CaveEine inkorrekte Kopfhaltung oder fehlerhafte Masken-positionierung kann die Atemtaumltigkeit des Fruumlh- und Neu-geborenen empfindlich beeintraumlchtigen (raquoErstickung un-ter der Maskelaquo) Ebenso kann ein inadaumlquates Baro- und Volutrauma im Rahmen einer forcierten Maskenbeatmung zu einer Schaumldigung der Alveolen fuumlhren

Die Indikation fuumlr eine Beutel-Masken-Beatmung reifer Neugebo-rener ist eine fehlende Spontanatmung nach ca 30 s Bei sehr kleinen Fruumlhgeborenen die postnatal nicht schreien sollte sofort mit einer adaumlquaten Beutel-Masken-Beatmung begonnen werden um eine hypoxisch bedingte Bradykardie und somit das Risiko von Fluktua-tionen des zerebralen Blutflusses zu vermeiden (Cave Hirnblutung)

Eine primaumlre Maskenbeatmung sollte bei folgenden Erkrankun-gen des Neugeborenen gaumlnzlich vermieden werden 4 Mekonium- und Blutaspiration 4 Zwerchfellhernie 4 schwerste postnatale Asphyxie

Sauerstoffzufuhr Eine Stabilisierung oder Reanimation erfolgt pri-maumlr mit Raumluft Nur bei unzureichender Oxygenierung wird dem Neugeborenen und unreifen Fruumlhgeborenen unter kontinuierlicher pulsoxymetrischer Uumlberwachung Sauerstoff angeboten Auf Grund der aktuellen Datenlage empfehlen die meisten internationalen Fach-gesellschaften eine primaumlre Reanimation mit Raumluft (21 O2)

Wenn man bedenkt dass der Sauerstoffpartialdruck im fetalen Blut ca 25 mmHg betraumlgt kann eine zu rasche postnatale Hyperoxy-genierung des depremierten Neugeborenen durchaus problematisch sein Dieser Aspekt gilt besonders fuumlr Hochrisikofruumlhgeborene die nicht nur einen Mangel an protektiven Antioxidanzien in allen Ge-weben aufweisen sondern auch ernstzunehmende Spuren einer Ge-websschaumldigung durch Sauerstoffradikale aufweisen In dieser Hochrisikogruppe sollte eine Sauerstofftherapie nur unter Messung der Sauerstoffsaumlttigung erfolgen und auf jeden Fall eine Hyperoxy-genierung bereits waumlhrend der Stabilisierungsphase vermieden wer-den (cave Retinopathia praematurorum)

Intubation Bleibt ein Neugeborenes trotz Beutel-Masken-Beatmung apnoisch oder bradykard so wird das Kind umgehend endotracheal intubiert Fuumlr die Gruppe sehr kleiner Fruumlhgeborener ist inzwischen eindeutig belegt dass die Vermeidung von einer postnatalen Hypoxie zu einer Reduktion der Sterblichkeit und der Inzidenz des Atemnot-syndroms beitraumlgt Dennoch ist von einer generellen Intubation dieser besonderen Patientengruppe abzuraten da gerade bei sehr vitalen Fruumlhgeborenen unter der Intubation transitorische hypoxaumlmische Phasen und Alterationen der zerebralen Zirkulation nicht auszuschlie-szligen sind Es empfiehlt sich die Intubation selektiv durchzufuumlhren In Abhaumlngigkeit vom Schweregrad der Atemnotsymptomatik sollte das Fruumlhgeborene innerhalb von Minuten intubiert oder aber mit einem binasalen CPAP-System versorgt werden (CPAP raquocontinous positive airway pressurelaquo kontinuierlicher positiver Atemwegsdruck)

Waumlhrend der Intubation muss eine kontinuierliche Uumlberwa-chung der kindlichen Herzfrequenz und O2-Saumlttigung (Pulsoxime-ter) erfolgen Bei einer Bradykardie ist der Intubationsversuch un-verzuumlglich abzubrechen und das Kind mit erneuter Beutel-Masken-Beatmung und adaumlquater O2-Zufuhr zu stabilisieren (Cave Hyper-oxie) Die haumlufigsten Komplikationen im Verlauf der Intubation sind die Fehlpositionen des Tubus in den Oumlsophagus und eine ein-seitige selektive Intubation des rechten Hauptbronchus durch ent-sprechende Korrektur der Tubuslage sind diese Situationen leicht zu beheben Ernsthafte Komplikationen stellen die Perforation des

Oumlsophagus und Hypopharynx dar tracheale Perforationen wurden durch Fuumlhrungsstaumlbe von Endotrachealtuben beobachtet Magen-rupturen wurden nach Reanimation Neugeborener mit tracheooumlso-phagealer Fistel beschrieben Subglottische Stenosen koumlnnen sich als chronische Komplikationen eines Intubationsschadens ausbilden

Naloxon Neugeborene deren Muumltter unter der Geburt Opiate er-halten haben fallen haumlufig durch einen fehlenden Atemantrieb nach der Geburt auf Durch die intravenoumlse Gabe des Opiatantagonisten Naloxon (z B Narcanti neonatal) kann die atemdepressive Wirkung diaplazentar uumlbergetretener Morphinderivate aufgehoben werden (Dosierung 001 mgkg KG) Da die Opiatanalgetika eine laumlngere Halbwertszeit als Naloxon haben muss mit symptomatischen Re-boundeffekten beim Kind gerechnet werden sie machen wieder-holte Gaben von Naloxon erforderlich

CaveKinder heroinabhaumlngiger Muumltter duumlrfen kein Naloxon erhalten da schwerste akute Entzugserscheinungen aus-geloumlst werden koumlnnen

Stufe 3 Zusatzmaszlignahmen bei insuffizienter KreislauffunktionDa Bradykardien bei Neugeborenen in der Regel durch eine Hypoxie bedingt sind lassen sich die meisten Kreislaufprobleme durch eine suffiziente Oxygenierung beheben Besteht die Bradykardie trotz ausreichender Lungenbeluumlftung fort so sind weitere Maszlignahmen wie extrathorakale Herzmassage Adrenalingabe Volumensubstitu-tion und Azidosekorrektur angezeigt

Herzmassage Eine externe Herzmassage sollte bei allen Neugebo-renen durchgefuumlhrt werden bei denen die Herzfrequenz lt60 Schlauml-genmin liegt und die nach Beginn der adaumlquaten Ventilation nicht mit einem Anstieg der Herzfrequenz reagieren Bei einer der moumlgli-chen Techniken wird der Thorax des Kindes von beiden Seiten um-fasst und am unteren Teil des Sternums um 1ndash2 cm mit einer Fre-quenz von 100min komprimiert ( Abb 712) Diese Art der Herz-

Abb 712 Reanimation eines Neugeborenen mit Beutel-Masken-Beat-mung und extrathorakaler Herzmassage

Kapitel 7 middot Neonatologie138

7

massage stellt die effektivste Maszlignahme zur Aufrechterhaltung der Kreislauffunktion dar sie setzt aber voraus dass 2 in der Reanima-tion Neugeborener erfahrene Personen die kardiozirkulatorische und respiratorische Reanimation durchfuumlhren Eine Einzelperson ist gezwungen durch Sternumkompression mittels 2 Fingern eine wirksame Herzmassage und gleichzeitig eine effiziente Beatmung zu gewaumlhrleisten

gt Momentan wird ein Verhaumlltnis von 3 Herzkompressionen zu 1 Beatmung empfohlen

Trotz wirksamer Herzmassage muss die Ursache der Bradykardie rasch erkannt und wenn moumlglich kausal behandelt werden

Adrenalin Bleibt der unter externer Herzmassage erwartete Anstieg der Herzfrequenz aus so sollte unverzuumlglich Adrenalin uumlber die ka-theterisierte Nabelvene oder eine periphere Vene (001ndash003 mgkg KG) appliziert werden Ist kein Gefaumlszligzugang moumlglich so sollte Adrenalin (01ndash03 mlkg KG in einer Verduumlnnung von 110000) uumlber den endotrachealen Tubus oder intraossaumlr verabreicht werden Trotz einer geringen Lungendurchblutung kann diese Maszlignahme zu einem raschen Anstieg der Herzfrequenz oder sogar einem erstma-ligen Nachweis der Herzaktion fuumlhren

CaveIntrakardiale Injektionen sind obsolet

Natriumbikarbonat Die Indikation fuumlr die Gabe von Natriumbi-karbonat ist nur bei schwerer protrahierter metabolischer Azidose z B nach intrauteriner Hypoxie und nach laumlnger dauernden Reani-mationsmaszlignahmen insbesondere bei schlechtem Ansprechen auf Adrenalin indiziert Die Gabe von Natriumbikarbonat erfolgt intra-venoumls in einer mindestens 11 verduumlnnten Loumlsung (Aqua destillata) und uumlber einen laumlngeren Zeitraum ndash uumlber 15 Minuten bei Neugebo-renen und uumlber laumlngere Zeit bei Fruumlhgeborenen ndash (Initialdosis 1ndash3 mval NaHCO3kg KG) Da Natriumbikarbonat 84 hyper-osmolar ist besteht die Gefahr dass Fruumlhgeborene im Rahmen der Serumosmolalitaumltspitzen und -schwankungen eine Hirnblutung entwickeln Eine Bikarbonatbehandlung verbietet sich bei einer aus-gepraumlgten respiratorischen Azidose

Volumengabe Bei anamnestischem und klinischem Verdacht auf einen akuten kindlichen Blutverlust sollte unverzuumlglich Volumen zugefuumlhrt werden Fuumlr eine initiale Volumensubstitution bietet sich physiologische Kochsalzloumlsung (10ndash15 mlkg KG) an Als effektivs-te Maszlignahme ist unter kritischer Indikationsstellung die Gabe von 0 Rh negativem lysinfreiem Erythrozytenkonzentrat (10ndash20 mlkg KG) anzusehen Eine entsprechende Notfallkonserve die ohne Kreuzprobe transfundiert werden kann sollte heute fuumlr Risikositu-ationen unmittelbar nach der Geburt verfuumlgbar sein bei haumlmorrha-

gischem Schock ist die Transfusion bis zu einer Stabilisierung des kindlichen Zustandes fortzufuumlhren

Schritte der Reanimation von Neugeborenen 4 Adaumlquate Waumlrmezufuhr Abtrocknen und Zudecken des

Neugeborenen 4 Luftwege freimachen (Mund vor Nase gezielt absaugen) 4 Auskultation (Stethoskop) 4 Anlage eines Pulsoximeters 4 Beutel-Masken-Beatmung mit 21 O2 initiale raquoBlaumlh-

maneuverlaquo (3ndash5 s) danach assistierte Beatmung (Beat-mungsfrequenz 40ndash60min) Bei unzureichender Oxige-nierung zusaumltzlich Sauerstoffzufuhr unter kontinuierli-cher pulsoximetrischer Uumlberwachung

4 Bei Apnoe undoder Bradykardie (Herzfrequenz 60ndash80min unter Beutel-Masken-Beatmung)

ndash Endotracheale Intubation (Tubus 30ndash35 mm) ndash Herzmassage (Beatmungsfrequenz Herzmassage [ 13]) ndash Bei Bedarf Suprarenin 001ndash003 mgkgKG iv bei

fehlendem iv-Zugang evtl Suprarenin 001 mgkg KG ndash 01 mlkg KG der Verduumlnnung 110000 uumlber Endotrache-altubus

ndash Evtl Natriumbikarbonat 84 (11 mit Aqua dest verduumlnnt) 1ndash3 mmolkgKG sehr langsam i v (per infusionem)

ndash Evtl Nabelvenenkatheter Volumenzufuhr 09 NaCl5 Glukose Blut 10ndash20 mlkgKG

ndash Besonderheiten der Reanimation Fruumlhgeborener 7 Text

75 Perinatale Schaumlden und ihre Folgen

751 Asphyxie

kDefinitionEine perinatale Asphyxie stellt einen bedrohlichen Insult fuumlr den Fetus oder das Neugeborene dar der durch eine Hypoxie undoder Ischaumlmie vor unter oder nach der Geburt ausgeloumlst wird Sauerstoff-mangel undoder Ischaumlmie lebenswichtiger Organe sind mit einer mehr oder minder ausgepraumlgten Azidose assoziiert und fuumlhren zu einer stark gestoumlrten postnatalen respiratorischen und kardiozirku-latorischen Adaption

kPathophysiologieDie Risikofaktoren fuumlr die Entwicklung einer perinatalen Asphyxie sind in Tab 77 dargestellt Folgende fetale Warnzeichen weisen auf einen praumlnatalen Sauerstoffmangel hin

Exkurs

Die Geburt Goethes

Die Geburt des Kindes war schwer Sie dauerte 3 Tage So gut wie leblos kam Goethe zur Welt raquoganz schwarzlaquo wie die Mutter spaumlter er-zaumlhlte Ein Arzt war nicht zugegen nur eine Hebamme die sich ungeschickt angestellt haben soll und die Groszligmutter Sie stand hinter den Vorhaumlngen des Bettes das mit blau-gewuumlrfelten Gardinen zugezogen werden

konnte Man schuumlttelte das Kind rieb ihm die Herzgrube mit Wein raquoRaumltin er lebtlaquo rief die alte Frau als das Kind die Augen aufschlug sehr groszlige dunkelbraune fast schwarze Augenlaquo (aus Richard Friedenthal Goethe Sein Leben und seine Zeit Piper 1963)Trotz der vom Autor eindruumlcklich geschilder-ten Zyanose haben taktile Maszlignahmen bei

Goethe zur Initiierung des ersten Atemzuges gefuumlhrt Dieses weist darauf hin dass sich das Neugeborene in einer respiratorischen De-pression befunden hat und keinen Sauerstoff-mangel lebenswichtiger Organe d h keine schwere Asphyxie erfahren hat

713975 middot Perinatale Schaumlden und ihre Folgen

4 Herztondezelerationen (Norm 120ndash160 Schlaumlgemin) 4 pathologisches Herzfrequenzmuster im Kardiotokogramm

Verlust der raquoBeat-to-beat-Variationlaquo spaumlte Dezelerationen (d h fetale Bradykardie die uumlber die Uteruskontraktion hinaus anhaumllt) silentes CTG selten auch fetale Tachykardie

4 gruumlnlich verfaumlrbtes Fruchtwasser (vorzeitige Darmentleerung des Fetus Mekoniumabgang)

4 Laktazidose pH lt72 (kapillaumlre Mikroblutanalyse aus kind-licher Kopfhaut)

Eine chronische intrauterine Hypoxie geht oft mit einer fetalen Hy-pomotorik sowie einem Oligohydramnion aufgrund einer kompro-mittierten Nierenperfusion einher

Bei einer postnatalen HypoxieIschaumlmie faumlllt das Neugeborene unmittelbar nach der Geburt durch eine schwer gestoumlrte kardio-respiratorische Adaption auf Als klinische Zeichen imponieren u a 4 Dyspnoe Atemstillstand 4 Bradykardie 4 Hypotension 4 Zyanose (fruumlher als raquoblaue Asphyxielaquo bezeichnet) 4 extreme Blaumlsse (haumlufig akuter Volumenmangel raquoweiszligelaquo

Asphyxie) 4 muskulaumlre Hypotonie Bewegungslosigkeit

Das Ausmaszlig einer Asphyxie zeigt sich an der Schnelligkeit mit der ein asphyktisches Kind auf Reanimationsmaszlignahmen reagiert For-men der fetalen Depression bei denen eine ausreichende kardiores-piratorische Adaptation nach taktiler Stimulation oder kurzfristiger Maskenbeatmung zu erreichen ist ndash Phase der primaumlren Apnoe ndash koumlnnen nicht als schwere perinatale Asphyxie bezeichnet werden Bei einer terminalen Apnoe dagegen ist das Neugeborene schwerst deprimiert und bedarf einer umgehenden intensiven kardiopulmo-nalen Reanimation

Der durch HypoxieIschaumlmie bedingte Substratmangel hat bei totaler Asphyxie nach spaumltestens 12 min eine irreversible Hirn-schaumldigung zur Folge

Obwohl ein niedriger Apgar-Score die Notwendigkeit von Re-animationsmaszlignahmen anzeigt so ist er aber kein sicherer Indikator

fuumlr eine perinatale Asphyxie und stellt allein kein Prognosekriterium fuumlr die Entwicklung einer Zerebralparese dar Ansteigende Apgar-Werte unter der Reanimation belegen lediglich den Erfolg der durch-gefuumlhrten Maszlignahmen Neugeborene mit einer fuumlr die Prognose relevanten Asphyxie unter der Geburt zeigen in der Regel 4 eine schwere Azidose im Nabelschnurblut (lt70) 4 einen 10-min-Apgarwert von le5 4 eine verzoumlgerte Aufnahme der Eigenatmung (gt10 Minuten) 4 Symptome der hypoxisch-ischaumlmischen Enzephalopathie

(s unten) d h neonatale neurologische Symptome einschlieszlig-lich Krampfanfaumllle

4 hypoxisch-ischaumlmisch bedingte Funktionsstoumlrungen anderer Zielorgane

Allerdings erfuumlllt nur ein Teil der Neugeborenen die nach einer pe-rinatalen Asphyxie eine Zerebralparese entwickeln diese Kriterien In vielen Faumlllen liegt der Schaumldigungszeitpunkt praumlnatal dabei weist das unter der Geburt abgeleitete Kardiotokogramm oft nur geringe Auffaumllligkeiten auf und der Nabelarterien-pH zeigt keine oder nur eine maumlszligige Azidose In solchen Faumlllen liegt offenbar ein Zustand nach vorhergehenden Episoden mit fetaler Asphyxie vor von denen sich das Kind partiell erholt hat Ein wahrscheinlicher Zusammen-hang unmittelbar mit dem Geburtsereignis darf nur angenommen werden wenn die oben genannten Kriterien vorhanden sind

Zielorgane der Asphyxie Hypoxisch-ischaumlmische Laumlsionen koumln-nen sich an verschiedenen Organsystemen manifestieren

4 Zentrales Nervensystem hypoxisch-ischaumlmische Enzephalopa-thie erhoumlhte Inzidenz von Hirnblutungen bei Fruumlhgeborenen

4 Herz-Kreislauf myokardiale Ischaumlmie Hypotension 4 Lunge persistierende fetale Zirkulation (PFC) pulmonale

Hypertension sekundaumlres Atemnotsyndrom (akutes RDS = ARDS)

4 Mikrozirkulation disseminierte intravasale Gerinnung mit Thrombozytenabfall 5 Niere Oligurie Anurie 5 Nebenniere NNR-Blutung 5 Magen-Darmtrakt Perforation Ulzeration nekrotisierende Enterokolitis

4 Leber Leberzellschaumldigung verminderte Syntheseleistung 4 Metabolische Stoumlrungen Hypoglykaumlmie Hypokalzaumlmie

752 Hypoxisch-ischaumlmische Enzephalopathie (HIE)

Pathophysiologie Wie verschiedenste Untersuchungen zur Patho-genese ischaumlmischer Hirnlaumlsionen belegen setzt die Gewebsschaumldi-gung waumlhrend der HypoxieIschaumlmie ein und nimmt in der Reper-fusionsphase weiter zu Die Hauptmediatoren des Reperfusions-schadens sind freie Sauerstoffradikale neutrophile Granulozyten und endotheliale Faktoren wie Stickstoffmonoxid (NO)

Freie Radikale fuumlhren vermutlich uumlber eine Hemmung des trans-membranoumlsen Enzyms Na+-K+-ATPase zum Zusammenbruch des Membranpotenzials Die geschaumldigten Zellen setzen in der Folge die neurotoxischen exzitatorischen Aminosaumluren Glutamat und Aspar-tat frei die durch Aktivierung von Proteasen den Zelltod einleiten

Waumlhrend sich die meisten Organe vom asphyktischen Insult er-holen ist dies beim Gehirn nicht immer der Fall Die Hypoxie und Ischaumlmie fuumlhren zu einer lokalen Laktatakkumulation im Gehirn und zu einer Verminderung energiereicher Phosphate Das Energie-versagen ist in der Regel erst nach 24ndash72 h in voller Auspraumlgung

Tab 77 Risikofaktoren fuumlr die Entwicklung einer perinatalen Asphyxie

Maternale Erkrankungen

Uteroplazentare Insuffizienz Gestose Hyperten-sion Hypotension Diabetes Infektion andere Grunderkrankung

Plazenta Chorioamnionitis vorzeitige Loumlsung Placenta praevia Vasa praevia Randsinusruptur

Nabelschnur-zwischenfaumllle

Prolaps Knoten Kompression Umschlingung kurze Nabelschnur

Geburt Traumatisch (abnorme Lage Missverhaumlltnis von Becken ndash Kind hypertrophes Neugeborenes Schul-terdystokie) langdauernd uumlberstuumlrzt Sturzgeburt

Fetale Ursachen

Fruumlhgeburtlichkeit Infektion Wachstumsretardie-rung Uumlbertragung

Neu-geborenes

Anaumlmie (fetomaternale Transfusion etc) Neuro-muskulaumlre Erkrankungen Erkrankungen der Atem-wege und Lungen (Choanalatresie Trachealagene-sie Lungenhypoplasie Zwerchfellhernie etc)

Kapitel 7 middot Neonatologie140

7

vorhanden (sekundaumlres Energieversagen) Je nach Ausmaszlig der Schaumldigung entwickelt sich eine lokale Hirnlaumlsion oder eine diffuse neuronale Nekrose mit schwerem Hirnoumldem oder Hirntod

kNeuropathologieDie typischen anatomischen Laumlsionen einer HIE sind bei reifen Neugeborenen 4 eine kortikale Nekrose 4 Wasserscheideninfarkte zwischen A cerebri anterior und me-

dia in Form von parasagittalen bilateralen Infarzierungen 4 Thalamus- und Basalgangliennekrose ( Abb 713) 4 Bei Fruumlhgeborenen fuumlhrt eine schwere perinatale Asphyxie in

der Regel zu einer intrazerebralen Blutung (s dort)

kKlinikIn Abhaumlngigkeit vom Ausmaszlig der hypoxisch-ischaumlmischen Schaumldi-gung kann die klinische Symptomatologie von Irritabilitaumlt Trink-schwaumlche und milder Hypotonie bis hin zum Koma reichen Die typischen neurologischen Symptome sind 4 Beeintraumlchtigung der Bewusstseinslage Irritabilitaumlt

Schreckhaftigkeit Somnolenz Lethargie oder Koma 4 Aumlnderung des Muskeltonus Hypotonie Hypertonie 4 Aumlnderung des Reflexverhaltens 4 Auftreten von Krampfanfaumlllen oftmals prolongiert und schwer

zu behandeln

Das EEG zeigt typische Veraumlnderungen in Abhaumlngigkeit vom Schwe-regrad der Hirnschaumldigung Zur klinischen Verlaufsbeurteilung hat sich ein neurologischer Score bewaumlhrt der auch eine gewisse prog-nostische Einschaumltzung erlaubt ( Tab 78) Die Klassifizierung ist allerdings nicht bei Anwendung von Sedativa oder Analgetika ver-wertbar

Trotz genauer Dokumentation aller zur Verfuumlgung stehenden prauml- peri- und postnatalen Befunde laumlsst sich in vielen Faumlllen keine sichere Kausalitaumltskette der Ereignisse die zur Asphyxie und hypo-xisch-ischaumlmischen Enzephalopathie gefuumlhrt haben ermitteln

kPrognoseDurch die Verlaufsbeurteilung der klinischen Symptome der bildge-benden Diagnostik und des EEG lassen sich in vielen Faumlllen schon fruumlh Aussagen zur Prognose der Kinder machen Faktoren die mit einer schlechten Prognose assoziiert sind sind in der Uumlbersicht aufgefuumlhrt Im Ultraschallbild zeigt sich oft eine raquoverwaschenelaquo Parenchymzeich-nung als Ausdruck einer diffusen neuronalen Nekrose oder eines Hirnoumldems Als Zeichen einer Thalamusnekrose koumlnnen in den ersten Lebenswochen ausgepraumlgte Echoverdichtungen in dieser Region dar-stellbar sein Eine Magnetresonanztomographie (MRT) kann bereits in den ersten Lebenstagen deutliche Signalveraumlnderungen aufweisen ( Abb 713) Eine nuumltzliche jedoch nicht immer durchfuumlhrbare Untersuchung ist die Magnetresonanzspektroskopie (MRS) Ein Nachweis von hohen Laktatsignalen im Gehirn sowie niedrigen Signalen fuumlr N-Acetyl-Aspartat einem Marker fuumlr Neuronen spricht fuumlr eine schwere Hirnschaumldigung mit schlechter Prognose

Unguumlnstige Prognosefaktoren bei der HIE Neugeborener 4 Keine Spontanatmung innerhalb der ersten 30 Lebens-

minuten Auf spontane Atemaktivitaumlt achten 4 Notwendigkeit einer Herzmassage 4 Auftreten von Krampfanfaumlllen in den ersten 4 Lebens-

stunden 4 Neurologischer Zustand (Thompson-Score gt15) 4 Sehr flaches EEG oder raquoBurst-supression-Musterlaquo 4 Oligurie am 1 oder 2 Lebenstag (lt1 mlkg KGh)

kDifferenzialdiagnoseVon einer hypoxisch-ischaumlmischen Enzephalopathie sollte nur ge-sprochen werden wenn sich eindeutige Hinweise auf eine vorausge-

Abb 713 Thalamus- und Basalgangliennekrose eines reifen Neugebore-nen mit schwerer intrauteriner Asphyxie

Tab 78 Klinischer Verlaufs- und Prognosescore bei der hypoxisch-ischaumlmischen Enzephalopathie

Punkte 0 1 2 3

Muskel-tonus

Normal Erhoumlht Vermindert Schlaff

Bewusst-seinslage

Normal Schreck-haft

Lethargie Koma

Kraumlmpfe Keine lt3Tag ge3Tag

Haltung Normal Faumlusteln bzw Peda-lieren

Steif distale Flexion

Dezerebra-tion

Moro-Reflex Normal Teilweise ausloumlsbar

Fehlend

Greifreflex Hand

Normal Schwach Fehlend

Saugreflex Normal Schwach Fehlend

Atmung Normal Hyperven-tilation

Kurze Apnoen

Laumlngere Apnoen Beatmung

Fontanelle Normal Gefuumlllt Gespannt

Prognose Maximalscore lt10 oder Score 0 an Tag 7 normales Outcome wahrscheinlich Maximalscore gt15 hohes Risiko von Folgeschaumlden

714175 middot Perinatale Schaumlden und ihre Folgen

hende HypoxieIschaumlmie feststellen lassen Ansonsten wird das Krankheitsbild als neonatale Enzephalopathie bezeichnet Andere Ursachen fuumlr eine Enzephalopathie des Neugeborenen sind 4 Sepsis Meningoenzephalitis Diagnostik Liquorpunktion 4 Maternale Anaumlsthesie Drogeneinnahme vor der Geburt 4 Geburtstraumatische intrazerebrale Blutungen 4 Metabolische Enzephalopathie Die klinische Symptomatolo-

gie tritt meist erst Stunden oder Tage nach der Geburt auf Grund Katabole Stoffwechselsituation oder Zufuhr von Nahrungseiweiszlig bei Aminoazidopathien oder Organoazidopa-thien Diagnostik Ammoniakbestimmung Laktatbestimmung Ketonkoumlrper im Urin spezifische Laboruntersuchungen

4 Hypoglykaumlmie 4 Bilirubinenzephalopathie 4 Intrazerebrale Blutungen bei Gerinnungsstoumlrungen Gefaumlszligmal-

formationen u a 4 Sinusthrombosen u a 4 Konnatale Hirntumoren

kTherapieVentilation Bei unregelmaumlszligiger Atmung oder Apnoen sollte eine fruumlhzeitige Intubation und Beatmung erfolgen Das Ziel ist die Er-haltung der Homoumlostase Der pO2 und pCO2 sollten in normalen Grenzen gehalten werden eine Hyperventilation ist obsolet

Kreislauf Wichtigste Groumlszlige fuumlr ausreichende Hirnperfusion ist der Blutdruck Bei Kindern mit schwerer Asphyxie soll bereits im Kreis-saal ein sicherer intravenoumlser Zugang gelegt werden bei instabilem Blutdruck Gabe von Katecholaminen

Antikonvulsive Therapie Bei Auftreten von Krampfanfaumlllen erfolgt eine Behandlung mit Phenobarbital Phenytoin oder Lorazepam

Hypothermie Wie mehrere kontrolliert-randomisierte Studien be-legen verbessert eine Hypothermiebehandlung von Neugeborenen mit moderater oder schwerer HIE das neurologische Outcome Die Neugeborenen werden fuumlr 72 h auf eine Koumlrpertemperatur von 335degC gekuumlhlt

Der besondere FallAnamnese Gegen Ende der Schwangerschaft verspuumlrt eine 32-jaumlhri-ge Zweitgebaumlrende erhebliche Schmerzen im Unterleib und registriert keine sicheren Kindsbewegungen mehr Sie faumlhrt in eine nahe gelege-ne FrauenklinikBefunde In der Notaufnahme stellt der Arzt im Ultraschall eine fetale Bradykardie von 40 Schlaumlgenmin fest es wird umgehend eine Notsec-tio durchgefuumlhrt Das Neugeborene wiegt 3270 g und zeigt nach der Geburt keine Spontanatmung Die Plazenta weist ein retroplazentares Haumlmatom aufTherapie Das Kind wird durch den Anaumlsthesisten intubiert eine Herz-massage begonnen intratracheal Suprarenin verabreicht und der Transportdienst einer Kinderklinik verstaumlndigt Dieser trifft 22 min nach der Geburt ein zu diesem Zeitpunkt ist das Kind schlaff hat eine fehlende Spontanmotorik ein blasses Hautkolorit bei rosigen Lippen die Lungen sind bei Beutelbeatmung uumlber den Trachealtubus seiten-gleich beluumlftet Es wird ein Nabelvenenkatheter gelegt uumlber den das Kind eine Glukoseloumlsung erhaumllt Aufgrund niedriger Blutdrucke (MAD 32 mmHg) wird eine Suprarenindauerinfusion angelegt Noch im Kreis-saal wird der Haumlmoglobin-Wert bestimmt er betraumlgt 15 gdlVerlauf Innerhalb der naumlchsten 2 Stunden kommt es zu einer deutli-chen Zunahme der Spontanmotorik die nach 6 Stunden wieder sis-

tiert Mit 12 Stunden ist das Kind komatoumls es zeigt keinen Saugreflex und keinen Kornealreflex Mit 26 Stunden ist die Fontanelle vorge-woumllbt und hart Das EEG zeigt am Folgetag eine Nulllinie bei der dopplersonographischen Untersuchung der Hirngefaumlszlige zeigt sich ein Pendelfluss Es wird der Hirntod festgestellt und das Kind extubiert es verstirbt sofortBeurteilung Die Schmerzen der Mutter und das retroplazentare Hauml-matom zeigen eine vorzeitige Loumlsung der Plazenta an Die daraus re-sultierende fetale Hypoperfusion fuumlhrte zu einer irreversiblen Hirn-schaumldigung Eine kindliche Anaumlmie trat nicht auf Die unmittelbare postnatale Symptomatik entspricht der akuten ischaumlmischen Beein-traumlchtigung der Beginn des Komas markiert die Phase des sekundaumlren Energieversagens

753 Geburtstraumatische Schaumlden

kGrundlagenAls geburtstraumatische Schaumlden werden Laumlsionen bezeichnet die durch mechanische Faktoren waumlhrend der Geburt entstanden sind Zumeist liegt eine schwierige Kindesentwicklung vor bedingt durch eine atypische Lage eine Makrosomie bzw ein Missverhaumlltnis zwi-schen Kind und Geburtswegen oder eine verzoumlgerte Austreibung mit Notwendigkeit zur Zangengeburt oder Vakuumextraktion Obwohl Fortschritte in der Geburtshilfe zu einer deutlichen Reduktion von geburtstraumatischen Schaumldigungen gefuumlhrt haben sind sie nicht immer vermeidbar Einige als Geburtstraumata imponierende Laumlsi-onen sind intrauterin lagebedingt durch chronischen Druck ent-standen

Traumata im KopfbereichExtrakranielle traumatische Laumlsionen am Kopf des Neugeborenen sind haumlufig Je nach Ausbreitung in den verschiedenen Schichten zwischen Haut und Kalotte (Haut ndash Galea aponeurotica ndash aumluszligeres Periost der Kalotte) unterscheidet man ( Abb 714) 4 Caput succedaneum Diese weiche eindruumlckbare teilweise

auch haumlmmorrhagische Schwellung bildet sich sehr haumlufig am fuumlhrenden Kopfbereich bei vaginaler Geburt aus und hat kei-nen Krankheitswert Es ist zwischen Haut und Schaumldelaponeu-rose gelegen die Grenzen uumlberschreiten die Schaumldelnaumlhte Eine spontane Ruumlckbildung erfolgt in den ersten Tagen nach der Geburt

4 Subgaleale Blutung Dieses bezeichnet eine Blutansammlung zwischen Galea und Kalotte Die Blutung entsteht durch eine Nahtdiastase oder eine Schaumldelfraktur Klinisch zeigt sich eine fluktuierende Schwellung uumlber dem gesamten Schaumldel die Schaumldelnaumlhte werden uumlberschritten Das Blut kann konfluieren und sich im subkutanen Gewebe des Nackens ansammeln Die subgaleale Blutung tritt haumlufiger bei Vakuumextraktion und bei Vitamin-K-Mangel auf Eine Uumlberpruumlfung des Gerinnungssta-tus ist angezeigt

CaveBei der subgalealen Blutung kann es zu erheblichem Blutverlust kommen oft resultiert eine behandlungsbe-duumlrftige Hyperbilirubinaumlmie

4 Kephalhaumlmatom Diese Blutung bildet sich zwischen dem aumlu-szligeren Periost und dem Schaumldelknochen (subperiostal) aus Aufgrund dieser Lage uumlberschreitet sie nie die Schaumldelnaumlhte Klinisch imponiert eine prall elastische fluktuierende Schwel-lung die zumeist parietal gelegen ist und nach der Geburt zu-naumlchst noch an Groumlszlige zunehmen kann Am Rand ist das abge-6

Kapitel 7 middot Neonatologie142

7

hobene Periost meist palpabel Die Blutung kommt bei 2 aller Geburten vor mit einer Haumlufung bei Forcepsentwicklung Eine Schaumldelfraktur kann begleitend vorliegen Eine Therapie ins-besondere eine Punktion ist nicht indiziert die Blutung bildet sich uumlber Wochen bis Monate spontan zuruumlck Manche Blutun-gen verkalken und bilden eine knoumlcherne Protuberanz die sich ebenfalls langsam zuruumlckbildet

Geburtstraumatische Schaumldelfrakturen koumlnnen als nichtimprimie-rende lineare Frakturen oder als Impressionsfrakturen vorliegen Lineare Frakturen koumlnnen mit einem Kephalhaumlmatom einer subga-lealen Blutung und mit einer epi- oder subduralen Blutung einherge-hen Selten sind die begleitenden Blutungen jedoch schwerer Natur Sie sind meist parietal gelegen eine Therapie ist nicht notwendig

CaveIn Ausnahmefaumlllen kann die Dura unter der Fraktur ein-reiszligen und sich eine leptomeningeale Zyste ausbilden die zu einer Ausweitung des Frakturspaltes fuumlhrt (wachsende Fraktur)

Die Impressionsfraktur besteht in einer Impression des weichen Schaumldels nach innen meist ohne Kontinuitaumltsunterbrechung des Knochens (sog Ping-Pong-Fraktur) Eine begleitende intrakranielle Blutung sollte ausgeschlossen werden In der Regel ist eine neuro-chirurgische Versorgung erforderlich

Intrazerebrale BlutungenIntrazerebrale Haumlmorrhagien (ICH) unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Lokalisation ( Abb 814) ihrer Genese sowie ihres Vorkom-mens bei Fruumlhgeborenen und reifen Neugeborenen Der mit Ab-stand haumlufigste Blutungstyp ist die intrazerebrale Blutung des Fruumlh-geborenen die an typischer Lokalisation im Bereich der periventri-kulaumlren germinalen Matrix oder dem angrenzenden Hirnparenchym auftritt (7 Abschn 766) Hirnblutungen bei reifen Neugeborenen sind selten Nicht alle Blutungen sind traumatischer Genese sie werden aber hier gemeinsam behandelt

Subdurale Blutung Die subdurale Blutung ist in der Regel ge-burtstraumatisch bedingt Praumldisponierende Faktoren sind

4 Makrosomie des Kindes 4 extrem kurze oder stark verlaumlngerte Austreibungsperiode

4 besondere Kindslage (Beckenendlage Fuszliglage Gesichtslage) 4 erschwerte Entwicklung mit notwendiger Zangenentbindung

oder Vakuumextraktion

Bei massiven Formen kommt es zum Einriss des Tentoriums mit meist letaler Blutung aus den groszligen Blutleitern Geringere Trauma-ta des Tentoriums koumlnnen zur Ansammlung von Blut in der hinteren Schaumldelgrube fuumlhren die Symptome sind abhaumlngig vom Ausmaszlig der Blutansammlung Eine weitere traumatisch bedingte Schaumldigung ist der Abriss der Bruumlckenvenen uumlber der Hirnkonvexitaumlt mit sub-duraler Blutansammlung Diese kann symptomlos bleiben oder aber mit meist fokalen neurologischen Symptomen in den ersten Lebens-tagen verbunden sein Dabei werden fokale Krampfanfaumllle eine dis-krete Hemisymptomatik oder Blickdeviation in Richtung des Herdes beobachtet Die Diagnose kann mithilfe des Ultraschalls nicht im-mer gestellt werden Eine nichtentdeckte subdurale Blutung kann spaumlter zu einem chronischen subduralen Erguss mit Makrozepha-lie und Hirndrucksymptomatik fuumlhren Bei klinischem Verdacht sollte daher immer eine weitergehende Diagnostik (CT MRT) durchgefuumlhrt werden Bei raumfordernden Befunden ist eine opera-tive Entlastung notwendig

Weitere Lokalisationen Andere traumatisch bedingte Blutungen koumlnnen epidural (zwischen Schaumldel und innerem Periost) intraven-trikulaumlr und intrazerebellaumlr lokalisiert sein In seltenen Faumlllen koumlnnen subarachnoidale Blutungen auch eine hypoxische Genese aufweisen Die Klinik wird von der Ausdehnung des Befundes be-stimmt Subarachnoidale Blutungen sind oft klinisch inapparent und mithilfe des Ultraschalls praktisch nicht zu diagnostizieren Da Erythrozyten im Liquor moumlglicherweise auch durch eine raquotraumati-schelaquo Lumbalpunktion bedingt sind kann ein niedriger Glukose-wert im Liquor (oft unter 30 mgdl Normalwert ca 75 des simul-tan bestimmten Blutzuckerwerts) oder eine Erythrophagozytose ein Hinweis fuumlr eine subarachnoidale Blutung sein Die anderen ge-nannten Blutungen zeigen in der Regel deutliche klinische Sympto-me in Form von Hyperexzitabilitaumlt Stupor Apnoen Krampfanfaumlllen oder einer gespannten Fontanelle Als bildgebende Diagnostik ist bei nicht eindeutigen sonographischen Befunden immer ein CT oder MRT indiziert

Gerinnungsstoumlrungen Stoumlrungen der Blutgerinnung koumlnnen so-wohl prauml- als auch postnatal zu Hirnblutungen beim Neugeborenen fuumlhren Die Ursachen sind eine dissiminierte intravasale Gerinnung bei Schock oder Sepsis Thrombozytopenien (neonatale Isoimmun-thrombozytopenie Thrombozytopenie bei kongenitalen Infektio-nen insbesondere Cytomegalie) oder in seltenen Faumlllen ein isolierter Mangel an einzelnen Gerinnungsfaktoren Der Morbus haumlmorrha-gicus neonatorum bedingt durch einen Vitamin-K-Mangel fuumlhrt in der Neugeborenenzeit nur dann zu einer Hirnblutung wenn er mit anderen Faktoren assoziiert ist (schwere kongenitale Lebererkran-kung maternale antikonvulsive Therapie)

Verletzungen der Hirnnerven des Ruumlckenmarks und der peripheren NervenHirnnervenlaumlsionen Bei einer Fazialisparese zeigt sich ein schiefes Gesicht beim Schreien der Mundwinkel wird auf der gesunden Seite tiefer heruntergezogen In Ruhe haumlngt eher die erkrankte Seite etwas herab die Nasolabialfalte ist verstrichen Bei der meist vorliegenden peripheren Fazialisparese kommt es aufgrund einer Schaumldigung direkt nach dem Austritt aus dem Foramen stylomastoideum zu einer Funktionsstoumlrung sowohl der oberen als auch der unteren Ge-sichtsmuskeln In der Regel findet sich in Ruhe eine Lidspaltendiffe-

Abb 714 Lokalisation geburtstraumatischer extra- und intrakranieller Blutungen 1 Caput succedaneum 2 subgaleale Blutung 3 Kephalhaumlmatom (subperiostal auszligen) 4 epidurale Blutung (subperiostal innen) 5 subdurale Blutung

