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Vordenker-Medien / Bley und Schwarzmann AG / Im Raisger 29 / 71336 Waiblingen www.vordenker-online.de / [email protected] / © 2008 - Oliver W. Schwarzmann November 2004 Neue Handelswelten Expedition in die Zukunft des Konsums Vordenker Oliver W. Schwarzmann Handel mit Wandel Der Konsum ist seit Jahren die Achillesverse der deutschen Konjunktur. Als gängige Erklärung hierfür werden die herrschenden Zukunftsängste der Konsumenten angeboten. Doch stimmt das wirklich? Natürlich sind die Zeiten unsicherer geworden, sowohl ökonomisch und in Folge beruflich als auch geopolitisch. Zudem präsentieren sich die Zeiten schnelllebiger, die Zukunft scheint kürzer und unmittelbarer, lange Distanzen lassen sich kaum mehr überblicken. Zudem wächst der Anteil an Sicherungsausgaben für die persönliche Zukunftsqualität am Erwerbseinkommen. Und sicherlich gibt es Zurückhaltungseffekte als Reaktion darauf, doch Menschen können Unsicherheit nicht lange aushalten. Die neue Antwort auf die vielen möglichen Risiken ist eine Konzentration des Konsumenten auf das Wesentliche, das Sinnvolle, das Nützliche, das Eigentliche – und im Konsum gilt „das Vielleicht“. Die Konsummärkte sind auf Grund der hohen materiellen Sättigung nicht mehr geprägt von Erstbedürfnissen, sondern folgen Zusatzbedürfnissen, die keine zwingende Konsumnotwendigkeit ausstrahlen, sondern allesamt optional angelegt sind. Konsumprodukte lassen sich daher nicht mehr auf Basis einer Mangel-Bedarfssituation verkaufen, sondern müssen durch eben zusätzliche, immaterielle Mehrwerte zu neuer Attraktivität finden. Motive ersetzen Bedürfnisse. Der Konsum wandelt sich vom Produktmarktplatz zum Forum für Marketing- und Serviceleistungen. Service-Agreements ersetzen Produkte Doch nicht nur das „Warum“ des Konsumierens definiert sich neu, sondern auch das „Wie“ erfährt eine tiefgreifende Veränderung: Analysen zeigen, dass der Kunde sich nicht mehr zum anstrengenden Einkauf begibt, sondern einen Inspirations-Trip zu neuen Anregungen und Ideen für seine persönliche Lebenskunst unternimmt, bei dem alle Sinne angesprochen werden wollen. Der

Neue Handelswelten - Konsumententrends

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Bedürfnisse. Der Konsum wandelt sich vom Produktmarktplatz zum Forum für Marketing- und an Sicherungsausgaben für die persönliche Zukunftsqualität am Erwerbseinkommen. Und anstrengenden Einkauf begibt, sondern einen Inspirations-Trip zu neuen Anregungen und Ideen für lassen sich daher nicht mehr auf Basis einer Mangel-Bedarfssituation verkaufen, sondern müssen eine tiefgreifende Veränderung: Analysen zeigen, dass der Kunde sich nicht mehr zum Serviceleistungen.

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Vordenker-Medien / Bley und Schwarzmann AG / Im Raisger 29 / 71336 Waiblingen

www.vordenker-online.de / [email protected] / © 2008 - Oliver W. Schwarzmann

November 2004

Neue Handelswelten Expedition in die Zukunft des Konsums

Vordenker Oliver W. Schwarzmann

Handel mit Wandel

Der Konsum ist seit Jahren die Achillesverse der deutschen Konjunktur. Als gängige Erklärung

hierfür werden die herrschenden Zukunftsängste der Konsumenten angeboten. Doch stimmt das

wirklich? Natürlich sind die Zeiten unsicherer geworden, sowohl ökonomisch und in Folge beruflich

als auch geopolitisch. Zudem präsentieren sich die Zeiten schnelllebiger, die Zukunft scheint kürzer

und unmittelbarer, lange Distanzen lassen sich kaum mehr überblicken. Zudem wächst der Anteil

an Sicherungsausgaben für die persönliche Zukunftsqualität am Erwerbseinkommen. Und

sicherlich gibt es Zurückhaltungseffekte als Reaktion darauf, doch Menschen können Unsicherheit

nicht lange aushalten. Die neue Antwort auf die vielen möglichen Risiken ist eine Konzentration

des Konsumenten auf das Wesentliche, das Sinnvolle, das Nützliche, das Eigentliche – und im

