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Neuroradiologie von Klaus Sartor überarbeitet Thieme 2006 Verlag C.H. Beck im Internet: www.beck.de ISBN 978 3 13 100913 5 Zu Inhaltsverzeichnis schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG

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Neuroradiologie

vonKlaus Sartor

überarbeitet

Thieme 2006

Verlag C.H. Beck im Internet:www.beck.de

ISBN 978 3 13 100913 5

Zu Inhaltsverzeichnis

schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG

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1 Kraniozerebrale Erkrankungen

140

Ischämische HirnerkrankungenO. Jansen und H. Brückmann

Fokale zerebrale Ischämie

NeuropathologischeStadieneinteilung

Die heute noch übliche Einteilung der ischämischen

zerebralen Infarkte geht auf Untersuchungen von

Spatz zurück. Je nach Alter des Infarkts wird zwi-

schen folgenden Stadien unterschieden:

StadieneinteilungJ NekrosestadiumJ ResorptionsstadiumJ Organisationsstadium

Nekrosestadium. Die Nekrosephase dauert vom aku-

ten Ereignis bis zum 3. Tag. Der normale Blutfluss in

der grauen Hirnsubstanz beträgt 80 ml/100 g Hirn-

gewebe/min. Die Hirnfunktion ist reversibel einge-

schränkt bei Flussraten zwischen 25 und 15 ml/

100g/min (Penumbra). Ein Infarkt entsteht dann,

wenn die Hirnperfusion fokal unter den kritischen

Wert von 15 fällt (Abb.1.128).

Nach dem Ausfall der Na+-/K+-Pumpe entwickelt

sich zunächst ein zytotoxisches Ödem, dessen Sub-

strat die Schwellung der perivaskulären Astrozyten

und der Endothelzellen ist. Als Folge der Zellschwel-

lung verkleinert sich der Extrazellularraum, was die

Brown-Molekularbewegung der Wasserprotonen im

infarzierten Gewebe beeinträchtigt. Mit diffusions-

gewichteten MRT-Sequenzen ist die verminderte Be-

weglichkeit der Protonen bereits wenige Minuten

nach Beginn der Ischämie an einem Abfall des sog.

Apparent Diffusion Coefficient (ADC) nachweisbar. Im

ischämischen Gewebe nimmt der Wassergehalt zu-

nächst nur um 3–5% zu, denn die BHS ist noch er-

halten und Makromoleküle können noch nicht aus

dem Blut in das Gewebe eindringen. Etwa 6 Stunden

nach dem Ereignis setzt dann aber der Zusammen-

bruch der BHS ein, was zum deutlichen Einstrom von

Wasser und Makromolekülen in den Extrazellular-

raum führt. Die Ausbildung dieses vasogenen Ödems

wird vor allem durch die – verzögert einsetzende –

Proteinzunahme begünstigt.

Die aus zytotoxischem und vasogenem Ödem re-

sultierende Zunahme des Wassergehalts im ischämi-

schen Hirnparenchym ist die Hauptursache der

schon nach 2–3 Stunden nachweisbaren fokalen Hy-

podensität in der CT und Hyperintensität in der T2-

gewichteten MRT. Nach 24 Stunden ist dann eine

ausgeprägte Leukozyteninfiltration im Randbereich

des Infarkts zu beobachten. Ferner setzt bereits die

Nekrose der Ganglien- und Gliazellen sowie die

Schädigung der Markscheiden ein.

Resorptionsstadium. Während der Resorptionsphase

(ab dem 4. Tag nach dem Ereignis) überwiegt die

Phagozytose des nekrotischen Gewebes und mit

Neutralfett beladene Makrophagen verlassen das In-

farktareal über neugebildete Kapillaren. Das Ödem

erreicht sein Maximum zwischen dem 3. und dem 5.

Tag und wird in der 2. Woche nach dem Ereignis

wieder ausgeschwemmt.

Organisationsstadium. In der 6. Woche sind Nekrose

undResorptionweitgehendabgeschlossen.Kolliquat-

ionszysten, reaktive Gliose, Fettkörnchenzellen und

abgeblassteMyelinscheidenbestimmenjetztdasBild.

Pathogenetische Einteilung

Eine mehr auf die Therapie gerichtete pathogeneti-

sche Einteilung der ischämischen zerebralen Infarkte

80 –25

25 –10

< 10

Oligämie

Penumbra

Infarkt

Abb. 1.128 Derzeitiges 3-Kompartiment-Modell der

akuten zerebralen Ischämie. Der Infarktkern ist irrever-

sibel geschädigt. Das Gewebe in der Penumbra ist funk-

tionell schon gestört, aber strukturell noch intakt und auch

noch rettbar. Im oligämischen Gewebe ist auch die Funk-

tion noch erhalten. Die Zahlen geben den zerebralen

Blutfluss im ml/100 g Gehirngewebe/Minute an.

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stützt sich auf die Befunde der modernen bildge-

benden Verfahren:J CT,J MRT,J DSA,J Ultraschall.

Dazu gehört neben der Gehirndarstellung auch die

Untersuchung des Herzens und der großen hirnver-

sorgenden Arterien auf embolieträchtige oder perfu-

sionsmindernde Erkrankungen. Heute können bei

den meisten Patienten aus der Bewertung dieser

Befunde zuverlässig folgende Arten von Hirninfark-

ten unterschieden werden (Abb.1.129):

Einteilung der HirninfarkteJ Hirninfarkte mit Ursache in makroangiopathischen Ge-

fäßläsionen: Hierzu gehören Territorialinfarkte, denen

thromboembolische Ereignisse zugrunde liegen, so-

wie Endstrom- und Grenzzoneninfarkte, die auf hä-

modynamischen Fernwirkungen vorgeschalteter Ge-

fäßengen, also arteriosklerotischen Stenosen oder

Verschlüssen der großen extra- und intrakraniellen

Arterien beruhenJ Hirninfarkte mit Ursache in mikroangiopathischen Ge-

fäßläsionen: Hierzu gehören die lakunären Infarkte

der tiefen grauen und der weißen Hirnsubstanz sowie

die subkortikale arteriosklerotische Enzephalopathie

(SAE), denen eine fibrinoide Degeneration der kleinen

perforierenden Hirnarterien zugrunde liegt

Territorialinfarkte. Territorialinfarkte entstehen

durch embolischen oder thrombotischen Verschluss

einer oder mehrerer Hirnarterien. Die häufigste Ur-

sache sind arterioarterielle Embolien aus vorgeschal-

teten Gefäßläsionen oder aus dem Herzen, während

autochthone arteriosklerotische Thrombosen als Ur-

sache selten sind. Bei embolischer Infarktentstehung

hängt die Infarktgröße von verschiedenen Faktoren

ab:J vom Ort des arteriellen Verschlusses,J von der Wirksamkeit der leptomeningealen Kol-

lateralen,J von der Zusammensetzung und vom Alter des

Embolus.

Die Mehrzahl der Territorialinfarkte betreffen das

kortikale Versorgungsgebiet der A. cerebri media;

relativ häufig sind auch Posteriorinfarkte.

Endstrominfarkte. Endstrominfarkte kommen we-

sentlich seltener vor als Territorialinfarkte. Sie sind

die Folge einer Fernwirkung – eines kritischen Per-

fusionsabfalls – im terminalen Versorgungsgebiet

der langen penetrierenden Markarterien und daher

typischerweise im zerebralen Marklager lokalisiert.