714375 middot Perinatale Schaumlden und ihre Folgen

renz ( Abb 715) Im Gegensatz dazu sind bei einer zentralen Ge-sichtsnervenlaumlhmung Bewegungen der Stirn und der Augenlider nicht beeintraumlchtigt Ursache der peripheren Laumlhmung kann eine Druckschaumldigung bei Forcepsentwicklung sein Weiterhin kann die Laumlhmung aufgrund einer intrauterin lagebedingten Kompression durch das muumltterliche Promontorium zustande kommen Therapeu-tisch muss bei einer peripheren Fazialisparese die Austrocknung des Auges verhindert werden Traumatische Schaumldigungen bilden sich in der Regel uumlber einige Wochen zuruumlck

gt Die Fazialisparese kann mit dem raquoschiefen Schreigesichtlaquo verwechselt werden

Beim schiefen Schreigesicht wird ausschlieszliglich beim Schreien der Mund auf einer Seite stark herabgezogen Andere Funktionen der Gesichtsmuskulatur wie Stirnrunzeln Augenschluss und Tiefe der Nasolabialfalte sind normal Ursaumlchlich liegt der Anormalie eine Hypoplasie des M depressor anguli oris zugrunde

Plexusschaumlden Die Inzidenz von Verletzungen des Plexus brachia-lis liegt zwischen 05 und 2 pro 1000 Geburten Die obere Plexuslaumlh-mung (Erb-Duchenne) wird am haumlufigsten beobachtet und betrifft die Fasern von C5 und C6 Alle Formen der Nervenlaumlsion koumlnnen vorliegen von Neuropraxie (Schaumldigung der Reizleitung durch Haumlmatom oder Oumldem der Nervenscheide) bis voumllliger Disruption des gesamten Plexusbuumlndels Mit der Entstehung von Plexusschaumlden verbundene Faktoren sind prolongierte Geburt Schulterdystokie Makrosomie abnorme Kindslage und Zeichen fetaler Beeintraumlchti-gung mit niedrigen Apgar-Werten Klinisch faumlllt zunaumlchst ein fehlen-der Moro-Reflex sowie eine Hypomotorik des betroffenen Armes auf Die charakteristische Haltung besteht in einem herabhaumlngenden Arm der in Adduktion und Innenrotation gehalten wird sowie einer Pronationshaltung der Hand Die Motorik der Hand ist ungestoumlrt der Greifreflex kann ausgeloumlst werden ( Abb 716)

gt Die typische Haltung bei oberer Plexuslaumlhmung mit herabhaumlngendem nach innen rotiertem Arm sowie der nach auszligen und oben gerichteten offenen Handflaumlche wird im englischen Schrifttum als raquoWaiterrsquos-Tip-Haltunglaquo bezeichnet

Die physiotherapeutische Behandlung besteht in einer initialen Ruhigstellung des betroffenen Armes Nach der ersten Woche erfolgt eine passive Bewegung der betroffenen Gelenke in allen Freiheits-graden Die Prognose haumlngt ab von der Schwere der Schaumldigung In den meisten Faumlllen kommt es zu einer kompletten Restitutio Je schneller diese Erholung erfolgt umso vollstaumlndiger ist die funktio-nelle Wiederherstellung Wenn es im Alter von 3 Monaten noch nicht zu einer spontanen Erholung gekommen ist sollte eine Vor-stellung in einer mit diesem Krankheitsbild vertrauten neurochirur-gischen Einrichtung erfolgen

Die untere Plexuslaumlhmung betrifft C8 und Th1Sie ist isoliert sehr selten und kommt eher in Kombination mit der oberen Laumlh-mung als komplette Plexuslaumlhmung vor Klinisch imponiert eine Laumlhmung der kleinen Handmuskeln und der Flexoren im Hand-gelenk Der Greifreflex ist nicht ausloumlsbar Aufgrund der beglei-tenden Schaumldigung von sympathischen Fasern in Th1 wird oft ein Horner-Syndrom mit Ptosis Miosis und Enophthalmus be obachtet

Akute schwere Ruumlckenmarkverletzungen Diese werden nach ex-zessiver Rotations- oder Zugbelastung der Wirbelsaumlule vor allem bei Beckenendlagen und Forzepsextraktionen beobachtet Die klinische Symptomatologie die dem Bild eines spinalen Schocks entspricht haumlngt von der Houmlhe der Ruumlckenmarksverletzung ab Am haumlufigsten treten die Verletzungen im Hals- und Brustwirbelbereich auf Bei Einblutungen in das Ruumlckenmark (Haumlmatomyelie) kann eine schwe-re generalisierte Laumlhmung vorhanden sein

Abb 715 Vermutlich traumatisch bedingte periphere Fazialisparese rechts

Abb 716 Neugeborenes mit oberer Plexusparese links Zustand nach Schulterdystokie

Kapitel 7 middot Neonatologie144

7

Weichteil- Knochen- und OrganlaumlsionenPetechien und Ekchymosen auf der Haut Sie treten haumlufig an den fuumlhrenden Teilen und bedingt durch venoumlse Kongestion waumlhrend des Geburtsvorganges auf Insbesondere das Gesicht kann aufgrund petechialer Blutungen raquozyanotischlaquo imponieren Blutungen finden sich ebenfalls haumlufig subkonjunktival Das Fehlen einer Blutungsbe-reitschaft an anderen Stellen und die typische Lokalisation unter-scheiden den Befund von einer Koagulopathie

Kongenitaler Tortikollis Der angeborene Schiefhals besteht in ei-ner Kontraktur des M sternocleidomastoideus mit resultierender Drehung des Kopfes zur Laumlsionsseite und Schraumlgstellung des Gesich-tes mit Drehung des Kinns von der Seite weg Er wurde lange als geburtstraumatische Laumlsion angesehen bedingt durch ein Haumlmatom des M sternocleidomastoideus mit subsequenter Fibrose Alle Be-funde sprechen jedoch dafuumlr dass diese Kontraktur durch eine intrauterine lagebedingte Zwangshaltung entstanden ist Die Behandlung ist physiotherapeutisch

Frakturen Die haumlufigste geburtstraumatische Fraktur ist die Klavi-kulafraktur In den meisten Faumlllen liegt eine Gruumlnholzfraktur vor und das Kind zeigt nach der Geburt keine Symptome Bei der Erst-untersuchung wird die Fraktur manchmal nicht erkannt und faumlllt erst bei der Folgeuntersuchung als tastbarer Kallus auf Frakturen mit deutlichen Dislokationen koumlnnen nach der Geburt zu Schonhal-tung und Schmerzen bei der Armbewegung fuumlhren Bei der Unter-suchung laumlsst sich eine Krepitation tasten der Moro-Reflex ist nicht seitengleich ausloumlsbar Eine Roumlntgenuntersuchung ist nur bei klini-schen Symptomen indiziert Die Prognose ist gut Kallus bildet sich bereits nach 7ndash10 Tagen Frakturen der Roumlhrenknochen (Humerus-fraktur Femurfraktur) koumlnnen ebenfalls geburtstraumatisch be-dingt sein Klinisch fallen Schmerzen Krepitation Schwellung und Bewegungsarmut auf Eine Schonhaltung des Arms mit Schwellung im Oberarm-Schulterbereich findet sich bei der akuten Osteoepi-physenloumlsung des Humeruskopfes sie ist klinisch schwer von der oberen Plexuslaumlhmung abzugrenzen Die Diagnose ist in der Regel durch eine Ultraschalluntersuchung zu stellen im Zweifel muss eine radiologische Untersuchung erfolgen

Intraabdominale Verletzungen Die Nebennierenblutung ist rela-tiv haumlufig Sie wird oft im Rahmen einer perinatalen Asphyxie beo-bachtet kann aber auch traumatisch bedingt sein Klinisch faumlllt sie auf durch eine tastbare abdominelle Resistenz einer Anaumlmie in den ersten Lebenstagen oder bei einer Ultraschalluntersuchung des Ab-domens im Rahmen einer Asphyxiediagnostik Die Blutung kann ein- oder beidseitig sein Bei bilateralen Laumlsionen sollte die Neben-nierenfunktion der Blutzucker und Blutdruck uumlberpruumlft werden

gt Differenzialdiagnostisch ist ein zystisches Neuroblastom auszuschlieszligen (Katecholaminbestimmung im Urin)

Die Blutung liquefiziert im weiteren Verlauf und kann spaumlter kalzi-fizieren Die Erkrankung erfordert auszliger bei massiven bilateralen Befunden mit Nebenniereninsuffizienzzeichen keine Behandlung die Prognose ist gut

Subkutane Fettgewebsnekrose Fuumlr die Entwicklung dieses Krankheitsbildes ist offenbar eine Kombination von verminderter Hautperfusion im Rahmen einer fetalen Hypoxie mit einem lokalen Trauma verantwortlich Arme Beine Gesaumlszlig Ruumlcken und Gesicht sind bevorzugt betroffen Klinisch findet sich eine in den ersten Lebenstagen auftretende unregelmaumlszligig begrenzte leicht erhabene derbe Schwellung mit Hautroumltung Im Verlauf werden die Ver-

aumlnderungen weicher und loumlsen sich auf selten resultiert eine lokale Atrophie Pathologisch liegt eine perivaskulaumlre Inflammation der Subkutis vor gefolgt von Nekrose und Ausbildung eines Granu-loms Diese Granulomzellen sind offenbar in der Lage extrarenal 125-Dihydroxyvitamin D zu produzieren das zu einer Hyper-kalzaumlmie fuumlhren kann

Cave3ndash6 Wochen nach Ausbildung einer subkutanen Fett-gewebsnekrose kann sich eine ausgepraumlgte Hyper-kalzaumlmie mit klinischen Symptomen (Erbrechen Somnolenz) entwickeln Entsprechende laborchemische Kontrollen sind erforderlich

76 Das Fruumlhgeborene

kEpidemiologieUngefaumlhr 65 aller Geburten erfolgen vor der vollendeten 37 Schwangerschaftswoche etwa 15 der Kinder sind sehr kleine Fruumlhgeborene (Geburtsgewicht lt1500 g Gestationsalter lt32 vollen-dete Gestationswochen)

kAumltiologieDie Fruumlhgeburtlichkeit traumlgt als wesentlicher Faktor zur peri- und neonatalen Sterblichkeit bei Die Ursachen der Fruumlhgeburtlichkeit lassen sich nur bei einem Teil der Patienten eruieren 4 vorzeitige Wehen 4 vorzeitiger Blasensprung 4 Amnioninfektionssyndrom 4 Mehrlingsschwangerschaften 4 akute Plazentaloumlsung 4 muumltterliche Erkrankungen wie EPH-Gestose

kPrognoseDie Uumlberlebenschance Fruumlhgeborener mit einem Geburtsgewicht lt1500 g hat sich im letzten Jahrzehnt deutlich verbessert Waumlhrend in den fruumlhen 1970er Jahren nur 15ndash40 dieser Risikopatienten die Neonatalperiode uumlberlebten ist 10 Jahre spaumlter die Uumlberlebensrate Fruumlhgeborener auf gt90 angestiegen Die Spaumltprognose ist aller-dings immer noch Anlass zur Besorgnis Zum Zeitpunkt der Ein-schulung weisen 6ndash12 der Fruumlhgeborenen mit einem Geburtsge-wicht zwischen 500ndash1500 g die in den 1990er Jahren geboren wur-den schwere Behinderungen auf Hier werden in verschiedenen Follow-up-Studien Zerebralparesen bei 2ndash9 zum Teil schwerste Sehbehinderungen bei 2ndash18 und Houmlrbehinderungen bei 2ndash14 der Hochrisikofruumlhgeborenen berichtet Partielle Leistungsschwauml-chen und Schulschwierigkeiten wurden bei mehr als 13 der Kinder beobachtet Erste Nachuntersuchungsergebnisse die bei Hochrisi-kofruumlhgeborenen der letzten 10 Jahre durchgefuumlhrt wurden berich-ten erfreulicherweise von einer Abnahme der neurologischen Spaumlt-folgen

Die guumlnstigere Prognose ist zu einem groszligen Teil auf die Ver-besserung der Betreuung und des perinatalen Managements von Risikoschwangeren sowie die Fortschritte der neonatalen Inten-sivmedizin zuruumlckzufuumlhren

kKlinikDas Grundproblem sehr kleiner Fruumlhgeborener bleibt jedoch beste-hen die Unreife von Organsystemen und -funktionen die postnatal zu einer Reihe von akuten Erkrankungen und chronischen pulmo-nalen und neurologischen Folgeschaumlden fuumlhren koumlnnen

714576 middot Das Fruumlhgeborene

4 Atemnotsyndrom chronische Lungenerkrankung broncho-pulmonale Dysplasie

4 intrazerebrale Blutung periventrikulaumlre Leukomalazie 4 persistierender Ductus arteriosus 4 Apnoe Bradykardie 4 nekrotisierende Enterokolitis 4 erhoumlhte Infektionsdisposition nosokomiale Sepsis 4 Hypothermie Hypoglykaumlmie 4 Fruumlhgeborenenretinopathie Taubheit 4 psychomotorische Retardierung neurologische Schaumldigung

In den letzten Jahren gibt es eine zunehmende Anzahl von experi-mentellen Untersuchungen sowie klinischen Beobachtungen und Studien die eine Assoziation zwischen maternaler Chorioamnioni-tis und dem Auftreten einer bronchopulmonalen Dysplasie sowie Hirnblutungen bzw periventrikulaumlrer Leukomalazie nahelegen Eine Chorioamnionitis laumlsst sich bei mehr als 50 aller sehr unreifer Fruumlhgeborener in der Vorgeschichte nachweisen Vermutlich fuumlhrt die im Rahmen einer Chorioamnionitis beschriebene intrauterine Zytokinexposition des Feten zu einer Inflammationsreaktion in der kindlichen Lunge sowie zu einer ersten Schaumldigung der unreifen vaskulaumlren Endothelstrukturen dem sog raquofirst hitlaquo ( Abb 717) Treten unmittelbar nach der Geburt weitere schicksalshafte oder auch vermeidbare Ereignisse auf die zu einer Veraumlnderung der zere-bralen Durchblutung und Fluktuationen des zerebralen Blutflusses fuumlhren so kann eine Hirnblutung oder Minderperfusion vulnerabler Gehirnstrukturen auftreten Die intrauterine pulmonale Inflamma-tionsreaktion wird durch postnatale Sauerstofftoxizitaumlt Baro-Volu-trauma sowie Infektionen verstaumlrkt und kann in eine bronchopul-monale Dysplasie einmuumlnden

Maumlnnliche Fruumlhgeborene und Mehrlinge haben allerdings eine geringere Uumlberlebenschance als weibliche Risikopatienten bzw Ein-zelgeborene gleichen Gestationsalters

kManagementFuumlr eine optimale Betreuung von Risikofruumlhgeborenen muumlssen eine Reihe von Bedingungen erfuumlllt sein Risikoschwangere und Fruumlhge-borene sollten nur in personell und technisch optimal ausgestatteten Perinatalzentren betreut werden Ein In-utero-Transport eines ge-faumlhrdeten Fruumlhgeborenen ist mit ungleich geringeren Risiken ver-bunden als eine postnatale Verlegung Die Inzidenz von bleibenden Behinderungen ist ndash wie in vielen Studien belegt ndash bei einer Behand-lung in Perinatalzentren deutlich geringer als in kleinen Kinder-kliniken die uumlber eine geringere Erfahrung in der Behandlung der Patienten undoder eine unzureichende personelle bzw apparative Ausstattung verfuumlgen

gt Bei einer drohenden Geburt vor der 34 Gestationswoche ist unter maximaler tokolytischer Therapie und kritischer Indikationsstellung eine Lungenreifungsbehandlung mit Betamethason oder Dexamethason durchzufuumlhren

Die Geburt dieser Risikopatienten sollte so atraumatisch wie moumlg-lich erfolgen Durch eine schonende Spontangeburt scheint die Kom-plikationsrate insbesondere zerebraler Schaumldigungen nicht erhoumlht zu sein Eine primaumlre Sectio caesarea ist in jedem Fall bei Kindern mit Beckenendlage drohender intrauteriner Asphyxie Verdacht auf Am-nioninfektionssyndrom sowie jedweder Form relevanter muumltterli-cher und kindlicher Pathologie indiziert Waumlhrend der muumltterlichen Anaumlsthesie muss eine intrauterine und postnatale Depression des Kindes unbedingt vermieden werden Dies setzt eine enge Abstim-mung von Anaumlsthesieverfahren chirurgischem Vorgehen und un-mittelbar postnataler Versorgung der Fruumlhgeborenen voraus

Nach der Erstversorgung der Fruumlhgeborenen im Kreiszligsaal er-folgt die weitere zeit- und personalaufwaumlndige Behandlung und Pfle-ge der Kinder auf einer neonatologischen Intensivstation Die therapeutischen Maszlignahmen zielen auf eine Stabilisierung und Kor-rektur von postnatal einsetzenden Organstoumlrungen ab Da Fruumlhge-borene nicht in der Lage sind die Koumlrpertemperatur selbststaumlndig aufrecht zu erhalten werden die Kinder in einem Inkubator oder in speziellen Waumlrmeeinheiten gepflegt die Temperatur wird den Be-duumlrfnissen der Patienten (thermoneutrale Temperatur ausreichende Luftfeuchtigkeit) angepasst Zur Uumlberwachung der Fruumlhgeborenen werden EKG- und Atmungsmonitore eingesetzt in Abhaumlngigkeit vom postnatalen Verlauf (maschinelle Beatmung Sauerstoffthera-pie) erfolgt eine kontinuierliche transkutane Messung des O2- und CO2-Partialdrucks eine kontinuierliche Pulsoxymetrie repetitive Blutgasanalysen Blutdruckmessungen u a Sehr kleine Fruumlhgebore-ne werden haumlufig parenteral (zentrale Katheter) undoder mithilfe einer Magensonde ernaumlhrt

Das Risiko an einer nosokomialen Sepsis und lokalen noso-komialen Infektionen zu erkranken ist hoch in einigen Perinatal-zentren erkranken bis zu 25 der Hochrisikopatienten an einer Sepsis Die psychische Bindung zwischen Mutter und Fruumlhgebore-nem bzw zwischen Vater und Fruumlhgeborenem soll auch bei be-atmeten aber respiratorisch und zirkulatorisch stabilen Kindern so fruumlh wie moumlglich erfolgen Die sog Kaumlnguru-Methode wird von den meisten Fruumlhgeborenen auszligerordentlich gut toleriert ( Abb 718)

Abb 717 Maternale Chorioamnionitis und intrauterine Zytokinexposi-tion des Feten Proinflammatorische Zytokine wie Tumornekrosefaktor-α (TNF-α) und die Interleukine 1 6 8 (IL-1 IL-6 IL-8) die im Rahmen einer Chorioamnionitis in das Fruchtwasser gelangen koumlnnen bereits intrauterin eine pulmonale Entzuumlndungsreaktion des Feten ausloumlsen Dieses Ereignis ist vermutlich ein bedeutender Risikofaktor fuumlr die Entwicklung einer bron-chopulmonalen Dysplasie Daruumlber hinaus kann eine Chorioamnionitis eine systemische fetale Entzuumlndungsreaktion induzieren die mit einem erhoumlh-ten Risiko fuumlr zerebrale Schaumldigungen assoziiert ist

Kapitel 7 middot Neonatologie146

7

761 Das Atemnotsyndrom Fruumlhgeborener

Die Surfactantsubstitution stellt einen entscheidenden Durchbruch in der Behandlung des Atemnotsyndroms Fruumlhgeborener dar Durch diese kausale Therapiemaszlignahme konnten die akuten pulmonalen Komplikationen beatmeter Fruumlhgeborener um 23 reduziert werden und die Sterblichkeit von Fruumlhgeborenen mit Atemnotsyndrom nahezu halbiert werden

kEpidemiologieDas Atemnotsyndrom Fruumlhgeborener (RDS raquorespiratory distress syndromelaquo syn hyalines Membranensyndrom) stellte vor Einfuumlh-rung der Surfactantsubstitution die haumlufigste Todesursache der Neonatalperiode dar Ungefaumlhr 1 aller Neugeborenen erkranken an einem RDS Die Inzidenz steigt mit abnehmendem Gestationsal-ter bis zu 60 der Fruumlhgeborenen lt30 Gestationswoche entwickeln ein RDS

kPathogeneseWesentliche Ursache des RDS ist der Mangel eines pulmonalen ober-flaumlchenaktiven Surfactantsystems das die Oberflaumlchenspannung der Alveolen vermindert und somit zur Stabilitaumlt des Alveolarsys-tems beitraumlgt es beugt einem Alveolarkollaps in der Exspiration vor (Surfactant raquosurface active agentlaquo) Surfactant das in Pneumozy-ten vom Typ II gebildet und in den Alveolarraum sezerniert wird besteht uumlberwiegend aus verschiedenen Phospholipiden

Bei Patienten mit RDS ist die Surfactant-Hauptkomponente Dipalmitoylphosphatidylcholin (Lecithin) quantitativ vermindert

Phosphatidylcholin fehlt vollstaumlndig Da eine staumlndige Sekretion von Surfactant in das Fruchtwasser stattfindet kann durch eine Bestimmung des LS-Quotienten (LecithinSphingomyelin) die Lungenreife von Fruumlhgeborenen abgeschaumltzt werden Der Sphingo-myelingehalt im Fruchtwasser bleibt im Verlauf der Schwangerschaft konstant Ein LS-Quotient von gt21 weist auf ein ausgereiftes Sur-factantsystem hin

Neben Phospholipiden enthaumllt Surfactant Apoproteine unter-schiedlichen Molekulargewichts (SP raquosurfactant proteinlaquo) Waumlh-rend die hochmolekularen Apoproteine (SP-A) vermutlich die zellulaumlre Sekretion und Wiederaufnahme der Phospholipide regulie-ren sowie lokale Abwehrfunktionen gegen verschiedenste mikro-bielle Erreger uumlbernehmen (SP-A SP-D) kommt den hydrophoben niedermolekularen Apoproteinen (SP-B SP-C) eine besondere funktionelle Bedeutung zu sie verbessern die Absorption und Aus-breitung der Surfactantphospholipide

Die Surfactantdefizienz wird typischerweise durch eine postna-tal einsetzende intraalveolaumlre Akkumulation von Plasmaproteinen kompliziert die nach Schaumldigung des Alveolarepithels und Kapilla-rendothels die Alveoli auskleiden und die Surfactantwirkung direkt inhibieren (hyaline Membranen Abb 719)

Eine ausreichende Surfactantsynthese besteht in der Regel von der 35 Gestationswoche an Eine verzoumlgerte Lungenreifung koumln-nen Kinder diabetischer Muumltter Neugeborene mit Asphyxie oder schwerer Erythroblastose aufweisen Eine beschleunigte Lungen-reifung wird bei Praumleklampsie und Wachstumsretardierung bei intrauterinem Stress durch vorzeitigen Blasensprung (2ndash7 Tage) und durch ein muumltterliches Amnioninfektionssyndrom beobachtet

kPathophysiologieBei einem Surfactantmangel entwickeln sich in den Lungen der Fruumlhgeborenen unmittelbar nach der Geburt zunehmende diffuse Atelektasen die alveolaumlre Minderbeluumlftung fuumlhrt zu einer Hypoxauml-mieHypoxie und zu einem Anstieg des CO2-Partialdruckes Die Folgen sind eine systemische Hypotension und Vasokonstriktion der pulmonalen Gefaumlszlige die eine pulmonale Minderperfusion so-wie eine Ausbildung intrapulmonaler Shunts und eines Rechts-links-Shunts auf Vorhofebene (Foramen ovale) bzw uumlber den Ductus arteriosus nach sich ziehen Der pulmonale Metabolismus

Abb 718 Direkter Koumlrper- und Blickkontakt zwischen Vater und Kind im Rahmen der Kaumlnguru-Methode Fruumlhgeborenes der 25 Gestationswoche 660 g Geburtsgewicht Spontangeburt mittelschweres Atemnotsyndrom und transitorische chronische Lungenerkrankung ohne weitere Komplika-tionen hier im Alter von 6 Lebenswochen

Abb 719 Histologie des Atemnotsyndroms Fruumlhgeborener ausgedehn-te Atelektasen in den wenigen uumlberblaumlhten Alveolen typische hyaline Membranen aus verschiedenen Proteinen Fibrin und zellulaumlrem Detritus (Pfeile rosa gefaumlrbte hyaline Membranen)

714776 middot Das Fruumlhgeborene

wird erheblich eingeschraumlnkt Sowohl Azidose Hypoxie und der veraumlnderte Lungenstoffwechsel inhibieren die postnatal einsetzende De-novo-Synthese von Surfactant In Abb 720 ist der Circulus vitiosus des Atemnotsyndroms dargestellt

kKlinikKlinische Symptome treten unmittelbar nach der Geburt oder in-nerhalb der ersten 3ndash4 Stunden post partum auf 4 Tachypnoe gt60min 4 Nasenfluumlgeln 4 exspiratorisches Stoumlhnen 4 sternale und interkostale Einziehungen 4 abgeschwaumlchtes Atemgeraumlusch 4 Mikrozirkulationsstoumlrungen blass-graues Hautkolorit 4 Temperaturinstabilitaumlt 4 evtl Zyanose (bei insuffizienter Behandlung)

Bei der roumlntgenologischen Untersuchung des Thorax finden sich typische Veraumlnderungen unter zunehmender Verdichtung des Lun-genparenchyms mit Ausloumlschung der Herz- und Zwerchfellkonturen entwickelt sich eine so genannte raquoweiszlige Lungelaquo ( Abb 721)

CaveEine neonatale Infektion mit β-haumlmolysierenden Streptokokken der Gruppe B kann sich unter klinischen und radiologischen Zeichen eines RDS manifestieren

kKomplikationenIm Verlauf der Erkrankung koumlnnen folgende Komplikationen auf-treten 4 extraalveolaumlre Luftansammlung pulmonales interstitielles Em-

physem 4 Pneumothorax 4 Pneumomediastinum 4 Pneumoperitoneum 4 Pneumoperikard

Als Folge der Lungenunreife der Langzeitbeatmung und Sauerstoff-toxizitaumlt in der Einatmungsluft kann sich bei Risikopatienten eine chronische Lungenerkrankung die bronchopulmonale Dysplasie (BPD) entwickeln

kSymptomatische TherapieDie Therapie des RDS wird vom Schweregrad der pulmonalen Er-krankung bestimmt 4 Bei leichtem RDS Nasen-CPAP (raquocontinuous positive airway

pressurelaquo uumlber einen binasalen CPAP) 4 Bei deutlicher Ventilations- und Oxygenierungsstoumlrung in-

termittierende oder kontrollierte maschinelle Beatmung der Patienten uumlber einen trachealen Tubus

4 Uumlberwachung kontinuierliche transkutane Messung des pO2 und pCO2 kontinuierliche Pulsoxymetrie regelmaumlszligige Blut-gasanalysen engmaschige Blutdruckkontrollen evtl Plasma- bzw Bluttransfusionen u a Maszlignahmen

gt Das Grundprinzip besteht im raquominimal handlinglaquo einer moumlglichst geringen Belastung des Fruumlhgeborenen durch diagnostische und therapeutische Maszlignahmen

kSurfactantsubstitutionstherapieIn den letzten 20 Jahren ist mit der Substitution mit natuumlrlichem und synthetischem Surfactant als kausaler Therapie ein entscheidender Fortschritt in der Behandlung des Atemnotsyndroms Fruumlhgebore-ner erzielt worden

Natuumlrliche Surfactantpraumlparate werden durch Lavage von Kaumllber- und Rinderlungen (Alveofact Infasurf) oder Homogenisie-rung von Rinderlungen (Surfactant-TA Survanta) oder Schweine-lungen (Curosurf) extrahiert oder aber wurden fuumlr klinische Studien aus dem menschlichen Fruchtwasser isoliert Die Praumlparate enthal-ten die Apoproteine SP-B und SP-C (ca 1) sie unterscheiden sich aber in der Zusammensetzung der Phospholipidfraktionen der Konzentration und dem Applikationsvolumen

Synthetische Surfactantpraumlparate sind apoproteinfrei Wie in randomisierten Studien belegt wurde uumlberlebten mehr Fruumlhge-borene mit RDS die ein natuumlrliches Surfactantpraumlparat erhielten synthetische Surfactantpraumlparate stehen zur Zeit nicht mehr zur Ver-fuumlgung

Effekte der Surfactantsubstitution Unmittelbar nach intratrache-aler Applikation natuumlrlicher Surfactantpraumlparate konnte bei Fruumlh-geborenen mit manifestem RDS in allen kontrollierten Studien eine ndash wenn auch recht unterschiedliche ndash Verbesserung der Oxigenie-rung und der Beatmungssituation erzielt werden

Abb 720 Circulus vitiosus des Surfactantmangels

Abb 721 Radiologische Veraumlnderungen bei schwerem Atemnotsyn-drom verdichtetes Lungenparenchym Ausloumlschung von Zwerchfell- und Herzkonturen sog raquoweiszlige Lungelaquo

Kapitel 7 middot Neonatologie148

7 Sowohl nach prophylaktischer als auch therapeutischer Surfactantgabe konnte die Pneumothoraxinzidenz um 50ndash70 und die Sterblichkeit um ca 40 reduziert werden Alle anderen akuten und chronischen mit Atemnotsyndrom assoziierten Komplikationen wurden durch eine Surfactanttherapie nicht be-einflusst

Neuere Untersuchungen weisen darauf hin dass eine Surfactant-behandlung in der fruumlhen Phase des Atemnotsyndroms einer Therapie in einer spaumlteren Erkrankungsphase uumlberlegen ist Beson-ders Fruumlhgeborene lt28 Gestationswochen profitieren von einer prophylaktischen oder sehr fruumlhen Surfactantapplikation Wie Me-taanalysen belegen fuumlhrt eine Surfactantsubstitution innerhalb von 15 min nach der Geburt zu einer geringen Auspraumlgung des Atemnotsyndroms zu einer reduzierten Inzidenz der BPD und einer geringen Sterblichkeit in dieser Altersgruppe

Empfehlungen zur postnatalen Surfactantbehandlung 4 Moumlglichst fruumlhzeitige Behandlung im Kreiszligsaal fuumlr sehr

unreife Fruumlhgeborene lt28 Gestationswochen 4 Fruumlhe Surfactantsubstitution bei Fruumlhgeborenen

lt32 Gestationswochen mit klinischen Zeichen des raquorespiratory distress syndromelaquo maschineller Beatmung und O2-Bedarf gt40

4 Spaumltere Behandlung bei etwas raquoreiferenlaquo Fruumlhgebore-nen mit RDS maschineller Beatmung und einem O2-Bedarf gt50ndash60

4 Initialdosis fuumlr die prophylaktische Behandlung mit natuumlrlichen Surfactantpraumlparaten ca 100 mgkg KG bei manifestem RDS 100 bis maximal 200 mgkg KG

4 Innerhalb von 48 h wiederholte Surfactantgaben bei er-neutem O2-Anstieg gt30 und maschineller Beatmung (kumulative Dosis 400 mgkg KG)

4 Unabhaumlngig von der Art der Surfactantpraumlparation muss der behandelnde Kinderarzt mit allen Aspekten der Surfactantapplikation der maschinellen Beatmung sowie allen anderen Maszlignahmen der neonatologischen Intensivmedizin vertraut sein

Surfactant-raquoNonresponderlaquo Eine Reihe von Grunderkrankungen koumlnnen den Effekt einer Surfactanttherapie negativ beeinflussen So muss bei Fruumlhgeborenen mit struktureller Lungenunreife oder Lungenhypoplasie z B nach laumlngerem vorzeitigem Blasensprung sowie bei Kindern mit konnataler und neonataler Pneumonie mit einem fehlenden oder deutlich geringeren Therapieerfolg gerechnet werden Aber auch die perinatale Hypoxie Hypothermie und nicht

zuletzt die systemische Hypotension haben unmittelbaren Einfluss auf die initiale Wirksamkeit der Surfactantbehandlung

Eine nur transitorische Verbesserung der Oxygenierung und des Gasaustauschs wird bei Fruumlhgeborenen beobachtet die im Rahmen eines haumlmodynamisch signifikanten persistierenden Ductus arterio-sus ein intraalveolaumlres Oumldem entwickeln

Nebenwirkungen Unmittelbare Nebenwirkungen einer Behand-lung mit natuumlrlichen Surfactantpraumlparaten sind ndash von Fehlern bei der Anpassung der maschinellen Beatmung abgesehen ndash bisher nicht beschrieben

CaveNach Gabe natuumlrlicher Surfactantpraumlparate kann eine akute Uumlberblaumlhung des Lungenparenchyms (raquoHyperex-pansionlaquo) durch eine ungenuumlgende Anpassung des Beat-mungsdrucks zu ernsthaften Ventilations- und Zirkula-tionsproblemen der behandelten Kinder fuumlhren

Eine Sensibilisierung gegen tierische im Surfactant enthaltende Apoproteine wurde bei keinem Patienten beschrieben In Nachun-tersuchungen von Kindern die mit natuumlrlichen oder synthetischen Praumlparaten behandelt worden waren konnte kein Unterschied in der somatischen oder neurologischen Entwicklung im Vergleich zu un-behandelten Kontrollpatienten festgestellt werden Eine gehaumlufte Infektanfaumllligkeit oder gar ein Auftreten einer chronischen Slow-virus-Infektion wurde nach Behandlung mit natuumlrlichen Surfactant-praumlparaten auch nach einer 23-jaumlhrigen Erfahrung mit diesem neuen Therapieprinzip bisher nicht beobachtet

Andere Indikationen fuumlr eine Surfactanttherapie Neben dem neonatalen Atemnotsyndrom ist eine Surfactantbehandlung auch bei Erkrankungen vorstellbar in deren Verlauf ein sekundaumlrer Surfactantmangel auftritt Zurzeit laufende kontrollierte randomi-sierte Studien evaluieren den Einfluss einer Surfactantbehandlung bei konnataler Pneumonie Mekoniumaspirationssyndrom und Zwerchfellhernie

kPraumlventionDie sog Lungenreifungsbehandlung durch Betamethason oder Dexamethason kann die Inzidenz und den Schweregrad des RDS Fruumlhgeborener durch eine Enzyminduktion vermindern Betame-thason sollte der Schwangeren moumlglichst 48 h vor der Geburt ver-abreicht werden Praumlnatale Kortikosteroide in Kombination mit der postnatalen Surfactantherapie (natuumlrliches Surfactant) reduzieren die Sterblichkeit sowie die Inzidenz pulmonaler sowie extrapulmo-naler Komplikationen (Hirnblutung) Allerdings ist von einer repe-

Exkurs

Surfactantsubstitution ndash ein Meilenstein in der Neonatalmedizin

1959 konnten Avery und Mead Boston bei verstorbenen Fruumlhgeborenen erstmals bele-gen dass das hyaline Membranensyndrom mit dem Mangel des oberflaumlchenaktiven Materials assoziiert war 1967 gelang es Rufer Goumlttin-gen die mechanischen Eigenschaften surfac-tantdepletierter isolierter Tierlungen durch in-trabronchiale Instillation einer oberflaumlchenak-tiven Substanz zu verbessern ein Jahr spaumlter konnte er diesen positiven Effekt einer Surfac-tantwirkung an isolierten Lungen Fruumlhgebore-

ner erbringen die an einem Atemnotsyndrom verstorben waren Enhorning und Robertson Toronto bzw Stockholm publizierten 1972 die vielbeachteten Ergebnisse einer Surfactant-substitutionstherapie bei beatmeten fruumlhge-borenen Kaninchen 1980 berichteten Fujiwara et al Akita erstmals von Fruumlhgeborenen mit manifestem Atemnotsyndrom die nach intrat-rachealer Applikation eines Rindersurfactants deutliche Veraumlnderungen des pulmonalen Gasaustausches zeigten In der folgenden

Dekade wurde die klinische Wirksamkeit der Surfactantbehandlung in sorgfaumlltig geplanten multizentrisch kontrollierten undoder rando-misierten Studien eindrucksvoll belegt welt-weit wurden mehr als 10000 Fruumlhgeborene mit verschiedensten Surfactantpraumlparationen behandelt Die Surfactantsubstitution ist da-mit die am besten untersuchte Therapie der Neonatalmedizin

714976 middot Das Fruumlhgeborene

titiven Gabe die noch in juumlngster Vergangenheit in 8- bis 10-taumlgigen Abstaumlnden bis zum Zeitpunkt der Geburt erfolgte abzuraten Es gibt ernst zu nehmende Hinweise dass die Entwicklung des fetalen Ge-hirns durch diese Strategie beeintraumlchtigt wird

Als weiterer bedeutsamer Faktor in der Praumlvention des RDS ist eine schonende Geburtseinleitung und optimale primaumlre Reani-mation der Risikokinder anzusehen

Der besondere FallAnamnese Nach unauffaumllligem Schwangerschaftsverlauf treten bei einer 24-jaumlhrigen Zweitgebaumlrenden in der 29 Gestationswoche ploumltz-lich vorzeitige Wehen auf dazu rasche Muttermundseroumlffnung unauf-faumllliges kindliches CTG Trotz sofortigen Beginns einer tokolytischen (wehenhemmenden) Therapie erfolgt nach einmaliger Kortisongabe die Spontangeburt wenige Stunden nach stationaumlrer AufnahmeBefund und Erstversorgung Weibliches Fruumlhgeborenes der 29 Ge-stationswoche Geburtsgewicht 1060 g vital Wegen unregelmaumlszligiger Atmung wird nach kurzzeitiger Maskenbeatmung mit 40 O2 ein stabiler klinischer Zustand erreicht mit O2-Saumlttigung von 92 Nach 45 min zeigt sich eine zunehmende Tachypnoe (Atemfrequenz um 70min) raquostoumlhnendelaquo Atmung und beginnende jugulaumlre und inter-kostale Einziehungen Darauf folgt die endotracheale IntubationVerlauf Unter maschineller intermittierender Beatmung nimmt der O2-Bedarf weiter zu im Alter von 3 h unter 80 inspiratorischem O2-Gehalt normale Saumlttigung Ventilation und systemischer BlutdruckRoumlntgenthorax Diffuse feingranulaumlre Verdichtung des Lungenparen-chyms mit beginnender Ausloumlschung des Herzrandes RDS Grad IIITherapie Nach intratrachealer Applikation eines natuumlrlichen Surfac-tantpraumlparats (100 mg Phospholipidekg KG asymp125 ml Fluumlssigkeitkg KG) kann innerhalb weniger Minuten eine Reduktion des inspirato-rischen O2-Gehaltes auf 30 erfolgen Etwa 30 min spaumlter faumlllt dann eine rasch progrediente Verschlechterung der Oxygenierung und der Ventilationssituation auf (inspiratorische O2-Konzentration 100 pCO2 65 mmHg) Radiologisch zeigte die Lunge eine massive Uumlber-blaumlhung mit geringer Gefaumlszligzeichnung Durch drastische Senkung des inspiratorischen Spitzendrucks und Atemwegmitteldrucks normalisiert sich die Beatmungssituation der kindliche Zustands stabilisiert sich Die Extubation erfolgt am 5 Lebenstag Im weiteren Verlauf treten keine pulmonalen und zerebralen Komplikationen (Hirnblutung) nach Atemnotsyndrom auf die Entlassung eines gesunden ehemaligen Fruumlhgeborenen erfolgt in der 10 Lebenswoche bei einem Gewicht von 2560 gBeurteilung Typisches mittelschweres durch Surfactantmangel be-dingtes Atemnotsyndrom erfolgreiche Surfactantsubstitutionsbe-handlung Durch die unterlassene Reduktion des Beatmungsdrucks nach Surfactantapplikation iatrogene Uumlberblaumlhung des Lungenparen-chyms mit schwerer Ventilations- und Oxygenierungsstoumlrung sowie Drosselung der pulmonalen Perfusion

762 Persistierender Ductus arteriosus (PDA)

gt Ein haumlmodynamisch wirksamer persistierender Ductus arteriosus stellt das haumlufigste kardiovaskulaumlre Problem Fruumlhgeborener dar

kPathogenese PathophysiologieBei reifen Neugeborenen setzt mit ansteigenden O2-Partialdrucken nach der Geburt eine Konstriktion des Ductus arteriosus und ein konsekutiver Verschluss ein Der Ductus arteriosus Fruumlhgeborener reagiert schwaumlcher auf die postnatalen Kontraktionsreize Wesent-liche Faktoren duumlrften die unreife Muskulatur des Ductus und der

persistierende vasodilatatorische Effekt hoher Prostaglandinkon-zentrationen (PGE2) bei Fruumlhgeborenen sein Bei ausbleibendem Ductusverschluss entwickelt sich in der akuten Phase des RDS ein Shunt zwischen pulmonaler und systemischer Zirkulation (Rechts-links-Shunt)

