6
S2/2016 ONKOLOGIE heute UPDATE: ONKOLOGISCHE SUPPORTIVTHERAPIE 47 Anna Jurkovska – Fotolia Chemotherapie-induzierte Übelkeit und Erbrechen (CINV) zählen nach wie vor zu den unangenehms- ten und von Patienten am meisten gefürchteten Nebenwirkungen einer Chemotherapie - ihre Präven- tion spielt eine bedeutende Rolle in der onkologischen Supportivtherapie. Durch die kombinierte an- tiemetische Prophylaxe mit modernen Antiemetika kann Erbrechen bei etwa 70 bis 85 % der erwach- senen Tumorpatienten, die eine hoch oder moderat emetogene Chemotherapie (HEC bzw. MEC) erhal- ten, komplett verhindert werden, während die Übelkeit vor allem in der verzögerten Phase weiterhin ein Problem darstellt. Die CINV-Prophylaxe sollte sich an den evidenzbasierten Leitlinien der Fachge- sellschaften orientieren. Die derzeit gültigen internationalen und interdisziplinären MASCC/ESMO- Leitlinien (Multinational Association of Supportive Care in Cancer/European Society for Medical Onco- logy) wurden im März 2016 online publiziert. Neben der Einordnung von 36 neuen Substanzen in die gültigen antiemetischen Risikoklassen hoch – moderat – gering – minimal gab es wichtige Änderungen bei den Empfehlungen zur Dreifachantiemese mit 5-HT 3 -Rezeptorantagonist (5-HT 3 -RA), NK 1 -Rezept- orantagonist (NK 1 -RA) und Dexamethason: Diese wird weiterhin bei allen HEC-Regimen, zu denen neu Anthrazyklin/Cyclophosphamid (AC)-haltige Schemata zählen, und auch bei Carboplatin, das damit ei- ne Sonderstellung bei MEC erhielt, bei Cisplatin-basierten Mehrtageschemotherapien, bei Hochdosi- schemotherapien und bei Kindern empfohlen. Die CINV wird laut einer Definition aus Studien in den 1980er Jahren in drei Verlaufsformen eingeteilt: Akute CINV: innerhalb der ersten 24 h nach Chemotherapie auftre- tend (Hauptneurotransmitter: Serotonin; Freisetzung aus ente- rochromaffinen Zellen im Dünn- darm. Verzögerte CINV: beginnend 24 h und anhaltend bis 5 Tage nach Chemotherapie/Strahlenthera- pie (Hauptneurotransmitter: Substanz-P) Antizipatorische CINV: Auftreten erst in einem Folgezyklus der Chemotherapie/Strahlenthera- pie. Klassische Konditionierung nach Auftreten von Übelkeit und Erbrechen in vorausgegangenen Zyklen. Unter Berücksichtigung des akuten und verzögerten Erbrechens wer- den die verschiedenen Chemothe- rapeutika empirisch in 4 Risikoklas- sen eingeteilt [1]. Die Auswahl des antiemetischen Therapieregimes ist Neue MASCC/ESMO Leitlinie zur antiemetischen Therapie Petra Feyer, Berlin, und Petra Ortner, München CME

Neue MASCC/ESMO Leitlinie zur antiemetischen Therapie · S2/2016 ONKOLOGIE heute UPDATE: ONKOLOGISCHE SUPPORTIVTHERAPIE 47 A n n a J u r k o v s k a – F o t o l i a Chemotherapie-induzierte

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Neue MASCC/ESMO Leitlinie zur antiemetischen Therapie · S2/2016 ONKOLOGIE heute UPDATE: ONKOLOGISCHE SUPPORTIVTHERAPIE 47 A n n a J u r k o v s k a – F o t o l i a Chemotherapie-induzierte

