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Nichteinmischung in innere Angelegenheiten Zur Abgrenzung der Nichteinmischung gegenüber Intervention und Interzession Author(s): THOMAS OPPERMANN Source: Archiv des Völkerrechts, 14. Bd., 3./4. H. (1970), pp. 321-342 Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KG Stable URL: http://www.jstor.org/stable/40797414 . Accessed: 14/06/2014 10:45 Your use of the JSTOR archive indicates your acceptance of the Terms & Conditions of Use, available at . http://www.jstor.org/page/info/about/policies/terms.jsp . JSTOR is a not-for-profit service that helps scholars, researchers, and students discover, use, and build upon a wide range of content in a trusted digital archive. We use information technology and tools to increase productivity and facilitate new forms of scholarship. For more information about JSTOR, please contact [email protected]. . Mohr Siebeck GmbH & Co. KG is collaborating with JSTOR to digitize, preserve and extend access to Archiv des Völkerrechts. http://www.jstor.org This content downloaded from 188.72.126.181 on Sat, 14 Jun 2014 10:45:59 AM All use subject to JSTOR Terms and Conditions

Nichteinmischung in innere Angelegenheiten Zur Abgrenzung der Nichteinmischung gegenüber Intervention und Interzession

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Nichteinmischung in innere Angelegenheiten Zur Abgrenzung der Nichteinmischunggegenüber Intervention und InterzessionAuthor(s): THOMAS OPPERMANNSource: Archiv des Völkerrechts, 14. Bd., 3./4. H. (1970), pp. 321-342Published by: Mohr Siebeck GmbH & Co. KGStable URL: http://www.jstor.org/stable/40797414 .

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Nichteinmischung in innere Angelegenheiten Zur Abgrenzung der Nichteinmischung gegenüber Intervention

und Interzession

Dr. THOMAS OPPERMANN Professor an der Universität Tübingen*

I. Vorbemerkungen

Dem Sinn und der Geltung von tragenden Sätzen oder auch nur Grund- sätzen des allgemeinen Völkerrechts nachzugehen, wie hier demjenigen der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten, ist in mancherlei Hinsicht ein undankbares Geschäft. Die Normen der meisten juristischen Schwesterdiszi- plinen haben es unter dem Dache der staatlichen Souveränität mit dem sich aus ihr ableitenden Monopol legitimer Zwangsgewalt1) in der Regel nicht allzu schwer, ihre Existenz und Geltungskraft notfalls auch in recht augen- fälliger Weise darzutun. Anders viele Normen des im ungeschützteren Raum der zwischenstaatlichen Beziehungen angesiedelten Völkerrechts, vor allem außerhalb seines vertragsrechtlichen Bereiches. Alle Bemühungen zwi- schenstaatlicher Kooperation, vor allem auch durch regionale und universale Organisationsgründungen ungefähr seit Beginn dieses Jahrhunderts, haben bei einer realistischen Bilanz dem Instrumentarium friedlicher und gleich- zeitig effektiver Streiterledigung bislang nur einen sehr beschränkten An- wendungsbereich verschaffen können. Nach dem zweiten Weltkrieg ist häu- fig sichtbar geworden, daß derartige Chancen sich infolge der zunehmend ideologisierten Blockbildung globalen Maßstabes kaum verbessert haben2). Der Internationale Gerichtshof, der inzwischen das Alter seines Vorgängers überschritten hat, entfaltete keine nennenswert intensivere Rechtsprechungs- tätigkeit als der Ständige Internationale Gerichtshof bis 1940 3). Institu-

* Überarbeitete Fassung einer öffentlidien Antrittsvorlesung vom 24. Juni 1968 an der Redits- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Tübingen.

1) Herbert Krüger, Allgemeine Staatslehre, 2. Aufl. 1966, S. 820 ff . 2) Vgl. etwa uscbakow, Die friedliche Beilegung internationaler Streitigkeiten,

in: Maurach-Meissner, Völkerredit in Ost und West, 1967, S. 219 ff., bes. S. 231 ff. 3) Einige Zahlen bei Menzel, Völkerredit, 1962, S. 333 ff.

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tionalisierte Streitschlichtungssysteme wie etwa der Art. 33 ff., 39 ff. der Satzung der Vereinten Nationen finden nur rudimentäre Anwendung auf bestimmte Arten sekundärer Konflikte. Große Teile der dort erdachten Einrichtungen zum Schütze der internationalen Ordnung blieben mehr oder weniger auf dem Papiere stehen. Die größeren Konflikte der Jahre nach 1945 seit Korea fanden regelmäßig ihre Beilegung kraft der politischen Ein- sicht der unmittelbar Beteiligten in die Grenzen des Erreichbaren. Von der Form her gesehen - soweit es überhaupt zu einem förmlichen und nicht nur faktischen Abschluß kam - mündeten sie meist in die klassische militärisch- diplomatische Verhandlung mit anschließendem Vertragsabschluß aus, wäh- rend den für solche Zwecke einmal aufwendig vorausgeplanten Schlichtungs- einrichtungen bestenfalls die Funktion eines nützlichen Treffpunktes und weltöffentlichen Diskussionsforums am Rande der eigentlichen Geschehnisse verblieb4). Es wäre ungerecht, neben solchen Unvollkommenheiten nicht auch der ungleich besseren Respektierung vieler Völkerrechtssätze in den engeren Familien regionaler Gemeinschaften zu gedenken, wie sie sich in den letzten Jahrzehnten in bemerkenswerter Dichte überall gebildet haben. Aber wer die Dinge näher betrachtet, weiß um die selbst hier durchaus differenzierten Motive der besseren Rechtsbefolgung und wird sich hüten, etwa den erreichten Grad der Kohärenz in den westeuropäischen Integra- tionsgemeinschaften allzu einseitig auf das Konto einer rein rechtlich eta- blierten Autorität der Kommission und des Gerichtshofes als Hüter der Ver-

träge zu schreiben5). Der hiermit angedeutete Tatbestand einer oft nur allzu sichtbaren Diskre-

panz zwischen normativem Anspruch und Durchsetzungsvermögen ist für das Völkerrecht sicherlich nicht neu. Seit Hobbes bis etwa zu gewissen mo- dernen, ebenfalls angelsächsischen Schulen ist das Völkerrecht wie kaum eine andere Rechtsdisziplin gewohnt, mit seinen »Leugnern« zu leben6). Wäre der Satz des Thomasius wirklich zutreffend, daß Recht nur dasjenige ist, was erzwungen werden kann (»auctor legis semper est imperans«), so hieße das im übrigen den Stab gleichzeitig brechen über ansehnliche Be- reiche von Koordinationsrecht auch innerhalb des Staatswesens7). Was viel-

4) Zu dieser Problematik insgesamt etwa Schachter, Law, Politics and Action in the UN, Recueil des Cours Bd. 109 (1963 II), S. 165 if.

5) Dazu Kaiser, Das Europarecht in der Krise der Gemeinschatten, Europarecht 1966, S. 4 ff.; Oppermann, Europarecht und Völkerrecht, Archiv des öffentlichen Rechts Bd. 91 (1966), S. 114 ff.

6) Etwa Edmunds, Das Völkerrecht - ein Pseudorecht, 1933; geschichtlicher Ge- samtüberblick und Kritik z.B. bei Verdross-Verosta-Zemanek, Völkerrecht, 5. Aufl., 1964, S. 107 ff.

7) Zur Fruchtbarkeit der Vorstellung des Völkerrechts als Koordinationsrecht (genossenschaftliches Recht) nach der klassischen Begründung bei Erich Kaufmann, Das Wesen des Völkerrechts und die Clausula rebus sic stantibus, 1911, S. 128 ff.; neuerdings wieder bei Schwarzenberger, The Frontiers of International Law, 1962; Rudolf, Völkerrecht und Deutsches Recht, 1967, u. a. S. 37.

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mehr heute beunruhigt und auch eigentliches Anliegen bei der Einzelunter- suchung des Grundsatzes der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten im folgenden sein soll, ist das Zusammentreffen der geschilderten Stagnation bei der Ausbildung wirksamer Streiterledigungsmethoden mit den heutzu- tage gleichzeitig oft zu beobachtenden Bemühungen, den Geltungsbereich und -ansprach materieller Völkerrechtssätze in extensiver Auslegung immer mehr zu erweitern. An diesen Versuchen der Verrechtlichung bisher dem außenpolitischen Ermessen der Staaten vorbehaltenen Raumes hat gutge- meinte Theorie ebenso ihren Anteil wie der in den ideologisierten Lagern der heutigen Staatengemeinschaft immer mehr um sich greifende Brauch, in der Praxis den Völkerrechtssatz durch Injektion einer entsprechenden Dosis der eigenen Weltanschauung zur jederzeit einsetzbaren politischen Waffe gleichzeitig aufzublähen und zu denaturieren. Im hier zu behandelnden Einmischungsrecht hat sich die Generalversammlung der Vereinten Natio- nen mehr als einmal in dieser Richtung hervorgetan8). Aber auch zuneh- mende Neigungen zum Aufstellen von »Doktrinen« verschiedenster Art rechnen hierher, die in der politischen Tagespraxis dann ebenso fälschlich wie gerne dem Völkerrecht zugeschlagen werden. Mein verewigter Amtsvor- gänger Adolf Schule hat die hier liegenden Gefahren in seiner Studie über Methoden der Völkerrechtswissenschaft vor ungefähr zehn Jahren eindring- lich näher umschrieben9). Es geht hier in der Tat um einen Befund, der jeden ernsthaft beunruhigen muß, der an die Existenz wenigstens eines be- stimmten Bestandes wirklich verpflichtender Rechtsregeln im internationalen Verkehr glaubt, die ihre Kraft woher auch immer, so jedenfalls weder aus der idealistisch gemeinten Wünsdibarkeit theoretischer Spekulation noch gar aus dem Kalkül außenpolitischer Opportunität empfangen können. In der Wirklichkeit des internationalen Lebens hat denn auch solche überdehnte Rechtsbehauptung oft nur dazu geführt, daß der betreffende Satz auch dort, wo er einen an sich respektierten und respektierenswerten Kern ent- hielt, in Gefahr geriet, mangels Durchsetzbarkeit insgesamt nicht mehr ernst genommen zu werden. Mag auch die Erzwingbarkeit zum Wesen des Völ- kerrechts als Recht nicht notwendig gehören, so kann es doch der grund- sätzlichen Beachtung innerhalb seines Geltungsbereiches nicht entbehren. »Rechte, die nicht respektiert werden, fallen wie tote Blätter vom Baum«,