Ursächlich sind hochgradige Stenosen oder Ver-

schlüsse vorgeschalteter Arterien, vor allem der

A. carotis interna oder der A. cerebri media. Häufig

besteht gleichzeitig ein unvollständiger, für die Kol-

lateralisation zwischen dem vorderen und dem hin-

Erkrankungen der Blutgefäße

141

a c e g

b d f h

Abb. 1.129a–h Schematische Darstellung der Infarkt-

typen und der ischämisch-hypoxischen Hirnläsionen in

der axialen CT (nach Ringelstein u. Mitarb.).

a, b Typischer Befund bei zerebraler Mikroangiopathie.

c, d Subkortikale und kortikale Varianten von hämody-

namisch verursachten Hirninfarkten.

e, f Kortikale und subkortikale Varianten von Territorial-

infarkten.

g, h Doppelseitige Stammgangliennekrose, Hirnatrophie

und diffuse Marklagerläsionen durch schwere hypo-

xisch-ischämische Hirnschädigung.

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teren Hirnkreislauf und zwischen den Hemisphären

ungünstiger Circulus arteriosus Willisii.

Grenzzoneninfarkte. Grenzzoneninfarkte sind noch

seltener als Endstrominfarkte und ebenfalls hämo-

dynamisch bedingt. Sie entstehen zwischen den Ter-

ritorien der großen Hirnarterien und hier am häu-

figsten parietookzipital, im sog. Dreiländereck; sel-

ten dehnen sich diese (kortikalen) Infarkte nach

frontal aus. Wie die Endstrominfarkte sind die

Grenzzoneninfarkte Folge eines kritischen Perfu-

sionsabfalls durch Erkrankung vorgeschalteter Arte-

rien. In beiden Fällen kommt es zu einer unzurei-

chenden „Bewässerung“ (Blutversorgung) der „letz-

ten Wiesen“ (Endstromgebiete) oder „Wasserschei-

den“ (Grenzzonen).

Lakunäre Infarkte. Diese entstehen durch Verschluss

kleiner penetrierender Arterien eines Durchmessers

von 40–200 mm; bei stärkerer Ausprägung spricht

man auch von einem Status lacunaris. Dem Gefäß-

verschluss liegt eine komplexe Erkrankung der Ge-

fäßwand zugrunde, die Fisher als „segmentale Des-

integration“ bezeichnet hat. Lipohyalinose und fibri-

noide Nekrose spielen bei dieser degenerativen Er-

krankung der Arterien eine große Rolle, sie werden

in erster Linie als Folge eines langjährigen Hyperto-

nus gedeutet. Prädilektionsstellen der oft multifoka-

len Nekrosen des Gehirnparenchyms sind:J Stammganglien,J Thalamus,J Capsulae interna et externa,J Basis pontis,J ventrikelnahe Anteile des zerebralen Marklagers.

Subkortikale arteriosklerotische Enzephalopathie

(SAE) oder vaskuläre ischämische Leukenzephalopa-

thie. Hierbei handelt es sich um eine Form der ze-

rebralen Mikroangiopathie. Pathologisch-anato-

misch liegen eine diffuse Demyelinisierung und Va-

kuolisierung des zerebralen Marklagers vor; die

U-Fasern bleiben dabei ausgespart. Die betroffenen

Patienten erleiden rezidivierend leichtgradige ischä-

mische Insulte wechselnder Topographie und ent-

wickeln Hirnleistungsstörungen bis hin zur Demenz.

Akute zerebrale Ischämie undakuter Hirninfarkt

Die Behandlungsmöglichkeiten der akuten arteriel-

len Ischämie reichen heute von der Antikoagulation

über die Neuroprotektion (z. B. mit Glutamatantago-

nisten, Radikalenfängern, Antizytokinen oder Cal-

ciumkanalblockern) bis zur Hypothermie und zur

dekompressiven Kraniektomie. Viele dieser Thera-

pien wurden in den letzten Jahren untersucht, teil-

weise in großen Multizenterstudien. Die Thromboly-

sebehandlung ist dabei der erfolgsversprechendste

Ansatz, da die eigentliche Ursache der Ischämie be-

handelt wird, nämlich der Gefäßverschluss. Diese

Therapieform beinhaltet aber auch das Risiko einer

lebensgefährlichen Blutung in das ischämisch ge-

schädigte Hirn, sodass die Indikation streng gestellt

werden muss.

Vor der Lysetherapie müssen mit den bildgeben-

den Verfahren (CT und MRT) möglichst folgende

Fragen beantwortet werden:J Liegt eine zerebrale Ischämie oder eine primäre

zerebrale Blutung vor?J Wie viel Hirngewebe ist schon irreversibel ge-

schädigt und wie viel ist zwar infarktgefährdet,

potenziell aber noch rettbar (tissue at risk)?J Besteht noch ein Verschluss einer der großen ba-

salen Arterien, dessen Beseitigung sich lohnt?

CT. Mit der Nativ-CT kann die intrakranielle Blutung

sicher ausgeschlossen und größere Territorialin-

farkte können bereits nach 2–3 Stunden anhand

der folgenden Infarktfrühzeichen erkannt werden

(Abb.1.130):J Fokaler Dichteausgleich zwischen grauer und wei-

ßer Substanz: Bei kortikalen Infarkten verliert das

Rindenband an Dichte und gleicht sich dem sub-

kortikalen Marklager an. Ebenso kommt es zum

Dichteausgleich zwischen Inselrinde und Capsula

externa (loss of the insular ribbon) bei dort lokali-

sierten Infarkten. Bei Infarkten mit Beteiligung

der tiefen grauen Substanz, der Stammganglien,

ist der Dichteausgleich zwischen Linsenkern und

Capsulae interna et externa (obscuration of the

lentiform nucleus) ebenfalls schon früh nachzu-

weisen. Ursächlich ist in allen diesen Fällen die

Minderperfusion und das Ödem in der grauen

Substanz.J Fokales Verstreichen der Rindenfurchen: Veren-

gung und „Verschwinden“ von Hirnfurchen sind

oft nur durch den Vergleich mit der kontralatera-

len Großhirnhemisphäre zu erkennen. Bei größe-

ren Infarkten im Territorium der A. cerebri media

kann sogar die Sylvische Fissur bzw. die Inselzis-

terne wie „ausgepresst“ wirken.J Hyperdensität der A. cerebri media: Dieses auffäl-

lige Zeichen ist bei ungefähr der Hälfte aller Me-

diaverschlüsse zu beobachten. Es kommt dadurch

zustande, dass der Thromboembolus im Haupt-

stamm der A. cerebri media infolge physikoche-

mischer Veränderungen an Dichte zunimmt und

1 Kraniozerebrale Erkrankungen

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direkt sichtbar wird. Manchmal ist das Phänomen

auch bei Verschlüssen von Mediaästen nachweis-

bar.

Die Grenzen des Infarkts werden innerhalb der ers-

ten 24 Stunden immer deutlicher, das betroffene

Parenchymareal demarkiert sich; nach 3–5 Tagen

erreicht das Ödem sein Maximum. Wenn in der CT

schon früh über die Hälfte des Versorgungsgebiets

der A. cerebri media hypodens erscheinen, droht die

Entwicklung eines lebensgefährlichen malignen Me-

diainfarkts. Bei einem solchen Infarkt, der mit Mas-

senverschiebungen und Störungen der Liquorzirku-

lation einhergeht, sind engmaschige Verlaufskon-

trollen erforderlich. Das geschieht zunächst klinisch

und computertomographisch, macht schließlich

aber oft den Einsatz intrakranieller Drucksonden nö-

tig. In verzweifelten Fällen kann eine operative De-

kompression (Kraniektomie) lebensrettend sein. Im

weiteren Verlauf des Resorptionsstadiums – am aus-

geprägtesten innerhalb der 2. und 3. Woche – kann

man den Infarkt in der CT mitunter überhaupt nicht

mehr abgrenzen (sog. fogging effect nach Becker u.

