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Herz 2013 · 38:696–700 DOI 10.1007/s00059-013-3963-3 Online publiziert: 18. Oktober 2013 © Urban & Vogel 2013 T. Reiff · P.A. Ringleb Neurologische Klinik, Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg Neurologie und  Karotisinterventionen Was soll wie organisiert sein? Präinterventionelle Untersuchungen Einteilung (asymptomatische/ symptomatische Stenose) Symptomatische Karotisstenosen haben gegenüber asymptomatischen ein höhe- res Risiko für erneute vaskuläre Ereignis- se, aber auch ein erhöhtes Behandlungsri- siko. Daher ist zunächst eine genaue Ein- ordnung einer bestehenden Karotissteno- se in symptomatisch oder asymptoma- tisch erforderlich. Dies sollte immer durch einen in der Diagnostik des Schlaganfalls erfahrenen Neurologen mit ausführlicher Anamneseerhebung und gründlicher kli- nisch-neurologischer Untersuchung er- folgen ([1], . Abb. 1). Folgende Voraussetzungen sind für die Klassifikation einer Stenose als asym- ptomatisch zu erfüllen (andernfalls ist die Stenose als symptomatisch zu werten): F   kein Auftreten neurologischer Sym- ptome im der Stenose nachfolgenden vaskulären Versorgungsgebiet in den vergangenen 6 Monaten; F   keine durch kranielle Schnittbilddiag- nostik nachgewiesenen, ipsilateral zur Stenose lokalisierten frischen Infarkte Neurologische Symptome/Dauer Aufgrund genauerer Kenntnis der Patho- physiologie wird die Einteilung in TIA (transiente ischämische Attacke, Symp- tome bilden sich nach maximal 24 h voll- ständig zurück) und Infarkt (Symptom- dauer >24 h) verlassen. Stattdessen wird die TIA definiert als eine vorübergehen- de Episode neurologischer Symptoma- tik, hervorgerufen durch eine fokale zere- brale (spinale) oder retinale Ischämie oh- ne bildgebenden Nachweis eines Infarkts [2]. Patienten mit rückgebildeten Sympto- men, aber Nachweis eines zerebralen In- farkts werden als symptomatisch gewer- tet. Schwierigkeiten können hier jedoch bei der Alterszuordnung von Läsionen in der Bildgebung auftreten. In diesem Fall können Voraufnahmen oder bei frische- ren Defekten Magnetresonanztomogra- phie (MRT)-Sequenzen (diffusionsge- wichtet) hilfreich sein. Als Schlaganfallsymptome einer Ka- rotisstenose zeigen sich Lähmungen oder Gefühlsstörungen im Bereich der kontra- lateralen Körperseite, monokuläre Sehstö- rungen durch retinale Ischämien, Sprach- störungen oder Sprechstörungen. Bei Ver- sorgungsvarianten (embyonaler Abgang der A. cerebri posterior aus der A. caro- tis interna) können auch homonyme bi- laterale Gesichtsfeldausfälle als Symp- tom einer Karotisstenose auftreten. Eine Quantifizierung der neurologischen Sym- ptome erfolgt mit der NIHSS-Skala, die Einschätzung einer Behinderung mittels modifiziertem Rankin-Score. Apparative Untersuchungen Um über die bestmögliche Therapie einer Karotisstenose zu entscheiden, ist eine ge- naue Kenntnis der Stenosesituation unab- dingbar. Die Auskultation der A. carotis ist al- lenfalls als erster Hinweis auf eine Steno- se in der Notfalluntersuchung nützlich. Es ist jedoch bei geringer Sensitivität (ge- ring- und hochgradige Stenosen verursa- chen in der Regel keine Strömungsgeräu- sche) hierdurch keinesfalls ein sicherer Ausschluss möglich. Die Ultraschalluntersuchung in der Hand eines erfahrenen Untersuchers hat die Vorteile der raschen Verfügbarkeit sowie fehlender Risiken für den Patien- ten und ist konstengünstig. Es ist sowohl eine extrakranielle Beurteilung von Ste- nosegrad, Lokalisation und Morphologie als auch die Einschätzung der hämodyna- mischen Situation mittels transkranieller Sonographie möglich. Limitierend sind komplexe, kalzifizierte und längerstrecki- ge Stenosen, additive intrakranielle oder thorakale Stenosen, kontralaterale Steno- sen, korpulente oder unruhige Patienten und ein schlechtes transkranielles Schall- fenster. Als Alternativverfahren oder bei unsi- cheren Befunden in der Ultraschallunter- suchung wird eine kontrastmittelgestütz- te nicht-invasive Angiographie auf Com- putertomographie (CT)- oder MRT-Basis durchgeführt. In der CT-Angiographie können vor allem Verschlüsse gegenüber Pseudookklusionen besser abgegrenzt und die intrakranielle Situation genau- er dargestellt werden. Limitierend auf die Genauigkeit der Darstellung wirken sich starke Kalzifizierung oder Knochenarte- fakte aus. Die MR-Angiographie kann die Länge und das Ausmaß der Stenose über- schätzen. Ergeben sich durch Ultraschall und kontrastmittelgestütze schnittbildtomo- graphische Gefäßdarstellung weiter in- konklusive Befunde, kann eine digitale Subtraktionsangiographie (DSA) ergän- 696 | Herz 7 · 2013 Schwerpunkt

