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P.b.b. GZ 02Z031654 M, Benachrichtigungspostamt 1070 Wien Falls unzustellbar, bitte retour an: MEDMEDIA Verlag, Seidengasse 9/Top 1.1, 1070 Wien Interdisziplinäre Fortbildungsreihe der Österreichischen Gesellschaft für Nephrologie ÖGN 13. Jahrgang / Nr. 2 / 2010 MedMedia Verlags Ges.m.b.H. Neue und alte Herausforderungen rund um die Nierentransplantation

Neue und alte Herausforderungen rund um die Nierentransplantation · durchwegs in den ersten drei Monaten nach Transplantation auf, wobei das Fehlen einer Steroidresistenz vermutlich

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Interdisziplinäre Fortbildungsreihe der Österreichischen Gesellschaft für Nephrologie

ÖGN

13. Jahrgang / Nr. 2 / 2010

MedMediaVerlags Ges.m.b.H.

Neue und alte Herausforderungen rund um die Nierentransplantation

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Sehr geehrte Kollegin!Sehr gegehrter Kollege!

EDITORIAL

Univ.-Prof. Dr. Sabine Horn

IMPRESSUMVerlag: MEDMEDIA Verlag und Mediaservice Ges.m.b.H. Herausgeber: Österreichische Gesellschaft für Nephrologie, Univ.-Prof. DDr. Walter Hörl, Klinische Abteilung für Nephrologie und Dialyse, Universitätsklinik für Innere Medizin III, AKH Wien, und ao. Univ.-Prof. Dr. Sabine Schmaldienst, Klinische Abteilung fürNephrologie und Dialyse, Universitätsklinik für Innere Medizin III, AKH Wien. Chefredakteur: Univ.-Prof. Dr. Sabine Horn, Klinische Abteilung für Nephrologieund Hämodialyse, Universitätsklinik für Innere Medizin, Medizinische Universität Graz. Anzeigen/Organisation: MEDMEDIA Verlag und Mediaservice Ges.m.b.H.,Seidengasse 9/Top 1.1, 1070 Wien, Tel.: 01/407 31 11. Projekt leitung/Produktion: Friederike Maierhofer. Redaktion: Dr. Claudia Uhlir. Layout/DTP: GeraldMollay. Coverillustration: Martin Lachmair, creat ivedirector.cc. Druck: „agensketterl“ Druckerei, Mauerbach. Druckauflage: 8.600 Stück im 2. Halbjahr 2009, geprüftvon der Österreichischen Auflagenkontrolle. Bezugsbedingungen: Die Zeitschrift ist zum Einzelpreis von Euro 9,50 plus MwSt. zu be ziehen. Grundsätze und Ziele vonNephroScript: Information für nephrologisch interessierte Krankenhaus- und niedergelassene Ärzte. Angaben über Dosierungen, Applikationsformen und Indikationenvon pharmazeutischen Spezialitäten müssen vom jeweiligen Anwender auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Herausgeber und Medieninhaber übernehmen dafür keineGewähr. Literatur zu den Fachbeiträgen bei den jeweiligen Autoren. Allgemeine Hinweise: Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die persönliche und/oder wissen-schaftliche Meinung des jeweiligen Autors wieder und fallen somit in den persönlichen Verantwortungs bereich des Verfassers. Mit „Freies Thema“gekennzeichnete Beiträge sind entgeltliche Einschaltungen gem. § 26 Mediengesetz und fallen in den Verantwortungsbereich des jeweiligen Auf-traggebers; sie müssen nicht die Meinung von Herausgeber, Reviewer oder Redaktion wiedergeben. Angaben über Dosierungen, Applikationsformenund Indikationen von pharmazeutischen Spezialitäten müssen vom jeweiligen Anwender auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Trotz sorgfältigerPrüfung über nehmen Medieninhaber und Herausgeber kei nerlei Haftung für drucktechnische und inhaltliche Fehler. Ausgewählte Artikel dieserAusgabe finden Sie auch unter www.medmedia.at zum Download.

A uf dem Gebiet der Nierentransplantation, der dieser Aus-gabe von NephroScript gewidmet ist, wurden in den ver-gangenen Jahren und Jahrzehnten zahlreiche wesentliche

Fortschritte erzielt. Auch durch die interdisziplinäre Zusammen-arbeit konnte und kann die Betreuung von nierentransplantiertenPatienten immer weiter verbessert werden. Beiträge in diesemHeft aus der pädiatrischen Nephrologie, der Urologie und derDermatologie gehen auf jeweils spezielle Fragestellungen ein.Mit einem Hoffnungsgebiet, neuen teilweise bald klinisch ein-setzbaren Immunsuppressiva, beschäftigt sich der erste Beitragvon Doz. Dr. Marcus Säemann. Kernproblem der derzeit etab -lierten Immunsuppressiva in der Nierentransplantation ist derenimmunzellunspezifische Wirkung und das daraus resultierendeerhöhte Infektions- und Tumorrisiko. Neuere Substanzen zeich-nen sich zwar durch ein geringeres organtoxisches Potenzial aus,aber gerade das Problem der Nephrotoxizität ist noch nicht restlosgelöst. Säemann zeigt auf, wo die Reise auf der Suche nach demoptimalen Immunsuppressivum derzeit hingeht.Experten betonen seit langem immer wieder die Vorteile der Lebendspende gegenüber der Totspende. In seinem Plädoyer fürdie Lebendspende setzt sich Prim. Univ.-Prof. Dr. Josef Kovarikfür die Nutzung versteckter Potenziale für die präemptive Nie-rentransplantation ein. Noch liegt die Lebendspenderate inÖsterreich nur bei 10 %. Die deutlich besseren Langzeitergeb-nisse sprechen klar für eine Offensive durch umfassende Auf-klärung von Ärzten, Patienten und Angehörigen.Nicht nur für Erwachsene, sondern auch für Kinder ist die Nie-rentransplantation die mit Abstand beste Nierenersatztherapie.Mit einem 5-Jahres-Transplantatüberleben von 75–85 % und

einem 5-Jahres-Patientenüberleben von 92–96 % im Kindes-alter bietet sie, wie ao. Univ.-Prof. Dr. Thomas Müller aufzeigt,die Voraussetzung für eine optimale körperliche, psychische undsoziale Rehabilitation von Kindern mit terminaler Niereninsuf-fizienz.Darauf, dass auch ein standardisierter Eingriff wie die Nieren-transplantation keineswegs ein Spaziergang zum Erfolg ist, ver-weist Univ.-Prof. Dr. Richard Zigeuner, der einen Überblicküber urologische Komplikationen nach Nierentransplantationgibt. Er spricht sich klar für eine interdisziplinäre Nachsorgeaus. Denn das Komplikationsrisiko sinkt zwar mit zunehmen-der Erfahrung des Transplantationsteams, kann aber nicht aufnull reduziert werden.Auf die dermatologischen Aspekte in der Transplantations -medizin geht Priv.-Doz. Dr. Ingrid H. Wolf ein. Sie macht klar,dass dermatologische Infekte, aber auch Tumorerkrankungenbei Transplantationspatienten meist aggressiver verlaufen als beiimmunkompetenten Nicht-Transplantationspatienten. Der Pri-märprophylaxe und der Frühdiagnose kommen besondere Be-deutung zu, um systemische Infektionskrankheiten oder invasivePlattenepithelkarzinome mit Metastasierung zu vermeiden.Die Beiträge in diesem Heft zeigen, wie vielschichtig die Betreu-ung von Patienten nach Nierentransplantation ist. Es gibt auchnicht direkt mit dem Thema Befassten einen interessanten Ein-blick in verschiedene Aspekte und aktuell diskutierte Fragestel-lungen.

Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre und einen schönenSommer!

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Editorial

NEUE UND ALTE HERAUSFORDERUNGEN RUND UM DIE NIERENTRANSPLANTATION

Auf der Suche nach immunzellspezifischer WirkungDoz. Dr. Marcus Säemann

Versteckte Potenziale für die präemptive Nierentransplantation nutzenPrim. Univ.-Prof. Dr. Josef Kovarik

Nierentransplantation im Kindesalterao. Univ.-Prof. Dr. Thomas Müller

Urologische Komplikationen nach NierentransplantationUniv.-Prof. Dr. Richard Zigeuner

Hautinfektionen und Hauttumoren nach OrgantransplantationPriv.-Doz. Dr. Ingrid H. Wolf

FREIE THEMEN(entgeltliche Einschaltungen)

Einfachere und effizientere Phosphatkontrolle mit OsvaRen®

Anämie-Therapie nach TREAT: die Praxis (Aranesp®)

Die kardiovaskuläre Kalzifizierung bei Hämodialysepatienten bremsen (Mimpara®)

Risikomanagement von Patienten nach Nierentransplantation (Advagraf®, Prograf®)

Lercanidipin reduziert Proteinurie bei Hypertonikern (Zanidip®)

MEINUNGSFORUM(entgeltliche Einschaltung)

CMV-Infektion nach Transplantation

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NEUE IMMUNSUPPRESSIVA IN DER NIERENTRANSPLANTATION

Auf der Suche nach immunzellspezifischer WirkungDoz. Dr. Marcus SäemannInnere Medizin III/Klinische Abteilung für Nephrologie und Dialyse, Medizinische Universität Wien

D ie derzeitige Immunsuppression bringt zwar im Vergleich zu den vor 15–20 Jahren eingesetzten im-munsuppressiven Schemata Vorteile hinsichtlich der

Vermeidung akuter Abstoßungsepisoden, sie hat aber nochimmer zwei prinzipielle Nachteile: Erstens wirkt sie im-munzellunspezifisch, was sich in einer erhöhten Infekti-ons- und Tumorinzidenz niederschlägt, zweitens hat sieauch außerhalb des Immunsystems organtoxische Effekte,was zum bekannten Nebenwirkungsprofil führt. BeideNachteile limitieren wahrscheinlich den weiteren Fort-schritt der Transplantationsmedizin. Ein Hoffnungsgebietsind neue, noch spezifischere Immuntherapeutika.

