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Q W S S' Q W + = E S | > 0 _ W=0,Q=0 Nichtgleichgewichtsthermodynamik und statistische Mechanik dissipativer diskreter Systeme

Nichtgleichgewichtsthermodynamik und statistische Mechanik ... · Der Versuch, diese Struktur auf die makroskopische Ebene zu ˜ubertragen, scheint im Prinzip m˜oglich. iv Non-equilibrium

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Q

W

S

S'

QW +=E

S| > 0_W=0, Q=0

Nichtgleichgewichtsthermodynamik

und

statistische Mechanik

dissipativer diskreter Systeme

2

Nichtgleichgewichtsthermodynamikund

statistische Mechanik dissipativer diskreter Systeme

vorgelegt vonDipl.–Phys. Sebastian Gumbelgeboren am 6.11.1968 in Berlin

Berlin

Von der Fakultat II – Mathematik und Naturwissenschaftender Technischen Universitat Berlin

zur Erlangung des akademischen Gradesdoctor rerum naturalium

(Dr. rer. nat.)im Fach Physik

genehmigte Dissertation

Promotionsauschuss:

Vorsitzender: Prof. Dr. G. v. OppenBerichter/Gutachter: Prof. Dr. W. MuschikBerichter/Gutachter: PD Dr. M. KrogerTag der wissenschaftlichen Aussprache: 20. Februar 2004

Berlin 2004D83

ii

iii

Nichtgleichgewichtsthermodynamik und statistische Mechanik

dissipativer diskreter Systeme

von S. Gumbel

Zusamenfassung

In der Arbeit wird ein dissipatives diskretes System untersucht. Ein dissipativesdiskretes System besteht aus dem System selber und seiner Wechselwirkung mitseiner Umgebung. Wird die Wechselwirkung mit der Umgebung ausgeschaltet, sospricht man von einem isolierten diskreten System. Ein isoliertes System kann manauf verschiedenen Stufen beschreiben.

Im ersten Teil der Arbeit wird ein solches System auf der phanomenologischenEbene untersucht. Die Motivation fur diese Untersuchung ist, eine neue Theorienamens Generic zu verstehen . Dazu wird ein Vergleich zwischen rationaler Ther-modynamik und Generic durchgefuhrt. Auf der phanomenologischen Ebene fuhrtdiese Untersuchung zu dem Schluss, dass wir die untersuchten phanomenologischenModelle sowohl in der rationalen Thermodynamik als auch in Generic darstellenkonnen. Aber die physikalische Motivation der rationalen Thermodynamik ist sehrviel verstandlicher, da wir dort von Observablen ausgehen, die bilanzierbar sind.Auf diese Aussage wird im Rahmen von Generic verzichtet, stattdessen, gilt dieVermutung, dass die Theorie fur alle Observablen gultig sei.

Deshalb kann man auf der phanomenologischen Ebene Generic nicht verstehen,sondern sollte nach einer mikroskopischen Begrundung fur Generic suchen.

Im zweiten Teil der Arbeit werden die Grundzuge der klassischen Quantenther-modynamik dargestellt. Der Ausgangspunkt dieser Theorie ist, dass eine ausgewahlteMenge makroskopischer Observablen existiert. Diese Menge wird Beobachtungsebe-ne genannt. Weiterhin soll eine geeignete Abbildung existieren, die die Observablenauf die Beobachtungsebene abbildet. Mit dieser Abbildung erhalt man eine Dyna-mik fur die Wahrscheinlichkeitsdichte auf der Beobachtungsebene und damit eineMoglichkeit die Entropie einzufuhren. Die ungeklarten Fragen dieser Theorie sind:- Ist die Entropieproduktion nicht negativ?- Was zeichnet die makroskopischen Observablen aus?- Kann man wenigsten fur die makroskopische Zeitableitung der Erwartungswerteder Observablen zeigen, dass sie gleich den mikroskopischen Erwartungswerte sind?

Deshalb wird im dritten Teil der Arbeit Dissipation in die klassische statistischeMechanik durch ein Potential eingefuhrt. Die konsequente Ableitung befindet sichaber noch in der heuristischen Phase. Deshalb werden die Bewegungsgleichungenpostuliert. Aus diesem Postulat folgt dann aber, dass wir die Generic-Strukturauf der mikroskopischen klassischen Ebene wiederfinden. Sie gilt hier fur alle Obser-vablen. Der Versuch, diese Struktur auf die makroskopische Ebene zu ubertragen,scheint im Prinzip moglich.

iv

Non-equilibrium Thermodynamics and statistical mechanics

of isolated discrete systems

S. Gumbel

Abstract

Thermodynamics is the theory of non-equilibrium systems. A dissipative discretesystem consists of the system itself and its environment. A system is called a dissi-pative system, if the entropy production is non negative. The system could exchangewith its environment some quantities, i.e Q heat exchange, W power exchange andne particle exchange. A system is called isolated, if all these quantities are vanishing.An isolated system is in equilibrium, if the entropy production is zero. The definiti-on of entropy production is the part of the entropy rate, which is still there, if youisolated the system.

Now there exist different levels of description of such a system. You may treatsuch a system in quantum mechanics, classical statistical mechanics or on the ma-croscopic level, but the definitions of energy and entropy should be assumed to beindependent of the level of description. Therefore one has to show that the dissipa-tion is always contained in the microscopic theories. We will suggest a possibility todefine entropy on the microscopic level.

Since the work of Langevin and Einstein, where they presented a model of thebrownian motion, this principle is quite clear. But it is also clear that the brownianmotion is a model for an open discrete system. Therefore we have to open the system,if we are looking for a microscopic description. An example for this is the Caldeira-Legget model.

The works of Nakajma, Kawaski and Gunton and Mori show, how one has tointroduce dissipation for a set of macroscopic variables. This approach is discussedin the second part of this work.

The motivation of this work was to understand a theory called Generic, whichwas introduced by Ottinger and others. The first part of this work is an comparisonof Generic and rational thermodynamics on the phenomenological level. But onthis level, we are not able to understand the meaning of Generic.

In the second part of this work we treat such a system in the frame of classicalquantum mechanical. But in this theory we have only a set of macroscopic observa-bles. And we are not able to answer the question, if the entropy production is nonnegative in general.