Mit Ruumlckbildung des RDS sinkt der pulmonale Gefaumlszligwiderstand ab In dieser Phase kann sich ein haumlmodynamisch signifikanter Links-rechts-Shunt uumlber den PDA entwickeln Die Folge ist eine akute pulmonale Uumlberflutung mit haumlmorrhagischem Lungenoumldem und akuter kardialer Insuffizienz Die Beatmungssituation der Pati-enten verschlechtert sich akut durch Intensivierung der Beatmung und Erhoumlhung der inspiratorischen O2-Konzentration nimmt die Lungenschaumldigung zu (bronchopulmonale Dysplasie) Auch bei pro-trahierter Manifestation eines PDA koumlnnen u a ein interstitielles Lungenoumldem und Veraumlnderungen der Organperfusion (Nieren Magen-Darm-Trakt) auftreten

kKlinikEin PDA manifestiert sich haumlufig zwischen dem 3 und 5 Lebenstag 4 praumlkordiale Hyperaktivitaumlt 4 systolisches Herzgeraumlusch gelegentlich kontinuierlich 4 Pulsus celer et altus (raquospringende Pulselaquo) Tachykardie 4 Verschlechterung der Beatmungssituation evtl feinblasige

Rasselgeraumlusche 4 evtl Hepatomegalie 4 renale Ausscheidungsprobleme 4 Zirkulationsstoumlrungen

CaveEtwa 20 der Fruumlhgeborenen mit haumlmodynamisch signi-fikantem persistierendem Ductus arteriosus haben kein Herzgeraumlusch

Die klinische Verdachtsdiagnose wird durch die Roumlntgenthoraxauf-nahme die 2-dimensionale Echokardiographie und den direkten Shuntnachweis mithilfe der Dopplertechnik und Farbdopplerver-fahren bestaumltigt

kTherapieDie wesentlichen Therapieprinzipien des symptomatischen PDA sind 4 Fluumlssigkeitsrestriktion 4 Prostaglandinsynthesehemmer (Indometacin Ibuprofen) 4 operativer PDA-Verschluss

Durch die Hemmung der Prostaglandinsynthese wird der gefaumlszliger-weiternde Effekt von Prostaglandin E2 antagonisiert Kontraindika-tionen der Indometacinbehandlung sind Thrombozytopenie Serumkreatinin gt18 mgdl und Oligurie Etwa 40 aller Indometa-cinbehandelten Fruumlhgeborenen sprechen auf diese konservative Be-handlung nicht an

763 Wilson-Mikity-Syndrom

kDefinitionDiese chronisch-respiratorische Erkrankung kann auch bei nicht beatmeten Fruumlhgeborenen mit einem Gestationsalter von weniger als 32 Gestationswochen im postnatalen Alter von 10ndash14 Tagen auf-treten Die Kinder haben in der Regel keine oder nur eine milde Atemnotsymptomatik waumlhrend der ersten Lebenstage Der radiolo-gische Befund ist durch diffuse zystisch erscheinende Areale charakterisiert die besonders in den oberen Lungenpartien auf-

Kapitel 7 middot Neonatologie150

7

treten sollen Bei dieser chronisch-pulmonalen Erkrankung duumlrfte es sich um eine der moumlglichen Verlaufsformen der raquobonchopulmo-nalen Dysplasie (BPD)laquo Fruumlhgeborener handeln

kEpidemiologieDie Inzidenz des Wilson-Mikity-Syndroms ist nicht bekannt da eine eindeutig klinische und radiologische Abgrenzung von der raquoBPDlaquo nicht moumlglich ist

kPathogeneseWegweisende Untersuchungen zu pathogenetischen Mechanismen dieser chronischen Lungenerkrankung liegen nicht vor Eine erhoumlh-te Inzidenz von maternaler Chorioamnionitis bei Fruumlhgeborenen mit Wilson-Mikity-Syndrom duumlrfte auf eine moumlgliche Rolle von in-trauterinen bzw prauml- und postnatalen Infektionen hinweisen (s Pathogenese der BPD) Bei japanischen Fruumlhgeborenen mit Wilson-Mikity-Syndrom wurden erhoumlhte Gesamtkonzentrationen des Serumimmunglobulin M sowie erhoumlhte Aktivitaumlten der Granu-lozytenelastase im Tracheobronchialsekret nachgewiesen Es ist vor-stellbar dass das bei der BPD vorhandene pulmonale Entzuumlndungs-geschehen durch verschiedenste Infektionserreger ausgeloumlst oder aggraviert wird

kKlinikDie betroffenen Fruumlhgeborenen entwickeln um den 10ndash14 Lebens-tag langsam progrediente Zeichen der Atemnot (Tachypnoe Dys-pnoe etc) und oftmals einen erhoumlhten O2-Bedarf Die Luftnotsym-ptomatik kann uumlber mehrere Wochen und selten auch uumlber mehrere Monate anhalten

CaveDurch suboptimale O2-Saumlttigung und erniedrigten O2-Partialdruck kann sich eine persistierende pulmonale Hypertonie entwickeln

kTherapieUnter optimalen supportiven Maszlignahmen (7 Abschn 764 Thera-pie) sollte diese Erkrankung in der Regel ohne Folgen ausheilen

764 Bronchopulmonale Dysplasie

kGrundlagen1967 beschrieb Northway erstmalig eine Gruppe von Fruumlhge-borenen die nach maschineller Beatmung wegen eines Atemnot-syndroms keine Besserung der Lungenfunktion zeigten Die Kinder blieben uumlber lange Zeit respiratorabhaumlngig oder verstarben unter der Beatmung Diese vorher nicht beobachtete chronische Lun-genkrankheit wurde als bronchopulmonale Dysplasie (BPD) be-zeichnet

kPathogeneseDie BPD ist eine chronische Lungenkrankheit Fruumlhgeborener Grund-voraussetzung fuumlr die Entstehung ist die Unreife der Lunge welche sowohl die anatomischen Strukturen als auch funktionelle Systeme wie das Surfactantsystem betrifft In der Fruumlhphase liegt eine pulmo-nale Inflammationsreaktion vor die durch ein maschinelles Beat-mungstrauma die Sauerstofftoxizitaumlt in der Einatmungsluft oder eine praumlnatale Infektion im Rahmen einer Chorioamnionitis ausgeloumlst

Abb 722 Moumlgliche pathogenetische Sequenz der bronchopulmonalen Dysplasie

715176 middot Das Fruumlhgeborene

wird Eine postnatale Infektion ist ebenfalls in der Lage eine pulmo-nale Entzuumlndung zu induzieren Folge ist zunaumlchst ein interstitielles und alveolaumlres Oumldem Bei anhaltender Exposition gegenuumlber den No-xen wird der normale Gewebsreparaturprozess in der Lunge gestoumlrt es kommt zur Ausbildung einer Fibrose und eines Lungenemphy-sems ( Abb 722 und Abb 723) Moumlglicherweise beeinflusst die Inflammationsreaktion die physiologische Sequenz des Lungen-wachstums Die Folge ist eine abnorme Lungenent wicklung mit einer Beeintraumlchtigung der Alveolarisierung und der Vaskularisierung

gt Fuumlr die Entwicklung einer bronchopulmonalen Dysplasie ist haumlufig ein Atemnotsyndrom in den ersten Lebenstagen verantwortlich es ist aber keine unbedingte Vorausset-zung ein Teil sehr unreifer Fruumlhgeborener entwickelt eine BPD auch bei initial scheinbar gesunder Lunge

kPathophysiologieDie Lungenfunktion ist durch ein niedriges Lungenvolumen sowie eine erniedrigte Compliance charakterisiert Entwickelt sich in der Folge ein erhoumlhter Atemwegswiderstand so liegt eine Kombination von obstruktiver und restriktiver Ventilationsstoumlrung vor Atelek-tasen und Emphysem fuumlhren zu einer Stoumlrung der Relation zwischen alveolaumlrer Ventilation und Perfusion Der resultierende intrapulmo-nale Rechts-links-Shunt ist die Ursache fuumlr die Hypoxaumlmie bzw den Sauerstoffbedarf Aufgrund der Gefaumlszligrarefizierung und einer Mediahypertrophie entwickelt sich bei fortgeschrittenem Krank-heitsbild ein pulmonaler Hypertonus

kKlinikFruumlhgeborene mit einer BPD zeigen folgende Charakteristika und klinische Symptome

4 Langzeitbeatmung schwierige Entwoumlhnung von der maschi-nellen Beatmung

4 nach der Extubation eine persistierende Atemnot mit an-haltendem Sauerstoffbedarf sternalen und kostalen Ein-ziehungen und Tachypnoe

4 Kardiopulmonale Instabilitaumlt mit Neigung zu haumlufigen O2-Saumlttigungsabfaumlllen und Bradykardien

4 Typisches radiologisches Bild fleckig-steifige roumlntgendichte Veraumlnderungen in Abwechslung mit Regionen erhoumlhter Strah-lentransparenz oder zystisch-emphysematoumlsen Bereichen ( Abb 724)

4 Auf Grund der erhoumlhten Atemarbeit Gedeihstoumlrung

kDiagnoseDer Schweregrad der BPD wird durch Sauerstoffbedarf bzw Beat-mungsform zu bestimmten Zeitpunkten definiert ( Tab 79)

kPraumlventionPrinzipiell ist die Praumlvention der BPD das erste Behandlungsziel

Allgemeine Maszlignahmen zur Praumlvention der bronchopulmonalen Dysplasie

4 Praumlnatale Steroidbehandlung 4 Fruumlhzeitige Surfactanttherapie bei Atemnotsyndrom 4 Fruumlhzeitige Behandlung eines klinisch relevanten

persistierenden Ductus arteriosus 4 Vermeidung einer Fluumlssigkeitsuumlberladung 4 Niedrigste moumlgliche Beatmungsunterstuumltzung

und Sauerstoffgabe zur Aufrechterhaltung eines ausreichenden Gasaustausches

4 Falls moumlglich Vermeidung einer maschinellen Beatmung

4 Bei Beatmung fruumlhzeitige Extubation und CPAP- Behandlung

4 Gewaumlhrleistung einer ausreichenden Ernaumlhrung (parenteralenteral) sowie Versorgung mit Spuren-elementen und Vitaminen (Vitamin A)

Abb 723 Histologie der bronchopulmonalen Dysplasie diffuse Atelekta-sen sowie ausgepraumlgte emphysematoumlse Bezirke verbreitertes Interstitium

Abb 724 Radiologischer Befund einer bronchopulmonale Dysplasie Neben fibrotisch verdichteten und atelektatischen Arealen ( ) finden sich uumlberblaumlhte Bezirke ( )

Tab 79 Definition der BPD

Milde BPD O2 mit 28 Tagen Raumluft mit 36 Wochen PMA oder bei Entlassung

Moderate BPD lt30 O2 mit 36 Wochen PMA oder bei Entlassung

Schwere BPD ge30 O2 undoder BeatmungCPAP mit 36 Wochen PMA oder bei Entlassung

PMA postmenstruelles Alter

Kapitel 7 middot Neonatologie152

7

kTherapieWaumlhrend der stationaumlren Behandlung koumlnnen folgende gut belegte Behandlungsmaszlignahmen sinnvoll sein 4 Koffein Offenbar durch Verbesserung der Lungenmechanik

sowie der diuretischen Wirkung fuumlhrt die Behandlung mit Coffein zu einer Senkung der BPD-Rate

4 Steroide Unter einer postnatalen Behandlung Fruumlhgeborener mit Dexamethason kommt es zu einer Verminderung des pul-monalen Wassergehaltes zu einer Verbesserung des Gasaus-tauschs einer Abnahme der pulmonalen Inflammationsreak-tion sowie der mikrovaskulaumlren Permeabilitaumlt der Lunge Die Therapie ermoumlglicht innerhalb von 2ndash5 Tagen bei der Mehrzahl der behandelten beatmeten Patienten eine Extubation Dexame-thason hat bei einer fruumlhen postnatalen Behandlung eine Fuumllle von Nebenwirkungen und unguumlnstigen Langzeiteffekten

gt Da das Risiko fuumlr die Entwicklung einer Zerebralparese bei der Behandlung mit Dexamethason erhoumlht ist darf eine Therapie nur bei schwerer pulmonaler Insuffizienz eines Fruumlhgeborenen erfolgen

4 Inhalative Kortikosteroide wirken nicht prophylaktisch haben jedoch einen Stellenwert bei etablierter BPD

4 Sauerstoff Bei etablierter BPD insbesondere bei schweren Verlaumlufen besteht eine deutliche Mediahypertrophie der Pulmonalgefaumlszlige In dieser Situation sollte Sauerstoff nicht zu niedrig dosiert werden um die Entwicklung bzw Zunahme einer pulmonalen Hypertonie zu vermeiden (SO2 gt92 pO2 gt55 mmHg) Ausreichende Sauerstoffzufuhr ist ebenfalls erforderlich fuumlr eine befriedigende Gewichtszunahme Eine regelmaumlszligige echokardiographische Uumlberwachung zur Beur-teilung des Lungengefaumlszligwiderstandes ist notwendig

kPrognoseIn den meisten Faumlllen kommt es zu einer Reparatur der pulmonalen Veraumlnderungen dieses zeigt sich am Ruumlckgang der Atemnotsymp-tomatik und des Sauerstoffbedarfs Nur wenige Fruumlhgeborene be-noumltigen auch zum Zeitpunkt der Entlassung aus der Klinik noch Sauerstoff und erhalten eine entsprechende haumlusliche Therapie die in der Regel nicht laumlnger als 3ndash6 Monate erforderlich ist Einzelne Kinder lassen sich nicht von der Beatmung entwoumlhnen

Weiterhin haben Kinder mit BPD nicht selten ein hyperreagib-les Bronchialsystem und erkranken innerhalb der ersten 2 Lebens-jahre haumlufig an einer obstruktiven Bronchitis Virale Infektionen insbesondere die RSV-Bronchiolitis koumlnnen bei BPD-Patienten zu einem schwer verlaufenden Krankheitsbild fuumlhren Auffaumllligkeiten der Lungenfunktion (reversible oder fixierte Obstruktionen erhoumlh-tes intrathorakales Gasvolumen) sind bis ins Erwachsenenalter nachweisbar In der Regel sind die Kinder jedoch koumlrperlich spaumlter gut belastbar und in der Lage Sport zu treiben

765 Retinopathia praematurorum

kDefinitionDie Fruumlhgeborenenretinopathie (raquoretinopathy of prematuritylaquo ROP) ist eine multifaktorielle vasoproliferative Netzhauterkran-kung deren Inzidenz und Schweregrad mit zunehmender Unreife zunimmt 10 der Fruumlhgeborenen mit einem Geburtsgewicht lt1750 g aber fast 50 aller Kinder lt1000 g entwickeln irgendeine Form dieser Erkrankung Sie ist die haumlufigste Ursache von Blindheit bei Kindern unter 6 Jahren

kPathogeneseFuumlr die ROP-Entwicklung sind neben der Unreife postnatale Situa-tionen als Risikofaktoren anzusehen die entweder mit einer retina-len Minderperfusion oder einem erhoumlhten retinalen Sauerstoffan-gebot einhergehen 4 Hyperoxie 4 beatmungsbedingte Hypokapnie 4 Hypotension bei Sepsis 4 rezidivierende Apnoen 4 Fluktuationen der Sauerstoffsaumlttigung 4 intraventrikulaumlre Blutung 4 persisitierender Ductus arteriosus 4 Hyperkapnie

Der Schaumldigungsmechanismus setzt vermutlich zum Zeitpunkt der Geburt sehr unreifer Fruumlhgeborener ein ( Abb 725) Bereits die unmittelbare postnatale Exposition gegenuumlber erhoumlhten Sauerstoff-konzentrationen aber auch Raumluft fuumlhrt bei extrem unreifen

Exkurs

Die Geschichte der Fruumlhgeborenenretinopathie

Die Geschichte der Retinopathia praematuro-rum stellt ein erschreckendes Beispiel dar wie dogmatisch getroffene medizinische Entschei-dungen zu menschlichen Katastrophen fuumlhren koumlnnen Seit Beginn der 1940er Jahre wurden viele Fruumlhgeborene mit zusaumltzlichem Sauer-stoff (O2) behandelt die Konzentrationen lagen bei 70 O2 Erst in den 1950er Jahren wurde von australischen Kinderaumlrzten der freizuumlgige Einsatz von O2 als Ursache des epidemieartigen Auftretens der retrolentalen Fibroplasie (= ROP) und damit der Erblindung von relativ raquoreifenlaquo Fruumlhgeborenen identifi-ziert Eines der beruumlhmtesten Opfer ist Stevie Wonder Jahrgang 1950 der in der 34 Gestati-onswoche geboren wurde Aufgrund dieser alamierenden Ergebnisse wurden strenge Therapierichtlinien mit Limitierung der

O2-Gabe auf 40 eingefuumlhrt Die Folge war ein dramatischer Ruumlckgang der ROP Dieses wurde als uumlberzeugender Beweis fuumlr die Richtigkeit der These angesehen dass Sauerstoff in der Tat die einzige notwendige und ausreichende Ursache der retinalen Erkrankung war Jeder Fall von ROP-bedingter Blindheit wurde als Folge einer fehlerhaften Sauerstofftherapie angesehen und hatte entsprechende juristi-sche FolgenIn der Folge stiegen jedoch die Mortalitaumlt und Morbiditaumlt der Fruumlhgeborenen drastisch an Durch Einfuumlhrung intensivmedizinischer Kon-zepte in die Neonatologie mit der Moumlglichkeit der Blutgasanalyse in den 1970er Jahren sank die Mortalitaumlt von Fruumlhgeborenen waumlhrend die ROP-Inzidenz relativ niedrig war Die Sauer-stofftherapie wurde nach dem arteriell gemes-

senen pO2 gesteuert eine Hyperoxie schien so trotz Verabreichung houmlherer Sauerstoffkonzen-trationen vermeidbar Erneut galt die ROP als eine durch iatrogene Uumlberdosierung von O2 verursachte vermeidbare Erkrankung Auf-grund der zunehmenden Uumlberlebensraten sehr unreifer Fruumlhgeborener kam es in den 1980er Jahren jedoch zu einer deutlichen Wiederzu-nahme der Erkrankung sodass von einer neu-en 2 Epidemie gesprochen wurde Es wurde nun jedoch klar dass die ROP eine multikausa-le Erkrankung war die ihre Hauptursache in der Unreife der Fruumlhgeborenen hat Waumlhrend die Inzidenz der schweren ROP in den meisten westlichen Laumlndern erfreulicherweise ruumlck-laumlufig ist erkranken gerade in den Schwellen-laumlndern wieder relativ reife Fruumlhgeborene an dieser bedrohlichen Retinopathie

715376 middot Das Fruumlhgeborene

Fruumlhgeborenen zu einer relativen Hyperoxie der Retina Dadurch wird ein wichtiger Wachstumsfaktor fuumlr die Gefaumlszligentwicklung der Netzhaut VEGF (raquovascular endothelial growth factorlaquo) herabregu-liert Niedrige Konzentrationen von VEGF fuumlhren zu Arretierung des Gefaumlszligwachstums und zu einer retinalen Vasoobliteration Mit zunehmendem Wachstum der neuralen retinalen Strukturen steigt der metabolische Bedarf der Netzhaut an es entsteht eine relative Gewebshypoxie Hierzu koumlnnen auch die genannten Risikofaktoren beitragen die zu einer retinalen Minderperfusion fuumlhren In dieser Phase induziert die Gewebshypoxie eine massive Uumlberproduktion von angiogenetischen Faktoren wie VEGF als Konsequenz resultiert eine abnorme Neovaskularisierung von retinalen Gefaumlszligen Die Ge-faumlszlige wachsen in den Glaskoumlrper ein aufgrund einer vermehrten Permeabilitaumlt kann es zu Blutungen und Oumldembildung kommen

CaveDurch narbige Traktion kann die Retina an der das vaskulaumlr-fibrotische Gewebe anheftet abgehoben werden

kKlinikWaumlhrend der ROP-Entwicklung zeigen die Fruumlhgeborenen keine typischen klinischen Symptome Aus diesem Grund sind regel-maumlszligige ophthalmologische Kontrolluntersuchungen zwingend notwendig Der Zeitpunkt des Auftretens haumlngt von der retinalen Gefaumlszligentwicklung und somit vom postkonzeptionellen Alter ab Die ersten Veraumlnderungen treten in der Regel in der 34 Woche auf und die ersten Gefaumlszligproliferationen in der 36 Woche

gt Um eine Retinopathie nicht zu uumlbersehen sollte die Erst-untersuchung bei Fruumlhgeborenen mit einem Geburtsge-wicht (GG) lt1000 g im Alter von 6 Wochen oder in der 32 Woche pc erfolgen bei Fruumlhgeborenen mit einem GG zwischen 1000ndash1500 g im Alter von 4 Wochen

Kontrolluntersuchungen werden je nach Befund alle 7ndash14 Tage oder in kuumlrzeren Abstaumlnden durchgefuumlhrt Die letzte Untersuchung er-folgt nach Abschluss der Netzhautvaskularisierung

kKlassifizierungIn die internationale Klassifizierung der ROP (ICROP 1984) geht ein dass die Erkrankung umso schwerer ist je weiter posterior (d h zentral) und je ausgedehnter (d h Anzahl der betroffenen Sektoren)

die Laumlsionen sind Dann folgt die Beurteilung des Schweregrades an der Grenzlinie zwischen vaskularisierter und avaskulaumlrer Retina sowie das Vorhandensein zusaumltzlicher aggravierender Zeichen (raquoplus diseaselaquo) 4 Lokalisation Zone 1ndash3 von zentral nach peripher 4 Ausdehnung Angabe von betroffenen 30deg-Sektoren (12 Stuumlck)

als Uhrzeiten mit Sehnerv als Mittelpunkt 4 Schweregrad

5 Grad 1 duumlnne weiszlige Demarkationslinie zwischen vasku-larisierter und avaskulaumlrer Netzhaut 5 Grad 2 erhabene rosagefaumlrbte Proliferationsleiste 5 Grad 3 extraretinale fibrovaskulaumlre Proliferationen ( Abb 726) 5 Grad 4 partielle Netzhautabloumlsung der Raum zwischen Netzhaut und Aderhaut fuumlllt sich mit seroumlser Fluumlssigkeit 5 Grad 5 komplette Netzhautabloumlsung

4 Plus Disease Auftreten vermehrter Gefaumlszligdilatation und -schlaumlngelung (Tortuositas)

kVerlauf PrognoseDie meisten Kinder mit Erkrankungen des Stadiums 1 und 2 zeigen eine Regression In Stadium 3 haumlngt die Prognose von der Ausdeh-nung des Befundes ab im Stadium 4 insbesondere bei Beteiligung der Makula ist die Prognose sehr schlecht Das Risiko fuumlr eine Er-blindung betraumlgt bei Fruumlhgeborenen unter 750 g 5ndash9 unter 1000 g 2 und uumlber 1000 g 01 Die ROP erhoumlht das Risiko der Kinder fuumlr Myopie Strabismus und andere Visusprobleme

kPraumlvention TherapieEine sicher wirksame Praumlvention der ROP besteht nicht Notwendig ist die Uumlberwachung der Sauerstoffzufuhr Dieses erfolgt bei kleinen Fruumlhgeborenen vorzugsweise uumlber den transkutan gemes senen pO2 anzustreben ist ein pO2 50ndash70 mmHg Die pulsoxi metrisch gemesse-ne Sauerstoffsaumlttigung sollte bei allen Fruumlhge borenen die einen zu-saumltzlichen Sauerstoffbedarf haben zwischen 90 ndash 95 liegen

Therapeutisch wird uumlberwiegend die Lasertherapie seltener eine Kryotherapie angewendet Ziel der Photokoagulation oder Kryotherapie ist die Zerstoumlrung von Gefaumlszligproliferationen und des angiogenem Granulationsgewebe Die Behandlung vermindert die Wahrscheinlichkeit eines Visusverlustes um uumlber 50 Zur Zeit wird in kontrollierten klinischen Studien der Einsatz einer anti-VEGF-

Abb 725 Entstehungsmechanismus der Fruumlhgeborenenretinopathie

Abb 726 Retinopathia praematurorum Stadium III auf der rechten Seite vaskularisierte Netzhaut mit erweiterten Gefaumlszligen die in eine breite Proliferationsleiste uumlbergehen Peripher der Leiste Blutung im Bereich der avaskulaumlren Netzhaut (weiszlige Punkte sind Spiegelungsartefakte)

Kapitel 7 middot Neonatologie154

7

Therapie untersucht Erste Daten bei schwersten Verlaufsformen der ROP lassen hoffen dass sich die therapeutischen Moumlglichkeiten in der Zukunft verbessern werden

766 Hirnblutungen des Fruumlhgeborenen

767 Germinale Matrixblutung des Fruumlhgeborenen

kNeuropathologie und zerebrovaskulaumlre ArchitekturDie typische Hirnblutung Fruumlhgeborener entsteht in der germinalen Matrix einer subventrikulaumlr gelegenen Zone uumlber dem Kopf des Nucleus caudatus Von der germinalen Matrix wandern zerebrale Neuroblasten ab der 10ndash20 Gestationswoche auf die Hirnober-flaumlche aus gefolgt von den Glioblasten nach der 20 Woche Das Matrixgewebe nimmt mit zunehmender Schwangerschaftsdauer an Ausdehnung ab um die 34ndash36 Schwangerschaftswoche kommt es zu einer Involution Es ist sehr zellreich von gelatinoumlser Konsistenz und reich vaskularisiert Den Gefaumlszligen fehlen Charakteristika von Arteriolen und Venolen sie werden als unreifes vaskulaumlres Netz beschrieben Die V terminalis verlaumluft innerhalb der germinalen Matrix

kGradeinteilung nach AusdehnungNach einer Endothellaumlsion im Bereich der germinalen Matrix kann eine Blutung entstehen die subependymal begrenzt bleiben kann oder in das Ventrikelsystem ausdehnen kann (subependymale

Haumlmorrhagie Grad 1 intraventrikulaumlre Haumlmorrhagie Grad 2) Bei intraventrikulaumlrer Ansammlung groszliger Mengen an Blut mit deut licher Dilatation des Ventrikels liegt eine Grad-3-Blutung vor Groumlszligere Ventrikelblutungen behindern den Abfluss aus der Vena terminalis und koumlnnen zu einer Obstruktion mit resulti-erendem haumlmorrhagischen venoumlsen Infarkt fuumlhren Abb 727) Bei einer Ventrikelblutung ist der begleitende Infarkt in der Regel einseitig auf der Seite der ausgedehnteren Blutung zu finden ( Abb 728)

Exkurs

Intrazerebrale Blutung Fruumlhgeborener

Die intrazerebrale Blutung ist eine typische und haumlufige Komplikation Inzidenz und Schweregrad sind direkt abhaumlngig von der Un-reife der Fruumlhgeborenen Innerhalb der letzten Jahre ist die Haumlufigkeit der Hirnblutungen bei Fruumlhgeborenen mit einem Geburtsgewicht lt1500 g insgesamt zuruumlckgegangen Da zur gleichen Zeit die Mortalitaumlt der Fruumlhgeborenen ebenfalls stark abgenommen hat spiegelt die-

ses die erheblich gestiegene Qualitaumlt der neonatalen Versorgung wider Somit gilt eine niedrige Mortalitaumlt in Verbindung mit einer niedrigen Hirnblutungsrate bei Fruumlhgeborenen mit sehr niedrigem Geburtsgewicht als Quali-taumltsmaszligstab einer neonatalen VersorgungUntersuchungen der letzten 6ndash8 Jahre haben jedoch gezeigt dass trotz anhaltend sinkender Mortalitaumltsziffern die Rate der Hirnblutungen

in der Gruppe sehr unreifer Fruumlhgeborener nicht weiter abgenommen hat Dieses beruht darauf dass heute vermehrt extrem unreife Kinder aus der 24-26 Schwangerschaftswo-che uumlberleben Bei diesen Kindern haumlngt das Risiko einer Hirnblutung offenbar mehr von praumlnatalen und unreifeassoziierten Faktoren als von einer weiteren Verbesserung der post-natalen Versorgungsqualitaumlt ab

Abb 727 Schwere intraventrikulaumlre Hirnblutung mit Ventrikeldilatation beidseits sowie rechtsseitige massive intraparenchymatoumlse Blutung

Abb 728a b Intraventrikulaumlre Blutungen a Intraventrikulaumlre dem Plexus aufsitzende Blutung die sich bereits in Aufloumlsung befindet (Schaumldelsonographie Laumlngsschnitt Pfeil) b Sonographischer Befund nach Aufloumlsung der intraventrikulaumlren Blutung nachweisbar ist nur noch eine leichte Erweiterung des Ventrikels

a

b

715576 middot Das Fruumlhgeborene

kKomplikationenBei einer intraventikulaumlrer Blutung kann es zu einer Behinderung des Liquorabflusses oder der Liquorresorption kommen Die resul-tierende Ventrikeldilatation kann sich spontan zuruumlckbilden persis-tieren oder progressiv weiterentwickeln Ein solcher posthaumlmorrha-gischer Hydrozephalus mit Druckentwicklung muss neurochirur-gisch entlastet werden

kPathogeneseFuumlr die Entstehung einer Hirnblutung sind neben der Unreife des vaskulaumlren Gefaumlszlignetzes verschiedene Faktoren von Bedeutung ( Abb 729)

4 postnatale Faktoren Hypo- und Hypertension Hypoxie Ischauml-mie Azidose maschinelle Beatmung Pneumothorax PDA Sepsis Gerinnungsstoumlrungen Volumenexpansion u a

4 perinatale Faktoren Zytokinexposition bei Chorioamnionitis intrauterine Hypoxie

Aufgrund der Gefaumlszligarchitektur liegt eine gesteigerte Vulnerabilitaumlt der Mikrovaskulatur im Bereich der germinalen Matrix sowohl bei Hypotension und bei Hypertension vor Eine zerebrale Hyperper-fusion kann zu einer mechanischen Ruptur der Matrixgefaumlszlige fuumlhren ( Abb 729) Eine zerebrale Hypoperfusion eine Azidose oder Hypoxie fuumlhrt zu einer ischaumlmie-induzierten Laumlsion der Matrixge-faumlszlige Bei einer Chorioamnionitis sind proinflammatorische Zytoki-ne in der fetalen und neonatalen Zirkulation offenbar in der Lage die Gefaumlszlige der germinalen Matrix zu schaumldigen und dadurch eine Hirnblutung zu induzieren Neben einer gestoumlrten Perfusion auf der arteriellen Seite ist ein erhoumlhter venoumlser Druck in der V terminalis ebenfalls von Bedeutung Beatmete Kinder haben ein houmlheres Risiko fuumlr eine Hirnblutung insbesondere bei Entwicklung eines Pneumo-thorax ( Abb 729)

gt Durch Fortschritte in der neonatologischen Intensiv-therapie sind die beschriebenen postnatalen Ursachen der Hirnblutungsgenese in den Hintergrund geruumlckt Perinatale Faktoren haben eine zunehmende Bedeutung erlangt

kKlinikSchwere intraventrikulaumlre und intraparenchymatose Hirnblutungen (Grad 3 und 4) fuumlhren bei sehr kleinen Fruumlhgeborenen praktisch immer zu mehr oder weniger ausgepraumlgten klinischen Symptomen 4 ploumltzliche Aumlnderung der Hautperfusion raquoseptisches Aussehenlaquo

mit blass-grauem oder marmoriertem Hautkolorit und verzouml-gerter Kapillarfuumlllungszeit

4 ploumltzliche Aumlnderung des respiratorischen Status mit erhoumlhtem Sauerstoffbedarf Apnoen oder erhoumlhtem Ventilationsbedarf bei beatmeten Patienten

4 Instabilitaumlt des Blutdrucks 4 bei massiven Blutungen raquogefuumllltelaquo oder gespannte Fontanelle 4 Krampfanfaumllle 4 Abfall von Haumlmoglobin bzw Haumlmatokrit 4 muskulaumlre Hypotonie und Hypomotorik 4 Temperaturinstabilitaumlt

CaveBei entsprechenden Symptomen gehoumlrt die zerebrale Sonographie zu einer Notfalluntersuchung bei fehlender Blutung muumlssen andere Ursachen fuumlr die Zustandsver-schlechterung gesucht werden

80ndash90 der Hirnblutungen treten innerhalb der ersten 48 h nach der Geburt auf

kDiagnoseDie Diagnose wird durch die zerebrale Sonographie gestellt ( Abb 727) eine weitergehende bildgebende Diagnostik ist nicht indiziert Die anfaumlnglich echodichte Blutung wird im Verlauf zuneh-mend echoaumlrmer als Zeichen der Liquefizierung bis sie nicht mehr darstellbar ist Zum Zeitpunkt der Entlassung aus dem Krankenhaus sind bei den meisten Fruumlhgeborenen nach Hirnblutungen vom Grad 1 oder 2 keine Residuen nachweisbar Bei ca 30 der Patienten mit Ventrikelblutung kommt es zu einer Ventrikeldilatation (s un-ten) venoumlse Infarkte im Parenchymbereich hinterlassen eine poren-zephale Zyste

kTherapie PraumlventionEine kausale Therapie der intrazerebralen Blutung gibt es nicht

Abb 729 Pathogenetische Faktoren die an der Entstehung der periventrikulaumlren und intraventrikulaumlren Hirnblutung beteiligt sind

Kapitel 7 middot Neonatologie156

7

Ziel der symptomatischen Therapie ist es die Kreislauffunktion Hirnperfusion und Beatmungssituation zu stabilisieren und Fluktua-tionen der Organdurchblutung zu vermeiden Ein hoher Qualitaumlts-standard der neonatalen Versorgung ist Grundvoraussetzung fuumlr die Praumlvention potenziell vermeidbarer Hirnblutungen Diese betrifft das Vorhalten einer ausreichenden Anzahl gut geschulten Personals sowie die Regionalisierung von extrem unreifen Fruumlhgeborenen in speziell ausgestatteten Zentren Die praumlnatale Behandlung mit Glukokortikoiden und ein spaumltes Abnabeln der Kinder sind wohl die am besten belegten praumlventiven Maszlignahmen

kPrognoseDie Prognose der intrazerebralen Blutung haumlngt vor allem vom Vor-handensein einer Parenchymlaumlsion ab Waumlhrend neurologische Fol-geschaumlden bei einer erst- oder zweitgradigen Blutung nur selten auf-treten zeigen ca 13 der Fruumlhgeborenen mit ausgepraumlgter intravent-rikulaumlrer Blutung neurologische Auffaumllligkeiten Die Ausdehnung dieser Parenchymlaumlsion hat jedoch ebenfalls einen Einfluss auf die Prognose Ausgedehnte Laumlsionen mit Beteiligung der frontoparieto-okzipitalen Regionen gehen nahezu immer mit neurologischen Schaumldigungen und einer mentalen Retardierung einher Bei lokali-sierten Blutungen ist die Schaumldigungswahrscheinlichkeit geringer frontal gelegene Blutungen sind prognostisch guumlnstiger als okzipital gelegene

Die typische neurologische Konsequenz der unilateralen Hirn-parenchymblutung ist die spastische Hemiparese Wegen der Naumlhe zum Tractus corticospinalis ist dabei ist die untere Extremitaumlt deut-lich bevorzugt beteiligt (s periventrikulaumlre Leukomalazie)

768 Andere intrazerebrale Blutungen bei Fruumlhgeborenen

Ischaumlmischer und haumlmorrhagischer Infarkt (raquoStrokelaquo)Eine vaskulaumlre Minderperfusion oder Okklusion im Bereich der arteriellen Hirngefaumlszlige hat einen ischaumlmischen Infarkt zur Folge dessen Ausdehnung dem Versorgungsgebiet des betroffenen Ge-faumlszliges entspricht Stroumlmt nach Verschluss eines Arterienastes aus der

Umgebung Blut in die nekrotische Region ein oder liegt ein venoumlser Gefaumlszligverschluss vor so entsteht ein haumlmorrhagischer Infarkt Diese Laumlsionen betreffen sowohl Fruumlh- als auch reife Neugeborene Sie sind zu 90 unilateral mit Bevorzugung der linken Seite und betref-fen vor allem die A cerebri media Als Folge des Infarktes entwickelt sich eine porenzephale Zyste Selten fuumlhren praumlnatale bilaterale Ver-schluumlsse zu einer Hydranenzephalie

Die Diagnose wird durch die zerebrale Ultraschallunter-suchung gestellt Bei einigen Kindern ist bereits intrauterin eine unilaterale porenzephale Zyste nachweisbar andere zeigen zum Zeitpunkt der Geburt einen Infarkt an typischer Stelle im arteriellen Versorgungsgebiet Diese isolierten (d h ohne Ventrikelblutung auftretenden) Parenchymlaumlsionen sollten unbedingt von den oben beschriebenen Hirnblutungen vom Grad 4 unterschieden werden

In einigen Faumlllen entstehen zerebrovaskulaumlre Infarkte postnatal Die Gefaumlszligverschluumlsse koumlnnen durch Thrombose (arteriell oder ve-noumls) Embolien Vasospasmus oder Gefaumlszligfehlbidung bedingt sein haumlufig findet sich jedoch keine fassbare Ursache Infarkte die im Rahmen einer schweren arteriellen Hypotension auftreten finden sich in der Regel nicht im Versorgungsgebiet der A cerebri media

Eine spezifische Therapie ist nicht moumlglich Trotz der manchmal groszligen Ausdehnung des Defekts ist die Prognose unilateraler Ge-faumlszligverschluumlsse meist erstaunlich gut durch Hypotension oder Kreis-laufschock bedingte Infarkte haben in der Regel eine sehr schlechte Prognose

769 Periventrikulaumlre Leukomalazie

kGrundlagen

gt Als periventrikulaumlre Leukomalazie (PVL) wird eine Nekrose mit nachfolgender zystischer Umwandlung der weiszligen Substanz lateral der Seitenventrikel bezeichnet die durch eine Ischaumlmie im Grenzgebiet vaskulaumlrer Versorgungsge-biete entsteht

Es ist eine typische Laumlsion Fruumlhgeborener mit einem Maximum um die 28 Schwangerschaftswoche die Inzidenz betraumlgt bei Fruumlhgebo-renen unter der 32 SSW zwischen 3 und 9 Klinisch fuumlhrt sie haumlu-

Abb 730 Faktoren die an der Pathogenese der PVL beteiligt sind

715776 middot Das Fruumlhgeborene

fig zum Bild der spastischen Diplegie Die Diagnose wird durch die zerebrale Ultraschalluntersuchung gestellt

kNeuropathologie und zerebrovaskulaumlre ArchitekturDie pathologischen Veraumlnderungen der PVL bestehen aus einer fokalen periventrikulaumlren Nekrose sowie einer diffusen Laumlsion der umgebenden weiszligen Substanz ( Abb 730) Der fokalen immer symmetrischen bilateralen Laumlsion liegt eine ischaumlmiebedingte Nekrose zugrunde die sich innerhalb von 2ndash4 Wochen in Zysten umwandeln Durch Proliferation von Astrozyten bilden sich diese zystischen Veraumlnderungen innerhalb einiger Monate zuruumlck Diffu-ser Oligodendrogliaverlust Beeintraumlchtigung der Myelinisierung und Proliferation von Astroglia koumlnnen zu einer Verminderung des Volumens der weiszligen Substanz fuumlhren daraus resultiert als Spaumlt-folge eine Dilatation der Seitenventrikel

Die Hauptorte der fokalen Nekrose liegen in der weiszligen Subs-tanz in Houmlhe der Foramina Monroi (anterior) sowie im Trigonum-bereich (posterior) In diesem Bereich liegen die Grenzgebiete der vaskulaumlren Versorgung langer penetrierender Arterien von der Hirnoberflaumlche und der Hirnbasis ( Abb 730) Eine Ischaumlmie in diesen so genannten raquoletzten Wiesenlaquo wird als raquoWasserscheidenin-farktlaquo bezeichnet Bei zunehmender Reife aumlndert sich die Blut-versorgung Aus diesem Grunde wird bei reifen Neugeborenen eine PVL nicht mehr beobachtet

kPathogeneseFuumlr die Entstehung der PVL sind folgende Faktoren von Bedeutung ( Abb 730)

4 anatomische Voraussetzungen spezielle zerebrovaskulaumlre Architektur (s oben)

4 Faktoren die zu einer zerebralen Ischaumlmie fuumlhren 4 eine vermehrte Vulnerabilitaumlt der weiszligen Substanz

Eine zerebrale Ischaumlmie kann bei Fruumlhgeborenen durch eine Vielzahl von Faktoren bedingt sein welche praumlnatal perinatal oder postnatal ihren Ursprung haben Praumlnatale und perinatale Ursachen sind zirkulatorische Beeintraumlchtigungen aufgrund maternaler Blutun-gen waumlhrend der Schwangerschaft Plazentaloumlsungen oder Kompli-kationen bei Mehrlingsgraviditaumlt In solchen Faumlllen zeigen sich bei der Ultraschalluntersuchung unmittelbar nach der Geburt bereits periventrikulaumlre Laumlsionen an typischer Lokalisation

Am haumlufigsten entsteht eine PVL in Verbindung mit einer Chorioamnionitis Vermutlich werden Oligodendrozyten im Rah-men einer fetalen Entzuumlndungsreaktion durch proinflammatorische Zytokine und andere entzuumlndliche Mediatoren geschaumldigt Bei Fruumlh-geborenen mit PVL finden sich zum Zeitpunkt der Geburt haumlufig erhoumlhte Serumkonzentrationen an proinflammatorischen Zytoki-nen (TNF α Interleukin-6) die Hochrisikopatienten zeigen jedoch in der Regel keine Infektionssymptome

gt Eine Chorioamnionitis spielt in der Pathogenese der peri-ventrikulaumlren Leukomalazie eine entscheidende Rolle

