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AZ Zürich Montag, 3. Dezember 1990 Nr. 281 %mt Mvtitx Minna 11 1 -WW litt Briefadresse von Redaktion, Verlag und Druckerei: Postfach, CH-8021 Zürich, Telefon (01) 258 1 1 1 1, Telefax »2 13 29 Anzeigenabteilung: Postfach 215, CH-8021 Zürich, Telefax 258 16 77 Inlandabonnemente: Telefon (01) 258 15 30, Telefax 258 18 39 Auslandabonnemente: Telefon (01) 258 1 II, Telefax 258 18 39 Abonnementspreise und weitcie Angaben Seite 4 (Impressum) und schweizerisches Handelsblatt Der Zürcher Zeitung 211. Jahrgang Schweiz Fr. 1.5 0 bFr. 55.- Lit. 2000.- sKr. II.- dKr. 11.- IFr. 45- Pls. 200.- DM 2.30 hfl. 3.- Kan. Inseln 9.50 nKr. 11.- Pts. 225.- Dr. 220.- öS 20- 4400- £ 0.90 Esc. 220.- Ft. 90.- Erste gesamtdeutsche Bundestagswahl Klarer Wahlsieg der Bonner Koalition Erstarkung der FDP - schwere Niederlage der SPD Bundeskanzler Kohl ist als eindeutiger Sieger aus den ersten gesamtdeutschen Wahlen hervorgegangen. Den eigentlichen Erfolg errangen freilich die Freien Demokraten, die mit über 10 Prozent als Koalitionspartner deutlich erstarkt sind, während die CDU/CSU unge- fähr ihr letztmaliges Resultat von 44 Prozent behauptete. Die SPD verzeichnete mit weniger als 35 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis seit mehr als dreissig Jahren, und auch die Grünen mussten eine schwere Niederlage hinnehmen. Der Wahlsieger Kohl mit seiner Gattin. (Bild ap) Ch. M. Bonn, 2. Dezember Die Bonner Koalition unter Führung von Bundeskanzler Kohl hat in der ersten gesamtdeut- schen Bundestagswahl einen klaren Sieg errun- gen. Die CDU/CSU konnte allerdings laut den ersten Hochrechnungen nur etwa ihr letztmaliges Resultat von 44,3 Prozent erreichen, während die Tagesinformation Umsturz in Tschad Die Rebellen unter Idriss Deby sind nach der Flucht des tscha- dischen Präsidenten Habre, ohne auf Widerstand zu stossen, in der Hauptstadt Ndjamena einmarschiert. Seite Handschlag im Tunnel unter dem Ärmelkanal Beim Bau des Tunnels unter dem Ärmelkanal ist am Samstag im Servicetunnel ein I Meter 80 hohes Loch durchschlagen wor- den. Ein britischer und ein französischer Arbeiter reichten sich die Hand und tauschten Nationalfahnen aus. Seite Austerity-Budget in Griechenland Der vom griechischen Finanzminister dem Parlament unterbrei- tete Haushaltentwurf lässt erkennen, dass die Regierung an ihrem Sparkurs festzuhalten gedenkt. Seite 1 Schweizer Hilfsaktionen für die Sowjetunion? Beim Besuch von Bundesrat Felber in Moskau sind Möglichkei- ten schweizerischer Hilfsaktionen für die Sowjetunion erörtert worden. Das EMD schliesst nicht aus, dass dabei auch die Schweizer Armee zum Einsatz kommen könnte. Seite 1 Fünf Remis im Fussballchampionat In der 20. Runde des Fussball-Qualifikationsprogramms profi- tierte Servette als einziger Sieger der Nationalliga A von den fünf Remis der Konkurrenz, während St Gallens Chancen, im Frühjahr in der Finalrunde dabeizusein, arg gesunken sind. Seite 47 Unterschiedlicher Start der SSV-Alpinen Mit je einem zweiten Rang durch Vreni Schneider und Franz Heinzer ist den SSV-Alpinen der Saisonstart zwar über Erwar- ten gut gelungen, doch vermochten diese Ergebnisse das Deba- kel der Schweizerinnen im Slalom nicht zu verdecken. Seite 49 Inhaltsübersicht Umfang KM Seiten 1-4 Stadt und Kanton Zürich 31-36 Sport 47-54 27 Sonderbeilage Thurgau i8 seiten Anzeigen-Überblick Seite Freien Demokraten zum viertenmal seit der Gründung der