8) Vgl. etwa die Entschließung Nr. 1514 der 1 5 . Vollversammlung vom 14. 12. i960 über die Gewährung der Unabhängigkeit an die kolonialen Länder und Völ- ker; die Erklärung Nr. 2131 der 20. Vollversammlung vom 21. 12. 1965 über die Unzulässigkeit der Einmisdiung in die inneren Angelegenheiten von Staaten und dem Sdiutz ihrer Unabhängigkeit und Souveränität; die Erklärung Nr. 2160 der 21. Vollversammlung vom 30. 11. 1966 über die strenge Beaditung des Verbotes der Androhung oder Anwendung von Gewalt in internationalen Beziehungen und des Selbstbestimmungsredites der Völker.

9; òcnuie, Methoden oaer voiKerreaitswissenscnart, Archiv des Völkerrechts Bd. 8 (1959/60), S. 129 ff., bes. S. 139 ff.

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sagte der amerikanische Völkerrechtslehrer und -praktiker Stowell in seiner Haager Akademievorlesung über Theorie und Praxis der Intervention10). Ein Satz, dessen Richtigkeit auf ein in seiner Effektuiertheit »schwaches« Rechtsgebiet wie das Völkerrecht wie gemünzt erscheint. Es gibt kaum et- was Verheerenderes für den völkerrechtlichen Geltungsanspruch als den ge- wissermaßen augenzwinkernden Konsens, die aufgestellten Forderungen seien im Grunde gar nicht so ernst gemeint und dienten recht eigentlich nur der Verschleierung und besseren Präsentation eines machtpolitischen oder sonstwie auswechselbaren Zwecken dienenden Kalküls. In solche Gefahren führt aber vor vielem anderen die übermäßige Befrachtung an sich ver- nünftiger und anerkannter Sätze des allgemeinen Völkerrechts mit zusätzli- chen situationsgebundenen oder partieller Ideologie entnommenen Wünschen einzelner Mitglieder der Staatengemeinschaft.

II. Herkunft und Position von Interventions- und Ein- mischungsverbot im Völkerrecht

Ein durchaus bemerkenswertes Beispiel für eine Entwicklung dieser Art läßt sich in jüngerer Zeit im Bereiche eines Grundsatzes beobachten, der seit dem Heraufkommen des souveränen Fürsten-, später Verfassungsstaates im weitesten Sinne geradezu zu den Konstitutionsprinzipien des Völkerrechts gehört hat11). Er steht auch heute noch - neben verschiedenartiger vertrag- licher Festlegung - als ein Zentralsatz des allgemeinen Völkergewohnheits- rechtes quer durch die verschiedenen Rechtskreise in West und Ost in Gel- tung. Mit Vattels berühmter Feststellung aus dem Jahre 1758 in § 296 des 3. Buches seines Droit des Gens: »Les Nations étrangères ne doivent pas s'ingérer dans le gouvernement intérieur d'un Etat indépendant« beginnt die seitdem kaum abreißende Kette der Bemühungen um den Interventions- begriff, für die etwa in den letzten dreißig Jahren - um nur die ausführ- lichsten Spezialerörterungen zu nennen - von Mosler bis Suzanne Bastid weit über ein Dutzend Studien genannt werden können12). Auch im Rahmen

10) Stowell, La théorie et la pratique de l'intervention, Recueil des Cours Bd. 40 (1932 II), S. 91 íF., bes. S. 94. Grundsätzlich dazu auch Herbert Krüger, Das Prinzip der Effektivität oder über die besondere Wirlichkeitsnähe des Völker- rechts, Festschrift Spiropoulos, 1957, S. 265 ff.

11) Zum Geschichtlichen besonders Win field, The History of Intervention in International Law, British Year Book of International Law Bd. 3 (1922/23), S. 130 ff.; Hettlage, Die Intervention in der Geschichte der Völkerrechtswissenschaft und im System der modernen Völkerrechtslehre, Niemeyers Zeitschrift Bd. 37 (1927), S. 11 ff.; Gerlach, Die Intervention, 1967, S. 8 ff.

12; Mosler, JJie Intervention im voiKerrecnt, 1937; ¿annini, ueu intervento, 1950; Becker, Die völkerrechtliche Intervention nach modernster Entwicklung, 1953; Komarnicki, L'intervention en droit international moderne, Revue Generale de Droit International Public Bd. 60 (1956), S. 521 ff.; A. Thomas-A. H.Thomas, Non-intervention, 1956; F abela, Intervention, 1961; Fawcett, Intervention in In-

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allgemeiner Völkerrechtsdarstellungen wird dem Kapitel der Intervention immer breiterer Raum gewidmet13). Besonderer Erwähnung bedarf ferner die neuerliche eindringliche Beschäftigung der Generalversammlung der Ver- einten Nationen mit den Interventionsfragen14). In diesem Zusammenhang kann und soll es allerdings nicht um den Gesamtkomplex des Interventions- verbotes gehen, dessen ratio sich als zwingende Korrespondenzvorstellung zur modernen Staatensouveränität ergab und so an deren lange unange- fochtener Position teilnahm im Sinne eines der Grundaxiome, die den Cha- rakter des Völkerrechts als eines Koordinationsrechtes selbständiger und gleichberechtigter Staaten herstellten. Mit Bedacht ist hier der Titel der »Einmischung« und nicht derjenige der Intervention gewählt worden, um die Beschränkung der Thematik in einer gewissen Richtung von Anfang an anklingen zu lassen. In vielen Fällen werden im Völkerrecht allerdings die Termini Intervention und Einmischung vom Wortsinn her synonym ver- wendet, zumindest in dem allgemeinen Sinne, daß sie beide auf denjenigen Bereich verweisen, in dem die Beschäftigung eines Staates mit den Angele- genheiten eines anderen für unrechtmäßig erklärt wird. Dennoch wird bei näherer Betrachtung schon im philologischen Sprachgebrauch sowohl der Staatenpraxis als auch in der Literatur des öfteren eine Nuance sichtbar, die für die Eingrenzung der Thematik, wie sie hier vorgenommen werden soll, wesentlich ist. Man kann im Interventionsbereich, wenn man auf die Intensität des Eingriffes als Merkmal abstellt, im wesentlichen zwei Grup- pen von Tatbeständen unterscheiden. Es ist jene zuletzt von Gerlach pla- stisch so genannte Abgrenzung nach »oben« und nach »unten« 15). Im »obe- ren« Bereich geht es dabei um die eindeutigeren Formen der Gewaltanwen-

ternational Law, Recueil des Cours Bd. 103 (196 1 II), S. 347 ff.; Piradow-Staru- schenko, Das Prinzip der Nichteinmischung im modernen Völkerrecht, Gegenwarts- probleme des Völkerrechts, 1962, S. 183 ff.; Loth, Interventionen, 1966; Gerlach, Die Intervention, 1967 (mit ausführlicher weiterer Bibliographie, auch zu den älte- ren Darstellungen, S. 21 5 ff.); Kipp, Zum Problem der gewaltsamen Intervention in der derzeitigen Entwicklungsphase des Völkerrechts, Gedächtnisschrift Hans Pe- ters, 1967, S. 393 ff.; S. Bastid, Remarques sur l'interdiction d'intervention, Mélan- ges Andrassy, 1968, S. 13 ff.

13) Umf angliche neuere Erörterung der Interventionsfragen etwa bei Oppen- heim-Lauterpacht, International Law, Bd. I, 8. Aufl. 1955, S. 304 ff.; Dahm, Völ- kerrecht, Bd. 1, 1958, S. 197 ff.; Sowjetisches Akademielehrbuch (Deutsche Überset- zung i960), S. 109 ff.; Berber, Lehrbuch des Völkerrechts, Bd. 1, i960, S. 185 ff.; Haedrich, Intervention, in: Strupp-Schlochauer, Wörterbuch des Völkerrechts, Bd. 2, 1961, S. 1446e.; Wengler, Völkerrecht, Bd. 2, 1964, S. 1038 ff.; Fenwick, In- ternational Law, 4. Aufl. 1965, S. 285 ff.; O'Connell, International Law, Bd. 1, 1965, S. 321 ff.; Hacker, in: Maurach-Meissner, Völkerrecht in Ost und West, 1967, S. 154 ff.; Kelsen-T ucker, Principles of International Law, 2. Aufl. 1967, S. 294 ff.; Lewin-Kaljushnaja, Völkerrecht, 1967, S. 117 ff.; Seidl-Hohenf eidern, Völkerrecht, 2. Aufl. 1969, Rz. 1085 ff.