Neurologie und Karotisinterventionen; Neurology and carotid artery interventions;

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Herz 2013 · 38:696–700DOI 10.1007/s00059-013-3963-3Online publiziert: 18. Oktober 2013© Urban & Vogel 2013

T. Reiff · P.A. RinglebNeurologische Klinik, Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg

Neurologie und KarotisinterventionenWas soll wie organisiert sein?

Präinterventionelle Untersuchungen

Einteilung (asymptomatische/symptomatische Stenose)

Symptomatische Karotisstenosen haben gegenüber asymptomatischen ein höhe-res Risiko für erneute vaskuläre Ereignis-se, aber auch ein erhöhtes Behandlungsri-siko. Daher ist zunächst eine genaue Ein-ordnung einer bestehenden Karotissteno-se in symptomatisch oder asymptoma-tisch erforderlich. Dies sollte immer durch einen in der Diagnostik des Schlaganfalls erfahrenen Neurologen mit ausführlicher Anamneseerhebung und gründlicher kli-nisch-neurologischer Untersuchung er-folgen ([1], . Abb. 1).

Folgende Voraussetzungen sind für die Klassifikation einer Stenose als asym-ptomatisch zu erfüllen (andernfalls ist die Stenose als symptomatisch zu werten):F  kein Auftreten neurologischer Sym-

ptome im der Stenose nachfolgenden vaskulären Versorgungsgebiet in den vergangenen 6 Monaten;

F  keine durch kranielle Schnittbilddiag-nostik nachgewiesenen, ipsilateral zur Stenose lokalisierten frischen Infarkte

Neurologische Symptome/Dauer

Aufgrund genauerer Kenntnis der Patho-physiologie wird die Einteilung in TIA (transiente ischämische Attacke, Symp-tome bilden sich nach maximal 24 h voll-ständig zurück) und Infarkt (Symptom-dauer >24 h) verlassen. Stattdessen wird die TIA definiert als eine vorübergehen-

de Episode neurologischer Symptoma-tik, hervorgerufen durch eine fokale zere-brale (spinale) oder retinale Ischämie oh-ne bildgebenden Nachweis eines Infarkts [2]. Patienten mit rückgebildeten Sympto-men, aber Nachweis eines zerebralen In-farkts werden als symptomatisch gewer-tet. Schwierigkeiten können hier jedoch bei der Alterszuordnung von Läsionen in der Bildgebung auftreten. In diesem Fall können Voraufnahmen oder bei frische-ren Defekten Magnetresonanztomogra-phie (MRT)-Sequenzen (diffusionsge-wichtet) hilfreich sein.

