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Dr.med. Madhumita Chatterjee, Referatsleiterin im KC Arbeitsmedizin
Neue Berufskrankheiten
Eine kurze Vorstellung – mit Schwerpunkt auf
der Noxe UV – Licht -
„Sicher und gesund in die Zukunft“ – Damp
2016
21.09.2016
Dr.med. Madhumita Chatterjee, Referatsleiterin im KC Arbeitsmedizin Seite 2
Gesetzliche Grundlagen (I)
• Historisches:
1911 - Einführung der Berufskrankheit in das System der gesetzlichen
Unfallversicherung
1925 - Erste offizielle Liste enthielt 11 Berufskrankheiten
1952 - Ärztlicher Sachverständigenbeirat „Berufskrankheiten“,
angesiedelt beim BMAS
1963 - Erste „Merkblätter für den anzeigenden Arzt“
1995 - Erstellung wissenschaftlicher Begründungen zu jeder BK
Aktuell findet eine Reformdiskussion statt
Erstellung einzelner Konsensusempfehlungen, Handlungsanleitungen,
Informationsschriften der DGUV zu einzelnen BK
Dr.med. Madhumita Chatterjee, Referatsleiterin im KC Arbeitsmedizin Seite 3
Gesetzliche Grundlagen (II)
• Definition der Berufskrankheit:
§ 9 Absatz 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch (SGB) VII
„Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch
Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten
bezeichnet und die Versicherte infolge einer dem Versicherungsschutz nach
den §§ 2,3 oder § 6 begründenden Tätigkeit erleiden.“
Seite 4
Gesetzliche Grundlagen (III)
Voraussetzungen nach § 9 Abs.1 Satz 2 SGB VII:
nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft
verursacht durch besondere Einwirkungen
denen bestimmte Personengruppen
durch ihre versicherte Tätigkeit
in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung
ausgesetzt sind
Aufnahme in die Liste der Berufskrankheiten (Anlage 1 der BKV)
Dr.med. Madhumita Chatterjee, Referatsleiterin im KC Arbeitsmedizin
Seite 5
Gesetzliche Grundlagen (IV)
• Definition eines Versicherungsfalls („Quasi-BK“)
nach § 9 Abs.2 SGB VII
„ Die Unfallversicherungsträger haben eine Krankheit, die nicht in der
Rechtsverordnung bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten
Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit als
Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach
neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen
für eine Bezeichnung nach Absatz 1 Satz 2 erfüllt sind.“
Dr.med. Madhumita Chatterjee, Referatsleiterin im KC Arbeitsmedizin
Seite 6
Gesetzliche Grundlagen (V)
Meldung einer Berufskrankheit bzw. den Verdacht
• mit einer formalisierten BK - Anzeige
Alle Ärzte nach § 202 SGB VII (begründeter Verdacht)
Unternehmer nach § 193 Abs.2 SGB VII (Anhaltspunkte)
• mit einer formlosen Anzeige
Krankenkassen nach § 20 SGB V
Erkrankte
Sonstige Personen
Dr.med. Madhumita Chatterjee, Referatsleiterin im KC Arbeitsmedizin
Seite 7
Gesetzliche Grundlagen (VI)
• Anpassung der Berufskrankheitenverordnung (BKV)
Letzte Aktualisierung erfolgte durch die „Dritte Verordnung zur
Änderung der BKV“ vom 22.12.2014. Die Anlage 1 der BKV enthält
jetzt 77 Berufskrankheiten.