In the third part, we suggest a possibility to introduce dissipation in the theoryof classical statistical mechanics. Therefore we introduce a potential into the theory,which describe the interaction between the particle. This potential has the propertythat its expectation value is zero for all times. Thus we are only able to observe itscorrelation function. This postulate allows us to define entropy on the microscopiclevel, and we found the Generic-structure on the microscopic level.

Inhaltsverzeichnis

1 Einfuhrung 11.1 Wo liegen die Schwierigkeiten Thermodynamik und analytische Me-

chanik zu vereinen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21.2 Der Aufbau der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

2 Thermodynamik 92.1 Nichtgleichgewichtsthermodynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

2.1.1 Bilanz-Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92.1.2 Zustandsraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102.1.3 Beobachterunabhangige Materialtheorie . . . . . . . . . . . . . 112.1.4 Auswertung der Dissipationsungleichung . . . . . . . . . . . . 122.1.5 Liu’s Gleichungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132.1.6 Dissipations-Ungleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

2.2 Generic . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162.2.1 Durchfuhrung der Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192.2.2 Reversibler Anteil der Bilanzen . . . . . . . . . . . . . . . . . 192.2.3 Irreversibler Anteil der Bilanzen . . . . . . . . . . . . . . . . . 222.2.4 Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

2.3 Behandlung eines diskreten Nichtgleichgewichtssystems . . . . . . . . 292.3.1 Nichtgleichgewichtsthermodynamik . . . . . . . . . . . . . . . 30

Auswertung der Dissipationsungleichung . . . . . . . . . . . . 322.3.2 Anwendung von Generic . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35

Reversibler Anteil der Bewegungsgleichung . . . . . . . . . . . 36Irreversibler Anteil der Dynamik . . . . . . . . . . . . . . . . 39Jacobi-Identitat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40

2.4 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422.5 Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42

3 Statistische Mechanik des Nichtgleichgewichts 453.1 Beschreibung des Systems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463.2 Die relevanten Observablen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 493.3 Prinzip der maximalen Entropie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 513.4 Projektionsformalismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52

3.4.1 Mori-Langevin-Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 533.4.2 Robertson-Dynamik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 563.4.3 Markov’sche Naherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59

v

vi Inhaltsverzeichnis

3.5 Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59

4 Mechanik dissipativer Systeme 61

4.1 Isolierte diskrete Systeme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63

4.1.1 Kramer-Moyal-Entwicklungskoeffizienten . . . . . . . . . . . . 71

Beweis fur den Driftkoeffizienten . . . . . . . . . . . . . . . . 72

Beweis fur den Diffusionskoeffizienten . . . . . . . . . . . . . . 75

4.1.2 Stationare Losung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81

4.1.3 Entropie und Extropie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84

4.1.4 Dynamik diskreter thermodynamischer Systeme . . . . . . . . 86

4.1.5 GENERIC Form der Bewegungsgleichungen . . . . . . . . . . 90

4.1.6 Beispiel: Ideales Gas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95

Energie des idealen Gases . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97

Entropie und Extropie des idealen Gases . . . . . . . . . . . . 98

Generic Form der Bewegungsgleichungen . . . . . . . . . . . 99

Nummerische Losung der Bewegungsgleichungen . . . . . . . . 102

4.1.7 Beispiel: Gas in einem Kolben . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103

4.2 Zusammenfassung der Ergebnisse des Kapitels . . . . . . . . . . . . . 111

5 Zusammenfassung der Ergebnisse 113

6 Danksagung 119

A Stochastische Prozesse 121

A.1 Definition: Stochastischer Prozesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121

A.2 Klassifizierung von Stochastischen Prozessen . . . . . . . . . . . . . . 123

A.3 Markov Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124

A.3.1 Fokker-Planck Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124

A.3.2 Stochastische Differentialgleichungen . . . . . . . . . . . . . . 126

Wiener-Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128

Ornstein-Uhlenbeck Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128

Klein-Kramer Prozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129

B Langevin Gleichung 131

B.1 Wiener Prozess auf einem Kreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131

B.2 Kramer-Moyal Entwicklungskoeffizienten . . . . . . . . . . . . . . . . 135

Beweis fur den Driftkoeffizienten . . . . . . . . . . . . . . . . 135

Diffusionskoeffizient . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137

B.3 Wiener Prozess auf einer (N-1)-dimensionalen Kugeloberflache . . . . 138

B.4 Beschreibung des nummerischen Algorithmus zur Losung einer Langevin-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141

C Wechselwirkung zwischen makroskopischen Systemen 143

C.1 Thermische Wechselwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145

C.2 Mechanische Wechselwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145

C.3 Allgemeine Wechselwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147

Inhaltsverzeichnis vii

D Caldeira-Leggett-Modell 149

viii Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Einfuhrung

Die moderne Physik besteht aus drei fundamentalen Theorien, der Allgemeinen Re-lativitatstheorie, Quantentheorie (Quantentheorie steht hier auch fur Quantenfeld-theorien und der Hamilton’schen Mechanik) und der Thermodynamik. Keine dieserdrei Theorien kann aus den anderen abgeleitet werden, da sie unabhangig vonein-ander formuliert sind. Wahrend diese Tatsache fur die Quantentheorie und der Re-lativitatstheorie anerkannt sind, existiert eine sehr lange Tradition, die versucht,die Thermodynamik aus der mikroskopischen Physik abzuleiten. Als erster in die-ser langen Tradition steht Boltzmann [1], der das beruhmte H-Theorem aus derMastergleichung abgeleitet hat, ein exzellenter Ubersichtsartikel, der sich mit den un-terschiedlichen Methoden dieser Versuche befasst wurde von Penrose [2] verfasst. DieHerangehensweisen sind sehr vielfaltig. Aber die grundsatzliche Frage ist, ob es uber-haupt moglich ist, die Thermodynamik aus den bestehenden Theorien abzuleiten,ohne eine zusatzliche Quelle der Dissipation in die mikroskopischen Gleichungen ein-zufuhren. Diese wird nicht beantwortet. Thermodynamik ist eine besondere Art undWeise der Herangehensweise an Problemstellungen und ist nicht auf physikalischeProbleme begrenzt, sondern wird mit Erfolg auf biologische, okonomische und gesell-schaftliche Fragestellungen angewandt. Diese Fragestellung werden dadurch charak-terisiert, ob z.B. die Basis-Felder bilanzierbar sind. Aus der Statistischen Mechanikdes Gleichgewichts ist zudem bekannt, dass z.B. das Verteilungsmodul der Energienur mit Hilfe der Gleichgewichtsthermodynamik als Temperatur interpretiert werdenkann.