Die durchschnittliche Halbwertszeit transplantierter Nieren istin den letzten Jahren trotz deutlich reduzierter Zahl akuter Ab-stoßungen in der Frühphase nach der Transplantation bekannt-lich nur moderat gestiegen1. Von neuen Immunsuppressivawünscht man sich daher in erster Linie eine immunzellspezifi-sche Wirkung bei gleicher Effizienz. Diese Substanzen hättenunter anderem weder nephrotoxische Effekte noch ungünstigeWirkung auf das Herz-Kreislauf-System, die Blutlipide, den

Blutzuckerstoffwechsel und auch keinekosmetischen Nebenwirkungen. Dar-über hinaus wäre eine Immunsuppres-sion gegen alloantigenspezifischeReaktivitäten im weitesten Sinn einentscheidender Schritt, da die erhöhteInfektionsbereitschaft wegfallen würde,wie sie eine nicht-selektive Immunsup-pression mit sich bringt. Eine kom-plette Nichtreaktivität gegen dasSpenderorgan wäre zudem noch effi-

zienter als eine partielle Hemmung der Spenderreaktivitäten.Nach einer Vielzahl experimenteller Vorarbeiten aus den1990er-Jahren sowie relevanten Studien an geeigneten Groß-tiermodellen liegen nun die ersten aussagekräftigen Phase-IIb-bis Phase-III-Studien zumeist an nierentransplantierten Patien-ten zu Substanzen vor, die Transplantmediziner erstmals mitvollkommen neuen therapeutischen Möglichkeiten ausstattenwerden (Tabelle).Im Folgenden werden die ersten Studien zum Kostimulations-blocker CTLA-4-Ig (Belatacept) eingehender beleuchtet, fürden die am weitesten fortgeschrittenen Studienergebnisse vor-liegen. Der Routineeinsatz dieser neuartigen Immunsuppres-sion wird wahrscheinlich nicht mehr allzu lange auf sichwarten lassen. Weiters wird auf jene neuen Substanzen einge-gangen, die zumindest als viel versprechend einzustufen sindund eine sinnvolle Ergänzung zu den bestehenden Immunsup-pressiva darstellen könnten.

Kostimulationsblockade mit Belatacept (CTLA-4-Ig-Fusionsprotein)

Belatacept (Bristol-Myers Squibb) ist kein monoklonaler An-tikörper, sondern ein CTLA-4-Ig-Fusionsprotein, welches se-lektiv die kostimulatorischen Moleküle CD80 und CD86 aufantigenpräsentierenden Zellen (Monozyten/Makrophagen,

Doz. Dr. Marcus Säemann

Small-Molecule-Inhibitoren

• CP-690550: JAK-3-Inhibitor• AEB071 (Sotrastaurin): Proteinkinase-C-Inhibitor

Kostimulationsblocker

• Fusionsprotein CTLA-4-Ig (Belatacept)• monoklonaler Anti-CD40-Antikörper, 4D11• Alefacept: LFA3-IgG1-Fusionsrezeptorprotein • Efalizumab: humanisierter monoklonaler Anti-CD11a-(LFA1)-Antikörper

Tabelle: Neue Immunsuppressiva

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dendritische Zellen, B-Zellen) bindet. CTLA-4 findet sichselbst auf T-Zellen als negativ-regulatorisches Kostimulations-molekül und bindet deshalb gerne seine Partner CD80 undCD86 (Abb.). Bei der Alloantigenerkennung durch MHC-T-Zell-Rezeptor-Kontakt (Signal 1) binden als Signal 2 die Kos -timulationsmoleküle aneinander, was das initiale Signal 1verstärkt. Im Gegensatz dazu interferieren Kalzineurinhemmermit (Teilen von) Signal 1. Anzumerken ist, dass die Reduktionder T-Zell-Antwort (Proliferation, Zytokinsynthese, Effektor-funktionen) durch Kalzineurinhemmer global ausfällt, wohin-gegen eine CD80/86-Blockade mittels CTLA-4-Ig imBesonderen naive und weniger stark Gedächtnis-T-Zellen(„memory T-cells“) betrifft. Bereits 2005 erbrachte eine Phase-II-Studie den Nachweis, dass Belatacept die akute Abstoßungkontrollieren und ein exzellentes Transplantat- und Patienten-überleben ermöglichen kann2. Zuletzt wurden Phase-III-Pi-lotstudien publiziert. In der randomisierten BENEFIT-Studie(Belatacept Evaluation of Nephroprotection and Efficacy asFirst-line Immunosuppression Trial) wurde ein IL-2-R-Blockerals Induktionstherapie mit MMF und Steroiden in Kombina-tion mit Belatacept in zwei Dosierungen verwendet. In derKontrollgruppe wurde CsA mit den gleichen Komedikationeneingesetzt3. Die BENEFIT-EXT-Studie hatte dasselbe Designmit dem Unterschied, dass nur Nieren von marginalen Spen-dern transplantiert wurden4. Die BENEFIT-Studie zeigt fürBelatacept versus CsA ein vergleichbares Transplantat- und Pa-tientenüberleben, insgesamt eine bessere Nierenfunktion, abereine höhere Rate an schweren Abstoßungsreaktionen. Trotz derhöheren Abstoßungsfrequenz war die Nierenfunktion im Belatacept-Arm deutlich besser als im konventionell behandel-ten Arm (GFR nach 12 Mo. 65 ml/min vs. 63,4 ml/min vs.50,4 ml/min). Zudem fanden sich bei jenen Patienten, beidenen eine Kontrollbiopsie möglich war, weniger Hinweise aufunspezifische Allograftschäden wie Atrophie und Fibrose. Diesvielleicht als Folge der geringeren CNI-Exposition. Die BENEFIT-EXT-Studie zeigt prinzipiell ähnliche positive Er-gebnisse, wobei der Nierenfunktionsunterschied nach 12 Mo-naten nicht so ausgeprägt war wie in der BENEFIT-Studie,vermutlich aufgrund der ohnehin schon schlechten Spender-organqualität, die zumindest durch CNI nicht weiter massivbeeinträchtigt wurde. Bemerkenswert ware in beiden Studiendas Auftreten von mehr Posttransplantlymphomen (PTLD)im Belatacept-Studienarm, bei insgesamt geringer Inzidenz vonPTLD. Ungewöhnlich war das Auftreten von ZNS-Lympho-men v. a. bei EBV-negativen Empfängern von EBV-positivenOrganen. Möglicherweise ist daraus der Schluss für die Praxiszu ziehen, bei EBV-Hochrisikokonstellation vorsichtshalberBelatacept zu vermeiden. Die vermehrten Abstoßungen tratendurchwegs in den ersten drei Monaten nach Transplantationauf, wobei das Fehlen einer Steroidresistenz vermutlich zumguten Ergebnis von Belatacept beitrug. Die offenbar schwä-

chere immunsuppressive Potenz der Kostimulationsblockadekönnte unter anderem durch die vor allem globale Unterdrü -ck ung der naiven, aber nicht der Gedächtnis-T-Zellen bedingtsein.Zukünftige Studien müssen nun zeigen, wie diese Immunsup-pression im Vergleich zur FK506-basierten Immunsuppressionabschneidet. Solche und ähnliche immunsuppressive Schemata(CTLA-4-Ig mit ATG, Sirolimus, Kortisonentzug etc.) werdenderzeit untersucht. Sie werden in den nächsten Jahren die Va-lidität des Prinzips der Kostimulationsblockade noch weiterverfeinern und verdichten. Schemata, die mit Hilfe einer In-duktionstherapie Steroide komplett vermeiden lassen oder einschnelles Ausschleichen von Steroiden ermöglichen, dürftenbesonders vielversprechend sein. Nicht vergessen werden sollte,dass der Wegfall einer täglichen Tabletteneinnahme eine bes-sere Patientenadhärenz ermöglicht. Insgesamt unterstreicht dieBENEFIT-Studie den Vorteil einer Belatacept-Therapie nachzumindest 12 Monaten in Hinblick auf die Nierenfunktionund die Nierenmorphologie im Vergleich zur CNI-Behand-lung. Mit Spannung bleibt abzuwarten, ob sich diese ein-drucksvollen Ergebnisse auch im Langzeitverlauf in ähnlichdeutliche Resultate übersetzen lassen.

CD40-Antikörper als mögliche weitere Kostimulationsblocker

Als äußerst vielversprechend wurde lange Zeit eine therapeu-tische Interferenz mit dem CD40-CD40-Ligand-(CD40Loder CD154)-Kostimulationsweg (Abb.) angesehen, da dieserSignalweg auch zentral mit der Induktion einer humoralen Im-munität verbunden ist. CD40L-Antikörper waren die erstenKostimulationsblocker, die im Großtiermodell eine perma-nente Akzeptanz eines fremden Transplantates ermöglichten.Diese Resultate konnten am Patienten leider nicht reproduziertwerden. Vor allem thromboembolische Komplikationen derCD40L-Blocker, die vermutlich auf eine generalisierte Throm- �

Abb.: CTLA-4Ig (LEA29Y) & Anti-CD40-mAb

ZellteilungZytokinproduktionhumorale ImmunitätAnergie? Apoptose?

CD40 MHCII

TCRCD28

CD80 CD86

CTLA-4-lg

CTLA-4

T-cell DNA

CD40L

aCD40mAb

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bozytenaktivierung (Thrombozyten tragen CD40L an ihrerOberfläche) zurückzuführen sind, machten einen klinischenEinsatz unmöglich.Obgleich aus diesen Gründen dieser Signalweg als immunsup-pressives Ziel komplett verlassen worden ist, wurde in einer re-zenten Arbeit nun die Wirksamkeit eines Antikörpers gegenCD40 (und nicht dessen Ligand CD40L) schlüssig gezeigt5.Tatsächlich konnte die einzige Verabreichung dieses Anti -körpers nicht nur die Transplantatüberlebenszeit bei Affendeutlich verlängern, sondern auch die Entwicklung spender-spezifischer Antikörper (DSA) deutlich unterdrücken. DieÜbersetzung dieser Resultate von Phase I nach II wird derzeitvon einer größeren pharmazeutischen Firma intensiv betrieben.Tatsächlich würde neben CTLA-4-Ig damit ein weiterer po-tenter Blocker der T-Zell-Kostimulation das Arsenal der mög-lichen immunsuppressiven Medikamente deutlich erweitern.