Bundesrepublik mit über 10 Pro- zent - statt 9, 1 vor vier Jahren - das von ihnen ersehnte zweistellige Resultat zu erringen ver- mochten. Scheitern der Grünen Die Sozialdemokraten erlitten eine schwere Niederlage mit ihrem Kanzlerkandidaten Lafon- taine. Sie fielen gegenüber dem letztmaligen Er- gebnis von 37 Prozent auf weniger als 35 Prozent zurück und verzeichneten damit ihr schlechtestes Ergebnis seit dem Jahre 1957. Ebenfalls schwere Verluste mussten die Grünen einstecken, die letztesmal noch 8,3 Prozent errungen hatten. Im Wahlgebiet West verfehlten sie die Fünf-Prozent- Hürde und schieden deshalb aus dem Bundestag aus, während in de n neuen Bundesländern des Wahlgebietes Ost die Listenvereinigung Grüne/ Bündnis 90 mit etwa 6,5 Prozent die Sperrklausel zu überwinden vermochte. Die ersten Auszählungen ergaben für die CDU im östlichen Wahlgebiet noch einen leichten Zu- wachs im Vergleich zur Volkskammerwahl vom 18. März. Besonders deutlich war indes der Zu- wachs in der ehemaligen DDR für die Liberalen. Ihre Erstarkung in der Bonner Koalition, die laut einigen CDU- Kommentatoren schwierige Koali- tionsverhandlungen bedeuten könnte, geht also hauptsächlich auf das gute Abschneiden der FDP zwischen Elbe und Oder zurück. Genau umge- kehrt verhält es sich bei de n Sozialdemokraten. Ihr Resultat von mehr als 35 Prozent im Wahl- gebiet West wurde durch das anhaltend schlechte Abschneiden in den fünf neuen Bundesländern in der Gesamtauswirkung nach unten gezogen, ob- gleich die SPD zwischen Elbe und Oder im Ver- gleich zur Volkskammerwahl leichte Gewinne ver- buchte. Der SPD- Vorsitzende Vogel verwies in seinem Kommentar vor allem auf de n Zuwachs für die FDP, während die Union nur knapp ihr Ergebnis von 1987 habe behaupten können. Mit dem Dank an Lafontaine und für das Engagement der Partei verband er eine Verteidigung des Wahlkonzepts der Sozialdemokraten. Die sozialdemokratische Bundesgeschäftsführerin Fuchs gestand dagegen ohne Umschweife die «schmerzliche Niederlage» der SPD ein. Von seiten der CDU/CSU wurde im Hinblick auf frühere rot-grüne Perspektiven auch das schlechte Abschneiden der Grünen hervor- gehoben, in deren Reihen selbst von einem «Debakel» die Rede war. Zufriedenheit Kohls Bundeskanzler Kohl sprach noch am Wahl- abend von einem «Tag der Freude» über einen «grossartigen Wahlsieg». Der erste gesamtdeut- sche Kanzler erinnerte daran, dass noch zu Jahresanfang selbst in den Reihen der Union die wenigsten einen solchen Erfolg als möglich erach- tet hätten. Seine besondere Freude drückte er über den Wahlsieg der CDU in der Berliner Wahl aus. Graf Lambsdorff \mA Aussenminister Gen- scher von der FDP erstrahlten ihrerseits in ihrem besonderen Erfolg; der liberale Parteichef wandte sich gegen jedwelchen Zeitdruck in de n künftigen Koalitionsverhandlungen. Kohl selbst, dem der Wunsch nach einer raschen Gangart nach der Kanzlerwahl nachgesagt worden war, verneinte, dass er Zeitdruck ausüben wolle. Während erwartetermassen die rechtsradikalen Republikaner unter der Fünf- Prozent- Hürde blie- ben, vermochte die SED-Nachfolgepartei PDS dank der getrennten Sperrklauselanwendung in den Bundestag einzuziehen; im Wahlgebiet Ost , wo sie die Hürde nahm, verzeichnete sie indes einen weiteren Rückgang im Vergleich zu de n Volkskammer- und Landtagswahlen von 16,4 aul etwa 10 Prozent. , _ . ,. (Kommentar Seite 3) Erfolg für die CDU beim Urnengang in Berlin Verdikt gegen die Koalition Mompers CDU und FDP haben am Sonntag bei den Wahlen zum ersten Gesamtberliner Landes- parlament seit 44 Jahren einen Erfolg errungen, wenngleich sie eine absolute Mehrheit für die von ihnen angestrebte Koalition verfehlten. Die SPD erhielt die Quittung für ihre nach den letzten Westberliner Wahlen eingegangene Koalition mit der Alternativen Liste und ver- lor deutlich an Stimmen. eg. Berlin. 