14) Vgl. oben Anm. 8. 15) Gerlach, aaO S. 107 ff., 126 ff.

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dung. Sie können von ihrem Maximum, der vis absoluta offener militäri- scher Gewalt bis zu den massivsten Formen androhender Zwangsausübung gehen16). Diese Tatbestände weisen auf die Thematik des Interventionsver- botes im engeren Sinne des Gewaltverbotes hin, wie es vor allem Art. 2 Ziff. 4 der Satzung der Vereinten Nationen vor allem anderen anspricht, insbesondere mit der Frage, ob sich hier an der »Obergrenze« eine klare alternative Scheidung zwischen Interventions- und Aggressionsverbot emp- fiehlt17). Dieser ganze Komplex soll hier aus der Betrachtung ausgeschlossen bleiben, soweit er nicht aus Abgrenzungsgründen mit herangezogen werden muß. Für ihn hat sich aber terminologisch der Interventionsbegriff ganz be- sonders eingebürgert. Mit ihm wird offenbar spontan eine bestimmte Schärfe des Eingriffes verbunden, wie es etwa die gängige Ausdrucks weise von der sowjetischen Intervention in Ungarn 1956, in der Tschechoslowakei 1968 oder der amerikanischen in Vietnam seit etwa 1965 nahelegt, wobei hier nicht in eine Wertung der völkerrechtlichen Zulässigkeit des einen oder des anderen dieser Tatbestände eingetreten werden soll18). Das Vorstellungs- bild von der Einmischung bleibt dagegen häufig reserviert für solche Ein- griffe in den Domaine Reservé eines unabhängigen Staates, die zwar eben- falls noch als unzulässig empfunden werden, aber doch schon unterhalb jener Schwelle der massiveren Gewaltanwendung liegen. Wenn ich recht sehe, beschränkt sich diese terminologische Differenzierung auch nicht etwa auf den deutschen Sprachgebrauch, sondern gibt eine ähnlich im Englischen zwischen Intervention und Interference sowie im Französischen zwischen Intervention und Ingérence empfundene Abstufung wieder, mag sie in der Staatenpraxis und im völkerrechtlichen Schrifttum auch oftmals nicht streng durchgehalten werden19).

Es handelt sich bei der Einmischung in diesem engeren Sinne gleichzeitig um den geschichtlich gesehen jüngeren und moderneren Bestandteil der In-

terventionsproblematik, da die hier eingesetzten Mittel des Intervenieren - so vielfältige Formen gezielten wirtschaftlichen Druckes oder auch be- stimmte Formen propagandistischer oder anderer Einwirkungen in die In- nenpolitik eines anderen Staates - sich zum guten Teil erst über die unge-

10) Eingehend zu ihnen W engler, Das völkerreditlidie Gewaltverbot, 1967. 17) Dagegen offenbar Erklärung Nr. 213 1 der 20. Vollversammlung der Ver-

einten Nationen v. 21. 12. 1965, Präambel, 7. Absatz (». . . Considering that armed intervention is synonymous with aggression ...«).

18) Zu Ungarn 1956 etwa Loeber, Die Ereignisse in Ungarn und die sowjetische Definition der Aggression, Europa-Ardiiv 1956, S. 93 5 5 ff. Zu Vietnam Frowein, Völkerreditlidie Aspekte des Vietnam-Konfliktes, Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Bd. 27 (1967), S. 1 ff.; Rudolf, Völkerrechtliche Aspekte des Vietnam-Konfliktes, 1967; H. Falky The Vietnam War and International Law, 1968. Zur Tschechoslowakei Schweisfurth, Moskauer Doktrin und sozialisti- scher Internationalismus, Außenpolitik 1968, S. 710 ff.

19) Dazu einiges bei Gerlach , aaO S. 137 ff.

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meine Verdichtung der internationalen Kommunikation infolge der wirt- schaftlich-technischen Entwicklung ungefähr seit Beginn dieses Jahrhunderts herausgebildet haben.

Der Einmischung oder Nichteinmischung in diesem näheren Sinne soll hier das Augenmerk gelten. Dabei soll im Sinne der anfangs gemachten all- gemeinen Bemerkungen vor allem sondiert werden, inwieweit die von einem Teil der Staatenpraxis und Lehre neuerdings herausgestellte Notwen- digkeit möglichster Ausweitung des Nichteinmischungsverbotes in diesem indirekteren Bereich tatsächlich realistisch und der Geltungskraft des Inter- ventionsverbotes insgesamt gesehen zuträglich erscheint20). Anders ausge- drückt geht es vor allem darum, die unter den Gegebenheiten des interna- tionalen Lebens der Gegenwart sachgerechte »Untergrenze« zwischen Inter- ventions- und Einmischungsverbot und erlaubter Einflußnahme oder Inter- zession etwas genauer abzustecken. Diese Grenze läuft damit weitgehend parallel mit derjenigen zwischen völkerrechtlich juridifiziertem Räume und prinzipieller politischer Handlungsfreiheit. Ob sich rücksichtsvolles Staaten- verhalten, selbst dort, wo die rechtliche Verpflichtung Zweifeln unterliegt, immerhin dem Erfahrungsschatz einer klugen Außenpolitik zuordnen läßt, wäre wieder eine andere Frage.

III. Erscheinungsformen des I n t er ven t io ns - und Ein- mischungsverbotes in den heutigen internationalen

Beziehungen

So »dunkel« viele Fragen zur Dogmatik des Interventionsbegriffes nach Aussagen neuerer Exegeten wie D ahm oder Haedrich auch geblieben sind 21), herrscht über einige grundlegende Prinzipien doch weitgehende Überein- stimmung. Das ist einmal der Grundsatz des Verbotes als solchem, der - sieht man einmal von der Konturenziehung ab - sich spätestens bald nach jener ersten bewußten Formulierung durch Vattel unter diejenigen Sätze des allgemeinen Völkergewohnheitsrechtes eingereiht hat, für die man von einem jederzeit gegebenen common consent der gesamten Völkerrechtsge-

20) Die »moderne« Ausweitung des Interventionsbegriffes auf alle möglidien Formen politisdier Einflußnahme empfing aus gesdiiditlidier Erfahrung genährte Impulse besonders aus der sozialistisdien Völkerreditsauffassung und derjenigen der »Dritten Welt«. Vgl. etwa Sowjetisdies Akademielehrbudi, aaO S. 109 ff.; F abela, aaO passim; Piradow-Staruschenko, aaO S. 183 ff.; Loth, aaO passim; Lewin-Kaljushnaja, aaO S. 117 ff. Aber auch in der angelsächsisdien und deut- sdien Literatur gibt es eine bemerkenswerte Strömung in dieser Richtung, z. B. A. Thomas- A . H.Thomas, aaO passim; Berber, aaO Bd. 1, S. 185 ff.; W engler, aaO Bd. 2, S. 1038 ff.; Gerlach, aaO bes. S. 177 ff., 213 fr. Allerdings sind diese »westlichen« Stimmen doch um Grade zurückhaltender in der Annahme unzulässi- ger Interventionen als die Erstgenannten.

21) Dahm, aaO Bd. 1, S. 201; Haedrich, aaO Bd. 2, S. 144.

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meinschaft ungeachtet der sie sonst in verschiedene Lager oder Rechtskreise trennenden ideologischen oder sonstigen Barrieren ausgehen kann22). Diese Feststellung läßt sich in jüngerer Zeit besonders eindrucksvoll dadurch be- stätigen, daß das Interventionsverbot zu denjenigen Normen gehört, die nunmehr auch auf völkervertragsrechtlicher Ebene sowohl universell als auch regional zu wiederholten Malen vertraglich festgelegt worden sind. Im Vordergrund steht hier vor allem Art. 2 Ziff. 7 der Satzung der Vereinten Nationen, welcher der Organisation die Befugnis abspricht, in Angelegen- heiten eingreifen zu dürfen, die »im wesentlichen zur inneren Zuständigkeit eines Staates gehören«23). Zum Teil noch sehr viel eingehendere Ausformun- gen des Grundsatzes finden sich in regionalen Abmachungen oder sonstigen Erklärungen aus jedem der großen Völkerrechtskreise, wie etwa für den angelsächsisch-kontinentaleuropäischen (wenn man ihn hier einmal zusam- mensehen darf) in Art. 1 5 der Satzung der Organisation der Amerikani- schen Staaten (». . . not only armed force but also any other form of inter- ference or attempted threat against the personality of the state or against its political, economical and cultural elements«), aber auch in anderem Zu- sammenhang in der grundsätzlichen Verpflichtung sogar des Besetzenden nach Art. 43 der Haager Landkriegsordnung, die Landesgesetze zu beach- ten24). Im sozialistischen Völkerrechtskreis ist das Interventions verbot all- gemein als fünfter Grundsatz unter die sogenannten Prinzipien der friedli- chen Koexistenz aufgenommen worden25). Neben dieser mehr auf die Außenbeziehungen des Ostblocks zur sogenannten kapitalistischen Welt ab- gestellten Erklärung ist der Grundsatz der Nichteinmischung interessanter- weise aber auch in den innersozialistischen Völkerrechtsbeziehungen stets in prononcierter Weise betont worden. Obwohl hier meistens in einer sowohl begrifflich wie auch praktisch-politisch (Intervention in der Tschechoslowakei 1968) kaum auflösbaren Weise verfilzt mit dem in die ganz andere Richtung einer beschränkten Souveränität weisenden Leitgedanken des proletarischen Internationalismus, hat das Interventionsverbot insbesondere Aufnahme ge- funden in die Präambel des Statuts des Rates für gegenseitige Wirtschafts- hilfe und sogar in Art. 8 des militärischen Beistandspaktes von Warschau 26).