Neu ist Abs. 1 § 6: Stichtagsregelung entfällt für die 4 neuen BK
Aktuelle Reformdiskussion betrifft folgende Punkte: bspw. Transparenz und Beschleunigung – neue BK; Transparenz d. Forschung;
Beweismaßstab f. Ermittlungen; Wegfall des Unterlassungszwangs
Dr.med. Madhumita Chatterjee, Referatsleiterin im KC Arbeitsmedizin
Seite 8
Vier neue Berufskrankheiten
BK Nr. 1319 (BK- Anzeigen 2015:16)
„Larynxkarzinom durch intensive und mehrjährige Exposition
gegenüber schwefelsäurehaltigen Aerosolen“
Dr.med. Madhumita Chatterjee, Referatsleiterin im KC Arbeitsmedizin
Seite 9
BK 1319 – Larynxkarzinom (Kehlkopfkrebs) (I)
Krankheitssymptome:
Im frühen Stadium eher uncharakteristische Beschwerden wie
anhaltende Heiserkeit, Räuspern, Schluckbeschwerden
Verschlechterung des Allgemeinzustandes
Dr.med. Madhumita Chatterjee, Referatsleiterin im KC Arbeitsmedizin
Seite 10
BK 1319 – Larynxkarzinom (Kehlkopfkrebs) (II)
Atembares Aerosol - Vorkommen
Luftgrenzwert 0,1 mg/m³ (MAK)
Momentanwert von 0,2 mg/m³ darf nicht überschritten werden
Dr.med. Madhumita Chatterjee, Referatsleiterin im KC Arbeitsmedizin
Seite 11
BK 1319 – Larynxkarzinom (Kehlkopfkrebs) (III)
Intensive Schwefelsäureeinwirkung
Expositionshöhe von 0,2mg/m³ und mehr
Mehrjährige Exposition
Mindestens 5 Jahre – vollschichtige Exposition
Konkurrierende Faktoren
Tabakrauch
Alkoholkonsum
Arsen
Dr.med. Madhumita Chatterjee, Referatsleiterin im KC Arbeitsmedizin
Seite 12
Vier neue Berufskrankheiten
BK Nr. 2113 (BK Anzeigen 2015: 73)
„Druckschädigung des Nervus medianus im Carpaltunnel
(Carpaltunnel-Syndrom) durch repetitive manuelle Tätigkeiten mit
Beugung und Streckung der Handgelenke, durch erhöhten
Kraftaufwand der Hände oder durch Hand-Arm-Schwingungen.“
Dr.med. Madhumita Chatterjee, Referatsleiterin im KC Arbeitsmedizin
Seite 13
BK 2113 – Karpaltunnelsyndrom (I)
Krankheitssymptome:
Nächtliches Kribbeln und Taubheitsgefühl im Bereich von Daumen bis
Mittelfinger. Im späteren Stadium können auch Schmerzen beim Greifen
auftreten oder sich die Muskeln des Daumen- /Handballens abbauen.
Dr.med. Madhumita Chatterjee, Referatsleiterin im KC Arbeitsmedizin
Seite 14
BK 2113 – Karpaltunnelsyndrom (II)
Schädigung des N. medianus durch druckausübende Tätigkeiten:
Repetitive manuelle Tätigkeiten mit Beugung und Streckung der Hände im Handgelenk
oder
Erhöhter Kraftaufwand der Hände (kraftvolles Greifen)
oder
Einwirkung von Hand-Arm-Schwingungen, z.B. durch handgehaltene vibrierende Maschinen (handgeführte Motorsägen, Steinbohrer etc.)
Dr.med. Madhumita Chatterjee, Referatsleiterin im KC Arbeitsmedizin
Seite 15
BK 2113 – Karpaltunnelsyndrom (III)
Gefährdete Berufsgruppen:
Fleischverpacker
Fließbandarbeiter in der Automobilindustrie
Forstarbeiter beim Umgang mit Motorsäge
Geflügelverarbeiter
Kassierer im Supermarkt mit Umsetzen von Lasten
Masseure
Polsterer
Steinbohrer etc.
Dr.med. Madhumita Chatterjee, Referatsleiterin im KC Arbeitsmedizin
Seite 16
BK 2113 – Karpaltunnelsyndrom (IV)
Dr.med. Madhumita Chatterjee, Referatsleiterin im KC Arbeitsmedizin
Seite 17
BK 2113 – Karpaltunnelsyndrom (V)
Expositionsdauer
vor Auftreten der Erkrankung: „in zeitlich engem Zusammenhang“
(innerhalb eines Jahres seit Beginn der Tätigkeit)
Exposition von mind. 15-20h pro Woche
Dr.med. Madhumita Chatterjee, Referatsleiterin im KC Arbeitsmedizin
Seite 18
BK 2113 – Karpaltunnelsyndrom (VI)
Konkurrierende Faktoren:
Schwellungszustände des Sehnengleitgewebes bei degenerativen,
rheumatischen, hormonellen und stoffwechselbedingten Erkrankungen
sowie bei Verletzungen, Tumorerkrankungen, Schwangerschaft,
Dialysepatienten
Dr.med. Madhumita Chatterjee, Referatsleiterin im KC Arbeitsmedizin
Seite 19
Vier neue Berufskrankheiten
BK Nr. 2114 (BK Anzeigen 2015: 6)
„Gefäßschädigung der Hand durch stoßartige Krafteinwirkung
(Hypothenar-Hammer-Syndrom und Thenar-Hammer-Syndrom)“
Dr.med. Madhumita Chatterjee, Referatsleiterin im KC Arbeitsmedizin
Seite 20
Hypothenar-(Thenar-)Hammer-Syndrom (I)
Krankheitssymptome:
Arterielle Durchblutungsstörung im Versorgungsgebiet der Arteria
ulnaris (Hohlhand, Kleinfingerballen, primär die Finger III bis V)
bzw.
