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Das neunerhaus-Magazin. Wir berichten aus den Einrichtungen für wohnungslose und obdachlose Menschen des neunerhauses. Wir fragen nach sozial-politischen Veränderungen, porträtieren unsere BewohnerInnen und stellen Forderungen an politische EntscheidungsträgerInnen im Bereich der Wiener Sozialpolitik. Plus: Informationen zur Spendenverwendung und Veranstaltungsreplik.
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neunerNEWS Nr. 11, Juli 2008
In der letzten Ausgabe der neuerNEWS haben wir Sie um Ihre Spende für das
schadhafte Dach des neunerHAUSes Billrothstraße gebeten. Mit den bisher
gespendeten 5.000 EURO können wir die erste Kreditrate für die Dachsanierung
zahlen. Und dafür danken wir Ihnen ganz herzlich. Um die Dachsanierung und den
Ausbau des Dachbodens um weitere vier Wohnplätze fortsetzen zu können, sind
wir aber weiterhin auf Ihre Hilfe angewiesen. Bitte unterstützen Sie uns mit Ihrer
Spende!
Mit beiliegendem Erlagschein oder über eine Direktspende auf
www.neunerhaus.at/spenden.htm helfen Sie schnell und wirksam.
Burgi, 54 Jahre, neunerHAUS Kudlichgasse
Burgi teilt ihr kleines Reich mit ihrer Familie: „Das sind die
Katzen Maxi, Schnurli, Cindy und Moritz, die Wüstenrennmäuse
Felix und Rocco und fünf Finken, die haben keine Namen“, stellt
sie ihre Schar vor. Im Herbst des Vorjahres ist Burgi vom
neunerHAUS Hagenmüllergasse umgezogen in die
Kudlichgasse, „Zuerst ungern, aber jetzt bringt mich hier keiner
mehr weg, da bin ich stur!“
Hart im Nehmen musste sie auch werden, das Leben ist nicht
gerade freundlich mit ihr umgegangen. Am Stadtrand von Wien
aufgewachsen, hat sie zu früh die Mutter verloren und musste
ganz schnell erwachsen werden. Gelernt hat sie Verkäuferin –
„ausgelernt“, wie sie betont. Die Arbeit im Supermarkt hat ihr
gefallen, aber dann erfüllte sie sich den Berufswunsch, den sie
seit ihrem ersten Praterbesuch mit acht Jahren hatte: Mit 18
spielt sie Tod und Teufel in der Geisterbahn. Heimlich, ohne dass
die Familie davon wusste. Als einziges Mädel im Team wird sie
von den Kollegen beschützt und auch ein bissel verwöhnt. Über
ihren späteren Mann ist sie hier im wahrsten Sinn des Wortes
gestolpert, als der als Besucher im Geisterbahnwagen an ihr
vorbeigefahren ist.
Ein Arbeitsunfall mit 28, bei dem sie schwer verletzt wird, setzt
dem Praterleben ein Ende. Die Tochter soll ins Heim, also
stimmt Burgi einer Adoption zu. Als ihr herzkranker Mann stirbt,
kommen zum Alkohol noch Drogen dazu und ein viel jüngerer
Mann, der sie ausnutzt. Den Drogenentzug schafft Burgi alleine,
die Wohnung ist allerdings weg. Ihre größte Sorge sind ihre
Tiere, die vorübergehend im Tierheim untergebracht werden.
Dem Angebot, einen Wohnplatz im neunerHAUS zu bekommen,
stimmt Burgi erleichtert zu, weil hier Haustiere erlaubt sind.
Und die bestimmen nun auch den Tagesablauf – um fünf wird
aufgestanden, da will die erste Katze gefüttert werden. Burgi
genügen zwei bis drei Tassen Kaffee, die kann sie trinken, wäh-
rend die Katzen ihre Streicheleinheiten bekommen. Mindestens
einmal am Tag besucht sie Nachbar Karl auf ein Plauscherl und
– wie sie verschmitzt hinzufügt – ein Bier. Auch in die hauseige-
ne Kantine, das neunerBEISL, geht sie gern, im Sommer sitzt es
sich gut im Garten und wenn „der Chef“ (Anm. Hausleiter
Burkhard Mayr) sich dazugesellt, „dann rennt der Schmäh“,
schmunzelt sie.