S2/2016 ONKOLOGIE heute

UPDATE: ONKOLOGISCHE SUPPORTIVTHERAPIE 47A

nn

aJu

rko

vska

–Fo

tolia

Chemotherapie-induzierte Übelkeit und Erbrechen (CINV) zählen nach wie vor zu den unangenehms-ten und von Patienten am meisten gefürchteten Nebenwirkungen einer Chemotherapie - ihre Präven-tion spielt eine bedeutende Rolle in der onkologischen Supportivtherapie. Durch die kombinierte an-tiemetische Prophylaxe mit modernen Antiemetika kann Erbrechen bei etwa 70 bis 85 % der erwach-senen Tumorpatienten, die eine hoch oder moderat emetogene Chemotherapie (HEC bzw. MEC) erhal-ten, komplett verhindert werden, während die Übelkeit vor allem in der verzögerten Phase weiterhinein Problem darstellt. Die CINV-Prophylaxe sollte sich an den evidenzbasierten Leitlinien der Fachge-sellschaften orientieren. Die derzeit gültigen internationalen und interdisziplinären MASCC/ESMO-Leitlinien (Multinational Association of Supportive Care in Cancer/European Society for Medical Onco-logy) wurden im März 2016 online publiziert. Neben der Einordnung von 36 neuen Substanzen in diegültigen antiemetischen Risikoklassen hoch – moderat – gering – minimal gab es wichtige Änderungenbei den Empfehlungen zur Dreifachantiemese mit 5-HT3-Rezeptorantagonist (5-HT3-RA), NK1-Rezept-orantagonist (NK1-RA) und Dexamethason: Diese wird weiterhin bei allen HEC-Regimen, zu denen neuAnthrazyklin/Cyclophosphamid (AC)-haltige Schemata zählen, und auch bei Carboplatin, das damit ei-ne Sonderstellung bei MEC erhielt, bei Cisplatin-basierten Mehrtageschemotherapien, bei Hochdosi-schemotherapien und bei Kindern empfohlen.

Die CINV wird laut einer Definitionaus Studien in den 1980er Jahren indrei Verlaufsformen eingeteilt:• Akute CINV: innerhalb der ersten

24 h nach Chemotherapie auftre-tend (Hauptneurotransmitter:Serotonin; Freisetzung aus ente-rochromaffinen Zellen im Dünn-darm.

• VerzögerteCINV:beginnend24hund anhaltend bis 5 Tage nachChemotherapie/Strahlenthera-pie (Hauptneurotransmitter:Substanz-P)

• Antizipatorische CINV: Auftretenerst in einem Folgezyklus derChemotherapie/Strahlenthera-pie. Klassische Konditionierungnach Auftreten von Übelkeit undErbrechen in vorausgegangenenZyklen.

Unter Berücksichtigung des akutenund verzögerten Erbrechens wer-den die verschiedenen Chemothe-rapeutika empirisch in 4 Risikoklas-sen eingeteilt [1]. Die Auswahl desantiemetischen Therapieregimes ist

Neue MASCC/ESMO Leitlinie zurantiemetischen TherapiePetra Feyer, Berlin, und Petra Ortner, München

CME

Page 2: Neue MASCC/ESMO Leitlinie zur antiemetischen Therapie · S2/2016 ONKOLOGIE heute UPDATE: ONKOLOGISCHE SUPPORTIVTHERAPIE 47 A n n a J u r k o v s k a – F o t o l i a Chemotherapie-induzierte

ONKOLOGIE heute S2/2016

UPDATE: ONKOLOGISCHE SUPPORTIVTHERAPIE48

Hoch (Emesisrisiko ohne antiemetische Prophylaxe >90%)Anthrazyklin/Cyclophos phamid-Kombinationen Cyclophosphamid (≥1500 mg/m²) ProcarbazinCarmustin Dacarbazin MechlorethaminCisplatin Hexamethylmelamin StreptozocinModerat (Emesisrisiko ohne antiemetische Prophylaxe 30 – 90%)Alemtuzumab Cyclophosphamid (<1500 mg/m²) IrinotecanAzacitidin Cytarabin (> 1000 mg/m²) OxaliplatinBendamustin Daunorubicin RomidepsinBosutinib Doxorubicin* TemozolomidCarboplatin** Epirubicin* ThiotepaCeritinib Idarubicin TrabectedinClofarabin Ifosfamid Vinorelbin oralCrizotinib ImatinibGering (Emesisrisiko ohne antiemetische Prophylaxe 10 – 30%)Aflibercept Etoposid PanitumumabAfatinib Everolimus PazopanibAxatinib Fludarabin oral PemetrexedBelinostat 5-Fluorouracil PertuzumabBlinatumomab Gemcitabin PonatinibBortezomib Ibrutinib RegorafenibBrentuximab Idelalisib SunitinibCabazitaxel Ipilimumab TemsirolimusCapecitabin Ixabepilon Tegafur UracilCarfilzomib Lapatinib ThalidomidCatumaxumab Lenalidomid TopotecanCetuximab Methotrexat i.v. Trastuzumab Emtansin (T-DM1)Cytarabin ≤ 1000 mg/m² Mitomycin VandetanibDabrafenib Mitoxantron VinfluninDasatinib nab-Paclitaxel VorinostatDocetaxel NilotinibDoxorubicin HCL liposomal OlaparibEribulin PaclitaxelMinimal (Emesisrisiko ohne antiemetische Prophylaxe <10%)Bevacizumab Methotrexat oral oder < 100 mg/m² 6-ThioguaninBleomycin Nivolumab TrastuzumabBusulfan L-Phenylalaninmustard Vemurafenib2-Chlorodeoxyadenosin Ofatumumab VinblastinChlorambucil Pembrolizumab VincristinCladribin Pixantron Vinorelbin i.v.Erlotinib Pomalidomid VismodegibGefitinib PralatrexatHydroxyurea RituximabFludarabin i.v. RuxolitinibMelphalan Sorafenib