Small-Molecule-Inhibitoren: JAK-3-Hemmer

Das Ziel neuer immunsuppressiver Strategien ist eine gezielteHemmung des Immunsystems. Mit der Januskinase 3 (JAK-3), die funktionell nur in T-Zellen exprimiert wird, existiertnun auch ein solches pharmakologisches Ziel. Die Abwesenheitdieses Enzyms bei der schweren angeborenen Immundefizienz(SCID) weist eindrucksvoll auf die Bedeutung dieser Kinasehin. Nach mehreren viel versprechenden Versuchen, JAK-3medikamentös zu hemmen6, konnte mit dem aus einer phar-mazeutischen Library zufällig isolierten Inhibitor CP-690,550der Durchbruch erzielt werden. Dessen Wirksamkeit wurdezuerst im Großtiermodell und zuletzt in einer multizentri-schen, randomisierten Phase-IIA-Studie an nierentransplan-tierten Patienten gezeigt7. In dieser Studie mit CP-690,550 inzwei Dosierungen fanden sich im Vergleich zu einem FK506-basierten Kontrollarm (3 x 20 Patienten) ähnlich viele Ab -stoßungen im niedrig dosierten JAK-3-Inhibitor-Arm (5,3 vs.

4,8 % nach 6 Monaten), jedoch eine höhere Rate an viralenInfektionen wie etwa CMV- und Polyomainfektionen. Diesspiegelt natürlich die selektive, aber sehr potente Hemmungder globalen T-Zell-Funktion wider. Insgesamt wurden jedochkeine signifikanten Nebenwirkungen beobachtet. Die Selekti-vität dieses Ansatzes wurde somit eindrucksvoll bestätigt. n

1 Meier-Kriesche H.U. et al., Am J Transplant 2004; 4:3782 Vincenti F. et al., N Engl J Med 2005; 353: 7703 Vincenti F. et al., Am J Transplant 2010; 10:5364 Durrbach A. et al., Am J Transplant 2010; 10:5475 Aoyagi T. et al., Am J Transpl 2009; 8:17326 Säemann M. et al., Am J Transplant. 2003; 3 (11):13417 Busque S. et al., Am J Transplant 2009; 16

Neue immunsuppressive Strategien haben nun erstmals die Klinikerreicht. Von allen bislang experimentell verfügbaren Ansätzen,die es bis zur Testung an Patienten geschafft haben, scheint dieKostimulationsblockade mit CTLA-4-Ig am weitesten gediehen zusein. Obgleich sich die bislang veröffentlichte Evidenz auf nur 3 Studien begrenzt, sind die erhobenen Daten äußerst vielver -sprechend. Zudem rücken mit neuen Kostimulationsblockern, wiejenen gegen CD40, schon zügig neue potente Substanzen nach,welche ein selektives und effektives Eingreifen in das Immunsys -tem zur Verhinderung der allogenen Abstoßung ermöglichen. Da-neben befinden sich weitere Substanzen wie die JAK-3-Hemmer,die ebenfalls eine effiziente, aber hochselektive Immunsuppres-sion gewährleisten, bereits in Phase II/III. Sollten die erhofftenVorteile dieser neuen Substanzen auch nur annähernd realisiertwerden können, würde dies hinsichtlich Lebensqualität, mögli-cher Langzeitmorbidität und -mortalität bei transplantierten Patienten tatsächlich einen der größten Fortschritte in der moder-nen Transplantationsmedizin darstellen.

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NIERENTRANSPLANTATION MITTELS LEBENDSPENDE

Versteckte Potenziale für die präemptive Nierentransplantation nutzenPrim. Univ.-Prof. Dr. Josef Kovarik6. Medizinische Abteilung mit Nephrologie und Dialyse, Wilhelminenspital der Stadt Wien

D ie Langzeitergebnisse der Lebendnierentransplantationsind deutlich besser als jene der Transplantation vonLeichennieren. Mit gezielten Programmen sollte ver-

sucht werden, besonders die präemptive Lebendspende zuforcieren.

Die österreichischen Transplantationsmediziner versuchen seitJahren, die Lebendnierenspende zu forcieren. Zahlen wie inSkandinavien oder den USA konnten zwar bisher nicht er-reicht werden, der Lebendspendenanteil in Österreich ist inden letzten Jahren aber auf etwa 10 % aller Nierentransplan-tationen angestiegen. Im Transplantationszentrum Wien liegtder Anteil sogar bei über 20 %.Den meisten Menschen ist prinzipiell ein problemloses Lebenmit nur einer Niere möglich. Wenn keine medizinischen Hin-derungsgründe bestehen, kann eine Niere ohne großes Risikovon einem lebenden Spender entnommen und zur Transplan-tation gespendet werden.

Genaue Evaluierung der Voraussetzungen von Spender und Empfänger

Die Lebendspende einer Niere ist zulässig „zum Zweck derÜbertragung auf Verwandte 1. und 2. Grades, Ehegatten oderanderer Personen, die dem Spender in besonderer persönlicherVerbundenheit offenkundig nahe stehen“. Der Spender mussnach ärztlicher Beurteilung zur Spende geeignet und darf nachaller Voraussicht nicht über das Operationsrisiko hinaus gefähr-det sein oder über die unmittelbaren Folgen der Entnahme hi -naus gesundheitlich schwer beeinträchtigt werden. Der Arzt mussden Organspender „ausführlich über die Art des Eingriffs, denUmfang und mögliche Folgen und Spätfolgen der beabsichtigtenOrganentnahme für seine Gesundheit aufklären“. Die Person,die zur Spende bereit ist, muss volljährig und einwilligungsfähigsein. Voraussetzung für eine Entnahme von Organen bei einemLebendspender ist darüber hinaus, dass sich der Organspender

und der Organempfänger zur Teil-nahme an einer ärztlich empfohlenenNach betreuung bereit erklären. DasTransplantationsteam muss sich über-zeugen, dass die Einwilligung in dieOrgan spende freiwillig erfolgt und dasOrgan nicht Gegenstand eines verbote-nen Handeltreibens ist.Weitere Voraussetzung für eine Lebend-spendetransplantation ist von seltenenAusnahmefällen abgesehen die Blut-

gruppenkompatibilität zwischen Spender und Empfänger. DerRhesusfaktor spielt keine Rolle. Eine speziell für die Lebend-spende entwickelte Crossmatch-Untersuchung zwischen Spenderund Empfänger zur Beurteilung des Abstoßungsrisikos mussnegativ sein. Medizinische Grundvoraussetzung für eine Le-bendspende ist ein gesunder Spender. Nach einem standardi-sierten Unter suchungsprogramm, das meist ambulant

Prim. Univ.-Prof. Dr. Josef Kovarik

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durchgeführt werden kann, wird der potenzielle Lebendspendervoruntersucht. Spender und Empfänger werden in mehreren ge-meinsamen Informationsgesprächen an die Transplantation he -rangeführt und letztlich in einem Abschlussgespräch nochmalsdie Indikation erörtert und der Transplantationstermin fixiert.

Deutlich bessere Langzeitergebnisse der Lebendnierentransplantationen

Die Ergebnisse der Lebendnierentransplantationen sind denender Transplantation von Leichennieren überlegen. Die Lang-zeitergebnisse bei Lebendspenden, sowohl bei Verwandten-Le-bendspende als auch bei Nichtverwandten-Lebend spende,liegen deutlich über den Ergebnissen der Leichennierenspende.Die ausgezeichneten Erfolge werden erklärt durch die gute Vor-bereitung von Spender und Empfänger, das Vermeiden langerOrgankonservierungszeiten und dadurch, dass der Spender ge-sund ist. Der Eingriff kann optimal geplant und durchgeführtwerden. In Einzelfällen ist sogar eine präemptive Transplanta-tion möglich, das heißt, dass der Empfänger so rechtzeitigtransplantiert wird, dass eine Dialysebehandlung vermiedenwerden kann.Die in den letzten Jahren in Österreich transplantierten Lebend-nieren weisen eine sehr gute Organfunktion auf. Auch bei denSpendern kam es zu keinen nennenswerten Komplikationen. DieLebendnierenspendentransplantationen verliefen zur vollen Zu-friedenheit aller Beteiligten und stellen somit eine Therapieop-tion dar, die weiterhin vermehrt angewendet werden soll undals optimale Methode der Nierentransplantation zu betrachtenist.

Forcierung der Lebendspende dringend nötig

In Österreich sinkt der Prozentsatz der Dialysepatienten, diefür eine Transplantation in Frage kommen, das durchschnittli-

che Empfängeralter steigt, und im Rahmen der Leichen -nierenspende muss durch Änderung des Spenderprofils zunehmend auf „marginale Spender“ mit suboptimalen Spender -organen zurückgegriffen werden. Diese Fakten machen es drin-gend notwendig, die Lebendspende zu forcieren. In Österreichbestehen hinsichtlich des Anteils der Lebendnieren spende großeregionale Unterschiede. Am Wiener Transplantationszentrumstammen bereits über 20 % aller Nierentransplantate von Le-bendspendern. Die Hälfte der Lebendnieren spenden stammt vonverwandten, die andere Hälfte von nicht-verwandten Spendern.Mehr als 50 % der Lebendnierentransplantationen erfolgt prä-emptiv, also vor Beginn der Dialyse behandlung.

Focus auf präemptive Lebendspende: Das aktive Programmzur Forcierung der Lebendnieren spende soll den Focus auf diepräemptive Lebendspende mit entsprechender Patientenin -formation, Schaffung des entsprechenden Bewusstseins in derÖffentlichkeit wie bei den behandelnden Ärzten sowie Opti-mierungsmaßnahmen im Prozessmana gement richten. AlleVorteile der Lebendspende wie Lebensqualität, Prognose desTransplantats und Kos teneffektivität sollten transparent ge-macht werden. Damit könnten die Möglichkeiten zur Lebend-nierentransplantation verbessert und der Empfängerpool unterEinbeziehung auch komplexer und älterer Patienten vergrößertwerden. Durch einen „neuen Zugang zur Nierentransplanta-tion“ soll durch Öffentlichkeitsarbeit, Information und Trans-parenz zwischen den zuweisenden Dialysezentren die Botschafttransportiert werden, dass die (präemptive) Lebendspende diebeste Behandlungsoption für die Therapie der terminalen Nie-reninsuffizienz darstellt. ■

Etwa 10 % aller prävalenten Nierentransplantate stammen vonLebendspendern. Es besteht in den letzten Jahren die Tendenzfür mehr Lebendspende. Die Zunahme der Lebend spende ist allerdings regional sehr unterschiedlich, somit ungenütztes Potenzial sehr wahrscheinlich. Der erreichbare Plafond liegtvermutlich bei > 30 % aller Nierentransplantationen. Nachdemdie durchschnittliche Wartezeit auf eine Leichennierenspendesteigt und die kardiovaskuläre Mortalität mit fortwährenderDauer der Dialysebehandlung zunimmt, muss das ungenützte(„versteckte“ ) Lebendspendenpotenzial durch umfassende Auf-klärung der Ärzte, Patienten und Angehörigen geweckt werden.Primäres Ziel ist es vor allem, die präemptiven (vor Beginn derDialysebehandlung erfolgenden) Lebendspenden zu steigern.