Im zerebralen Ultraschall laumlsst sich zum Zeitpunkt der Geburt be-reits eine symmetrische periventrikulaumlre Echoverdichtung darstel-len die spaumlter in zystische Veraumlnderungen uumlbergeht ( Abb 731)

Postnatal kann eine PVL bei schweren kardiorespiratorischen Beeintraumlchtigungen auftreten Dazu gehoumlren ein persistierender Ductus arteriosus Blutdruckabfaumllle im Rahmen einer Sepsis oder eine zerebrale Hirnminderdurchblutung aufgrund einer beatmungs-bedingten ausgepraumlgten Hypokapnie oder schwerer Apnoen In sol-chen Faumlllen sind periventrikulaumlre Echoverdichtungen erst spaumlter im Verlauf sonographisch darstellbar

kKlinikIn den meisten Faumlllen von prauml- und perinatal entstandener PVL sind die Kinder asymptomatisch Eine muskulaumlre Hypotonie und Hypo-motorik wird nur bei ausgedehnten Befunden beobachtet und zeigt sich auch bei kranken Fruumlhgeborenen ohne PVL

Die klinischen Spaumltfolgen der PVL sind durch die Lokalisation der Laumlsionen bedingt ( Abb 730) Eine PVL betrifft vorwiegend die untere Extremitaumlt und fuumlhrt zu einer spastischen Diplegie Ein mas-siver Befund mit lateraler Ausdehnung kann auch zu einer Beeintraumlch-tigung der Funktion der oberen Extremitaumlt und des Intellekts fuumlhren

kPraumlventionEine Praumlvention der PVL ist zur Zeit nur bei den postnatal entstan-denen Laumlsionen moumlglich und hier auch oft nur sehr bedingt Sie besteht in der Vermeidung der Hyperventilation bei beatmeten Fruumlhgeborenen sowie der adaumlquaten Therapie einer Hypotension eines PDA oder schwerer Apnoen Eine kausale Praumlvention der Chorioamnionitis-assoziierten PVL gibt es bisher nicht

Der besondere FallAnamnese Ein weibliches Fruumlhgeborenes wurde spontan nach unauf-haltsamer Wehentaumltigkeit in der 29 Gestationswoche mit einem Ge-burtsgewicht von 1360 g geboren Der Blasensprung erfolgte 4 Tage vor der Geburt das Fruchtwasser war klar Die Mutter zeigte keine Er-houmlhung des C-reaktiven Proteins sie hatte kein Fieber Die histologi-sche Untersuchung der Plazenta aber zeigte deutliche Zeichen einer Chorioamnionitis mit massiver leukozytaumlrer Infiltration der EihaumluteBefunde Postnatal zeigte das Fruumlhgeborene eine rasche und gute cardiopulmonale Adaptation Es entwickelte kein Atemnotsyndrom und keinen zusaumltzlichen Sauerstoffbedarf Eine Ultraschalluntersu-chung des Kopfes am 2 Lebenstag zeigte eine deutliche scharf be-grenzte Echoverdichtung beidseits frontal und lateral der Seitenventri-kel Eine Echoverdichtung im Bereich der germinalen Matrix oder in-nerhalb der Seitenventrikel fand sich nichtKlinischer Verlauf Im Alter von 11 Tagen zeigte das Fruumlhgeborene eine Serie von Apnoen welche nach taktiler Stimulation sistierten Der Muskeltonus war schlaffer als vorher das Kind wies eine diskrete Marmorierung der Haut auf der Blutdruck war instabil und bedurfte einer Volumengabe Es wurde die Verdachtsdiagnose einer Sepsis ge-stellt und nach Abnahme von Blutkulturen eine antibiotische Therapie begonnen Die Blutkultur zeigt ein Wachstum von Staphylococcus

Abb 731 Zystische Erweichungsherde bei periventrikulaumlrer Leukomala-zie (Schaumldelsonographie Laumlngsschnitt)

6

Kapitel 7 middot Neonatologie158

7

epidermidis Nach einer Woche waren im Ultraschallbild zystische Veraumlnderungen beidseits periventrikulaumlr nachweisbar Das Kind ent-wickelte eine spastische Diplegie bei unauffaumllliger mentaler Ent icklungBeurteilung Das Kind zeigte die typischen sonographischen Befunde einer PVL Die unmittelbar postnatal registrierten periventrikulaumlren Echoverdichtungen weisen auf eine prauml- oder perinatale Genese hin Obwohl die Anamnese keine sicheren maternalen Infektionssymptome zeigte lag histologisch eine Chorioamnionitis vor welche wahrschein-lich mit der Entstehung einer periventrikulaumlren Leukomalazie in Ver-bindung gebracht werden kann Die Chorioamnionitis hatte zu keiner kindlichen Infektion gefuumlhrt Die Atem- und Kreislaufregulations-stoumlrungen sind als Symptome der nosokomialen Sepsis zu deuten

7610 Apnoen bei Fruumlhgeborenen

kGrundlagenFruumlhgeborene insbesondere sehr unreife Kinder mit einem Geburts-gewicht lt1000 g zeigen nach der Geburt uumlber eine lange Zeit eine ausgepraumlgte kardiorespiratorische Instabilitaumlt Ohne Zeichen einer anderen Grunderkrankung treten ploumltzlich Apnoen Bradykardien und Hypoxaumlmien auf Aufgrund der Unreife zentraler Steuerungs-strukturen sind solche Apnoen bei Fruumlhgeborenen regelhaft zu beo-bachten und somit physiologisch (Fruumlhgeborenenapnoen) Sie wer-den jedoch pathologisch durch ihre Dauer und den Schweregrad der begleitenden Hypoxaumlmie undoder Bradykardie Apnoen mit relevan-ten Hypoxaumlmien und Bradykardien sind behandlungsbeduumlrftig Da die Herzauswurfleistung bei Neugeborenen im Wesentlichen durch die Herzfrequenz bestimmt wird kommt es bei solchen Ereignissen stets zu einer betraumlchtlichen Verminderung der Hirnperfusion

gt Schwere Fruumlhgeborenenapnoen koumlnnen vermutlich das Risiko fuumlr ischaumlmische Hirnlaumlsionen sowie fuumlr die Ent-wicklung einer eine Retinopathie erhoumlhen

kDefinitionenApnoen Bradykardien und Hypoxaumlmien werden in der Literatur recht unterschiedlich definiert die folgenden Definitionen werden jedoch fuumlr Fruumlhgeborene zunehmend akzeptiert 4 Apnoe Atempause gt20 s oder Atempause lt20 s mit begleiten-

der BradykardieHypoxaumlmie 4 Bradykardie Abfall der Herzfrequenz lt80min oder Abfall

gt13 des Basalwerts 4 Hypoxaumlmie SO2-Abfall lt80 Dauer ge4 s

kPathogeneseNeben dieser unreifebedingten Genese von Apnoen koumlnnen prolon-gierte Atempausen jedoch auch Symptome einer Grunderkrankung sein (symptomatische Apnoen) Insbesondere bei systemischen Infektionen oder anderen schweren Erkrankungen kommt es haumlufig zur Beeintraumlchtigung der Atemregulation

Ursachen symptomatischer Apnoen 4 Sepsis und Meningitis (besonders bei neuauftretenden

Apnoen) NEC 4 Persistierender Ductus arteriosus (Wiedereroumlffnung

eines bereits verschlossenen Ductus arteriosus) 4 Apnoen als Symptom einer beginnenden respiratori-

schen Insuffizienz bei Atemnotsyndrom Pneumonie oder BPD

4 Zentrale Atemregulationsstoumlrung bei Asphyxie Hirn-blutung Hirnfehlbildung

4 Gastrooumlsophagealer Reflux 4 Obere Luftwegsobstruktion bei Choanalstenose

Pierre-Robin-Sequenz oder Stimmbandlaumlhmung 4 Fuumltterungsbedingte Bradykardien durch Vagusreiz

CavePrinzipiell sind Apnoen solange verdaumlchtig auf eine Sepsis bis das Gegenteil bewiesen ist

Fruumlhgeborenenapnoen besser als Apnoe-Bradykardie-Hypoxaumlmie-Syndrom Fruumlhgeborener beschrieben sind komplexer Genese Zu-grunde liegt eine Kombination unreifebedingter Ursachen ganz verschiedener Organsysteme des Atemzentrums der oberen Luft-wege des Thorax und der Lunge ( Abb 732) Das Atemzentrum in der Medulla oblongata sowie die peripheren Chemorezeptoren zei-gen bei Fruumlhgeborenen eine Persistenz fetaler Reaktionsweisen Im Gegensatz zum reifen Neugeborenen das verstaumlrkt atmet reagiert das Fruumlhgeborene auf eine Hypoxie mit einer Apnoe ( Abb 732) Weiterhin liegt eine verminderte CO2-Responsivitaumlt d h es erfolgt nur eine geringe Atemstimulation bei Hyperkapnie Ein Kollaps der oberen Luftwege kann ebenso wie Thoraxinstabilitaumlt oder eine Ver-minderung des Atemminutenvolumens bei periodischer Atmung eine intermittierende Hypoventilation mit Hypoxie zur Folge haben

kDiagnoseMithilfe der gleichzeitigen Registrierung von thorakaler und nasaler Atmung Herzfrequenz und Sauerstoffsaumlttigung (Oxykardiorespi-rographie) koumlnnen bei Fruumlhgeborenen die oben beschriebenen ver-schiedenen Formen der Atemregulationsstoumlrung dargestellt werden 4 Zentrale Apnoe thorakale Atmungsaktivitaumlt und nasaler Luft-

strom sistieren parallel Herzfrequenz und Sauerstoffsaumlttigung fallen anschlieszligend ab

4 Obstruktive Apnoe thorakale Atmungsaktivitaumlt haumllt an nasaler Luftstom sistiert Herzfrequenz und Sauerstoffsaumlttigung fallen ab

4 Gemischte Apnoe erst obstruktive dann zentrale Apnoe oder umgekehrt

4 Primaumlre Hypoxaumlmie primaumlrer Abfall der Sauerstoffsaumlttigung dann Abfall von Herzfrequenz und Apnoe

gt Aufgrund der Haumlufigkeit von Apoen Bradykardien und Hypoxaumlmien bei Fruumlhgeborenen muumlssen die Vitalparame-ter dieser Kinder in der Regel uumlber lange Zeit auf einer Intensivstation uumlberwacht werden

kTherapieZur Behandlung des Apnoe-Bradykardie-Hypoxaumlmie-Syndroms Fruumlhgeborener stehen verschiedene Optionen zur Verfuumlgung Weiterhin haumlngt die Wahl der Therapiemaszlignahme von der Haumlufig-keit und Schwere der Atemregulationsstoumlrung ab

Therapeutische Maszlignahmen bei Fruumlhgeborenenapnoe 4 Taktile Stimulation Taktile Maszlignahmen wie Streicheln

oder sanftes Schuumltteln fuumlhren in den meisten Faumlllen zur Wiederaufnahme der Atmung

4 Atemstimulation durch Methylxanthine (Coffein Theophyllin) oder Doxapram

6 6

715977 middot Lungenerkrankungen des Neugeborenen

4 Verminderung von Hypoxaumlmien durch Nasen-CPAP undoder geringfuumlgige Anhebung der inspiratorischen Sauerstoffkonzentration (5)

4 Bei Versagen dieser Maszlignahmen ist eine maschinelle Beatmung erforderlich

Es gibt zur Zeit keine sicheren Angaben wie viele Apnoen und welcher Schweregrad toleriert werden koumlnnen und somit keine klaren Indikationen wann die konservative Behandlung beendet und eine maschinelle Beatmung erfolgen soll Wenn bei schweren Apnoen wiederholt eine Maskenbeatmung zur Behandlung der Bradykardie und Hypoxie notwendig ist besteht in der Regel die Indikation zur maschinellen Beatmung

CaveDie auf den Intensivstationen uumlbliche Uumlberwachung der Sauerstofftherapie durch Pulsoxymeter ist nur fuumlr die Erfassung einer Hypoxie sinnvoll und eignet sich nicht gut fuumlr die Kontrolle einer Hyperoxie Diese erfolgt besser durch die transkutane Messung des pO2

77 Lungenerkrankungen des Neugeborenen

771 Transitorische Tachypnoe

kDefinitionDie transitorische Tachypnoe (Synonym transientes Atemnotsyn-drom des Neugeborenen raquofluid lunglaquo Fluumlssigkeitslunge) entwickelt sich in den ersten Lebensstunden nach der Geburt uumlberwiegend bei reifen Neugeborenen oder relativ raquoreifenlaquo Fruumlhgeborenen Charak-teristisch ist die deutlich beschleunigte Atemfrequenz mit minima-len Einziehungen und gelegentlich auftretender leichter Zyanose Die Erkrankung bildet sich in der Regel innerhalb der ersten 2ndash3 Le-benstage spontan zuruumlck

kPathogeneseDie transitorische Tachypnoe wird vermutlich durch eine ver-zoumlgerte Resorption der kindlichen Lungenfluumlssigkeit uumlber die pulmonalen Lymph- und Blutgefaumlszlige oder aber einen vermehrten pulmonalen Fluumlssigkeitsgehalt ausgeloumlst Die praumldisponierenden Faktoren die mit einer normalen Fluumlssigkeitsresorption interferie-ren oder aber zu einer Erhoumlhung des pulmonalen Fluumlssigkeitsgehalts fuumlhren sind in der Uumlbersicht dargestellt

Faktoren die mit verzoumlgerter Fluumlssigkeitsresorption oder vermehrtem pulmonalem Fluumlssigkeitsgehalt einhergehen

4 Sectio caesarea am wehenlosen Uterus 4 raquoWunschlaquosectio vor der 39 Gestationswoche 4 Perinatale Asphyxie 4 Muumltterlicher Diabetes 4 Exzessive muumltterliche Analgesie 4 Oxytocin und vermehrte maternale Fluumlssigkeitszufuhr 4 Polyglobulie (Polyzythaumlmie) des Neugeborenen 4 Erhoumlhter zentraler Venendruck des Neugeborenen 4 Verspaumltetes raquoAbnabelnlaquo

kKlinikDie Neugeborenen fallen durch eine kurze Zeit nach der Geburt einsetzende Tachypnoe (bis zu 120 Atemzuumlgemin) auf die nur von geringen Einziehungen und wechselnd ausgepraumlgtem inspiratori-schem Stoumlhnen begleitet ist die Lungen sind haumlufig uumlberblaumlht Bei Hypoxaumlmie ist in der Regel eine Zufuhr von 30ndash40 O2 in der Inspirationsluft ausreichend um eine suffiziente Oxygenierung zu erzielen Das Roumlntgenthoraxbild zeigt typischerweise vermehrte zen-trale Verdichtungen mit einer peripheren Uumlberblaumlhung der Lunge und gelegentlich interlobaumlren Fluumlssigkeitsansammlungen oder kleinen Pleuraerguumlssen Gelegentlich entwickelt sich auf dem Boden einer massiven pulmonalen Uumlberblaumlhung eine pulmonale Hyper-tonie mit Rechts-links-Shunt die in das gefuumlrchtete Krankheitsbild der persistierenden pulmonalen Hypertonie einmuumlnden kann

Abb 732 Unreifebedingte Faktoren mit Bedeutung fuumlr die Genese von Apnoen Bradykardien undoder Hypoxaumlmien bei Fruumlhgeborenen

Kapitel 7 middot Neonatologie160

7

kDiagnoseDie Diagnose der transitorischen Tachypnoe basiert haumlufig auf dem Ausschluss anderer akuter pulmonaler Erkrankungen und wird haumlufig erst retrospektiv gestellt Neonatale Pneumonien insbeson-dere mit β-haumlmolysierenden Streptokokken der Gruppe B koumlnnen unter einer identischen initialen Dynamik verlaufen

kTherapieBei Atemfrequenzen gt80min wegen Aspirationsgefahr keine orale Ernaumlhrung intravenoumlse Fluumlssigkeitszufuhr bei Bedarf O2-Gabe haumlufig ist eine kurzzeitige antibiotische Behandlung indiziert

772 Mekoniumaspirationssyndrom

kDefinitionNach der Aspiration von Mekonium entwickelt sich eine pathogene-tisch komplexe Erkrankung die durch eine akute Atemnotsympto-matik der uumlberwiegend uumlbertragenen oder reifen hypotrophen Neugeborenen und einen kompatiblen radiologischen Lungen-befund charakterisiert ist Mekoniumhaltiges Fruchtwasser ist bei 10ndash18 aller Geburten nachzuweisen

kEpidemiologieDie Inzidenz des schweren Mekoniumaspirationssyndroms liegt zwischen 02ndash6 erkrankten Neugeborenen1000 Lebendgeborene Es bestehen erhebliche geographische und regionale Unterschiede in der Erkrankungshaumlufigkeit

kAumltiopathogeneseMekonium besteht aus eingedickten intestinalen Sekreten und Zellen sowie loumlslichen und zellulaumlren Fruchtwasserbestandteilen Die wasserloumlslichen Festsubstanzen bestehen u a aus Mukopoly-sacchariden Plasmaproteinen Proteasen konjugiertem Bilirubin die fettloumlslichen Bestandteile u a aus Bilirubin Bilirubinoiden freien Fettsaumluren Cholesterin und Glykolipiden Mekonium wird bereits von der 10ndash16 Gestationswoche an im fetalen Gastrointes-tinaltrakt gefunden Aufgrund einer intestinalen Hypomotorik wird

nur selten ein Mekoniumabgang bei Fruumlhgeborenen beobachtet Die Haumlufigkeit des Auftretens von mekoniumhaltigem Fruchtwasser ist direkt mit der Reife der Neugeborenen verbunden und ist mit houmlheren Serumspiegeln des properistaltischen Hormons Motilin as-soziiert Bei fehlenden Hinweisen auf eine intrauterine oder subpar-tale Gefaumlhrdungssituation duumlrfte ein Mekoniumabgang vor allem ein reifeabhaumlngiges Phaumlnomen reflektieren Eine akute intrauterine oder subpartuale kindliche Hypoxie kann gerade in den letzten Gestationswochen einen vorzeitigen Mekoniumabgang ausloumlsen der besonders bei einem Oligohydramnion ein sehr konsistentes raquoerbsbreiartigeslaquo Fruchtwasser hinterlassen kann Der Abgang von partikelhaltigem und dickfluumlssigem Mekonium praumldisponiert zur Entstehung eines Mekoniumaspirationssyndroms und zu kompli-zierten Erkrankungsverlaumlufen

Die konnatale Listerioseinfektion kann eine Ursache fuumlr den vorzeitigen Mekoniumabgang bei Fruumlhgeborenen sein

kPathophysiologieIm Verlauf einer intrauterinen oder subpartualen Hypoxie die zu einer Vasokonstriktion mesenterialer Gefaumlszlige Darmischaumlmie konsekutiver Hyperperistaltik und Sphinkterrelaxation fuumlhrt tritt ein fruumlhzeitiger Mekoniumabgang auf Die Aspiration von Meko-niumpartikeln kann durch eine hypoxieinduzierte vorzeitige Atemtaumltigkeit die ein bestimmtes Muster aufweist bereits in utero erfolgen haumlufiger findet die Aspiration von Mekonium jedoch un-mittelbar nach der Geburt statt Bei gt50 aller Neugeborenen mit mekoniumhaltigem Fruchtwasser lassen sich Mekoniumbestand-teile im Trachealaspirat nachweisen die bei der Mehrzahl der Kinder folgenlos eliminiert werden Groumlszligere Mekoniumpartikel die mit den ersten Atemzuumlgen in die kleineren Luftwege gelangen fuumlhren zu einer partiellen Bronchusobstruktion und Verlegung der Alveolen Die Folgen sind die Ausbildung von Atelektasen uumlberblaumlhten emphysematoumlsen Arealen (raquoair trappinglaquo) und extraalveolaumlre Luftansammlungen (interstitielles Emphysem Pneumothorax Pneumomediastinum etc Abb 83 Abb 733)

Durch im Mekonium enthaltene Substanzen (z B Fettsaumluren) entwickelt sich innerhalb von 24ndash48 h eine chemische Pneumonie Daruumlber hinaus fuumlhren verschiedene Proteine und Phospholipasen zu einer direkten Inaktivierung des Surfactantsystems Haumlufig bilden sich intrapulmonale Shunts und eine durch eine Konstriktion der Lungengefaumlszlige bedingte persistierende pulmonale Hypertonie aus die zu einer Rekonstitution fetaler Zirkulationsverhaumlltnisse fuumlhren kann

kKlinikDas klinische Bild wird vom Schweregrad der intrauterinen Asphyxie und dem Ausmaszlig der Mekoniumaspiration bestimmt Die Neu-geborenen fallen unmittelbar nach Geburt durch schwere Atem depression Schnappatmung Bradykardie Hypotonie Schocksymptome auf die Haut ist mit Mekonium bedeckt Finger-naumlgel und Nabelschnur koumlnnen gruumlnlich verfaumlrbt sein Neuge-borene mit Spontanatmung weisen eine Tachypnoe ausgepraumlgte Dyspnoezeichen und evtl eine Zyanose auf Die Roumlntgenthorax-aufnahme zeigt dichte fleckige Infiltrate neben uumlberblaumlhten Arealen abgeflachte Zwerchfelle und haumlufig extraalveolaumlre Luft ( Abb 734)

kPraumlventionDurch sorgfaumlltiges fetales Monitoring sind die Warnzeichen der intrauterinen Hypoxie zu erkennen Bestehen Hinweise auf eine kindliche Gefaumlhrdung so ist die sofortige Geburtsbeendigung obli-gat Bei allen Geburten die durch mekoniumhaltiges Fruchtwasser

Abb 733 Pathogenetische Sequenz der Mekoniumaspiration neben mechanischen Faktoren die zu einer schweren Beeintraumlchtigung der Lungenfunktion beitragen beguumlnstigt die chemische pulmonale Inflamma-tionsreaktion die Entwicklung von Hypoxie und Azidose

716177 middot Lungenerkrankungen des Neugeborenen

auffallen sollte umgehend ein erfahrener Kinderarzt zur postnatalen Versorgung des Neugeborenen hinzugezogen werden

gt Bei Abgang von mekoniumhaltigem Fruchtwasser muss bereits vor dem ersten Atemzug d h nach der Geburt des kindlichen Kopfes von Geburtshelfer oder Hebamme Mekonium aus dem Oropharynx entfernt werden

Findet sich bei einem klinisch auffaumllligen Neugeborenen waumlhrend der laryngoskopischen Inspektion des Kehlkopfes Mekonium unter-halb der Stimmbaumlnder so ist es unverzuumlglich mit einem dicklumigen Katheter oder evtl direkt uumlber einen Endotrachealtubus abzusau-gen Bei groumlszligeren Mengen erbsbreiartigen Mekoniums in den Luft-wegen sollte eine Bronchiallavage durchgefuumlhrt werden Tierexpe-rimentelle Untersuchungen und einzelne klinische Erfahrungsbe-richte aus juumlngster Zeit weisen darauf hin dass eine Bronchiallavage mit einer verduumlnnten Loumlsung einer natuumlrlichen Surfactantpraumlpara-tion (ca 5 mg Phospholipideml) zu einer deutlichen Verbesserung der Oxygenierung und Ventilation fuumlhren Auf eine primaumlre Mas-kenbeatmung ist ndash wenn moumlglich ndash zu verzichten

kTherapieDie zum Teil auszligerordentlich schwierige Behandlung Neugeborener mit Mekoniumaspirationssyndrom schlieszligt zur Behandlung der Hypoxaumlmie eine konventionelle Beatmungstherapie die Hochfre-quenzoszillationsbeatmung die Surfactantsubstitutionstherapie und den Einsatz von Stickstoffmonoxid (NO) ein Als Ultima-ratio-Therapie ist eine extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO) zu erwaumlgen Einzelheiten der Therapie sind den Lehrbuumlchern der Neonatologie zu entnehmen

773 Pneumothorax

kEpidemiologieEin spontaner asymptomatischer Pneumothorax tritt bei ca 05ndash1 aller Neugeborenen auf Die Pneumothoraxinzidenz bei maschinell beatmeten Fruumlhgeborenen mit Atemnotsyndrom betrug vor Einfuumlh-rung der Surfactanttherapie 15ndash30 Inzwischen wird diese Kompli-kation bei 3ndash6 aller beatmeten Fruumlhgeborenen beobachtet

kAumltiologieEin symptomatischer Pneumothorax kann bei einer Reihe pulmo-naler Erkrankungen Fruumlh- und Neugeborener auftreten Atemnot-syndrom Mekoniumaspiration Lungenhypoplasie kongenitale Zwerchfellhernie transitorische Tachypnoe Aspirationspneumonie Staphylokokkenpneumonie mit Pneumatozele lobaumlres Emphysem nach Thorakotomie Ebenso findet es sich nach unsachgemaumlszliger Reanimation und maschineller Beatmung

kPathogeneseEin hoher intraalveolaumlrer Druck der durch erhoumlhten Spitzendruck und positiv endexspiratorischen Druck (raquopositive endexpiratory pressurelaquo PEEP) bei maschineller Beatmung entsteht oder aber von tachypnoeischen spontanatmenden Kindern durch einen er-houmlhten so genannten raquoAuto-PEEPlaquo gebildet wird kann besonders in ungleich beluumlfteten Lungenarealen zu einer Uumlberblaumlhung von Alveolen und zu einer moumlglichen Ruptur der Alveolarwand fuumlhren Die extraalveolaumlre Luft ist in der Lage durch das interstitielle Ge-webe und entlang der perivaskulaumlren Gefaumlszligscheiden sowie der peribronchialen Lymphgefaumlszlige zu entweichen In Abhaumlngigkeit von der Ausbreitung der Luft ist mit einer Reihe von Komplikationen zu rechnen interstitielles Emphysem Pneumomediastinum Span-nungspneumothorax Pneumoperitoneum Pneumoperikard und subkutanes zervikales oder thorakales Emphysem

Ein Spannungspneumothorax entwickelt sich bei einer druck-wirksamen Ansammlung von Luft im Pleuraspalt Ein einseitiger Spannungspneumothorax fuumlhrt nicht nur zu einer schweren Venti-lationsstoumlrung der betroffenen gelegentlich kollabierten Lungens-eite sondern durch die Mediastinalverlagerung auch der kontralate-ralen Lunge Daneben wird durch Kompression der V cava oder Torsion der groszligen Gefaumlszlige der venoumlse Ruumlckfluss erheblich be-eintraumlchtigt Bei der Entstehung des interstitiellen Emphysems scheinen nicht nur physikalische Faktoren von Bedeutung zu sein sondern auch pulmonale Entzuumlndungsvorgaumlnge und proteolytische Lungengeruumlstschaumldigungen die u a nach praumlnatalen Infektionen beobachtet wurden

kKlinikDie klinischen Leitsymptome des gefuumlrchteten Spannungspneumo-thorax sind

4 ploumltzlich einsetzende Atemnot 4 Zyanose 4 Hypotension 4 Schocksymptome 4 Bradykardie 4 Thoraxasymmetrie 4 Verlagerung der Herztoumlne 4 seitendifferentes Atemgeraumlusch

Gerade bei kleinen Fruumlhgeborenen kann die Diagnose eines Span-nungspneumothorax schwierig sein da bei maschinell beatmeten Patienten nicht immer ein fehlendes oder abgeschwaumlchtes Atem-geraumlusch nachweisbar ist

kDiagnose TherapieIn lebensbedrohlichen Situationen darf keine Zeit durch Anferti-gung einer Roumlntgenaufnahme vergehen es ist eine sofortige Pleura-punktion mit Entlastung des Pneumothorax durchzufuumlhren

Anschlieszligend wird eine Pleuradrainage unter optimalen Bedin-gungen gelegt Die Transillumination des Thorax mit einer fiberop-tischen Kaltlichtlampe erlaubt eine rasche Identifizierung des illumi-nierenden lufthaltigen Pleuraraumes ( Abb 735)

Abb 734 Radiologische Veraumlnderungen bei schwerem Mekonium-aspirationssyndrom neben verdichteten dystelektatischen Arealen finden sich typische uumlberblaumlhte Lungenanteile

Kapitel 7 middot Neonatologie162

7

774 Kongenitales lobaumlres Emphysem

kDefinitionDas kongenitale lobaumlre Emphysem ist durch eine Uumlberblaumlhung einer oder mehrerer Lungenlappen charakterisiert ( Abb 736) Meistens sind die Oberlappen oder der rechte Mittellappen be-troffen Ungefaumlhr 10 der betroffenen Kinder haben zusaumltzlich ein Vitium cordis oder andere Fehlbildungen

kAumltiologieAls Ursachen des lobaumlren Emphysems das mit der zunehmenden Uumlberblaumlhung auch normales Lungengewebe komprimiert werden

Stoumlrungen im Aufbau der Bronchialwand (z B Fehlen des bronchia-len Knorpels) intraluminale Bronchusobstruktionen (eingedicktes Sekret Schleimhautfalten) oder extraluminale Bronchusobstruk-tionen (z B Kompression durch aberrierende Gefaumlszlige) gefunden

kKlinik TherapieHaumlufig entwickelt sich die klinische Symptomatologie die durch eine progrediente Tachypnoe und andere Dyspnoezeichen auffaumlllt innerhalb der ersten Lebenswochen Einige Neugeborene erkranken allerdings unmittelbar postnatal an einer akuten progredienten Atemnotsymptomatik Bei diesen Kindern ist eine sofortige Bron-choskopie undoder Resektion des betroffenen uumlberblaumlhten Lun-genteils lebensrettend Bei vital milder aber progredienter Sympto-matik ist eine chirurgische Therapie angezeigt Nur bei asymptoma-tischen Kindern kann unter regelmaumlszligiger Kontrolle auf eine invasive Behandlung verzichtet werden da sich ein lobaumlres Emphysem ge-legentlich zuruumlckbilden kann

775 Lungenhypoplasie

kDefinitionEine Lungenhypoplasie ist entweder Ausdruck einer gestoumlrten Organanlage oder einer Ausreifungsstoumlrung der fetalen Lunge die durch verschiedene mit der normalen Lungenentwicklung inter-ferierende Faktoren ausgeloumlst werden kann

kAumltiopathogeneseEine Anlagestoumlrung der Lunge wird bei seltenen Chromosomen-aberationen beobachtet Wesentlich haumlufiger entwickelt sich eine Lungenhypoplasie im Rahmen fetaler Grunderkrankungen oder Stouml-rungen die mit der normalen Ausbildung der Alveolen inter ferieren Ein Mangel an Fruchtwasser der zu einem Verlust intraalveolaumlrer Fluumlssigkeit in der vulnerablen Phase der Lungenentwicklung (vor der 26 Gestationswoche) fuumlhrt kann eine schwere Lungenhypoplasie

Abb 735a b Diagnose eines linksseitigen Pneumothorax durch Transillumination mit Hilfe einer Kaltlichtlampe (a) linksseitiger Spannungspneumo-thorax mit Verdraumlngung des Mediastinums nach rechts (Roumlntgen-Thorax) (b)

a b

Abb 736 Lobaumlres Emphysem des linken Lungenoberlappens bei einem 4 Wochen alten Fruumlhgeborenen der 36 Gestationswoche Mediastinalver-schiebung nach rechts Kompression des linken Unterlappens

716377 middot Lungenerkrankungen des Neugeborenen

nach sich ziehen Eine bilaterale Nierenagenesie (Potter-Sequenz) Anhydramnie bei vorzeitigem Blasensprung oder Fruchtwasserver-lust nach Amniozentese sind als Ursache der Lungenhypoplasie defi-niert Aber auch fehlende intrauterine Atembewegungen der Feten wie sie bei neuromuskulaumlren Erkrankungen Myasthenia gravis An-enzephalie u a Erkrankungen beobachtet werden koumlnnen die nor-male Entwicklung nachhaltig beeinflussen Eine Kompression der fe-talen Lunge nach Malformation des Thorax fuumlhrt bei verschiedenen Skeletterkrankungen (u a asphyxierende Thoraxdysplasie) zu einer Lungenhypoplasie Auch andere Fehlbildungen wie die Zwerchfellher-nie und Chylothorax koumlnnen uumlber eine Kompression des Lungenge-webes die normale Wachstumsdynamik nachhaltig beeintraumlchtigen

kKlinik DiagnoseDie schwere Lungenhypoplasie manifestiert sich entweder unter dem Bild einer Asphyxie oder aber schwersten respiratorischen Insuffizienz Die hypoplastischen Lungen lassen sich haumlufig auch unter intensiven Beatmungsmaszlignahmen nicht wirksam eroumlffnen Haumlufig treten bilaterale Pneumothoraces auf einige Patienten ent-wickeln auf dem Boden einer primaumlren pulmonalen Hypertonie eine persistierende fetale Zirkulation Bei ausgepraumlgten Formen der Lungenhypoplasie ist die Prognose infaust Die Thoraxaufnahme zeigt typischerweise schmale Lungen mit einem glockenfoumlrmigen Thorax ( Abb 737) Die Diagnose ist allerdings haumlufig nur zu ver-muten und wird anhand anamnestischer Risiken sowie des postna-talen Verlaufs nicht selten retrospektiv gestellt Post mortem kann durch Bestimmung des Lungengewichts sowie mithilfe morphome-trischer Techniken die Verdachtsdiagnose verifiziert werden

kTherapieNur bei weniger ausgepraumlgten Formen der Lungenhypoplasie kann durch differenzierte Beatmungstechniken Einsatz von Stickstoff-monoxid NO und gegebenenfalls Surfactantsubstitution (sekun-

daumlrer Surfactantmangel) eine nachhaltige Stabilisierung der Lungen-funktion erzielt werden

776 Zwerchfellhernie (Enterothorax)

kEpidemiologieDie Inzidenz einer Zwerchfellhernie betraumlgt ca 0251000 Lebend-geborene 80ndash90 der Hernien treten auf der linken Seite auf

kPathogeneseEin Zwerchfelldefekt kann zu einer Verlagerung saumlmtlicher Bauch-organe in die Thoraxhoumlhle fuumlhren ( Abb 738) Dieses Krankheits-bild ist ein dringlicher Notfall der Neugeborenenchirurgie (7 Kap 36) Infolge der Lungenkompression und Herzverlagerung kann sich eine schwerste rasch progrediente respiratorische und kardiozirkulatorische Insuffizienz mit persistierender fetaler Zir-kulation entwickeln ( Abb 739)

gt Die operative Versorgung eines Neugeborenen mit Zwerchfellhernie sollte erst nach optimaler Stabilisierung der respiratorischen und kardiozirkulatorischen Funktio-nen erfolgen

kKlinikDie Leitsymptome der Zwerchfellhernie sind 4 zunehmende Atemnot 4 Zyanose 4 Schocksymptome 4 Verlagerung der Herztoumlne 4 ein asymmetrisch vorgewoumllbter Thorax ohne Atemexkursion 4 fehlendes Atemgeraumlusch 4 evtl Darmgeraumlusche im Thorax 4 ein eingesunkenes raquoleereslaquo Abdomen

Abb 737 Radiologischer Befund einer aumltiologisch ungeklaumlrten Lungen-hypoplasie bei einem Fruumlhgeborenem der 34 Gestationswoche

Abb 738 Linksseitiger Zwerchfelldefekt mit intrathorakal gelegenem Magen und Darmanteilen massive Verlagerung des Herzens nach rechts

Kapitel 7 middot Neonatologie164

7

kTherapieDa mit zunehmender Luftfuumlllung des intrathorakal gelegenen Darmes Lunge Herz und Mediastinum verdraumlngt werden und somit eine Spannungssymptomatik entstehen kann ist eine primaumlre Maskenbeatmung obsolet Die Neugeborenen werden umgehend intubiert erhalten eine offene Magensonde und werden bereits im Kreiszligsaal auf die betroffene Seite gelagert

kPrognoseDie Prognose der Zwerchfellhernie wird entscheidend vom Grad der Lungenhypoplasie der optimalen Erstversorgung der chirurgi-schen Therapie und der anschlieszligenden intensivmedizinischen Behandlung beeinflusst Die Diagnose kann bei bereits zum Unter-suchungszeitpunkt vorliegendem Enterothorax praumlnatal gestellt werden

777 Neonatale Pneumonien

kDefinitionEine neonatale Pneumonie entwickelt sich auf dem Boden einer intrauterinen sub- oder postnatalen Infektion mit muumltterlichen oder nosokomialen Erregern u a durch Aspiration infizierten Fruchtwassers Man kann davon ausgehen dass bakteriell kontami-niertes Fruchtwasser oder infizierte Lungenfluumlssigkeit mit den ers-ten Atemzuumlgen in die terminalen Atemwege gelangt und dort mit einer kurzen Latenz eine Entzuumlndungsreaktion ausloumlst Dieser Mechanismus erklaumlrt das oftmals symptomfreie Intervall nach der Geburt ( Abb 740)

kPathogenesePathogenese Risikofaktoren und Erregerspektrum sind im 7 Ab-schn 7109 abgehandelt

Beatmete und intensivmedizinisch behandelte Fruumlh- und Neugeborene sind besonders gefaumlhrdet eine Pneumonie mit Pseudomonas- oder Klebsiellenspezies zu akquirieren Chlamy-dien und Ureaplasmen kommen ebenfalls als Erreger von Pneu-monien Fruumlhgeborener vor Seltener treten Mykoplasmen als Er-reger auf

gt Bei langzeitbeatmeten Fruumlhgeborenen die uumlber laumlngere Zeit antibiotisch behandelt wurden ist immer an eine Pilzpneumonie insbesondere mit Candida spp zu denken

kKlinikDie klinische Symptomatik einer in den ersten Lebensstunden und Lebenstagen oder auch spaumlter auftretenden neonatalen Pneumonie verlaumluft haumlufig unter dem Bild eines progredienten Atemnot-syndroms mit Tachypnoe Einziehungen und Nasenfluumlgeln

kTherapieDie primaumlre antibiotische Behandlung muss gegen die potenziellen Mikroorganismen gerichtet sein (s Therapie der neonatalen Sepsis) Bei Atem- undoder Kreislaufinsuffizienz der erkrankten Neuge-borenen wird die erforderliche Supportivtherapie durchgefuumlhrt Chlamydien- und Ureaplasmapneumonien werden mit Erythromy-cin behandelt Pneumocystispneumonien mit TrimethoprimSulfa-methoxazol

778 Persistierende pulmonale Hypertonie (persistierende fetale Zirkulation)

kDefinitionDie persistierende pulmonale Hypertonie (PPH syn persistierende fetale Zirkulation) ist ein lebensbedrohliches Krankheitsbild das auf dem Boden eines persistierenden erhoumlhten pulmonalen Gefaumlszlig-druckes durch einen signifikanten Rechts-links-Shunt uumlber das of-fene Foramen ovale uumlber den persistierenden Ductus arteriosus und auch intrapulmonale Shunts ohne Hinweise auf eine strukturel-le Herzerkrankung charakterisiert ist

kAumltiologieDie PPH tritt uumlberwiegend bei reifen und uumlbertragenen Neuge-borenen auf Nach intrauteriner und subpartualer Hypoxie muumltterlicher Aspirin- und Indometacineinnahme waumlhrend der Schwangerschaft wurde eine Verdickung und Ausdehnung der Ge-faumlszligmuskulatur bis in kleine pulmonale Arterien hinein beschrieben Am haumlufigsten entwickelt sich eine PPH sekundaumlr bei Neugeborenen

Abb 739 Charakteristischer radiologischer Befund einer linksseitigen Zwerchfellhernie luftgefuumlllte Darmschlingen Verlagerung des Mediasti-nums und des Herzens nach rechts verdichtete Lunge rechts

Abb 740 Aumltiopathogenese der neonatalen Pneumonie Bakteriell infizierte Lungenfluumlssigkeit gelangt mit den ersten Atemzuumlgen des Neu-geborenen in die terminalen Atemwege