Als Schlaganfallsymptome einer Ka-rotisstenose zeigen sich Lähmungen oder Gefühlsstörungen im Bereich der kontra-lateralen Körperseite, monokuläre Sehstö-rungen durch retinale Ischämien, Sprach-störungen oder Sprechstörungen. Bei Ver-sorgungsvarianten (embyonaler Abgang der A. cerebri posterior aus der A. caro-tis interna) können auch homonyme bi-laterale Gesichtsfeldausfälle als Symp-tom einer Karotisstenose auftreten. Eine Quantifizierung der neurologischen Sym-ptome erfolgt mit der NIHSS-Skala, die Einschätzung einer Behinderung mittels modifiziertem Rankin-Score.

Apparative Untersuchungen

Um über die bestmögliche Therapie einer Karotisstenose zu entscheiden, ist eine ge-naue Kenntnis der Stenosesituation unab-dingbar.

Die Auskultation der A. carotis ist al-lenfalls als erster Hinweis auf eine Steno-se in der Notfalluntersuchung nützlich. Es ist jedoch bei geringer Sensitivität (ge-

ring- und hochgradige Stenosen verursa-chen in der Regel keine Strömungsgeräu-sche) hierdurch keinesfalls ein sicherer Ausschluss möglich.

Die Ultraschalluntersuchung in der Hand eines erfahrenen Untersuchers hat die Vorteile der raschen Verfügbarkeit sowie fehlender Risiken für den Patien-ten und ist konstengünstig. Es ist sowohl eine extrakranielle Beurteilung von Ste-nosegrad, Lokalisation und Morphologie als auch die Einschätzung der hämodyna-mischen Situation mittels transkranieller Sonographie möglich. Limitierend sind komplexe, kalzifizierte und längerstrecki-ge Stenosen, additive intrakranielle oder thorakale Stenosen, kontralaterale Steno-sen, korpulente oder unruhige Patienten und ein schlechtes transkranielles Schall-fenster.

Als Alternativverfahren oder bei unsi-cheren Befunden in der Ultraschallunter-suchung wird eine kontrastmittelgestütz-te nicht-invasive Angiographie auf Com-putertomographie (CT)- oder MRT-Basis durchgeführt. In der CT-Angiographie können vor allem Verschlüsse gegenüber Pseudookklusionen besser abgegrenzt und die intrakranielle Situation genau-er dargestellt werden. Limitierend auf die Genauigkeit der Darstellung wirken sich starke Kalzifizierung oder Knochenarte-fakte aus. Die MR-Angiographie kann die Länge und das Ausmaß der Stenose über-schätzen.

Ergeben sich durch Ultraschall und kontrastmittelgestütze schnittbildtomo-graphische Gefäßdarstellung weiter in-konklusive Befunde, kann eine digitale Subtraktionsangiographie (DSA) ergän-

696 |  Herz 7 · 2013

Schwerpunkt

zend durchgeführt werden. Besteht die Möglichkeit, hierbei auch mittels Stentan-gioplastie zu therapieren, kann der Ein-griff in Interventionsbereitschaft erfolgen. Es ist jedoch zu beachten, dass auch die rein diagnostische DSA ein 1%iges Inter-ventionsrisiko beinhaltet [3].

Eine Graduierung der Stenosen ist vor Therapieindikation notwendig und er-folgt seit einigen Jahren auch in der Ultra-schalldiagnostik nach NASCET-Kriterien [4].

