1
| TREFFPUNKT FORSCHUNG Das erste NCRC-Projekt dieser Art entstand in Wechiau, einer Region am Oberlauf des Schwarzen Volta in Ghana. Dort klagten Anfang der 1990er Jahre die Bauern und Fischer über Flusspferde (Hippo- potamus amphibius), welche oft ihre Ernte beziehungsweise Netze zerstörten. Manche hatten bereits begonnen, die Tiere zu jagen, um solche Schäden zu verhindern. Das NCRC schlug daraufhin ei- nen Plan vor, der ein Zusammen- leben von Menschen und Fluss- pferden ermöglichen sollte. Mason und seine Mitarbeiter überzeugten die Dorfältesten der 17 Dörfer in der Region, dass sie unter ihrer eigenen Regie ein 80 Quadratkilo- meter großes Schutzgebiet für die Dickhäuter einrichten und Öko- tourismus als zusätzliche Einnah- mequelle entwickeln könnten. Vom Jahr 2000 an schickte Earthwatch – eine internationale Organisation, die Umwelt- und Na- turschutzforschung unterstützt, in- dem sie Gebühren zahlende frei- willige Helfer rekrutiert – Frei- willigenteams nach Ghana, um Erhebungen über die Artenvielfalt in Wechiau durchzuführen. Außer den Flusspferden beherbergt das Gebiet mehr als 250 Vogelarten und zeichnet sich durch eine große Pflanzenvielfalt aus. Gemeinsam mit den Einheimi- schen richteten Earthwatch und NCRC dann das Schutzgebiet ein und investierten in Infrastruktur für die erhofften Besucher. Inzwi- schen bringen die Touristen pro Jahr mehr als 30.000 Dollar in die Region. Damit hat sich die Investi- tion schon ausgezahlt und neue Arbeitsplätze sind entstanden. Die Einheimischen profitieren auch von den Infra- strukturmaßnah- men. So hatten vorher zum Bei- spiel nur zwei Dörfer sauberes Trinkwasser, heute hingegen alle 17. Das ganze Schutzgebiet bleibt weiterhin unter örtlicher Verwal- tung. Die Regierung von Ghana hat das Projekt zwar inzwischen befürwortet, ist aber nicht an den Entscheidungsprozessen beteiligt. Seit sich der Erfolg des Fluss- pferd-Projekts abzeichnet, hat das NCRC begonnen, dieselbe Vorge- hensweise auch andernorts umzu- setzen. Am Volta-See entsteht zum Beispiel ein Reservat für Manatis (Trichechus senegalensis, siehe Abbildung), die ebenso wie die Flusspferde von der Jagd bedroht sind. Alle Projekte bewegen sich auf einem relativ bescheidenem Maßstab, verglichen mit National- parks. Doch Mason hat ehrgeizige Pläne. Wenn er die Wirksamkeit seiner Vorgehensweise an diesen kleineren Projekten demonstriert hat, will er diese auch in größeren, bisher von der Regierung verwalte- ten Anlagen anwenden. NCRC steht bereits in Verhandlungen mit der Regierung von Ghana und hofft, das Wechiau-Modell ab 2009 in einem existierenden größeren Reservat und ab 2012 in einem Na- tionalpark zum Einsatz bringen zu können. Michael Groß, Oxford © 2008 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.biuz.de 4/2008 (38) | Biol. Unserer Zeit | 221 NATURSCHUTZ Neue Wege für den Artenschutz in Afrika Beim Thema Artenschutz in Afrika denken viele an die großen Natio- nalparks, in denen Giraffen stolzieren und zahlungskräftige Touristen im Geländewagen umherkutschiert werden. John Mason, der Direktor des Nature Conservation Research Centre (NCRC) im westafrikanischen Staat Ghana, vertritt die Ansicht, dass diese Parks der Natur wenig nützen und oft schaden. Nationalparks sind zum Scheitern verurteilt, sagt er, weil die staatlichen Behörden, die sie betreiben, die einheimi- sche Bevölkerung gegen die Schutzvorhaben aufbringen. Als Gegen- entwurf hat das NCRC neuartige Naturschutzprojekte entwickelt, bei denen das Zusammenleben von Mensch und Natur im Vordergrund steht. ABB. Der Afri- kanische Manati ( Trichechus se- negalensis ) aus der Familie der Rundschwanz- seekühe (Triche- chidae) zählt zu den in Ghana von der Jagd be- drohten Arten. INTERNET: www.ncrc-ghana.org/ den touristischen Angeboten ihrer Nachbarn. Das Land unterstützt regionale IKZM-Aktivitäten, aber auch elek- tronische Medien, wie den Küsten- Newsletter des EUCC-Deutschland (www.eucc-d.de). Ein neuer Ansatz ist die Be- trachtung des Meeres- und Küsten- bereiches durch den Raumord- nungsbericht „Küste und Meer“. Unterschiedliche Zuständigkeiten erschweren oft die Raumordnung im Küstenbereich: Den Küsten- ländern ist das Küstenmeer (12 sm Zone) und dem Bund die Aus- schließliche Wirtschaftszone (AWZ, 200 sm) unterstellt. Die Kooperation mit Nachbarländern wird durch Gemeinschaftsprojekte wie „Baltcoast – transnationale Raumnutzungsstrategien im Offshorebereich“, „Coastal Practice Network“ (CoPraNet, www.coastalpractice. net) oder „STRING“ (Kooperation in der süd- westlichen Ostseeregion) unter- stützt. IKZM ist damit eine Chance für mehr nachhaltige Entwicklung an den Küsten. [1] BMU, Integriertes Küstenzonenmanage- ment Deutschland 2006. [2] Wadden Sea Quality Status Report 2004. Inge Kronberg, Hohenwestedt