Arterielle Durchblutungsstörung im Versorgungsgebiet der Arteria radialis
(Daumenballen, Finger I-II)
Dr.med. Madhumita Chatterjee, Referatsleiterin im KC Arbeitsmedizin
Seite 21
Hypothenar-(Thenar-)Hammer-Syndrom (II)
Exposition:
Einmalige oder wiederholte/chronische stumpfe Gewalteinwirkung –
Gefäßwandaussackungen, Thrombosen (Ausbildung von
Blutgerinnseln) und Verschlüsse der Gefäße durch verschleppte
Blutgerinnsel in die Fingerarterien. Durchblutungsstörungen im Sinne
eines sekundären Raynaudphänomens.
Bei einmaliger Gewalteinwirkung als Folge eines Arbeitsunfalles
Dr.med. Madhumita Chatterjee, Referatsleiterin im KC Arbeitsmedizin
Seite 22
Hypothenar-(Thenar-)Hammer-Syndrom (III)
Gefährdete Berufsgruppen:
z.B. Zimmermänner, Kfz-Mechaniker, Möbeltransporteure, Installateure,
Schreiner, Fußbodenverleger, Elektriker, Maschinisten
Dr.med. Madhumita Chatterjee, Referatsleiterin im KC Arbeitsmedizin
Seite 23
Hypothenar-(Thenar-)Hammer-Syndrom (IV)
Konkurrierende Faktoren:
Arterielle Verschlusskrankheiten, weitere Gefäßerkrankungen wie bei
Kollagenosen, Verletzungen, bestimmte Sportarten wie Karate, Hockey,
Baseball, Hanteltraining
BK 2104 (vibrationsbedingte Durchblutungsstörungen der Hände – hier
allerdings Unterlassungszwang gefordert)
Dr.med. Madhumita Chatterjee, Referatsleiterin im KC Arbeitsmedizin
Seite 24
Vier neue Berufskrankheiten
BK Nr. 5103 (BK Anzeigen 2015: 231)
„Plattenepithelkarzinome und multiple aktinische Keratosen der Haut
durch natürliche UV-Strahlung“
Dr.med. Madhumita Chatterjee, Referatsleiterin im KC Arbeitsmedizin
Seite 25
Hautkrebs durch natürliche UV-Strahlung (I)
Aktinische KeratosenPlattenepithel-Karzinom
Dr.med. Madhumita Chatterjee, Referatsleiterin im KC Arbeitsmedizin
Seite 26
Hautkrebs durch natürliche UV-Strahlung (II)
Medizinische Voraussetzungen (I):
Feingewebliche Sicherung eines Plattenepithelcarcinoms (40% der
Hautkrebse; Auftreten an chronisch sonnenexponierten Hautarealen)
Vorläufer sind aktinische Keratosen. Diese stellen dann eine BK dar,
wenn sie mit einer Zahl von mehr als 5 pro Jahr einzeln oder
zusammenfließend in einer Fläche von größer als 4 cm² auftreten
Dr.med. Madhumita Chatterjee, Referatsleiterin im KC Arbeitsmedizin
Seite 27
Hautkrebs durch natürliche UV-Strahlung (III)
Medizinische Voraussetzungen (II):
Chronische Lichtschäden sind nicht erforderliche Voraussetzung
(tiefe Falten, Teleangiektasien, Über-/Unterpigmentierung, Atrophie..)
Hauttyp ist ohne Bedeutung für die versicherungsrechtliche Beurteilung
Konkurrierende Faktoren und Risikofaktoren müssen berücksichtigt
werden (Albinismus, Vitiligo, Immunsuppression, zurückliegende
Lichttherapie). Daher Einholung eines Vorerkrankungsverzeichnisses für
ca. 10 Jahre.