Mitarb. 1979) (Abb.1.131).

Diese vorübergehend hirnisodense Darstellung

des Infarkts soll auf Hyperämie bei Vasodilatation,

petechiale Blutungen und die zahlreichen Fettkör-

nerzellen zurückzuführen sein, die zu diesem Zeit-

Erkrankungen der Blutgefäße

143

a b c

a b c

Abb. 1.130a–c Frühe Infarktzeichen in der CT bei aku-

tem Verschluss der linken A. cerebri media.

Axiale Nativ-CT.

a Zeichen der hyperdensen Media (Thrombus im Stamm

der A. cerebri media).

b Hypodensität im Striatum und in der Inselrinde links mit

Verengung der Inselzisterne etwa 6 Stunden nach dem

Insult.

c Großer, jetzt scharf demarkierter Mediainfarkt (Territo-

rialinfarkt) nach 7 Tagen.

Abb. 1.131a–c Fogging-Effekt in der CT.

Axiale Nativ-CT.

a 4 Tage alter Infarkt in einem Teil des Versorgungsgebiets

der rechten A. cerebri media mit leichtem Ödem.

b 10 Tage später weitgehende Maskierung des Infarkts

durch Fogging-Effekt.

c Etwa 2 Monate nach dem Insult Demarkierung des In-

farkts durch Kolliquationsnekrose.

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punkt das histologische Bild beherrschen. 4–6 Wo-

chen nach dem Schlaganfallereignis sind Kolliqua-

tionsnekrosen nachweisbar, die das Infarktareal

noch schärfer hervortreten lassen. Gliotische Gewe-

bebezirke dagegen haben in der CT oft ähnliche

Dichtewerte wie das Marklager und sind daher

schlecht abgrenzbar.

Mit der CTA steht heute eine Methode zu Verfü-

gung, mit der beim akuten Schlaganfall die großen

Arterien an der Hirnbasis bis etwa zur Mediabifur-

kation verlässlich untersucht werden können. Ver-

glichen mit dem Doppler-Ultraschallverfahren ist die

CTA weit weniger von der Erfahrung des Unter-

suchers abhängig und daher auch für Notfälle ge-

eignet. Außerdem erlauben die sog. Quellbilder

(source images) der CTA eine Abschätzung der Qua-

lität des leptomeningealen Kollateralkreislaufs und

der Ausdehnung des ischämischen Hirnareals, wenn

sich das im Nativscan anhand der Infarktfrühzeichen

noch nicht abgrenzen lässt (Abb.1.132).

Rasch aufeinander folgende, dynamische CT-Auf-

nahmen mit Verfolgung des KM-Bolus während der

ersten Passage durch das Hirngewebe (Perfusions-

CT) erlauben die Berechnung von Parameterbildern

des relativen zerebralen Blutvolumens (rCBV), des

relativen zerebralen Blutflusses (rCBF) und der Zeit-

dauer bis zum Erreichen des Kontrastmaximums

(TTP, time to peak) (Abb. 1.133).

Bei guter Ortsauflösung stellen diese Bilder das

akut minderperfundierte Hirnareal zuverlässig dar.

Mit den derzeit verbreiteten CT-Geräten kann pro

KM-Bolus jedoch nur 1 Schicht untersucht werden,

so dass selbst bei 2 oder 3 KM-Injektionen keine

Untersuchung des ganzen Gehirns möglich ist. Es

ist aber zu erwarten, dass die Bedeutung der Technik

in der Diagnostik des akuten Schlaganfalls mit weite-

rer Verbreitung von Mehrschicht-CT-Scannern er-

heblich wachsen wird.

MRT. In der MRT kann ein akuter Hirninfarkt mit

konventioneller SE-Technik nicht früher als mit

1 Kraniozerebrale Erkrankungen

144

a b c

Abb. 1.132a–c CTA bei akutem, embolischem Verschluss der linken A. cerebri media.

a In der Nativ-CT sind nur angedeutete Infarktfrühzeichen

erkennbar: fokaler Dichteausgleich zwischen Hirnrinde

und subkortikaler weißer Substanz; fokales Verstrichen-

sein der Rindenfurchen.

b In der 3-D-Rekonstruktion der CTA (Ansicht von oben)

wird deutlich, dass ein proximaler Mediaverschluss be-

steht.

c Im Quellbild der CTA lässt sich das minderperfundierte

Mediaterritorium klar abgrenzen.

Abb. 1.133 Perfusions-CT bei kleinem „hyperakutem“

Territorialinfarkt im Versorgungsgebiet der linken A.

cerebri media.

Die farbkodierte Darstellung zeigt eine ausgeprägte

Durchblutungsminderung im linken frontalen Operkulum

(violett); die Nativ-CT war unauffällig. 62-jähriger Patient

mit akut aufgetretener motorischer Aphasie und Hemipa-

rese rechts.

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dem Nativ-CT nachgewiesen werden. Die Wasserzu-

nahme im Gewebe führt in den ersten Stunden zu

einer Verlängerung der T1- und T2-Relaxationszei-

ten: Bei T2-Gewichtung hat das Infarktareal ein er-

höhtes Signal, bei T1-Gewichtung ein erniedrigtes.

Anfangs, vor allem während der 1. Woche, wird das

Signal in erster Linie vom (vasogenen) Ödem be-

stimmt, das zunächst auch noch zunimmt. Danach

bestimmen die gleichfalls mit einem erhöhten Was-

sergehalt einhergehenden Nekrose- und Resorp-

tionsvorgänge das Signalverhalten des infarzierten

Gewebes. Nach 6–8 Wochen ist schon weitgehend

der Endzustand des Infarkts erreicht. Dieser besteht

bei großen Läsionen in einem zystischen Paren-

chymdefekt, der von einer Erweiterung benachbar-

ter Ventrikelanteile begleitet sein kann (Ex-vacuo-

Effekt); bei den kleinen Läsionen besteht der Endzu-

stand des Infarkts in einer Glianarbe. Die Zeichen der

gestörten BHS mit fokalem Enhancement beginnen

erst einige Tage nach dem akuten Ereignis und sind

gewöhnlich in der 2. Woche am deutlichsten; sie

können – mit abnehmender Ausprägung – bis zu 8

Wochen nach dem Schlaganfall noch zu sehen sein.

Da die MRT sensitiver ist als die CT, zeigt sie das

Enhancement etwas früher, manchmal sogar in klei-

nen mikroangiopathischen Infarkten.

Mit diffusionsgewichteten Sequenzen (diffusion

weighted imaging [DWI]) kann der akute Hirninfarkt

bereits wenige Minuten nach dem Gefäßverschluss

erfasst werden. Das früh eintretene zytotoxische

Ödem schränkt nämlich die Wasserdiffusion ein,

weshalb das infarzierte Hirngewebe in der diffu-

sionsgewichteten MRT sein hohes Signal behält,

während das gesunde Hirngewebe – infolge der un-

eingeschränkten Brown-Molekularbewegung der

Protonen – einen Signalverlust erleidet und dunkel

erscheint. Auf den ADC-Bildern kehrt sich der Kon-

trast zwischen Infarkt und gesundem Gewebe um:

Das Infarktareal erscheint dunkel, das normale Ge-

webe hell (Abb.1.134).