** Diese Anthrazykline werden, wenn sie bei Mammakarzinompatientinnen mit Cyclophosphamid kombiniert werden, in die Gruppe mit hohem Risiko eingeordnet.

** Carboplatin gilt als Sonderfall unter den moderat emetogenen Substanzen und erfordert eine Dreifachantiemese unter Einschluss eines NK1-RA.

Tab. 1: Emetogenes Potenzial intravenös und oral applizierter antineoplastischer Substanzen (nach [5])

CME

Page 3: Neue MASCC/ESMO Leitlinie zur antiemetischen Therapie · S2/2016 ONKOLOGIE heute UPDATE: ONKOLOGISCHE SUPPORTIVTHERAPIE 47 A n n a J u r k o v s k a – F o t o l i a Chemotherapie-induzierte

S2/2016 ONKOLOGIE heute

UPDATE: ONKOLOGISCHE SUPPORTIVTHERAPIE 49

dabei abhängig von der Zugehörig-keit der Chemotherapie zur hoch,moderat, gering oder minimal eme-togenen Gruppe (� Tab. 1). Dasemetogene Potenzial der verwen-deten Chemotherapie definiert dasHauptrisiko für die CINV, bei Kom-binationschemotherapien die Sub-stanz mit der höchsten Emetogeni-tät. Es gibt keine additiven Effekte.Zudem besteht ein erhöhtes Risikofür Erbrechen bei intravenöser Ap-plikation, hoher Dosierung undschneller Applikationsgeschwindig-keit der Chemotherapie [2]. Weibli-ches Geschlecht, junges Alter (< 35Jahre) sowie Vorerfahrungen mitÜbelkeit und Erbrechen z.B. in derSchwangerschaft oder bei voraus-gegangenen Chemotherapien er-höhen das Risiko individuell [3,4].

In den MASCC/ESMO-Antiemese-Leitlinien 2016 [5] wurden 36 neuezytostatische Substanzen – meistzielgerichtete Substanzen – erst-mals in die antiemetische Risiko-klassifizierung aufgenommen. Fastalle neuen Substanzen wurden alsgering oder minimal emetogen ein-gestuft (� Tab. 1).

Antiemetische Medikamente

Die wichtigsten antiemetisch wirk-samen Substanzklassen sind 5-HT3-RA, NK1-RA und Glukokortikoide.

5-HT3-RezeptorantagonistenDie 5-HT3-Rezeptorantagonisten(5-HT3-RA) haben die antiemetischeTherapie zu Beginn der 1990igerJahre revolutioniert. Diese Substan-zen sind für die Prophylaxe des aku-ten Erbrechens bei moderat undhoch emetogenen Chemotherapi-en indiziert und werden im Rahmeneiner Dreierkombination mit einemNK1-RA und Dexamethason oder inKombination mit Dexamethasoneingesetzt. Als Einzelsubstanz emp-fiehlt sie die MASCC als eine Optionzur Prävention der akuten CINVnach gering emetogener Chemo-

therapie. In der Prophylaxe des ver-zögerten Erbrechens ist ihr Stellen-wert – mit Ausnahme des 5-HT3-RAPalonosetron – eher gering. Bei Pa-lonosetron ist aufgrund seiner lan-gen Halbwertszeit von 40 h, stärke-ren Rezeptoraffinität und andererBindungsmechanismenauchvonei-ner Wirksamkeit in der Prophylaxedes verzögerten Erbrechens auszu-gehen [6,7]. Die MASCC/ESMO-Leit-linien 2016 empfehlen Palonoset-ron als zu bevorzugenden 5-HT3-RAbei AC-Chemotherapie, wenn keinNK1-RA verfügbar ist.