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PÄDIATRISCHE NEPHROLOGIE

Nierentransplantation im Kindesalterao. Univ.-Prof. Dr. Thomas MüllerAbteilung für pädiatrische Nephrologie & Gastroenterologie, Universitätsklinik für Kinder-und Jugendheilkunde, Medizinische Universität Wien

D ie terminale Niereninsuffizienz im Kindesalter ist imVergleich zum Erwachsenenalter ein extrem seltenesEreignis mit einer jährlichen Inzidenz von 1–3 pro

Million Einwohner. Eine Nierentransplantation, die indieser Situation fast immer angestrebt werden soll, ist diederzeit beste Nierenersatztherapie, die wir diesen Kindernanbieten können. Nur sie ermöglicht eine optimale kör-perliche, psychische und soziale Rehabilitation. An derWiener pädiatrischen Nephrologie werden zwischen 5 und10 Transplantationen pro Jahr durchgeführt.

Besonderheiten der pädiatrischen Nierentransplantation

Auf Grund eines Punktebonus im Eurotransplant Allokations-system (ETKAS), der bis zum 15. Lebensjahr gilt, liegt die

aktuelle Wartezeit bis zu diesem Alterbei 6–12 Monaten und ist somit umein Vielfaches kürzer als bei erwachse-nen Nierenempfängern. Dies soll einemöglichst kurze Dialysezeit ermögli-chen, in der eine Rehabilitation derKinder nicht gewähr leistet ist. Konse-quenterweise ist der Anteil an Ver-wandtenspenden in der Pädiatrie, mitnationalen Unterschieden, sehr hoch(Kinderdialyse Wien 50–60 %), was

durch die gute Planbarkeit eine Dialysebehandlung oft gänz-lich überflüssig macht (präemptive Transplantation). Folgendeabsolute Kontraindikationen gegen eine Nierentransplantationsind dabei zu beachten: unkontrollierte Infektion oder maligneErkrankung und ein aktuelles positives Crossmatch.Eine weitere Besonderheit ist eine hohe Rate an urologischenFehlbildungen, die zum terminalen Nierenversagen im Kindes-alter führen. Dies macht oft aufwändige urologische Korrek -turen vor einer Transplantation notwendig, um das Organnicht durch einen pathologischen Harntrakt zu gefährden.Auch hier ist die zeitliche Planbarkeit der Transplantation vongroßem Vorteil.Die chirurgische Technik der Nierentransplantation bei Kin-dern unterscheidet sich nur unwesentlich von der bei Erwach-senen. Einzig bei sehr kleinen Patienten wird auf Grund derbesseren Gefäßkon gruenz eine Anastomose mit der distalenAorta und Vena cava bevorzugt (Abbildung 1).Die immunsuppressive Therapie besteht üblicherweise auseiner Dreierkombination eines Steroids mit Mycophenolat-Mofetil (MMF) und Tacrolimus/Cyclosporin A. An unseremZentrum wird beispielsweise seit 2005 Tacrolimus de novobei allen Kindern eingesetzt. Eine pädiatrische Besonderheitist die häufige Anwendung von Induktionstherapien (meis -tens Interleukin-2-Rezeptor-Antikörper) oder, so wie anunserem Zentrum, ein sequenzielles Schema, welches auseiner Induktion mit IL-2-AK, Steroiden, MMF und Tacroli-mus besteht, mit der Besonderheit, dass Tacrolimus erst ein-gesetzt wird, wenn eine Transplantatfunk tion etabliert ist.Durch dieses Schema ist es gelungen, die Rate an DelayedGraft Function (DGF) von 40 % auf 0 % an unserem Zen-trum zu reduzieren.

ao. Univ.-Prof. Dr. Thomas Müller

Abb. 1: Schematische Darstellung einer Implantation eines Nierentransplantates mit hohem Anschluss an die distale Aorta und V. cava.

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Ergebnisse der Nierentransplantation im Kindesalter

Die umfangreichste Datenbank zur pädiatrischen Nieren-transplantation ist die NAPRTCS (North American PediatricRenal Transplantation Cooperative Study) Database. Sieumfasst Daten von über 9.000 Nierentransplantationen beiKindern in 150 Zentren in den USA, Kanada, Costa Ricaund Mexiko. Die folgenden Angaben stammen aus diesemRegister bzw., soweit vorhanden, eigenen Ergebnissen.

Transplantat- und Patientenüberleben

Dem jährlichen Bericht der NAPRTCS sind für den Zeit-raum von 1987 bis 2005 folgende Daten zu entnehmen:• 5-Jahres-Transplantatüberleben 72,5 %: 80 % bei

Empfängern von Verwandtenorganen (LRD), 65 % beiEmpfängern von Leichenorganen(DD)

• deutliche Verbesserung in der letzten Dekade: (85,1 %LRD, 76,9 % DD)

• 5-Jahres-Patienten-Überleben 94,1 %: 95,6 % LRD, 92,6 % DD (Abb. 2).

Die Ergebnisse aus unserem eigenen Zentrum sind mit diesenDaten durchaus vergleichbar:• 5-Jahres-Transplantatüberleben 86 %• 5-Jahres-Patienten-Überleben 96 %

Weiters zeigen die NAPRTCS-Daten, dass die Kohorte derKinder, die innerhalb des 1. Lebensjahres transplantiert wur-den, signifikant schlechtere Ergebnisse aufweisen. Daher ist esderzeit unsere Politik, keine Empfänger unter 9 kg Körper -gewicht zu transplantieren. In Abb. 3 sind die Ursachen fürTransplantatverlust und Todesursachen dargestellt.

Akute Abstoßungsreaktionen

Über den gesamten Zeitraum (1987–2005) kam es am Endedes ersten Jahres nach Transplantation bei 33,6 % der LRD-Empfänger und bei 42,6 % der DD-Empfänger zu einerakute Abstoßungsreaktion. Diese für „heutige“ Verhältnissezugegeben hohe Zahl wird durch die über die Jahre stark sin-kende Tendenz relativiert. In der Kohorte, die 2003–2005transplantiert wurde, trat nur bei mehr 13,2 % der LRD-Empfänger und 15,8 % der DD-Empfänger eine Abstoßungauf. Der Transplantatverlust durch akute Abstoßungen betrug12,9 %.

Wachstum

Minderwuchs ist ein Hauptproblem in der Betreuung chro-nisch niereninsuffizienter Kinder. Trotz guter Ergebnisse derpädiatrischen Nierentransplantation kommt es zu keinembefriedigenden Aufholwachstum nach Transplantation.Gründe dafür sind die chronische Steroidexposition sowie

wahrscheinlich auch Veränderungen der Wachstumshormon/IGF-1-Achse. Ein Aufholwachstum findet sich nur bei ca. 45 % der Kinder, die vor dem 5. Lebensjahr transplantiertwurden, bei allen anderen bleibt die Wachstumsretardierungbestehen. Der Einsatz von rekombinantem Wachstumshor-mon (rhGH) nach Nierentransplantation bei Kindern unter10 Jahren führt zu einem signifikanten Aufholwachstum vonplus 14,6 cm verglichen mit nur 6,6 cm bei Jugendlichen, wasfür einen frühen Einsatz dieser Therapie spricht. Am Ende desLängenwachstums, das bei Transplantierten erst zwischen �

Abb. 2: 5-Jahres-Transplantatüberleben bei LRD-Empfängern und DD-Empfängern unterteilt nach Transplantationsära

100

90

80

70

60

50

40

300 1 2 3 4 5

Jahre

NAPRTCS-Daten 1987–2005; Pediatr Transplantation 2007; 11

Tran

spla

ntat

über

lebe

n (%

)

– – – – – – –

Verwandtenorgane (LRD) (1987–1995)

Verwandtenorgane (LRD) (1996–2005)

Leichenorgane (DD) (1987–1995)

Leichenorgane (DD) (1996–2005)

Abb. 3: Ursachen für Transplantatverlust und Todesursachen bei nierentransplantierten Kindern

0 5 10 15 20 25 30 35(%)

(%)

NAPRTCS-Daten 1987–2005; Pediatr Transplantation 2007; 11

– – – – – – – – –

chron. ASR

Transplantatverlust

ak. ASR

Thrombose

Tod

Rekurrenz

Incompliance

0 10 20 30 40

– – – – – –

Infektionen

Todesursachen

kardial

verschieden

Blutung

Malignom

Rekurrenz

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20 und 21 Jahren erreicht wird, besteht jedoch bei rhGH-behandelten Patienten immer noch ein Längenverlust von –1,8Standardabweichungen, bei unbehandelten sogar –2,6 Stan-dardabweichungen.

Soziale Rehabilitation

In den wenigen Langzeituntersuchungen mit nierentransplan-tierten Kinder wird eine gute soziale und berufliche Situationder Patienten beschrieben. Eine Untersuchung eines großenTransplantationszentrums in den USA zeigt, dass 82 % „ehe-maliger“ transplantierter Kinder berufstätig sind, 95 % gebenihren Gesundheitszustand mit gut an, und 82 % beschreibensich als zumindest so zufrieden wie andere. 50 % der Befragtensind verheiratet und haben ein befriedigendes Sexualleben. Ineiner finnischen Studie zur schulischen Integration nieren-transplantierter Kinder konnte gezeigt werden, dass dieseKinder ein mäßiges Aufmerksamkeits- und Konzentrations-problem haben. Sie schneiden aber bei einem generellen Testbezüglich Verhaltens- und Sozialproblemen mit gesundenKin dern vergleichbar ab.