Auch wenn diese Veränderungen im Tierversuch

oder bei besonders früher Untersuchung von Schlag-

anfallpatienten – innerhalb von 2 Stunden oder we-

niger – partiell reversibel sein können, nimmt man

derzeit an, dass die Hyperintensität in der diffusions-

gewichteten MRT das irreversibel geschädigte Hirn-

gewebe im Zentrum der Ischämie markiert (sog.

Infarktkern). Interpretationsfehler bei der DWI-Aus-

wertung treten dann auf, wenn die Protonenbeweg-

lichkeit nur unidirektional – anisotrop – untersucht

wird oder bereits eine T2-Verlängerung des Gewebes

infolge bislang unbekannter alter Hirninfarkte be-

steht (T2-shine-through effect). Sie können durch Un-

tersuchung der isotropen Diffusion mit Erfassung

der Protonenbeweglichkeit in allen 3 Raumebenen,

Berechnung von ADC-Bildern und Akquisition von

T2-gewichteten Aufnahmen vermieden werden. An

der Schädelbasis treten wegen der Nähe zum Kno-

chen und zu den pneumatischen Höhlen Suszeptibi-

litätsartefakte auf, die in diffusionsgewichteten

MRT-Bildern Hyperintensitäten erzeugen, die nicht

als Infarktkorrelate gedeutet werden dürfen.

Analog zur Perfusions-CT wird bei der Perfusions-

MRT (perfusion weighted imaging [PWI]) ein KM-Bo-

lus i. v. appliziert und während des An-und Abflutens

im Hirngewebe mit raschen Signalmessungen ver-

folgt (zu den methodischen Details s. S.17). Bei An-

wendung der EPI-Technik kann so heute beim aku-

ten Schlaganfall die Durchblutung des gesamten Ge-

hirns innerhalb von 1–2 Minuten registriert werden.

Anhand der Perfusionskurven lassen sich dann Para-

meterbilder berechnen, die – allerdings mehr quali-

Erkrankungen der Blutgefäße

145

a b c

Abb. 1.134a–c Diffusionsgewichtete MRT bei hyper-

akutem Territorialinfarkt im Versorgungsgebiet der lin-

ken A. cerebri media.

a Bei reiner T2-Gewichtung ist kein Infarkt nachweisbar.

b Bei starker Diffusionsgewichtung markiert eine deutli-

che Signalanhebung das Infarktareal.

c Im ADC-Parameterbild stellt sich der Infarkt dunkel dar.

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tativ, durch Vergleich mit gesundem Gewebe –wich-

tige Informationen zur zerebrovaskulären Lage lie-

fern, vor allem über das zerebrale Blutvolumen und

die mittlere Passagezeit (mean transit time [MTT]) des

KM durch das Kapillarbett (dadurch indirekt auch

über den zerebralen Blutfluss). Infolge von Suszepti-

bilitätsartefakten ist die PWI-Interpretation an der

Schädelbasis jedoch problematisch.

Die anfängliche Hoffnung mit nur einer der neuen

Techniken – vor allem DWI – die therapierelevanten

Fragen (S.142) beantworten zu können, hat sich je-

doch bislang nicht erfüllt. Es scheint sich dagegen

das Konzept des Schlaganfall-MRT zu bewähren, das

die verschiedenen Techniken in einem Untersu-

chungsprotokoll zusammenfasst:

Untersuchungsprotokoll der Schlaganfall-MRTJ eine reguläre schnelle T2-gewichtete SequenzJ eine schnelle MR-Angiographie der basalen Hirnar-

terienJ DWI und PWI (Abb. 1.135)

Die vergleichende Analyse von DWI und PWI geht

von der Annahme aus, dass die DWI-Signalverände-

rungen dem irreversibel geschädigten Gewebe (dem

sog. Infarktkern) entsprechen, während die PWI-

Veränderungen – ausgewertet wird primär das

MTT-Parameterbild – das gesamte minderperfun-

dierte Hirnareal darstellen. Die Korrelation der Aus-

dehnung der DWI-Abnormität mit derjenigen der

PWI-Abnormität ergibt entweder eine Deckungs-

gleichheit (match) oder aber eine Ungleichheit (mis-

match). Bei Ungleichheit kann das perfusionsge-

störte Areal oder das diffusionsgestörte Areal größer

sein. Ist das perfusionsgestörte Areal größer (PWI >

DWI), wird das Differenzareal als Korrelat für das

Gewebe betrachtet, das noch nicht infarziert, aber

hochgradig gefährdet ist: Tissue at Risk (Abb.1.136).

In kleineren Studien konnte bereits gezeigt wer-

den, dass Patienten mit einem so definierten Tissue

at Risk von einer raschen Wiedereröffnung des ver-

schlossenen Gefässes signifikant profitieren.

Großhirninfarkte

Großhirninfarkte sind typischerweise Territorialin-

farkte, sie ereignen sich am häufigsten im Versor-

gungsgebiet der A. cerebri media. Je nach der Lage

des Gefäßverschlusses und der Funktionsfähigkeit

der leptomeningealen Kollateralen aus Ästen der

vorderen und hinteren Hirnarterien der gleichen

Seite kann das komplette Mediastromgebiet ein-

schließlich des Striatums oder nur ein einzelner Gy-

rus von der Infarzierung betroffen sein (Abb.1.137).

1 Kraniozerebrale Erkrankungen

146

Baustein Sequenztyp Untersuchungszeit Interpretation

T2 FSE (32 Echozug) 1 min

MRA 3D TOF 3 min

DWI SE-EPI;isotrope Diffusion:

b = 0, 333, 666, 1000

3 min

PWI GE-EPI; KM-Bolus:0,1 mmol/kg; 5 ml/sec

2 min

PWI – DWI semiquantitativ;Postprocessing nötig

Tumorausschluss

Gefäßverschluss

Infarktkern

Perfusionsdefizit

tissue at riskminus

Abb. 1.135 Beispiel für das Protokoll einer Schlaganfall-

MRT.

Die gesamte Untersuchungszeit beträgt meistens weniger

als 20 Minuten. In der Notfallsituation wird die Differenz

zwischen DWI und PWI abgeschätzt, um die Größe des

durch Rekanalisation noch potenziell rettbaren „tissue at

risk“ zu bestimmen.

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Bei gut kollateralisierten Verschlüssen der Media-

aufzweigung kann sich der Infarkt auch auf die In-

selregion beschränken. Die Infarktkonfiguration

richtet sich bei Mediaastverschlüssen nach dem Ver-

sorgungsgebiet des Gefäßes.

In der CT oder MRT kann rein morphologisch die

Differenzialdiagnose zwischen einem frischen In-

farkt und einem niedriggradigen Gliom in Einzelfäl-

len schwierig sein. Das gilt vor allem für Infarkte in

der Inselregion, einem häufigen Sitz von Astrozyto-

men. Dann erlauben die Zuordnung des Ödems zu

einem arteriellen Versorgungsgebiet, die Anwen-

dung der diffusionsgewichteten MRT (DWI) und

die Verlaufsbeobachtung mit Nachweis eines Fog-

ging-Effekts und typischer Störung der BHS die Diag-

nose eines Infarkts (Abb.1.138).