Lieblingsprogramm für schlaflose Nächte sind Dracula- und
Horrorfilme, offenbar eine Reminiszenz an die Geisterbahnzeit.
Christopher Lee, den sie im Prater einmal persönlich kennen
gelernt hat, fällt auch heute noch in die Burgi-Kategorie
„fescher Zapfn“ (wie übrigens auch die Zivildiener im
neunerHAUS). Musikalisch mag sie es sanfter. Bei Liedern wie
„Aber dich gibts nur einmal für mich“ oder DJ Ötzis „Ein Stern,
der deinen Namen trägt“ kann man den Abend auch sentimen-
tal ausklingen lassen.
Was wünscht sich Burgi für die Zukunft? „Zwei Papageien hätte
ich gerne noch! Aber Spaß beiseite: Ich habe alles und bin dank-
bar, wenn ich so lange lebe, dass ich meine Tiere versorgen
kann und keines zurücklassen muss“.
„Zu zwölft auf 20 m2“
SPENDEN SIE EIN NEUES ZUHAUSE UNTERM DACH!
Die Krise des Gesundheitssystems trifft auch das neunerHAUS
Unser Anspruch, für
obdachlose Mensch-
en in dieser Stadt
Wohnplätze zu schaf-
fen und Versorgungs-
lücken zu schließen,
war seit Gründung
der neunerHAUS-Ini-
tiative stets geprägt
von der gesell-
schaftspolitischen
Einstellung, dass
Politik und öffentli-
che Verwaltung nicht
aus ihrer (zumeist
gesetzlichen) Verant-
wortung entlassen werden dürfen. Wir streben das Miteinander
von privatem Engagement, Wirtschaft und öffentlicher Hand an,
und es ist mir ein Bedürfnis, Ihnen – als UnterstützerInnen
unseres Vereins – transparenten Einblick in unsere Arbeit zu
geben.
Die Finanzierungskrise der Wiener Gebietskrankenkasse traf
auch uns sehr hart. Monatelang wurden wir im Ungewissen
gelassen, ob es überhaupt noch zu einer Finanzierung kommt,
zehntausende Euro mussten wir vorstrecken – keine einfache
Situation für uns. Sonderprojekte für soziale Randgruppen
haben in einer Finanzierungskrise dieser Dimension nicht ober-
ste Priorität. Erst seit kurzem haben wir nun Gewissheit, dass
die WGKK weiterhin zahlen und die Stadt Wien (FSW, MA40) sich
voraussichtlich beteiligen wird. Sicher ist aber auch, dass wir
weiterhin auf Ihre Spenden angewiesen sein werden, um die
Kosten sowohl für die Häuser, als auch die sozialarbeiterische
und die medizinische Betreuung zu bewältigen. Es geht um nicht
weniger, als die Existenzgrundlage hunderter obdachloser
Menschen zu sichern und nachhaltig zu verbessern.
Dass wir dabei innovative Wege gehen, bleibt nicht unbemerkt:
Unsere Wohnhäuser und Projekte werden mit Preisen ausge-
zeichnet und von in- und ausländischen Regierungsmitgliedern
besucht. Zuletzt würdigten der brasilianische und der österrei-
chische Sozialminister unsere neunerHÄUSER mit ihrem
Besuch. Eine besondere Freude ist für mich auch der im
Dezember 2007 an das Team neunerHAUSARZT verliehene
Gesundheitspreis der Stadt Wien. Unser engagiertes
ÄrztInnenteam betreut mittlerweile 11 Einrichtungen der
Wiener Wohnungslosenhilfe und sichert damit die medizinische
Versorgung von mehr als 1.000 PatientInnen.
So schön diese Erfolge auch sind, für unsere Arbeit brauchen
wir weiterhin Ihre Unterstützung und Solidarität. Dafür danke
ich Ihnen schon jetzt und wünsche Ihnen viel Freude mit der
neuen Ausgabe der neunerNEWS.