Malignome

Maligne Erkrankungen nach Nierentransplantation werdenmit einer Inzidenz von ca. 6 % bei Erwachsenen angegeben.Pädiatrische Transplantatempfänger weisen hingegen eineniedrigere Inzidenz von Malignomen von ca. 2 % auf, beiallerdings auffallender Häufung bestimmter Neoplasien. Sokommen Tumoren der Haut bei Kindern praktisch kaum vor,dagegen hat das Posttransplant-Lymphom (PTLD) eine Inzi-denz zwischen 50 und 60 % aller Malignome. Die überwie-gende Zahl dieser Patienten ist vor der Transplantation EBV-negativ und wird dann entweder durch ein EBV-positivesTransplantat oder über eine Wildinfektion serokonvertiert.Immortalisation eines B-Zell-Klons zusammen mit dem Ver-lust an T-Zell-Funktion führen dann zur poly-, oligo- odermonoklonalen Proliferation und zur Tumorentstehung. DieseTumoren können disseminiert oder im lymphatischen Gewe-be lokalisiert auftreten oder nicht selten als intrarenale Lym-phome im Transplantat. Der Manifestationszeitpunkt liegtmeist innerhalb des ersten Jahres nach Transplantation. Der

Einsatz potenter Immunsuppressiva, vor allem poly- undmonoklonale Antikörper (ATG/ALG, OKT3), begünstigendas Entstehen einer PTLD. Therapeutische Optionen sindeine Reduktion der Immunsuppression, Chemotherapie undBestrahlung, wobei die Prognose mit 20 % Organverlust und20 % Letalität dubios bleibt.

Adhärenz

Ein im Ausmaß wahrscheinlich unterschätztes Problem ist dieNon-Adhärenz beim Einnehmen der immunsuppressivenMedikation. Die davon am stärksten betroffene Gruppescheint die der jugendlichen Transplantierten zu sein. Die Lite-raturangaben schwanken hier „messbedingt“ zwischen 5 und50 %. Tatsache ist jedoch, dass Jugendliche nach dem erstenPosttransplantjahr die schlechtesten Funktionsergebnisse allerAltersgruppen aufweisen und einen ungewöhnlich hohenAnteil an späten, akuten Abstoßungen haben. Leider stehenderzeit nur ungenügende Methoden sowohl zur Identifizierungals auch zur Lösung dieses Problems zur Verfügung. ■

Die Nierentransplantation ist die mit Abstand beste Nierener-satztherapie im Kindesalter und bietet eine optimale körperli-che, psychische und soziale Rehabilitation. Die wesentlichenUnterschiede liegen in einer kurzen Wartezeit auf ein Trans-plantat, einem hohen Anteil von Verwandtenspenden, häufigenurologischen Fehlbildungen und in einer initial verstärkten Im-munsuppression mit IL-2-Rezeptor-Antikörpern. Die Ergebnissekonnten in den letzten Jahren zunehmend verbessert werden.So liegt das 5-Jahres-Transplantatüberleben heute bei 75–85 %,das 5-Jahres-Patientenüberleben bei 92–96 %. Die aktuelle Inzi-denz von akuten Abstoßungsreaktionen im ersten Jahr nachTransplantation beträgt ca. 14 %.Probleme in der Langzeitbetreuung sind ein ungenügendes Auf-holwachstum, maligne Erkrankungen, vor allem Posttransplant-Lymphome und ein hohes Maß an Non-Adhärenz bei jugendli-chen Transplantatempfängern.

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STELLENWERT DER UROLOGIE IN DER NTX

Urologische Komplikationen nach NierentransplantationUniv.-Prof. Dr. Richard Zigeuner Universitätsklinik für Urologie, Medizinische Universität Graz

E s steht außer Frage, dass die Nierentransplantation(NTX) sowohl hinsichtlich Lebensqualität als auch hin-sichtlich Mortalität die beste Therapie der terminalen

Niereninsuffizienz darstellt. Die nachfolgende Übersichtüber Komplikationen, die in den Kompetenzbereich derUrologie fallen, soll dazu dienen, den nicht unmittelbar mitder Transplantation befassten Kolleginnen und Kollegen zuzeigen, dass auch ein standardisierter Eingriff keineswegs einSpaziergang zum Erfolg ist.

An der Medizinischen Universität Graz findet sich Österreichseinziges Transplantationszentrum, in dem die Urologie in dasNTX-Programm eingebunden ist. Postoperative urologischeKomplikationen stellen jedoch auch andernorts Urologen vorHerausforderungen.Grundsätzlich lassen sich die Komplikationen nach NTX in 3Gruppen einteilen: zum einen internistische Komplikationen,die sich hauptsächlich aus der immunsuppressiven Therapieergeben und damit in den Kompetenzbereich der Nephrologiefallen. Zum zweiten die Möglichkeit vaskulärer Komplikatio-nen wie Anastomosenprobleme, Nierenvenenthrombosen oderNachblutungen, die den Urologen nur dann betreffen, wenner unmittelbar mit der NTX befasst ist. Und schließlich uro-logische Komplikationen, die auch urologische Kliniken be-treffen können, die nicht in die Transplantationsmedizininvolviert sind. Auf diese spezifischen urologischen Komplika-tionen soll im Folgenden weiter eingegangen werden.Die Gesamtinzidenz urologischer Komp likationen wird in derLiteratur mit einer Bandbreite von 2–14 % angegeben. FolgendeKomplikationsmöglichkeiten fallen in den Kompetenzbereichder Urologie:• Harnwegsinfektion• Harnleckage• Ureterobstruktion• Urethrastriktur• Lymphocele• Hydrocele testis• Steinbildung• De-novo-Malignome des Harntraktes

Harnwegsinfektionen

Harnwegsinfektionen stellen die amhäufigsten diagnostizierte urologischeKomplikation nach NTX dar. In einerretrospektiven Analyse der UniversitätRostock an über 1.000 konsekutivenNTX entwickelten knapp 30 % derPatienten Harnwegsinfektionen. Indieser Serie hatten PatientInnen, die

intraoperativ mit einer Doppel-J-Ureterschiene versorgt wur-den, im Vergleich zu „schienungsfreien“ Transplantationen einetwa 50 % höheres Risiko, eine Harnwegsinfektion zu erleiden.Eine asymptomatische Bakteriurie, die bei immunkompeten-ten Personen nicht unbedingt einer Therapie bedarf, ist unterImmunsuppression sehr wohl behandlungspflichtig, weil diebakterielle Kontamination des Harntraktes unter diesen Be-dingungen eine Bedrohung für das Transplantat darstellt. DieseHarnwegsinfekte sind aufgrund der Immunsuppression alskomplizierte Infekte zu werten und müssen mit einer antibio-grammgerechten Antibiose über 7–10 Tage behandelt werden.

Harnleckage

Harnleckagen nach Transplantation werden in der Literaturbei bis zu 9 % der NTX-Patienten berichtet. Die Ursache liegtin der überwiegenden Zahl der Fälle in einer Minderdurch-blutung des distalen Ureterabschnittes mit nachfolgender Nek -rose des Ureters und Harnextravasation. Seltener ist dieHarnfistel durch Zurückschlüpfen eines zu kurzen, unterSpannung stehenden Ureters aus der Blase oder durch ein Leckim Nierenbeckenkelchsystem, das bei der Organentnahmeoder Präparation entstanden ist, verursacht. Die Diagnostikder Harnfistel erfolgt am einfachsten bei noch liegenderWunddrainage. Mit freiem Auge kann zwischen Lymphe undHarn nicht unterschieden werden. Laborchemisch jedoch istdie Differenzierung mit einer einfachen Kreatininbestimmungaus dem Drainagesekret zu stellen: Lymphe hat serumäquiva-lente Kreatininwerte, während Harn immer ein Vielfaches

Univ.-Prof. Dr. Richard Zigeuner

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davon aufweist. Tritt die Fragestellung erst nach Drainentfer-nung auf und wird der Patient aufgrund einer Raumforderungim Becken symptomatisch, ist als Erstmaßnahme eine sono-graphisch oder CT-gezielte Punktion und Drainage anzulegen,und dann die Differenzialdiagnose zu stellen.Die Therapie der Harnleckage ergibt sich aus der Ursache:Wenn die Fistelung im Bereich der Ureterozystostomie lokali-siert ist, ist das Mittel der Wahl die Ureterneueinpflanzung indie Blase. Dies ist allerdings nicht immer so einfach, wie es aufden ersten Blick scheint. Der nekrotische Ureterabschnitt mussbis ins vitale Gewebe reseziert werden. Mitunter wird in Ab-hängigkeit von der Länge der Ureternekrose die Distanz zurBlase zu lang. Liegt eine ausreichende Blasenkapazität vor,kann die Distanz mit Psoas-Hitch-Technik oder mittels Boari-Plastik überbrückt werden. Bei ersterer Methode wird die Blaseso weit mobilisiert, dass die Blasenwand spannungsfrei bis überdie Iliakalgefäße hochgezogen werden kann, dort an der Psoas-minor-Sehne fixiert wird und in diesen Blasenzipfel der Ureterimplantiert wird. Bei der Boari-Plastik wird aus der Blasenvor-derwand ein gestielter Lappen exzidiert, der nach kranial ge-schlagen und zu einem Rohr geformt wird, in das der Ureterimplantiert wird. Nachteil der letzteren Methode ist die Gefahreiner Nekrose infolge Minderdurchblutung. Im Extremfall istder Ureter in seiner gesamten Länge nekrotisch und muss bisan das Nierenbecken reseziert werden. Dann erfolgt eine Pye-lozystostomie, wenn es die Blasenkapazität erlaubt. Diese istjedoch nach langjähriger Dialyse, speziell bei Anurie, nichtimmer gegeben. Liegt eine eingeschränkte Blasenkapazität vor, kann eventuellder native Ureter (sofern noch vorhanden) des Empfängers hilf-reich sein. Dann ist, je nach Ausdehnung des Ureterdefektes,eine Uretero-Ureterostomie oder Uretero-Pyelostomie möglich.Wurde auf dieser Seite im Vorfeld eine Nephroureterektomiedurchgeführt, fällt diese Option weg. Produziert die nativeNiere des Empfängers auf dieser Seite noch Harn, so kommtes durch die erforderliche Ligatur des nativen Ureters nach pro-ximal zu einer Hydronephrose, die nicht nur primär Kolikenverursacht, sondern langfristig aufgrund des Infektionsrisikosin Kombination mit der Immunsuppression ein hohes Risikohinsichtlich einer lebensbedrohlichen Urosepsis darstellt. Umdies zu verhindern, muss im Fall der Verwendung des nativenUreters die betroffene Niere raschestmöglich entfernt werden.Einfacher ist die Situation, wenn auf dieser Seite schon im Vor-feld eine Nephrektomie erfolgt war und der distale Ureterab-schnitt noch vorhanden ist.Grundsätzlich legen wir im Falle einer solchen Revisionsope-ration dann eine intraoperative Harnableitung in Form einerDoppel-J-Ureterschiene ein. Diese kann maximal 3 Monateliegen bleiben und wird mittels Zystoskopie entfernt. Im Re-gelfall sind jedoch nach der Revision 4–6 Wochen Liegedauerder Ureterschiene ausreichend. Eine Gefahr besteht darin, dieUreterschiene im Patienten zu vergessen. Dies kann zu Inkrus -tationen führen, die die Entfernung der Schiene eventuell un-möglich machen. Weiters kann es durch Infektionen undReflux zu einem schleichenden Funktionsverlust der Niere

kommen. Rechtlich haftet der Operateur, der die Schiene an-gelegt hat, auch für deren ordnungsgemäße Entfernung.