Aus dieser kurzen Darlegung ist ersichtlich, dass die Thermodynamik nicht voll-standig aus der Mikrophysik abgeleitet werden kann. Man braucht die Thermodyna-mik, um uberhaupt die Großen, die aus einer solchen Ableitung entstehen sinnvollinterpretieren zu konnen. Selbstverstandlich bekommt man ahnliche Resultate, wennman in der statistischen Mechanik oder der Thermodynamik die gleichen Fragenstellt, aber die Interpretation der Ergebnisse kann man nur dann sinnvoll angeben,wenn man eine phanomenologische thermodynamische Interpretation hat. Mit Hilfedieser Erkenntnis konnen wir uns nun an die Arbeit machen, die analytische Me-chanik und die Thermodynamik zu vereinen. Versuche dieser Art fuhrten in derVergangenheit zu großen Erkenntnissen. An dieser Stelle soll nur an die beruhmteArbeit von Planck [3] erinnert werden, der am Anfang des letzten Jahrhunderts dieSchwarzkorperstrahlung erklaren konnte, indem er die Erkenntnisse der Maxwell-

1

2 Kapitel 1 Einfuhrung

Theorie mit der ad-hoc eingefuhrten Quantelung der Strahlung zusammenbrach-te. Dieser Versuch war die Geburtsstunde der Quantenmechanik. Die Untersuchungschwarzer Locher fuhrte dann auch zu einer ersten Verbindung zwischen Relativitats-theorie und Thermodynamik durch Hawking, als er die Strahlung schwarzer Lochervorhersagte, deren Beobachtung noch aussteht. Ein weiteres beruhmtes Beispiel, wiesich zwei Theorien gegenseitig befruchten konnen, ist auch die Quantenfeldtheorie,die zur Quantenelektrodynamik gefuhrt hat, mit der Vorhersage der Antiteilchen.Aus diesen angefuhrten Beispielen ist ersichtlich, warum man sich Gedanken machensollte, wie denn die analytische Mechanik und die Thermodynamik vereinheitlichtwerden konnten. Aus der thermodynamischen Sicht haben Planck und Hawking er-folgreich die Gleichgewichtsthermodynamik angewandt, um zu ihren jeweiligen Vor-hersagen zu kommen. Eine allgemeine Nicht-Gleichgewichts-Theorie der Strahlungist bis heute denn auch noch nicht gefunden worden, obgleich die Untersuchung derSonoluminizenz eine solche benotigen wurde.

Versucht man nun Thermodynamik und die Hamilton’sche Mechanik zu vereinen,dann bedeutet dies, dass wir die Prinzipien beider Theorien als gleichberechtigt be-trachten mussen. Wir werden deshalb in dieser Arbeit ein Modell vorstellen, bei demwir Dissipation auf der mikroskopischen Beschreibung der Interaktion der Molekuleeinfuhren. Dies wird in der Art und Weise geschehen, so dass ein wohl definierterLimes existiert, der uns die altbekannte Theorie der Hamilton’schen Mechanik lie-fert. Dieser Limes wird der Grenzubergang zu einer verschwindenden Dissipationsein, wie sie z.B. im Gleichgewicht vorliegt. Von diesem Standpunkt ist dann auchersichtlich, warum die statistische Mechanik des Gleichgewichts so erfolgreich ist.

1.1 Wo liegen die Schwierigkeiten Thermodyna-

mik und analytische Mechanik zu vereinen?

Die Antwort auf diese Frage ist seit Boltzmann bekannt: die Quantenmechanik unddie analytische Mechanik beschreiben reversible Prozesse und sind damit invariantunter Bewegungsumkehr. Auf der anderen Seite beschaftigt sich die Thermodynamikmit der Untersuchung irreversibler Prozesse, dabei ist die Symmetrie unter Bewe-gungsumkehr durch den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik gebrochen. Dieswird haufig durch das Beispiel illustriert, dass wir in der Lage sind zu entschei-den, ob ein Kinofilm ruckwarts oder vorwarts lauft, da der ruckwartige Prozessphysikalisch nicht moglich ist, fallt uns diese Entscheidung sehr leicht. Auf der an-deren Seite konnen wir nicht entscheiden, ob ein mikroskopischer Prozess vorwartsoder ruckwarts lauft, da alle mikroskopischen Theorien invariant unter der CPT-Transformationen sind. Da wir aber in unserer Beobachtung ein solches Verhaltennicht kennen, sind wir gehalten gemaß Eddington [4] eine Zeitrichtung auszuzeich-nen. Dies geschieht auf der thermodynamischen Seite durch den zweiten Hauptsatzder Thermodynamik. Ein zentraler Punkt dieser Arbeit ist zu untersuchen, fallswir auf der Ebene der analytischen Mechanik eine Quelle der Dissipationeinfuhren, sind wir dann in der Lage die Hauptsatze der Thermodynamikabzuleiten? Die Antwort auf diese Frage wird im vierten Kapitel gegeben, in demgezeigt wird, dass wir mit der dort vorgestellten Methode in der Lage sind, diese Fra-

1.1 Wo liegen die Schwierigkeiten Thermodynamik und analytischeMechanik zu vereinen? 3

ge positiv zu beantworten. Mehr noch, wir konnen im Rahmen dieses Modells auchdas zentrale Grundpostulat (der a priori Gleichverteilung) der statistischen Mecha-nik abzuleiten, dass besagt, dass im Gleichgewicht alle zuganglichen Volumina desPhasenraums gleichwahrscheinlich sind.