2. Dezember Aus dem parallel zur Bundestagswahl abgehal- tenen Urnengang zum ersten Gesamtberliner Ab- geordnetenhaus ist die CDU am Sonntag als stärkste Partei hervorgegangen. Die bis Novem- ber in einem Bündnis mit der Alternativen Liste (AL) regierende SPD erlitt eine deutliche Nieder- lage. Bezogen auf die gesamte Stadt, erzielte die CDU nach einer ersten Hochrechnung rund 37 Prozent und die SPD rund 33 Prozent. Zu den Wahlsiegern darf sich auch die FDP rechnen, die um 7 Prozent erhielt, nachdem sie im letzten Westberliner Abgeordnetenhaus nicht vertreten war. Die beiden politisch verwandten Gruppie- rungen der Alternativen Liste und des Bündnisses 90/Grüne verbuchten 5 beziehungsweise 4 Pro- zent, die SED- Nachfolgerin PDS rund 9 Prozent. Sicher ist, das«; die rechtsextremistischen Republi- kaner, die nach den letzten Westberliner Wahlen erstmals im Abgeordnetenhaus Einsitz genom- mer, hatten, an der 5- Prozent- Hürde gescheitert sind. Keine eindeutige Ausgangslage Im Gegensatz zur Bundestagswahl, für die auch beim ersten Urnengang im vereinten Deutschland schnell recht verlässliche Hochrechnungen vor lagen, mussten die Berliner bis in de n späteren Abend auf präzisere Zahlen warten. Sollten sich die ersten Schätzungen bestätigen, kristallisiert sich auf Grund des Wahlergebnisses keine ein deutige Ausgangslage für die anstehende Regie rungsbildung heraus. Keine der beiden Volks parteien vermag nach den vorliegenden Zahlen mit einer kleineren Partei allein eine Koalition zu formieren, die über eine absolute Mehrheit de Sitze verfügte. Weder kann die SPD das Bündni mit der Alternativen Liste fortsetzen, noch kön nen CDU und Liberale an ihre 1989 beim letzten Westberliner Urnengang abgewählte Koalition anknüpfen. Der CDU-Spitzenkandidat und frühere Regie rende Bürgermeister Diepgen dürfte als Repräsen tant der stärksten Partei in de n nächsten Tage Sondierungsgespräche aufnehmen. Am Wahl abend wollte er eine Grosse Koalition nicht aus schliessen, die in den letzten Monaten auf Grüne der Berlin bevorstehenden grossen Herausfinde rung der Vereinigung beider Stadthälften viel Befürworter gefunden hatte und nun angesicht des jetzigen Ergebnisses einiges an Wahrschein lichkeit gewonnen hat. Diepgen gab jedoch natur gemäss einem voraussichtlich nicht zustand Keine Fixerräume in der Stadt Zürich Die Abstimmungsvorlagen in Stadt und Kanton Zürich # In der Stadt Zürich ist der Kredit über 1,44 Millionen Franken für das Pilotprojekt -ixerräume bei einer Stimmbeteiligung von 42 Prozent mit 60 166 Nein gegen 36 460 Ja >;achab geschickt worden, wobei nur 2 der Stadt- kreise die Vorlage befürworteten. Mit 52 408 Ja gegen 43 979 Nein wurde dem Sozialhilfegrund- satz und damit der definitiven Weiterführung von diversen Hilfseinrichtungen für Drogensüchtige zugestimmt. Problemlos passierten das neue öko- ogische Abfallkonzept mit 66 918 Ja gegen 26 638 Nein und der entsprechende Objektkredit über 18 Millionen Franken mit 62 417 Ja gegen 28 853 Nein. Das neue gesamtstädtische Behin- dertentransportsystem