Gelegentlich finden sich auch ganz periphere Ast-

verschlüsse mit dem Ergebnis eines Infarkts, z. B. des

motorischen Kortex. Bei guter leptomeningealer Kol-

lateralisation des Kortex bekommt ein solcher In-

farkt u. U. eine überwiegend subkortikale Ausprä-

gung. Embolisch bedingte Verschlüsse im Versor-

gungsgebiet der A. cerebri posterior haben ihre

Streuquelle zwar überwiegend in den großen Arte-

rien der hinteren Hirnzirkulation, können sie aber

auch in der vorderen Zirkulation haben, so bei di-

rektem Abgang der A. cerebri posterior aus der A. ca-

rotis interna, bei kräftigen Rr. communicantes pos-

teriores und bei persistierenden karotidobasilaren

Anastomosen (A. trigemina).

Infarzierungen im Gebiet der A. cerebri anterior

sind selten (5% aller Infarkte), da im Vergleich zur

A. cerebri media und A. cerebri posterior das durch-

strömte Blutvolumen geringer ist, zum anderen

durch die A. communicans anterior ein guter Kolla-

teralkreislauf bei proximalen Verschlüssen vorliegt.

Der Gyrus cinguli sowie die frontobasalen Hirnter-

ritorien stellen noch die häufigste Infarktlokalisation

dar.

Komplette Balkeninfarzierungen sind aufgrund

der zusätzlichen Versorgung aus dem hinteren Kreis-

lauf über die A. pericallosa posterior kaum möglich.

Beim langsamen proximalen A.-cerebri-anterior-

Verschluss und hypo- oder aplastischer A. commu-

nicans anterior kann sich über die A. pericallosa

posterior ein suffizienter Kollateralkreislauf entwi-

ckeln. Eine Sonderform der territorialen Infarkte

sind die im Versorgungsgebiet der Aa. lenticulostria-

tae liegenden Stammganglieninfarkte. Diese Infarkte

können gelegentlich eine sehr umschriebene räum-

Erkrankungen der Blutgefäße

147

a b c

d

Abb. 1.136a–d Schlaganfall-MRT bei akutem Territo-

rialinfarkt im Versorgungsgebiet der linken A. cerebri

media.

a Das T2-gewichtete-Standardbild zeigt einen normalen

Befund.

b Die 3-D-Rekonstruktion der MRA läßt distal im Media-

stamm einen Abbruch des Flusssignals erkennen.

c Bei starker Diffusionsgewichtung markiert eine deutli-

che Signalanhebung die Infarktareale im frontalen

Operkulum und paraventrikulär.

d Im perfusionsgewichteten MTT-Parameterbild wird die

Minderdurchblutung des gesamten Mediastromgebiets

deutlich.

Die Differenz zwischen den Flächen mit abnormem Signal

in c u. d stellt das infarktgefährdete Gewebe dar (tissue at

risk).

Die Frühzeichen von Infark-

ten im Gebiet der A. cerebri

anterior sind manchmal schwer

zu erkennen, sodass darauf

besonders geachtet werden

muss.

>

Klaus Sartor, Neuroradiologie (ISBN 3131009136) © Georg Thieme Verlag

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1 Kraniozerebrale Erkrankungen

148

a b

c d

Abb. 1.137a–d Schema der arteriellen Gefäßversorgung supratentoriell bzw. in der vorderen Hirnzirkulation im

Axialbild (modifiziert nach Kretschmann u. Weinrich). Erläuterung siehe gegenüber.

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liche Ausdehnung aufweisen und dann in ihrer Un-

terscheidung zu mikroangiopathischen Infarzierun-

gen differenzialdiagnostische Schwierigkeiten berei-

ten. Die Kenntnis der komplexen, aus unterschied-

lichen Gefäßterritorien stammenden arteriellen Ver-

sorgung dieser Region ermöglicht jedoch in der

Regel die Einordnung als makroangiopathischer In-

farkt (Abb.1.139).

In basalen Großhirnanteilen sind die sog. striato-

kapsulären Infarkte mit Beteiligung des Linsenkerns,

der äußeren Kapsel samt Klaustrum, des vorderen

Schenkels der Capsula interna und des Kaudatuskör-

pers am häufigsten. Ursache dieses Infarkttyps sind

Verschlüsse der feinen lentikulostriären (zentralen)

Äste des proximalen Mediastamms aufgrund throm-

botischer Ablagerungen in der Umgebung der Ostien

dieser Gefäße oder aufgrund eines kompletten Me-

diaverschlusses. Typischerweise bleibt der Kauda-

tuskopf ausgespart, weil die für diese Struktur zu-

ständige A. recurrens Heubner aus dem präkommu-

nikalen Abschnitt der A. cerebri anterior und nicht

aus der A. cerebri media entspringt. Bei einem sol-

chen Verschluss des Mediastamms kann eine Infar-

zierung des nachgeschalteten Mediastromgebiets

durch die rasche Entwicklung eines funktionstüchti-

gen Kollateralkreislaufs über Äste der vorderen und

der hinteren Hirnarterie verhindert werden. Ein

striatokapsulärer Infarkt entsteht möglicherweise

auch dadurch, dass ein Mediaverschluss frühzeitig

spontan lysiert wird; zur Gewebenekrose kommt es

dann nur im Gebiet des nicht kollateralisierten Lin-

senkerns. Liegt der Mediastammverschluss etwas

weiter distal, kommt es zu einem lateralen Linsen-

kerninfarkt, der sich in koronaren MRT-Aufnahmen

bogenförmig von laterobasal bis zum Seitenventri-

keldach ausdehnt (Abb.1.140).

Die bei Linsenkerninfarkten häufige hämorrhagi-

sche Transformation führt selten zu einer klinischen

Verschlechterung. Die A. choroidea anterior versorgt

den hinteren Schenkel der inneren Kapsel (und da-

mit die Pyramidenbahn) sowie Teile des Kaudatus-

körpers. Isolierte Infarkte im Versorgungsgebiet der

A. choroidea anterior kommen zwar gelegentlich

vor, dürften aber häufiger mikroangiopathischen

Erkrankungen der Blutgefäße

149

a b c

Erläuterung zu Abbildung 1.137a–d

A. cerebri anterior

A. cerebri media

A. cerebri posterior

perforierende Äste der

A. cerebri anterior

perforierende Äste der

A. cerebri media

perforierende Äste der

A. cerebri posterior/

A. communicans

posterior

A. choroidea anterior

Abb. 1.138a–c Differenzialdiagnose zwischen ischämi-

schem Hirninfarkt und niedergradigem Gliom.

a In der CT besteht eine rundliche Hypodensität rechts

temporookzipital, die unspezifisch wirkt. Axiales Nativ-

scan.

b Die T2-gewichtete axiale MRT trägt ebenfalls nicht zur

Unterscheidung bei.

c Die Diagnose eines kortikalen Infarkts kann erst nach

paramagnetischer Kontrastverstärkung gestellt werden:

eindeutig kortikales Enhancement. T1-gewichtete ko-

ronare MRT.

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als embolischen Ursprungs sein. Hypothalamus und

Thalamus, die gemeinsam den III. Ventrikel begren-

zen, werden von den Rr. thalamoperforantes der

A. basilaris und der proximalen Abschnitte der Aa.

cerebri posteriores, also aus dem hinteren Hirnkreis-

lauf, versorgt.