Neue Wege für den Artenschutz in Afrika

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Neue Wege für den Artenschutz in Afrika

| T R E F F P U N K T FO R SC H U N G

Das erste NCRC-Projekt dieser Artentstand in Wechiau, einer Regionam Oberlauf des Schwarzen Voltain Ghana. Dort klagten Anfang der1990er Jahre die Bauern und Fischer über Flusspferde (Hippo-potamus amphibius), welche oftihre Ernte beziehungsweise Netzezerstörten. Manche hatten bereitsbegonnen, die Tiere zu jagen, umsolche Schäden zu verhindern.

Das NCRC schlug daraufhin ei-nen Plan vor, der ein Zusammen-leben von Menschen und Fluss-pferden ermöglichen sollte. Masonund seine Mitarbeiter überzeugtendie Dorfältesten der 17 Dörfer inder Region, dass sie unter ihrer eigenen Regie ein 80 Quadratkilo-meter großes Schutzgebiet für dieDickhäuter einrichten und Öko-

tourismus als zusätzliche Einnah-mequelle entwickeln könnten.

Vom Jahr 2000 an schickteEarthwatch – eine internationaleOrganisation, die Umwelt- und Na-turschutzforschung unterstützt, in-dem sie Gebühren zahlende frei-willige Helfer rekrutiert – Frei-willigenteams nach Ghana, umErhebungen über die Artenvielfaltin Wechiau durchzuführen. Außerden Flusspferden beherbergt dasGebiet mehr als 250 Vogelartenund zeichnet sich durch einegroße Pflanzenvielfalt aus.

Gemeinsam mit den Einheimi-schen richteten Earthwatch undNCRC dann das Schutzgebiet einund investierten in Infrastrukturfür die erhofften Besucher. Inzwi-schen bringen die Touristen proJahr mehr als 30.000 Dollar in dieRegion. Damit hat sich die Investi-tion schon ausgezahlt und neue Arbeitsplätze sind entstanden. DieEinheimischen profitieren auch

von den Infra-strukturmaßnah-men. So hattenvorher zum Bei-spiel nur zweiDörfer sauberesTrinkwasser,heute hingegenalle 17.