Mag. Markus Reiter, Geschäftsführer
EDITORIAL
WUSSTEN SIE, DASS …… in Österreich 250.000 Menschen über ein so geringes Erwerbs-
einkommen verfügen, dass sie unter der Armutsgefährdungs-
schwelle leben?
… die Wiener Sozialhilfe im Vorjahr um 2,9% angehoben wurde,
durch die 6,7%-ige Preissteigerung bei Lebensmitteln für Sozial-
hilfeempfängerInnen aber ein „Loch“ von EUR 132 im Jahr ent-
stand?
… im Jahr 2006 rund 50.000 Menschen in Einrichtungen für
Wohnungslose bzw. Flüchtlinge lebten?
… es in Österreich rund 1.500 bis 2.000 Menschen gibt, die
auf der Straße leben?
… rund 85.000 Haushalte 2006 durch ein Delogierungsverfahren von
Wohnungslosigkeit bedroht waren (ca. 2% der österreichischen
Haushalte)?
… mehr als 14.000 Haushalte tatsächlich delogiert wurden und
davon 34.500 Menschen effektiv betroffen waren?
… seit 2005 insgesamt 170 BewohnerInnen des neunerHAUSes
Billrothstraße den Weg zurück zu einem selbständigen Leben
gefunden haben?
… das Team neunerHAUSARZT jährlich mehr als 1.000 PatientInnen
betreut?
Seit März 2008 widmet sich die
beliebte TV-Moderatorin
Barbara Stöckl in ihrer neuen
Sendereihe „Stöckl am Sams-
tag“ brisanten und bewegen-
den Inhalten. Gesellschaftlich
relevante Themen vermittelt
sie gerne über persönliche
Geschichten. Persönlich wich-
tig ist ihr auch das Engage-
ment für den Verein neuner-
HAUS, den sie seit langer Zeit unterstützt.
Wie sehen/kennen Sie das neunerHAUS, was haben Sie für
einen Eindruck?
Ich kenne das neunerHAUS als engagiertes Projekt für
Obdachlose. Da ist kein Platz für falsches Mitleid, kein Platz für
„Sozialromantik“, da gibt es die klare Realität: du hast kein Dach
über dem Kopf? Du bekommst eines! Da geht es nicht um Schuld,
um Versagen, um Scheitern, sondern um unmittelbare Hilfe für
Menschen, die diese Hilfe brauchen. Mir gefällt auch, dass die
Leute vom neunerHAUS immer wieder mit originellen und
gesellschaftlich relevanten Ideen auf das Thema, ihre Anliegen
aufmerksam machen und dabei finanzielle Mittel zusammentra-
gen. „Haubenküche zum Beislpreis“ war so eine Idee, mit der auf
das Thema Armut & Ernährung aufmerksam gemacht wurde.
Denn arme Menschen sind allzu oft kranke Menschen.
Wie erleben Sie Wohnungslosigkeit/wohnungslose Menschen?
Wie gerne schieben wir dieses Problem von uns weg, sehen
obdachlose Menschen unter der Brücke, auf der Parkbank als
etwas weit Entferntes, fast Exotisches. Doch jeder, der schon in
die Situation gekommen ist, zu fallen, zu scheitern, zu stolpern,
weiß, wie nahe es ist, nicht gleich oder nicht mehr aufzustehen
und weiterzugehen. Ein Dach über dem Kopf zu haben ist ein
Grundbedürfnis, ein Grundrecht. Wenn zum Dach überm Kopf
dann auch ein Dach für die Seele dazukommt, hat man vielleicht
wieder eine echte Chance auf ein selbstbestimmtes, selbständi-
ges Leben. Es ist keine Schande, in unserer Gesellschaft zu
„scheitern“ – es ist eine Schande, wenn wir obdachlosen
Menschen nicht helfen!
Wie haben Sie in HelpTV den Begriff „Sozialschmarotzertum“
erlebt? Wie definieren Sie persönlich „Solidarität“?
Natürlich gibt es immer auch Missbrauch von Sozialleistungen.