Die Endstrominfarkte betreffen das para- oder

supraventrikuläre Marklager, sie liegen an der Was-

serscheide zwischen den Versorgungsgebieten der

aus dem Mediastamm entspringenden langen pe-

netrierenden Markarterien und der tiefen pialen

Äste der kortikalen Arterien. Von mikroangiopathi-

schen Infarkten lassen sie sich dadurch unterschei-

den, dass sie im typischen Fall kettenförmig ange-

ordnet sind, und zwar auf einem Bogen, der von

frontal bis nach okzipital reicht (Abb.1.141).

Grenzzoneninfarkte stellen sich in der CT oder

MRT als kortikal-subkortikale Dichteminderungen

oder Signalveränderungen an den Grenzen der Ver-

sorgungsgebiete der 3 Hirnarterien dar; sie reichen

dabei oft von den Vorder- oder Hinterhörnern der

Seitenventrikel bis zur Hirnoberfläche. Die hämody-

namische Relevanz von Stenosen der hirnversorgen-

den Arterien kann semiquantitativ auch mit dem

Perfusions-MRT abgeschätzt werden. Reicht die

Hirnperfusion in den Endstromgebieten nicht mehr

aus, wird auf zerebrovaskuläre Reservekapazität an-

gezapft, indem sich die kleinen parenchymalen Ge-

fäße reaktiv weitstellen. Im Perfusions-MRT führt

das zu einer Verlängerung der MTT und einer Er-

höhung des zerebralen Blutvolumens (CBV).

Kleinhirninfarkte

Kleinhirninfarkte sind entsprechend der variablen

arteriellen Versorgung des Kleinhirns weniger

gleichförmig in ihrer morphologischen Ausprägung

als Großhirninfarkte. Die Territorien der Kleinhirnar-

terien überschneiden sich z. T. oder es bestehen re-

ziproke Größenverhältnisse, wobei einmal die eine

Arterie das größere Territorium hat, dann wieder die

andere.

Die Darstellung eines Infarkts und dessen Zuord-

nung zu einem arteriellen Stromgebiet gelingt am

besten mit der MRT, wobei Aufnahmen in 2 der 3

orthogonalen Ebenen meistens ausreichen; oft ge-

nügen sogar die sagittalen Aufnahmen (Abb.1.142).

In der Regel versorgt die gewöhnlich aus dem

Endteil der A. vertebralis entspringende A. cerebelli

inferior posterior (PICA) basal den größten Teil der

Kleinhirnhemisphäre, nach rostral bis über die Fis-

sura horizontalis hinaus, also vor allem den Lobulus

semilunaris inferior, den Lobulus biventer und die

1 Kraniozerebrale Erkrankungen

150

1

1

47

65

8

2

5

67

4

8

a b

3

Abb. 1.139a, b Schema der

arteriellen Versorgung von

Stammganglien und Thala-

mus (nach Rossberg).

a Axialschnitt.

b Koronarschnitt.

1 A. lenticulostriata lateralis

2 A. recurrens Heubner

3 A. lenticulostriata medialis

4 A. choroidea anterior

5 A. thalamotuberalis et

thalamoperforata anterior

6 A. thalamoperforata

posterior

7 A. thalamogeniculata

8 A. choroidea posterior

Abb. 1.140 5 Tage alter ischämischer Infarkt im Versor-

gungsgebiet der Aa. lenticulostriatae laterales rechts.

T2-gewichtete koronare MRT.

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Tonsille; über die unteren Wurmäste wird auch ein

Teil des Kleinhirnwurms arteriell versorgt. In sagitta-

len MRT-Bildern hat ein kompletter PICA-Infarkt ty-

pischerweise eine nach rostral (kranial) konkave

Form (Abb.1.143).

Da das PICA-Territorium gelegentlich sogar die

Mittellinie überschreitet, können trotz kompletten

Gefäßverschlusses Anteile des üblichen Versor-

gungsbereichs durch Kollateralisation von der Ge-

genseite unbeeinträchtigt bleiben.

Bei hypoplastischer oder fehlender PICA wird die

arterielle Versorgung oft von einer besonders kali-

berstarken A. cerebelli inferior anterior (AICA) über-

nommen. Ansonsten sind die relativ seltenen AICA-

Infarkte auf den mittleren Kleinhirnstiel beschränkt;

ihre häufig rundliche Form kann die Differenzial-

diagnose zu einem akuten Demyelinisierungsherd

schwierig machen.

Die A. cerebelli superior zeigt von allen 3 Klein-

hirnarterien die geringste Variabilität, ihr Versor-

Erkrankungen der Blutgefäße

151

a b

Abb. 1.141a, b Alter frontaler

Endstrominfarkt oberhalb des Sei-

tenventrikels.

a Im Zentrum des parallel zur Mit-

tellinie liegenden linksseitigen In-

farkts besteht ein liquorähnliches

Signal. T2-gewichtete axiale MRT.

b Der Infarkt hat eine angedeutete

C-Form. T1-gewichtete sagittale

MRT.

A. cerebelli

A. cerebelli

Arterielle Versorgungsgebiete: inferior posterior (PICA)

inferior anterior (AICA)

superior (SUCA)

Schichtebenen durch das KleinhirnAxial

Sagittal (d):

(a – c): a – in Höhe der Medulla oblongatab – in Höhe der mittleren Ponsc – in Höhe des Mesenzephalons

paravermal

a b c d

A. cerebelli

Grenzzonengebiet

Abb. 1.142a–d Schema der arteriellen Versorgung des Kleinhirns in Axial-, Sagittal- und Koronarbildern (modifiziert

nach Savoiardo u. Mitarb.).

Abb. 1.143 Subakuter ischämischer Infarkt im Versor-

gungsgebiet der A. cerebelli inferior posterior (PICA-

Infarkt).

Die Läsion ist nach oben konkav begrenzt und befindet sich

im Stadium der BHS-Störung. T1-gewichtete sagittale MRT

nach paramagnetischer Kontrastverstärkung.

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gungsgebiet ist nahezu konstant. Sie versorgt die

Lobuli quadrangulares, den größten Teil des Centrum

medullare einschließlich der Kerngebiete sowie den

Oberwurm. Im Vergleich zu PICA-Infarkten sind In-

farkte im A.-cerebelli-superior-Gebiet jedoch seltener.

Auf Axialbildern haben Teilinfarkte eine Trapezform.

Auf den gleichen Bildern können im übrigen PICA-

Teilinfarkte mit einer weiten Fissura prima (horizon-

talis) verwechselt werden, wenn diese – wie bei

Kleinhirnatrophie der Fall – sehr prominent ist.

Bei bewusstseinsgetrübten Patienten sind CT-

oder MRT-Verlaufsuntersuchungen in kurzen Ab-

ständen notwendig, damit ein raumfordernder ma-

ligner Kleinhirninfarkt rechtzeitig erkannt und mit

Hilfe einer subokzipitalen Kraniektomie dekompres-

siv behandelt wird. Am häufigsten verursachen

große PICA-Infarkte einen Verschlusshydropzepha-

lus durch Kompression des IV. Ventrikels und der

perimesenzephalen Zisternen.