fand mit 85 844 Ja gegen 9718 Nein Zustimmung, und das Anschlussgleis Tür die Kläranlage Werdhölzli wurde mit 61 891 Ja gegen 30 195 Nein gutgeheissen. Spielsaloninitiative im Kanton Zürich angenommen Im Kanton Zürich ist die Volksinitiative «Stopp dem Wildwuchs von Spielsalons und Geldspiel- automaten» mit 147 972 Ja gegen 91 443 Nein angenommen worden. Das in einer Initiative der ehemaligen Poch verlangte Umweltabonnement Tür de n ganzen Kanton wurde mit 142 070 gegen 94 1 30 Stimmen abgelehnt. Problemlos passierten die Aufhebung der Verkehrsabgaben für Velos und elektrisch betriebene Fahrzeuge mit 190 839 Ja gegen 51 362 Nein, das revidierte Haf- tungsgesetz über die Haftung von Kanton und Gemeinden für ihre Beamten mit 174 474 Ja gegen 37 834 Nein, ein Kredit von 38 Millionen Franken für den Neubau der Kantonsapotheke und 196 318 Ja gegen 41 405 Nein und eine Be- hördeninitiative der Stadt Dübendorf für gleiche Subventionen zugunsten von Alters- und Kran- kenheimen mit 175 01 1 Ja gegen 48 810 Nein. (Kommentare und Reaktionen auf den Seiten 31, 32 und 33) kommenden liberalkonservativen Bündnis den Vorzug. Rechnerisch wäre auch eine Koalition der SPD mit FDP und den grünen Gruppierungen möglich, wie sie seit de n Landtagswahlen am 14. Oktober im benachbarten Brandenburg be- standen hat. Vor den Wahlen hatte jedoch die liberale Spitzenkandidatin Carola von Braun eine solche «Ampel-Koalition» unter Beteiligung der weit links stehenden AL ausgeschlossen. Angeschlagene SPD Zwar wurde erstmals seit 44 Jahren wieder ein Gesamtberliner Parlament gewählt, doch erfolgte die Auszählung der Stimmen analog zur Bundes- tagswahl getrennt nach West und Ost. Zum Ein- zug ins Abgeordnetenhaus genügt das Übersprin- gen der 5- Prozent- Hürde in einem Wahlgebiet. Ihr gutes Resultat erzielten die Christlichdemo- kraten und die Liberalen vor allem in Westberlin, w o die CDU auf 47 und die FDP auf über 8 Pro- zent gelangten. Dieser von einem absoluten Mehr nicht weit entfernte Erfolg der CDU ist ein deut- liches Votum der Wähler gegen die im Westteil der Stadt seit Jahresbeginn 1989 regierende rot- grüne Koalition, welche die AL nach der auf Be- treiben der SPD erfolgten Räumung besetzter Häuser in Ostberlin im November verlassen hatte. Das mit ihrer Reaktion auf die Ausschreitungen militanter Hausbesetzer einmal mehr zutage tre- tende ambivalente Verhältnis der Grünen zur Ge- walt als Mittel der Politik und der seit Koalitions- beginn vertretene Senatskurs inklusive anhalten- der Querelen zwischen den Partnern haben ein Regierungsbündnis aus SPD und AL in den Augen der Westberliner Stimmbürger eindeutig diskreditiert. Auch das entschlossene Vorgehen des der SPD angehörenden Innensenators gegen die Hausbesetzer, mit dem sie ein weiteres Mal ihren Partner brüskierte, vermochte offensichtlich das Bild der Sozialdemokratie bei bürgerlichen Wählern nicht zu verbessern. Auch der Kurswech- sel des Regierenden Bürgermeisters Momper, der nach anfänglichem Zögern für Berlin als Regie- rungssitz und für den Ausbau der Stadt zu einer wirtschaftlich dynamischen Metropole plädierte, gereichte den Sozialdemokraten nicht zum Erfolg. Die SPD konnte nicht an ihr Ergebnis von 1989 anknüpfen, als beide Volksparteien gleichauf ge- legen hatten. Mehr Sinn fUr Sozialismus im Osten Im Ostteil der Stadt hingegen verzeichnete die CDU nur rund ein Viertel der Stimmen, wenn- Neue Zürcher Zeitung vom 03.12.1990