Aber daran kann man weder politisches noch persönliches
Handeln orientieren! Manche Menschen haben diesen Begriff
schnell zur Hand, zu schnell. Wir suchen immer wieder nach
Schuldigen, und hat jemand seine Situation selbst „verschuldet“,
dann soll er auch selbst wieder aufstehen, sich selbst helfen und
möglichst die Gemeinschaft nicht belästigen. Wir müssen uns
immer und immer wieder überlegen, ob es uns wichtig ist, dass
Österreich ein „Sozialstaat“ ist. Wer das will, muss bereit sein, zu
geben. Solidarität bedeutet, dass diejenigen, die mehr haben, mit
denen, die weniger haben, teilen. Diese Solidarität ist schließlich
Grundlage unserer „Zivilisation“. Es geht um Hilfe für die
Menschen, die in der schnellen, fitten, gesunden Leistungs-
gesellschaft gerade nicht mitkommen: weil sie nicht gesund,
nicht fit, nicht schnell und nicht mehr so leistungsfähig sind. Weil
ein Schicksalsschlag sie aus der Bahn geworfen hat. Und viel-
leicht auch durch ihre eigene Schuld. Ich möchte gerne auch wei-
terhin in einem Sozialstaat Österreich leben.
„Wenn zum Dach über dem Kopf
ein Dach für die Seele kommt“Viel Ehr, wenig Geld!
IM BRENNPUNKT: BARBARA STÖCKL
Mobilpass für sozial Benachteiligte
VEREIN NEUNERHAUS FORDERT:
GRATISFAHRT FÜR OBDACHLOSE
Der Mobilpass bietet MindestpensionistInnen und Sozial-
hilfeempfängerInnen die Angebote der Wiener Linien zu
stark ermäßigtem Preis. So will die Stadt Wien die Mobilität
sozial Benachteiligter fördern. Konnten bisher etwa 40.000
Menschen die vergünstigten Preise der Wiener Linien nut-
zen, so sollen zukünftig mehr als 100.000 Personen vom
Mobilpass profitieren. Für WienerInnen, die zumindest seit
einem Monat eine Unterstützung erhalten, kostet die
Netzkarte somit EUR 15,20 (statt EUR 49,50). Mit dem
Mobilpass gilt auch ermäßigter Eintritt in den Wiener
Bädern und Büchereien.
Viele BewohnerInnen der neunerHÄUSER werden in den
Genuss des Mobilpasses kommen, für AMS-Notstands-
hilfeempfängerInnen beispielsweise gilt die Regelung aller-
dings nicht.
Wir fordern daher: Gratis-Mobilpass für Wohnungslose und
AMS-NotstandshilfeempfängerInnen. Denn für Menschen,
deren Tagesbudget zwischen null und fünf Euro liegt, sind
auch EUR 15,20 im Monat unleistbar! Und wir fordern die
Abschaffung der Strafverfolgung für jene Menschen, die kei-
nen Mobilpass erhalten, weil sie obdachlos sind und daher
weder Schlafplatz noch Meldezettel vorweisen können.
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Die umfangreichen Renovierungsarbeiten der zweiten
Sanierungsphase konnten abgeschlossen werden. Gleichzeitig
feiert das „Klientenhotel“ neunerHAUS Billrothstraße seinen
dritten Geburtstag.
Das 2005 in Betrieb genommene Übergangswohnheim
Billrothstraße im 19. Wiener Gemeindebezirk kann heuer auf
drei erfolgreiche Jahre zurückblicken. Insgesamt wurden bis
Ende 2007 186 Männer und 11 Frauen betreut.
Seit Eröffnung des Hauses im Juli 2005 konnten 170 Menschen,
die vorübergehend im neunerHAUS Billrothstraße wohnten, in
kürzester Zeit wieder selbst Fuß fassen und in eigenständige
Wohnungen zurückkehren.
Das beweist, dass sich der ursprüngliche Gedanke dieser
Einrichtung bewährt hat: manchmal braucht es mehr als nur
einen Platz für zwei bis drei Tage oder eine Woche, aber ein
Dauerwohnplatz ist für diese wohnungslosen Menschen dann
auch nicht passend oder erforderlich.