Konsum gilt „das Vielleicht“. Die Konsummärkte sind auf Grund der hohen materiellen Sättigung

nicht mehr geprägt von Erstbedürfnissen, sondern folgen Zusatzbedürfnissen, die keine zwingende

Konsumnotwendigkeit ausstrahlen, sondern allesamt optional angelegt sind. Konsumprodukte

lassen sich daher nicht mehr auf Basis einer Mangel-Bedarfssituation verkaufen, sondern müssen

durch eben zusätzliche, immaterielle Mehrwerte zu neuer Attraktivität finden. Motive ersetzen

Bedürfnisse. Der Konsum wandelt sich vom Produktmarktplatz zum Forum für Marketing- und

Serviceleistungen.

Service-Agreements ersetzen Produkte

Doch nicht nur das „Warum“ des Konsumierens definiert sich neu, sondern auch das „Wie“ erfährt

eine tiefgreifende Veränderung: Analysen zeigen, dass der Kunde sich nicht mehr zum

anstrengenden Einkauf begibt, sondern einen Inspirations-Trip zu neuen Anregungen und Ideen für

seine persönliche Lebenskunst unternimmt, bei dem alle Sinne angesprochen werden wollen. Der

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Erlebnisreichtum des Shoppens ist wichtiger als die Breite des Produktsortiments. Deshalb

inszeniert der Handel zunehmend faszinierende Erlebniswelten, innerhalb derer Produkte als

Merchandisingartikel passend zum Thema positioniert werden. Dabei avancieren Produkte immer

mehr zum modularen Element einer weitreichenden Servicedimension: Langfristige Service-

Agreements ersetzen isolierte Produkte. Und die bisherigen Rabattschlachten gehen über in eine

Vollfinanzierungskultur: Die Bezahlung eines Produktes wird vom Prozess des Einkaufens

entkoppelt. Der Bereich der Konsumkredite verschiebt sich daher zunehmend von den Banken

zum Handel. Kommen wir zum Eingangsstatement zurück: Die Analysen der Future Business

Group belegen, dass die deutschen Konsumenten keine wirkliche Angst-Society sind, sondern

gezielter und qualifizierter shoppen. Viele der befragten Konsumenten gaben auf die Frage nach

den Gründen der Konsumzurückhaltung zu Protokoll, es mache keinen Spaß in Deutschland Geld

auszugeben. Und: Die Rabattschlachten haben die Preisglaubwürdigkeit zerstört. Die neue Future-

Business-Group-Studie dazu: Über 70% der Befragten halten den reduzierten Preis für den

wirklichen Warenwert. Der Handel wird daher verstärkt Glaubwürdigkeits- und

Vertrauensbotschaften aussenden, um ein neues Wertbewusstsein herzustellen.

Aus Käufermärkten werden Verdrängungsmärkte

Der Konsument ist sich seiner Kaufmacht durchaus bewusst und setzt seine Ressourcen –Zeit,

Aufmerksamkeit und Kapital– strategisch ein: Ökonomische Leitprinzipien werden in den privaten

Alltag übernommen. Mit der parallelen Ausbreitung der Massenmedien stehen dem Kunden

zunehmend mehr Wissen und Marktzugänge zur Verfügung: Die daraus entstehende, bisher nie da

gewesene Transparenz treibt den Wettbewerb. Aus den aktuellen Käufermärkten werden

Verdrängungsmärkte. Die erfordern vom Handel eine permanente Attraktions-Inszenierung seiner

Positionierung sowie eine hohe Absicherung der Kundenbeziehungen. Die Loyalität der durch die

hohe Konsummobilität zunehmend illoyalen Konsumenten sichern Unternehmen durch

privilegierte, personalisierte und innovative Servicebeziehungen. Dabei wird der aktuelle Trend

zum Boni- und Rabattcouponing ausgereizt; wir gehen davon aus, dass dieses Phänomen um

2006 seinen Zenit erreicht haben dürfte. Danach entwickelt sich eine Couponing-Kultur, die dem

Kunden keine Prämien bietet, sondern privilegierte, weil limitierte und exklusive Dienstleistungen.