New AZ Dezember %mt Mvtitx Minna · 2017. 3. 8. · AZ Zürich Montag, 3. Dezember 1990 Nr. 281 %mt MvtitxMinna 11 1-WW litt Briefadresse von Redaktion, Verlag und Druckerei: Postfach,

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AZ Zürich Montag, 3. Dezember 1990

Nr. 281

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1, Telefax »2 13 29Anzeigenabteilung: Postfach 215, CH-8021 Zürich, Telefax 258 16 77

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Auslandabonnemente: Telefon (01) 258 1 1II, Telefax 258 18 39

Abonnementspreise und weitcie Angaben Seite 4 (Impressum)

und schweizerisches Handelsblatt

Der Zürcher Zeitung 211. Jahrgang

Schweiz

Fr. 1 . 50

bFr. 55.- Lit. 2000.- sKr. II.-dKr. 11.- IFr. 45- Pls. 200.-DM 2.30 hfl. 3.- Kan. Inseln

9.50 nKr. 11.- Pts. 225.-Dr. 220.- öS 20- t£ 4400-£ 0.90 Esc. 220.- Ft. 90.-

Erste gesamtdeutsche Bundestagswahl

Klarer Wahlsieg der Bonner KoalitionErstarkung der FDP - schwere Niederlage der SPD

Bundeskanzler Kohl ist als eindeutiger Sieger aus den ersten gesamtdeutschen Wahlenhervorgegangen. Den eigentlichen Erfolg errangen freilich die Freien Demokraten, die mitüber 10 Prozent als Koalitionspartner deutlich erstarkt sind, während die CDU/CSU unge-fähr ihr letztmaliges Resultat von 44 Prozent behauptete. Die SPD verzeichnete mit weniger

als 35 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis seit mehr als dreissig Jahren, und auch die Grünenmussten eine schwere Niederlage hinnehmen.

Der Wahlsieger Kohl mit seiner Gattin. (Bild ap)

Ch. M. Bonn, 2. Dezember

Die Bonner Koalition unter Führung vonBundeskanzler Kohl hat in der ersten gesamtdeut-

schen Bundestagswahl einen klaren Sieg errun-gen. Die CDU/CSU konnte allerdings laut denersten Hochrechnungen nur etwa ihr letztmaliges

Resultat von 44,3 Prozent erreichen, während die

TagesinformationUmsturz in TschadDie Rebellen unter Idriss Deby sind nach der Flucht des tscha-dischen Präsidenten Habre, ohne auf Widerstand zu stossen, inder Hauptstadt Ndjamena einmarschiert. Seite

Handschlag im Tunnel unter dem ÄrmelkanalBeim Bau des Tunnels unter dem Ärmelkanal ist am Samstag imServicetunnel ein I Meter 80 hohes Loch durchschlagen wor-den. Ein britischer und ein französischer Arbeiter reichten sichdie Hand und tauschten Nationalfahnen aus. Seite

Austerity-Budget in GriechenlandDer vom griechischen Finanzminister dem Parlament unterbrei-tete Haushaltentwurf lässt erkennen, dass die Regierung anihrem Sparkurs festzuhalten gedenkt. Seite 1

Schweizer Hilfsaktionen für die Sowjetunion?

Beim Besuch von Bundesrat Felber in Moskau sind Möglichkei-

ten schweizerischer Hilfsaktionen für die Sowjetunion erörtertworden. Das EMD schliesst nicht aus, dass dabei auch dieSchweizer Armee zum Einsatz kommen könnte. Seite 1

Fünf Remis im Fussballchampionat

In der 20. Runde des Fussball-Qualifikationsprogramms profi-tierte Servette als einziger Sieger der Nationalliga A von denfünf Remis der Konkurrenz, während St Gallens Chancen, imFrühjahr in der Finalrunde dabeizusein, arg gesunken sind.

Seite 47

Unterschiedlicher Start der SSV-Alpinen

Mit je einem zweiten Rang durch Vreni Schneider und FranzHeinzer ist den SSV-Alpinen der Saisonstart zwar über Erwar-ten gut gelungen, doch vermochten diese Ergebnisse das Deba-kel der Schweizerinnen im Slalom nicht zu verdecken. Seite 49

Inhaltsübersicht Umfang KM Seiten

1-4 Stadt undKanton Zürich 31-36Sport 47-54

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Sonderbeilage Thurgaui8 seiten

Anzeigen-ÜberblickSeite

Freien Demokraten zum viertenmal seit derGründung der Bundesrepublik mit über 10 Pro-zent - statt 9,

1 vor vier Jahren - das von ihnenersehnte zweistellige Resultat zu erringen ver-mochten.