Das Nebenwirkungsprofil der 5-HT3-RA ist günstig. Die häufigstenSymptome sind Kopfschmerzenund Obstipation. Bei der Anwen-dungvon5-HT3-RAsolltenwesentli-chePrinzipienbeachtetwerden,umeine maximale Wirkung und opti-male Kosten-Nutzen-Relation zu er-zielen [8-10]:• Die geringste wirksame Dosis ist

ausreichend,• die tägliche Einmalgabe ist aus-

reichend und• die orale Gabe ist der intravenö-

sen Gabe unter Berücksichtigungder Bioverfügbarkeit ebenbür-tig.

Neurokinin-1-Rezeptorantagonis-tenNK1-Rezeptorantagonisten (NK1-RA) wirken besonders stark in derverzögerten Phase, sind jedoch so-wohl in der akuten als auch in derverzögerten Phase wirksam. InDeutschland stehen derzeit als Kap-seln Aprepitant und das intravenöszu applizierende Fosaprepitant zurVerfügung. Als einziger NK1-RA istAprepitant auch bei Kindern mitHEC ab 6 Monaten und Jugendli-chen zugelassen. Für Säuglinge,KleinkinderundKinder imAltervon6 Monaten bis 12 Jahren ist der NK1-RA als Pulver zur Herstellung einerSuspension zum Einnehmen mit ge-wichtsabhängiger Dosierung ver-

fügbar. Für erwachsene Tumorpati-enten ist seit 2015 zudem eine oraleFixkombination des neuen hoch se-lektiven NK1-RA Netupitant mitdem 5-HT3-RA Palonosetron (NEPA)für die Antiemese bei hoch emeto-gener Cisplatin-basierter sowie mo-derat emetogener Chemotherapiezugelassen. Außerhalb der EU istzudem der NK1-RA Rolapitant ver-fügbar.Indiziert sind NK1-RA als Teil einesDreifachregimes in Kombinationmit einem 5-HT3-RA und Dexame-thason zur antiemetischen Pro-phylaxe bei hoch und moderatemetogener Chemotherapie. DieMASCC/ESMO-Leitlinien 2016 emp-fehlen die Dreifachantiemese mitAprepitant auch für die Präventionder akuten CINV bei Cisplatin-ba-sierten Mehrtageschemotherapienund bei Hochdosischemotherapienvor einer Stammzelltransplantati-on. Auch bei Carboplatin wird inden neuen Leitlinien eine Dreifa-chantiemese unter Beteiligung ei-nes NK1-RA empfohlen.Aprepitant, Fosaprepitant und Ne-tupitant sind moderate CYP3A4-In-hibitoren. Die Dosierung von 20 mgDexamethason muss deshalb auf12 mg (akute Phase bei HEC) bzw.auf 8 mg (verzögerte Phase bei HECund MEC) reduziert werden. Alledrei NK1-RA besitzen ein günstigesNebenwirkungsprofil. Appetitlo-sigkeit ist das am häufigsten be-schriebene Symptom, gelegentlichkommt es zu Schluckauf (4-5 %).

GlukokortikoideObwohl der genaue antiemetischeWirkmechanismus von Glukokorti-koiden noch nicht im Detail geklärtist, sind sie fester Bestandteil vonantiemetischen Präventionsstrate-gien. Sie verstärken die Wirksam-keit von 5-HT3-RA und NK1-RA undwerden sowohl für die Prophylaxeder akuten als auch der verzöger-ten CINV eingesetzt [11]. Dexame-thason hat sich als Mittel der Wahl

CME

Page 4: Neue MASCC/ESMO Leitlinie zur antiemetischen Therapie · S2/2016 ONKOLOGIE heute UPDATE: ONKOLOGISCHE SUPPORTIVTHERAPIE 47 A n n a J u r k o v s k a – F o t o l i a Chemotherapie-induzierte

ONKOLOGIE heute S2/2016

UPDATE: ONKOLOGISCHE SUPPORTIVTHERAPIE50

etabliert [8, 11]. Das Nebenwir-kungspotenzial vonDexamethasonist bei der kurzen Therapiedauer alseher gering einzuschätzen. Dosi-sanpassungen sind ggf. zu beach-ten (s. o., siehe auch � Tab. 4.).