Hirnstamminfarkte

Hirnstamminfarkte gefährden das Leben des Patien-

ten weit häufiger als Infarkte im vorderen Hirnkreis-

lauf, obwohl das Verhältnis von Ischämien im vor-

deren Kreislauf zu Ischämien im hinteren Kreislauf

ungefähr 5 : 1 beträgt. Infolge der unvermeidbaren

Aufhärtungsartefakte in der Umgebung des Felsen-

beins ist mit der CT die Nachweisrate von Hirn-

stamminfarkten wesentlich geringer als die Nach-

weisrate von Infarkten im Großhirn, die schon ab

einer Größe von 3–5 mm Durchmesser erkennbar

sind. Die sichere Erfassung und exakte topische Zu-

ordnung von Hirnstamminfarkten erfordert daher

die MRT, bei deren Anwendung oft auch Informatio-

nen zur Pathogenese der Erkrankung gewonnen

werden. Bei Verdacht auf akute Basilaristhrombose

eignet sich besonders die CTA zur Klärung des Sach-

verhalts, sie sollte daher frühzeitig durchgeführt

werden.

Territorialinfarkte. Territorialinfarkte des Hirn-

stamms entstehen vor allem paramedian im Brü-

ckenfuß, sie reichen bis an die Brückenoberfläche

(Abb.1.144).

Bei der Basilaristhrombose kommt es häufig zu

doppelseitigen Infarkten in der Brückenhaube (Teg-

mentum) und im Brückenfuß (Basis pontis).

Lakunäre Infarkte. Lakunäre Infarkte entstehen meis-

tens im Übergang des Brückenfußes zur Brücken-

haube. Im Zusammenhang mit einer zerebralen Mik-

roangiopathie kommt es oft auch im Hirnstamm zu

weitgehend symmetrischen leukenzephalopathi-

schen Veränderungen, die im Brückenfuß am ausge-

prägtesten sind (Abb.1.145).

Infarkte der Medulla oblongata. Infarkte der Medulla

oblongata liegen fast immer im dorsolateralen Teil

des verlängerten Marks, ihre Ursache ist gewöhnlich

ein intraduraler (distaler) Verschluss der A. verte-

bralis; klinisch besteht ein sog. Wallenberg-Syn-

drom. Ist bei einem solchen Vertebralisverschluss

die PICA miteinbezogen, kommt ein Kleinhirninfarkt

hinzu.

1 Kraniozerebrale Erkrankungen

152

Abb. 1.144 Paramedianer Ponsinfarkt.

Die Läsion zeigt ein erhöhtes Signal und reicht von der

vorderen Brückenkontur bis an das Tegmentum. T2-ge-

wichtete sagittale MRT.

Abb. 1.145 Mikroangiopathische Veränderungen in der

Brücke.

Die Läsionen (Pfeile) zeigen ein erhöhtes Signal und wirken

fast symmetrisch. T2-gewichtete axiale MRT.

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Ponsinfarkte. Ponsinfarkte entstehen typischerweise

paramedian im mittleren Brückenfuß und äußern

sich klinisch in einer motorischen Hemiparese, die

meistens arm- und distal betont ist und initial oft

von einer Dysarthrie begleitet wird; die für Hirn-

stamminfarkte als charakteristisch geltende „ge-

kreuzte Symptomatik“ fehlt oft.

Mittelhirninfarkte. Mittelhirninfarkte entstehen

ebenfalls überwiegend im Brückenfuß. Klinisch ste-

hen meistens eine komplette Okulomotoriusparese

und eine kontralaterale Hemiparese im Vorder-

grund.

Akute und chronische vaskuläre Enzephalopathie

Die akute zerebrale Hypoxie durch Stagnation des

Blutflusses (Ischämie) ist als Ursache von Hirninfark-

ten von der hypoxämischen, toxischen und hypogly-

kämischen Hypoxie abzugrenzen. Von letzteren Hy-

poxieformen führt die Hypoxämie am häufigsten zu

einer Schädigung des Gehirns. Infolge von Unter-

schieden im Stoffwechsel und in der Vaskularisation

reagiert das Hirnparenchym auch unterschiedlich

auf Hypoxie. Je nach Grad und Dauer der Hypoxie

resultieren daher unterschiedliche klinische und ra-

diologische Befunde. Bei passagerer Hypoxie kann es

besonders am zerebralen Kortex zu einer reversiblen

Beeinträchtigung der Gehirnfunktion durch Ödem

und Störung der BHS kommen. Am häufigsten be-

troffen ist die zwischen den großen arteriellen Ver-

sorgungsbereichen gelegene parietookzipitotempo-

rale Grenzregion, die „letzte Wiese“; die kortikale

Störung kann dabei deutlich asymmetrisch sein.

Das beste Verfahren zum Nachweis morphologi-

scher Veränderungen, die in diesem Zusammenhang

auftreten, ist die MRT. Mit ihr gelingt es am ehesten,

die Störung der BHS nachzuweisen. Nach KM-Gabe

ist das charakteristische gyrale Enhancement im be-

troffenen Kortex vor allem in der subakuten Phase

der hypoxischen Störung nachweisbar (Abb.1.146).

In PD-gewichteten oder FLAIR-MRT-Bildern wirkt

der geschädigte Kortex gelegentlich hyperintens, ein

Phänomen, das man u.U. schon früher beobachten

kann als das Enhancement. Ist die Hypoxie ausge-

prägter und somit die kortikale Beeinträchtigung

stärker, können sich kortikal laminare Nekrosen ent-

wickeln.

Das Ödem kann dann auch in der CT in Erschei-

nung treten, indem der Dichtesprung zwischen der

Hirnrinde und der subkortikalen weißen Substanz

verschwindet und die Hirnfurchen verstreichen. Bei

einer Hirnschädigung durch globale Hypoxie dehnt

sich das Hirnödem auf die Stammganglien, das

Kleinhirn und den Hirnstamm aus (Abb.1.147).

Einige der entzündlichen Gefäßerkrankungen

oder Vaskulitiden lassen sich ebenfalls den akuten

vaskulären Enzephalopathien zurechnen. So kann

es bei verschiedenen Autoimmunerkrankungen, da-

runter dem SLE, der Periarteriitis nodosa und dem

Morbus Behçet, zu einer Mitbeteiligung des Gehirns

mit perivaskulärer Infiltration kommen. Die Wand-

entzündung der kleinen und mittleren Arterien führt

zum einem zu segmentaler Gefäßerweiterung mit

Ausbildung von (Pseudo-) Aneurysmen, die schließ-

lich, vor allem bei der SLE, rupturieren und intraze-

Erkrankungen der Blutgefäße

153

a b

Abb. 1.146a, b Einseitiger hypoxi-

scher Gehirnschaden nach Intuba-

tionsnarkose.

a Der Kortex der linken Großhirnhe-

misphäre wirkt ödematös und hat

ein abnorm hohes Signal. T2-ge-

wichtete axiale MRT.

b Der erkrankte Kortex zeigt ein gy-

rales Enhancement. T1-gewichtete

axiale MRT nach paramagnetischer

Kontrastverstärkung.

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rebrale Blutungen herbeiführen können. Zum ande-

ren führt sie zu Gefäßverengungen, Gefäßverschlüs-

sen und ischämischen Hirninfarkten. Da die perivas-

kuläre Entzündung – anders als die degenerative

Wanderkrankung bei der arteriosklerotischen Mik-

roangiopathie – nicht auf die kleinen Arterien be-

schränkt ist, resultiert in der CT und MRT ein Misch-

bild von Infarkten, u. U. kommen gleichzeitig mikro-

angiographische, hämodynamische und territoriale

Infarkte vor. Zwar ist dieses Läsionsmuster charakte-

ristisch, es erlaubt aber nicht die Diagnose Vaskulitis.

Zur radiologischen Sicherung der Diagnose ist die

selektive zerebrale Angiographie notwendig, mit der

die arteriellen Stenosen, Verschlüsse und Aneurys-

men noch am verlässlichsten nachgewiesen werden

(Abb.1.148).