Ureterstenosen

Vieles, was im letzten Kapitel zur Harnleckage gesagt wurde,ist auch auf die Ureterstenose übertragbar. Die Ursache liegtmeist in einer Minderdurchblutung des distalen Ureterab-schnittes, wobei es an Stelle einer Nekrose mit Harnaustritt zueiner narbigen Schrumpfung mit Stenose kommt. Die Häu-figkeit in der Literatur wird ebenfalls mit bis zu 10 % angege-ben, in den meisten Studien liegt die Inzidenz mit mehrheitlichzwischen 1 und 5 % jedoch deutlich darunter. Bei unzu -reichender Harnausscheidung oder ansteigenden Retentions-parametern erfolgt die Diagnosestellung anhand einerSono graphie der Transplantatniere, die eine Dilatation desHohlraumsystems zeigt. Als Sofortmaßnahme ist dieses Hohl-raumsystem zu entlasten. Dies kann einerseits mittels zysto-skopischer retrograder Ureterschienung erfolgen, die allerdingsnach Transplantation aufgrund der schlechten Lokalisierbarkeitder Ureterimplantation nur selten gelingt. Meist erfolgt alsErstmaßnahme die Entlastung mittels perkutaner Nephrosto-mie, welche dann nach Stabilisierung der Nierenwerte und Ab-klingen eines eventuellen Infektes in eine antegrad angelegteUreterschienung umgewandelt werden kann. Im Regelfallführt die Ureterschiene jedoch nicht zu einer dauerhaftenDurchgängigkeit des Ureters, sodass dann eine chirurgischeRevision der Ureterimplantation erforderlich wird. Die hierbeiangewandten chirurgischen Techniken entsprechen den beimKapitel „Harnleckage“ beschriebenen.

Urethrastriktur

Grundsätzlich kann jeder Eingriff, der mit längerer Liegezeit einestransurethralen Dauerkatheters verbunden ist, zu einer Urethra-striktur führen. Nach NTX liegt der Dauerkatheter üblicherweise1 Woche, dann ist die Blasenwand verheilt und verträgt dieWandspannung bei Füllung gefahrlos. Klinisch manifestiert sichdie Urethrastriktur durch eine zunehmende Harnstrahlab -schwächung. Die Therapie besteht in einer endoskopischenSchlitzung unter Sicht (Urethrotomia interna nach Sachse).Hauptproblem der Harnröhrenstriktur ist das Rezidivrisiko.

Lymphocele

Die Lymphocele ist keine urologische Komplikation im en-geren Sinne. Da jedoch die erste Differenzialdiagnose derLymphocele das Urinom darstellt, werden meist die Urolo-gen damit betraut. Die Lymphocele entsteht durch eröffneteund nicht ligierte Lymphgefäße entweder im Bereich desNierenhilus oder entlang der Iliakalgefäße. Die austretendeLymphe sammelt sich im Becken zwischen unterem Nieren-pol, Blase und Iliakalgefäßen. Eine kleine, asymptomatischeLymphocele erfordert keine Therapie. Mitunter kommt es jedoch zu Harntransportstörungen, Infektionen oder �

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Lymphödemen der unteren Extremität. Dann besteht Hand-lungsbedarf. Die Erstmaßnahme zwecks Entlastung und Ab-grenzung zum Urinom wurde bereits beschrieben (sieheKapitel „Harnleckage“). Die Drainage allein ist oft nichtausreichend, da die fistelnden Lymphgefäße sich häufignicht spontan verschließen. Dann besteht die Therapie derWahl in einer Fensterung der Lymphocele nach intraperito-neal, was offen chirurgisch oder besser laparoskopisch erfol-gen kann. Im Regelfall produziert eine Lymphocele einige100 ml Lymphe pro Tag. Dieses Volumen wird vom Perito-neum problemlos resorbiert.

Hydrocele testis

Bei der NTX wird üblicherweise ein Pararektalschnitt angelegt.Bei Männern ist es oftmals erforderlich, aus Platzgründen dieSamenstranggebilde intraoperativ zu durchtrennen. Dies führtzwar im Regelfall nicht zu einer Schädigung des betroffenenHodens, da eine ausreichende Kollateralversorgung vorliegt.Jedoch kann es durch Lymphstau zur Entwicklung einer Hy-drocele der betroffenen Seite kommen. Diese ist zwar unge-fährlich, verursacht jedoch potenziell Beschwerden und wirddann operativ nach Winkelmann oder Bergmann saniert. EineHydrocelenpunktion ist aufgrund des obligat auftretenden Re-zidivs nicht nur sinnlos, sondern aufgrund der Immunsuppres-sion sogar gefährlich.

Steinbildung

Eine Steinentstehung in einem primär steinfreien Nierentrans-plantat ist eine Seltenheit. In unserem Krankengut wurde al-lerdings einmal eine Niere mit großem Nierenbeckensteintransplantiert, welcher der Diagnostik des entnehmenden Zen-trums entgangen war. Ein gewisses Risiko einer Steinbildungbesteht bei Einlage eines Ureterstents, wenn es zu Inkrustatio-nen kommt, die bei der Stententfernung abgestreift werden.Die Therapieoptionen bei Transplantat-Urolithiasis bestehenim Wesentlichen in der extrakorporale Stoßwellenlithotrypsie(ESWL) oder der perkutanen endoskopischen Steinentfer-nung, während die Ureterorenoskopie aufgrund des meistschwierig zu erreichenden Ureters vielfach nicht durchführbarist.

De-novo-Malignomentstehung im Harntrakt

Nierentransplantierte weisen im Vergleich zur Normalbevöl-kerung ein höheres Risiko für maligne Erkrankungen auf. ImBereich des Harntraktes betrifft dies vor allem Nierenzell- undUrothelkarzinome. Das individuelle Risiko hängt dabei vonden Grunderkrankungen ab. Wurde die terminale Nierenin-suffizienz durch nikotininduzierte Gefäßerkrankungen oderAnalgetikaabusus mit verursacht, besteht auch ein erhöhtes Ri-siko für Urothelkarzinome, nicht nur in der Blase, sondern(wenn auch seltener) im nativen oberen Harntrakt. Unter Dialyse entwickelt sich vielfach die „acquired cystic kid-

ney disease“, deren Wahrscheinlichkeit mit der Dauer der Dia-lyse steigt. Das damit einher gehende erhöhte Karzinomrisikoist eher auf Prozesse in den geschädigte Nieren selbst als aufdie Immunsuppression zurückzuführen. Einerseits haben auchDialysepatienten ein erhöhtes Risiko für Nierenzellkarzinome,andererseits ist das Risiko beispielsweise nach Herztransplan-tation trotz höher dosierter Immunsuppression nicht erhöht.Eine regelmäßige sonographische Nachsorge der nativen Nie-ren und großzügige Indikationsstellung zur Nephrektomie beiTumorverdacht ist angezeigt.Bezüglich des Prostatakarzinoms scheint das Risiko durch dieTransplantation nicht erhöht zu sein. Da jedoch die Alters-grenzen für die Transplantation kontinuierlich hinaufgesetztwurden, ist in Zukunft unter Umständen mit einem Anstiegzu rechnen. Grundsätzlich gelten jedoch die gleichen Regelnfür die Prostatavorsorge wie in der Allgemeinbevölkerung.

Prävention urologischer Komplikationen nach NTX

Aus oben genannten Beschreibungen geht hervor, dass Kom-plikationen des transplantierten Ureters zu den heikelsten Prob -lemen zählen, da hier bezüglich des TransplantatüberlebensGefahr im Verzug ist. Bei der Behandlung des Ureters ist aufmehrere Aspekte zu achten. Am empfindlichsten ist die Durch-blutung des Ureters. Diese kommt nach Absetzen des distalenUreters und Auspräparieren aus dem retroperitonealen Gewebeausschließlich von der Niere, die Gefäße verlaufen in der Adventitia. Je länger der Ureter, desto schlechter die Durch-blutung am distalen Ende. Denudieren des Ureters mit Abprä-parieren der Adventitia schädigt ebenfalls die Durchblutung.Ein zu langer oder denudierter Ureter wird mit höherer Wahr-scheinlichkeit fisteln oder stenosieren. Die versehentlicheDurchtrennung einer isolierten unteren Polarterie der Niere,die bei Entnahme oder Präparation übersehen wird, führt nichtnur zu einem Ausfall des unteren Polsegmentes, sondern mithöchster Wahrscheinlichkeit auch zu einer Nekrose des Ure-ters. Aus demselben Grund darf bei der Präparation der Nieredas Fettgewebe zwischen unterem Nierenpol und Ureter nichtberührt werden. Neben einer verminderten Durchblutung sind es Spannungund Zugkräfte, die der Ureter übel nimmt. Bei der Implanta-tion des Ureters ist darauf zu achten, dass dieser für eine adä -quate Durchblutung ausreichend kurz ist, andererseits aberlang genug, um eine spannungsfreie Implantation zu gewähr-leisten. Ebenso ist auf einen geraden Verlauf des Ureters beider Implantation zu achten. Eine Verdrehung führt obligat zurStenose. Zur Orientierung sind die in Längsrichtung verlau-fenden Gefäße in der Adventitia hilfreich.Es wird immer wieder diskutiert, ob eine prophylaktische Ure -terschienung bei jeder Transplantation vorgenommen werdensollte. Diese Frage wurde im Rahmen einer prospektiv-rando-misierten Studie aus Manchester bei 201 Empfängern unter-sucht. Hierbei zeigte sich ein deutlicher Unterschied zugunstender geschienten Gruppe: Harnleckagen traten in 0,9 % mitSchiene und in 8,9 % ohne Schiene auf. Dies muss jedoch im