In welchen Bereichen wird sich der Service noch entwickeln?

Vom Service zum integrativen Assistenzsystem

Viele Konsumenten verstehen unter Service einfach ein hohes Maß an Freundlichkeit und

motivierter Ideen-Beratung. Wir sprechen vom Trend zum Customer-Careing: Das aktive Kümmern

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um den Kunden wird zum Wettbewerbsfaktor Nummer 1. Allerdings ist das Take-Care-Prinzip nicht

an Personen gebunden; zunehmend mehr technische Assistenzsysteme werden den Kunden im

Konsum unterstützen. Self-Discounting-Systeme, die den Selbstbedienungsansatz weiter

qualifizieren werden, liegen im Trend. Gleiches gilt für den Internethandel: Multimediale

Serviceportale mit individuell anpassungsfähigen Assistenzsystemen und hohem Erlebniswert

werden boomen. Die Self-Discounting-Systeme nutzen den ohnehin stark wirkenden Trend zum

Do-it-yourself (DIY). Die Folge des DIY-Booms ist, dass der Konsument vom passiven Verbraucher

zum aktiven Gestalter avanciert: Integrative Shopping- und modulare Produktsysteme mit hohen

DIY-Komponenten kommen auf den Markt, verstärkt für Single-Haushalte, deren Anzahl vor allem

in den Cities weiter zunimmt. Je stärker der Kunde in das Handels- und Produktsystem sinnvoll

integriert werden kann, desto größer der Markterfolg. Der Verdrängungswettbewerb verlagert sich

vom Kampf um Inhalte zum Wettstreit um Interaktion. Mittels dieser Entwicklung kommt dem Point-

of-Sale (PoS) eine wichtige Bedeutung zu: Er formt sich vom bisherigen, repräsentativen und

dekorativen PoS zum Animations-PoS, der den Kunden zur Interaktion anregt.

Die Trends nach Selbstbestimmtheit und Individualisierung finden in diese Konsumentwicklung

Einzug: Der Konsument zeigt sich zunehmend verkaufsresistenter, will sagen: der Kunde will sich

nichts mehr verkaufen lassen, sondern selbst wählen. Je höher der Wunsch nach individueller

Selbstbestimmung durchdringt, desto größer wird die Entscheidungsmenge und desto höher ist der

Orientierungsanspruch des Konsumenten. Die Folge ist ein wachsender Informations- und

Kommunikationsbedarf, den der Kunde eigenständig steuert, indem er selbst recherchiert. Die seit

Jahren steigenden Researchquoten im Internet belegen diesen Trend. Dabei orientieren sich

Konsumenten an unabhängigen Daten wie Ratings, Tests und Expertenurteile. Die Folge ist ein

Boom von Tests- und Ratgebermedien. Auf die wachsende Researchfrequenz im Web reagieren

die Unternehmen mit dem Ausbau von Präsenz- und Suchwortmarketingsystemen. Je mehr

Eigenkompetenz und individueller Anspruch vom Kunden in den Markt wandern, desto komplexer

und qualifizierter wird der Absatzprozess mit dem Effekt einer Verlängerung der

Vermarktungszeiten.