In der täglichen Arbeit mit den Betroffenen hat sich im Verein
selbst und in der Beobachtung der Situation innerhalb der
Wiener Wohnungslosenhilfe für die MitarbeiterInnen des
neunerHAUSes gezeigt, dass manche Menschen, und vor allem
Männer, sich plötzlich durch eine Krise, ausgelöst etwa durch
eine Trennung, eine bevorstehende Scheidung, nach einer
Haftentlassung oder aufgrund einer Wegweisung, vor dem über-
wältigenden Problem sehen, auf der Straße zu stehen oder von
drohender Obdachlosigkeit betroffen zu sein.
Grundsätzlich ist das Selbsthilfepotential vieler dieser
Menschen groß, doch in einer derartigen Krise benötigen sie oft-
mals für einen begrenzten Zeitraum Hilfe, Unterstützung und
vor allem einen Platz zum Wohnen und nicht nur ein Bett in
einem Schlafsaal. Gerade hier wies aber das System der Wiener
Wohnungslosenhilfe eine Lücke auf: es gab Dauerwohnplätze,
Notschlafstellen oder Wohnungen im Rahmen des Betreuten
Wohnens, jedoch keine adäquaten betreuten Wohnräume für
einen befristeten Zeitraum. Mit dem neunerHAUS Billrothstraße
ist es gelungen, diese Lücke zu schließen.
Das Konzept „Klientenhotel“
In der Billrothstraße stehen 33 Einzelplätze für Männer und eine
Paarwohnung zur Verfügung. In Ausnahmesituationen werden
auch Frauen aufgenommen. Das Betreuungskonzept ist genau
auf die Problemsituationen dieser Menschen zugeschnitten.
Innerhalb von maximal 6 Monaten wird gemeinsam mit den
SozialarbeiterInnen daran gearbeitet, das Leben und den Alltag
wieder zu stabilisieren und die, durch drohende Obdachlosigkeit
ausgelöste Krise zu bewältigen. Bereits in der ersten Phase
werden ein Haushalts- und ein Maßnahmenplan erstellt. So
gewinnen die SozialarbeiterInnen rasch einen Überblick über
die finanzielle Situation und die eventuell vorhandenen
Schulden. Weiters werden die unterschiedlichen zukünftigen
Wohnmöglichkeiten analysiert und konkrete Schritte zur
Erlangung einer Wohnung oder einer anderen geeigneten
Wohnmöglichkeit in Angriff genommen. So etwa kann bei
Wiener Wohnen eine eigene Wohnung beantragt werden oder es
findet sich eine Wohnung am Privatmarkt. Es besteht auch die
Möglichkeit der Inanspruchnahme eines anschließenden
Betreuten Wohnplatzes in einer anderen geeigneten Einrichtung
der Wiener Wohnungslosenhilfe.
„In allen Phasen ist die aktive Mitarbeit und das Einverständnis
der KlientInnen von hoher Bedeutung und ausschlaggebend für
den Erfolg“, betont Hausleiter Hassan El Sewifi. Er und sein
engagiertes Team, bestehend aus zwei SozialarbeiterInnen, ste-
hen den BewohnerInnen während der Zeit im neunerHAUS
Billrothstraße mit Rat und Tat zur Seite. Auch das Konzept der
Bezugsbetreuung hat sich dort bewährt: jedeR neue
BewohnerIn hat vom ersten Tag an eine fixe Ansprechperson,
die ihn bis zum Auszug, manchmal auch noch darüber hinaus,
begleitet.
Im Vordergrund: Kein Druck und ein menschenwürdiges Leben
So wie in allen neunerHÄUSERN steht ein menschenwürdiges
Leben auch in der Billrothstraße im Vordergrund. Die Männer
und Frauen bewohnen jeweils eigene Wohneinheiten mit
Kochnische und Nasszelle, sie erhalten ihren eigenen
Haustürschlüssel, Besuche sind erwünscht und das Leben mit
Hund und Katz erlaubt. Auch gibt es kein Alkoholverbot.
Die begrenzte Wohndauer von 6 Monaten soll grundsätzlich ein-
gehalten werden. Wird aber im Laufe der Betreuungszeit deut-
lich, dass ein Auszug aufgrund individueller Situationen, wie
etwa eine längere Wartezeit auf eine Gemeindewohnung, inner-
halb dieser Zeit nicht möglich sein wird, gibt es die Option auf
eine Verlängerung.