22) Statt aller etwa Gerlach, aaO S. 1 (mit Nadiweisen aus den versdiiedenen Rechtskreisen).

23) Zur Auslegung des Art. 2 Ziff. 7 Satzung der Vereinten Nationen und den Abweidiungen zum Art. 15 der Satzung des Völkerbundes insbes. Rajan, United Nations and Domestic Jurisdiction, 2. Aufl. 1961, auch Kelsen-T ucker, aaO S. 294 fî.

24) Text der Satzung der Organisation der Amerikanischen Staaten: United Nations Treaty Series Bd. 119, S. 48; Text Haager Landkriegsordnung: Reichsge- setzblatt 19 10, S. 107; zur »Interventionsbesatzung« etwa D ahm, aaO Bd. 1, S. 207.

25) Vgl. etwa bei Lewin-Kaljushnaja, aaO S. 62 f. 26) Text des Statuts des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe: Gesetzblatt der

Deutschen Demokratischen Republik i960, Bd. I, S. 283; Text Warschauer Pakt: Ar- chiv des Völkerrechts Bd. 6 (1956/57), S. 90 ff.

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Die im Sinne der Ausdehnung ehrgeizigsten Formulierungen des Grundsat- zes finden sich schließlich in den politischen und vertraglichen Bindungen der »Dritten Welt«. Vor allem die Deklarationen der großen Konferenzen der blockfreien Staaten (so Bandung 1955, Belgrad 1961, Kairo 1964) kön- nen sich nicht genug tun in dem Willen der Ablehnung jeder Form von Inter- vention, Einmischung oder auch nur Einschüchterung des politischen Wil- lens eines Staates durch einen anderen in offener oder getarnter Form, mit- tels militärischen, politischen, wirtschaftlichen oder kulturellen Druckes. In diesen Zusammenhang gehören auch die erwähnten Entschließungen der Generalversammlung der Vereinten Nationen zur Interventionsproblematik, da an ihrem Zustandekommen und Inhalt afro-asiatische und lateinameri- kanische Staaten besonderen Anteil hatten. Demgegenüber bleiben die im engeren Sinne vertraglichen Festlegungen in der »Dritten Welt« (Art. 8 des Paktes der Arabischen Liga, Art. 3 der Satzung der Organisation der afri- kanischen Einheit) zurückhaltender, indem sie lediglich das Interventions- verbot aussprechen, ohne Versuche seiner Ausfüllung im näheren zu unter- nehmen27). Überblickt man diese verschiedenen positiven Niederlegungen des Einmischungsverbotes insgesamt, wird im übrigen sichtbar, in wie star- kem Maße ihm in den Augen der kleineren Mitglieder der Staatengemein- schaft die Funktion eines Schutzinstrumentes gegenüber der Willkür Stärke- rer zukommt28). So wird man kaum fehlgehen in der Vermutung, daß sich in den besonders aufwendigen Formulierungen der Organisation der Ame- rikanischen Staaten manches von den jahrzehntelangen Erfahrungen Latein- amerikas mit der Kanonen- und Dollardiplomatie des großen nördlichen Nachbarn ausdrückt, ebenso wie in den Wendungen von Bandung und Kairo und in den Texten der Generalversammlung der Vereinten Nationen die Sorge mancher jungen Staaten vor der verkleideten Rückkehr der Kolo- nialmächte. Ebenso wie über den nunmehr wohl verdeutlichten weltweiten Common Consent über die grundsätzliche Geltung des Nichtinterventions- prinzips herrscht auch wenig Unklarheit über den Kreis möglicher Inter- venienten und der von der Intervention Betroffenen. Handeln und Betrof- fensein der Staaten steht eindeutig im Vordergrund, die sich auch hier als die immer noch vorrangig beachtenswerten Subjekte des Völkerrechts er- weisen. Aufgewertet sollte daneben bis zu einem gewissen Grade die Rolle der Internationalen Organisationen werden, vor allem durch das jedenfalls nach dem Buchstaben ihrer Satzung den Vereinten Nationen zugesprochene

27) Text Pakt Arabische Liga: United Nations Treaty Series Bd. 70, S. 237; Text Satzung Organisation der afrikanischen Einheit: Europa Archiv iq6'. D ma..

28) Dazu auch Y epos, Le problème des relations des petits Etats avec les gran- des puissances, Revue de droit international Bd. 23 (1945), S. 167 flf.; Castren, La po- sition des grands et petits Etats dans la communauté internationale et parti- culièrement dans les organisations internationales, Festschrift Schätzel, iq6o, S. 25 ff.

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Monopol der Gewaltanwendung in seiner rudimentärsten militärischen Form. In der Wirklichkeit des internationalen Lebens nach 1945 konnte diese Rolle der Vereinten Nationen als großer, kollektiv intervenierender Streitschlich- ter29) bekanntlich nicht effektuiert werden. Der gelegentliche Einsatz soge- nannter »Blauhelme« der Organisation vollzog sich in der Regel in ande- ren Formen, als es die Satzung eigentlich vorsah und vor allem nur dort, wo man sich des Einverständnisses der Streitbeteiligten vorher versichert hatte30), so daß allenfalls von einer im Grundsatz unproblematischen »In- tervention by invitation« die Rede sein konnte81). Die Vorhand der Staa- ten als Interventionssubjekte wurde so nur unwesentlich eingeschränkt. - Schließlich führt auch der gelegentliche Hinweis auf die faktische Einmi- schung juristischer und natürlicher Personen in die Verhältnisse eines anderen Staates bei näherer Betrachtung nicht zu einer Ausweitung des Kreises inter- ventionsfähiger Subjekte. Die effektive Machtstellung etwa der großen nord- amerikanischen Bananenfirma United Fruit Company in bestimmten mittel- amerikanischen Staaten mochte und mag nicht zu übersehen sein. Ebenso lassen sich mancherlei Fälle nachweisen, in denen ein Staat - etwa aus Gründen interner verfassungsrechtlicher Freiheiten - Tätigkeiten von Perso- nen oder Gruppen auf seinem Territorium zuläßt, die auf scharfe Kritik an ausländischen Verhältnissen oder gar die Negierung der politischen Ord- nung eines anderen Staates hinausläuft82). Wie auch immer im Einzelfalle derartige Verhaltensweisen zu beurteilen sein mögen, die Frage, ob Ein- mischung oder nicht, beantwortet sich aus der Sicht der betroffenen Staaten zunächst einmal nach der Qualifikation der in Frage stehenden Handlun- gen unter den Kriterien der Intervention. Ist sie so gesehen zu bejahen, führt auch hier der Weg über die Staatsangehörigkeit oder -Zugehörigkeit der betreffenden Personen, vielleicht auch nur über ihre Gebietsansässigkeit zur Zurechnung ihres Handelns zu Lasten eines bestimmten Staates, dem gegenüber die Deliktsansprüche geltend zu machen sind. Ob dieser Weg im Sinne älterer Überlegungen als mittelbare Staatshaftung gedeutet wird oder neuerdings - sicher besser - als unmittelbare Intervention des Staates durch Unterlassen, ist demgegenüber eine zweitrangige Frage33). Entscheidend bleibt, daß sich bei einer so gravierenden Handlung wie der Intervention

29) Fenwick, Intervention: Individual and Collective, American Journal of International Law Bd. to (tqa<Ì. S. 6a< ff.

30) Seyerstedy United Nations Forces in the Law of Peace and War, 1966. 31) Zu ihr Blesinger, Die sogenannte vereinbarte und erbetene Intervention,

1966: Rechenberz, Die interne Intervention auf Ersuchen, 1968. 32) Ein jüngeres Beispiel bildeten etwa Manifestationen anläßlich eines Besu-

ches des iranischen Staatsoberhauptes in der Bundesrepublik Deutschland und West- Berlin 1967. Dazu Bayer y Staatsbesuch und politische Demonstration, Die öffent- liche Verwaltung 1968, S. 709 ff.

33; Dazu uahrn, aau öd. 1, :>. 204 una insDes. öayer, aau 5. 712 mit weiteren Nachweisen.

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Nichteinmischung in innere Angelegenheiten 331

oder Einmischung eigentlich noch weniger Gründe als sonst erkennen las- sen, den Staat aus seiner prinzipiellen völkerrechtlichen Verantwortung für das Handeln der ihm aufgrund der einzelnen Anknüpfungstatbestände zuzurechnenden Personen zu entlassen.