716577 middot Lungenerkrankungen des Neugeborenen

nach Mekoniumaspiration Weitere Erkrankungen in deren Folge sich eine PPH entwickeln kann sind die subpartuale und post-natale Hypoxie die neonatale Sepsis mit β-haumlmolysierenden Streptokokken der Gruppe B und Listerien die Zwerchfellhernie die Lungenhypoplasie Pneumothorax Hyperviskositaumltssyndrom Hypoglykaumlmie und Hypothermie sowie ein Atemnotsyndrom Die PPH ist nicht selten idiopathisch Die Praumlvalenz dieser Erkran-kung wurde auf etwa 1 Neugeborenes pro 1000 Lebendgeborene geschaumltzt

kPathophysiologieBei intranataler oder postnataler Hypoxie entwickelt sich rasch eine metabolisch-respiratorische Azidose Die normalerweise durch Anstieg des paO2 und Abfall der paCO2 unmittelbar nach der Geburt einsetzende Dilatation der Lungenarterien bleibt aus die Azidose induziert uumlber eine pulmonale Vasokonstriktion eine pulmonale Hypertonie die uumlber das Foramen ovale den Ductus arteriosus Bo-talli und intrapulmonale Shunts die Entwicklung eines persistieren-den Rechts-links-Shunts nach sich zieht Es bildet sich eine zuneh-mende Sauerstoffuntersaumlttigung des arteriellen Blutes aus die mit der postnatal einsetzenden Vasodilatation interferiert ( Abb 741) Bei einigen dieser Patienten liegen bereits pulmonale Gefaumlszligveraumlnde-rungen im Sinne einer Mediahypertrophie vor die Ausdruck einer chronischen intrauterinen Hypoxie sein koumlnnten (primaumlrer pulmo-naler Hochdruck andere Kinder haben als Grunderkrankung eine mehr oder weniger ausgepraumlgte Lungenhypoplasie) Potente Stimuli der pulmonalen Vasokonstriktion sind Leukotriene und weitere Lipidmediatoren deren Freisetzung bei allen sekundauml ren Formen der PPH durch Hypoxie Infektionen und die im Verlauf verschie-denster Grunderkrankungen einsetzenden Inflammationsreaktion gefoumlrdert wird

kKlinikDie Neugeborenen erkranken in der Regel innerhalb der ersten 12 Lebensstunden In Abhaumlngigkeit von der Grunderkrankung ste-hen entweder die Zyanose (Polyzythaumlmie idiopatische PPH u a) oder die schwere Atemnotsymptomatik mit Zyanose (Mekoniu-maspiration Zwerchfellhernie u a) im Vordergrund Die Patienten koumlnnen innerhalb kurzer Zeit ein Multiorganversagen oder Myokar-dischaumlmie entwickeln Die klinische Verdachtsdiagnose einer PPH kann durch die prauml- und postduktale O2-Differenz und nicht zuletzt durch die Echokardiographie (einschlieszliglich dopplersonographi-scher Diagnostik) bestaumltigt werden Der Roumlntgenthoraxbefund ist bei einigen Erkrankungen unauffaumlllig (Asphyxie Hyperviskositaumlts-syndrom etc) bei anderen zeigt er die typischen Veraumlnderungen der Grunderkrankung

kTherapieZu einer optimalen Behandlung gehoumlrt ndash wenn immer moumlglich ndash eine Korrektur der Grundproblematik sowie eine gezielte Suppor-tivtherapie und Behandlung aller im Verlauf der Erkrankung auf-getretenen Komplikationen wie z B Hypotension myokardiale Dysfunktion Azidose Die Kinder sind zu sedieren und gegebenen-falls zu relaxieren Der entscheidende therapeutische Ansatz ist eine suffiziente maschinelle Beatmung mit ausreichender Oxyge-nierung Die fruumlher geuumlbte Hyperventilationstherapie mit einem pCO2 von 20ndash25 mmHg ist wegen der Drosselung der zerebralen Durchblutung heute obsolet Zusaumltzlich wird das kurzzeitig wirksa-me und gut steuerbare Prostazyklin auch in inhalativer Form ein-gesetzt

Als vielversprechender neuer therapeutischer Ansatz ist die in-halative Behandlung mit NO (raquonitric oxidelaquo Stickstoffmonoxid)

anzusehen NO fuumlhrt zu einer selektiven Vasodilatation der Pulmo-nalgefaumlszlige in den ventilierten Lungenarealen Zurzeit verfuumlgen nur einige Neonatalzentren uumlber die Therapiemoumlglichkeit Neugebore-ne die auf keine dieser Maszlignahmen ansprechen werden einer Hochfrequenzoszillationsbeatmungstherapie zugefuumlhrt

Reichen diese Maszlignahmen nicht aus um eine ausreichende Oxygenierung zu erreichen so sollte der Patient mit einer extrakor-poralen Membranoxygenierung (ECMO) behandelt werden Die international anerkannten Kriterien fuumlr ECMO-Therapie sind Ge-stationsalter gt34 Wochen Geburtsgewicht gt20 kg keine Gerin-nungsstoumlrung fehlendes Ansprechen auf alle erwaumlhnten therapeuti-schen Maszlignahmen und das Vorliegen eines Oxygenierungsindex (OI) von 25ndash40 (mittlerer Atemwegsdruck [cmH2O] times FiO2 times 100paO2 [mmHg])

kPrognoseDie neonatale Sterblichkeit der PPH liegt bei 20ndash30 In den wenigen Langzeituntersuchungen der uumlberlebenden Kinder wird deutlich dass nur ca 40 diese Erkrankung unbeschadet uumlberste-hen die restlichen Patienten weisen neurologische Folgeschaumlden in unterschiedlichster Auspraumlgung auf Bei 20 der Kinder wurde ein neurosensorischer Houmlrverlust diagnostiziert

779 Lungenblutung

kDefinitionEine akute von den Alveolen ausgehende Lungenblutung tritt uumlberwiegend bei Fruumlhgeborenen und hypotrophen Neugeborenen auf die an verschiedensten Erkrankungen der Neonatalperiode leiden

kEpidemiologieWaumlhrend bei mehr als 10 verstorbener Neugeborener eine Lungen-blutung autoptisch diagnostiziert wird entwickelt sich dieses lebens-bedrohliche Ereignis bei weniger als 5 aller Fruumlhgeborenen mit

Abb 741 Circulus vitiosus der perinatalen Hypoxie und postnataler Risikofaktoren die zur Entwicklung einer pulmonalen Hypertonie und per-sistierenden fetalen Zirkulation fuumlhren

Kapitel 7 middot Neonatologie166

7

einem Geburtsgewicht lt1500 g die an einem Atemnotsyndrom er-krankt sind

kAumltiologiePraumldisponierende Faktoren fuumlr eine Lungenblutung sind eine neo-natale Streptokokkenpneumonie die perinatale Asphyxie Hypo-thermie Azidose Hypoglykaumlmie Gerinnungsstoumlrungen Herzver-sagen schwere Erythroblastose Surfactanttherapie und Sauerstoff-toxizitaumlt

kKlinikAkute Blutung aus Mund Nase und den Atemwegen mit rasch progredientem Kreislauf- und Atmungsversagen In den Roumlnt-genthoraxaufnahmen zeigt sich eine zunehmende Verdichtung der Lunge

kTherapieUnverzuumlgliche Stabilisierung der Beatmungs- und Kreislaufsituation mit allen zur Verfuumlgung stehenden intensivmedizinischen Maszlignah-men sowie ndash wenn immer moumlglich ndash Behandlung der Grundproble-matik

7710 Chylothorax

kDefinitionUnter einem Chylothorax wird eine Ansammlung von chyloumlser Fluumls-sigkeit im Pleuraraum verstanden ( Abb 742)

kEpidemiologieEin angeborener Chylothorax ist ein seltenes Ereignis haumlufiger werden erworbene Ansammlungen chyloumlser Fluumlssigkeit nach kar-diochirurgischen Eingriffen beobachtet Als Folge parenteraler Langzeiternaumlhrung uumlber einen zentralen Venenkatheter wurden Thrombosierungen der oberen Hohlvene mit sekundaumlrem Chy-lothorax beschrieben

kAumltiopathogeneseDie Ursache fuumlr die Entstehung eines angeborenen Chylothorax ist unklar es wird ein angeborener Defekt des Ductus thoracicus ver-mutet Bei Neugeborenen mit Down- Noonan- und Turner-Syn-

drom sowie bei Hydrops fetalis tritt gelegentlich ein Chylothorax auf ebenso wurde nach Geburtstraumata die Entwicklung chyloumlser Effusionen berichtet

kKlinik DiagnoseDie Neugeborenen fallen unmittelbar postnatal oder innerhalb der ersten Lebenstage durch mehr oder minder ausgepraumlgte Zeichen der Atemnot auf Vor Beginn einer oralen Ernaumlhrung enthaumllt die serum-aumlhnliche Pleurafluumlssigkeit mehrere Tausend Leukozytenμl mehr als 90 sind mononukleaumlre Zellen (Lymphozyten) Nach Milchernaumlh-rung nimmt die Pleurafluumlssigkeit eine weiszligliche typisch chyloumlse Farbe an

kTherapieDie kontinuierliche Ableitung der chyloumlsen Fluumlssigkeit fuumlhrt bei den meisten Kindern zu einer Ausheilung Es treten aber z T erheb-liche Eiweiszlig- und Antikoumlrper- sowie Lymphozytenverluste auf Eine orale Ernaumlhrung mit mittelkettigen Triglyzeriden reduziert die Chylusproduktion

kPrognoseBei den meisten Formen eines Chylothoraxes kann man von einer sich selbstlimitierenden Erkrankung ausgehen Selten werden Ver-suche chirurgischer Korrekturmaszlignahmen oder intraperitoneale Shuntableitung allerdings mit unsicherem Ausgang noumltig

7711 Obstruktion der oberen Atemwege

kDefinitionAngeborene Obstruktionen der oberen Luftwege gehen haumlufig mit akuter unmittelbar postnatal auftretender Atemnot einher

kAumltiopathogenese TherapieDa Neugeborene fuumlr eine suffiziente Atmung auf eine ungehin-derte Nasenatmung angewiesen sind fuumlhren saumlmtliche anato-mischen und funktionellen Obstruktionen der oberen Luftwege zu einer akuten Atemnotsymptomatik Trotz deutlicher Atem-exkursionen unmittelbar nach der Geburt koumlnnen Neugeborene mit Choanalatresie oder Pierre-Robin-Sequenz (Mikrognathie Glossophtose Gaumenspalte) kein adaumlquates Atemzugvolumen aufbauen ( Abb 743) Diese bedrohliche Situation ist durch Einfuumlhren eines passenden Guedel-Tubus haumlufig akut zu beheben Die Bauchlage kann das Zuruumlckfallen der Zunge bei Neuge-borenen mit Pierre-Robin- Sequenz haumlufig verhindern und die Luftnotsymptomatik verbessern Eine fruumlhe individuelle kiefer-orthopaumldische Behandlung kann mit Hilfe einer Gaumenplatte und einem integrierten pharyngealen Sporn der das Zuruumlckfallen der Zunge verhindert langfristig zu einer Ausheilung der Fehl-bildung fuumlhren

Larynx- und Trachealatresien verlaufen meistens letal Der kon-genitale laryngeale Stridor auf dem Boden einer Laryngomalazie heilt bei den meisten Kindern im Verlauf des ersten Lebensjahres aus Schwieriger gestaltet sich die Behandlung einer kongenitalen oder haumlufig durch prolongierte Intubation oder Intubationsschaumlden erworbenen subglottischen Stenose Bei dieser Problematik koumln-nen langwierige tracheale Dilatationen Lasertherapien oder auch laryngotracheale Rekonstruktionen angezeigt sein

Abb 742 Linksseitig ausgepraumlgter Pleuraerguss mit Mediastinalverla-gerung nach rechts Durch Punktion Nachweis von lt90 mononukleaumlren Zellen (Lymphozyten) Diagnose linksseitiger Chylothorax

716778 middot Bluterkrankungen

78 Bluterkrankungen

781 Fetale Erythropoese

kPhysiologische BesonderheitenDie Erythropoese die am 20 Gestationstag beginnt findet in der Fetalzeit uumlberwiegend in Leber und Milz statt Erst im letzten Trime-non wird das Knochenmark zum Hauptbildungsort der Erythropo-ese Die Haumlmoglobinkonzentration steigt von 8ndash10 gdl im Alter von 12 Gestationswochen auf 165ndash20 gdl im Alter von 40 Gesta-tionswochen an Nach einem kurzen postnatalen Anstieg der Hauml-moglobinkonzentration innerhalb von 6ndash12 Lebensstunden faumlllt sie kontinuierlich auf 10 gdl im Alter von 3ndash6 Monaten ab Fruumlhgebo-rene unterhalb der 32 Gestationswoche haben niedrigere Ausgangs-haumlmoglobinkonzentrationen und erfahren einen schnelleren Abfall der Haumlmoglobinkonzentration der Tiefpunkt ist 1ndash2 Monate nach der Geburt erreicht Waumlhrend dieser physiologischen Anaumlmisie-rung laumlsst sich kaum Erythropoetin im Plasma nachweisen

kBesonderheiten fetaler ErythrozytenFetale und neonatale Erythrozyten weisen eine kuumlrzere Uumlberlebens-zeit (70ndash90 Tage) und ein groumlszligeres mittleres korpuskulaumlres Volu-men auf (MCV 110ndash120 fl) als Erythrozyten Erwachsener In den ersten Tagen nach der Geburt besteht in der Regel eine Retikulozy-tose von 50ndash120permil Die Erythrozyten enthalten uumlberwiegend feta-les Haumlmoglobin F das aus 2 α-Ketten und 2 γ-Ketten besteht Un-mittelbar vor der Geburt setzt bei einem reifen Neugeborenen die Synthese von β-Haumlmoglobinketten und damit adultem Haumlmoglobin ein (2 α-Ketten und 2 β-Ketten) Zum Zeitpunkt der Geburt haben die Erythrozyten reifer Neugeborener 60ndash90 fetales Haumlmoglobin diese Konzentration sinkt bis zum Alter von 4 Monaten auf lt5 ab

Das Blutvolumen reifer Neugeborener betraumlgt ungefaumlhr 85 mlkg KG Plazenta und Nabelgefaumlszlige enthalten ca 20ndash30 mlkg Blut

Eine spaumlte Abnabelung kann zu voruumlbergehendem Anstieg des neonatalen Blutvolumens fuumlhren (7 Abschn 784) eine zu fruumlhe Ab-nabelung zur Anaumlmie

gt Um diese Komplikationen zu vermeiden sollte die Abnabelung ca 60 s nach der Geburt erfolgen

782 Neonatale Anaumlmie

kDefinitionEine Anaumlmie Neugeborener ist durch Haumlmoglobinkonzentrationen (Hb) lt14 gdl sowie einen Haumlmatokrit (Hkt) von lt40 charakterisiert

kAumltiologieSie kann durch akuten oder chronischen Blutverlust eine ver-minderte Bildung sowie durch eine immunologisch vermittelte oder nichtimmunologisch bedingte Haumlmolyse der Erythrozyten verur-sacht sein ( Tab 710)

Nach einem akuten Blutungsereignis sind die Haumlmoglobin-konzentration und der Haumlmatokrit Fruumlh- und Neugeborener haumlufig normal und fallen erst im Rahmen der Haumlmodilution kontinuierlich ab Das zirkulierende Blutvolumen kann jedoch bereits waumlhrend der Blutungsereignisse bedrohlich vermindert sein Ein chronischer Blutverlust kann u a durch fetomaternale Transfusion zustande kommen die bei ca 50 aller Schwangerschaften beobachtet wird der fetale Blutverlust kann erheblich sein Die Diagnose einer feto-maternalen Transfusion wird durch den Nachweis von HbF-halti-gen kindlichen Erythrozyten im muumltterlichen Blut erbracht

kKlinikLeitsymptome der akuten Blutungsanaumlmie sind Blaumlsse Tachykar-die schwache oder nicht tastbare periphere Pulse Hypotension Tachypnoe und bei massivem Blutverlust Schnappatmung und Schock Die klinischen Symptome bei chronischem Blutverlust sind Blaumlsse bei erhaltener Vitalitaumlt Tachykardie und normaler Blutdruck Haumlufig besteht eine Herzinsuffizienz mit Hepatomegalie Die gele-gentlich nachweisbare Splenomegalie ist Ausdruck der extramedul-laumlren Blutbildung Selten entwickelt sich ein Hydrops fetalis Eine neonatale Anaumlmie die durch eine verminderte Bildung von Eryth-rozyten verursacht wird wie z B bei Blackfan-Diamond-Anaumlmie ist durch niedrige Retikulozytenzahlen und Fehlen von Erythrozy-tenvorstufen im Knochenmark charakterisiert Haumlufigste Ursachen fuumlr eine immunologisch vermittelte Haumlmolyse bei Neugeborenen sind Inkompatibilitaumlten zwischen muumltterlicher und kindlicher Blut-gruppe (s Rh-Erythroblastose AB0-Erythroblastose etc) Nichtim-munologische Erkrankungen die mit einer Haumlmolyse einhergehen sind Defekte der Erythrozytenmembran (hereditaumlre Sphaumlrozytose) Erythrozytenenzymdefekte (Glukose-6-Phosphatdehydrogenase- und Pyruvatkinasemangel) seltene Haumlmoglobinopathien sowie die α-Thalassaumlmie

Abb 743 3 Wochen altes Neugeborenes mit Pierre-Robin-Sequenz Aus-gepraumlgte Mikrognathie und Retrogenie mit rezidivierenden Episoden akuter Atemwegsobstruktion durch Glossophtose Nach Anpassung einer speziel-len Gaumenplatte mit distalem Sporn keine weiteren Hypoxieepisoden

Tab 710 Aumltiologie der neonatalen Anaumlmie

Blutverlust Verminderte Blutbildung

Haumlmolyse

Fetomaternale BlutungPlazenta praumlviaVorzeitige PlazentaloumlsungFetofetale TransfusionNabelschnureinrissVasa praeviaNeonatale Blutung intrakraniell gastro-intestinal u a

Konnatale und perinatale InfektionenBlackfan-Diamond-AnaumlmieKonnatale LeukaumlmieFruumlhgeborenen-anaumlmie

Rh-ErythroblastoseAB0-ErythroblastoseAndere Blutgruppen-inkompatibilitaumltenErythrozyten-membran defekteErythrozytenenzym-defekteSelten Haumlmoglobinopathien

Kapitel 7 middot Neonatologie168

7 kTherapie

gt Neugeborene mit ausgepraumlgtem akutem Blutverlust (hauml-morrhagischer Schock raquoweiszlige Asphyxielaquo) werden notfall-maumlszligig mit 0 Rh-negativem Erythrozytenkonzentrat ohne vorherige Kreuzprobe transfundiert (Hepatitis B Anti-HCV TPHA (Lues) CMV HIV negativ)

Bei allen anderen Indikationen ist vor der Transfusion eine kindliche Blutgruppenbestimmung und Kreuzprobe durchzufuumlhren Bei Verdacht auf Stoumlrung der Erythropoese und haumlmolytische Anaumlmien ist vor Gabe von Blutprodukten kindliches Blut fuumlr die entsprechen-de Spezialdiagnostik abzunehmen (s Rh-Erythroblastose u a)

783 Anaumlmie Fruumlhgeborener

Ein besonderes klinisches Problem stellt die Anaumlmie Fruumlhgeborener dar Die meisten sehr kleinen Fruumlhgeborenen entwickeln bereits waumlhrend der ersten Lebenswochen eine mehr oder weniger ausge-praumlgte Anaumlmie Eine Reihe von Faktoren sind fuumlr die Entstehung der Anaumlmie Fruumlhgeborener verantwortlich u a ein Erythropoetin-mangel der zu einer inadaumlquaten Erythropoese fuumlhrt sowie repeti-tive diagnostische Blutentnahmen Seltener entwickelt sich eine haumlmolytische Anaumlmie durch Vitamin-E-Mangel oder im Verlauf systemischer Infektionen

Bei klinischen Zeichen einer akuten oder chronischen Anaumlmie oder Hinweisen auf eine haumlmodynamisch signifikante Hypovolaumlmie ist eine Transfusion mit bestrahltem CMV-negativen Erythrozyten-konzentrat unabdingbar Eine Erythropoetintherapie kann wie in mehreren randomisierten und kontrollierten Studien belegt die Spaumltanaumlmisierung Fruumlhgeborener zu einem gewissen Grad verhin-dern Da noch eine Reihe klinisch relevanter Fragen der Erythropo-etinsubstitution ungeklaumlrt sind (optimaler Zeitpunkt des Behand-lungsbeginns Dosis Therapiedauer optimale Eisensubstitution u a) kann diese Therapie allerdings nicht als Standardtherapie empfohlen werden

784 Polyzythaumlmie Hyperviskositaumltssyndrom

kDefinitionUnter einer Polyzythaumlmie (Synonym neonatale Polyglobulie) wird ein venoumlser Haumlmatokrit gt65 (Haumlmoglobin gt22 gdl) verstanden der unter dem Bild eines Hyperviskositaumltssyndroms zu einem An-

stieg der Blutviskositaumlt zur vaskulaumlren Stase mit Mikrothrombosie-rung zu Hypoperfusion und Ischaumlmie von Organen fuumlhren kann

kAumltiologieEtwa 3ndash5 aller Neugeborenen weisen nach der Geburt einen Hkt gt65 auf Risikokollektive sind reife oder postmature hypotrophe Neugeborene (intrauterine Wachstumsretardierung chronische fe-tale Hypoxie) Patienten nach fetofetaler oder maternofetaler Trans-fusion Neugeborene nach spaumlter Abnabelung Kinder diabetischer Muumltter Nikotinabusus waumlhrend der Schwangerschaft Neugeborene mit Hyperthyreose oder Kinder mit angeborenen Erkrankungen (adrenogenitales Syndrom Trisomie 21 Beckwith-Wiedemann-Syndrom) Bei einem Haumlmatokrit von gt65 steigt die Blutviskositaumlt exponenziell an

kKlinikDie klinische Symptomatik ist auszligerordentlich vielfaumlltig und reflek-tiert die Mikrozirkulationsstoumlrungen und manifesten Durchblu-tungsstoumlrungen der betroffenen Organsysteme Die Neugebore-nen fallen haumlufig durch ihr plethorisches oder auch blass-graues Hautkolorit und eine Belastungszyanose auf Daneben finden sich Hyperexzitabilitaumlt Myoklonien Hypotonie Lethargie und zerebrale Krampfanfaumllle Bei einigen Kindern steht die kardiopulmonale so-wie renale Symptomatik im Vordergrund Atemnotsyndrom per-sistierende pulmonale Hypertonie mit PFC-Syndrom Herzinsuffi-zienz Oligurie Haumlmaturie und Nierenversagen Die Neugeborenen koumlnnen foudroyante Verlaufsformen einer nekrotisierenden Ente-rokolitis sowie einen Ileus entwickeln Daneben treten zum Teil gra-vierende Thrombozytopenien Hypoglykaumlmien Hypokalzaumlmien und ausgepraumlgte Hyperbilirubinaumlmien auf

kTherapieBeim Auftreten erster Symptome muss unverzuumlglich eine partielle modifizierte Austauschtransfusion durchgefuumlhrt werden Zur Sen-kung des Hkt auf 55 wird kindliches Blut gegen Plasma oder eine Albuminloumlsung simultan ausgetauscht (Haumlmodilution)

785 Icterus neonatorum und Hyperbilirubinaumlmie

Bilirubinstoffwechsel Durch den Abbau von Haumlmoglobin ( Bili-verdin) im retikuloendothelialen System entsteht wasser un loumlsliches unkonjugiertes Bilirubin ① Aus 1 g Haumlmoglobin werden ca 35 mg

Abb 744 Schematische Darstellung des Bilirubinstoffwechsels (ER endoplasmatisches Retikulum GK Gallenkapillare Erlaumluterungen s Text)

716978 middot Bluterkrankungen

Bilirubin gebildet Im Blut bindet sich das unkonjugierte Bilirubin an Albumin Man geht davon aus dass Albumin eine primaumlre und sekundaumlre Bindungsstelle mit unterschiedlicher Affinitaumlt fuumlr Biliru-bin besitzt Nach Transport zur Leberzelle dissoziiert das Bilirubin vom Albumin und wird aktiv mit Hilfe der Transportproteine Y und Z (Ligandine) in das Zellinnere geschleust ② Dort erfolgt die Kon-jugation durch die UDP-Glukuronyltransferase ③ das an Uridin- 5ʹ-di-Phosphat-Glukuronsaumlure gekoppelte Bilirubin ist wasserloumls-lich und wird uumlber das biliaumlre System in den Darm ausgeschieden (④ Abb 744)

Besonderheiten beim Neugeborenen Der Bilirubinstoffwechsel des Neugeborenen weist im Vergleich zum Erwachsenen einige Be-sonderheiten auf die die Entstehung des physiologischen Neugebo-renenikterus erklaumlren 4 eine 2- bis 3-fach houmlhere Bilirubinproduktion bedingt durch

die houmlhere Erythrozytenzahl und Haumlmoglobinkonzentration 4 die verkuumlrzte Erythrozytenuumlberlebenszeit (Neugeborene

70ndash90 Tage Erwachsene 120 Tage) 4 die Hydrolyse des in den Darm gelangten glukuronidierten

Bilirubins durch intestinale Glukuronidasen und vermehrte Ruumlckresorption des Bilirubins aus dem Darm (raquoenterohepati-scher Kreislauflaquo)

Dieser Vorgang wird durch eine verzoumlgerte Darmpassage des mekoniumhaltigen Darms und die fehlende intestinale Kolonisation mit Bakterien die Bilirubin in Urobilinogen und Sterkobilinogen umwandeln verstaumlrkt Weiterhin besteht eine relative Defizienz der hepatischen Transportproteine Y und Z sowie der Glukuronyl-transferaseaktivitaumlt Die Bindungskapazitaumlt des Albumins wird nicht nur von der Gesamtkonzentration des Transporteiweiszliges be-stimmt sondern auch von im Blut vorhandenen Faktoren die mit Bilirubin um die Albuminbindungsstellen konkurrieren Zu diesen Substanzen die zu einer Verdraumlngung des Bilirubins aus der Albu-minbindung fuumlhren koumlnnen gehoumlren freie Fettsaumluren Steroid-hormone und Medikamente (Sulfonamide Salizylate u a) eine verminderte Bindungsaffinitaumlt des Albuminmolekuumlls wird bei Azidose beobachtet

786 Physiologischer Ikterus

kKlinikUnter normalen Bedingungen betraumlgt der Bilirubinspiegel im Nabel-schnurblut 1ndash3 mgdl Vor dem Hintergrund der Besonderheiten des Bilirubinstoffwechsels entwickeln mehr als die Haumllfte aller reifen Neugeborenen und nahezu 80 aller Fruumlhgeborenen 2ndash3 Tage nach der Geburt einen physiologischen Ikterus der am 4ndash5 Le-benstag seinen Houmlhepunkt erreicht und dann langsam abklingt Bis zu 7 aller Neugeborenen haben maximale indirekte Bilirubin-spiegel von mehr als 13 mgdl und nahezu 3 von mehr als 15 mgdl Bei diesen Kindern findet man haumlufig eine Reihe von Risikofaktoren ethnische Zugehoumlrigkeit (Chinesen Koreaner Japa-ner) Houmlhe uumlber Meeresspiegel Polyzythaumlmie maumlnnliches Ge-schlecht Muttermilchernaumlhrung starker Gewichtsverlust verzoumlger-te Stuhlentleerung u a Der Ikterus faumlllt in der Regel bei Bilirubin-konzentrationen von 5 mgdl zuerst im Gesicht auf und breitet sich dann kaudal aus die Kinder sind nicht beeintraumlchtigt Bei Fruumlhge-borenen kann der Ikterus ausgepraumlgter sein das Maximum des Bilirubinanstieges tritt spaumlter auf und der Ikterus haumllt laumlnger an Viele Neugeborene erreichen nach ca 14 Tagen mit Erwachsenen vergleichbare Serumbilirubinspiegel

kTherapieDie meisten Neugeborenen mit physiologischem Ikterus beduumlrfen keiner speziellen Behandlung Eine Phototherapie ist nur bei Uumlber-schreiten eines festgelegten Grenzwertes indiziert

Phototherapie Durch sichtbares Licht (Wellenlaumlnge 425ndash475 nm) wird das in der Haut vorhandene Bilirubin zu nichttoxischen Biliru-binisomeren umgeformt diese wasserloumlslichen Substanzen koumlnnen ohne Glukuronidierung mit der Galle und dem Urin ausgeschieden werden Eine optimale Isomerisierung des Bilirubins findet im Be-reich des normalen Adsorptionsspektrums statt blaues Licht mit einer Wellenlaumlnge von 445 nm ist daher besonders zur Behandlung der Hyperbilirubinaumlmie geeignet Bei reifen Neugeborenen mit phy-siologischem Ikterus ohne weitere Risikofaktoren sollte eine Photo-therapie nach dem 3 Lebenstag erst bei Bilirubinserumspiegeln von gt16 mgdl begonnen werden Neuere deutschsprachige Richt-linien setzen die Behandlungsgrenze in dieser Patientengruppe bei 18 mgdl an

Durch kritiklose Anwendung von speziell fuumlr haumlmolytische Er-krankungen erstellte Therapieschemata werden zu viele Neugebore-ne ohne klare Indikationsstellung einer Phototherapie unterzogen Nebenwirkungen dieser Therapie sind Diarrhouml vermehrter Fluumlssig-keitsverlust Temperaturinstabilitaumlt und Dehydratation

Durch das blaue Licht der Phototherapielampe ist die Hautfarbe des Neugeborenen nicht mehr zu beurteilen bedrohliche klinische Veraumlnderungen und Erkrankungen (u a neonatale Infektion) wer-den moumlglicherweise trotz einer Monitoruumlberwachung zu spaumlt er-kannt Die Neugeborenen muumlssen daher regelmaumlszligig klinisch unter-sucht werden ( Abb 745)

CaveDie zum Schutz von potenziellen Retinaschaumlden zu applizierenden Schutzbrillen koumlnnen zur Verlegung der Nasenwege fuumlhren

787 Muttermilchikterus

kAumltiologieEin laumlnger bekanntes Phaumlnomen ist der deutliche Anstieg des un-konjugierten indirekten Bilirubins unter Muttermilchernaumlhrung Obwohl die exakte Ursache dieser Ikterusform bis heute nicht ge-klaumlrt ist wird vermutet dass entweder Pregnandiol oder nicht ver-

Abb 745 Neugeborenes mit Hyperbilirubinaumlmie waumlhrend einer Photo-therapie mit blauem Licht

Kapitel 7 middot Neonatologie170

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esterte langkettige Fettsaumluren die konjugierende Aktivitaumlt der hepa-tischen Glukuronyltransferase kompetitiv hemmen Erst vor Kur-zem wurde eine erhoumlhte Aktivitaumlt von β-Glukuronidase in der Mut-termilch nachgewiesen ein erhoumlhtes enterohepatisches raquoRecyclinglaquo koumlnnte ebenfalls die erhoumlhten Bilirubinkonzentrationen erklaumlren

kVerlauf TherapieMit Muttermilch ernaumlhrte Neugeborene haben im Vergleich zu mit Formula ernaumlhrten Kindern haumlufiger houmlhere Bilirubinspiegel thera-peutische Konsequenzen ergeben sich bei den meisten Neugebore-nen nicht Allerdings entwickelt 1 von 200 mit Muttermilch ernaumlhr-ten Neugeborenen zwischen dem 4ndash7 Lebenstag einen deutlichen Anstieg der Bilirubinkonzentration das Maximum wurde bei eini-gen Neugeborenen erst in der 3 Lebenswoche erreicht Nur wenige Neugeborene mit Muttermilchikterus sind mit Phototherapie zu behandeln ein Unterbrechen des Stillens ist in der Regel nicht ange-zeigt

788 Ikterus bei Fruumlhgeborenen

kAumltiopathogeneseEine Reihe von Beobachtungen deuten darauf hin dass sehr kranke kleine Fruumlhgeborene besonders gefaumlhrdet sind eine Bilirubinenze-phalopathie zu entwickeln Die Albuminkonzentrationen sind im Vergleich zu reifen Neugeborenen haumlufig deutlich erniedrigt ver-schiedene Faktoren wie Azidose erhoumlhte Freisetzung von Fettsaumluren waumlhrend einer Hypothermie und Hypoglykaumlmie interferieren mit der Bilirubin-Albumin-Bindung Im Rahmen verschiedener Grund-erkrankungen Fruumlhgeborener kann eine erhoumlhte Permeabilitaumlt der Hirngefaumlszlige zu einem vermehrten Uumlbertritt des Bilirubins in das Hirngewebe fuumlhren Langsamer intestinaler Transport und Nah-rungsaufbau sowie verzoumlgerter Mekoniumabgang koumlnnen zu einem Bilirubinanstieg beitragen

kTherapieEine Phototherapie muss bei Fruumlhgeborenen bereits bei niedrigeren Bilirubinspiegeln als bei Neugeborenen eingeleitet werden Die differenzierten Indikationen sind in den Lehrbuumlchern der Neonato-logie dargestellt

789 Pathologische Hyperbilirubinaumlmie

kAumltiopathogeneseNeben Erkrankungen die mit einer gesteigerten Haumlmolyse ein-hergehen koumlnnen pathologische Erhoumlhungen des indirekten Biliru-bins bei angeborenen Defekten der Glukuronidierung bei erhoumlhtem Bilirubinanfall durch vermehrten Erythrozytenabbau sowie durch eine vermehrte enterale Ruumlckresorption von Bilirubin erfolgen

Aumltiologie der indirekten Hyperbilirubinaumlmie (Erhoumlhung des unkonjugierten Bilirubins)

4 Gesteigerte Haumlmolyse ndash Blutgruppeninkompatibilitaumlt

ndash Rh AB0 Kell Duffy u a ndash Neonatale Infektionen

ndash Bakteriell ndash Viral

ndash Genetisch bedingte haumlmolytische Anaumlmien ndash Enzymdefekte Glukose-6-Phosphatdehydrogenase

Pyruvatkinase ndash Membrandefekte Sphaumlrozytose u a ndash Haumlmoglobinopathien (homozygote a-Thalassaumlmie)

4 Keine Haumlmolyse ndash Verminderte Bilirubinkonjugation

ndash Physiologischer Ikterus ndash Muttermilchikterus ndash Kinder diabetischer Muumltter ndash Crigler-Najjar-Syndrom (genetisch bedingter

Glukuronyltransferasemangel) ndash Gilbert-Meulengracht-Syndrom (verminderte Bilirubin-

aufnahme in Leberzelle) ndash Hypothyreose ndash Medikamente (Pregnandiol)

ndash Vermehrter Bilirubinanfall ndash Polyzythaumlmie ndash Organblutungen Haumlmatome

ndash Vermehrte enterale Ruumlckresorption von Bilirubin ndash Intestinale Obstruktion ndash Unzureichende Ernaumlhrung (verminderte Peristaltik)

7810 Morbus haemolyticus neonatorum

kAllgemeine AumltiopathogeneseDie haumlufigsten Ursachen fuumlr einen Morbus haemolyticus neonato-rum sind Blutgruppenunvertraumlglichkeiten zwischen Mutter und Fetus die Rhesus-Inkompatibilitaumlt (Rh) die AB0-Erythroblastose und seltene Unvertraumlglichkeiten gegen andere erythrozytaumlre Antige-ne (Kell Duffy u a) Durch Uumlbertritt von fetalen inkompatiblen Erythrozyten waumlhrend der Schwangerschaft oder vorherige Transfu-sion mit nicht blutgruppengleichen Erythrozyten (Sensibilisierung) reagiert das muumltterliche Immunsystem mit der Bildung spezifischer IgG-Antikoumlrper Diese Immunglobuline sind plazentagaumlngig und binden sich nach Uumlbertritt auf das Kind an spezifische Antigen-strukturen fetaler Erythrozyten Die Folge ist ein vorzeitiger und vermehrter Abbau der fetalen Erythrozyten der Fetus beantwortet diese In-utero-Haumlmolyse mit einer Steigerung vorwiegend der extramedullaumlren Blutbildung (Leber Milz) es gelangen unreife Erythrozyten (Erythroblasten) in die kindliche Blutbahn Das durch die gesteigerte Haumlmolyse anfallende indirekte Bilirubin wird uumlber die Plazenta transportiert und vom hepatischen Enzymsystem der Mutter glukuronidiert und biliaumlr ausgeschieden selbst bei schwerer fetaler Haumlmolyse sind die kindlichen Bilirubinkonzentrationen int-rauterin kaum erhoumlht

7811 Kernikterus Bilirubinenzephalopathie

kAumltiologieUnkonjugiertes nicht an Albumin gebundenes Bilirubin kann auf-grund seiner lipophilen Eigenschaften leicht in das zentrale Nerven-system eindringen Es inhibiert den neuronalen Metabolismus (eine Hemmung der oxidativen Phosphorylierung) und hinterlaumlsst eine irreversible Schaumldigung im Bereich der Basalganglien des Globus pallidus des Nucleus caudatus (Kernikterus) des Hypothalamus einiger Kerngebiete von Hirnnerven und auch der Groszlighirnrinde ( Abb 746) Bei einer erhoumlhten Permeabilitaumlt der Blut-Hirn-

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717178 middot Bluterkrankungen

Schranke (schwere Anaumlmie Hypoxie Hydrops) kann auch an Albu-min gebundenes Bilirubin in das Hirngewebe uumlbertreten

kPathogeneseDie Entstehung einer Bilirubinenzephalopathie wird von folgenden Faktoren beeinflusst Lebensalter und Reifegrad der Kinder Uumlber-schreiten der Albuminbindungskapazitaumlt durch zu hohe Bilirubin-spiegel Verminderung der Bindungskapazitaumlt bei Hypalbuminaumlmie Verdraumlngung des Bilirubins durch Gallensaumluren freie Fettsaumluren (Hypoglykaumlmie) oder Medikamente und Veraumlnderungen bzw Schaumldigung der Blut-Hirn-Schranke nach Asphyxie Hypoxie neo-nataler Meningitis und anderen Erkrankungen

kKlinikDie Fruumlhsymptome der Bilirubinenzephalopathie sind Apathie Hypotonie Trinkschwaumlche Erbrechen abgeschwaumlchte Neugebore-nenreflexe und schrilles Schreien Danach fallen die Neugeborenen durch eine vorgewoumllbte Fontanelle eine opisthotone Koumlrperhaltung muskulaumlre Hypertonie und zerebrale Krampfanfaumllle auf Uumlberleben-de Kinder weisen haumlufig eine beidseitige Taubheit choreoathetoi-de Bewegungsmuster sowie eine mentale Retardierung auf

kTherapieKeine therapeutische Maszlignahme kann diese irreversible Schaumldi-gung ruumlckgaumlngig machen In der heutigen Zeit sollte diese vermeid-bare Komplikation nicht mehr auftreten Gerade in den westlichen Industrienationen wird aber inzwischen eine zunehmende Anzahl von Kindern beobachtet die an den Folgen einer Bilirubinenzapha-lopathie leiden Ziel aller in der Peri- und Neonatalmedizin taumltigen Aumlrzte Hebammen und Kinderkrankenschwestern muss es sein die Fruumlh- und Neugeborenen mit einem erhoumlhten Risiko fuumlr eine Hy-perbilirubinaumlmie fruumlhzeitig zu identifizieren und einer adaumlquaten Therapie zuzufuumlhren

7812 AB0-Erythroblastose

kEpidemiologieMit einer AB0-Unvertraumlglichkeit ist bei ca 1 von 200 Neugeborenen zu rechnen

kPathogeneseIm Gegensatz zur Rh-Inkompatibilitaumlt tritt die AB0-Erythroblastose haumlufig in der ersten Schwangerschaft auf Muumltter mit der Blutgrup-pe 0 haben natuumlrlich vorkommende Anti-A- und Anti-B-Antikoumlr-per (Isoagglutinine) die zur Gruppe der IgM-Antikoumlrper gehoumlren und deshalb nicht die Plazenta passieren Dennoch bilden einige Schwangere plazentagaumlngige IgG-Antikoumlrper die gegen die kindli-che Blutgruppeneigenschaft A B oder AB gerichtet sind Die muumlt-terliche IgG-Antikoumlrperbildung kann vermutlich durch exogene Ursachen wie z B Darmparasiten stimuliert werden Als weitere Ursache wird der Uumlbertritt kindlicher Erythrozyten in die muumltterli-che Zirkulation vermutet da die Antigenitaumlt der kindlichen Blut-gruppeneigenschaften erst gegen Ende der Schwangerschaft voll ausgebildet ist erklaumlrt sich der im Vergleich zur Rh-Inkompatibilitaumlt milde Verlauf der haumlmolytischen Erkrankung beim ersten Neugebo-renen sowie die Tatsache dass Fruumlhgeborene nur extrem selten an einer AB0-Inkompatibilitaumlt erkranken Der Schweregrad der haumlmo-lytischen Erkrankung Neugeborener nimmt bei nachfolgenden Schwangerschaften in der Regel nicht zu Der Grund liegt vermutlich in einer Suppression der IgG-Antikoumlrperbildung durch die natuumlrlich vorkommenden IgM-Anti-A- oder Anti-B-Antikoumlrper

kKlinikDie Neugeborenen weisen meistens nur eine geringgradige Anaumlmie auf es besteht nur selten eine Hepatosplenomegalie die Kinder entwickeln keinen Hydrops Im peripheren Blut finden sich neben Retikulozyten und Erythroblasten als Ausdruck der gesteigerten Erythropoese Sphaumlrozyten die infolge der komplementvermittelten Haumlmolyse durch Fragmentation entstehen Erkrankte Neugeborene sind lediglich durch die Hyperbilirubinaumlmie und das damit verbun-dene Risiko einer Bilirubinenzephalopathie gefaumlhrdet

kDiagnoseDie wesentlichen diagnostischen Merkmale der AB0-Inkompatibi-litaumlt im Vergleich zur Rh-Inkompatibilitaumlt sind in der Tab 711 zusammengefasst

kTherapieDurch eine rechtzeitig begonnene und konsequent durchgefuumlhrte Phototherapie koumlnnen bei den meisten Kindern kritische Bilirubin-serumkonzentrationen vermieden werden Eine Austauschtrans-fusion ist nur extrem selten durchzufuumlhren Durch zirkulierende Antikoumlrper kann sich in den ersten Lebenswochen eine in der Regel blande verlaufende Anaumlmie entwickeln