Sanierung des Hauses in drei Phasen
Das neunerHAUS Billrothstraße war nicht immer ein Wohnheim
für obdachlose Menschen, aber von Anfang an sozialem Wohnen
gewidmet. Lange Jahre diente das denkmalgeschützte
Baujuwel, das 1926 von der bekannten Wiener Architektin Ella
Briggs-Baumfeld als „Ledigenheim“ errichtet wurde, als
Studentinnenwohnheim. 2003 wurde es geschlossen und stand
dann für mehr als zwei Jahre leer. 2005 gelang es dem Verein
neunerHAUS, es käuflich zu erwerben und die
Sanierungsarbeiten konnten beginnen.
Während im ersten Abschnitt zunächst die Zimmer für die
BewohnerInnen, Büroräume, ein Arztzimmer und zwei
Gemeinschaftsräume saniert, Holzböden renoviert und neu ver-
legt, Fliesen, Wasser- und Abflussrohre gelegt und die
Räumlichkeiten eingerichtet wurden, standen die Fassade,
Fenster und Türen im Zentrum der zweiten Sanierungsphase.
Von Sommer 2007 bis Frühjahr 2008 wurde die komplette
Fassade saniert, Außenfenster und -türen erneuert oder reno-
viert, aber auch die Innenräume wurden einer Verschönerung
unterzogen. So war der aus Fachkräften und BewohnerInnen
bestehende Bautrupp mit dem Ausmalen von Wänden, diversen
Montage-, Ein- und Umbauarbeiten beschäftigt. Weiters wurden
Möbel gewachst, Böden geölt, Abflussrohre eingebaut,
Datenkabel verlegt und auch die Kellerräumlichkeiten ausge-
baut. Die dritte Sanierungsphase soll heuer noch in Angriff
genommen werden. Geplant ist die komplette Sanierung des
mittlerweile maroden Daches. Gleichzeitig soll der Dachstuhl
angehoben und vier weitere Wohnplätze geschaffen werden.
Dies bedeutet, dass im Jahr durchschnittlich zusätzlich zehn
Personen betreut werden können. Die Gestaltung des Gartens
wird ein weiterer Schwerpunkt dieser Phase sein.
Sanierung als Beschäftigungschance für Betroffene
Für die Sanierungsarbeiten wurden zahlreiche konzessionierte
Fachbetriebe und Fachleute im Bereich Elektrik, Gas-Wasser-
und Heizungs-Installationen, Spenglerei, Fliesen und Tischlerei
engagiert. Ergänzend zu diesem Trupp an Experten ergriffen
einige engagierte BewohnerInnen die Möglichkeit, ihre
Fähigkeiten und Kompetenzen bei den Sanierungs- und
Renovierungsarbeiten einzusetzen.
„Mit Unterstützung der vielen SponsorInnen und
MitarbeiterInnen ermöglicht das neunerHAUS Billrothstraße
mit seinen 35 Wohnplätzen unzähligen vorübergehend obdach-
losen Menschen eine Rückkehr in ein menschenwürdiges
Leben“, so neunerHAUS-Geschäftsführer Markus Reiter, „Was
noch aussteht ist der Ausbau des Dachbodens mit vier weiteren
Plätzen - daran arbeiten wir nun intensiv. Eine erste Sammlung
für die Dachsanierung hat bereits EUR 5.000,-- ergeben und ich
bin zuversichtlich, dass wir den Ausbau noch heuer angehen
können.“
Ein neunerHAUS erstrahlt im neuen Glanz
DIE neunerHÄUSER DIE neunerHÄUSER
neunerHAUS Billrothstraße alt
neunerHAUS Billrothstraße neu
Team neunerHAUS Billrothstraße
Freude im Verein neunerHAUS. Mitte Dezember 2007 wurde das
Gesundheitsprojekt des Vereins, das Team neunerHAUSARZT, mit
dem Gesundheitspreis 2007 der Stadt Wien in der Kategorie
„ambulante Versorgung“ ausgezeichnet. Überreicht wurde der
Preis von der Ausschussvorsitzenden für Gesundheit und Soziales,
Frau GR Marianne Klicka. „Diese Wertschätzung unserer Arbeit in
der Fachwelt freut uns ganz besonders“, so neunerHAUS
Geschäftsführer Mag. Markus Reiter über die Auszeichnung. Auch
an Anerkennung von internationaler Seite mangelt es nicht.