An dieser Stelle erscheint ein neues strukturelles Problem: Da viele Versionen derthermodynamischen Formulierung des zweiten Hauptsatzes existieren [29], mussenwir uns nun die Frage stellen , welche der Formulierungen wir zu nehmen haben.Die phanomenologischen Nichtgleichgewichtstheorien der Thermodynamik untertei-len sich in kontinuumstheoretische Theorien und in die Behandlung diskreter Syste-me. Es existieren viele Theorien des Nichtgleichgewichts, die sich in einem gewissenSinn ahneln, sich aber in den Grundkonzepten unterscheiden. Diesen Theorien wur-de eine neue Theorie hinzugefugt, die eine kanonische Erweiterung des Klammer-formalismus der Hamilton’schen Mechanik ist. Diese neue Theorie wird Generic 1

genannt und behandelt abgeschlossene Systeme, so dass die Energie eine Erhaltungs-große des Systems ist [44]. Diese Theorie und die Formulierung durch die Nichtgleich-gewichtsthermodynamik werden wir im Folgenden benutzen, wenn wir versuchen dieanalytische Mechanik mit der Thermodynamik diskreter Schottky Systeme [5] zuvereinigen. Dies bedeutet, dass die Entropieproduktion in beiden Theorien gleichformuliert ist, und zwar lokal in der Zeit und global im Ort: dS

dt= Js(t) + σ(t). Hier

steht S fur die Nicht-Gleichgewichtsentropie, Js beschreibt den Fluss der Entropieund σ ist die Entropieproduktion, wobei wir in der mikroskopischen Beschreibungisolierte Systeme betrachten. Demnach ist auch der Fluss Js der Entropie zu Null zusetzen. Die allgemeine Formulierung des zweiten Hauptsatz durch Clausius [6], dienicht-lokal in der Zeit ist und auch nur fur Systeme gilt, die durch ein Warmereser-voir gefuhrt werden, werden wir im Folgenden nicht behandeln.

Betrachtet man die Gemeinschaft der Physiker, die auf dem Feld der ”Quan-tenthermodynamik” arbeiten, so fallt auf, dass sie sich in mehrere Gruppen unter-teilen. Die eine Gruppe, deren Kern aus Aliago, Otero, Plastino und Proto [7], [8]besteht, versucht nicht beide Theorien zu vereinheitlichen, sondern benutzen dieLiouville-Gleichung, die aus den Prinzipien der analytischen Mechanik, bzw. derQuantenmechanik folgt. Ihr Anspruch ist es, dass informationstheoretische Prinzipder maximalen Entropie, dass durch Jaynes [9], [10] in die Physik eingefuhrt wurde,auf die mikroskopischen Gleichungen anzuwenden. Dieses Prinzip wird im drittenKapitel vorgestellt. Die zweite Gruppe, die hauptsachlich aus Hatsopoulus, Gyfto-poulus, Park und Beretta [11] besteht, ist der Uberzeugung, dass die Beschreibungeines Systems durch die Quantenmechanik, oder auch durch die analytische Mecha-nik so modifiziert werden muss, dass der zweite Hauptsatz in der Sears-Kestin Weiseerscheint, da sonst eine Beschreibung irreversibler Prozesse im Prinzip nicht mog-lich ist. Beretta gab dann auch eine Formulierung der Quantenmechanik durch einennicht-linearen Dissipationsoperator an. Diese Punkte werden in der Doktorarbeit vonMarkus Kaufmann [12] im Detail angesprochen. Eine nachste Beschreibung dieserThematik ist durch das Caldeira-Leggett Modell [77] gegeben. Im Rahmen diesesModells verzichtet man auf die Beschreibung eines isolierten Systems und die Dissi-pation entsteht durch die Ankopplung einer Umgebung, die ein Warmereservoir dar-stellt. Diese Art der Beschreibung fuhrt auf die Theorie der stochastischen Prozesse,

1General Equation for the NonEquilibrium Reversible-Irreversible Coupling

4 Kapitel 1 Einfuhrung

die durch Langevin [73] in die Physik eingefuhrt wurde. Der Theorie der stochasti-schen Prozesse gemein ist jedoch, dass sie eine adaquate Beschreibung fur Systeme,die an eine Umwelt ankoppeln, zu sein scheinen. Deshalb werden sie in der Behand-lung Brown’scher Molekularbewegung eingesetzt. Allerdings kann man von diesenTheorien nicht erwarten, dass sie Dissipation, oder gar Reibung, erklaren konnen,da die Reibung explizit in die zugrundeliegende Bewegungsgleichungen eingefuhrtwerden muss. Es erscheinen in dieser Theorie zwei Parameter (Reibungskoeffizientund Starke der Fluktuationen), die uber das Fluktuations-Dissipationstheorem mit-einander verknupft sind. Um das Fluktuations-Dissipationstheorem formulieren zukonnen, muss man aber die Gleichgewichtslosung des Systems kennen. Man kommtdaher logisch nicht ohne das Grundpostulat der statistischen Mechanik aus.

1.2 Der Aufbau der Arbeit

Die phanomenologischen Nichtgleichgewichtstheorien der Thermodynamik untertei-len sich, wie schon erwahnt, in kontinuumstheoretische Theorien und in die Behand-lung diskreter Systeme. Wir vergleichen im zweiten Kapitel zwei dieser Theorien.Zum einem stellen wir die Nichtgleichgewichtsthermodynamik und zum anderemGeneric vor, die wir auf die Funf-Feld-Theorie, die sich zur Beschreibung dissipa-tiver Fluide eignet, anwenden.