Scheitern der GrünenDie Sozialdemokraten erlitten eine schwereNiederlage mit ihrem Kanzlerkandidaten Lafon-

taine. Sie fielen gegenüber dem letztmaligen Er-gebnis von 37 Prozent auf weniger als 35 Prozentzurück und verzeichneten damit ihr schlechtestesErgebnis seit dem Jahre 1957. Ebenfalls schwereVerluste mussten die Grünen einstecken, dieletztesmal noch 8,3 Prozent errungen hatten. ImWahlgebiet West verfehlten sie die Fünf-Prozent-Hürde und schieden deshalb aus dem Bundestagaus, während in d en neuen Bundesländern desWahlgebietes Ost die Listenvereinigung Grüne/

Bündnis 90 mit etwa 6,5 Prozent die Sperrklausel

zu überwinden vermochte.

Die ersten Auszählungen ergaben für die CDUim östlichen Wahlgebiet noch einen leichten Zu-wachs im Vergleich zur Volkskammerwahl vom18. März. Besonders deutlich war indes der Zu-wachs in der ehemaligen DDR für die Liberalen.Ihre Erstarkung in der Bonner Koalition, die lauteinigen CDU- Kommentatoren schwierige Koali-tionsverhandlungen bedeuten könnte, geht alsohauptsächlich auf das gute Abschneiden der FDPzwischen Elbe und Oder zurück. Genau umge-kehrt verhält es sich bei d en Sozialdemokraten.Ihr Resultat von mehr als 35 Prozent im Wahl-gebiet West wurde durch das anhaltend schlechteAbschneiden in den fünf neuen Bundesländern inder Gesamtauswirkung nach unten gezogen, ob-gleich die SPD zwischen Elbe und Oder im Ver-gleich zur Volkskammerwahl leichte Gewinne ver-buchte.

Der SPD- Vorsitzende Vogel verwies in seinemKommentar vor allem auf d en Zuwachs für dieFDP, während die Union nur knapp ihr Ergebnis

von 1987 habe behaupten können. Mit dem Dankan Lafontaine und für das Engagement der Parteiverband er eine Verteidigung des Wahlkonzeptsder Sozialdemokraten. Die sozialdemokratischeBundesgeschäftsführerin Fuchs gestand dagegen

ohne Umschweife die «schmerzliche Niederlage»der SPD ein. Von seiten der CDU/CSU wurde imHinblick auf frühere rot-grüne Perspektiven auchdas schlechte Abschneiden der Grünen hervor-gehoben, in deren Reihen selbst von einem«Debakel» die Rede war.

Zufriedenheit KohlsBundeskanzler Kohl sprach noch am Wahl-

abend von einem «Tag der Freude» über einen«grossartigen Wahlsieg». Der erste gesamtdeut-sche Kanzler erinnerte daran, dass noch zuJahresanfang selbst in den Reihen der Union diewenigsten einen solchen Erfolg als möglich erach-tet hätten. Seine besondere Freude drückte erüber den Wahlsieg der CDU in der Berliner Wahlaus. Graf Lambsdorff \mA Aussenminister Gen-scher von der FDP erstrahlten ihrerseits in ihrembesonderen Erfolg; der liberale Parteichef wandtesich gegen jedwelchen Zeitdruck in d en künftigenKoalitionsverhandlungen. Kohl selbst, dem derWunsch nach einer raschen Gangart nach derKanzlerwahl nachgesagt worden war, verneinte,dass er Zeitdruck ausüben wolle.