Weitere Untersuchungen

Sowohl zur Senkung des akuten Embolie-risikos als auch zur langfristigen Prophy-laxe ist es unabdingbar, das vaskuläre Risi-koprofil des Patienten zu bestimmen und die Risikofaktoren medikamentös best-möglich einzustellen. Daten retrospekti-ver Studien weisen auf einen unabhängig vom LDL-Cholesterin-Wert bestehenden Nutzen einer Statintherapie hin. Da Arte-riosklerose als systemische Erkrankung auch andere Gefäßterritorien erfasst, ist eine Abklärung weiterer relevanter Ste-nosen oder Erkrankungen kardial oder

peripher-arteriell notwendig. Als Hinter-grund sei hier erwähnt, dass die meisten Patienten mit asymptomatischer Karotis-stenose an kardiovaskulären Erkrankun-gen versterben. Zur differenzialätiologi-schen Einordnung des Infarkts sollten ein Elektrokardiogramm (EKG) und bei ter-ritorialen Infarkten eine Echokardiografie bzw. fakultativ ein Langzeit-EKG und eine Langzeitblutdruckmessung erfolgen [1]. Zuletzt sollte die Sicherheit des geplanten interventionellen Verfahrens durch Ab-klärung der Operationsfähigkeit bzw. auf ggf. bestehende Kontrastmittelallergien gewährleistet werden.

Operation+ weniger Schlaganfälle

– nicht bei radiogenen Stenosen

CT-A/MR-A

• Ergänzung sonographischer Befunde

Sonographie• Stenoselokalisation?

• Stenosegraduierung?• Stenosemorphologie?

• Kollateralen?

DSADarstellung unklarer Befunde

ggf. in Stentbereitschaft

Stenting+ weniger Herzinfarkte

Nachsorge• Einstellung vaskulärer RF• sonographische Kontrolle

Gefäßkreis

Entscheidung

ob/wann/welche

Intervention

Bestmögliche

medikamentöse

Therapie

Internistische

UntersuchungOperationsfähigkeit?

Neurologische Untersuchung• asymptomatisch?

• symptomatisch (Karotisstenose Ursache)?• Behandlungsindikation?

• periinterventionelle Komplikationen?

• Darstellung:- stark kalzi�zierter Stenosen- thorakaler/intrakranieller Stenosen

Abb. 1 9 Schematische Darstellung des Ablaufs der Behandlung einer Karotis-stenose

697Herz 7 · 2013  | 

Sollten sich Hinweise auf eine nicht-arteriosklerotische Ursache der Steno-seentstehung (radiogene Stenose, Vas-kulitis) ergeben, sind ggf. weitere Unter-suchungen entsprechend der vermute-ten Stenoseätiologie notwendig. Dies hat dann auch Auswirkungen auf die Wahl der Therapieverfahren.

Behandlung

Die Indikation zur invasiven Behandlung sollte interdisziplinär in Absprache erfah-rener interventioneller Therapeuten mit in der Schlaganfallbehandlung erfahre-nen Neurologen erfolgen.

Bekanntermaßen kommen zur inva-siven Therapie von Karotisstenosen die Karotisendarterektomie oder die Stentan-gioplastie in Betracht. Vor und nach Karo-tis endarterektomie sollten die Patienten Acetylsalicylsäure (ASS) und beim Karo-tisstenting zusätzlich vor und mindestens 1 Monat nach der Intervention zusätzlich Clopidogrel erhalten. Das periinterventio-nelle Schlaganfall- und Todesrisiko ist bei der Behandlung symptomatischer Steno-sen höher als bei asymptomatischen [1].

Symptomatische Karotisstenose

Symptomatische Karotisstenosen sol-len in Abhängigkeit vom Stenoseausmaß zeitnah (spätestens 2 Wochen nach Ini-tialereignis) behandelt werden. Entspre-chend den Daten eines großen schwedi-schen Registers zeigten sich im Intervall 3 bis 7 Tage nach Initialereignis die gerings-ten Komplikationsraten [5] für die Karo-tisoperation. Beim Karotisstenting zeig-ten sich in einer aktuellen Untersuchung vergleichsweise höhere Raten von Schlag-anfall/Tod mit einer im Verlauf der ersten 3 Wochen abnehmenden Tendenz [6]. In jedem Fall ist vor Intervention eine zereb-rale Bildgebung mit Darstellung von An-zahl und Größe der ggf. bereits eingetre-tenen Infarkte notwendig. Sollte sich hier eine größere Infarzierung (z. B. >1/3 des Mediaterritoriums) zeigen, empfehlen wir, die Intervention bei neurologisch stabilen Patienten erst nach einer Latenz von etwa 2 Wochen durchzuführen. Nach Darstellung der Gefäßsituation kann über das geeignete Therapieverfahren ent-schieden werden. Wichtig ist hierbei die