Im Hinblick auf den Versuch der mikroskopischen Begrundung dieser Theorienwerden wir ein einfaches diskretes System untersuchen. Dabei werden wir die Unter-schiede und die Gemeinsamkeiten beider Theorien herausarbeiten. Der Ausgangs-punkt der Nichtgleichgewichtsthermodynamik sind die Basis-Felder, deren Dynamikdurch Bilanz-Gleichungen beschrieben werden. In den Bilanz-Gleichungen stehen diekonstitutiven Gleichungen, die auf einem Zustandsraum definiert sind. Die Entropieist in dieser Theorie dadurch ausgezeichnet, dass sie eine konstitutive Große ist (defi-niert auf dem Zustandsraum), die aber ebenfalls einer Bilanz-Gleichung genugt in derdie nicht-negative Entropieproduktion steht. Eine weiterere zentrale Eigenschaft derNichtgleichgewichtsthermodynamik ist das Prinzip der materiellen Indifferenz. Die-ses Prinzip besagt, dass die Materialeigenschaften nicht davon abhangen konnen, wiesich beliebige Beobachter gegeneinander bewegen. Eine Beobachter-Transformationwird durch die euklidsche Gruppe beschrieben. Deshalb haben die konstitutiven Glei-chungen und damit auch der Zustandsraum invariant unter dieser Transformation zusein. Die Dissipationsungleichung wird durch die Liu-Gleichungen ausgewertet. Eszeigt sich, dass dies nur eindeutig moglich ist, wenn man den zweiten Hauptsatz derThermodynamik durch das Axiom der Nichtexistenz reversibler Prozessrichtungenim Nicht-Gleichgewicht erganzt. Dann schranken uns die Liu-Gleichungen die mogli-chen Material-Gleichungen ein, da diese ansonsten den zweiten Hauptsatz verletzenwurden. Durch dieses Verfahren wird eine Materialklasse definiert. Wir konnen andiesem Punkt entscheiden, ob eine gewahlte Materialfunktion moglich ist, oder obsie dem zweiten Hauptsatz zuwider lauft.

Im Gegensatz dazu steht die Formulierung der Thermodynamik durch Generic.Der Hauptunterschied ist schon im Gultigkeitsbereich zu erkennen, wahrend dieNichtgleichgewichtsthermodynamik nicht zwischen offenen und isolierten Systemen

1.2 Der Aufbau der Arbeit 5

unterscheidet, ist Generic zunachst nur fur isolierte Systeme formuliert. In dieserTheorie werden die Gleichungen fur die Basis-Felder Z durch die Generic-Form

Z = L δEtot

δZ+M δS

δZ(1.2.1)

gegeben. Die Dynamik der Basis-Felder wird durch zwei Potenziale bestimmt. DiesePotenziale sind die Entropie und die Energie des Systems. Mittels der zwei Poten-ziale werden die Bilanzgleichungen in einen reversiblen und einen irreversiblen An-teil aufgeteilt, wobei reversibel bedeutet, dass dieser Anteil der Bewegungsgleichungkeine Entropie erzeugt. Der irreversible Anteil ist eine Erweiterung der Casimir-Onsager’schen Reziprozitatsbeziehungen, die nun nicht mehr linear sein mussen.Auf die Potenziale wirken operatorwertige Matrizen, die als Poisson-Operator Lund Dissipations-Operator M bezeichnet werden. Das Potenzial E beschreibt dieGesamtenergie und S steht fur die Gesamtentropie des zu beschreibenden Systems.Die Grundgleichung wird erganzt durch zwei so genannte Degenerierungsbedingun-gen, die besagen, dass der Gradient der Gesamtenergie ∂Etot

∂Zim Kern des Dissi-

pationsoperators und, dass der Gradient der Entropie ∂S∂Z

im Kern des Poisson-Operators liegt. Der Poisson-Operator muss zudem noch antisymmetrisch sein undder Jacobi-Identitat genugen, wahrend der Dissipations-Operator symmetrisch ist.Die Material-Gleichungen, die in dieser Theorie erscheinen, sind demnach in denoperatorwertigen Matrizen versteckt, die auf dem Zustandsraum definiert sind. Bis-her ist das Prinzip der materiellen Indifferenz noch nicht in die Formulierung vonGeneric aufgenommen. Ein weiterer Unterschied zur konventionellen Nichtgleich-gewichtsthermodynamik, der einem ins Auge fallt, ist, dass die Entropie, ebenso wiedie Gesamtenergie des Systems nur auf den Basis-Feldern definiert ist. Die Entropieist hier also keine Material-Funktion sondern hangt nur von den Gleichgewichtsgro-ßen (Basis-Feldern) ab. Der Vergleich beider Theorien ergibt, dass sich ihre Aussagennicht widersprechen – jedenfalls in den untersuchten Beispielen. Allerdings ist dasKorsett von Generic wesentlich enger, deshalb werden wir uns in den folgendenKapiteln die Fragen stellen, ob und wie sich diese Theorie aus einer mikroskopischenTheorie ableiten lasst.

Wir werden im dritten Kapitel das Konzept der reduzierten Beschreibung mi-kroskopischer Theorien diskutieren, die in naturlicher Art und Weise das informati-onstheoretische Konzept von Jaynes aufgreifen. Die Grundannahme besteht aus derExistenz einer reduzierten Beschreibung des Systems. Dazu wird eine Beobachtungs-ebene B eingefuhrt, die aus einem vollstandigen Satz extensiver thermodynamischerVariablen besteht.

Die zentrale Aufgabe ist nun, das Wahrscheinlichkeitsmaß zu bestimmen, mitdem die Erwartungswerte der Beobachtungsebene zu berechnen sind. Die Frage istaber mit den Mitteln der Quantentheorie nicht zu beantworten. Deshalb wird ein zu-satzliches Konzept benotigt. Dieses Konzept ist das Prinzip der maximalen Entropie,dass besagt, dass die resultierende Wahrscheinlichkeitsverteilung der Beobachtungs-ebene eine verallgemeinerte kanonische Verteilung ist.

Die entscheidende Frage ist aber, wie die Dynamik des Systems beschrieben wird.Eine Antwort auf diese Frage ist durch die Erfahrung gegeben, die besagt dass fureine große Klasse der extensiven Variablen gilt, dass die zeitliche Evolution durch

6 Kapitel 1 Einfuhrung

eine Exponential-Funktion beschrieben werden kann. Setzen wir eine solche Differen-tialgleichung fur die Erwartungswerte an, so konnen wir in beiden Fallen eine Diffe-rentialgleichung angeben, in der die relevante Wahrscheinlichkeitsverteilung eingeht.