MetoclopramidDer Dopamin-RezeptorantagonistMetoclopramid kann bei geringemetogener Chemotherapie als Al-ternative zu einem 5-HT3-RA oderDexamethason zur Prävention aku-ter CINV eingesetzt werden. Eineweitere Indikation für MCP bestehtals so genannte „Rescue-Medikati-on“ bei Therapieversagern. DieMASCC/ESMO-Leitlinien 2016 emp-fehlen MCP außerdem in Kombina-tion mit Dexamethason an den Ta-gen 2–4 für die Prävention der ver-zögerten CINV nach hoch emeto-gener Chemotherapie als Alter-native zu Aprepitant und Dexame-thason. Problematisch ist allerdingsdie empfohlene Dosierung von4 R 20 mg täglich über 4 Tage, dadiese maximale Tagesdosis von MCPin Deutschland nicht zugelassen ist,sondern auf 0,5 mg/kg Körperge-wicht beschränkt ist. MCP ist das An-tiemetikum der Wahl zur Behand-lung von Übelkeit und Erbrechenbei Patienten mit fortgeschrittenerTumorerkrankung. Mögliche Ne-benwirkungen sind Sedierung,Durchfälle und mitunter extrapyra-midale Symptome.

OlanzapinDas atypische Neuroleptikum wirdin der Dosierung von 10 mg täglichfür 3 Tage als Rescue-Antiemeti-kum empfohlen, wobei jedoch dersedierende Effekte der Substanzzu beachten ist. In den aktuellenMASCC-Leitlinien wird Olanzapinauch als antiemetische Therapie-option bei HEC empfohlen – aller-dings mit niedrigem Empfehlungs-grad. Olanzapin kann auch anstel-le eines NK1-RA in Kombinationmit einem 5-HT3-RA und einem

Steroid eingesetzt werden [12] –besonders bei Patienten, die starkunter Übelkeit leiden. Auch hier istdie sedative Wirkung der 10 mg-Dosis zu berücksichtigen. Einer ak-tuell beim ASCO 2016 vorgestell-ten Studie zufolge hat sich die Do-sierung von 5 mg als ebenso effek-tiv mit deutlich niedrigerer Som-nolenz-Rate erwiesen [13]. Olan-zapin ist in der EU nicht zur Anti-emese zugelassen, so dass es sichbeim Einsatz dieser Substanz umeinen Off-label-Use handelt.

Antiemetische Prophylaxe

Antiemetische TherapiestrategienIm Wesentlichen orientieren sichdie vorgestellten antiemetischenProphylaxe-Empfehlungen an denaktualisierten „MASCC/ESMO-Leitlinien“ von März 2016 [5](� Tab. 2 und 3). In Bearbeitungsind derzeit S3-Leitlinien derASORS (Arbeitsgemeinschaft Sup-portive Maßnahmen in der Onko-

logie, Rehabilitation und Sozial-medizin der Deutschen Krebsge-sellschaft), die sich unter anderemauch der antiemetischen Prophyla-xe widmen. Die Leitlinien sind abDezember 2016 verfügbar.Wichtig ist, die Antiemese immerpräventiv bereits vor der Chemo-therapie und ab dem 1. Zyklus ei-ner Chemotherapie durchzufüh-ren. Eine spätere, symptomorien-tierte Behandlung insbesondereder verzögert auftretenden Symp-tome ist geringer wirksam. Auchdie antizipatorische Übelkeit lässtsich allein durch eine wirksameProphylaxe von Anfang an verhin-dern.Vor Therapiebeginn sollte dasemetogene Potenzial der geplan-ten Chemotherapie evaluiert wer-den. Bei ambulant behandeltenPatienten ist die schriftliche Erstel-lung und Aushändigung eines Me-dikamentenplanes zur Prophylaxedes verzögerten Erbrechens not-

Emesis-Risikoklasse Antiemese

Hoch Nicht-AC 5-HT3-RA + DEX + NK1-RA

Hoch AC 5-HT3-RA + DEX + NK1-RA

Carboplatin 5-HT3-RA + DEX + NK1-RA

Moderat (ohne Carboplatin) 5-HT3-RA + DEX

Gering 5-HT3-RA + DEX + DOP

Minimal Keine Routine-Prophylaxe5-HT3-RA = Serotonin3-Rezeptor- Antagonist

DEX = Dexamethason

NK1-RA = Neurokinin1-Rezeptor-AntagonistAPREPITANT oder FOSAPREPITANT oder ROLAPITANT oder NEPA (Kombination von Netupitant und Palonosetron)

DOP = Dopamin- Rezeptor-Antagonist

Hinweis: Ist bei AC-Chemotherapie kein NK1-Rezeptor-Antagonist verfügbar, ist Palonosetron der zu bevorzugende 5-HT3- Rezeptor-Antagonist.