Während erwartetermassen die rechtsradikalenRepublikaner unter der Fünf- Prozent- Hürde blie-ben, vermochte die SED-Nachfolgepartei PDSdank der getrennten Sperrklauselanwendung inden Bundestag einzuziehen; im Wahlgebiet Os t,wo sie die Hürde nahm, verzeichnete sie indeseinen weiteren Rückgang im Vergleich zu d enVolkskammer- und Landtagswahlen von 16,4 auletwa 10 Prozent. , _ . ,.(Kommentar Seite 3)

Erfolg für die CDU beim Urnengang in BerlinVerdikt gegen die Koalition Mompers

CDU und FDP haben am Sonntag bei den Wahlen zum ersten Gesamtberliner Landes-parlament seit 44 Jahren einen Erfolg errungen, wenngleich sie eine absolute Mehrheit fürdie von ihnen angestrebte Koalition verfehlten. Die SPD erhielt die Quittung für ihre nachden letzten Westberliner Wahlen eingegangene Koalition mit der Alternativen Liste und ver-lor deutlich an Stimmen.

eg. Berlin. 2. Dezember

Aus dem parallel zur Bundestagswahl abgehal-

tenen Urnengang zum ersten Gesamtberliner Ab-geordnetenhaus ist die CDU am Sonntag alsstärkste Partei hervorgegangen. Die bis Novem-ber in einem Bündnis mit der Alternativen Liste(AL) regierende SPD erlitt eine deutliche Nieder-lage. Bezogen auf die gesamte Stadt, erzielte dieCDU nach einer ersten Hochrechnung rund 37Prozent und die SPD rund 33 Prozent. Zu denWahlsiegern darf sich auch die FDP rechnen, dieum 7 Prozent erhielt, nachdem sie im letztenWestberliner Abgeordnetenhaus nicht vertretenwar. Die beiden politisch verwandten Gruppie-rungen der Alternativen Liste und des Bündnisses90/Grüne verbuchten 5

beziehungsweise 4 Pro-zent, die SED- Nachfolgerin PDS rund 9 Prozent.Sicher ist, das«; die rechtsextremistischen Republi-kaner, die nach den letzten Westberliner Wahlenerstmals im Abgeordnetenhaus Einsitz genom-mer, hatten, an der 5- Prozent- Hürde gescheitert

sind.

Keine eindeutige Ausgangslage

Im Gegensatz zur Bundestagswahl, für die auchbeim ersten Urnengang im vereinten Deutschland

schnell recht verlässliche Hochrechnungen vorlagen, mussten die Berliner bis in d en späteren

Abend auf präzisere Zahlen warten. Sollten sichdie ersten Schätzungen bestätigen, kristallisiertsich auf Grund des Wahlergebnisses keine eindeutige Ausgangslage für die anstehende Regierungsbildung heraus. Keine der beiden Volksparteien vermag nach den vorliegenden Zahlenmit einer kleineren Partei allein eine Koalition zuformieren, die über eine absolute Mehrheit deSitze verfügte. Weder kann die SPD das Bündnimit der Alternativen Liste fortsetzen, noch können CDU und Liberale an ihre 1989 beim letztenWestberliner Urnengang abgewählte Koalitionanknüpfen.

Der CDU-Spitzenkandidat und frühere Regie

rende Bürgermeister Diepgen dürfte als Repräsen

tant der stärksten Partei in d en nächsten TageSondierungsgespräche aufnehmen. Am Wahlabend wollte er eine Grosse Koalition nicht ausschliessen, die in den letzten Monaten auf Grüneder Berlin bevorstehenden grossen Herausfinderung der Vereinigung beider Stadthälften vielBefürworter gefunden hatte und nun angesicht

des jetzigen Ergebnisses einiges an Wahrscheinlichkeit gewonnen hat. Diepgen gab jedoch naturgemäss einem voraussichtlich nicht zustand

Keine Fixerräumein der Stadt Zürich

Die Abstimmungsvorlagen

in Stadt und Kanton Zürich# In der Stadt Zürich ist der Kredit über

1,44 Millionen Franken für das Pilotprojekt-ixerräume bei einer Stimmbeteiligung von

42 Prozent mit 60 166 Nein gegen 36 460 Ja>;achab geschickt worden, wobei nur 2 der Stadt-

kreise die Vorlage befürworteten. Mit 52 408 Jagegen 43 979 Nein wurde dem Sozialhilfegrund-satz und damit der definitiven Weiterführung vondiversen Hilfseinrichtungen für Drogensüchtigezugestimmt. Problemlos passierten das neue öko-ogische Abfallkonzept mit 66 918 Ja gegen26 638 Nein und der entsprechende Objektkreditüber 18 Millionen Franken mit 62 417 Ja gegen28 853 Nein. Das neue gesamtstädtische Behin-dertentransportsystem fand mit 85 844 Ja gegen9718 Nein Zustimmung, und das Anschlussgleis

Tür die Kläranlage Werdhölzli wurde mit61 891 Ja gegen 30 195 Nein gutgeheissen.