Ein Formalismus der dies ermoglicht, ist der Projektionsformalismus, der imdritten Kapitel vorgestellt wird. Dieser Formalismus ermoglicht es, allgemeine Bewe-gungsgleichungen fur die Erwartungswerte anzugeben (siehe [20]). Allerdings mussenim Rahmen dieses Formalismus zwei zentrale Annahmen getroffen werden. Die erstewichtige Annahme ist, das Prinzip des Vergessens der Anfangsbedingungen. DiesesPrinzip ist motiviert durch die physikalische Annahme, dass wir zu keinem Zeitpunktgenaue Kenntnis des Zustandes haben. Deshalb sind im Prinzip alle moglichen mi-kroskopischen Zustande, die vertraglich mit der makroskopischen Praparierung desSystems sind, gleichwahrscheinlich. Aber dann ist auch der Zeitpunkt der Praparie-rung irrelevant und wir konnen ihn, wie auch in der Behandlung der Streutheorieauf −∞ festlegen, d.h. wir sind nur an Ubergangswahrscheinlichkeiten interessiert.Die zweite Annahme, die im Rahmen des Projektionsformalismus getroffen wird,ist jedoch entscheidender. Es ist die Annahme, dass der zugrunde liegende Wahr-scheinlichkeitsprozess fur die stochastischen Variablen ein Markov-Prozess ist. Durchdiese Annahme wird nun zweierlei erreicht: Die Dynamik der Erwartungswerte derBeobachtungsebene erhalten eine formal einfache Struktur, da sie des Gedachtnisef-fektes, der sich zwangslaufig durch die reduzierte Beschreibungsweise ergibt, beraubtwerden. Im Rahmen dieser Naherungen ist auch die mikroskopische Ableitung vonGeneric zu sehen, die Ottinger in [48] angegeben hat.

Es drangt sich nun die Frage auf, was durch diese Naherungen erreicht wurde.Die Antwort auf diese Frage zeigt uns, dass wir auch im Rahmen dieser Naherungnicht zeigen konnen, dass die Entropieerzeugung nicht negativ ist. Dies wurde nurfur Zustande gezeigt, die Nahe am Gleichgewicht sind . Zweitens gilt, dass der Er-wartungswert aller Observablen, die mikroskopisch mit der Hamiltonfunktion ver-tauschen weiterhin eine Erhaltungsgroße ist. Dies zeigt uns, dass es vielleicht ratsamist, die Quelle der Dissipation schon in die mikroskopischen Gleichungen einzubauen.

Ein probates Mittel dafur scheint die Theorie der stochastischen Prozesse zusein. Allerdings nicht in ihrer herkommlichen Form, da sie in dieser Form keineisolierten Systeme beschreiben. Die Prozesse, die in der Literatur untersucht wer-den, sind z.B. der Ornstein-Uhlenbeck Prozess, von dem man zeigen kann, dass erals stationare Losung die kanonische Verteilung besitzt. Eine weitere Moglichkeitist, dass der Klein-Kramer-Prozess angenommen wird, der wiederum die kanoni-sche Verteilung als Gleichgewichtslosung besitzt. Dies ist auch weiter nicht ver-wunderlich, da der Ornstein-Uhlenbeck-Prozess ein Spezialfall des Klein-Kramer-Prozess ist. Dies sieht man, wenn man den Klein-Kramer-Prozess im uberdampftenLimes betrachtet. Allerdings werden bei den stochastischen Prozessen zwei Parame-ter (Reibungskoeffizient und Starke der Fluktuationen) in die Theorie eingefuhrt,die uber das Fluktuations-Dissipationstheorem miteinander verknupft sind. Um dasFluktuations-Dissipationstheorem formulieren zu konnen, muss man aber die Gleich-gewichtslosung des Systems kennen. Man kommt also logisch nicht ohne das Grund-postulat der statistischen Mechanik aus. Die Klein-Kramer-Gleichung kann aus derQuantenmechanik mit Hilfe der Feynman-Vernon Theorie im Rahmen des Caldeira-Leggett-Modells abgeleitet werden. Diese Theorien werden im dritten Kapitel der

1.2 Der Aufbau der Arbeit 7

Arbeit kurz vorgestellt und im einzelnen diskutiert werden.Im vierten Kapitel wird ein neuer stochastischer Prozess vorgestellt. Wir benut-

zen ein multiplikatives Rauschen, dass an eine stochastische Matrix gekoppelt wird.Dazu wird im Anhang (B.1) der Wiener-Prozess auf einer N-dimensionalen Kuge-loberflache behandelt, der als stationare Losung die Gleichverteilung auf der Ku-geloberflache besitzt. Dieser Wiener-Prozess auf der Kugeloberflache wird im vier-ten Kapitel auf die kanonischen Gleichungen im Phasenraum angewendet, indemdie Gleichung fur die generalisierten Impulse durch ein multiplikatives Rauschenerganzt werden, das die thermischen Fluktuationen beschreiben soll. Diese Stocha-stischen Gleichungen werden ebenfalls durch die Existenz einer reduzierten Beschrei-bungsweise erhalten. Es werden aber nur Aussagen uber die Erwartungswerte derPhasenraumfunktionen, die außerhalb der Beobachtungsebene liegen gemacht. DieseAnnahme, ersetzt die Annahme der maximalen Entropie.

Dieser Prozess hat den wesentlichen Vorteil, dass nur ein neuer Parameter, derdie Starke der thermischen Fluktuationen, in die Theorie eingefuhrt wird. Aus die-sem Modell kann man nun das Grundpostulat der statistischen Mechanik folgern.Weiterhin wird gezeigt, dass die Bewegungsgleichungen der Erwartungswerte vonObservablen genau die Struktur haben, wie sie von Generic gefordert wird.