Ebenfalls im Dezember 2007 hat die WHO eine Case Studie über
das Pionierprojekt verfasst, ein eigenes Webfeature ist geplant.
Die WHO zeigte sich vor allem von der interdisziplinären
Zusammenarbeit und der Ausbildung der ÄrztInnen beeindruckt.
Insgesamt werden im Rahmen des Projekts Team
neunerHAUSARZT neben den BewohnerInnen der neunerHÄUSER
Kudlichgasse und Hagenmüllergasse neun weitere Einrichtungen
der Wiener Wohnungslosenhilfe betreut. Mehr als 1.000 obdachlo-
se Menschen werden somit pro Jahr ärztlich versorgt, die sonst
keinen Arzt aufsuchen könnten oder würden.
Doch warum benötigen ausgerechnet obdachlose Menschen eine
eigene medizinische Behandlung? „Wohnungslos zu sein bedeutet
nicht nur ein Leben auf der Straße und ohne eigenes Einkommen.
Es heißt auch, ein Leben unter großem physischen und psychi-
schen Druck zu führen. Und: Geschätzte 90% aller Obdachlosen
sind mehrfach krank“, weiß Markus Reiter. Aufgrund der schwie-
rigen Lebensumstände benötigen Obdachlose all ihre körperli-
chen Ressourcen, um den Alltag zu bewältigen. Die Gesundheit ist
oft das Letzte, dem Aufmerksamkeit geschenkt werden kann.
Dr. Walter Löffler, medizinischer Leiter des Team
neunerHAUSARZT, erläutert: „Hier ergänzt die umfassende medi-
zinische Betreuung des Team neunerHAUSARZT die Arbeit der
SozialarbeiterInnen und hilft mit, die Lebensqualität der
Menschen nachhaltig zu verbessern. Denn nur wenn sie gesund-
heitlich wieder stabil sind, haben Menschen die Kraft, sich anderen
wichtigen Themen in ihrem Leben zu widmen und diese in Angriff
zu nehmen, wie z.B. die Suche nach einem Wohnplatz oder einer
neuen Arbeit.“
„War der Postler
schon da - es ist
bereits 11 Uhr?“,
dröhnt eine
Stimme aus dem
Warteraum ins
Büro. Ein zustim-
mendes Murmeln
dahinter lässt auf
ein paar Wartende
schließen. Ich
betrete das Büro,
sehe Sabines ver-
neinendes Gesicht
und noch bevor ich den Kopf wenden kann, eröffnen Wortpfeile
das Wortgefecht: „Das ist ja unglaublich, jetzt warte ich schon
seit 3 Tagen auf mein Geld!“ Herr W. versucht mit grimmiger
Miene seiner Beschwerde noch mehr Ausdruck zu verleihen.
Hinter ihm Frau P., die ihre Arme in die Hüften stemmt und
zustimmend nickt. Flankiert wird sie von Sherry, dem
Huskymischling, den sie heute Spazieren führt. Seine Ohren sind
gespitzt und es scheint so, als würde er ebenfalls auf eine
Antwort warten. Ich erhebe beschwichtigend meine Arme,
Sherry knurrt und noch bevor ich das Wort ergreifen kann,
ergreift es Frau P.: „Alle anderen haben das Geld schon bekom-
men, nur wir nicht!“, stößt sie verbissen hervor. Sherry knurrt
leise. „Kann man da nicht was tun?“, ergänzt Herr W.. Sabine
hebt den Telefonhörer. Sherrys Ohren verlieren an Spannung, er
beginnt mit dem Schweif zu wedeln. „Wir können ja mal bei der
Post anrufen und fragen, ob er heute mit dem Geld kommt“,
biete ich an. „Bin gerade dabei“, teilt Sabine mit einem
beschwichtigenden Lächeln mit. Die ernsten Mienen weichen
aus den Gesichtern und machen einem kleinen Lächeln Platz.
Sabine nickt, spricht ein paar Worte und legt den Hörer auf.