Motive der Altersgruppen durchmischen sich

Der Blick in die Langfristprognose der Einkommen zeigt einen stabilen Wachstumstrend bei

tendenziell rückläufigem Anteil der Arbeitseinkommen und einer Zunahme der

Vermögenseinkünfte. Diese Entwicklung verläuft zunehmend inhomogen: Es kommt durch

Verengung des demografischen Vermögenstrichters – immer weniger Nachkommen erben immer

mehr Geld - und des konjunkturellen Einkommenstrichters – qualifizierte Spaltung des

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Arbeitsmarktes – zu einer wachsenden Verklumpung der Einkommensstrukturen: Eine wachsende

Marktkonzentration ist die Folge. Dabei ist der demografische Shift von außerordentlicher

Bedeutung. Die Bevölkerungsentwicklung in Deutschland ist auf Grund der niedrigen

Geburtenquote mit 1,3 Kindern pro gebärfähiger Frau seit Jahren rückläufig. Der demografische

Knick ist unausweichlich: In wenigen Jahren werden vermehrt Senioren die Konsumlandschaft

bestimmen, ab 2010 wird sich diese Entwicklung beschleunigen. Die rückläufige Anzahl der Kinder

und Jugendlichen führt dazu, dass ihre Pro-Kopf-Kaufkraft steigt. Kids und Jugendliche sind

experimentelle Event-, Mode- und Spontan-Shopper mit situativer Konsumneigung und einem

ausgeprägtem Interesse am dynamischen Design ihrer Ich-Performance. Dabei sind Popgrößen

ihre Ikonen, die zunehmend im Merchandising-Konsum eingesetzt werden, der in einer

multimedialen und mobilen Erlebniskultur inszeniert wird. Die Entwicklung der Konsumentengruppe

der Mid-Ager (rd. 30 – 54 Jahre) zeigt durch die demografische Verschiebung eine Blasenbildung:

Ihr Potenzial in Anzahl und Kaufkraft steigt kurzfristig an, nimmt jedoch langfristig ab. Sie zeigen

eine stagnative bis rückläufige Konsumneigung wegen verstärkter Konzentration auf ihre

Zukunftsvorsorge – sie sind als Ressourcenkonsumenten und Sicherheitssparer äußerst konsum-

und preissensibel. Durch die schnell steigenden Lebenserwartungsperspektiven zeigt sich eine

überproportionale Volumenentwicklung der 55plus-Gruppen gegenüber jüngeren Gruppen. Die

Senioren repräsentieren eine langfristig ansteigende, aber differenzierte Kaufkraftentwicklung

durch die zitierte Vermögens- und Kapitaleinkunftskonzentration. Senioren besitzen eine qualitative

Konsumneigung und schätzen Kontinuität und Pflege des Bestands, was zu einer Entschleunigung

der Produktlebenszyklen führen wird. Ihre Hauptkonsumfokus wird liegen auf Investitionen in

körperliche und geistige Vitalität, Mobilität, Bildung, kulturelle Anregung und Beziehungen.

Senioren werden die Konsumkultur in eine benutzerfreundliche und persönlich geprägte Assistenz-

Servicekultur verändern.

Interessant ist ein weiterer Effekt in der Konsumpsychologie: Motive, die sich an ganzheitlicher

Inspiration, individuellem Sinnpotenzial, kultureller Anregung und persönlicher Entwicklung

orientieren, tauchen in allen Altersgruppen auf und durchmischen sich. Es entstehen situative

Motiv-Konstellationen und übergreifende Themenkulturen. Senioren orientieren sich zunehmend

an Jugendlichkeit, jüngere Konsumenten entdecken Premium- und kulturellen Life-Style-Konsum.

Das heißt: Eindeutige Zielgruppe sind kaum mehr auszumachen. Vielmehr ersetzen Special-

Interest-Clans die bisherige Zielgruppendefinition. Der Fachhandel wird einen hochspezialisierten

Clan-PoS inszenieren mit sehr klarem USP-Profil, der Massenhandel setzt auf ein breites Band an

Konsum-Animationen. Beiden Konsumarten ist gemeinsam, dass sie eine eigenständige Botschaft

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am Markt platzieren. Denn die Botschaft, die für den Kunden bedeutsame, weil persönlich

faszinierende Kult-, Kultur- und Kunstelemente enthält, löst die bisherige Marke ab. Und der

Kunde? Der Kunde wird zur Marke.