Aufbauend auf dieser Grundstruktur wird gezeigt, dass die Bilanzgleichungenfur die Erwartungswerte der Observablen eines diskreten Systems sich schreiben las-sen, als die Summe eines reversiblen Anteils und eines irreversiblen Anteils, der ausden thermischen Fluktuationen resultiert. Eine Folgerung ist, dass fur Systeme, dieaus vielen Teilchen bestehen und daher einen großem Freiheitsgrad f , die Phasen-raumvariablen sich statistisch unabhangig verhalten, so dass wir die Wahrschein-lichkeitsverteilungsdichte gemaß des zentralen Grenzwertsatz naherungsweise als ei-ne Gauß’sche auffassen konnen. Daraus wird dann folgen, dass die Onsager’schenReziprozitatsbeziehungen [50] im Rahmen des behandelten Modells auch fur diethermodynamischen Flusse und Krafte gelten. Es wird dann weiterhin untersucht,wie sich Systeme verhalten, die sich aus mehren Subsystemen zusammensetzen. Die-se Ergebnisse werden dann dazu benutzt, ein einfaches diskretes System im Rahmenvon Generic zu untersuchen. Dieses einfache System wird im zweiten Kapitel aufder phanomenologischen Ebene untersucht , um einen Vergleich zwischen der Nicht-gleichgewichtsthermodynamik und Generic anzustellen.

8 Kapitel 1 Einfuhrung

Kapitel 2

Thermodynamik

2.1 Nichtgleichgewichtsthermodynamik

2.1.1 Bilanz-Gleichungen

Der Ausgangspunkt der Nichtgleichgewichtsthermodynamik, wie auch der meistenanderen thermodyanamischen Theorien sind die so genannten Bilanz-Gleichungenfur die gesuchten Großen oder auch Basis-Felder. In der Funf-Feld-Theorie sinddie Basis-Felder durch die Massendichte %, die Geschwindigkeits- v und die innereEnergiedichte ε gegeben. Die Entropie ist im Rahmen der Nichtgleichgewichtsther-modynamik kein Basis-Feld, sondern eine Zustandsfunktion, die eine bilanzierbareGroße ist. Die lokalen Bilanz-Gleichungen werden aus den globalen Bilanzen durchdas Reynold’sche Transporttheorem gewonnen und lauten im einzelnen:

Masse: ∂t% +∇ · (v%) = 0, (2.1.1)

Impuls: ∂t (%v) +∇ · (v%v −T>)= %f , (2.1.2)

Innere Energie: ∂t(%ε) + ∇ · (v%ε + q) − ∇v : T = %ω, (2.1.3)

Entropie: ∂t(%s) + ∇ · (v%s + Φ) − πs = %ξ, (2.1.4)

wobei T> der Spannungstensor, f Beschleunigungsdichte, q der Warmestrom, ωder Energiezufluss , Φ der Entropiestrom, πs die Entropieproduktion und ξ derEntropiesupply ist. Wollen wir ein isoliertes System betrachten, mussen wir denEnergiezufluss ω und die Beschleunigungsdichte f und den Entropiesupply ξ zuNull setzen. Der zweite Hauptsatz der Thermodynamik wird in der lokalen Theoriedadurch berucksichtigt, dass die lokale Entropieproduktion

πs ≥ 0. (2.1.5)

eine nicht negative Große ist. Der Spannungstensor und der Warmestrom, sowiedie Entropie werden als Materialfunktionen angenommen, die auf einen gewahltenZustandsraum definiert werden. Bevor wir zum Zustandsraum kommen, fuhren wirneue Basis-Felder ein. Dies geschieht im Hinblick auf den Abschnitt (2.2.1), wo wirdieselben Felder im Rahmen von Generic diskutieren werden. Das neue Basis-Feldwird durch die spezifische innere Energie

η := ρε (2.1.6)

9

10 Kapitel 2 Thermodynamik

und die Zustandsgroße Entropiedichte wird durch die spezifische Entropie

S := ρs (2.1.7)

ersetzt.

2.1.2 Zustandsraum

Der Zustandsraum bestimmt die Klasse von Materialien, die durch ihn beschrie-ben werden kann. Er besteht aus den Gradienten oder auch Zeitableitungen derBasis-Felder. Der strukturelle Vorteil, den man durch die formale Einfuhrung desZustandsraumes erhalt, ist durch seine allgemeine Gultigkeit gegeben. Wir konnenso eine großere Klasse von Phanomenen untersuchen, ohne die genaue Struktur derMaterial-Gleichungen zu kennen, d.h. ohne uns ein konkretes Material vorzugeben,wie z.B. das Navier-Stokes-Fluid.

In der Funf-Feld-Theorie wird ein Fluid untersucht. Die Basis-Felder sind wieoben schon erwahnt durch

Z = (%, η, v)(x, t) (2.1.8)

gegeben und da wir im Allgemeinen ein einfaches dissipatives Fluid untersuchenwollen, nehmen wir an, dass der Zustandsraum

Z+ := (%, η, v,∇%,∇η,∇v) (2.1.9)

nur die Gradienten der Basis-Felder enthalt. Berucksichtigen wir, dass der Zustands-raum nur aus objektiven Feldern (beobachterunabhangige Felder) bestehen soll, mus-sen wir (2.1.9) durch

Z := (%, η,∇%,∇η, (∇v)s) (2.1.10)

ersetzen, wobei ()s den symmetrischen Anteil eines Tensors bezeichnet. Die Rota-tion der Geschwindigkeit, sowie die Geschwindigkeit konnen durch die euklidischenTransformation immer wegtransformiert werden.

Aufgrund der Basis-Felder (2.1.8) sind die konstitutiven Gleichungen in denBilanz-Gleichungen ((2.1.1) - (2.1.4)) durch

T(x, t) = T (Z(x, t)), q(x, t) = Q(Z(x, t)), (2.1.11)

S(x, t) = S(Z(x, t)), Φ(x, t) = P(Z(x, t)), (2.1.12)

πs(x, t) = Π(Z(x, t)), (2.1.13)

gegeben, wobei der Spannungstensor

T(x, t) = T>(x, t), (2.1.14)

symmetrisch ist, da wir eine Flussigkeit ohne Spin betrachten.