Ein ähnlich „buntes“ Infarktbild wird auch bei

akut auftretenden Hyperkoagulopathien mit intrava-

saler Thrombenbildung vom Typ des Moschkowitz-

Syndroms beobachtet.

Die zerebrale Mikroangiopathie als Erkrankung

primär des Marklagers manifestiert sich mit lakunä-

ren Einzelläsionen von 1–2 mm Durchmesser oder

als konfluierende spongiöse Demyelinisierung. In

der Regel reicht die CT diagnostisch aus: Sie zeigt

die Lakunen als kleine, hypodense Läsionen in den

Stammganglien, im Thalamus und in der inneren

Kapsel, gelegentlich auch kettenförmig angeordnet

in der äußeren Kapsel (Abb.1.149).

Ausnahmsweise tritt die zerebrale Mikroangio-

graphie auch zuerst mit flächigen Hypodensitäten

im subkortikalen Marklager in Erscheinung. In der

MRT sind diese Veränderungen früher und ausge-

dehnter zu erkennen als in der CT, wobei die T2-

gewichteten Aufnahmen für die Läsionen der wei-

ßen Substanz am empfindlichsten sind. In extremen

Fällen zeigt außer den U-Fasern das gesamte Mark-

lager eine gleichförmige Signalerhöhung, das radio-

logische Zeichen der SAE (Abb.1.150).

1 Kraniozerebrale Erkrankungen

154

a

b

Abb. 1.147 Diffuser hypoxischer Gehirnschaden nach

Kammerflimmern und Reanimation (64-jähriger Mann).

Der Kontrast zwischen grauer und weißer Hirnsubstanz ist

aufgehoben und beide Großhirnhemisphären zeigen eine

gleichförmige, leicht reduzierte Dichte; infolge allgemeiner

Hirnschwellung sind kaum Hirnfurchen zu erkennen. Axiale

Nativ-CT.

Abb. 1.148a, b Zerebrale Vaskulitis ungeklärter Genese

(34-jähriger Mann).

a In beiden Großhirnhemisphären bestehen paraventriku-

lär und auch weiter peripher im Marklager multiple,

teilweise konfluierende Areale erhöhter Signalintensität.

Ein weiteres Areal rechts paraventrikulär ist dagegen

stark signalgemindert, vermutlich infolge von Hämosi-

derinresten nach früherer Blutung (Pfeile). T2-gewich-

tete axiale MRT.

b Zahlreiche Hirnarterien, vor allem die A. cerebri poste-

rior (großer Pfeil), haben ein unregelmäßiges Lumen.

Die Zentralarterie trägt ein kleines Pseudoaneurysma

(kleiner Pfeil). Karotisangiogramm, laterale Projektion.

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Gelegentlich kann die Unterscheidung der Mikro-

angiopathie von anderen Demyelinisierungserkran-

kungen, vor allem der Encephalomyelitis dissemi-

nata (ED), schwierig sein. Anders als die ED befällt

die zerebrale Mikroangiopathie aber nicht den Bal-

ken, und sie hat ihre stärkste Ausprägung auch nicht

unmittelbar an den Seitenventrikeln (periventriku-

lär), sondern in einigem Abstand davon (paraventri-

kulär). Die charakteristischen lakunären Läsionen

kommen hinzu. Der Befall besonders des Balkenun-

terrands ist dagegen fast spezifisch für die ED.

Erst in den letzten Jahren wurde die Differenzial-

diagnose der vaskulären Leukenzephalopathien um

das – unerwartet häufig auftretende – Erkrankungs-

bild CADASIL (cerebral autosomal dominant arterio-

pathy with subcortical infarcts and leukencephalopa-

thy) erweitert. Diese Erkrankung beginnt oft schon

im 3. Lebensjahrzehnt, wobei sie sich manifestiert

mit:J rezidivierenden zerebralen Durchblutungsstö-

rungen,J der Entwicklung einer subkortikalen Demenz.

Vor allem in der MRT sind oft symmetrisch verteilte,

zunächst nur periventrikulär lokalisierte Gliosen

(Hyperintensität in T2-gewichteten Aufnahmen)

nachzuweisen, die später das gesamte zerebrale

Marklager erfassen. Besonders charakteristisch

scheint der Befall der Capsula externa zu sein, wäh-

rend die Stammganglien seltener betroffen sind als

bei der zerebralen Mikroangiopathie.

Kennzeichen von CADASIL-PatientenJ sie sind in der Regel wesentlich jünger als Patienten

mit einer subkortikalen arteriosklerotischen Enze-

phalopathopathieJ es liegen auch keine typischen Risikofaktoren vor

Die Diagnosesicherung erfolgt durch den Nachweis

des Gendefekts auf Chromosom 19p13 (Abb.1.151).

Mikroangiopathische Marklagerveränderungen

fokal-gliotischer Art müssen außerdem von erwei-

terten perivaskulären Spalten, den Virchow-Robin-

Räumen, unterschieden werden, die die perforieren-

den Arterien begleiten. Man findet diese per se kli-

nisch belanglosen Liquorspalten vor allem bei:J ausgeprägter Hirnatrophie,J fortgeschrittenem Alter,J lange bestehendem Hypertonus und chronischer

Rechtsherzinsuffizienz,J gelegentlich aber auch bei jungen Menschen ohne

erkennbare systemische Störung (Abb.1.152).

Von mikroangiopathischen Gliosen unterscheiden

sie sich durch ihr liquoräquivalentes Signal, was

besonders auf PD-gewichteten Bildern deutlich

wird. In para- und supraventrikulären Schichtbil-

dern haben die Veränderungen im Übrigen eine

lineare, ventrikulofugale Gestalt. Bei Schnittführung

durch die Substantia perforata anterior – wo sie

recht groß werden können – täuschen Virchow-

Robin-Räume gelegentlich lakunäre Infarkte vor

(Abb.1.153).

Erkrankungen der Blutgefäße

155

Abb. 1.149 Zerebrale Mikro-

angiopathie vom überwiegend

lakunären Typ.

Alte lakunäre Infarkte bestehen im

Thalamus, im Striatum und in der

Capsula externa. Die mikroangio-

pathischen Veränderungen der

weißen Substanz sind eher gering

ausgeprägt, am stärksten noch

nahe den Vorderhörnern. Axiale CT.

Abb. 1.150 Ausgeprägte subkorti-

kale arteriosklerotische Enzephalo-

pathie.

67-jährige Frau mit chronischer arteri-

eller Hypertonie. Mit Ausnahme der U-

Fasern ist das gesamte zerebrale

Marklager dichtegemindert. Axiale CT.

Abb. 1.151 CADASIL.

Die T2 gewichtete axiale MRT zeigt bei

einem 41-jährigen Mann mit rezidivie-

renden Schlaganfällen symmetrische,

teils flächige, teils lakunäre Signalanhe-

bungen in der periventrikulären weißen

Substanz. Keine Risikofaktoren bekannt.

Abb. 1.152 Erweiterte Virchow-

Robin-Räume.

In der weißen Substanz beider Groß-

hirnhemisphären sind subkortikal

zahlreiche lineare Areale erhöhter

Signalintensität zu erkennen. Die Ver-

änderungen entsprechen einer – kli-

nisch belanglosen – Erweiterung des

Liquorraums, der die perforierenden

Arterien begleitet. T2-gewichtete

axiale MRT.

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