„Heute wird er mit Geld kommen, wann wissen wir jedoch
nicht“, berichtet sie. Die Erleichterung ist förmlich zu spüren.
Frau P. lässt sich auf die Couch im Wartezimmer nieder, Herr W.
streicht sich erleichtert über die Stirn und atmet tief durch. Auch
Sherry scheint zu spüren, dass sein Knocherl fixiert ist und
schleckt sich mit der Zunge über die Schnauze. Die eintreffende
Frau G. wird gleich von den Wartenden informiert, steckt sich
eine Zigarette an und streicht Sherry über den Kopf. Der
Warteraum und der Aschenbecher füllen sich. Der Briefträger
biegt um die Ecke, als die Kirchenglocken 12 Uhr schlagen.
Autorin: DSA Magdalena Berger
Von 11 bis 12 in der Hagenmüllergasse
TEAM neunerHAUSARZT
Gesundheitspreis für das Team neunerHAUSARZT
Brasilianischer Sozialminister Hohen Besuch bekam der Verein
neunerHAUS im April. Auf Einladung
von Sozialminister Dr. Erwin Buchinger
und dem Fonds Soziales Wien besuchte
Patrus Ananias de Sousa, brasiliani-
scher Minister für Sozialentwicklung
und Hungerbekämpfung, das neuner-
HAUS Billrothstraße. Bei seinem
Besuch zeigte sich der brasilianische
Sozialminister begeistert von dem libe-
ralen Betreuungskonzept des Vereins.
Österreichischer Sozialminister Da staunten die BewohnerInnen des neunerHAUS Kudlichgasse im
Februar nicht schlecht, als Sozialminister Dr. Erwin Buchinger und
Finanzstaatssekretär Dr. Christoph Matznetter mit einem Einkaufs-
wagerl voll gepackt mit Lebensmitteln vorfuhren. Anlass war die
Pressekonferenz zum Thema „Inflationsbekämpfung“. Der Einkaufs-
wagen sollte demonstrieren, wie viele Lebensmittel sich ein Konsument
um 100 Euro leisten kann. Die spontane Spende wurde von den
neunerHAUS-BewohnerInnen mit Freude entgegengenommen.
neunerHAUS-Hauben-
auflauf 2008 Bereits zum zweiten Mal
luden neunerHAUS, s Bau-
sparkasse und Erste Bank
am 19. Mai zur Benefizver-
anstaltung „Haubenauf-
lauf“. Neun österreichische
HaubenköchInnen gaben in
einem Kochkurs mit an-
schließendem Flying Dinner
ihr Wissen an prominente
Gäste, unter ihnen Claudia Stöckl und Opernsänger Herwig Pecoraro,
weiter. Fazit des Abends: Viele Köche verderben keineswegs den Brei.
neunerHAUS-Tiere Zwei Studentinnen der FH für Sozial-
arbeit haben im Zuge ihrer Ausbildung
das Projekt V.I.T.U.S. ins Leben gerufen.
Wöchentlich versorgt eine Tierärztin
kostenlos die Tiere im neunerHAUS.
Nach dem Motto: „Geht’s meinem
Viecherl gut, geht es auch mir gut“,
ergeben sich durchaus positive
Auswirkungen auf die Tierbesitzer-
Innen selbst.
Kurzmeldungen
neunerHAUS KURZMELDUNGEN
IMPRESSUM:
Herausgeber: Verein neunerHAUS, Stumpergasse 60, 1060 Wien,
Tel.: +43/1/713 59 46, E-Mail: [email protected], Website: www.neunerhaus.at
Koordination: Ruth Gotthardt / Redaktionelle Mitarbeit: Magdalena Berger, Hanna
Esezobor, Ruth Gotthardt, Michaela Muttenthaler, Markus Reiter, Eva Winroither
Grafik-Design: Gábor Békési / Fotos: Marianne Greber, Teresa Zötl, Verein neunerHAUS
Druck: REMAprint GmbH, 1160 Wien, Neulerchenfelder Straße 35
Auflage: 3.000 Stück
Dr.in Irene Lachawitz, neunerHAUSÄRZTIN
Mitbewohner neunerHAUS Hagenmüllergasse