7813 Rh-Erythroblastose

kEpidemiologieUngefaumlhr 15 der europaumlischen Bevoumllkerung sind Rh-negativ ca 5 der amerikanischen schwarzen Bevoumllkerung Vor Einfuumlhrung der Anti-D-Prophylaxe betrug die Praumlvalenz der Rh-Inkompatibili-taumlt 45 erkrankte Kinder pro 10000 Lebendgeborene Die Erkran-kungshaumlufigkeit konnte um weit mehr als 90 reduziert werden

kAumltiopathogeneseDas erythrozytaumlre Rhesusantigensystem besteht aus 5 Antigenen C D E c und e d hat keine antigenen Eigenschaften Bei ca 90 der Faumllle von Rhesusinkompatibilitaumlt sensibilisiert das D-Antigen des Fetus die Rh(d)-negative Mutter die in der Folge IgG-Antikoumlrper (Anti-D-Antikoumlrper) bildet Da in der Fruumlhschwangerschaft nur

Abb 746 Charakteristische Bilirubinablagerungen in den Stammgang-lien bei Bilirubinenzephalopathie

Kapitel 7 middot Neonatologie172

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ausnahmsweise kindliche Erythrozyten in den Kreislauf der Mutter gelangen bildet die Mutter keine oder nur geringe Mengen an Anti-D-Antikoumlrpern Das erste Kind bleibt entweder gesund oder entwi-ckelt nur eine haumlmolytische Anaumlmie undoder Hyperbilirubinaumlmie vorausgesetzt dass eine fruumlhere Sensibilisierung durch Aborte oder Bluttransfusionen ausgeschlossen ist Unter der Geburt und bei der Plazentaloumlsung kann eine groumlszligere Menge kindlicher Erythrozyten in die muumltterliche Blutbahn uumlbertreten Die Rh-Erythroblastose bei unterlassener Rh-Prophylaxe manifestiert sich typischerweise waumlh-rend der 2 und weiteren Schwangerschaften mit zunehmendem Schweregrad der fetalen Erkrankung die in einen Hydrops fetalis einmuumlnden kann

kKlinikIn Abhaumlngigkeit vom Schweregrad der Erkrankung bestehen eine mehr oder weniger ausgepraumlgte Anaumlmie ein Icterus praecox (Ge-samtbilirubin gt7 mgdl innerhalb der ersten 24 Lebensstunden) ein Icterus gravis (Gesamtbilirubin gt15 mgdl bei reifen Neugebore-nen) und als Ausdruck der extramedullaumlren Blutbildung eine Hepa-tosplenomegalie Als Zeichen der gesteigerten Haumlmatopoese sind Erythroblasten und Retikulozyten im peripheren Blut in groszliger Zahl nachweisbar

Hydrops fetalis Bei schwerer fetaler Anaumlmie (Haumlmoglobin lt8 gdl) koumlnnen sich eine intrauterine Hypoxie und Hypoproteinaumlmie infol-ge einer verminderten Albuminsynthese entwickeln Veraumlnderun-gen der Zellpermeabilitaumlt und Verminderungen des onkotischen Drucks fuumlhren zu generalisierten Oumldemen Houmlhlenerguumlssen (Aszi-tes Pleuraerguss Perikarderguss) Hypervolaumlmie und Herzinsuffizi-enz ( Abb 747) Beim generalisierten Hydrops kann bereits ein intrauteriner Fruchttod oder eine irreparable zerebrale Schaumldigung auftreten

kDiagnoseIm Rahmen der Schwangerschaftsvorsorge wird bei allen Frauen im Verlauf der Schwangerschaft nach irregulaumlren Antikoumlrpern gesucht um Inkompatibilitaumlten in Rh- Duffy- Kell- oder anderen Blut-gruppensystemen zu erkennen Mit dem indirekten Coombs-Test werden plazentagaumlngige IgG-Antikoumlrper nachgewiesen Bei vorhan-denen Antikoumlrpern ist eine engmaschige fetale Ultraschalldiag-nostik imperativ Da keine Korrelation zwischen der Houmlhe vorhan-

dener Antikoumlrper und dem Schweregrad der moumlglichen kindlichen Erkrankung besteht ist bei vorhandenen Antikoumlrpern eine sequen-zielle Bestimmung der fetalen zerebralen Durchblutung indiziert Die dopplersonographische Messung der Flussgeschwindigkeit kor-reliert mit dem Grad der Anaumlmisierung Nur noch selten wird eine Fruchtwasseruntersuchung (Amniozentese) zur Bilirubinbestim-mung durchgefuumlhrt Das Ausmaszlig der Haumlmolyse laumlsst sich durch spektrophotometrische Analyse der optischen Dichte (450 nm) des Fruchtwassers ablesen (Liley-Diagramm) Durch Zuordnung in 3 Gefahrenzonen kann der kindliche Zustand beurteilt und ent-sprechende therapeutische Konsequenzen eingeleitet werden

Nach der Geburt sind beim Neugeborenen unverzuumlglich folgen-de Bestimmungen durchzufuumlhren 4 Haumlmoglobinkonzentration 4 Serumbilirubinspiegel 4 Blutgruppenbestimmung 4 Coombs-Test 4 Retikulozytenzahl 4 Blutausstrich

Bei Neugeborenen mit Rh-Erythroblastose ist neben den beschrie-benen haumlmatologischen Auffaumllligkeiten immer ein positiver direk-ter Coombs-Test zu finden (Nachweis von inkompletten an kind-liche Erythrozyten gebundene Antikoumlrper) Unmittelbar nach der Geburt kann die Konzentration des indirekten Bilirubins stark an-steigen es sind daher engstmaschige Bilirubinbestimmungen erfor-derlich

Tab 711 Unterschiede zwischen der Rh- und ABO-Inkompatibilitaumlt

Inkompatibilitaumlt

Rh ABO

Erkrankung bei erster Schwangerschaft Selten Haumlufig

Fruumlhzeitige Anaumlmisierung des Kindes ++ +

Hyperbilirubinaumlmie waumlhrend der ersten 24 h post partum

++ +

Erythroblasten +++ +

Sphaumlrozyten plusmn ++

Retikulozyten ++ + bis ++

Direkter Coombs-Test (Kind) +++ ndash bis +

Indirekter Coombs-Test (Mutter) +++ plusmn

Abb 747a b Fruumlhgeborenes der 35 Gestationswoche mit Hydrops fetalis bei Erythroblastosis fetalis Uumlbersicht (a) deutliche Oumldeme der linken unteren Extremitaumlt (b) Neben generalisierten Oumldemen wies das Fruumlhge-borene einen ausgepraumlgten Aszites sowie beidseitige Pleuraerguumlsse auf

a

b

717378 middot Bluterkrankungen

kTherapieIntrauterine Therapie des Feten Bei ausgepraumlgter fetaler Anaumlmie ist eine intrauterine Transfusion in die kindliche Bauchhoumlhle oder neuerdings durch Kordozentese in die Nabelvene erforderlich bei ersten Zeichen eines Hydrops fetalis ist eine vorzeitige Beendigung der Schwangerschaft durch Sectio caesarea notwendig

Phototherapie Bei leichten Verlaumlufen (einer Rh-Inkompatibilitaumlt) kann eine Phototherapie unter Umstaumlnden in 2 Ebenen zur Behand-lung der Hyperbilirubinaumlmie ausreichen Die Indikation fuumlr den Beginn einer Phototherapie haumlngt vom Gestationsalter Lebensalter Houmlhe der Bilirubinkonzentration Dynamik des Bilirubinanstieges von dem Ausmaszlig der Anaumlmie und anderen Risikofaktoren ab

Austauschtransfusion Zur Vermeidung der Bilirubinenzephalopa-thie wird nach wie vor eine Austauschtransfusion reifer Neugebo-rener bei Bilirubinserumkonzentrationen gt20 mgdl empfohlen bei schweren Grunderkrankungen (Asphyxie neonatale Sepsis haumlmo-lytische Anaumlmie u a) sowie einer Hyperbilirubinaumlmie in den ersten 3 Lebenstagen liegt die Austauschgrenze in dieser Gruppe niedriger Fuumlr Fruumlhgeborene gelten besondere Austauschgrenzen (Fruumlhge-borene mit einem Gewicht von gt1500 g gt15 mgdl Fruumlhgeborene gt1000 g gt10 mgdl) Der Blutaustausch erfolgt mit kompatiblem Spendervollblut in 5ndash20-ml-Portionen uumlber einen liegenden Nabel-venenkatheter durch diese Maszlignahme wird das 2- bis 3fache Blut-volumen eines Neugeborenen ausgetauscht d h ca 90 der kind-lichen Erythrozyten werden neben muumltterlichen Antikoumlrpern und verfuumlgbarem Bilirubin eliminiert Als Komplikationen der Blut-austauschtransfusion koumlnnen Infektionen (u a Sepsis) Katheter-perforation Pfortaderthrombose Hypotension Azidose nekrotisie-rende Enterokolitis und Elektrolytentgleisungen auftreten Nach ei-nem Blutaustausch besteht haumlufig eine Anaumlmie und Thrombozyto-penie durch eine zusaumltzliche kontinuierlich durchgefuumlhrte Phototherapie kann die Zahl von mehrfachen Austauschtransfusio-nen gesenkt werden

kPraumlventionDurch Gabe eines Anti-D-Immunglobulins innerhalb von 72 h nach der Geburt kann die Sensibilisierung einer Rh-negativen Mutter durch die Rh-positiven fetalen Erythrozyten haumlufig vermieden wer-den Die Anti-D-Prophylaxe muss bei Rh-negativen Frauen auch nach Aborten Amniozentesen oder unsachgemaumlszliger Transfusion mit Rh-positivem Blut durchgefuumlhrt werden

gt In der ersten Schwangerschaft kann eine maternale Im-munglobulinprophylaxe in der 28 Gestationswoche und unmittelbar postnatal die Sensibilisierung auf weniger als 1 reduzieren

Nach bisherigen Kenntnissen scheint die im letzten Trimenon durchgefuumlhrte Anti-D-Prophylaxe beim Neugeborenen keine kli-nisch signifikante Haumlmolyse auszuloumlsen

kPrognoseTrotz adaumlquater Initialbehandlung entwickeln die Kinder aufgrund der noch vorhandenen Anti-D-Antikoumlrper haumlufig eine uumlber mehrere Wochen anhaltende Spaumltanaumlmie Bei erhoumlhten Retikulozytenzahlen und asymptomatischem Kind ist keine weitere Therapie notwendig Stellen sich eine persistierende Tachykardie sowie andere Zeichen der chronischen Anaumlmie ein so ist eine weitere Transfusion in-diziert Selten wird eine Pfortaderthrombose nach Austauschtrans-fusion beobachtet diese schwerwiegende Komplikation ist thera-peutisch nicht zu beeinflussen

7814 Weitere haumlmolytische Erkrankungen

Blutgruppenunvertraumlglichkeiten gegen andere Erythrozytenanti-gene [c E Kell (K) Duffy u a] sind fuumlr weniger als 5 aller haumlmo-lytischen Erkrankungen der Neonatalperiode verantwortlich Der direkte Coombs-Test ist bei diesen Unvertraumlglichkeiten immer posi-tiv Kongenitale Infektionen mit verschiedenen Erregern sowie neo-natale Infektionen koumlnnen eine nichtimmunologische Haumlmolyse induzieren Die homozygote α-Thalassaumlmie kann sich ebenfalls un-ter dem Bild einer schweren haumlmolytischen Anaumlmie mit Hydrops fetalis praumlsentieren auch bei dieser und den folgenden Erkrankun-gen ist der direkte Coombs-Test negativ Haumlmolytische Anaumlmie und ausgepraumlgte Hyperbilirubinaumlmie mit Gefahr der Bilirubinenzepha-lopathie werden bei Neugeborenen mit hereditaumlrer Sphaumlrozytose oder angeborenen Enzymdefekten wie dem Pyruvatkinase- oder Glukose-6-Phosphatdehydrogenasemangel beobachtet

7815 Direkte Hyperbilirubinaumlmie

Eine direkte Hyperbilirubinaumlmie (direktes konjugiertes Bilirubin gt2 mgdl) wird bei einer Reihe angeborener und erworbener hepa-tischer sowie extrahepatischer Erkrankungen gefunden Groumlszligere Schwierigkeiten bereitet es die extrahepatische Gallengangsatresie von der neonatalen Hepatitis abzugrenzen Bei einigen Kindern konn-te inzwischen belegt werden dass eine Hepatitis der Entwicklung einer Gallengangsatresie vorausging Eine nicht unerhebliche Anzahl Neu-geborener mit prolongierter direkter Hyperbilirubinaumlmie hat als Grund erkrankung einen α1-Antitrypsinmangel (α1-Proteinase-In-hibitor) Ebenso wird ein cholestatischer passagerer Ikterus haumlufig bei Fruumlh- und Neugeborenen beobachtet die eine langzeitige parenterale Ernaumlhrung erhalten Als Ursache wird weniger die Infusion mit Lipi-den als die Gabe bestimmter Aminosaumluren vermutet

Aumltiologie der direkten Hyperbilirubinaumlmie (Erhoumlhung des konjugierten Bilirubins)

4 Intrahepatische Cholestase ndash Neonatale Hepatitis (B) ndash Perinatale Infektionen (CMV u a) ndash Syndrom der eingedickten Galle ndash Parenterale Ernaumlhrung ndash α1-Antitrypsinmangel (= α1-Proteinasemangel) ndash Galaktosaumlmie Tyrosinose ndash Intrahepatische Gallengangshypoplasie (Alagille-

Syndrom) 4 Extrahepatische Cholestase

ndash Gallengangsatresie ndash Choledochuszyste ndash Zystische Fibrose (Mukoviszidose)

7816 Weiszliges Blutbild Neugeborener

Die peripheren Gesamtleukozytenzahlen sowie die Verteilung der einzelnen Leukozytensubpopulationen unterscheiden sich waumlhrend der Neonatalperiode deutlich von denen spaumlterer Lebensalter Im Zusammenhang mit dem Geburtsvorgang werden physiologischer-weise die Knochenmarksreserven der Fruumlh- und Neugeborenen mobilisiert d h die Zahl unreifer und reifer Granulozyten steigt in der Peripherie an Das Maximum der Granulozytose ist 12 h post

Kapitel 7 middot Neonatologie174

7partum erreicht im Verlauf der ersten 3 Lebenstage faumlllt die Zellzahl kontinuierlich ab Eine stabile obere Normgrenze findet sich vom 5 Lebenstag an In Abb 748 sind die Gesamtzahl der neutrophilen Granulozyten und der unreifen Granulozyten (Stabkernige und ju-gendliche Formen) waumlhrend der Neonatalperiode dargestellt

Erniedrigte Gesamtzahlen der neutrophilen Granulozyten werden nach muumltterlicher Hypertonie EPH-Gestose und viralen konnatalen Infektionen beobachtet sie sind moumlglicherweise Aus-druck einer verminderten Bildung von Granulozyten im kindlichen Knochenmark Daneben tritt eine Neutrozytopenie haumlufig bei Neu-geborenen mit neonataler Sepsis auf im Verlauf der Erkrankung werden uumlberwiegend periphere neutrophile Granulozyten ver-braucht die Knochenmarkreserven sind durch die geburtsbedingte Mobilisierung der Granulozyten erschoumlpft

Nach Regeneration der Knochenmarksreserven entwickeln Neugeborene die nach dem 3 Lebenstag an einer Sepsis erkranken haumlufig eine Granulozytose In der Regenerationsphase einer neona-talen Infektion kann gelegentlich eine leukaumlmoide Reaktion be o-bachtet werden

7817 Neonatale Thrombozytopenie

kAumltiologieDie wesentlichen maternalen und kindlichen Ursachen und Erkran-kungen die eine neonatale Thrombozytopenie (lt150000 Thrombo-zytenμl) ausloumlsen koumlnnen sind in Tab 712 dargestellt

Maternale Ursachen Im Rahmen einer aktiven idiopatisch throm-bozytopenischen Purpura (ITP) oder eines Lupus erythematodes koumlnnen die maternalen Autoantikoumlrper durch diaplazentaren Uumlber-tritt beim Neugeborenen eine Immunthrombozytopenie induzie-ren Bei Muumlttern die sich gegen Medikamente sensibilisiert haben wurde nach Anlagerung des Antigen(Medikament)-Antikoumlrper-Komplexes an fetale Blutplaumlttchen von der Entwicklung einer Thrombozytopenie berichtet

Kindliche Ursachen Unter den kindlichen Ursachen ist das Wiskott-Aldrich-Syndrom hervorzuheben Aufgrund eines intrinsi-schen Thrombozytendefekts ist die Uumlberlebenszeit der Blutplaumlttchen deutlich vermindert Die Thrombozyten sind bei dieser Erkrankung deutlich kleiner als bei allen anderen Formen der neonatalen Throm-bozytopenie Mithilfe moderner haumlmatologischer Analysegeraumlte soll-te die Diagnose dieser komplexen Immundefizienzerkrankung noch vor Auftreten der typischen Manifestationszeichen gestellt werden

7818 Neonatale Alloimmunthrombozytopenie

kDefinitionBei der neonatalen Alloimmunthrombozytopenie handelt es sich um eine fetomaternale Thrombozyteninkompatibilitaumlt

kPathogeneseKindliche Thrombozyten die spezifische inkompatible Antigene tragen und im Verlauf der Schwangerschaft in den muumltterlichen Blutkreislauf gelangen koumlnnen bei den Muumlttern eine humorale Im-munantwort gegen das fremde Plaumlttchenantigen ausloumlsen die ma-ternalen Thrombozyten weisen dieses Antigenmerkmal nicht auf In der Folge treten die im muumltterlichen Organismus gebildeten IgG-Iso-Antikoumlrper diaplazentar auf das Kind uumlber binden an die kindlichen Thrombozyten und fuumlhren zu einem beschleunigten Abbau der Blutplaumlttchen Die maternalen Thrombozytenzahlen sind normal

kEpidemiologieDie Inzidenz der Alloimmunthrombozytopenie wird mit 12ndash3000 Neugeborenen angegeben Verantwortlich fuumlr die muumltter-liche Sensibilisierung ist in mehr als 75 der Faumllle das plaumlttchenspe-zifische Antigen PLA1 das bereits in der 19 Schwangerschaftswoche von den fetalen Thrombozyten exprimiert wird 98 der Bevoumllke-rung besitzen PLA1-positive Thrombozyten Weitere Plaumlttchenanti-gene fuumlr die Sensibilisierungen beschrieben wurden sind PLA2 PLE1 PLE2 u a Bis zu 15 der betroffenen Neugeborenen koumlnnen an den Folgen einer zu spaumlt erkannten Alloimmunthrombozytope-nie versterben Bei komplikationslosen Verlaumlufen limitiert sich die Krankheit innerhalb der ersten 4ndash6 Lebenswochen durch Elimina-tion der zirkulierenden Antikoumlrper in der Regel von selbst Eine Sen-sibilisierung mit Entwicklung der Thrombozyteninkompatibilitaumlt tritt im Verlauf der 1 Schwangerschaft bei ca 50 der Risikokons-tellationen auf das Wiederholungsrisiko steigt bei weiteren Schwan-gerschaften auf 85 an

kKlinikKlinisch symptomatische Neugeborene mit Alloimmunothrombo-zytopenie fallen durch Petechien Purpura und gelegentlich Schleimhautblutungen auf Neben renalen und gastrointestinalen Blutungen ist die gefuumlrchtete Komplikation eine innerhalb der ersten

Tab 712 Ursachen der neonatalen Thrombozytopenie

Muumltterliche Ursachen Kindliche Ursachen

Idiopathisch thrombozyto-penische Purpura der MutterLupus erythematodes der MutterMedikamente waumlhrend der SchwangerschaftThrombozyten-Inkompatibi-litaumlt Alloimmunthrombozy-topenie

Konnatale Infektionen Toxoplas-mose Roumlteln Zytomegalie Herpes simplex LuesNeonatale Infektionen Sepsis neonatorumDisseminierte intravaskulaumlre Gerinnungsstoumlrung nach Asphyxie Schock etcNekrotisierende EnterokolitisAustauschtransfusionSelten aplastische Anaumlmie kongeni-tale Leukaumlmie Wiskott-Aldrich-Syndrom Riesenhaumlmangiom u aRetardierungPolyzythaumlmie

Abb 748 Gesamtzahl der neutrophilen Granulozyten gesunder Neuge-borener im Verlauf der ersten 28 Lebenstage

717579 middot Nekrotisierende Enterokolitis

Lebenstage auftretende Hirnblutung Einige Neugeborene sind auch bei ausgepraumlgten Thrombozytopenien symptomfrei

kDiagnoseDie Diagnose wird durch Nachweis spezifischer Thrombozyten-merkmale und Antikoumlrpernachweis bei Mutter und Kind gestellt

kTherapieBei Thrombozytenzahlen lt50000μl oder klinischen Blutungs-zeichen ist eine sofortige Transfusion eines kompatiblen Thrombo-zytenkonzentrats angezeigt Ein Problem stellt jedoch die Selektion geeigneter Thrombozytenspender dar da 98 der Bevoumllkerung PLA1-positive Thrombozyten besitzen und somit als Spender aus-scheiden Eine Thrombozytentypisierung potenzieller Spender ist nur in wenigen Blutbanken vorhanden

gt Als idealer Spender kompatibler Thrombozyten kommt daher nur die Mutter in Frage Das Verfahren der Thrombo-zytenisolierung durch Zellseparation wird auch unmittel-bar nach der Geburt von den Muumlttern gut toleriert

Einige Neugeborene sprechen auch auf eine hochdosierte intra-venoumlse Immunglobulintherapie an

Bei erneuter Schwangerschaft einer sensibilisierten Mutter be-steht ein hohes Risiko fuumlr das Kind an einer Alloimmunthrombozy-topenie zu erkranken Der durch Nabelschnurpunktion erfolgte Nachweis einer fetalen Thrombozytopenie kann eine repetitive In-utero-Transfusion von kompatiblen Thrombozyten erfordern Der therapeutische Effekt einer hochdosierten muumltterlichen Thera-pie mit Gammaglobulinpraumlparaten ist aufgrund der unzureichenden Datenlage noch nicht zu beurteilen

7819 Koagulopathien

In der Neonatalperiode werden nicht selten Stoumlrungen der plasma-tischen Blutgerinnung beobachtet sie koumlnnen Ausdruck einer an-geborenen Defizienz an Gerinnungsfaktoren (s Haumlmophilie u a) eines Vitamin-K-Mangels oder einer disseminierten intravasalen Gerinnungsstoumlrung (DIC raquodisseminated intravascular coagulati-onlaquo) sein Neugeborene haben erniedrigte Plasmakonzentrationen nahezu aller Gerinnungsfaktoren besonders die Synthese der vita-min-K-abhaumlngigen Faktoren II VII IX und X ist gestoumlrt Es gibt keinen diaplazentaren Uumlbertritt von Gerinnungsfaktoren

7820 Morbus haemorrhagicus neonatorum (Vitamin-K-Mangel)

kDefinitionDer Morbus haemorrhagicus neonatorum ist eine durch einen Vita-min-K-Mangel ausgeloumlste potenziell lebensbedrohliche Erkrankung die durch praumlventive Vitamin-K-Substitution verhindert werden kann

kEpidemiologieBei ca 1 von 200 Neugeborenen die keine postnatale Vitamin-K-Prophylaxe erhalten haben tritt ein unerwartetes Blutungsereignis innerhalb der ersten Lebenswochen auf

kAumltiologieVitamin K ist fuumlr die hepatische Synthese von Prothrombin Faktor VII IX und X verantwortlich Ein Vitamin-K-Mangel kann sich bei Neugeborenen zu verschiedenen Zeitpunkten manifestieren

Eine am 1 Lebenstag aufgetretene Blutung wird nach muumltter-licher Medikamenteneinnahme beobachtet Phenytoin Phenobar-bital Primidon Salizylate Antikoagulanzien u a beeintraumlchtigen den Vitamin-K-Metabolismus Neugeborener eine muumltterliche Heparinbehandlung dagegen hat keine Auswirkungen auf das kind-liche Gerinnungssystem Die typische Vitamin-K-Mangelblutung des reifen Neugeborenen tritt vom 3ndash7 Lebenstag uumlberwiegend bei mit Muttermilch ernaumlhrten Kindern auf Muttermilch hat nur einen geringen Vitamin-K-Gehalt Bei allen Fruumlh- und Neugeborenen die einer antibiotischen Langzeitbehandlung oder einer parenteralen Ernaumlhrung unterzogen sind koumlnnen sich bei mangelnder Vitamin-K-Substitution im Verlauf der Neonatalperiode bedrohliche Blutun-gen entwickeln Eine Spaumltmanifestation des Vitamin-K-Mangels im Alter von 4ndash12 Wochen kann bei mit Muttermilch ernaumlhrten Saumluglingen besonders aber bei Kindern mit einer Vitamin-K-Malab-sorption auftreten (Mukoviszidose cholestatischer Ikterus u a bei Gallengangsatresie Wachstumshemmung der vitamin-K-produzie-renden intestinalen mikrobiellen Flora durch Antibiotika)

kKlinikEine Vitamin-K-Mangelblutung ist immer dann zu vermuten wenn ein gesund wirkendes Neugeborenes spontane Haumlmorrhagien ent-wickelt Haumlmatemesis gatrointestinale Blutung (Melaena vera) Epi-staxis Nabelschnur- und Hautblutungen intrakranielle Blutung u a

kDifferenzialdiagnoseEine in den ersten Lebenstagen auftretende Haumlmatemesis oder Melaumlna kann auch durch muumltterliches bei der Geburt verschlucktes Blut verursacht sein

gt Mithilfe des Alkaliresistenztests (Apt-Test) kann in kuumlrzester Zeit entschieden werden ob es sich um kind-liches oder muumltterliches Blut handelt

Kindliche Erythrozyten enthalten uumlberwiegend alkaliresistentes Haumlmoglobin F sie werden in einer Loumlsung von 1 Natronlauge nicht denaturiert die Loumlsung bleibt roumltlich gefaumlrbt Die muumltterlichen Haumlmoglobin A enthaltenen Erythrozyten dagegen werden sofort zerstoumlrt die Loumlsung bekommt eine gelblich-braune Farbe

kPraumlvention TherapieBei manifester Vitamin-K-Mangelblutung (Risikopatienten Vita-min-K-Malabsorption) muss unverzuumlglich Vitamin K iv appliziert werden zusaumltzlich kann die Gabe von Frischplasma notwendig sein Houmlhere Dosen von Vitamin K sind bei muumltterlicher Medikamenten-einnahme oder Lebererkrankung des Neugeborenen indiziert Der Verdacht dass intramuskulaumlr injiziertes Vitamin K zu einem er-houmlhten Krebsrisiko bei Kindern fuumlhrt konnte inzwischen eindeutig widerlegt werden

gt Durch routinemaumlszligig prophylaktische Gabe von Vitamin K an alle Neugeborenen unmittelbar post partum sowie am 5 und 28 Lebenstag laumlsst sich ein Morbus haumlmorrhagicus neonatorum vermeiden (jeweils 2 mg Vitamin K oral)

79 Nekrotisierende Enterokolitis

kGrundlagenDie nekrotisierende Enterokolitis (NEC) ist eine akut auftretende inflammatorische Erkrankung des Duumlnn- und Dickdarms welche im Verlauf zu einem septischen Krankheitsbild mit disseminierten Darmnekrosen fuumlhrt Die Ursache ist multifaktoriell Die NEC ist die

Kapitel 7 middot Neonatologie176

7

haumlufigste Ursache gastrointestinaler Notfallsituationen Neugebore-ner vor allem erkranken Fruumlhgeborene mit einem Geburtsgewicht unter 1500 g Neben einzelnen sporadischen Faumlllen wird haumlufig ein gruppenweises Auftreten der Erkrankung beobachtet

kPathogeneseEine Erklaumlrung der Genese der Erkrankung muss folgende Faktoren beruumlcksichtigen 90 der Faumllle treten bei Fruumlhgeborenen auf Fast alle erkrankten Kinder sind oral ernaumlhrt worden Die NEC tritt er-heblich seltener auf bei Ernaumlhrung mit Muttermilch Viele Faumllle tre-ten endemisch auf ohne dass sich oft ein gemeinsamer Erreger iso-lieren laumlsst Es ist somit offensichtlich dass die NEC multifaktoriell verursacht wird Dabei koumlnnen verschiedene pathogenetische Fak-toren identifiziert werden ( Abb 749) 4 Unreife der intestinalen Abwehrmechanismen 4 bakterielle Uumlberwucherung des Darmes 4 orale Ernaumlhrung

Die intestinale Abwehr gegenuumlber pathogenen Erregern ist bei Fruumlhgeborenen beeintraumlchtigt Neben einer verminderten Konzent-ration des sekretorischen IgA auf der Darmschleimhaut finden sich eine geringe Anzahl an intestinalen T-Lymphozyten ein relativ hoher pH-Wert der Magensaumlure und weitere Defizienzen der lokalen Immunitaumlt Die geringe Darmmotilitaumlt beguumlnstigt ebenfalls die Bak-terienadhaumlsion Die herabgesetzte lokale Immunitaumlt ist einer der wesentlichen pathogenetischen Faktoren der NEC

Die bakterielle Besiedlung des Darmes ist ebenfalls von Bedeu-tung In der Tat lassen sich bei einer NEC haumlufig bakterielle Erreger vor allem gramnegative Keime wie Klebsiella Enterobacter- und Pseudomonas-Spezies oder Escherichia coli aus der Peritonealfluumlssig-keit der Blutkultur oder aus dem Stuhl isolieren Aber auch Infektio-nen mit Staphylokkokus epidermidis oder Rotaviren werden bei einer NEC beobachtet Die Pneumatosis als pathognomonisches Symptom entsteht durch intraluminale Ausbreitung der bakteriellen H2-Bildung im Rahmen der Kohlenhydratvergaumlrung des Darminhalts

Die orale Ernaumlhrung ist ein weiterer pathogenetischer Faktor Eine NEC tritt praktisch nur bei oral ernaumlhrten Neugeborenen auf Eine zu rasche Steigerung der Nahrung (gt20 kalkg KGTag) kann bei der bestehenden Immaturitaumlt des Verdauungsapparats zu einer Verbesserung der Wachstumsbedingungen von Bakterien mit nach-folgender bakterieller Uumlberwucherung fuumlhren Bei Fuumltterung mit Frauenmilch kommt eine NEC seltener vor als bei Ernaumlhrung mit einer Kuhmilchpraumlparation Dieses kann daran liegen dass die lokale Schleimhautabwehr sowie die Verdauung der Nahrung durch Frauenmilch guumlnstig beeinflusst wird

kKlinikKinder mit NEC praumlsentieren sich mit folgenden Symptomen 4 geblaumlhtes meist druckschmerzhaftes Abdomen 4 blutige Stuumlhle 4 Erbrechen Nahrungs- oder Sekretruumlckstau im Magen 4 haumlufig lokalisierte Resistenz im Abdomen 4 livide oder roumltlich verfaumlrbte Bauchhaut 4 bei fortschreitender Erkrankung mit diffuser Peritonitis

gesamte Bauchhaut glaumlnzend und oumldematoumls 4 fehlende Darmgeraumlusche

Neben den lokalen Befunden zeigen die Kinder Symptome einer systemischen Infektion 4 Temperaturinstabilitaumlt 4 Apnoen 4 Muskelhypotonie 4 Hypomotorik bis Lethargie 4 Bei schweren Verlaumlufen zusaumltzlich 4 Hypotension 4 Azidose 4 dissiminierte intravasale Gerinnung mit Thrombozytopenie

Die Erkrankung verlaumluft progressiv klinisch hat sich eine Einteilung in 3 Stadien bewaumlhrt ( Tab 713)

Abb 749 Pathogenetische Faktoren bei der Entstehung der nekrotisierenden Enterokolitis

7177710 middot Fetale und neonatale Infektionen

kLabordiagnostikTypische laborchemische Befunde gibt es nicht sie entsprechen der einer Sepsis (Leukozytose oder Leukozytopenie raquoLinksverschie-bunglaquo im Verlauf erhoumlhte Serumkonzentrationen des C-reaktiven Proteins)

kRoumlntgendiagnostikRadiologisch findet sich in den fruumlhen Stadien der Erkrankung eine lokalisierte oder generalisierte Dilatation von Darmschlingen so-wie eine Verdickung der Darmwand Das typische Symptom einer NEC ist die Pneumatosis intestinalis mit einer perlschnurartigen Ansammlung von Gasblasen in der Darmwand Bei Extension dieser Gasansammlung uumlber die Mesenterialgefaumlszlige in die Lebervenen laumlsst sich intrahepatische Luft nachweisen Eine Perforation des Darms fuumlhrt zum Auftreten freier Luft im Abdomen Das Pneumoperito-neum imponiert in Ruumlckenlage oft als rundliche strahlentranspa-rente Figur in Bauchmitte die Perforation laumlsst sich meist besser bei einer Aufnahme in Linksseitenlage als sichelartige Luftdarstellung uumlber der Leber nachweisen

kTherapieDie Behandlung der NEC haumlngt ab von der Schwere der Erkrankungsbquo Bei Verdacht auf NEC erfolgt eine konservative Behandlung mit Nahrungspause (keine oralen Medikamente) Magenablaufsonde und breiter antibiotischer Therapie Die Fluumlssigkeits- und Elektro-lyttherapie ist von besonderer Bedeutung da es zu erheblichen Ver-lusten von Fluumlssigkeit in den Darm kommen kann (sog dritter Raum) in der Regel ist die Gabe von isotoner Elektrolytloumlsung erforderlich Bei definitiver NEC oder Ileussymptomatik ist unbe-dingt eine Mitbeurteilung des klinischen Befundes durch einen Kinderchirurgen notwendig um eine rechtzeitige Indikation zu ope-rativem Vorgehen stellen zu koumlnnen Eine Operationsindikation ist gegeben bei Perforation klinischen Peritonitissymptomen oder deutlichen Pneumatosiszeichen Ein toxisches Krankheitsbild erfor-dert eine notfallmaumlszligige operative Therapie

710 Fetale und neonatale Infektionen

7101 Besonderheiten des Immunsystems Neugeborener

Waumlhrend der 2 Schwangerschaftshaumllfte entwickelt der Fetus die Faumlhigkeit zur zellulaumlren und humoralen Immunabwehr jedoch ist das Immunsystem des Feten in seiner Aktivitaumlt supprimiert um Abstoszligungsreaktionen zwischen Feten und Mutter zu vermeiden

Die Umstellung des Immunsystems auf die aktive Bekaumlmpfung von invasiven Erregern erfolgt erst postnatal Deshalb sind viele immu-nologische Effektorsysteme beim Neugeborenen und noch ausge-praumlgter beim Fruumlhgeborenen weniger funktionsfaumlhig als beim Er-wachsenen ( Tab 714)

Immunglobuline Fetale B-Lymphozyten sind in der Lage bei intra-uterinen Infektionen IgM-Antikoumlrper zu bilden Die IgG-Antikoumlr-per des Neugeborenen sind dagegen IgG-Antikoumlrper der Mutter die uumlber einen aktiven Transportmechanismus der Plazenta auf das Neugeborenen uumlbertragen werden und ihm den so genannten Nest-schutz vor Infektionen vermitteln Der protektive Effekt von muumltter-lichen IgG-Antikoumlrpern z B gegen β-haumlmolysierende Streptokok-ken der Gruppe B oder Herpes simplex ist eindeutig belegt Dieser transplazentare Transport beginnt mit 20 Schwangerschaftswochen und fuumlhrt zu mit dem Gestationsalter zunehmenden IgG-Konzent-rationen beim Neugeborenen Fruumlhgeborene haben deshalb nur einen ungenuumlgenden Nestschutz IgA passiert die Plazenta nicht und ist beim Neugeborenen nicht nachzuweisen

gt Beim Neugeborenen nachweisbares IgM ist ein Hinweis auf eine intrauterine Infektion da muumltterliche IgM-Anti-koumlrper wegen ihrer Groumlszlige die Plazenta nicht passieren

Komplementsystem Die Serumkonzentrationen der meisten Kom-plementfaktoren und Komplementaktivitaumlt betragen beim reifen Neugeborenen nur ca 50 der Erwachsenenwerte Dadurch ist die Opsonisierung von Erregern verringert und somit die opsoninab-haumlngige Phagozytose eingeschraumlnkt

Granulozyten Das Neugeborene hat nur geringe Granulozytenre-serven im Knochenmark Die Granulozyten zeigen normales Phago-zytoseverhalten und Bakterizidie jedoch eine eingeschraumlnkte Adhauml-renz und Chemotaxis

Makrophagen Neonatale Makrophagen zeigen eine verringerte Chemotaxis und Aktivierbarkeit

T-Lymphozyten Mit 15ndash20 Schwangerschaftswochen haben Feten eine nachweisbare T-Zell-Population im peripheren Blut Diese ist allerdings in ihrer Aktivitaumlt supprimiert und zeigt eine verringerte

Tab 713 Stadien der nekrotisierenden Enterokolitis (NEC) nach Bell

Stadium 1 Ver-dacht auf NEC

Systemische Symptome und Distension des Darmes (A ohne B mit blutigen Stuumlhlen)

Stadium 2 defini-tive NEC

Zunahme der systemischen Symptome Ileus als diagnostisches Symptom Nachweis einer Pneumatosis intestinalis (A ohne B mit deut-lichen abdominellen Lokalbefunden ndash Ab-wehrspannung Bauchwandinfiltration abdominelle Resistenz Aszites)

Stadium 3 fortge-schrittene NEC

Schwere systemische Infektionssymptome sehr krankes Kind deutliche Zeichen der Peritonitis (A ohne B mit Darmperforation)

Tab 714 Funktionseinschraumlnkungen des neonatalen Immun-system

Immun-globuline

IgG von der Mutter uumlbertragen (Nestschutz)Evtl Mangel an spezifischen AntikoumlrpernIgG bei Fruumlhgeborenen deutlich vermindertIgM-Produktion bei intrauteriner Infektion moumlglich

Komple-mentsystem

Serumspiegel nur 50ndash75 des Erwachsenen

Granulo-zyten

Geringe KnochenmarksreservenVerminderte Adhaumlrenz und Chemotaxis

Makro-phagen

Verringerte Chemotaxis und Aktivierbarkeit

T-Lympho-zyten

Verringerte MitogenstimulierbarkeitVerringerte ZytokinproduktionVerringerte Faumlhigkeit B-Zellen und Makrophagen zu stimulieren

Kapitel 7 middot Neonatologie178

7

Mitogenstimulierbarkeit eine verminderte Faumlhigkeit B-Zellen und Makrophagen durch eine eingeschraumlnkte Zytokinproduktion z B von γ-Interferon zu aktivieren

7102 Nichtbakterielle konnatale Infektionen

kGrundlagenDie nichtbakteriellen Erreger konnataler Infektionen werden haumlufig unter dem Merkwort TORCH zusammengefasst 4 T Toxoplasma gondii 4 O Others (HIV Varizella-Zoster-Virus Hepatitis-B-Virus

Parvovirus-B19) 4 R Roumltelnvirus 4 C Zytomegalievirus 4 H Herpes-simplex-Virus Typ 1 und 2

kUumlbertragungDiese Erreger koumlnnen auf verschiedenen Wegen von der Mutter auf das Kind uumlbertragen werden ( Tab 715)

4 Transplazentare Infektion der Erreger im muumltterlichen Blut durchdringt die Plazentaschranke und infiziert das Kind Die Durchlaumlssigkeit der Plazentaschranke haumlngt von der Art des Erregers und vom Zeitpunkt der Gestation ab so wird die Plazenta z B mit zunehmendem Gestationsalter durchlaumlssiger fuumlr Toxoplasmen

4 Perinatale Infektion das Kind infiziert sich beim Durchtritt durch den Geburtskanal

4 Postnatale Infektion die Infektion erfolgt durch Muttermilch oder Kontakt mit infektioumlsem Material von der Mutter

kKlinikDie Symptomatik der TORCH-Infektionen reicht von der asympto-matischen Infektion bis zur toumldlichen Erkrankung ( Tab 716)

Folgende Symptome bei Geburt sind verdaumlchtig auf eine intra-uterin uumlbertragene TORCH-Infektion 4 Untergewicht 4 Mikrozephalie intrazerebrale Verkalkungen Krampfanfaumllle

(Enzephalitis) 4 Netzhautverkalkungen Mikrophthalmie (Chorioretinitis) 4 Anaumlmie Thrombozytopenie (Knochenmarkdepression) 4 Hepatomegalie Ikterus (Hepatitis)

kDiagnoseDiagnostisch stehen der direkte Erregernachweis in Urin Speichel oder anderen Koumlrpersekreten zur Verfuumlgung die Erregerausschei-dung persistiert oft uumlber Monate Die Nachweis von IgM-Antikoumlr-pern gelingt oft nicht deshalb sind Verlaufsuntersuchungen des IgG-Titers erforderlich