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Kontext mit einer deutlich erhöhten Infektionsgefahr in dergeschienten Gruppe gesehen werden: Das Risiko für eine In-fektion betrug 31 % gegen 17 %. Darüber hinaus sind 91 %der Patienten mit einer routinemäßigen Schienung überbehan-delt. Anders ausgedrückt müssen 11 Patienten geschient wer-den, um eine Leckage zu verhindern, während jeder 7. Patientnur durch die Schienung alleine einen Harnwegsinfekt erleidet.Dies wurde auch in einer Metaanalyse aller publizierten Stu-dien zu diesem Thema bestätigt. In insgesamt 5 randomisiertenSerien mit zusammen etwas über 400 Patienten lag die Rateurologischer Komplikationen bei 1,5 % mit und bei 9 % ohneSchienung. Routinemäßige Ureterschienung reduziert somitdie Harnleckagen, aber erhöht im Gegenzug das Infektionsri-siko, teilweise auf das Doppelte. Was hingegen die finanzielleSeite betrifft, zeigte sich in einer Studie aus Ann Arbor, Michigan, USA, dass eine routinemäßige Ureterschienung kosteneffektiv ist: Für die Kosten, die ein Patient mit einerHarnleiterkomplikation verursacht, könnten 22–23 Ureterstents

gelegt werden. Diese Daten aus dem US-Gesundheitswesen sindallerdings nicht direkt auf unser System übertragbar. ■

Die häufigste und zugleich am leichtesten therapierbare urologi-sche Komplikation nach NTX ist der Harnwegsinfekt. Die heikels -ten, weil für das Transplantatüberleben relevanten urologischenKomplikationen sind jedoch Probleme des Ureters in Form vonHarnleckage und/oder Stenose. In den großen publizierten Serienmit über 1.000 Patienten liegt die Rate an Ureterkomplikationennach NTX überwiegend unter 10 %. Alle publizierten Serien zei-gen übereinstimmend, dass das Komplikationsrisiko mit zuneh-mender Erfahrung sinkt, aber niemals auf null geht. Eine adäquateinterdisziplinäre Nachsorge ist daher unumgänglich.

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DERMATOLOGISCHE ASPEKTE IN DER TRANSPLANTATIONSMEDIZIN

Hautinfektionen und Hauttumoren nach OrgantransplantationPriv.-Doz. Dr. Ingrid H. Wolf Universitätsklinik für Dermatologie und Venerologie, Medizinische Universität Graz

A ufgrund ihrer vielfältigen Manifestationen bereitenHauterkrankungen nach Organtransplantation zahl-reiche spezifische diagnostische und therapeutische

Probleme. Im Vordergrund stehen infektiöse Dermatosen,welche in erster Linie im Zusammenhang mit der immun-suppressiven Therapie stehen sowie Hautkarzinome.

Hautinfektionen

55–97 % aller organtransplantierter PatientInnen sind vonbakteriellen, mykotischen und viralen Hautinfektionen betroffen. Nicht selten finden sich nach Organtransplanta tionenschwere Verlaufsformen und ungewöhnliche, atypische klinischeBilder. Die Herabsetzung der T-Zell-vermittelten Immunantwortbegünstigt die Invasion und Dissemination der Hautinfektionen.Durch die gestörte „immune surveillance“ liegt offenbar eine er-höhte Bakterien- und Viruslast vor. Während Hauttumoren meist erst einige Jahre und länger nachder Transplantation auftreten, findet man infektiöse Dermatoseneher zu Beginn der Posttransplantationsperiode. In Tab. 1 ist diezeitliche Einordnung wichtiger Hautinfektionen nach einer Or-gantransplantation dargestellt. Die Identifizierung des verant-wortlichen Erregers erfolgt durch Kultur und Antibiogramm,virologisches Screening, Histopathologie oder molekularbiolo-gische Methoden (z. B. PCR). Eine möglichst frühzeitige Be-handlung der Infektionen muss angestrebt werden.

Bakterielle Infektionen

Neben Wundinfektionen im Operationsbereich findet manverschiedene durch Streptokokken und Staphylokokken her-vorgerufene Pyodermien meist zu Beginn der Posttransplanta-tionsperiode. Das Spektrum der Infektionen reicht von derImpetigo über Follikulitiden und Furunkel bis zu den Ecthy-mata. Das Erysipel wird in der Regel erst einige Jahre nach derTransplantation beobachtet. Schwere Verlausformen mit hä-morrhagischen, abszedierenden oder nekrotisierend-gangrä -nösen Bildern sind zu beobahten. Auch ungewöhnlicheErysipelerreger wie Escherichia coli sind bei Organtransplan-

tierten nachzuweisen. Selten findetman eine Hautbeteiligung bei einerNokardiose oder im Rahmen von In-fektionen mit atypischen Mykobakte-rien bei transplantierten PatientInnen.Klinisch liegen erysipelartige Rötungen,Ulzerationen, abszedierende Knotenoder dermale bzw. subkutane granulo-matöse Infiltrate vor.

Mykosen

Die wichtigsten transplantationsassoziierten Pilzinfektionender Haut sind Candidosen, Tinea pedis, Onychomykosen,Erythrasma und Pityriasis versicolor. Literaturangaben zeigen,dass bei mehr als 60 % der nierentransplantierten PatientInnenmit superfizielle Mykosen zu rechnen ist.Die Nagelmykose manifestiert sich bei Immunsupprimierten intypischer Weise als weiße Onychomykose (Leukonychia tricho-phytica) oder als proximale subunguale Onychomykose. Interes-sant ist die hohe Inzidenz der Pityriasis versicolor, vor allem nachNierentransplantation. Mukokutane Candidainfektionen (Can-dida albicans) findet man meist im 1. Jahr nach der Transplan-tation. Orale Manifestationen in Form abwischbarer, weißer,pseudomembranöser, plaqueförmiger oder zirzinärer Beläge,treten bei 10 % der Transplantierten auf. Dominierende Infektionen im Rahmen systemischer Mykosen sind Candidaund Aspergillus mit meist sekundärer Hautbeteiligung nachLungenerkrankung. Typisch sind makulopapulöse Exantheme,Pusteln, ulzerierte Plaques und schmerzhafte erythematöseKnoten an den Extremitäten und am Stamm, welche das Bildeiner infektiösen Panniculitis aufweisen. Die Infektion erfolgtentweder durch Inokulation des Pathogens in das subkutaneGewebe oder durch hämatogene Dissemination.Heute werden nach Organtransplantationen auch seltene My-kosen, hervorgerufen durch Mucor-Arten, Phäohyphomyzeten,Alternaria oder Wangiella, beobachtet. Organ transplantiertehaben auch einerhöhtes Risiko für die Entwicklung einer dis-seminierten Kryptokokkose mit Papeln, Pusteln und ödema -

Priv.-Doz.Dr. Ingrid H. Wolf

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tösen, erythematösen Plaques oder Ulzera und dem klinischenBilder einer nekrotisierenden Fasziitis.Bei der Therapie von Mykosen sind Resistenzen gegen topischeund systemische Antimykotika und deren Interaktionen mit Im-munsuppressiva zu beachten.

Virale Infektionen

Herpes-simplex-(HSV)-Infektionen treten in den ersten Wochen nach der Transplantation oder auch später auf. Bei40–50 % der PatientInnen handelt es sich um eine Reaktivierung des Virus (Typ 1 oder 2). Die klinische Sym-ptomatik ist durch solitäre und gruppierte Bläschen im oralenbzw. genitalen Bereich charakterisiert. Nicht selten sieht mangroße Läsionen mit Nekrosen und Ulzerationen (atypische,persistierende HSV-Infektionen). Disse minierung mit Pneu-monie, Hepatitis oder Enzephalitis mit potenziell tödlichemVerlauf ist möglich. Zur Behandlung stehen Aciclovir, Valaci-clovir oder Famciclovir zur Verfügung.

Herpes zoster (Varicella-Zoster-Virus, VZV) ist bei bis zu10–30 % der Transplantatempfänger in den ersten 6 Monaten(später als HSV und CMV) zu beobachten. Die Hautverän-derungen sind ausgeprägt und durch Hämorrhagien sowieNek rosen, die zu Narbenbildung führen, charakterisiert. Beigenauerer Inspektion findet man fast immer im Bereich desgesamten Integuments kleine Bläschen auf erythematösemGrund (Zoster generalisatus). Rezidive sind möglich. Infektio-nen mit HSV und VZV kommen unter Mycophenolat-Mofe-til-Therapie häufiger (wegen der B-Zell-Depletion) vor. Einesystemische Ausbreitung, vor allem bei Primärinfektionendurch VZV, kann zu lebensbedrohlichen Komplikationen mitPneumonie, Vaskulitis, intravasaler Gerinnung, ZNS-Beteili-gung, Hepatitis und Pankreatitis führen.Die Zytomegalie-(CMV)-Chemoprophylaxe mit Gancicloviroder Valganciclovir schützt vor HSV- und VZV-Reaktivierung.Falls eine Behandlung notwendig wird (z. B. bei Unterbrechen

der CMV-Prophylaxe), werden möglichst frühzeitig Viru statikaperoral oder intravenös verabreicht (Aciclovir, Valacic lovir, Fam-ciclovir, bei Niereninsuffizienz Brivudin).Die Frage, ob Zostervakzine bei immunsupprimierten Pa - t ientInnen zur Prophylaxe indiziert sind, kann wegen noch un-klaren Risiken derzeit nicht beantwortet werden. Allerdingssollten seronegative PatientInnen nach einer eventuellen Ex-position mit Varicella-Zoster-Immunglobulinen passiv immu-nisiert werden.