Dr.med. Madhumita Chatterjee, Referatsleiterin im KC Arbeitsmedizin
Seite 28
Hautkrebs durch natürliche UV-Strahlung (IV)
Arbeitstechnische Voraussetzungen:
• ausschließliche Betrachtung der natürlichen UV- Strahlung
UV-Strahlung im Bereich 250-400nm = UV-A- und UV-B-Strahlung
Sonnenstrahlung: 95% UV-A und 5% UV-B
• Keine Betrachtung der UV Strahlung aus künstlichen Quellen wie
Schweißen, UV-Härtung
Dr.med. Madhumita Chatterjee, Referatsleiterin im KC Arbeitsmedizin
Seite 29
Hautkrebs durch natürliche UV-Strahlung (V)
Gefährdete Berufsgruppen:
z.B. Beschäftigte in der Land- und Forstwirtschaft, Fischerei, Seefahrt,
Baugewerbe, Handwerk, bei Arbeitseinsätzen im Ausland
Straßenarbeiter, Bademeister, Bergführer
Dr.med. Madhumita Chatterjee, Referatsleiterin im KC Arbeitsmedizin
Seite 30
Hautkrebs durch natürliche UV-Strahlung (VI)
Ermittlung durch den Präventionsdienst (I):
Lebenslange UV-Strahlungsexposition bis zum Beginn der
Hautkrebserkrankung
• Daher auch Ermittlung der nicht arbeitsbedingten UV-Exposition
• Keine Berücksichtigung von „Wegezeiten“
• Beschreibung von Körperhaltungen, in denen gearbeitet wurde
Dr.med. Madhumita Chatterjee, Referatsleiterin im KC Arbeitsmedizin
Seite 31
Hautkrebs durch natürliche UV-Strahlung (VII)
Ermittlung durch den Präventionsdienst (II):
Die „nicht-arbeitsbedingte“ UV-Exposition wird standardmäßig ermittelt
(Grundgröße 130 SED auf Brusthöhe pro Jahr). Vermerkung besonderer
Abweichungen (hohe UV-Expositionen durch Urlaub oder Freizeitverhalten
oder unterdurchschnittliche Expositionen)
Dr.med. Madhumita Chatterjee, Referatsleiterin im KC Arbeitsmedizin
Seite 32
Hautkrebs durch natürliche UV-Strahlung (VIII)
Ermittlung durch den Präventionsdienst (III):
Bei einer arbeitsbedingten UV-Exposition von mehr als 40% zusätzlich zur „nicht-arbeitsbedingten“ UV-Exposition (Alter x 130SED), spricht dies für einearbeitsbedingte Verursachung!!
Hb, min = 0,4 ⋅ a ⋅ fKörp ⋅ 130 SED
Hb, min: minimale versicherte Lebenszeitbestrahlung, die zum Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzung erreicht werden muss
a: Alter des Versicherten in Jahren am Tag der Sicherung der Diagnose
fKörp: Körperstellenfaktor
Dr.med. Madhumita Chatterjee, Referatsleiterin im KC Arbeitsmedizin
Seite 33
Hautkrebs durch natürliche UV-Strahlung (IX)
Ermittlung durch den Präventionsdienst (III):
Wittlich’sche Formel
Hb/a = ∑
Zeitfaktoren Geographische Faktoren Persönliche Faktoren
fWT ∙ fMS ∙ fJZ ∙ fb ∙ fTZ
Tage Stunden
fLat ∙ fHöhe ∙ fReflex fKörp ∙ fSchutz Hb/a (ref) (3a)∙ ∙ ∙
Dr.med. Madhumita Chatterjee, Referatsleiterin im KC Arbeitsmedizin
Seite 34
Hautkrebs durch natürliche UV-Strahlung (X)
Für Hautkrebserkrankungen gelten nicht:
Das Hautarztverfahren und der Hautarztbericht
Betriebsärztlicher Gefährdungsbericht
BK Anzeige geht an den UV-Träger, in dessen Mitgliedsbetrieb vor der
Meldung zuletzt eine Exposition vorlag
Dr.med. Madhumita Chatterjee, Referatsleiterin im KC Arbeitsmedizin
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit !
Seite 35Dr.med. Madhumita Chatterjee, Referatsleiterin im KC Arbeitsmedizin
Kontakt:
Dr. med. Madhumita Chatterjee
Fachärztin für Arbeitsmedizin & Innere Medizin
Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie
Kurfürsten-Anlage 62
69115 Heidelberg
Tel: 06221 5108-28254
Fax: 06221 5108-21199
E-Mail: [email protected]
Internet: www.bgrci.de