Spielsaloninitiativeim Kanton Zürich angenommen

Im Kanton Zürich ist die Volksinitiative «Stoppdem Wildwuchs von Spielsalons und Geldspiel-automaten» mit 147 972 Ja gegen 91 443 Neinangenommen worden. Das in einer Initiative derehemaligen Poch verlangte UmweltabonnementTür d en ganzen Kanton wurde mit 142 070 gegen94 1 30 Stimmen abgelehnt. Problemlos passierten

die Aufhebung der Verkehrsabgaben für Velosund elektrisch betriebene Fahrzeuge mit190 839 Ja gegen 51 362 Nein, das revidierte Haf-tungsgesetz über die Haftung von Kanton undGemeinden für ihre Beamten mit 174 474 Jagegen 37 834 Nein, ein Kredit von 38 MillionenFranken für den Neubau der Kantonsapotheke

und 196 318 Ja gegen 41 405 Nein und eine Be-hördeninitiative der Stadt Dübendorf für gleiche

Subventionen zugunsten von Alters- und Kran-kenheimen mit 175 01 1 Ja gegen 48 810 Nein.

(Kommentare und Reaktionenauf den Seiten 31, 32 und 33)

kommenden liberalkonservativen Bündnis denVorzug. Rechnerisch wäre auch eine Koalition derSPD mit FDP und den grünen Gruppierungenmöglich, wie sie seit d en Landtagswahlen am14. Oktober im benachbarten Brandenburg be-standen hat. Vor den Wahlen hatte jedoch dieliberale Spitzenkandidatin Carola von Braun einesolche «Ampel-Koalition» unter Beteiligung derweit links stehenden AL ausgeschlossen.

Angeschlagene SPDZwar wurde erstmals seit 44 Jahren wieder ein

Gesamtberliner Parlament gewählt, doch erfolgtedie Auszählung der Stimmen analog zur Bundes-tagswahl getrennt nach West und Ost. Zum Ein-zug ins Abgeordnetenhaus genügt das Übersprin-gen der 5- Prozent- Hürde in einem Wahlgebiet.

Ihr gutes Resultat erzielten die Christlichdemo-kraten und die Liberalen vor allem in Westberlin,wo die CDU auf 47 und die FDP auf über 8 Pro-zent gelangten. Dieser von einem absoluten Mehrnicht weit entfernte Erfolg der CDU ist ein deut-liches Votum der Wähler gegen die im Westteilder Stadt seit Jahresbeginn 1989 regierende rot-grüne Koalition, welche die AL nach der auf Be-treiben der SPD erfolgten Räumung besetzterHäuser in Ostberlin im November verlassen hatte.

Das mit ihrer Reaktion auf die Ausschreitungen

militanter Hausbesetzer einmal mehr zutage tre-tende ambivalente Verhältnis der Grünen zur Ge-walt als Mittel der Politik und der seit Koalitions-beginn vertretene Senatskurs inklusive anhalten-der Querelen zwischen den Partnern haben einRegierungsbündnis aus SPD und AL in denAugen der Westberliner Stimmbürger eindeutigdiskreditiert. Auch das entschlossene Vorgehen

des der SPD angehörenden Innensenators gegendie Hausbesetzer, mit dem sie ein weiteres Malihren Partner brüskierte, vermochte offensichtlichdas Bild der Sozialdemokratie bei bürgerlichen

Wählern nicht zu verbessern. Auch der Kurswech-sel des Regierenden Bürgermeisters Momper, dernach anfänglichem Zögern für Berlin als Regie-rungssitz und für den Ausbau der Stadt zu einerwirtschaftlich dynamischen Metropole plädierte,gereichte den Sozialdemokraten nicht zum Erfolg.Die SPD konnte nicht an ihr Ergebnis von 1989anknüpfen, als beide Volksparteien gleichauf ge-legen hatten.

Mehr Sinn fUr Sozialismus im Osten

Im Ostteil der Stadt hingegen verzeichnete dieCDU nur rund ein Viertel der Stimmen, wenn-

Neue Zürcher Zeitung vom 03.12.1990