Abklärung hinsichtlich Stenosemorpho-logie, Ausdehnung, ggf. bestehenden Tan-demstenosen und Kollateralisierung. Ste-nosen zwischen 70 und 99% (NASCET) sollten nach allgemeiner Leitlinienauffas-sung invasiv therapiert werden. Optio-nal ist eine Behandlung bei Stenosen zwi-schen 50–69% (NASCET); Stenosen unter 50% (NASCET) sollten rein konservativ behandelt werden. Die genannte opera-tive Behandlung einer symptomatischen Karotisstenose kann aufgrund der gu-ten Datenlage mit einem Evidenzlevel 1a empfohlen werden. Bei erhöhtem Opera-tionsrisiko, schwierigen anatomisch-chir-urgischen Verhältnissen, Rezidivstenosen nach Karotisendarterektomie, radiogenen Stenosen, Tandemstenosen oder kontrala-teraler Läsion des N. laryngeus recurrens kann eine alternative Behandlung durch

Stentangioplastie entsprechend den oben genannten Stenosegraduierungen erfol-gen, wenn eine Komplikationsrate unter 6% bei Durchführung dieses Verfahrens nachgewiesen werden kann. Gemäß den aktuell verfügbaren Daten zeigt die Stent-angioplastie im Verleich zur Operation höhere periintervertionelle Schlaganfall-raten bei weniger Myokardinfarkten [7, 8]. Im Vergleich der beiden interventio-nellen Verfahren ist ein umfassenderes Urteil zur Überlegenheit vor allem dann möglich, wenn auch Daten zur längerfris-tigen Lebensqualität inklusive kognitivem Status in die Bewertung einbezogen wer-den können.

Die Behandlungsindikation abhängig von der ätiologischen Einteilung eines ze-rebrovaskulären Ereignisses als embolisch oder hämodynamisch zu stellen, kann

Zusammenfassung · Abstract

Herz 2013 · 38:696–700   DOI 10.1007/s00059-013-3963-3© Urban & Vogel 2013

T. Reiff · P.A. Ringleb

Neurologie und Karotisinterventionen. Was soll wie organisiert sein?

ZusammenfassungBei der Behandlung von Patienten mit Ka-rotisstenosen ist eine interdisziplinäre Zu-sammenarbeit zwischen Chirurgen, Neuro-logen und Interventionalisten für die Ent-scheidungsfindung der bestmöglichen The-rapie notwendig. Diagnostische Bausteine stellen die Ultraschalluntersuchung der hirn-zuführenden Gefäße und in Ergänzung die kontrastmittelgestütze CT/CMRT bzw. die DSA dar. Für symptomatische Stenosen erge-ben sich differente Behandlungspfade als für asymptomatische. Die Entscheidung für eines der 3 Therapieverfahren (rein konservativ, zu-sätzlich Karotisendarterektomie oder Karo-

tisstentangioplastie) erfolgt aufgrund von Charakteristika der Stenose, zerebraler Läsi-onslast und internistischem Gesamtzustand des Patienten. Eine weitere kontinuierliche Betreuung mit Kontrolle und Einstellung der vaskulären Risikofaktoren ist zur Risikomini-mierung bei bestehender arteriosklerotischer Grunderkrankung erforderlich.

SchlüsselwörterKarotisstenose · Karotisendarterektomie · Stentangioplastie ·  Risikofaktorenmodifikation ·  Vaskuläre Diagnostik

Neurology and carotid artery interventions. What has to be done first?