IV. Mittel der Intervention und Einmischung

Während sich so der Verbotsgrundsatz als solcher und der Kreis der von ihm angesprochenen Subjekte als relativ gesichert erweist, liegt der Schwer- punkt der Interventionsproblematik seit langem bei einer überzeugenden Erkenntnis und gleichzeitigen Eingrenzung der Mittel, deren Inanspruchnah- me das Verbot involviert, und damit in engem Zusammenhang auch bei der richtigen Einschätzung dessen, was als Inhalt der inneren Angelegenheiten, des Domaine Reserve oder Domestic Jurisdiction unter den Gegegebenheiten der modernen Staatengemeinschaft anzusehen ist. Das Feld der vorstellbaren Tatbestände und insbesondere die Rechtsbehauptungen von wirklich oder angeblich unzulässigen Einmischungen betroffener Staaten sind ungemein vielgestaltig, ohne daß es bisher zur Herausbildung klar voneinander ab- grenzbarer und von der Staatengemeinschaft völkergewohnheitsrechtlich akzeptierter Einzelkriterien gekommen wäre84). Leicht ist man versucht, in Abwandlung einer von Sir Austen Chamberlain für die Behauptung der Verfassungswidrigkeit im englischen Staatsrecht geprägten Sentenz zu sagen, daß der Vorwurf der Einmischung in die inneren Angelegenheiten in Wahr- heit eine Vokabel der auswärtigen Politik sei, die ein Staat verwendet, wenn ein anderer etwas tut, was diesem nicht gefällt35). Es wäre auch schon im methodischen Ansatz falsch, weil die eigenen Möglichkeiten überschätzend, etwa im Wege einer hier selbständig vorgenommenen irgendwie gearteten abstrakten Deduktion derartige Abgrenzungen spekulativ richtig vornehmen zu können. Mehr noch als der Interpret anderer Rechtsgebiete hat sich der Völkerrechtler in der Bescheidenheit zu üben, den vor allem von der Staatenpraxis anerkannten Rechtsgedanken zu finden und ihn nicht durch Unterschiebung eigener Wünschbarkeiten mehr oder weniger elegant zu erfinden 36). In diesem Sinne muß die Aufgabe in erster Linie darauf gerich- tet bleiben, solche Tatbestände herauszuarbeiten, die im Urteil und Verhal- ten der Staatengemeinschaft einigermaßen deutlich als unzulässig erkennbar werden und ihnen den anderen Bereich gegenüberzustellen, bei dem die Behauptung der Einmischung sich weitgehend als eine Waffe in der außen- politischen Auseinandersetzung darstellt.

34) Vgl. etwa die Nadiweise mangelnder völkerreditsdogmatisdier Durchbil- dung bei Gerlach, aaO S. 104 ff.

35) Nach Butler, The Electoral Systems in Britain 1918-1951, 1953, S. 142. 36) Zum »formative process« des Völkerrechts in diesem Sinne wieder ein-

drucksvoll etwa Oy Connelly aaO Bd. 1, S. 3 ff.

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332 Thomas Oppermann

Es geht im folgenden gemäß der bereits oben getroffenen terminologi- schen Unterscheidung also um die »unteren« Tatbestände der Einmischung im engeren Sinne, während der meist so genannte klassische Teil der Inter- vention mehr zurücktritt. Für diesen letzteren hat sich ungefähr seit den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart immerhin ein beachtliches Ausmaß begrifflichen Konsenses herausgebildet, der in ledig- lich beschränkt variierenden Formeln um einen verhältnismäßig eng gese- henen Gewaltbegriff kreist. Bluntschlis Formel »Autoritative Einmischung eines fremden Stats in die Angelegenheiten eines anderen unabhängigen Stats« 37) liegt in unmittelbarer inhaltlicher Nähe zu der in der heutigen Literatur immer wieder zitierten Definition von Oppenheim-Lauterpacht von der »Intervention proper« als »dictatorial interference, not interference pure and simple« 38). Aus der näheren Erläuterung solcher Formeln ergibt sich hier und bei vielen anderen, daß das Merkmal des Autoritativen, Ge- bieterischen oder Diktatorischen ganz wesentlich auf den absoluten oder über die Drohung kompulsiven Zwang einer militärischen Gewaltanwen- dung abzielt. Daß insoweit das Interventionsverbot eingreift, dürfte ziemlich selbstverständlich sein, sofern man hier nicht bereits mit einer Reihe neuerer Stimmen unter Berücksichtigung der modernen völkervertragsrechtlichen Spezialnormen (insbesondere Briand-Kolleg-Pakt, Akzentuierung des Ge- waltverbotes in Art. 2 Ziff. 4 Satzung der Vereinten Nationen gegenüber dem Interventionsverbot der Ziff. 7) die Obergrenze eines gesondert zu sehenden Kriegs-, Gewalt- und Aggressions Verbotes einziehen will89).

V. Moderne Ausweitung des Einmischungsverbotes »nach unten«?

Die angedeuteten Unklarheiten und Schwierigkeiten beginnen vielmehr vor allem unterhalb der Schwelle eindeutiger Gewaltanwendung, in jenem Bereich, der zunehmend die »moderne Seite« des Einmischungsverbotes ge- nannt wird. Die Ausstrahlung der durch die technisch-industrielle Fortent- wicklung gegebenen neuartigen Einflußmöglichkeiten der Staaten unterein- ander, vor allem im wirtschaftlich-finanziellen Bereich, auf den allgemeinen Grundsatz des Völkergewohnheitsrechts taten hier ebenso ihre Wirkung wie die bereits erwähnten, politischen Sonderungs- und Emanzipationsprozessen entspringenden Deklarationen vornehmlich aus der sozialistischen und »drit- ten« Welt. Es überrascht daher nicht, wenn etwa in der neueren sowjeti- schen Völkerrechtsliteratur (z.B. Krylow, Piradow-Staruschenko, Lewin-

37) Bluntschli, Das moderne Völkerredit der zivilisierten Staaten als Redits- budi dargestellt, 3. Aufl. 1878, S. 26.

38) Oppenheim-Lauterpacht, aaO Bd. 1, S. 305. 39) So z. B. audi der Grundansatz bei Dahm, aaO Bd. 1, S. 198 ff. einerseits,

S. 205 ff. andererseits (mit weiteren Nadi weisen).

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Nichteinmischung in innere Angelegenheiten 333

Kaljushnaja) ein in seinen Konturen kaum nodi eingegrenztes Einmischungs- verbot abgeleitet wird, das etwa in Krylows Haager Akademievorlesung schlicht »die Gesamtheit der politischen und wirtschaftlichen Probleme« eines Staates umfaßt, oder bei Piradow-Staruschenko in einen langen Katalog von Einzeltatbeständen ausmündet, deren Addition ebenfalls kaum noch eine halbwegs fühlbare Einflußnahme eines Staates auf einen anderen ohne des- sen ausdrückliche vorherige Zustimmung übrig läßt40). Nur am Rande sei vermerkt, daß der so vor allem für den Hausgebrauch der sozialistischen Staaten gegenüber der nichtsozialistischen Außenwelt lückenlos gewebte Souveränitätspanzer im nahezu gleichen Atemzuge mit der Rechtfertigung durchaus sehenswerter eigener Eingriffsrechte gegenüber Staaten aus anderen Systemen einhergeht, vermittels der für das sowjetische Völkerrecht unver- meidlichen Mischung logisch-dogmatischer Erwägungen mit axiomatisch ein- gestreuten Elementen der marxistisch-leninistischen Geschichtseschatologie41).

Die heutigen Bestrebungen zur Ausweitung des Einmischungsverbotes sind jedoch keineswegs auf den sozialistischen Rechtskreis beschränkt. Auf die un- ter besonderem Einfluß der »Dritten Welt« entstandenen extensiven Resolu- tionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen wurde bereits mehr- fach hingewiesen. »No state may use or encourage the use of economic, poli- tical or any other type of measures to coerce another state in order to ob- tain from it the subordination of the exercise of its sovereign rights or to secure from it advantages of any kind«, lautet einer der bezeichnend weiten Kernsätze der Erklärung 2131 vom 21. Dezember 1965 (Ziff. 2) 42). Auch wenn der unmittelbare Rechtsquellenwert derartiger Erklärungen nicht allzu hoch veranschlagt werden darf43), spiegeln sie doch viel von der in be- stimmten Völkerrechtskreisen vorhandenen Rechtsüberzeugung wieder. Aber auch eine bedeutsame Gruppe amerikanischer Autoren, die bekanntesten unter ihnen lessub und Cardozo 44i. in Frankreich vor allem Cavare 45Ì und

40) Krylow, Les notions principales du droit des gens (La doctrine soviétique du droit international), Recueil des Cours Bd. 70 (1947 I), S. 41 iff.; Piradow- Staruschenko, aaO S. 195 ff.; Lewin-Kaljushnaja, aaO S. 117 fT.

41) binige kennzeichnende Beispiele tur diese Verwobenheiten bei Piradow-Sta- ruschenko, aaO S. 205.

42) Vgl. oben Anm. 8. Ihrer Extensität entspricht regelmäßig die Völkerrechts- lehre in der »dritten Welt«. Ein gutes Beispiel gibt F abela, Intervention, 1961. Die Praxis vieler Entwicklungsländer untereinander, z. B. in Afrika, kennt freilich dennoch eine Fülle von Einmischungstatbeständen, worauf Zartman, Intervention Among Developing States, Journal of International Affairs Bd. 22 (1968), S. 188 ff. mit Recht von politikwissenschaftlicher Seite aufmerksam macht.

43) So Golsong, Das Problem der Rechtsetzung durch internationale Organisa- tionen, insbesondere im Rahmen der Vereinten Nationen (noch unveröffentlicht), Bericht, erstattet auf der 11. Tagung der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 1969.

44) Jessup, A Modern Law of Nations, 1949, S. 221 ff.; Cardozo, Benefaction as Justification, in Stanger. Essays on Intervention, 1964, S. 6' ff.

45) Cavaré, Le droit international public positif, Bd. 2, 2. Aufl. 1962, S. 547.