7103 Roumlteln

kEpidemiologieDas Risiko einer Roumltelnembryofetopathie betraumlgt 30 bei einer muumltterlichen Infektion vor der 12 Schwangerschaftswoche und 10 bei einer muumltterlichen Infektion zwischen 13 und 20 Schwanger-schaftswochen Die Haumlufigkeit der Roumltelnembryopathie hat in Deutschland durch die Impfung und die verbesserte praumlnatale Diagnostik auf 1 pro 10000 Geburten abgenommen

kPathogeneseDas Roumltelnvirus wird waumlhrend der muumltterlichen Viraumlmie trans-plazentar uumlbertragen 50 der infizierten Schwangeren sind selbst asymptomatisch Bei unbeabsichtigter Roumltelnimpfung einer Schwan-geren kann es zwar selten zu einer kindlichen Infektion kommen aber nicht zu einer Roumltelnembryopathie

kKlinikTypisch ist die Roumltelnembryopathie mit der Fehlbildungstrias In-nenohrschwerhoumlrigkeit Herzfehler (persistierender Ductus arte-riosus) und Katarakt die auch als Gregg-Syndrom bezeichnet wird Es kann aber auch zum Abort zur intrauterinen Infektion ohne Fehlbildung zu transienten neonatalen Symptomen oder zur persis-tierenden Infektion mit permanenten Organschaumlden kommen

Tab 715 Bedeutung der verschiedenen Infektionswege bei nicht-bakteriellen konnatalen Infektionen

Erreger Transplazentare Infektion

Perinatale Infektion

Postnatale Infektion

Toxoplasmose ++ ndash ndash

HIV + ++ +

Parvovirus ++ ndash ndash

Hepatitis-B-Virus + ++ +

Varicella-Zoster-Virus ++ + +

Roumlteln ++ ndash ndash

Zytomegalie ++ ++ +

Herpes simplex ndash ++ +

Tab 716 Symptome der nichtbakteriellen konnatalen Infektionen

Erreger Symptomatik

Roumlteln Embryopathie mit Trias Innenohrschwerhoumlrigkeit Herzfehler Katarakt

Zytomegalie 90 bei Geburt asymptomatisch (Spaumltschaumlden psychomotorische Retardierung Schwerhoumlrigkeit)10 bei Geburt symptomatisch (Enzephalitis Hepatitis Chorioretinitis Wachstumsretardierung)

Herpes sim-plex (Typ 2)

Generalisiert-septische Infektion oder lokalisierte Herpeslaumlsionen an Haut Auge und Mund oder isolierte Enzephalitis

Varicella Zoster

Varizellenembryopathie (Hautnarben Extremitauml-tenhypoplasie) neonatale Varizellen

Hepatitis B Hepatitis haumlufig mit chronischem Verlauf

HIV Bei Geburt meist asymptomatisch in den ersten Lebensmonaten Lymphadenopathie Gedeihstoumlrung rezidivierende Diarrhouml oder Atemwegsinfektionen

Parvovirus B19 Transiente intrauterine Anaumlmie

Toxoplas mose 90 bei Geburt asymptomatisch (Spaumltschaumlden Chorioretinits psychomotor Retardierung Hydro-zephalus)10 bei Geburt symptomatisch (Enzephalitis Hepatitis Chorioretinitis Gedeihstoumlrung)

7179710 middot Fetale und neonatale Infektionen

CaveMeningoenzephalitis Chorioretinitis Glaukom Hepatitis etc

kDiagnoseZur Diagnose tragen Anamnese und Virusnachweis in Speichel Blut oder Urin bei Die Virusausscheidung ist 1ndash3 Monate nach der Geburt am houmlchsten und kann bis zu 1 Jahr persistieren Positives Roumlteln-IgM in der Serologie persistierender oder ansteigender Roumlteln-IgG-Titer sind diagnostisch wegweisend

kDifferenzialdiagnoseZytomegalie Toxoplasmose

kTherapieBei hohem Verdacht auf eine Roumltelnembryopathie kann eine Schwangerschaftsunterbrechung erwogen werden

gt Entscheidend ist die Sicherstellung des Roumltelnimpf schutzes bei allen Maumldchen vor Eintritt der Pubertaumlt denn bei intra-uteriner Infektion ist keine spezifische Therapie moumlglich

kPrognoseDie Gesamtmortalitaumlt infizierter Neugeborener betraumlgt 10 davon 35 im 1 Lebensjahr

7104 Zytomegalie

kEpidemiologieDie Zytomegalie ist die haumlufigste nichtbakterielle konnatale Infekti-on 1 aller Neugeborenen sind bei Geburt mit dem Zytomegalie-virus infiziert 10 der infizierten Neugeborenen sind bei Geburt symptomatisch (7 Kap 154)

kPathogeneseDas Zytomegalievirus persistiert lebenslaumlnglich in Lymphozyten und anderen Koumlrperzellen ( Abb 750) Die Infektion wird in der Schwan-gerschaft haumlufig reaktiviert Bei einer Erstinfektion der Mutter in der Schwangerschaft kommt es zu einem wesentlich schwereren fetalen Krankheitsverlauf als bei transplazentarer Erregeruumlbertragung im Rahmen einer in der Schwangerschaft reaktivierten Zytomegalie-infektion Daneben ist auch eine perinatale Uumlbertragung durch infek-tioumlse Genitalsekrete und eine postnatale Uumlbertragung durch Mutter-milch oder eine Bluttransfusion moumlglich Eine postnatale CMV-Infek-tion ist vermutlich nur fuumlr sehr unreife Fruumlhgeborene problematisch sie koumlnnen von einem Sepsis-aumlhnlichen Krankheitsbild betroffen sein

kKlinik90 der intrauterin infizierten Neugeborenen sind bei Geburt asym-ptomatisch scheiden allerdings das Virus uumlber Monate im Urin Traumlnen Blut und Rachensekret aus 10 der bei Geburt symptom-freien Neugeborenen entwickeln im Verlauf Spaumltmanifestationen (Houmlrstoumlrung psychomotorische Retardierung) Die 10 bei Geburt symptomatischen Neugeborenen koumlnnen verschiedenste Organ-schaumlden aufweisen (Enzephalitis mit periventrikulaumlren Kalzifikatio-nen Mikrozephalie Taubheit Hepatitis Wachstumsretardierung Chorioretinitis petechialer Hautausschlag Thrombozytopenie) und entwickeln zu 90 bleibende Organschaumlden

kKomplikationenEntwicklung von bleibenden Organschaumlden vor allem im Gehirn ( Abb 750) Gehoumlr und am Auge durch die persistierende Infektion

kDiagnoseDurch direkten Erregernachweis (Early Antigen Virus-PCR) und Viruskultur von Urin Speichel wird die Infektion nachgewiesen IgM-Antikoumlrper sind auch bei florider Zytomegalieinfektion nicht immer nachzuweisen deshalb erfolgt die Kontrolle des IgG-Titer-verlaufs

kDifferenzialdiagnoseKonnatale Roumlteln Toxoplasmose bakterielle Sepsis

kTherapieEine mehrwoumlchige Behandlung mit Ganciclovir scheint den Grad der Schwerhoumlrigkeit und moumlglicherweise auch der neurologischen Schaumldigung guumlnstig zu beeinflussen

gt Die konnatale Zytomegalieinfektion ist eine fuumlhrende Ursache von geistiger Behinderung und Schwerhoumlrigkeit

7105 Herpes simplex

kEpidemiologieDie Haumlufigkeit der konnatalen Herpes-simplex-Infektion betraumlgt 1 auf 7500 Neugeborene In 85 der Faumllle wird sie durch den Virustyp 2 (Herpes genitalis) verursacht (7 Kap 151)

kPathogenese90 der Infektionen finden perinatal beim Durchtritt durch den Geburtskanal statt Das Uumlbertragungsrisiko ist bei einer primaumlren Herpes-genitalis-Infektion der Mutter 10-mal houmlher (50) als bei einer rekurrierenden muumltterlichen Infektion Die Herpes-simplex-Typ-1-Infektion (Herpes labialis) beim Neugeborenen wird meist postnatal durch Kontakt mit infektioumlsem Sekret uumlbertragen

kKlinikBei der peri- oder postnatalen Infektion kann es zu einer generali-sierten Infektion kommen zur einer auf Haut Augen und Mund beschraumlnkten Infektion oder zur Enzephalitis Die generalisierte Infektion hat unspezifische Symptome wie bei einer Sepsis (Apnoen Lethargie oder Hepatosplenomegalie) Hauteffloreszenzen kommen nur bei 70ndash80 der Neugeborenen mit HSV-Sepsis vor Die lokali-sierte Infektion zeigt Herpeslaumlsionen auf der Haut Keratokonjunk-

Abb 750 Typische im Nierenparenchym gelegene Riesenzellen die aus Virusaggregaten bestehende Zelleinschlusskoumlrperchen (sog Eulenaugen-zellen) enthalten

Kapitel 7 middot Neonatologie180

7

tivitis und Chorioretinitis Die isolierte Enzephalitis manifestiert sich mit Fieber Irritabilitaumlt Lethargie Koma fokalen und generali-sierten Krampfanfaumlllen und gespannter Fontanelle Hautlaumlsionen sind dabei selten Im CT findet man typischerweise fokale Laumlsionen im Temporallappen

kKomplikationenSchock disseminierte intravasale Koagulopathie

kDiagnoseZur Diagnose fuumlhren die charakteristischen Hauteffloreszenzen sowie der Virusnachweis aus Blaumlscheninhalt und Blut (Nachweis von HSV-Antigen und HSV-DNA) Bei der Enzephalitis laumlsst sich das Virus in 25ndash40 der Faumllle im Liquor nachweisen Die Serologie ist in der Regel nicht hilfreich

kDifferenzialdiagnoseToxoplasmose Zytomegalie Roumlteln intrakranielle Blutung Sepsis

kTherapieBei primaumlrer Herpes-genitalis-Infektion der Mutter zum Zeitpunkt der Geburt sollte die Entbindung per Kaiserschnitt durchgefuumlhrt werden um das Infektionsrisiko zu reduzieren Beim geringsten klinischen Verdacht auf eine neonatale Herpesinfektion sollte eine antivirale Therapie mit Aciclovir begonnen werden Die fruumlh ein-setzende antivirale Therapie verbessert die Prognose und eine Gene-ralisierung kann verhindert werden

kPrognoseBei einer generalisierten Infektion betraumlgt die Letatlitaumlt 60 Uumlber-lebende haben meist schwere neurologische und okulaumlre Schaumlden

7106 Varizella-Zoster-Virus

kEpidemiologieDie Inzidenz muumltterlicher Windpocken in der Schwangerschaft betraumlgt nur 1ndash510000 Schwangerschaften Bei muumltterlichen Wind-pocken in der Schwangerschaft werden 25 der Feten infiziert

kPathogeneseDie fruumlhe transplanzentare Infektion fuumlhrt zur Varizellenembryo-pathie die spaumlte transplazentare Infektion in den letzten 3 Schwan-gerschaftswochen zu neonatalen Windpocken

kKlinikDie Varizellenembryopathie geht mit Enzephalitis Chorioretinitis Hypoplasie von Gliedmaszligen und dermatombezogenen Hautnarben einher Neonatale Windpocken verlaufen je nach Infektionszeit-punkt unterschiedlich schwer 4 Auftreten der muumltterlichen Windpocken 5ndash21 Tage vor der

Geburt Die Infektion erfolgt transplazentar Die Inkubations-zeit nach transplazentarer Infektion ist kuumlrzer (10 statt 14 Tage) als nach Infektion uumlber den Nasopharynx Das Neugeborene zeigt innerhalb weniger Tage nach Geburt in der Regel milde Symptome da es auch muumltterliche Antikoumlrper uumlber die Plazenta bekommt

4 Auftreten der muumltterlichen Windpocken 4 Tage vor dem Ent-bindungstermin bis 2 Tage nach Geburt Das Neugeborenes wird 5ndash10 Tage post partum symptomatisch Die Erkrankung kann in 20 der Faumllle schwer verlaufen mit sich rasch aus-breitendem haumlmorrhagischem Exanthem Pneumonie Enzephalitis und Tod da das Neugeborene keine muumltterlichen Antikoumlrper mehr erhalten hat

4 Postnatale Infektion Wird ein NeugeborenesSaumlugling postnatal uumlber den Nasopharynx infiziert hat es kein houmlheres Erkrankungsrisiko als aumlltere Kinder

kKomplikationenNach neonatalen oder postnatalen Windpocken tritt in den ersten 10 Lebensjahren haumlufig ein Zoster auf

kDiagnoseAnamnese und Nachweis des typischen Exanthems Virusisolie-rung aus Effloreszenzen und Serologie ermoumlglichen die Diagnose-stellung

kDifferenzialdiagnoseKonnatale Herpes-simplex-Virus-Infektion

kTherapieBei muumltterlichen Varizellen kurz vor dem Entbindungstermin erhaumllt die Mutter sofort und das Kind nach der Geburt ein Varizellen- Hyperimmunglobulin auszligerdem werden beide mit Aciclovir be-handelt

kPrognoseDie Letalitaumlt der Varizellenembryopathie betraumlgt 47

7107 Weitere konnatale Virusinfektionen

Hepatitis B kEpidemiologie

1 der Schwangeren sind HBs-Antigen positiv und etwa 6 ihrer Neugeborenen werden infiziert Ist die Mutter HBs- und HBe-Anti-gen positiv verzehnfacht sich das Infektionsrisiko fuumlr den Feten 20ndash30 der infizierten Neugeborenen werden zu chronischen He-patitis-B-Traumlgern

kPathogeneseDie Uumlbertragung des Hepatitis-B-Virus erfolgt perinatal

Abb 751 Periventrikulaumlre Echogenitaumltsvermehrung und Hydrozephalus im zerebralen Ultraschall als Ausdruck einer VentrikulitisEnzephalitis bei neonataler Zytomegalieinfektion

7181710 middot Fetale und neonatale Infektionen

kDiagnoseDer Nachweis von HBs-Antigen bei der Mutter erfolgt im Rahmen der Schwangerenvorsorge

kTherapieDurch die unmittelbar postnatal durchgefuumlhrte aktive und passive Immunisierung des Neugeborenen gegen Hepatitis B lassen sich 80 der neonatalen Infektionen verhindern

HIV-Infektion kPathogenese

Der wichtigste Infektionsmodus ist die perinatale Infektion jedoch kann die Infektion auch transplazentar oder postnatal z B durch Muttermilch erfolgen

kKlinikDie Neugeborenen sind bei Geburt meist symptomfrei In den ersten Lebensmonaten entwickeln sich Symptome wie Mikrozephalie psychomotorische Retardierung Gedeihstoumlrung persistierende Candidainfektionen oder Diarrhouml Lymphadenopathie oder rezidi-vierende Atemwegsinfektionen

kDiagnoseDie Diagnose der HIV-Infektion beim Neugeborenen oder Saumlugling kann nur durch HIV-PCR oder Viruskultur gefuumlhrt werden

CaveDer Nachweis von HIV-Antikoumlrpern beim Neugeborenen ist nicht beweisend fuumlr eine HIV-Infektion da es sich um muumltterliche Leihantikoumlrper handeln kann

kTherapieDurch die antiretrovirale Behandlung der Mutter ab 34 Schwanger-schaftswochen die Kaiserschnittentbindung mit 38 Schwanger-schaftswochen und die sofortige postnatale Azidothymidinbehand-lung des Neugeborenen konnte die Rate der perinatalen Infektionen auf unter 2 gesenkt werden HIV-infizierte Muumltter sollen nicht stillen

Parvovirus-B19-Infektion kPathogenese

Parvovirus B19 wird transplazentar uumlbertragen Bei der Mutter ver-laumluft die Infektion haumlufig subklinisch und nicht mit dem fuumlr den Parvovirus B19 typischen Exanthem der Ringelroumlteln

kKlinikBeim Feten fuumlhrt die Infektion zu einer transienten Depression der Erythropoese und zur Entwicklung einer intrauterinen Anaumlmie die so ausgepraumlgt sein kann dass sich ein Hydrops fetalis entwickelt

kDiagnoseParvovirus-B19-Serologie bei der Mutter positives IgM beim Kind

kTherapieBei nachgewiesener muumltterlicher Infektion engmaschige Ultra-schallkontrolle des Feten Bei drohendem Hydrops fetalis Bestim-mung des fetalen Haumlmatokrits und intrauterine Transfusion Nach erfolgreicher intrauteriner Behandlung ist die Prognose der Kinder als gut anzusehen

7108 Toxoplasmose

kEpidemiologieDie Haumlufigkeit der konnatalen Toxoplasmose betraumlgt 3ndash6 auf 1000 Lebendgeborene (7 Kap 177)

kPathogeneseDie Erstinfektion fuumlhrt beim Erwachsenen zu grippalen Symptomen mit Lymphknotenschwellungen Bei einer Erstinfektion in der Schwangerschaft kommt es in ca 50 der Faumllle zu einer Infektion des Feten Dabei uumlberwindet der Erreger die Planzenta im 3 Trime-non leichter als im 2 Trimenon die Erkrankung verlaumluft allerdings bei Infektion im 3 Trimenon wesentlich leichter

kKlinik10 der infizierten Feten entwickeln eine symptomatische ge-neralisierte Infektion mit Enzephalitis Hepatitis Chorioretinitis ( Abb 752) Pneumonie und Myokarditis 90 haben primaumlr einen subklinischen Krankheitsverlauf und werden asymptomatisch ge-boren

kKomplikationenRezidivierende Chorioretinitis

kDiagnoseIm Vordergrund steht die serologische Diagnostik In 70 der Faumllle gelingt ein Nachweis von IgM-Antikoumlrpern Antigennachweise sind in Erprobung

kDifferenzialdiagnoseZytomegalie Roumlteln

kTherapieBei muumltterlicher Erstinfektion in der Schwangerschaft wird die Mutter mit Spiramycin Sulfonamiden und Pyrimethamin be-handelt Dieselbe Therapie wird postnatal einem infizierten Neuge-borenen verabreicht

kPrognoseEin Teil der asymptomatischen Neugeborenen entwickelt postenze-phalitische Spaumltschaumlden (intrazerebrale Verkalkungen Hydroze-

Abb 752 Chorioretinitis bei konnataler Toxoplasmose

Kapitel 7 middot Neonatologie182

7

phalus und Chorioretinitis) Kinder mit angeborener Toxoplasmose sollten bis zum 10 Lebensjahr in regelmaumlszligigen Abstaumlnden ophtal-mologisch und neurologisch untersucht werden

7109 Neugeborenensepsis

kDefinitionDie neonatale Sepsis stellt nach wie vor eines der Hauptprobleme der Neugeborenenmedizin dar sie ist eine disseminierte mikrobielle Erkrankung die durch die klinischen Symptome einer systemischen Infektion und die Septikaumlmie d h den kulturellen Nachweis patho-gener Erreger in der Blutkultur charakterisiert ist Im Rahmen des septischen Schocks kann sich ein Multiorganversagen ausbilden

kEpidemiologieIn Westeuropa und den USA erkranken 1ndash4 Neugeborene1000 Le-bendgeboreneJahr an einer neonatalen Sepsis 10ndash25 der Patien-ten versterben an den Komplikationen dieser oftmals foudroyant verlaufenden Infektion bis zu frac14 der Kinder entwickeln als Folge einer zu spaumlt diagnostizierten Sepsis eine eitrige Meningitis Diese Komplikation tritt in Deutschland inzwischen bei weniger als 10 der Fruumlh- und Neugeborenen auf Besonders kritisch ist die Situation auf neonatologischen Intensivstationen hier kann bei 25 der Kindern im Verlauf der Intensivtherapie eine Sepsis nachgewiesen werden Wie eine Reihe von epidemiologischen Untersuchungen belegen hat die Inzidenz der neonatalen Sepsis in den letzten 20 Jah-ren zugenommen

kVerlaufDie neonatale Sepsis manifestiert sich in 2 Verlaufsformen 4 fruumlheinsetzende Form (Fruumlhsepsis) 4 spaumlteinsetzende Form (Spaumltsepsis)

Die fruumlheinsetzende Form zeichnet sich durch den Krankheitsbeginn in den ersten Lebenstagen das typische Erregerspektrum (s unten) und die fulminante Verlaufsform aus Haumlufig entwickelt sich die sys-temische Infektion auf dem Boden einer neonatalen Pneumonie Bei vielen Kindern sind geburtshilfliche Risikofaktoren vorhanden

Die spaumlteinsetzende Form tritt in der Regel nach dem 5 Le-benstag auf der klinische Verlauf kann entweder foudroyant oder langsamer fortschreitend sein die Neugeborenen erkranken haumlufig an einer Meningitis Die Erreger stammen haumlufig aus dem postnata-len Umfeld Besonders intensivmedizinisch behandelte Fruumlh- und Neugeborene sind gefaumlhrdet an einer spaumlteinsetzenden nosoko-mialen Sepsis zu erkranken

kPathogenese RisikofaktorenDie geburtshilflichen Risikofaktoren der fruumlheinsetzenden Sepsis sind 4 vorzeitiger Blasensprung 4 Amnioninfektionssyndrom 4 Fieber Bakteriaumlmie der Mutter 4 Fruumlhgeburtlichkeit

Durch vorzeitigen Blasensprung Aszension vaginaler Erreger (as-zendierende Infektion) oder im Rahmen einer muumltterlichen Bakte-riaumlmie (deszendierende Infektion) kann das Neugeborene bereits in utero infiziert werden und manifest erkranken ( Abb 753)

Bei einer muumltterlichen vaginalen und rektalen Kolonisierung mit pathogenen Erregern kann ein Neugeborenes daruumlber hinaus auf dem Geburtsweg infiziert werden Bis zu 30 der amerikanischen und westeuropaumlischen Schwangeren weisen eine vaginale Besiedlung mit β-haumlmolysierenden Streptokokken der Gruppe B auf maximal 50 mit pathogenen E coli Nach einer vaginalen Geburt sind bis zu 70 der Neugeborenen mit diesen pathogenen Bakterien auf Haut- und Schleimhaumluten kolonisiert Das Ausmaszlig der Besiedlung erhoumlht das Risiko an einer Sepsis zu erkranken Man kann davon ausgehen dass ca 1 von 100 Neugeborenen die mit β-haumlmolysierenden Strep-tokokken der Gruppe B besiedelt sind an einer Sepsis erkrankt

Eine Gruppe von Risikopatienten ist in einem hohen Maszlig gefaumlhrdet eine nosokomiale Sepsis zu akquirieren intensivmedizi-nisch behandelte Fruumlh- und Neugeborene Die gut belegten Risiko-faktoren sind in Tab 717 zusammengefasst

gt Eine Uumlbertragung von pathogenen Erregern erfolgt uumlber-wiegend durch unzureichende Handwaschpraktiken der betreuenden Schwestern und Aumlrzte

Abb 753 Prauml- und postnatale Infektionswege der neonatalen Sepsis

7183710 middot Fetale und neonatale Infektionen

In einzelnen amerikanischen Intensivstationen wurden bei 15 aller Hochrisikofruumlhgeborenen systemische Infektionen mit Candida spp diagnostiziert In Tab 718 sind die wesentlichen Erreger der neonatalen Sepsis zusammengefasst

kKlinikDie klinische Symptomatik der Neugeborenensepsis ist uncharak-teristisch und variabel bleiben die oftmals diskreten klinischen Zeichen unerkannt so kann sich innerhalb kurzer Zeit das Vollbild des septischen Schocks entwickeln Einer der wichtigsten Hinwei-se ist das von einer erfahrenen Kinderkrankenschwester registrierte raquoschlechte Aussehenlaquo des Neugeborenen Neben Stoumlrungen der Temperaturregulation und der Atmungsfunktion werden gastro-intestinale Symptome beobachtet Phasenweise nachweisbare Veraumlnderungen des Hautkolorits weisen auf die im Rahmen der Bakteriaumlmie auftretende Mikrozirkulationsstoumlrung hin Daneben koumlnnen Hyperexzitabilitaumlt Hypotonie Apathie und zerebrale Krampfanfaumllle auftreten Petechien verstaumlrkte Blutungsneigung Hypotension und septischer Schock entwickeln sich im Verlauf der Erkrankung

Wesentliche Symptome der neonatalen Sepsis 4 Temperaturinstabilitaumlt Hyper- Hypothermie 4 Atemstoumlrungen Tachypnoe Dyspnoe Apnoe 4 Gastrointestinale Symptome Trinkschwaumlche

Erbrechen abdominelle Distension

4 Zirkulatorische Insuffizienz periphere Mikrozirkulati-onsstoumlrungen Blaumlsse grau-marmoriertes Hautkolorit septischer Schock Multiorganversagen disseminierte intravasale Gerinnung

4 Neurologische Stoumlrungen Hyperexzitabilitaumlt Lethargie Krampfanfaumllle

Bei klinischen Warnzeichen muss solange der Verdacht auf eine neo-natale Sepsis bestehen bis das Gegenteil bewiesen ist also eine In-fektion ausgeschlossen oder eine andere Ursache fuumlr die Verschlech-terung des kindlichen Zustandes gefunden wurde

gt Der Verlauf der Neugeborenensepsis wird entscheidend vom Zeitpunkt der Diagnose bzw des Behandlungsbe-ginns beeinflusst

kErregernachweisMit Blutkulturen (aerob anaerob) gegebenenfalls Liquorkulturen Urinstatus und -kultur Haut- und Schleimhautabstrichen sowie Un-tersuchung von Magensekret erfolgt der Erregernachweis Bei jedem isolierten Erreger ist eine Resistenztestung durchzufuumlhren

kLabordiagnostikVerschiedene Entzuumlndungsparameter koumlnnen als Warnzeichen einer neonatalen Infektion angesehen werden und zur Fruumlherken-nung der neonatalen Sepsis beitragen

Tab 717 Risikofaktoren der nosokomialen Sepsis

Intensivmedizinische Maszlignahmen

Endotracheale IntubationMaschinelle BeatmungZentrale Katheter Lipidinfusionen

Mangelhafte Stationshygiene

Unzureichende HandwaschpraktikenUumlberbelegung der IntensivstationPersonelle Unterbesetzung

Kontamination InkubatorenWaschbeckenAndere Gegenstaumlnde

Tab 718 Wesentliche Erreger der fruumlh oder spaumlt einsetzenden neonatalen Sepsis

Fruumlheinsetzende Sepsis Spaumlteinsetzende Sepsis

Streptokokken Gruppe BEscherichia coliStaphylococcus aureusListeria monocytogenesEnterokokken u a

Escherichia coliStaphylococcus epidermidisKlebsiella-Enterobacter-SpeziesPseudomonas aeruginosaProteus-SpeziesStreptokokken Gruppe BCandida albicans u a

Exkurs

Erregerspektrum der Neugeborenensepsis

Eines der faszinierenden aber immer noch nicht geklaumlrten Phaumlnomene neonataler In-fektionen ist ein von Zeit zu Zeit auftretender Wechsel im bakteriologischen SpektrumSo wurden in den USA in den 1930er-Jahren β-haumlmolysierende Streptokokken der Grup-pe A als haumlufigste Erreger der neonatalen Sepsis identifiziert In den naumlchsten Dekaden folgten Escherichia coli Staphylococcus aureus erneut E coli und schlieszliglich in den 1970er-Jahren β-haumlmolysierende Streptokok-ken der Gruppe B Das Verschwinden von haumlmolysierenden Streptokokken der Gruppe A sowie von Staph aureus in der vorantibioti-

schen Aumlra kann nicht auf medizinische oder hygienische Maszlignahmen zuruumlckgefuumlhrt werden Das Auftreten von Streptokokken der Gruppe B faumlllt in eine Periode in der Penicillin zum meist verwendeten Antibiotikum wurde bis heute haben diese Erreger ihr Resistenz-verhalten nicht veraumlndertIn Deutschland wurden β-haumlmolysierende Streptokokken der Gruppe B erstmals Ende der 70er-Jahre beobachtet sie sind inzwischen in den meisten Regionen die haumlufigsten Er-reger der neonatalen Sepsis Weiterhin sind E coli Listerien Enterokokken und Staph aureus typische Erreger der Fruumlhsepsis

Es gilt jedoch festzustellen dass nicht nur zwischen geographisch definierten Regionen sondern auch zwischen einzelnen Hospitaumllern mit unterschiedlichen Infektionserregern zu rechnen ist In vielen neonatologischen Zent-ren wird Staph epidermidis als haumlufigster Er-reger von spaumlteinsetzenden nosokomialen In-fektionen isoliert dieser Erreger fuumlhrt daruumlber hinaus immer wieder zu raquoAusbruumlchenlaquo von Hospitalinfektionen Daneben spielen Klebsiel-la- Enterobacter- und Pseudomonas-Spezies Staph aureus und andere pathogene Mikroor-ganismen eine unveraumlnderte Rolle als gefuumlrch-tete Erreger einer nosokomialen Spaumltsepsis

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Kapitel 7 middot Neonatologie184

7

Fruumlherkennung und Warnzeichen neonataler Infektionen 4 Geburtshilfliche Risikofaktoren 4 Klinische Zeichen 4 Entzuumlndungsparameter

ndash Leukozytose (Gesamtzahl aller neutrophiler Granulozyten)

ndash IT-Quotient ndash CRP ndash Interleukin-6 u a

4 Erregernachweis

Zu diesen Entzuumlndungsindikatoren gehoumlren die Gesamtzahl der Leukozyten am 1 Lebenstag (lt10000 Leukozytenμl) die Gesamt-zahl aller neutrophilen Granulozyten sowie der unreifen Granulo-zyten sowie der IT-Quotient (ImmatureTotal neutrophils d h Gesamtzahl aller unreifen GranulozytenGesamtzahl aller Granulo-zyten gt02) Eine Thrombozytopenie tritt bei ca 30 der Neugebo-renen mit neonataler Sepsis im Verlauf der Infektion auf

Auch erhoumlhte Konzentrationen des C-reaktiven Proteins (CRP) und des Interleukin-6 (IL-6) weisen auf eine Infektion hin Die Sensitivitaumlt und Spezifitaumlt dieser Entzuumlndungszeichen wird von verschiedensten internationalen Arbeitsgruppen unterschiedlich beurteilt Die Wertigkeit der verschiedenen Infektionszeichen als so genannte raquoFruumlherkennungsparameterlaquo sollte auf keinen Fall uumlber-schaumltzt werden

Der Stellenwert der einzelnen Parameter wird am ehesten deut-lich wenn man sich die Sequenz des Entzuumlndungsgeschehens vor Augen fuumlhrt ( Abb 754) Nach Keiminvasion werden mit einer kurzen Latenz neutrophile Granulozyten rekrutiert die moumlglicher-weise im Verlauf des initialen Abwehrgeschehens bereits verbraucht werden ndash die Patienten entwickeln eine Neutrozytopenie ndash oder aber es werden vermehrt unreife und reife Granulozyten aus dem Kno-chenmark freigesetzt Erst im Rahmen der Makrophagenaktivierung werden der Tumornekrosefaktor Interleukin-1 und Interleukin-6 sezerniert diese immunologischen Hormone (Zytokine) stimulie-ren die Synthese des CRP in der Leber sie lassen sich relativ fruumlh und zum Teil nur innerhalb eines kurzen Zeitfensters sicher identifizie-ren Mit einem Konzentrationsanstieg dieses Akutphaseproteins ist

erst 4ndash6 h nach Keiminvasion oder lokaler Inflammation zu rech-nen Das CRP ist allerdings als idealer Verlaufsparameter einer neo-natalen Infektion anzusehen

kDifferenzialdiagnoseVerschiedene Erkrankungen Fruumlh- und Neugeborener koumlnnen sich unter nahezu identischer Symptomatologie manifestieren wie die neonatale Sepsis Bei Fruumlhgeborenen kann eine Infektion mit Strep-tokokken der Gruppe B unter dem Bild eines Atemnotsyndroms verlaufen Weitere Erkrankungen akute pulmonale Erkrankungen des Neugeborenen persistierende fetale Zirkulation Hyperviskosi-taumltssyndrom kardiale Erkrankungen nekrotisierende Enterokolitis zerebrale Blutungen metabolische Stoumlrungen intrauterine Infektio-nen u a

kTherapieNach Durchfuumlhrung der Sepsisdiagnostik ist unverzuumlglich eine int-ravenoumlse antibiotische Therapie durchzufuumlhren

Antibiotische Therapie Bei der Fruumlhsepsis wird von vielen klini-schen Gruppen an einer Kombinationsbehandlung mit Ampicillin und einem Aminoglykosid (z B Gentamicin) festgehalten alter-nativ wird eine empirische Therapie mit Ampicillin und einem Cephalosporin der 3 Generation (z B Cefotaxim) praktiziert Beide Therapiestrategien wurden von der raquoAmerican Academy of Pediatricslaquo empfohlen Der Hauptgrund fuumlr die Gabe von Ampicillin ist die unzulaumlngliche Aktivitaumlt der Cephalosporine gegen Listeria monocytogenes und Enterokokken Bei Verdacht auf eine Staphylo-kokkeninfektion muss die verwendete Kombination um ein gegen Staphylokokken wirksames Mittel erweitert werden Bestehen durch bakteriologische Untersuchungen der Mutter Hinweise auf einen seltenen Erreger der Fruumlhsepsis (Klebsiella Pseudomonas Serratia etc) sollte eine Kombinationstherapie mit einem Cephalosporin und einem Aminoglykosid gewaumlhlt werden Nach Vorliegen der bakteriologischen Resistenztestung (Blut- Liquorkulturen) wer-den die Patienten meist in einer Zweierkombination weiterbe-handelt

Vor einigen Jahren wurde im Rahmen einer Standardtherapie mit Cefotaxim eine rasche Selektion von cefotaximresistenten En-terobacter-Spezies (Enterobacter cloacae) nachgewiesen diese Erreger waren auch gegen neuere Cephalosporine resistent

gt Eine Anwendung von Cephalosporinen sollte daher nur unter strenger Indikationsstellung erfolgen

Bei Staph-epidermidis-Sepsis kann eine Vancomycintherapie erfor-derlich sein Infektionen mit Anaerobiern werden mit Metronidazol und Infektionen mit Candida spp bzw Aspergillus spp mit 5ndashFluo-rocytosin und Amphotericin B behandelt

Die Behandlungsdauer fuumlr eine neonatale Sepsis ohne Menin-gitis oder andere schwere Begleitinfektionen betraumlgt in der Regel 10ndash14 Tage

Supportivtherapie Eine optimale Supportivtherapie saumlmtlicher im Verlauf der Sepsis auftretender Funktionsstoumlrungen von Organsys-temen (Herz-Kreislauf Atmung Saumlure-Basen-Haushalt Gerinnung u a) ist eine wesentliche Voraussetzung in der Behandlung dieser lebensbedrohlichen Erkrankung

Ein Therapiekonzept sollte sich immer nach dem lokalen Erre-gerspektrum richten Daher ist es sinnvoll durch regelmaumlszligige bak-teriologische Untersuchungen von Patienten und Gegenstaumlnden der neonatalen Intensivstation Aumlnderungen im Resistenzverhalten von Problemkeimen fruumlhzeitig zu erfassen

Abb 754 Hypothetische Sequenz des Entzuumlndungsgeschehens im Ver-lauf einer Sepsis die Zytokine TNF-α IL-1 und IL-6 stimulieren die Synthese von CRP in der Leber

7185710 middot Fetale und neonatale Infektionen

kProphylaxeEine Immunprophylaxe gegen das breite Erregerspektrum der neo-natalen Sepsis existiert nicht Die Entwicklung eines speziellen Impf-stoffes gegen Streptokokken der Gruppe B duumlrfte erst in einigen Jahren gelingen

Einen weiteren praumlventiven Ansatz stellt die sog Chemoprophy-laxe dar Schwangere die vaginal und zervikal mit B-Streptokokken besiedelt sind zusaumltzlich vorzeitige Wehen undoder einen vorzeiti-gen Blasensprung von gt12 h haben erhielten eine selektive intrapar-tale Chemoprophylaxe mit Penicillin Durch diese Maszlignahme konnte die Kolonisierung Neugeborener und die Sepsisinzidenz durch Streptokokken der Gruppe B eindeutig gesenkt werden Aller-dings ist diese Maszlignahme nur dann wirksam wenn die antibiotische Prophylaxe mindestens gt4 h praumlpartal verabreicht wird

Seit 1996 wird in den USA ein generelles Screening bei allen Schwangeren in der 35ndash37 Gestationswoche durchgefuumlhrt um eine maternale Kolonisierung mit B-Streptokokken zum Zeitpunkt der Geburt zu erfassen Trotz der erheblichen Kosten und der potenziel-len Risiken einer Penicillinallergie erhalten alle Schwangeren prauml-partal eine Penicillingabe Durch diese Strategie konnte eine fruumlh einsetzende neonatale Sepsis mit B-Streptokokken wirksamer ver-hindert werden als durch eine Identifizierung Schwangerer mit be-kannten Risikofaktoren Bis zu 60 aller reifen Neugeborenen mit B-Streptokokkenerkrankungen hatten symptomfreie Muumltter die keinen Risikofaktor aufwiesen Durch die Screeningstrategie koumlnnen bis zu 70 aller fruumlh einsetzenden Septikaumlmien mit B-Streptokok-ken verhindert werden

71010 Meningitis

kDefinitionDie neonatale MeningitisMeningoenzephalitis ist eine mikrobielle Infektion der Hirnhaumlute des Gehirns und haumlufig auch der Ventrikel sie wird durch die typischen Erreger neonataler Infektionen ver-ursacht

kEpidemiologieDie Inzidenz der neonatalen Meningitis hat in den letzten 10 Jahren abgenommen vermutlich haben die verbesserte Perinatalver-sorgung und Fruumlherfassung neonataler Infektionen sowie die recht-zeitige antibiotische Behandlung zu diesem Ruumlckgang beigetragen Die durchschnittliche Erkrankungsrate liegt zwischen 01ndash04 pro 1000 Lebendgeborene

kAumltiologieIn Mitteleuropa und in Nordamerika werden bis zu 23 aller neona-talen Meningitiden durch Streptokokken der Gruppe B und E coli verursacht Fuumlr die in den ersten Lebenstagen auftretende Strepto-kokkenmeningitis sind uumlberwiegend die Serotypen I und II verant-wortlich sie stammen aus der muumltterlichen Vaginal- und Rektal-flora Bei der Spaumltform der Streptokokkenmeningitis wird der Serotyp III isoliert Die verantwortlichen E coli besitzen ein Kapsel-polysaccharidantigen K1 das die Virulenz der Erreger erhoumlht (Eli-mination der Bakterien nur bei kompletter Opsonierung)

In einzelnen Regionen werden gehaumluft Listerien (L monocyto-genes) als Meningitiserreger identifiziert Eine nosokomiale Menin-gitis wird in Abhaumlngigkeit vom lokalen Erregerspektrum am haumlu-figsten durch Klebsiella- und Enterobacter-Spezies Pseudomonas aeruginosa u a hervorgerufen Bei intensivmedizinisch behandel-ten Fruumlhgeborenen die an einer unklaren systemischen Infektion erkrankt sind muss immer an eine Candida-Meningitis gedacht

werden Wenn auch selten so koumlnnen doch die typischen Erreger der eitrigen Hirnhautentzuumlndung im Kindesalter eine neonatale Menin-gitis verursachen

kPathogenese RisikofaktorenDie bekannten geburtshilflichen praumlnatalen und postnatalen Risiko-faktoren der neonatalen Sepsis lassen sich uneingeschraumlnkt bei der Meningitis Neugeborener nachweisen Eine Meningitis entwickelt sich haumlufig als Folge einer zu spaumlt diagnostizierten Sepsis Ausgangs-punkte fuumlr die haumlmatogene Streuung sind Pneumonien Hautin-fektionen infizierter Nabel Harnwegsinfektionen Otitis media etc

gt Neugeborene mit Liquorshuntsystemen sind besonders gefaumlhrdet uumlber eine Bakteriaumlmie eine Ventilinfektion zu entwickeln der haumlufigste Erreger ist Staph epidermidis

kKlinikDie klinischen Zeichen der neonatalen Meningitis sind unspezifisch und in der Regel nicht von den Symptomen der Neugeborenensepsis zu unterscheiden Als zusaumltzliche Symptome koumlnnen Beruumlhrungs-empfindlichkeit spaumlrliche Spontanbewegungen und schrilles Schreien hinzukommen Eine gespannte Fontanelle die opistho-tone Koumlrperhaltung oder gar Nackensteifigkeit treten insgesamt selten und erst im fortgeschrittenen Stadium der Meningitis auf Krampfanfaumllle werden bei ca 15 der erkrankten Neugeborenen beobachtet

kDiagnoseAufgrund der uncharakteristischen Symptomatologie sollte bei je-dem Patienten bei dem eine neonatale Sepsis zu vermuten ist eine Liquoruntersuchung erfolgen Bei ausgepraumlgter Instabilitaumlt der Kinder kann man jedoch gezwungen sein die erforderliche Lumbal-punktion erst nach Therapiebeginn durchzufuumlhren Die Besonder-heiten der Liquordiagnostik im Neugeborenenalter sind an anderer Stelle ausgefuumlhrt Repetitive Sonographien und eventuell MRT- Untersuchungen sind zur Erfassung von Komplikationen durchzu-fuumlhren

kTherapieDie Prognose der neonatalen Meningitis wird entscheidend vom Therapiebeginn und der Wahl der Antibiotika bestimmt die anti-biotische Behandlung muss sich gegen das besondere Spektrum der zu vermutenden Erreger neonataler Infektionen richten (s neonata-le Sepsis) Eine zuverlaumlssige Liquorgaumlngigkeit sowie eine ausreichen-de Dosierung der Antibiotika ist unbedingt zu beachten die Dosie-rung der verschiedenen Praumlparate liegt in der Regel houmlher als bei der neonatalen Sepsis

kPrognoseDie Prognose der neonatalen Meningitis ist trotz aller Behandlungs-fortschritte immer noch als ernst anzusehen Die Letalitaumlt betraumlgt 20ndash50 Akute Komplikationen sind ein kommunizierender oder nicht-kommunizierender Hydrozephalus subdurale Effusionen Taubheit und Blindheit ( Abb 755) Bis zu 70 aller Patienten mit E-coli-Meningitis entwickeln eine Ventrikulitis Selten werden Hirnabszesse beobachtet sie treten u a bei Infektionen mit Citro-bacter diversus Proteus mirabilis und Enterobacter-Spezies auf