Tab.2: Zusammenfassung:EmpfehlungenbeiakuterÜbelkeitundErbrechen (nach [5])

Emesis-Risikoklasse Antiemese

Hoch Nicht-ACDEX oder (wenn APR 125mg für akut:

( MCP + DEX ) oder ( APR + DEX )

Hoch AC Nichts oder (wenn APR 125mg für akut: DEX oder APR )

Carboplatin Nichts oder (wenn APR 125mg für akut: APR )

Oxaliplatin, oder Anthrazyklin oder Cyclophosphamid

DEX kann erwogen werden

Moderat (andere) Keine Routine-ProphylaxeGering und minimal Keine Routine-Prophylaxe

DEX = Dexamethason MCP = Metoclopramid APR = Aprepitant

Tab. 3: Zusammenfassung: Empfehlungen bei verzögerter Übelkeit und Erbrechen(nach [5])

CME

Page 5: Neue MASCC/ESMO Leitlinie zur antiemetischen Therapie · S2/2016 ONKOLOGIE heute UPDATE: ONKOLOGISCHE SUPPORTIVTHERAPIE 47 A n n a J u r k o v s k a – F o t o l i a Chemotherapie-induzierte

S2/2016 ONKOLOGIE heute

UPDATE: ONKOLOGISCHE SUPPORTIVTHERAPIE 51

wendig. Die einmalige täglicheGabe der Antiemetika – oral oderi. v. – ist ausreichend.

Hoch emetogene Chemothe-rapien (HEC)Nach wie vor wird zur Prophylaxeder akuten CINV vor Chemothera-pien mit hoch emetogenen Sub-stanzen die Dreifachprophylaxebestehend aus den drei Substanz-gruppen 5-HT3-RA, NK1-RA undKortikosteroid (Dexamethason)empfohlen.

Zur Vorbeugung der verzögertenCINV sollte an den Tagen 2 bis 4ausschließlich Dexamethason ge-geben werden, wenn an Tag 1 vorder Chemotherapie entweder Fos-aprepitant oder die orale Fixkom-bination aus Netupitant und Palo-nosetron (NEPA) verabreicht wur-den. Wählt man an Tag 1 als NK1-RA das orale Aprepitant, so sollte inder verzögerten Phase an den Ta-gen 2 und 3 Aprepitant und an denTagen 2-4 Dexamethason gegebenwerden. Alternativ empfiehlt dieMASCC für die Tage 2–4 Dexame-thason in Kombination mit Meto-clopramid. Allerdings ist MCP indieser Dosierung in Deutschlandnicht mehr zugelassen, sondernauf eine Tageshöchstdosis von0,5 mg/kg Körpergewicht be-schränkt.

Bei hoch emetogener AC-basierterChemotherapie wird von derMASCC nach der Dreifachprophyla-xe mit 5-HT3-RA, DEX und Fosapre-pitant oder NEPA plus DEX an Tag 1keineweitereAntiemeseandenFol-getagen mehr empfohlen. Nach ei-nem Aprepitant-haltigen Dreifach-regime an Tag 1 sollte an den Tagen2-3 entweder Aprepitant oder De-xamethason gegeben werden.

Moderat emetogene Chemothe-rapien (MEC)Zur Prophylaxe der akuten Emesis

vor einer moderat emetogenenChemotherapie (MEC) wird nachwie vor eine Kombination aus 5-HT3-RA und Dexamethason emp-fohlen. Enthielt die Chemothera-pie Substanzen mit bekanntem Po-tenzial für verzögerte CINV wieAnthrazykline, Oxaliplatin oderCyclophosphamid, kann die GabevonDexamethasonandenTagen2und 3 erwogen werden. Bei allenanderen MEC wird für die Folgeta-ge keine Routineprophylaxe emp-fohlen.

Das weiterhin als moderat emeto-gen klassifizierte Carboplatin hateine Sonderstellung: Analog zu denEmpfehlungen bei hoch emetoge-nen Regimen sollte vor der Chemo-therapie eine Dreifachprophylaxeerfolgen. An den Folgetagen ist kei-ne weitere Antiemese mehr erfor-derlich, wenn Fosaprepitant oderNEPA vor der Chemotherapie gege-ben wurden. Beim Einsatz von Ap-repitant an Tag 1 wird Aprepitantauch für die Tage 2 und 3 empfoh-len.

Gering (LEC) und minimal emetoge-ne ChemotherapienZur Prophylaxe der akuten CINV beigering emetogenen Schemataempfiehlt die MASCC Dexametha-son, einen 5-HT3-RA oder MCP in Er-wägung zu ziehen. In der verzöger-ten Phase nach der Chemotherapieist keine routinemäßige Prophyla-xe vorgehsehen. Bei minimal eme-togener Chemotherapie sollte kei-ne routinemäßige Prophylaxe er-folgen.