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334 Thomas Oppermann

schließlich in Deutschland sogar die Mehrzahl der jüngeren Gesamtdarstel- lungen (Berber, Seidl-Hohenveldern, Wengler, in gewissem Ausmaß auch

Dahm) und jüngst besonders weitgehend Gerlach M) sind sich jedenfalls im Grundsatz einer regelmäßig weitgefaßten Ausdehnung des klassischen Inter-

ventionsbegriffes einig. Ohne die Schattierungen der Begründung hier im einzelnen wiedergeben zu können, läßt sich im Grunde als weithin gemein- samer Leitgedanke nennen die Beeindruckung durch die im Zeitalter der modernen wirtschaftlich-technischen Verflechtungen gesteigerten Einwir-

kungsmethoden subversiv-militärischer, werbend-propagandistischer, aber auch wirtschaftlicher und finanzieller Art und ihre weitgehende Einbezie-

hung in das Interventionsverbot. Wie aus einem instinktiven Abwehrreflex gegenüber diesem sich aus dem Wandel der äußeren Lebensverhältnisse er-

gebenden Trend zur Öffnung der Staatlichkeit nach außen wird hier überall versucht, durch eine Art Usus Modernus des Interventionsverbotes möglichst viel von der Undurchdringlichkeit der überkommenen Souveränitätsvorstel- lung zu erhalten.

Entspricht nun solches Bemühen aber tatsächlich dem angesichts jener Ver- änderungen der Rechtstatsachen des internationalen Lebens zu erwartenden

Entwicklungstendenzen jedenfalls des allgemeinen Völkerrechts? Gewiß wird man zögern, die Frage mit einem schlichten Ja oder Nein zu beant- worten. In bestimmtem Umfang wirkt die erweiternde Ergänzung des klas- sischen Interventionsbegriffes zur Einmischung »nach unten« hin zwingend. Bei aller Lockerung der Staatlichkeit bleibt der Schutz der Souveränität ein zentrales Anliegen auch des modernen Völkerrechts und dieses muß daher zum Beispiel auf die Verfeinerung der Methoden der Macht- und Zwangs- ausübung im Zeitalter mannigfacher subversiver Entfachung und oft nur schlecht verhüllter Unterstützung revolutionärer Bewegungen vom Ausland her reagieren. Auch bestimmte finanzielle und wirtschaftliche Maßnahmen, wie die Drosselung existenzwichtiger Ein- und Ausfuhren über weitrei- chende Embargen, Kündigung lebenswichtiger Kredite, können bei aller formalen Legalität der Einzelakte durch die Kumulierung und vor allem durch die dahinter stehende Zielsetzung den betroffenen Staat seiner Hand-

lungsfreiheit berauben und ihn so wider seinen eigentlichen Willen zu einer

ganz bestimmten Entscheidung veranlassen. Durch solche Zweck-Mittel-Re- lation wird dann derselbe Effekt erzielt wie über eine Androhung unmittel- baren Zwanges. In solchen Fällen besteht allerdings kein vernünftiger Grund, das Vorgehen nur wegen des neuartigen äußeren Erscheinungsbildes anders zu bewerten als die klassischen Formen der Gewaltanwendung.

46) Vgl. die Nadiweise oben Anm. 12, 13. Vor allem Gerlach, aaO S. 66 ft. bringt die wohl eingehendste Darstellung der modernen Ausweitung des Inter- ventionsbegriffes.

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Nichteinmischung in innere Angelegenheiten 335

VI. Sehr umpf un g des innerstaatlichen Domaine Réservé?

Aber derartige Extremfälle sind, so scheint es, bei aller Spaltung der heu- tigen Staatengemeinschaft in ihre verschiedenen Lager und den sich daraus ergebenden Konfliktsituationen keineswegs so typisch und stilbildend, daß es sich wirklich rechtfertigen würde, sie zum Ausgangspunkt eines dann bald auch wesentlich abgestuftere Formen der Einflußnahme umfassenden Usus Modernus des Einmischungsverbotes zu nehmen. Nicht selten liegen sogar in solchen eindeutigen Fällen - etwa Rhodesiensanktionen - spezifische Recht- fertigungsgründe vor (hier etwa im Sinne einer humanitär abgestützten Kollektivintervention der Vereinten Nationen), welche die Legitimität des Verhaltens der einzelnen Beteiligten zumindest wieder diskutabel erscheinen lassen. Um so viel mehr gilt es wenigstens jenseits der Extremfälle den Grundtatbestand klar ins Auge zu fassen, der für die Beurteilung des Ver- hältnisses der Glieder der heutigen Staatengemeinschaft zueinander vor allem von Bedeutung ist. Von ihm her ist auch das Einmischungsverbot sach- gerecht einzugrenzen. Dieser Grundtatbestand besteht nun aber in dem im- mer weitergehenden faktischen Zusammenwachsen der Staaten, welches durch die Sachzwänge der technisch-industriellen Entwicklung bewirkt wird. Auch bei voller Berücksichtigung der ideologischen Blockbildungen und son- stiger Trennungen bleibt dieser Prozeß unübersehbar. Zieht man ihn im Zusammenhang unserer Thematik unter dem Blickwinkel des Umfanges der exklusiv inneren Angelegenheiten der Staaten heran, bleibt bei einer wirk- lichkeitsnahen, an der Staatenpraxis ausgerichteten Orientierung eine be- merkenswerte Schrumpfung des Domaine Reservé festzustellen, in einem weitaus beachtlicherem Umfang, als ihm gemeinhin vor allem in der Lite- ratur Rechnung getragen wird. Die grundsätzliche Variabilität des vorbe- haltenen Hoheitsbereiches nach dem jeweiligen Ausmaße völkerrechtlicher, insbesondere auch völkervertragsrechtlicher Regelung kann an sich späte- stens seit dem Rechtsgutachten des Ständigen Internationalen Gerichtshofes über die Staatsangehörigkeitsdekrete in Tunis und Marokko als weithin ge- sicherte, auch in ihrer Logik schwer bestreitbare Erkenntnis gelten47). Sie vermag über Merkwürdigkeiten wie das Connally Amendment, mittels des- sen die Vereinigten Staaten die Anerkennung der Gerichtsbarkeit des Inter- nationalen Gerichtshofes von der ausschließlich eigenen Beurteilung ihrer Domestic Jurisdiction abhängig machten, allenfalls partiell und in durchaus anzweifelbarer Weise eingeschränkt zu werden48). Nimmt man aber die normative Kraft des immer dichter werdenden Netzes vor allem multilate- raler völkervertragsrechtlicher Bindungen regionalen und universalen Zu-

47) Cour permanente de Justice internationale, Série B, No. 4, S. 27 ff. - Entschei- dungen des Ständigen Internationalen Gerichtshofes Bd. 1, S. 47 ff.

48) Zu ihm beidl-Hobenveldern, aaO Bd. 1, Rz. 1091.

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3 3 6 Thomas Oppermann

Schnittes einigermaßen ernst, so ist schwer zu sehen, weshalb mit einer sol- chen Ausweitung der zwischenstaatlichen Interdependenzen nicht gleichzeitig ein permanenter Schrumpfungsprozeß der inneren Angelegenheiten Hand in Hand gehen müßte49), gewiß zunächst nur jeweils inter partes. Aber auch so bleibt der Tatbestand bedeutsam genug. Außerdem ist je nach Lage der Dinge im einzelnen die allmähliche gewohnheitsrechtliche Ausweitung jener Öffnungen der Staatlichkeit nach außen nicht ausgeschlossen. Im gleichen jeweiligen Umfang wird dann aber das Einmischungsverbot abgewertet, da die betreifende Angelegenheit über den Vertrag oder Gewohnheit dem legi- timen Mitinteresse der Partner aufgeschlossen wird. So kann man etwa heute im Geltungsbereich der westeuropäischen Integrationsgemeinschaften eine so weitgehende Zurücknahme des wirtschaftlichen Domaine Reservé der Mitgliedstaaten erkennen, daß es schwierig zu werden beginnt, hier noch rein interne Wirtschaftsangelegenheiten der Mitgliedstaaten aufzuzählen, die einer »Einmischung« seitens der Gemeinschaft und der in ihr wirkenden Partner jedenfalls unterhalb der Schwelle autoritativer Einwirkung - diese ist auch hier noch begrenzt - nicht zugänglich wäre50). Gewiß handelt es sich dabei um besonders fortgeschrittene Formen des Entstaatlichungsprozesses aus einer geschichtlich begünstigten Sonderlage heraus. Die Unterschiede sind im Grunde aber wohl nur graduell. Ein so neuralgischer und früher Außen- wirkungen sorgsam entzogener Bereich wie die Währungspolitik der Staa- ten, die sich der Disziplin des Internationalen Währungsfonds und in seiner Nähe angesiedelter Gremien und Clubs unterworfen haben, ist kaum noch gänzlich innerhalb ihrer Domestic Jurisdiction verblieben51). Im östlichen Völkerrechtskreis beschränken jene schon genannten blockinternen Prinzi- pien, die teilweise als partikuläres Völkergewohnheitsrecht gedeutet werden können - wie »proletarischer Internationalismus«, »internationale soziali- stische Arbeitsteilung«, »kameradschaftliche gegenseitige Hilfe« 52) -, die dane- ben stereotyp wiederholten Formeln von der Nichteinmischung in die inne- ren Angelegenheiten. Die seit der Intervention in die Tschechoslowakei von fünf Mitgliedstaaten des Warschauer Paktes, besonders von der Sowjet- union, herausgestellte »Breschnew-Doktrin« von der begrenzten Souveräni- tät sozialistischer Länder untereinander stellte lediglich eine besondere Zu-

49) So im Grundsatz auch Dahm, aaO Bd. 1, S. 213, ungeachtet seiner dann doch wieder verschiedentlich ausweitenden Tendenz hinsichtlich des Einmischungs- verbotes. Politikwissenschaftlich: RosenaUy The Concept of Intervention, Journal of International Affairs Bd. 22 (1968), S. 16s ff.