Schwere neurologische Spaumltschaumlden (Zerebralparesen An-fallsleiden mentale Retardierung Taubheit Blindheit) sind bei un-gefaumlhr 10 der Patienten nachweisbar ein Viertel aller erkrankter Kinder weist leichte bis mittelschwere neurologische und psycho-mentale Beeintraumlchtigungen auf Uumlber den Effekt einer im akuten

Kapitel 7 middot Neonatologie186

7

Erkrankungsstadium durchgefuumlhrten Dexamethasontherapie auf die Komplikationsrate der neonatalen Meningitis liegen zurzeit noch keine Ergebnisse vor Aspekte zur Prophylaxe der neonatalen Meningitis sind im Kapitel raquoneonatale Sepsislaquo abgehandelt

71011 Osteomyelitis und septische Arthritis

kEpidemiologie AumltiologieDie Osteomyelitis und bakterielle Arthritis sind seltene Erkrankun-gen im Neugeborenenalter verlaumlssliche Angaben zur Inzidenz liegen nicht vor Staphylococcus aureus wird bei bis zu 8 der Patienten mit Osteomyelitis als kausaler Erreger identifiziert Daneben werden Streptokokken der Gruppen A und B Staph epidermidis und Strep-tococcus pneumoniae sowie eine Reihe gramnegativer Erreger nach-gewiesen Besonders bei der septischen Arthritis lassen sich neben Staph aureus auch E coli Klebsiella- und Enterobacter-Spezies Pseudomonas Salmonellen Serratia Neisseria gonorrhoeae und auch Candida albicans isolieren

kPathogeneseAufgrund der besonderen ossaumlren Gefaumlszligversorgung bei Neugebore-nen und Saumluglingen treten Osteomyelitis und septische Arthritis haumlufig zusammen auf Diaphyse Metaphyse und Epiphyse werden uumlber gemeinsame Arterien versorgt Als Konsequenz koumlnnen sich Erreger die in die Metaphyse der langen Roumlhrenknochen gelangt sind uumlber diese Gefaumlszligverbindungen zur Epiphyse ausbreiten und das Gelenk in das Infektionsgeschehen einbeziehen Erst gegen Ende des ersten Lebensjahres werden diese Gefaumlszligverbindungen und somit die ungehinderte Infektionsausbreitung unterbrochen

Die meisten Osteomyelitiden treten haumlmatogen auf systemi-sche bakterielle Infektionen koumlnnen ebenso wie lokale Infektionen (Pyodermie Omphalitis Mastitis u a) oder infizierte Infusions-systeme (Nabelgefaumlszligkatheter zentrale Silastic-Katheter u a) im Rahmen einer Bakteriaumlmie zu einer Absiedlung von Erregern in Knochen und Gelenk fuumlhren Bei einem Teil der Patienten lassen sich multiple Knochenherde nachweisen Neben der haumlmatogenen Genese kann auch ein lokales Entzuumlndungsgeschehen per continu-itatem eine Osteomyelitis induzieren (Abszess infiziertes Kephal-haumlmatom etc) Durch repetitive Fersenpunktionen zur kapillaren Blutentnahme kann sich eine Kalkaneusosteomyelitis entwickeln

kKlinikHaumlufig finden sich eine lokalisierte Schwellung im Bereich der be-troffenen Knochen bzw Gelenke sowie eine eingeschraumlnkte Be-weglichkeit mit Schonhaltung der Extremitaumlt (sog Pseudoparalyse) Am haumlufigsten sind die langen Roumlhrenknochen Femur Humerus und Tibia betroffen Aber auch die Maxilla und andere Schaumldel-knochen koumlnnen ebenso wie Finger- oder Wirbelknochen infiziert sein Die haumlufigsten eitrigen Arthritiden treten in Huumlft- Knie- und Schultergelenken auf

kDiagnoseBlutkultur(en) Entzuumlndungszeichen im Blut roumlntgenologische Un-tersuchung Szintigraphie und bei septischer Arthritis Sonographien und Gelenkpunktionen ermoumlglichen die Diagnosestellung Bei der Differenzialdiagnose muumlssen neben Frakturen und Paresen Weich-teilinfektionen sowie ossaumlre Veraumlnderungen durch intrauterine In-fektionen von der Osteomyelitis abgegrenzt werden

kTherapie PrognoseBei dem infrage kommenden Erregerspektrum empfiehlt sich eine antibiotische Initialbehandlung in Analogie zur Sepsistherapie zusaumltzlich sollte in jedem Fall ein staphylokokkenwirksames Medi-kament (z B Oxacillin) eingesetzt werden

Die Langzeitprognose der NeugeborenenosteomyelitisArthri-tis ist immer noch alles andere als zufriedenstellend Eine chronische Osteomyelitis Skelett- oder Knochendeformitaumlten und gestoumlrtes Knochenwachstum sind bei 25ndash50 aller Kinder zu erwarten

71012 Haut- und Weichteilinfektionen

kKlinikDas Spektrum neonataler Hautinfektionen die durch Bakterien Viren oder Pilze hervorgerufen werden reicht von unproblema-tischen lokalen Affektionen bis hin zu lebensgefaumlhrlichen Erkran-kungen

Pustuloumlse und bulloumlse Hautveraumlnderungen Die Impetigo neona-torum eine oberflaumlchliche pustuloumlse Pyodermie ist die haumlufigste Hautinfektion der Neugeborenenperiode Die Pusteln sind haumlufig in der Inguinalregion periumbilikal nuchal und retroaurikulaumlr zu fin-den Erreger Staph aureus Lokale Behandlungsmaszlignahmen sind ausreichend Kontaktinfektionen sind unbedingt zu vermeiden In der Differenzialdiagnose sind folgende Erkrankungen abzugrenzen Erythema toxicum neonatorum (roumltliche Flecken die von einer gelblichen Pustel besetzt sein koumlnnen treten am ganzen Koumlrper auf Direktpraumlparat der Pustel eosinophile Granulozyten) Milien (weiszlig-lich-gelbliche Talgretention an Nase Wange oder Stirn)

Eine weitere Staphylokokkenerkrankung ist die Impetigo bullosa oder Pemphigus neonatorum Durch intra- oder post-natale Besiedlung mit Staph aureus (Phagengruppe II Produktion des Exotoxins Exfoliatin) kann das Neugeborene diese ernste Hauterkrankung akquirieren Es bilden sich groumlszligere von einem roten Hof umgebene Blasen aus diese hinterlassen nach Platzen geroumltete naumlssende Hautstellen 3ndash5 Tage nach Erkrankungsbeginn tritt eine Desquamation von epidermalen Teilen auf (Nikolsky-Phaumlnomen negativ) Die schwerste Verlaufsform einer durch Staph-aureus-Enterotoxin ausgeloumlsten Hautinfektion ist die Dermatitis exfoliativa neonatorum (Ritter von Rittershain Abb 756) Im Bereich groszligflaumlchiger unscharf begrenzter Ery-theme entstehen nach Hautabloumlsung groszlige Wundflaumlchen (Nikolsky-Phaumlnomen positiv)

Abb 755 Ausgepraumlgte im MRT nachweisbare uumlberwiegend okzipital gelegene subkortikale Substanzdefekte bei einem Neugeborenem mit Meningoenzephalitis

7187711 middot Neugeborenenkraumlmpfe

kDifferenzialdiagnoseDie Differenzialdiagnose umfasst vesikulaumlre Effloreszenzen bei neo-nataler Herpes simplex Zytomegalie- und Varizelleninfektion sowie bulloumlse Veraumlnderungen bei der Lues connata (Pemphigus syphili-ticus)

kTherapieDie antibiotische Behandlung beider Verlaufsformen muss immer systemisch (intravenoumls) erfolgen Die Supportivtherapie der Derma-titis exfoliativa erfolgt nach den Prinzipien der Verbrennungsthera-pie Als Komplikationen sind die neonatale Sepsis Meningitis Osteomyelitis und andere Organmanifestationen gefuumlrchtet

71013 Omphalitis

kAumltiologieBevorzugter Erreger der Omphalitis ist Staph aureus aber auch andere Erreger der Neonatalperiode koumlnnen eine Nabelinfektion ausloumlsen Durch konsequente prophylaktische Nabelhygiene ist die-se Infektion selten geworden

kKlinikDie eitrige Entzuumlndung des Nabels manifestiert sich durch eine periumbilikale Roumltung derbe Infiltration und gegebenenfalls Ulze-ration Der Nabelgrund kann eitrig belegt sein haumlufig entleert sich purulentes Sekret Im Rahmen der Diagnostik werden Abstriche und Blutkulturen abgenommen sowie zur Verlaufskontrolle Ent-zuumlndungszeichen bestimmt Als Komplikationen koumlnnen eine Nabelphlegmone Nabelsepsis Infektion der Nabelgefaumlszlige u a auf-treten Die Therapie besteht in einer Lokalbehandlung und syste-misch intravenoumlsen Antibiotikatherapie

71014 Mastitis

kEpidemiologieEine Mastitis entwickelt sich in der Regel zwischen der 2 bis 3 Lebens woche weibliche Neugeborene erkranken haumlufiger als maumlnnliche Diese Erkrankung tritt vermutlich wegen der noch nicht entsprechend entwickelten Brustdruumlsen bei Fruumlhgeborenen nicht auf Eine beidseitige Affektion ist selten Haumlufigster Erreger ist Staph aureus zunehmend auch E coli und Streptokokken der Gruppe B Der Entstehungsmechanismus ist unklar es ist nicht auszuschlieszligen dass Manipulationen an der geschwollenen Brust die Infektion beguumlnstigen

kDiagnose TherapieDirektpraumlparat des Brustdruumlsensekrets und Abstriche Die Therapie erfolgt immer mit intravenoumlsen Antibiotika bei ausgepraumlgten Be-funden kann eine chirurgische Intervention notwendig werden Langzeitnachuntersuchungen lassen nicht ausschlieszligen dass einige der erkrankten Maumldchen ein vermindertes Brustgewebe auf der erkrankten Seite zuruumlckbehalten

Weitere recht haumlufige bakterielle Lokalinfektionen des Neuge-borenen sind

4 Kopfschwartenabszess (Verletzung durch CTG-Elektroden Erreger Staph aureus Streptokokken der Gruppe B u a Erreger neonataler Infektionen)

4 infiziertes Kephalhaumlmatom (s Kopfschwartenabszess) 4 Paronychien (wichtigste Erreger Staph aureus Streptokokken

der Gruppe B)

71015 Lokale Candidainfektionen

Der Mundsoor ist eine haumlufig auftretende Lokalinfektion des Neu-geborenen weiszligliche Belaumlge die im Gegensatz zu Milchresten nicht abwischbar sind kleiden uumlberwiegend die Wangenschleimhaut Neugeborener aus Diese Infektion mit Candida albicans wird ent-weder unter der Geburt oder durch postnatale Kontamination von verschiedenen Gegenstaumlnden uumlbertragen Sie verheilt unter konse-quenter lokaler antimykotischer Behandlung Eine Candidiasis tritt haumlufig auch als perianale intertriginoumlse Dermatitis auf neben blass-gelblichen makuloumlsen Veraumlnderungen finden sich feuerrote leicht schaumllende Areale Die Behandlung erfolgt durch orale und lokale Applikation von Antimykotika

71016 Neonataler Tetanus

In einigen Teilen der Welt stellt der neonatale Tetanus eine ernsthafte Bedrohung Neugeborener dar Von einer Infektion des Nabels ausge-hend entwickeln die Neugeborenen gegen Ende der ersten Lebens-woche Trinkschwaumlche muskulaumlre Hypertonie und generalisierte Spasmen Die akute Erkrankung kann nur durch neuromuskulaumlre Blockade und maschinelle Beatmung wirksam behandelt werden

71017 Ophthalmia neonatorum

7 Kap 33

711 Neugeborenenkraumlmpfe

kGrundlagenVon Krampfanfaumlllen spricht man wenn aufgrund einer voruumlberge-henden Beeintraumlchtigung der Hirnfunktion eine abnormale motori-sche undoder vegetative Aktivitaumlt mit oder ohne Aumlnderung der

Abb 756 Dermatitis exfoliativa neonatorum durch S aureus

Kapitel 7 middot Neonatologie188

7

Bewusstseinslage auftritt die von einer paroxysmalen elektrischen Aktivitaumlt des Gehirns begleitet wird Typisch fuumlr Neugeborene ist dass nicht alle als Krampfanfall imponierende motorische Aktivitauml-ten mit Veraumlnderungen des EEG einher gehen Da es bei Krampfan-faumlllen zu einer Auschuumlttung von Katecholaminen kommt sind sie oft mit autonom-vegetativen Phaumlnomenen wie Tachykardie und einem Blutdruckanstieg verbunden

gt Im Gegensatz zu Krampfanfaumlllen bei aumllteren Saumluglingen und Kindern sind Krampfanfaumllle beim Neugeborenen in der uumlberwiegenden Mehrzahl nicht idiopathisch sondern beruhen auf einer akuten zerebralen Funktionsstoumlrung

Die Inzidenz wird mit 05 aller Neugeborenen angegeben Die klinische Diagnose neonataler Kraumlmpfe ist nicht immer einfach aus diesem Grund ist immer eine genaue Beobachtung und Beschrei-bung der registrierten Phaumlnomene notwendig

kKlinikKlinisch koumlnnen spezifische Typen neonataler Anfaumllle unterschie-den werden 4 Klonische Kraumlmpfe rhythmische Zuckungen mit einer Fre-

quenz von 1ndash2 pro Sekunde wobei Hin- und Ruumlckbewegung von unterschiedlicher Geschwindigkeit sind (meist schnelle Hin- und langsamere Ruumlckbewegung) auf einer oder beiden Koumlrperseiten (fokal oder generalisiert)

4 Tonische Kraumlmpfe fokale tonische Anfaumllle manifestieren sich als einseitige anhaltende tonische Beugung oder Streckung einer Extremitaumlt des Halses oder Rumpfes Bei der generali-sierten Form betreffen diese Bewegungen beide Koumlrperseiten z T mit Streckung der Beine und Beugung der Arme

4 Myoklonische Kraumlmpfe Ploumltzlich einschieszligende rasche Kon-traktion eines Beugemuskels entweder fokal oder multifokal d h asynchrone alternierende Myoklonien unterschiedlicher Koumlrperteile Myoklonische Kraumlmpfe sind in der Regel ohne EEG-Veraumlnderungen Im Schlaf werden fokale Myoklonien bei Neugeborenen insbesondere bei Fruumlhgeborenen sehr haumlufig gesehen Diese Schlafmyoklonien sind physiologisch und kein Ausdruck einer Hirnfunktionsstoumlrung beim Erwecken der sbquoNeugeborenen sistieren sie unverzuumlglich

4 Subtile Kraumlmpfe orale Automatismen stereotype komplexe Bewegungsmuster wie Pedalieren der Beine tonische Augen-deviation Selten koumlnnen sich Kraumlmpfe auch als Apnoe praumlsen-tieren die dann in der Regel mit einer Tachykardie einhergeht (differenzialdiagnostisch wichtiges Kriterium zu anderen Apnoeformen)

kAumltiologie DiagnostikSehr verschiedene Grundkrankheiten koumlnnen sich mit Kraumlmpfen in der Neugeborenenperiode praumlsentieren und die Prognose der Kin-der wird in der Regel durch diese zugrundeliegenden Erkrankungen bestimmt Die basale Diagnostik bei Neugeborenenkraumlmpfen um-fasst neben der Anamnese und der klinischen Untersuchung be-stimmte Laboruntersuchungen (Blutzucker Elektrolyte Kalzium gr Blutbild Blutgasanalyse CRP Urinstatus) die Sonographie des Kopfes und das EEG Weitere Untersuchungen erfolgen entspre-chend spezifischer Auffaumllligkeiten

Ursache von Neugeborenenkrampfanfaumlllen 4 Akute metabolische Stoumlrungen

ndash Hypoglykaumlmie ndash Hypokalzaumlmie ndash Hyponatriaumlmie ndash Hypernatriaumlmie ndash Hypomagnesiaumlmie

4 Asphyxie 4 ZNS-Infektion

ndash Meningitis ndash Enzephalitis

4 Hirnblutung Hirninfarkt 4 Periventrikulaumlre Leukomalazie 4 Sinusvenenthrombose 4 Hirnfehlbildungen 4 Angeborene Stoffwechselerkrankungen

ndash Aminoazidopathien ndash Organoazidurien

4 Benigne Neugeborenenkraumlmpfe ndash Familiaumlr ndash Fifth-day fits (Kraumlmpfe am 5 Lebenstag) ndash Pyridoxinabhaumlngige Kraumlmpfe

4 Angeborene peroxisomale Erkrankungen 4 Neurokutane Sydrome 4 Toxine

ndash Bilirubin ndash Heroin ndash Kokain ndash Lokalanaumlsthetika

Akute metabolische Stoumlrungen Eine unverzuumlgliche Therapie dieser Stoumlrungen stellt die Erstmaszlignahme bei Neugeborenenkraumlmpfen dar

Asphyxie Dieses ist die haumlufigste Ursache fuumlr Krampfanfaumllle inner-halb der ersten 2 Lebenstage Das fruumlhe Auftreten innerhalb der ers-ten 4ndash6 h spricht fuumlr eine sehr schlechte Prognose

ZNS-Infektion Bei nicht sicher einzuordnenden Kraumlmpfen oder bei entsprechender klinischer Symptomatik ist immer eine Liquor-punktion indiziert Bei pathologischen Befunden differenzierte Diagnostik

Hirnblutungen Sowohl traumatisch bedingte Hirnblutungen reifer Neugeborener als auch intrazerebrale Blutungen bei Fruumlhgeborenen koumlnnen mit Krampfanfaumlllen einhergehen Bei Fruumlhgeborenen ist die sonographische Untersuchung ausreichend bei Reifgeborenen ist meist ein CT oder MRT notwendig

Hirnfehlbildungen Lissenzephalie Holoprosenzephalie Porenze-phalie Bei Verdacht im Ultraschallbild ist eine genaue weitergehen-de bildgebende Diagnostik erforderlich

Angeborene Stoffwechselerkrankungen Dieses sind vor allem Aminoazidopathien (Ahornsirupkrankheit Hyperglyzinaumlmie) oder Organoazidurien (Propionaziaumlmie) Aufgrund eines Abbau- oder Synthesedefektes kommt es zur Akkumulation toxischer Meta-bolite Die Symptome treten dann auf wenn die Kinder eine gewisse Nahrungsmenge erhalten haben oder sich in einer katabolen Stoff-wechselsituation befinden (Abbau von koumlrpereigenem Eiweiszlig) Toxinentfernung Begrenzung der Eiweiszligzufuhr und Beseitigung

7189712 middot Metabolische Stoumlrungen

der Katabolie sind die Hauptmaszlignahmen Diagnostik Ammoniak Laktat Blutzucker im Serum Ketonkoumlrper im Urin sofortige Asser-vierung von Urin zur spezifischen Diagnostik

Benigne Neugeborenenkraumlmpfe Ein recht groszliger Anteil der Kraumlmpfe in der Neugeborenenperiode sind benigner Natur Sie tre-ten in der ersten Lebenswoche auf sind transient und die Kinder entwickeln sich unauffaumlllig Die Diagnose erfolg per Ausschluss an-derer Ursachen Eine familiaumlre Form wird autosomal-dominant ver-erbt der Genort liegt auf Chromosom 20q Eine weitere Sonderform sind Kraumlmpfe die typischerweise am 5 Lebenstag auftreten (raquofifth-day fitslaquo) Die Ursache ist ungeklaumlrt die Bedeutung eines Zinkman-gels unklar Aumltiologisch unklare Kraumlmpfe sollten als Neugeborenen-kraumlmpfe ohne Dignitaumltsangabe bezeichnet werden erst die unauffaumll-lige weitere Entwicklung erlaubt es die Diagnose benigner Anfaumllle sicher zu stellen

Pyridoxinabhaumlngige Kraumlmpfe Diesem seltenen Krankheitsbild liegt wahrscheinlich ein GABA-Sythesedefekt zugrunde Die Krampfan-faumllle treten am ersten Lebenstag auf und sind gegenuumlber den uumlblichen Antikonvulsiva therapieresistent Vitamin B6 stellt einen Cofaktor fuumlr die Sythese von GABA dar und ist therapeutisch wirksam Trotz der Seltenheit dieses Krankheitsbildes ist bei therapieresistenten Krampf-anfaumlllen ein Behandlungsversuch mit Vitamin B6 sinnvoll

Angeborene peroxisomale Erkrankungen (Zellweger-Syndrom neonatale Adrenoleukodystrophie) Klinisch finden sich bei die-sen selteneren Erkrankungen in der Neonatalphase neben den Krampfanfaumlllen eine kraniofaziale Dysmorphie Muskelhypotonie Trinkschwaumlche Optikusatrophie oder Katarakt Die Diagnose er-folgt uumlber die Bestimmung biochemischer Marker im Blut insbe-sondere den sehr langen Fettsaumluren (VLFA)

Neurokutane Sydrome Diese angeborenen Erkrankungen koumlnnen selten ebenfalls mit Krampfanfaumlllen im Neugeborenenalter ein-hergehen Klinisch ist auf kutane Depigmentierungen (tuberoumlse Sklerose) Cafeacute-au-lait-Flecken (Neurofibromatose) oder faziale Portwein-Naevi (Sturge-Weber) zu achten

Toxine Die Bilirubinenzephalopathie ist eine Raritaumlt geworden Bei maternaler Heroineinnahme koumlnnen Neugeborenenkraumlmpfe als neonatales Entzugssyndrom auftreten Nach maternaler Kokain-einnahme kann es zu intrazerebralen Gefaumlszligverschluumlssen kommen Die akzidentelle Injektion eines Lokalanaumlsthetikums in den Fetus bei Pudendusanaumlsthesie kann zu Kraumlmpfen fuumlhren klinisch finden sich eine muskulaumlre Hypotonie und dilatierte Pupillen

kTherapieBei Neugeborenenkraumlmpfen muss Diagnostik und Therapie parallel erfolgen Da die Hypoglykaumlmie sofort behandelbar und ihre Folgen schwerwiegend sind erfolgt als erste Maszlignahme die Bestimmung des Blutzuckers als kapillaumlrer Schnelltest und sofort nach Blutab-nahme moumlglichst durch eine 2 Person Verabreichung von Glukose 10 iv 2 mlkg KG Unter der Glukosezufuhr sollte der Krampf-anfall beobachtet und beschrieben werden Krampftyp ein- oder beidseitig vegetative Symptome Dauer Anschlieszligend Blutab-nahme fuumlr Kalzium Natrium Magnesium und Kalium Wenn der Krampfanfall nicht innerhalb von einigen Minuten sistiert werden intravenoumls Antikonvulsiva verabreicht (Mittel der ersten Wahl Lorazepam Midazolam oder Clonazepam dann Phenobarbital und Phenytoin) Findet sich keine Krampfursache sollte bei persistieren-den Kraumlmpfen Pyridoxin (VitaminB6) verabreicht werden

712 Metabolische Stoumlrungen

7121 Hyperglykaumlmie

Eine Hyperglykaumlmie ist bei Neugeborenen wesentlich seltener als die Hypoglykaumlmie

kPathogeneseDie neonatale Hyperglykaumlmie kann verursacht werden durch eine zu hohe parenterale Glukosezufuhr durch eine eingeschraumlnkte Gluko-setoleranz z B bei Fruumlhgeborenen oder bei neonataler Sepsis Selten besteht ein transitorischer neonataler Diabetes mellitus

kKlinikDurch eine osmotische Diurese kommt es zur Dehydratation

kDiagnoseEin Blutzucker gt125 mgdl (7 mmoll) ist eine Hyperglykaumlmie Ebenfalls bestimmt werden sollten Serumelektrolyte Saumlure-Basen-Status Urinzucker Urinausscheidung und Veraumlnderungen des Koumlrpergewichts

kTherapieIn der Regel durch eine Reduktion der Glukosezufuhr

CaveEine Insulingabe sollte nur in Ausnahmefaumlllen erfolgen da die Insulintherapie bei Neugeborenen sehr schwer steuerbar ist

7122 Hypoglykaumlmie

kEpidemiologieEine symptomatische Hypoglykaumlmie ereignet sich bei 1ndash3 von 1000 Neugeborenen Deutlich houmlher ist das Hypoglykaumlmierisiko bei dystrophen Neugeborenen (5ndash15) und bei Fruumlhgeborenen Weite-re Risikofaktoren fuumlr eine Hypoglykaumlmie sind Hypothermie Hypo-xie muumltterlicher Gestationsdiabetes oder Diabetes mellitus und Polyzythaumlmie

kPathogeneseHypoglykaumlmien bei Neugeborenen koumlnnen folgende Ursachen haben 4 Der Glukoseverbrauch uumlbersteigt die Glukosezufuhr bzw die

Glukoseproduktion Da Neugeborene nur einen geringen Glykogenvorrat (1 des Koumlrpergewichts) haben kommt es bei Ausbleiben einer exogenen Glukosezufuhr rasch zu Hypo-glykaumlmien Dies ist die haumlufigste Ursache von Hypoglykaumlmien beim Neugeborenen

4 Ein Hyperinsulinismus liegt bei Kindern diabetischer Muumltter (transient) beim Beckwith-Wiedemann-Syndrom und bei der Nesidioblastose (diffuse Inselzellhyperplasie) vor

4 Kongenitale Stoffwechseldefekte Aminosaumlurestoffwechsel-stoumlrungen (z B Ahornsirupkrankheit) stoumlren die Glukoneoge-nese Glykogenspeicherkrankheiten Galaktosaumlmie und Fruk-toseintoleranz verringern die Verfuumlgbarkeit von Glukose aus Glykogen

4 Polyglobulie Die Ursache der Hypoglykaumlmien bei Polyglobu-lie ist nicht bekannt

Kapitel 7 middot Neonatologie190

7

kKlinikDie Symptome der Hypoglykaumlmie sind unspezifisch und umfassen Zittrigkeit Apathie Krampfanfaumllle Apnoen muskulaumlre Hypotonie und Trinkschwaumlche

kDiagnoseDie Definition der Hypoglykaumlmie beim Neugeborenen ist schwierig da Neugeborene auch bei niedrigen Blutzuckerwerten haumlufig asym-ptomatisch sind

Laborchemische Definition der Hypoglykaumlmie 4 FruumlhgeboreneReifgeborene (gt24 h) Plasmaglukose

lt35 mgdl 4 FruumlhgeboreneReifgeborene (gt24 h) Plasmaglukose

lt45 mgdl

Risikokinder sollten eine Blutzuckerbestimmung 1 h postnatal er-halten und danach 3-stuumlndliche Blutzuckerkontrollen fuumlr die naumlchs-ten 24 h Bei persistierender Hypoglykaumlmie sollte nach einem ange-borenen Stoffwechseldefekt gesucht und Insulin Kortisol und Wachstumshormon bestimmt werden

kTherapieBei einer Hypoglykaumlmie mit klinischer Symptomatik erfolgt die int-ravenoumlse Gabe von 2 mlkg KG Glukose 10 uumlber 10 min gefolgt von einer Glukoseinfusion mit 8 mg Glukosekg KGmin Neugebo-rene mit besonderem Risiko fuumlr eine Hypoglykaumlmie sollten eine Fruumlhfuumltterung mit Glukose 5 oder Dextrinloumlsungen erhalten

kPrognoseWenn die Hypoglykaumlmie nur kurz dauert ist die Prognose gut Prolongierte oder tiefe Hypoglykaumlmien sind mit neurologischen Folgeschaumlden assoziiert

7123 Fetopathia diabetica

kPathogeneseBei optimaler Einstellung und Uumlberwachung des muumltterlichen Dia-betes mellitus waumlhrend der Schwangerschaft kann sich die fetale intrauterine Entwicklung voumlllig normal vollziehen Bei schlechter Einstellung besteht ein deutlich erhoumlhtes Risiko fuumlr den Feten intra-uterin zu versterben die Neugeborenen sind entweder makrosom oder hypotroph und weisen eine Reihe schwerwiegender postnata-ler Adaptionsstoumlrungen auf Da Glukose ungehindert durch die Pla-zenta diffundiert fuumlhrt eine anhaltende muumltterliche Hyperglykaumlmie zu erhoumlhten Blutzuckerkonzentrationen beim Feten der als Folge mit einem kompensatorischen Hyperinsulinismus reagiert Dieser Hyperinsulininismus ist fuumlr das typische Organwachstum der mak-rosomen Neugeborenen verantwortlich Bei einer schweren diabe-tischen Plazentainsuffizienz koumlnnen Neugeborene aber auch eine ausgepraumlgte Hypotrophie aufweisen Die Neugeborenen sind post-natal extrem Hypoglykaumlmiegefaumlhrdet da sich der Hyperinsulinis-mus nur langsam zuruumlckbildet

Das klinische Bild ist aumluszligerst eindrucksvoll und durch eine Rei-he von Funktionsstoumlrungen charakterisiert 4 Makrosomie cushingoides Aussehen 4 Hepatomegalie hypertrophe Kardiomyophathie (Glykogenein-

lagerungen) 4 Atemnotsyndrom durch beeintraumlchtigte Surfactantproduktion

4 Plethora Polyzythaumlmie Hyperviskositaumltssyndrom Hyperbilirubinaumlmie

4 Geburtstraumatische Komplikationen Plexuslaumlhmung Asphyxie u a

4 metabolische Entgleisungen Hypoglykaumlmie Hypokalzaumlmie Hypomagnesiaumlmie

4 evtl Fehlbildungen kaudales Regressionssyndrom Mikrokolon Vitium cordis

kTherapieZeitgerechte und konsequente Behandlung aller klinischen und metabolischen Stoumlrungen

7124 Hypokalzaumlmie

Je unreifer ein Neugeborenes ist desto haumlufiger tritt eine Hypokalzauml-mie auf

kPathogeneseAls Ursache fuumlr die fruumlhe Hypokalzaumlmie (Lebenstag 1ndash3) wird die nach der Geburt ploumltzlich ausbleibende hohe intrauterine Kalzium-zufuhr angenommen Ein erhoumlhtes Hypokalzaumlmierisiko besteht bei Kindern diabetischer Muumltter bei Sepsis und nach Asphyxie Die spauml-te Hypokalzaumlmie (nach dem 3 Lebenstag) kann durch hohe Phos-phatzufuhr mit der Nahrung bei verfruumlhter Kuhmilchfuumltterung oder durch Vitamin-D-Mangel verursacht werden

kKlinikLaborchemisch liegt eine Hypokalzaumlmie vor wenn das Serum-kalzium lt18 mmoll ist Die klinischen Symptome der Hypokal-zaumlmie sind unspezifisch (Zittrigkeit Tremor Hyperexzitaumlbilitaumlt oder Krampfanfaumllle) Die fruumlhe Hypokalzaumlmie ist meist asymptoma-tisch

kDifferenzialdiagnoseHypoglykaumlmie Hypomagnesiaumlmie

kTherapieBei klinischer Symptomatik langsame intravenoumlse Gabe von 1ndash2 mlkg KG Kalziumglukonat 10 Bei asymptomatischer Hypo-kalzaumlmie Erhoumlhung der taumlglichen Kalziumzufuhr auf 5ndash10 mlkg Kalziumglukonat

CaveSchnelle intravenoumlse Kalziumgabe fuumlhrt zur Bradykardie Paravenoumlse Kalziumgabe fuumlhrt zu schweren Gewebsnek-rosen

Persistiert die Symptomatik trotz Kalziumsubstitution kann eine Hypomagnesiaumlmie vorliegen

713 Spezielle Aspekte der Ernaumlhrung Fruumlh- und Neugeborener

7131 Naumlhrstoffbedarf

Der Fluumlssigkeitsbedarf des Neugeborenen ist deutlich houmlher als beim Erwachsenen weil der Wasserumsatz des Neugeborenen we-gen der geringeren Konzentrationsfaumlhigkeit der Niere des hohen insensiblen Wasserverlustes uumlber Haut und Lunge und des hohen Energieumsatzes sehr hoch ist

7191Literatur

Der Kalorien- und Eiweiszligbedarf des Neugeborenen ist wegen des raschen Wachstums ebenfalls houmlher als beim Erwachsenen ( Tab 719)

7132 Ernaumlhrung des reifen Neugeborenen

Die optimale Ernaumlhrung fuumlr das reife Neugeborene ist Muttermilch Um die Muttermilchproduktion anzuregen soll das Neugeborene anfangs alle 3ndash4 h an beiden Bruumlsten saugen Mit zunehmender Muttermilchmenge muss kein starrer Stillrhythmus mehr eingehal-ten werden sondern das Kind wird dann angelegt wenn es Hunger hat Die Muttermilchmenge deckt in der Regel am Ende der 1 Le-benswoche den Bedarf des Neugeborenen

gt Das reife Neugeborene soll in den ersten Lebenstagen zusaumltzlich zum regelmaumlszligigen Anlegen an der Brust nur Fluumlssigkeit angeboten bekommen bei normalem Anstieg der Muttermilchmenge ist keine Zufuumltterung von Milch-nahrung notwendig

7133 Ernaumlhrung des Fruumlhgeborenen

Aktivitaumlt von Verdauungsenzymen ist im Gastrointestinaltrakt be-reits ab 20 Schwangerschaftswochen nachzuweisen Deshalb ist die Resorption von kurzkettigen Kohlenhydraten und Protein auch bei unreifen Fruumlhgeborenen gut Fett wird allerdings von Fruumlhgebore-nen wegen geringer Lipaseaktivitaumlt und geringer Gallensaumlurenmen-ge nur unvollstaumlndig resorbiert

Auch wenn Saugbewegungen intrauterin bereits mit 22 Gestati-onswochen stattfinden wird eine effektive Saug-Schluck-Koordina-tion erst mit 32ndash34 Gestationswochen erreicht Auch die koordinier-te antegrade Peristaltik im Magen-Darm-Trakt entwickelt sich in diesem Zeitraum erst allmaumlhlich ( Abb 725)

Bei unreiferen Fruumlhgeborenen muss deshalb mit sehr kleinen Nahrungsmengen (3ndash5 ml pro Mahlzeit) begonnen und die Nah-rung in den Magen sondiert werden bis das Kind die Faumlhigkeit selbst zu trinken entwickelt hat

Die beste enterale Nahrung ist auch fuumlr das Fruumlhgeborene Muttermilch die allerdings wegen des hohen Naumlhrstoffbedarfs Fruumlhgeborener mit Kalorien Protein und Mineralstoffen angerei-

chert werden muss Da Fruumlhgeborene anfangs nur sehr kleine e nterale Nahrungsmengen vertragen ist eine zusaumltzliche parente-rale Ernaumlhrung notwendig bis der enterale Nahrungsaufbau voll-staumlndig ist

Literatur

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Tab 719 Bedarf an Fluumlssigkeit und Naumlhrstoffen von Fruumlh- und Neugeborenen in den ersten Lebenswochen im Vergleich zum Erwachsenen

Fruumlh-geborenes

Reif-geborenes

Erwachsener

Fluumlssigkeit [mlkg KGTag]

180 130 40ndash50

Kalorien [kcalkg KGTag]

130 110 30ndash40

Protein [gkg KGTag]

3 2ndash3 08

Gewichtszunahme [gkg KGTag]

15 8 0

Abb 757 Entwicklung der gastrointestinalen Motorik

  • III13Neonatologie und paumldiatrische Intensivmedizin
    • 713Neonatologie
      • Definitionen
      • Postnatale Adaptation
        • Lunge
        • Herz und Kreislauf
        • Temperaturregulation
        • Niere
        • Gastrointestinaltrakt
        • Eltern-Kind-Beziehung
        • Beurteilung der postnatalen Adaptation (Apgar-Schema)
        • Akut lebensbedrohliche Fehlbildungen der Neugeborenenperiode
          • Untersuchung des Neugeborenen
            • Zeitpunkte der Neugeborenenuntersuchung
            • Durchfuumlhrung der Neugeborenenuntersuchung
            • Neurologische Neugeborenenuntersuchung
            • Bestimmung der somatischen Reifezeichen
              • Reanimation Fruumlhund Neugeborener
                • Voraussetzungen zur Reanimation
                • Maszlignahmen der Neugeborenenreanimation
                  • Perinatale Schaumlden und ihre Folgen
                    • Asphyxie
                    • Hypoxisch-ischaumlmische Enzephalopathie (HIE)
                    • Geburtstraumatische Schaumlden
                      • Das Fruumlhgeborene
                        • Das Atemnotsyndrom Fruumlhgeborener
                        • Persistierender Ductus arteriosus (PDA)
                        • Wilson-Mikity-Syndrom
                        • Bronchopulmonale Dysplasie
                        • Retinopathia praematurorum
                        • Hirnblutungen des Fruumlhgeborenen
                        • Germinale Matrixblutung des Fruumlhgeborenen
                        • Andere intrazerebrale Blutungen bei Fruumlhgeborenen
                        • Periventrikulaumlre Leukomalazie
                        • Apnoen bei Fruumlhgeborenen
                          • Lungenerkrankungen des Neugeborenen
                            • Transitorische Tachypnoe
                            • Mekoniumaspirationssyndrom
                            • Pneumothorax
                            • Kongenitales lobaumlres Emphysem
                            • Lungenhypoplasie
                            • Zwerchfellhernie (Enterothorax)
                            • Neonatale Pneumonien
                            • Persistierende pulmonale Hypertonie (persistierende fetale Zirkulation)
                            • Lungenblutung
                            • Chylothorax
                            • Obstruktion der oberen Atemwege
                              • Bluterkrankungen
                                • Fetale Erythropoese
                                • Neonatale Anaumlmie
                                • Anaumlmie Fruumlhgeborener
                                • Polyzythaumlmie Hyperviskositaumltssyndrom
                                • Icterus neonatorum und Hyperbilirubinaumlmie
                                • Physiologischer Ikterus
                                • Muttermilchikterus
                                • Ikterus bei Fruumlhgeborenen
                                • Pathologische Hyperbilirubinaumlmie
                                • Morbus haemolyticus neonatorum
                                • Kernikterus Bilirubinenzephalopathie
                                • AB0-Erythroblastose
                                • Rh-Erythroblastose
                                • Weitere haumlmolytische Erkrankungen
                                • Direkte Hyperbilirubinaumlmie
                                • Weiszliges Blutbild Neugeborener
                                • Neonatale Thrombozytopenie
                                • Neonatale Alloimmunthrombozytopenie
                                • Koagulopathien
                                • Morbus haemorrhagicus neonatorum (Vitamin-K-Mangel)
                                  • Nekrotisierende Enterokolitis
                                  • Fetale und neonatale Infektionen
                                    • Besonderheiten des Immunsystems Neugeborener
                                    • Nichtbakterielle konnatale Infektionen
                                    • Roumlteln
                                    • Zytomegalie
                                    • Herpes simplex
                                    • Varizella-Zoster-Virus
                                    • Weitere konnatale Virusinfektionen
                                    • Toxoplasmose
                                    • Neugeborenensepsis
                                    • Meningitis
                                    • Osteomyelitis und septische Arthritis
                                    • Hautund Weichteilinfektionen
                                    • Omphalitis
                                    • Mastitis
                                    • Lokale Candidainfektionen
                                    • Neonataler Tetanus
                                    • Ophthalmia neonatorum
                                      • Neugeborenenkraumlmpfe
                                      • Metabolische Stoumlrungen
                                        • Hyperglykaumlmie
                                        • Hypoglykaumlmie
                                        • Fetopathia diabetica
                                        • Hypokalzaumlmie
                                          • Spezielle Aspekte der Ernaumlhrung Fruumlhund Neugeborener
                                            • Naumlhrstoffbedarf
                                            • Ernaumlhrung des reifen Neugeborenen
                                            • Ernaumlhrung des Fruumlhgeborenen
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