Mehrtages-Chemotherapie mit Cis-platinFür die Prävention der akuten CINVsollte eine Dreifachantiemese erfol-gen. Zur Prävention der verzöger-ten CINV sollte Dexamethason ge-geben werden. Der 5-HT3-RA solltehierbei an den Tagen 1-5 gegebenwerden mit Ausnahme von Palono-setron, das nur an den Tagen 1, 3und 5 emfohlen wird.

Hochdosis-ChemotherapieAm Tag der Hochdosischemothera-pie sollte ein Dreierregime 5-HT3-RA und DEX mit 125 mg Aprepitantverabreicht werden. An den Tagen2–4 sollten dann je 80 mg Aprepi-tant gegeben werden.

Antiemese bei KindernErhalten Kinder eine HEC, wird eineDreifachprophylaxe mit Aprepitantplus Ondansetron oder Granisetronplus Dexamethason empfohlen. Voreiner MEC sollte eine Kombinationaus Ondansetron oder Granisetronund Dexamethason gegeben wer-den. Können Kinder nicht mit Dexa-methason behandelt werden, solltenbei HEC und MEC Aprepitant undGranisetron oder Ondansetron kom-biniert werden. Ist die Gabe der Drei-fachprophylaxe mit Aprepitant beiKindern, die eine HEC erhalten, nichtmöglich, sollten Granisetron oderOndansetron und Dexamethason ge-geben werden. Die Empfehlungenzur Antiemese bei Kindern stehenunter einem Änderungsvorbehaltder MASCC. Ist der Review aller klini-schen Daten abgeschlossen, könntensich noch Änderungen ergeben.

Akute CINV Verzögerte CINVHEC 20 mg einmal (12 mg einmal bei

(Fos)aprepitant oder Netupitant)*8 mg 2 x tägl. für 3 – 4 Tage(8 mg 1 x tägl. (Fos)aprepitant oder Netupitant)

MEC 8 mg einmal 8 mg tägl. für 2 – 3 Tage (oder 2 x tägl. 4 mg)LEC 4 – 8 mg einmal*12 mg Dexamethason ist die einzige Dosierung die zusammen mit (Fos)aprepitant/Netupitant in großen randomisier-ten Studien untersucht wurde.

Tab. 4: Empfohlene Dosierungen von Dexamethason im Rahmen verschiedener an-tiemetischer Kombinationsregime (nach [5])

CME

Page 6: Neue MASCC/ESMO Leitlinie zur antiemetischen Therapie · S2/2016 ONKOLOGIE heute UPDATE: ONKOLOGISCHE SUPPORTIVTHERAPIE 47 A n n a J u r k o v s k a – F o t o l i a Chemotherapie-induzierte

ONKOLOGIE heute S2/2016

UPDATE: ONKOLOGISCHE SUPPORTIVTHERAPIE52

Prof. Dr. med.Petra Feyer,Berlin

Antizipatorisches ErbrechenOberstesZiel istdieVermeidungderAusbildung von antizipatorischerÜbelkeit und Erbrechen durch einesorgfältige Kontrolle von akuterund verzögerter CINV. Prophylaxesteht vor Therapie.Psychologische Interventionsmaß-nahmen sollten hier Mittel derWahl bei antizipatorischem Erbre-chen sein. Verhaltenstherapie wieprogressive Muskelentspannungstehen dabei im Vordergrund. Au-ßerdem werden die systematischeDesensibilisierung und Hypnoseempfohlen.Konventionelle Antiemetika sindbeim antizipatorischen Erbrechenwirkungslos. Eine Behandlung mitniedrig dosierten Benzodiazepinenvor der Chemotherapie kann dasAuftreten von antizipatorischerÜbelkeit und Erbrechen reduzieren.

Vorgehen bei unzureichenderWirksamkeit der antiemetischenProphylaxe (Rescue-Therapie)Patienten sollten beim folgenden Zy-klus die nächsthöhere Stufe der Anti-emese erhalten, d.h. bei vorheriger,aber nicht ausreichend wirksamerGabe eines 5-HT3-RA und Dexame-thason sollte dann noch ein NK1-RAhinzugefügt werden. Bei trotz aus-reichender Antiemese auftretenderCINV empfehlen die MASCC-Leitlini-en 2016 einmal täglich 10 mg Olan-zapin für 3 Tage. Parallel zur medika-mentösen Therapie müssen anderemögliche Ursachen für Übelkeit undErbrechen ausgeschlossen werden.