50) Hierzu grundsätzlich etwa Ophüls, Staatshoheit und Gemeinschaftshoheit -

Wandlungen des Souveränitätsbegriffes, Festschrift Carl Heymann- Verlag, 1965, S. 246 ff.

51) Zu den Rechten des Internationalen Währungsfonds Bernstein, The Inter- national Monetary Fund, International Organisation Bd. 22 (1968), S. 131 ff.

52) So die Formeln, wie sie immer wieder in Präambeln und auch in 1 exten inter-sozialistischer Verträge Eingang finden, z. B. bei den oben Anm. 26 genann- ten Vertragsinstrumenten.

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Nichteinmischung in innere Angelegenheiten 337

spitzung jener vielmals verwendeten Gedanken und Formeln des inter- sozialistischen Völkerrechts dar53). Natürlich ist in vielen solchen Fällen, nämlich überall dort, wo die Öffnung der Staatlichkeit auf vertraglicher Grundlage beruht, der Rückzug auf den Satz volenti non fit iniuria mög- lich, die Souveränität und ein wenigstens potentiell unbegrenzter Domaine Reserve gerettet. Aber es fragt sich bei einem Gesamtüberblick über den heutigen Prozeß der Staatenverflechtung doch, ob hier nicht an manchen Stellen die Quantität in die Qualität umzuschlagen beginnt und die Be- hauptung der freien Widerrufbarkeit der Internationalisierung bestimmter Sachmaterien einer wirklichkeitsnahen Betrachtungsweise noch entspricht. Damit wird nicht eine notwendige Perpetuierung bestimmter Erscheinungs- formen des Völkervertragsrechtes behauptet, sondern die den Einzelstaat wohl endgültig überspringende Interdependenz der Sachmaterie und der für sie entwickelten Rechtsgrundsätze. Aus diesem Phänomen mag sich die allmählich fortschreitende völkerrechtliche Verwurzelung eines modernen Prinzips wie der Aetherfreiheit über die internationale Vertragsordnung des Rundfunks ebenso ergeben54) wie bei einem Blick in die Vergangenheit eine Erklärung für den Sieg der Meeresfreiheit über ihr widerstreitende Prinzipien.

VII. Völkerbund und Vereinte Nationen als besondere Antriebskräfte des Öffnungsprozesses

Die Entwicklung ist aber nicht auf die Legitimation »nützlicher« tech- nisch-wirtschaftlicher Verflechtungen beschränkt geblieben. Das Zusammen- rücken der Staaten im geschilderten Sinne hat - gefördert durch die Lehren der beiden großen kriegerischen Katastrophen dieses Jahrhunderts - gleich- zeitig zu einer sichtbaren Stärkung der Conscience Publique im Sinne LaunsS5), der Herausbildung jedenfalls einer gewissen gemeinsamen Welt- verantwortung im moralischen Sinne geführt, wie sie sich äußerlich vor allem in der Errichtung der beiden Universalorganisationen des Völkerbun- des und der Vereinten Nationen und der universalen Anerkennung der ihnen zugrundeliegenden Prinzipien ausprägte. Dieser Satz kann trotz allen im einzelnen immer wieder sichtbaren Versagens jener Kräfte im Grundsatz doch gewagt werden56). Für das Verständnis des Ausmaßes des Interven-

53) Dazu Schweisfurth, Moskauer Doktrin und sozialistisdier Internationalis- mus, Außenpolitik 1968, S. 710 ff. - Zur näheren völkerreditlidien Qualifikation der militärisdien Maßnahmen gegenüber der Tsdiedioslowakei 1968 soll mit diesen allgemeinen Erwägungen selbstverständlidi nidit Stellung genommen werden.

54) Dazu grundsätzlich Bühlmann, Die Weltordnung im Fernmelde- Verkehr, 1950.

55) Vgl. Latin, Die Haager Landkriegsordnung, 4. Aufl. 1948, S. 23. 56) So audi sdion die Deutung bei Barandon, Die Vereinten Nationen und der

Völkerbund in ihrem reditsgesdiiditlidien Zusammenhang, 1948.

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tionsverbotes wirkte dieser Vorgang wesentlich in gleicher beschränkender Richtung wie die vorher geschilderten Entwicklungstendenzen. Die Con- science Publique war - wenn auch stets umstritten - eine dem Interven- tionsrecht an sich schon seit längerer Zeit in Gestalt der legitimen humanitä- ren Intervention als Ausnahmetatbestand vom grundsätzlichen Verbot be- kannte Erscheinung57). Insbesondere nach dem zweiten Weltkrieg hat sie im Zeichen fortschreitender Ausbildung universalen und regionalen Schutzes von Menschenrechten das Ihre dazu beigetragen, sowohl den Domaine Re- serve der Staaten einzuengen als auch bestimmte bislang als unzulässige Ein- mischung empfundene Eingriffsformen allmählich zu legitimieren, wie die kritische Erörterung anstößiger Tatbestände in foro externo Internationaler

Organisationen sowie die Inspektion, förmliche Schlußfolgerung und Beur-

teilung in solchen Gremien. Die Zulässigkeit der gegen die griechische Regierung vor der Europäischen Menschenrechtskommission von einigen skandinavischen Staaten und den Niederlanden 1967-69 angestrengten Ver- fahren ließ sich noch verhältnismäßig einfach-klassisch mit der freiwilligen vertraglichen Übernahme der Verpflichtungen aus der Konvention durch Griechenland erklären, so bemerkenswert der Vorgang in einem absoluten Sinne für die heutige Sicht innerer und internationaler Angelegenheiten auch sein mag58). Eine inzwischen schon langjährige Praxis innerhalb der Gene-

ralversammlung der Vereinten Nationen geht jedoch dahin, sich unter Ge-

sichtspunkten der Menschenrechtsdeklaration von 1948 und künftig wohl verstärkt aufgrund der Konventionen von 1966 mit der Verletzung indivi- dueller oder gruppenmäßiger Rechtspositionen innerhalb bestimmter Staaten

gegen deren Willen und auch ohne Möglichkeiten spezialvertraglicher An-

knüpfungspunkte zu befassen (Inder- und Apartheidpolitik in Südafrika, Verhältnisse in Marrokko und Tunis Mitte der fünfziger Jahre, die Situa- tion in Algerien)59). Diese Betätigung mündete des öfteren in allgemeine Empfehlungen der Generalversammlung aus, ohne daß Art. 2 Ziff. 7 der

Satzung dabei als entscheidender Hinderungsgrund empfunden worden

57) Le Fur, L'intervention pour cause d'humanité, 1939; Garcia- Arias, La In- tervención Internacional par causa de humanidad, Festschrift Spiropoulos, 1957, S. 163 ff.

58) Näher hierzu Giebeler, Die griechische Regierung vor der Europäischen Menschenrechtskommission, Die öffentliche Verwaltung 1968, S. 677 ff.

59) Eingehend zu diesem vielschichtigen Komplex Meyer-Lmdenberg, Die Men- schenrechte im Völkerrecht, Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht Bd. 4 (1961), S. 84 fF.; Rajan, United Nations and Domestic Jurisdiction, 2. Aufl.

1961. Wesentlich zurückhaltender allerdings die Praxis gegenüber Nichtmitglied- staaten Schwarzenberger, International Law, Bd. 1, 1957, S. 461, 466. - Nicht be- handelt wird hier der Sonderfall des von der Sowjetunion gegenüber der Bundes-

republik Deutschland behaupteten Interventionsrechts aus Art. 53, 107 SVN. Zu ihm insbesondere Albano-Müller, Die Deutschland-Artikel in der Satzung der Vereinten Nationen, 1967; Duckwitz, Gewaltverzicht und Interventionsrecht, Au- ßenpolitik 1968, S. 5 19 ff.

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wäre. Wenn auf die differenzierten Auslegungsprobleme in diesem Zusam- menhang auch nicht näher eingegangen werden kann, läßt sich dieser Betä- tigung der Generalversammlung nach insoweit weithin gebilligter Auffas- sung ein weiteres Beispiel für die Anhebung der Schwelle unzulässiger Ein- mischung entnehmen. Erörterung, auch wenn sie zu gewissen Schlußfolge- rungen führt, ist keine Intervention mehr, wie Quincy Wright gesagt hat 60). Man bewegt sich vielmehr bereits im Bereiche erlaubter Einflußnahme oder Interzession61), was freilich nidit ausschließt, daß diese unter bestimmten Umständen den Charakter wenigstens einer unfreundlichen Handlung an- nehmen kann, die den Betroffenen zur angemessenen Retorsion ermächtigt.