AbstractOptimum therapy for patients with carot-id stenosis requires the interdisciplinary co-operation of surgeons, neurologists and an-giologists. Important diagnostic methods are ultrasound sonography, contrast-enhanced computed tomography, magnetic resonance tomography and digital subtraction angi-ography. Treatment of carotid artery steno-sis depends on whether the stenosis is symp-tomatic or asymptomatic. The treatment of choice (medical therapy only vs. carotid ar-tery stenting vs. carotid endarterectomy) de-

pends on the characteristics of the stenosis, the presence of cerebral lesions and the gen-eral physical condition of the patient. After the intervention continuous monitoring and treatment of vascular risk factors are man-datory.

KeywordsCarotid stenosis · Carotid endarterectomy · Carotid stenting · Modification of risk factors · Vascular diagnostics

698 |  Herz 7 · 2013

Schwerpunkt

mangels evidenzbasierter Daten nicht empfohlen werden [1]. Hämodynamische Infarkte treten jedoch insgesamt deutlich seltener auf (5–8%; [9]).

Einen Sonderfall stellt der frische Schlaganfall mit Verschluss der A. caro-tis interna und der A. cerebri media dar. Hier kann in enger Rücksprache mit dem Neurologen die Indikation zur Notfallka-rotisendarterektomie gestellt werden, wo-bei nachfolgend eine endovaskuläre Reka-nalisation (lokale Thromboylse und/oder mechanische Thrombektomie) der A. ce-rebri media erfolgen muss. Sinnvoller er-scheint jedoch in diesem speziellen Fall eine reine endovaskuläre Therapie (ggf. im Bridging-Verfahren).

Asymptomatische Karotisstenose

Zur asymptomatischen Karotisstenose gibt es keine aktuellen Daten aus rando-misierten Studien, um sicher zwischen rein konservativer oder zusätzlich inter-ventioneller Therapie entscheiden zu kön-nen. Daher ist auch der Einschluss von Pa-tienten mit asymptomatischer Karotisste-nose in Studien, welche diese Problema-tik untersuchen (z. B. SPACE-2), notwen-dig. Die Karotisendarterektomie kann bei Stenosegraden von 60–99% (NASCET) erwogen werden, da hier das Schlagan-fallrisiko gering, aber statistisch signifi-kant reduziert wird. Dieser Nutzen zeigt sich vor allem bei männlichen Patienten mit einer Lebenserwartung von mindes-tens 5 Jahren und nur dann, wenn die Behandlung mit einer Komplikationsra-te von weniger als 3% durchgeführt wird. Kann diese Komplikationsrate auch beim Karo tis stenting eingehalten werden, ist dieses Verfahren ggf. bei Patienten mit erschwerten anatomischen Bedingungen oder erhöhtem Operationsrisiko alterna-tiv anwendbar [1]. Bei Patienten mit asym-ptomatischen Stenosen ist eine präinter-ventionelle Bildgebung optional. Pati-enten mit einem Stenosegrad unter 60% (NASCET) profitieren vermutlich mehr von einer rein konservativen Therapie mit sonographischer Kontrolle in regel-mäßigen Intervallen.

Postinterventionelle Untersuchungen

Im Rahmen der Intervention aufgetrete-ne Komplikationen sollten durch einen Neurologen mitbeurteilt werden. Bei postinterventionell neuen neurologi-schen Defiziten ist eine ergänzende kra-nielle Bildgebung durchzuführen (CMRT zum besseren Nachweis kleinerer frischer Ischämien).