Das ganze Schutzgebiet bleibtweiterhin unter örtlicher Verwal-tung. Die Regierung von Ghanahat das Projekt zwar inzwischenbefürwortet, ist aber nicht an denEntscheidungsprozessen beteiligt.

Seit sich der Erfolg des Fluss-pferd-Projekts abzeichnet, hat dasNCRC begonnen, dieselbe Vorge-hensweise auch andernorts umzu-setzen. Am Volta-See entsteht zumBeispiel ein Reservat für Manatis(Trichechus senegalensis, sieheAbbildung), die ebenso wie dieFlusspferde von der Jagd bedrohtsind. Alle Projekte bewegen sichauf einem relativ bescheidenemMaßstab, verglichen mit National-parks. Doch Mason hat ehrgeizigePläne. Wenn er die Wirksamkeitseiner Vorgehensweise an diesenkleineren Projekten demonstrierthat, will er diese auch in größeren,bisher von der Regierung verwalte-ten Anlagen anwenden. NCRCsteht bereits in Verhandlungen mitder Regierung von Ghana undhofft, das Wechiau-Modell ab 2009in einem existierenden größerenReservat und ab 2012 in einem Na-tionalpark zum Einsatz bringen zukönnen.

Michael Groß, Oxford

© 2008 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.biuz.de 4/2008 (38) | Biol. Unserer Zeit | 221

N AT U R S C H U T Z

Neue Wege für den Artenschutz in AfrikaBeim Thema Artenschutz in Afrika denken viele an die großen Natio-nalparks, in denen Giraffen stolzieren und zahlungskräftige Touristenim Geländewagen umherkutschiert werden. John Mason, der Direktordes Nature Conservation Research Centre (NCRC) im westafrikanischenStaat Ghana, vertritt die Ansicht, dass diese Parks der Natur wenignützen und oft schaden. Nationalparks sind zum Scheitern verurteilt,sagt er, weil die staatlichen Behörden, die sie betreiben, die einheimi-sche Bevölkerung gegen die Schutzvorhaben aufbringen. Als Gegen-entwurf hat das NCRC neuartige Naturschutzprojekte entwickelt, beidenen das Zusammenleben von Mensch und Natur im Vordergrundsteht.

A B B . Der Afri-kanische Manati (Trichechus se-negalensis) ausder Familie derRundschwanz-seekühe (Triche-chidae) zählt zuden in Ghanavon der Jagd be-drohten Arten.

I N T E R N E T :

www.ncrc-ghana.org/

den touristischen Angeboten ihrerNachbarn.

Das Land unterstützt regionaleIKZM-Aktivitäten, aber auch elek-tronische Medien, wie den Küsten-Newsletter des EUCC-Deutschland(www.eucc-d.de).

Ein neuer Ansatz ist die Be-trachtung des Meeres- und Küsten-bereiches durch den Raumord-nungsbericht „Küste und Meer“.Unterschiedliche Zuständigkeiten

erschweren oft die Raumordnungim Küstenbereich: Den Küsten-ländern ist das Küstenmeer (12 smZone) und dem Bund die Aus-schließliche Wirtschaftszone(AWZ, 200 sm) unterstellt. DieKooperation mit Nachbarländernwird durch Gemeinschaftsprojektewie „Baltcoast – transnationaleRaumnutzungsstrategien imOffshorebereich“, „CoastalPractice Network“ (CoPraNet,

www.coastalpractice. net) oder„STRING“ (Kooperation in der süd-westlichen Ostseeregion) unter-stützt.

IKZM ist damit eine Chance fürmehr nachhaltige Entwicklung anden Küsten.

[1] BMU, Integriertes Küstenzonenmanage-ment Deutschland 2006.

[2] Wadden Sea Quality Status Report 2004.

Inge Kronberg, Hohenwestedt

216_BI_Treffpunkt_4_08.qxd 31.07.2008 8:06 Uhr Seite 221