VIII. Schlußfolgerungen

Aus dem skizzenhaften Überblick über einige Grundtatbestände, aus de- nen sich die entscheidenden Beurteilungsmaßstäbe für die Abgrenzungen der heutigen Interventionslehre »nach unten«, also zur Einmischung im anderen Sinne und zur Interzession, entnehmen lassen, sollte deutlich geworden sein, daß man sich bei der Suche nach der Grenze, jenseits derer der Eingriff in die inneren Angelegenheiten einen solchen Intensitätsgrad annimmt, daß er als unzulässige Einmischung qualifiziert werden muß, wesentlich näher an der Gewalt- und Zwangsgrenze im Sinne des klassischen Interventionsbegriffes etwa von Oppenheim-Lauterpacht bewegen muß, als es die Anhänger des extensiven Usus Modernus wahrhaben möchten. Erst dort, wo sachliche Kri- tik an den Zuständen in einem anderen Staate in die subversive, zur zwangsweisen Durchsetzung ihrer Ziele tendierende propagandistische Aktion umschlägt62), kann man das auch in der offeneren Staatlichkeit unse- rer Tage unverwandelt gebliebene, im schärferen Wind erleichterter Zugäng- lichkeit eher noch immuner gewordene Schutzgut des Einmischungsverbotes, nämlich die Entscheidungsfreiheit des betroffenen Staates, als unzulässig be- rührt ansehen. Das Spektrum der einzelnen Abgrenzungsfälle kann hier nicht ausgebreitet werden. Sicherlich gehören dazu die bereits erwähnten Tatbestände massiveren wirtschaftlichen Druckes - wie existenzbedrohendes Totalembargo -, die der Anwendung kompulsiver Gewalt im Sinne des klassischen Interventionsbegriffes nahestehen, ebenso vielfältige Formen para-militärischen Vorgehens wie das Entsenden von Freiwilligenver- bänden63). In diesen Bereichen ist die Notwendigkeit einer begrenzten Erwei-

60) Wrighty Is Discussion Intervention? American Journal of International Law Bd. 50(1956), S. 102 ff.

61) Zum Begriftlichen Haedncb, Interzession, Strupp-Schlochauer, Wörterbuch des Völkerrechts, Bd. 2, 1962, S. 147 f.

ozy w rjuiuiiy jLYtfiuiu rxupagituuii - s' iviuucm. jl xupuaai, rvmerican juurnai ur International Law Bd. 52 (1958), S. 739 ff.; Whitton, Subversive Propaganda re- considered, aaO Bd. 55 (1961), S. 120 ff.

63) Eingehende Untersuchung denkbarer Abstufungen bei Gerlach, aaO S. 160 ff.;

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terung der bisherigen Vorstellungen anzuerkennen. Diese Ausweitung be- steht aber eher in einer Bereicherung der äußeren Erscheinungsbilder und in einer Verfeinerung bestimmter Kriterien (Gewalt- und Zwangsbegriff, stär- kere Einführung der Zweck-Mittel-Relation), als in einer sichtbaren Aus- weitung der Definitionen als solcher.

Dagegen sollte man angesichts des freier und enger gewordenen Verkehrs der Staaten von heute anders als die Vertreter des modernen Interventions- begriffes noch mehr als früher zögern, bereits jede Ausübung eines irgendwie gearteten Druckes und Gegendruckes in der Staatenauseinandersetzung ohne weiteres unter das Verdikt des Einmischungsverbotes zu stellen64). Solange die Völkerrechtsordnung wirksame und allgemein respektierte Einrichtun- gen der Streiterledigung nicht zur Verfügung zu stellen vermag, erscheint es

übersteigert und dem Völkerrechtsgedanken abträglich, von den Staaten zu erwarten, sich aller politischen Einflußnahmen zu begeben, mittels deren sie andere Partner vor die Frage zu stellen vermögen, ob diese bereit sind, an sie gerichteten, sich im Rahmen des Völkerrechts haltenden Wünschen nach- zukommen oder nicht. Die Gewährung eines wirtschaftlichen Kredites von der Erwartung eines bestimmten Verhaltens des Vertragspartners abhängig zu machen, bedeutet im Regelfall noch nicht, ihm seine Entscheidungsfreiheit zu nehmen und damit eine unzulässige Einmischung in dessen innere Ange- legenheiten zu begehen. Selbst die Androhung einer bestimmten unfreund- lichen Handlung, also eines sich noch innerhalb der zulässigen Grenzen außenpolitischen Ermessens bewegenden Verhaltens - etwa Abbruch diplo- matischer Beziehungen bei einer bestimmten, ebenfalls in deren Ermessens- bereich liegenden Handlung der anderen Seite - muß noch diesseits der Grenze erlaubter Einflußnahmen gesehen werden, jedenfalls solange die dem anderen Staat damit zugemutete Wahlmöglichkeit zumutbar bleibt und ihn nicht vor Existenzfragen stellt, die in Wahrheit wieder auf einen Zwangs- charakter der Androhung hinausliefe.

Die allmählich schon in die jüngste Zeitgeschichte zurücktretende Hall- stein-Doktrin bietet im übrigen gutes Anschauungsmaterial für eine abschlie- ßende Feststellung. Zwar mag es bei dem Fehlen urteilender und schlichten- der internationaler Instanzen für eine fruchtbare Fortbildung des Völker- rechts nicht sinnvoll erscheinen, gegebenes außenpolitisches Ermessen um einer idealistisch gemeinten Erweiterung von völkerrechtlichen Verbotsnor-

ferner Wright, Subversive Intervention, American Journal of International Law Bd. 54 (i960), S. 521 fT.

64) Daher viel zu weitgehend Ziri. 2 der Erklärung 213 1 der 20. Vollversamm- lung der Vereinten Nationen vom 21. 12. 1965 (Vgl. Anm. 8). - Eingehend zur zu- lässigen Druckausübung Wengler, Völkerrecht, Bd. 1, 1964, S. 846 ff., ähnlich O'Connell, International Law, Bd. 1, 1965, S. 328 ff.; Kipp, Zum Problem der ge- waltsamen Intervention in der derzeitigen Entwicklungsphase des Völkerrechts, Gedächtnisschrift Hans Peters, 1967, S. 393 ff.

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men dort einzuschränken, wo das vom Verbot geschützte Rechtsgut nicht unzweifelhaft berührt wird. Auf der anderen Seite wird damit aber keines- wegs ein Urteil darüber abgegeben, inwieweit es außenpolitisch weise ist, ein solches Ermessen, etwa bei Retorsionshandlungen, tatsächlich auszunüt- zen. Die inzwischen überschaubaren politischen Erträgnisse der Hallstein- Doktrin für die Politik der Regierungen der Bundesrepublik Deutschland ge- ben insoweit zu denken, wie die vorsichtigere Handhabung ihrer Grund- sätze erkennen läßt65). Auch wenn man im unteren Bereich des Interven- tionsverbotes, hier »Einmischungs«bereich genannt, in dubio pro intercessione et contra interventionem optiert, soll damit in keiner Weise möglichst freizügiger außenpolitischer Ingerenz in die inneren Angelegenheiten aus- ländischer Staaten das Wort geredet werden. Über deren Weisheit und Grenzen nachzudenken, wäre ein ganz anderes, der politischen Wissenschaft zukommendes Thema66). Hier sollte es vor allem darauf ankommen, am Beispiel der gewählten Thematik das Gefühl zu vermitteln, daß eine in der Effektuierung ihrer normativen Ansprüche so wenig entwickelte Disziplin wie das Völkerrecht gut daran tut, nur in dem Maße Gebote und Verbote aufzustellen, wie sie der allgemeinen Rechtsüberzeugung der Staatengemein- schaft oder wenigstens eines Teiles der Gemeinschaft entsprechen.

IX. Zusammenfassung

1. Intervention, Einmischung (Interference, Ingérence) und Einflußnahme (Interzession) sollten im Sinne von drei graduell abzustufenden Arten von Einwirkungen im Staatenverkehr dogmatisch deutlicher unterschieden wer- den als dies gemeinhin der Fall ist.

2. Während die völkerrechtliche Unzulässigkeit der Intervention im enge- ren Sinne (offene Gewaltanwendung, autoritativ-gebieterische Einwirkung) feststeht, bestehen erhebliche Zweifel, ob die in neuerer Literatur verschiede- ner Völkerrechtskreise oftmals behauptete moderne Ausweitung des Inter- ventions - besser »Einmischungs« - Verbotes auf finanzielle, wirtschaftliche, soziale, kulturelle Einwirkungen einer wirklichkeitsbezogenen Sicht des Völ- kerrechts entspricht.

3. Der die heutigen internationalen Beziehungen kennzeichnenden, sich immer steigernden faktischen Interdependenz der Staatengemeinschaft in technisch-wirtschaftlicher, aber auch in sozialethischer Hinsicht entspricht es eher, in diesem » Einmischungs «bereich die Schwelle unzulässiger Einwir-

65) Sdion kritisch Schuster, Die »Hallstein-Doktrin«, Europa-Ardiiv 1963, S. 675 ff.

66) Dazu etwa öelojj, Reflections on Intervention, Journal of International Affairs Bd. 22 (1968), S. 198 ff., der für die Vereinigten Staaten im Lichte ihrer Vietnam-Erfahrungen eine neue zurückhaltendere »American theory of Interven- tion« fordert.

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kung möglichst anzuheben. Soweit Einwirkungen unterhalb der Interven- tion im engeren Sinne das eigentliche Schutzgut des Interventionsverbotes, die souveräne Entscheidungsfreiheit des betroffenen Staates, nicht ernsthaft antasten (was allerdings bei subversiver Betätigung oder massiven Wirt- schaftszwangsmaßnahmen der Fall sein kann), besteht kein zwingender Anlaß, von einem umfassenden Einmischungsverbot des allgemeinen Völ- kerrechts auszugehen.

4. Nicht-autoritative Einmischungen leichterer Art sind vielmehr als im außenpolitischen Ermessen der Staaten liegende zulässige Einflußnahmen (Interzessionen) anzusehen. Sie können sich als unfreundliche Akte darstel- len, gegen die Retorsionsmaßnahmen zulässig sind.

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