In den ersten 24 h nach Karotiseingriff ist ein konsequentes Monitoring der Blut-druckwerte mit Vermeidung von hyper-tensiven Entgleisungen obligatorisch. Bei komplikationslosem Verlauf sind am ers-ten Tag postinterventionell eine Ultra-schalluntersuchung mindestens des be-handelten Gefäßes und eine klinische Untersuchung durch einen Neurologen durchzuführen. Optional kann im Rah-men der Qualitätssicherung des Zen-trums eine Untersuchung auf klinisch stumme Infarkte mittels MRT-Diffusions-sequenz erfolgen. Weitere sonographische Kontrolluntersuchungen werden postin-terventionell nach 1 Monat, nach 6 Mona-ten und danach in jährlichen Abständen empfohlen. Besteht langfristig eine stabile vaskuläre Situation, können die Interval-le verlängert werden. Sollte sich ein un-klarer sonographischer Befund zeigen, ist eine ergänzende vaskuläre Diagnostik mittels kontrastmittelgestützter CT oder MRT notwendig [1]. Im Rahmen der wei-teren Prophylaxe sind eine kontinuierli-che Kontrolle und Einstellung der vasku-lären Risikofaktoren neben der Anpas-sung der Ernährungs- und Bewegungs-gewohnheiten wichtig.

Organisation eines Gefäßkreises

In vielen Kliniken hat sich bereits eine Routine zur regelmäßigen Diskussion vaskulärer Fälle in Form eines Gefäß-kreises gebildet. Dies erscheint unter dem Gesichtspunkt der interdisziplinären Ein-schätzung der bestmöglichen Therapie-option für den jeweiligen Fall sinnvoll und dient gleichzeitig dem Erfahrungs-austausch und der Qualitätskontrolle. In der Notfallsituation bzw. bei symptomati-schen Karotisstenosen sollte auch außer-halb fester Terminpläne eine frühzeiti-ge interdisziplinäre Absprache zwischen

Neurologen und Operateuren/Angiolo-gen zur bestmöglichen Durchführung der Therapie erfolgen.

Korrespondenzadresse

Dr. T. ReiffNeurologische Klinik,  Universitätsklinikum HeidelbergIm Neuenheimer Feld 400, 69120 [email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt.  T. Reiff und P.A. Ringleb geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

Literatur

  1.  Eckstein HH (2012) Evidence-based management of carotid stenosis: recommendations from inter-national guidelines. J Cardiovasc Surg (Torino) 53:3–13

  2.  Easton JD, Saver JL, Albers GW et al (2009) Defini-tion and evaluation of transient ischemic attack: a scientific statement for healthcare professionals from the American Heart Association/American Stroke Association Stroke Council; Council on Car-diovascular Surgery and Anesthesia; Council on Cardiovascular Radiology and Intervention; Coun-cil on Cardiovascular Nursing; and the Interdisci-plinary Council on Peripheral Vascular Disease. The American Academy of Neurology affirms the value of this statement as an educational tool for neuro-logists. Stroke 40:2276–2293

  3.  Hankey GJ, Warlow CP, Molyneux AJ (1990) Com-plications of cerebral angiography for patients with mild carotid territory ischaemia being consi-dered for carotid endarterectomy. J Neurol Neuro-surg Psychiatry 53:542–548

  4.  Arning C, Widder B, Reutern GM von et al (2010) Revision of DEGUM ultrasound criteria for grading internal carotid artery stenoses and transfer to NA-SCET measurement. Ultraschall Med 31:251–257

  5.  Strömberg S, Gelin J, Österberg T et al (2012) Very urgent carotid endarterectomy confers increased procedural risk. Stroke 43:1331–1335

  6.  Rantner B, Goebel G, Bonati LH et al (2013) The risk of carotid artery stenting compared with carotid endarterectomy is greatest in patients treated wit-hin 7 days of symptoms. J Vasc Surg 57:619–626.e2

  7.  Bonati LH, Dobson J, Algra A et al (2010) Short-term outcome after stenting versus endarterecto-my for symptomatic carotid stenosis: a preplanned meta-analysis of individual patient data. Lancet 376:1062–1073

  8.  Brott TG, Hobson RW 2nd, Howard G et al (2010) Stenting versus endarterectomy for treatment of carotid-artery stenosis. N Engl J Med 363:11–23

  9.  Hennerici M, Daffertshofer M, Jakobs L (1998) Fai-lure to identify cerebral infarct mechanisms from topography of vascular territory lesions. AJNR Am J Neuroradiol 19:1067–1074

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Schwerpunkt