Zytomegalievirus-(CMV)-Infektionen nach Organtransplan-tationen können mononukleoseartige Symptome mit Fieber,Leukopenie, Purpura, ein morbiliformes Exanthem und nek -rotischen Papeln oder Vaskulitis induzieren. Typisch sind ge-nitoanale Ulzera, aber auch Zungenulzera. Die Diagnose wirdhistologisch durch den Nachweis intrazellulärer Einschlüssemit einem Halo in den Endothelzellen der Kapillaren oder mit-tels PCR gestellt. Das Spektrum der CMV-Krankheitsmanifestationen reicht biszur lebensbedrohlichen Multiorganbeteiligung mit Pneumo-nie, Hepatitis, Retinitis oder gastrointestinale Ulzerationen.Ein besonders hohes CMV-Infektionsrisiko besteht bei sero-positiven Spender und seronegativen Empfängern. Zur Behandlung stehen Ganciclovir, Foscarnet oder Cidofovirzur Verfügung.

Infektionen mit humanen Herpesviren 6 und 7 (HHV 6/7)bzw. deren Reaktivierung treten bei 30 % aller Transplantiertenin den ersten Wochen nach dem Eingriff auf. Das klinischeBild kann durch Fieber, Hautexantheme (siehe Anfang Virus-krankheiten) und – in Einzelfällen – Pneumonien, Hepatitisund Enzephalitis charakterisiert sein. Die Diagnose wird mit-tels PCR im Blut oder in der Hautbiopsie gestellt.Andere wichtige virale Hautmanifestationen, wie Posttransplant-Lymphome (Epstein-Barr-Virus), das Kaposi-Sarkom (Herpes-virus 8) und durch humane Papillomviren (HPV) induzierteTumoren (Verrucae vulgares), werden hier nicht besprochen. �

1. Monat nach TX 2.– 5. Monat nachTX ≥ 6 Monate nach TX

Wundinfektionen/Pyodermien Nokardiose Mykosen- Staphylococcus aureus - Candida

- Aspergillus - Malassezia furfur Kaposi-Sarkom - humanes Herpesvirus 8

Viruserkrankungen Herpes zoster Posttransplant lympho-proliferative- humanes Herpesvirus 6/7 - Varicella-Zoster-Virus Disorder- Herpes simplex - Zytomegalievirus - Epstein-Barr-Virus

Anogenitale Dysplasien - humanes PapillomavirusVerrucae- humanes Papillomavirus

Nach: C.Ulrich et al., JDDG 2008; 6:98-105

Tabelle 1: Wichtige Hautinfektionen nach Organtransplantation – zeitliche Zuordnung

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Hautkarzinome nach Transplantation

Bei den malignen Hauttumoren ist zwischen so genanntennicht-melanozytären Hautkarzinomen („non-melanoma skincancer“) und dem malignen Melanom zu unterscheiden. Zuden nicht-melanozytären Hautkarzinomen gehören die Basal-zellkarzinome und Plattenepithelkarzinome, einschließlich der aktinischen Keratosen, als häufigste – in Millionenzahlen nach-weisbare – bösartige Neoplasien beim Menschen. Nicht-mela-nozytäre Hauttumoren treten bevorzugt an chronischlichtexponierter Haut auf.

Plattenepithelkarzinome: Das klinische Bild der Plattenepithel-karzinome und der aktinischen Keratosen ist variabel (Abb. 1,Abb. 2). Meist tritt eine keratotische Läsion auf geröteter Basisauf. In fortgeschrittenen Stadien zeigen sich ulzerierte Tumo-ren, sehr selten wird Metastasierung, vor allem in die lokore-gionalen Lymphknoten beobachtet. Das früheste Stadium desPlattenepithelkarzinoms der Haut wird als aktinische Keratosebezeichnet. Man schätzt, dass die Prävalenz bei 70-Jährigenfast 100 % beträgt. Zahlreiche Beobachtungen wie z. B. iden-tische morphologische Ver änderungen und eine klonale gene-tische Verwandtschaft (Mutation im p53-Suppressor-Gen)zwischen aktinischen Keratosen und Plattenepithelkarzinomenunterstützen das Konzept, die aktinische Keratose als Carci-noma in situ zu definieren. In der Umgebung aktinischer Ke-ratosen findet man oft karzinomassoziierte subklinischeVeränderungen. Diese durch Karzinogene, wie UV-Strahlung

oder humane Papillomviren, induzierten Phänomene werdenals Feldkanzerisierung bezeichnet.

Basalzellkarzinome gelten als maligne Tumoren der Stamm-zellen (Trichoblasten) des Haarfollikels. Sie treten bevorzugtan sonnenbelichteten Stellen im Kopf-Hals-Bereich auf undmanifestieren sich meist als rötlich-braune Plaque oder Knoten.Charakteristisch für Basalzellkarzinome ist die extrem selteneMetastasierung, jedoch zeigen sie oft ein aggressives Wachstummit Infiltration in die Umgebung. In der Pathogenese spielenGenmutationen, wie z. B. das humane PTCH-(patched)-Genund/oder das SMOH-Gen eine wichtige Rolle. Diese führen zueiner unkontrollierten Aktivierung des „sonic hedgehog“- Signalweges und somit zu einer Wachstumsstimulation der Tumorzellen.

Risiko und klinisches Bild: Das Risiko für die Entstehung vonHautkarzinomen ist bei organtransplantierten PatientInnen ge-genüber der Normalbevölkerung deutlich erhöht (aktinischeKeratosen Faktor 250, invasives Plattenepithelkarzinom Faktor60, Basalzellkarzinom Faktor 10). Die Entwicklung von Haut-karzinomen ist von zahlreichen Faktoren abhängig, wobei Rolleund Interaktion der medikamentös induzierten Immunsuppres-sion nicht exakt geklärt sind. Neben individuellen Risikofak-toren (Alter des Patienten, Hauttyp, UV-Exposition) habendie Höhe und Dauer der Dosierung, die Art des verwendetenImmunsuppressivums sowie der Typ der Organtransplantation(z. B. Nieren-Transplantation) einen wesentlichen Einfluss aufdas Hautkarzinomrisiko.Oft finden sich atypische klinische und histologische Bild derHauttumoren nach Organtransplantationen. Zu beobachtensind hyperkeratotisch-verruköse (warzige) Läsionen oder Kera-toakanthom-ähnliche Tumoren, einzeln oder multifokal, inhochgradig aktinisch geschädigter Haut. Der Verlauf ist nichtselten aggressiv mit invasivem Wachstum, hohen Rezidivraten(13 %) und Metastasierung (7 %). Von spezieller Bedeutungsind hier wahrscheinlich verschiedene Komponenten des Im-munsystems (z. B. T-regulatorische Zellen) und wahrscheinlichauch HPV-Typen (HPV-DNA lässt sich in epithelialen Haut-

• Exzision• Dermabrasio• Kürrettage• Laser• Kryotherapie• Imiquimod• Diclofenac + Hyaluronsäure• 5-Fluorouracil• photodynamische Therapie• andere

Tabelle 2: Therapieoptionen bei oberflächlichen Hauttumoren

Abb. 1: Aktinische Keratosen und invasives Plattenepithelkarzinomder Haut bei einem 2-mal nierentransplantierten Patienten

Abb. 2: Plattenepithelkarzinom an der Stirn bei einem nieren -transplantierten Patienten

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tumoren von immunsupprimierten Patienten vergleichsweisehäufiger nachweisen als bei Immunkompetenten).

Therapie: Die Behandlung von Hautkarzinomen bei Patientennach Organtransplantation ist schwierig und sollte in speziali-sierten dermatologischen Ambulanzen in Zusammenarbeit mitden Transplantationszentren und Internisten durchgeführtwerden.Neben klassischen, etablierten Therapieverfahren (wie z. B. Ex-zision, Kürettage, Kryotherapie), stehen moderne, nicht-operativelokale Behandlungsmethoden (topische Pharmakotherapien) zurVerfügung (Tab. 2). Ein wichtiger Vorteil dieser neuen Behand-lungsmethoden ist, dass auch subklinische Tumoren im Rahmender Feldkanzerisierung frühzeitig erfasst und zerstört werden kön-nen.Imiquimod gehört zu den immunmodulierenden Substanzenmit antiviralen und antitumoralen Eigenschaften. Nach Auf -tragen einer Imiquimod-5%-Creme kommt es – als Zeichender Wirkung – zu einer Entzündung im Bereich des Tumorsmit Aktivierung der tumorspezifischen Apoptose (d. h. desprogrammierten Zelltodes) und der zellulären Immunität undschließlich zur Rückbildung des Tumors.Diclofenac ist eine nicht-steroidale antientzündliche Substanz,die spezifisch die Cyclooxygenase I und II (COX-I, -II) hemmt.Die Kombination mit Hyaluronsäure als Trägersubstanz in Formeines 3%igen Gels erhöht die Bioverfügbarkeit von Diclofenac.5-Fluorouracil ist ein Antimetabolit, der selektiv antiprolifera-tiv auf Tumorzellen wirkt.Die photodynamische Therapie (PDT) ist eine neue Form derPhotochemotherapie. Nach topischer Applikation von 5-Ami-

nolävulinsäure und Bestrahlung mit sichtbarem Licht kommtes durch Freisetzung von Sauerstoffmolekülen zur Tumor -destruktion.Bei Hochrisikopatienten muss neben einer Dosisreduktionauch eine Umstellung des Immunsuppressivums auf Thera-peutika mit antineoplastischer Potenz angestrebt werden (z. B.von Cyclosporin A auf einen m-TOR-Inhibitor wie Sirolimus).Vor einer geplanten Organtransplantation ist eine dermatolo-gische Screeninguntersuchung zur Erhebung eines Risikopro-fils für die Entstehung von Hauttumoren empfohlen. Nachder Transplantation sollte entsprechend einem Nachsorge-plan – in der Regel zumindest alle 6 Monate, bei Hochrisiko -patientInnen alle 3 Monate – eine klinisch-dermatologischeUntersuchung erfolgen. n

Infektiöse Dermatosen und Hautkarzinome sind häufige undwichtige Erkrankungen mit hoher Priorität bei PatientInnennach Organ trans plantation. Der Krankheitsverlauf ist meist aggressiver als bei immunkompetenten Nicht-Transplantati-onspatientInnen. Primäre Prophylaxe, Frühdiagnose, eine mög-lichst recht zeitige Therapie und dermatologischeNach sorgemaß nahmen sind von spezieller Bedeutung, umKomplikationen wie lebensbedrohliche systemische Infek -tionskrankheiten oder invasive Plattenepithelkarzinome mitMetas tasierung zu vermeiden.

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