Dosierung von DexamethasonDie 20 mg Dosierung von Dexame-thason sollte bei kombinierter An-wendung mit Aprepitant, Fosapre-pitant oder Netupitant (als Fixkom-bination mit Palonosetron, NEPA)reduziert werden. � Tab. 4 gibt an,welche Dosierungen innerhalb derjeweils empfohlenen antiemeti-schen Kombinationsregime einge-setzt werden sollten.

Die optimale Dosierung und Dauerder Dexamethasongabe ist jedochnach wie vor Gegenstand von Studi-en und Diskussionen in den anti-emetischen Fachkreisen und nochnicht abschließend geklärt. Gemäßeiner beim ASCO 2016 präsentier-ten Studie scheint die Reduktionvon Dexamethason auf eine Ein-malgabe im Rahmen der Dreifach-prophylaxe an Tag 1 bei HEC mög-lich [14].

Fazit für die Praxis

Für die Festlegung des emetogenenPotenzials der Chemotherapie ist dasZytostatikum mit dem höchstenemetogenen Potenzial ausschlagge-bend. Es ergibt sich kein additiveremetogener Effekt bei einer Kombi-nationschemotherapie. Das indivi-duelle Risikoprofil des Patienten soll-te ebenfalls berücksichtigt werden.Eine prophylaktische Antiemetika-Gabe bei allen hoch und moderatemetogenen Chemotherapien istunverzichtbar! Da das Auftreten vonverzögertem Erbrechen häufig un-terschätzt wird, sollte deshalb unbe-dingt an die Prophylaxe an den Ta-gen 2 bis 4 gedacht werden.Eine Dreifachantiemese mit NK1-RAist in folgenden Situation notwen-dig:-– An Tag 1 vor allen hoch emeto-

genen Chemotherapien, inklusi-ve Anthrazyklin/Cyclophospha-mid (AC)-basierten Chemothera-pien bei Mammakarzinompati-entinnen

-– Bei Carboplatin-haltigen Chemo-therapien. Sie gelten als Sonder-fall der moderat emetogenen Re-gime und erfordern an Tag 1 eineDreifachantiemese

-– Bei Mehrtageschemotherapienmit Cisplatin

-– Bei Hochdosischemotherapienvor Stammzelltransplantation

-– Für Kinder wird bei HEC eineDreifachantiemese mit Aprepi-tant empfohlen.

Die Dreifachantiemese kann mit Ap-repitant (p.o.)/Fosaprepitant (i.v.) +5-HT3-RA + DEX oder mit NEPA (p.o.)+ DEX durchgeführt werden. Bei an-haltender Übelkeit und Erbrechensollten immer differenzialdiagnosti-sche Ursachen bedacht werden.

Literatur:1. Roila F, Herrstedt J, Aapro M, et al. Ann

Oncol. 2010 Suppl 5:v232-43. doi:10.1093/annonc/mdq194.

2. Grunberg SM. Ann Oncol 2007; 18: 233-40.

3. Kris MG, Gralla RJ, Clark RA, et al: CancerTreat Rep 1985; 69: 1257-62.

4. Roila F, Donati D, Tamberi S, et al. Sup-port Care Cancer 2002; 10: 88-95.

5. http://www.mascc.org/assets/Gui-delines-Tools/mascc_antiemetic_guide-lines_2016_german_v1.1.pdf, zuletztaufgerufen am 30. August 2016

6. Saito M, Aogi K, Sekine I, et al. Yoshiza-wa H, Yanagita Y, Sakai H, et al. LancetOncol 2009; 10: 115-24.

7. Rojas C, Thomas AG, Alt J, et al. Eur JPharmacol 2010; 626: 193-9.

8. Hesketh PJ. N Engl J Med 2008; 358:2482-94.

9. Kris MG, Hesketh PJ, Somerfield MR, etal. J Clin Oncol 2006; 24: 2932-47.

10.Roila F, Hesketh PJ, Herrstedt J. Ann On-col 2006; 17: 20-8.

11.Grunberg SM, Osoba D, Hesketh PJ, Sup-port Care Cancer 2005; 13: 80-4.

12.Navari RM et al. N Engl J Med2016;375(2):134-42.

13.Hashimoto H et al. J Clin Oncol 2016; 34(suppl; abstr 10111).

14.Matsuzaki K et al. J Clin Oncol 2016; 34(suppl; abstr 10019).

Korrespondenzadresse:Prof. Dr. med. Petra FeyerChefärztinVivantes Klinikum NeuköllnStrahlentherapie und RadioonkologieRudower Straße 4812351 [email protected]

CME