2.1 Nichtgleichgewichtsthermodynamik 11

2.1.3 Beobachterunabhangige Materialtheorie

Fur Materialien setzen wir voraus, dass beliebige bewegte Beobachter an ihm diesel-ben Eigenschaften feststellen . Dies bedeutet also, dass wir erwarten, dass es nichtvom Beobachter abhangt, welche Eigenschaften z.B. der Warmestrom hat. DiesesPrinzip der Beobachterindifferenz [30] oder auch materielle Objektivitat fuhrt nunauf Transformationseigenschaften, denen die Materialgleichungen zu genugen haben.Eine Beobachtertransformation wird durch die euklidsche Gruppe vermittelt und imFolgenden wird diese Transformation durch Q beschrieben. Mathematisch formu-liert, bedeutet dies nun, dass sich die Basis-Felder und die Materialeigenschaften beieinem Beobachterwechsel wie folgt transformieren:

% −→ %, η −→ η, πs −→ πs, (2.1.15)

Φ −→ Q ·Φ, q −→ Q · q, (2.1.16)

∇% −→ Q · ∇%, ∇η −→ Q · ∇η, (2.1.17)

(∇v)s −→ Q · (∇v)s ·Q>, T −→ Q ·T ·Q>. (2.1.18)

Das Prinzip der materiellen Indifferenz der konstitutiven Gleichungen fordert nun,dass sie isotrope Funktionen auf ihrem Wertebereich sind. Damit haben sie dasfolgende Transformationsverhalten:

Q ·T ·Q> = T (%, η, Q · ∇%, Q · ∇η, Q · (∇v)s ·Q>), (2.1.19)

Q · q = Q(%, η, Q · ∇%, Q · ∇η, Q · (∇v)s ·Q>), (2.1.20)

Q ·Φ = F(%, η, Q · ∇%, Q · ∇η, Q · (∇v)s ·Q>). (2.1.21)

Setzen wir nun die gewahlten Zustandsvariablen (2.1.10) in die Bilanzgleichungenfur den Impuls, innere Energie und die Entropie ein, so erhalten wir die Bilanzglei-chungen auf dem Zustandsraum

%v − ∂T

∂%· ∇%− ∂T

∂η· ∇η − ∂T

∂∇%: ∇∇%−

− ∂T

∂∇η: ∇∇η − ∂T

∂(∇v)s: ·∇(∇v)s = 0, (2.1.22)

η + η1 : (∇v)s +∂q

∂%· ∇% +

∂q

∂η· ∇η +

∂q

∂∇%: ∇∇% +

+∂q

∂∇η: ∇∇η +

∂q

∂(∇v)s: ·∇(∇v)s −T : (∇v)s = 0 (2.1.23)

und die Dissipationsungleichung

∂S

∂%% +

∂S

∂ηη +

∂S

∂∇%· ˙(∇%) +

∂S

∂∇η· ˙(∇η) +

∂S

∂(∇v)s: ˙((∇v)s) + S1 : (∇v)s

+∂Φ

∂%· ∇% +

∂Φ

∂η· ∇η +

∂Φ

∂∇%: ∇∇% +

+∂Φ

∂∇η: ∇∇η +

∂Φ

∂(∇v)s: ·∇(∇v)s ≥ 0

.(2.1.24)

12 Kapitel 2 Thermodynamik

Diese Bilanzen (2.1.22) und (2.1.23), sowie die Dissipationsungleichung (2.1.24) aufdem Zustandsraum sind linear in den hoheren Ableitungen

y> = (%, η, v, ˙(∇%), ˙(∇η), ˙((∇v)s),∇∇%,∇∇η,∇(∇v)s), (2.1.25)

da die Bilanzen (2.1.2) bis (2.1.4) linear in den Ableitungen ∂t und ∇ sind. Be-nutzen wir nun (2.1.25), so konnen wir die Bilanzen (2.1.22) und (2.1.23) und dieDissipationsungleichung (2.1.24) auf dem Zustandsraum durch

Ay = C, By ≥ D. (2.1.26)

ausdrucken. Hierbei sind die Abkurzungen A, C,B und D durch

A =

1 0 0 0 0 0 0 0 00 0 %1 0 0 0 − ∂T

∂∇%− ∂T

∂∇η− ∂T

∂(∇v)s

0 1 0 0 0 0∂q∂∇%

∂q∂∇η

∂q∂(∇v)s

, (2.1.27)

C =

−%1 : (∇v)s

∂T∂%· ∇% + ∂T

∂η· ∇η

−η1 : (∇v)s + T : (∇v)s − ∂q∂%· ∇%− ∂q

∂η· ∇η

, (2.1.28)

B =(

% ∂s∂%

% ∂s∂η

0 % ∂s∂∇%

% ∂s∂∇η

% ∂s∂(∇v)s

∂Φ∂∇%

∂Φ∂∇η

∂Φ∂(∇v)s

), (2.1.29)

D =(−S1 : (∇v)s − ∂Φ

∂%· ∇%− ∂Φ

∂η· ∇η

)(2.1.30)

gegeben. Der nachste logische Schritt ist die Auswertung der Dissipationsunglei-chung (2.1.26)2 im Hinblick auf die Bilanzen (2.1.26)1. Da es mehrere Moglichkeitengibt, die Ungleichungen auszuwerten, werden wir auf diese Tatsache im folgendenAbschnitt etwas genauer eingehen.

2.1.4 Auswertung der Dissipationsungleichung

Dazu geben wir zuerst die folgende Definition an:

Definition 2.1. Die Materialklasse bezeichnet die Menge aller zulassigen Ma-terialien hinsichtlich eines gewahlten Zustandsraumes. Als zulassige Material-klasse bezeichnen wir ein System konstitutiver Gleichungen (2.1.11) bis (2.1.13),das Losung der Bilanzgleichungen (2.1.26)1 zulasst und die Dissipationsungleichung(2.1.26)2 erfullt.

Im Prinzip sind nun zwei Methoden denkbar, die sich gegenseitig ausschließen,um die Materialklasse zu bestimmen.

1. Fur gegebene A,C,B und D schließt die Dissipationsungleichung gewisse Pro-zessrichtungen y aus. Damit sind dann gewisse Prozesse, die durch y beschrie-ben werden, ausgeschlossen.

2.1 Nichtgleichgewichtsthermodynamik 13

2. Die Großen A,C,B und D mussen so bestimmt werden, dass alle Prozessrich-tungen moglich sind. Dies bedeutet, dass die Dissipationsungleichung durchkeine Prozessrichtung y, die beliebig vorgebbar ist, verletzt werden kann.

Ohne eine zusatzliche physikalische Annahme zu treffen, ist es nun unmoglich zuentscheiden, welche der beiden Moglichkeiten die richtige ist. Deshalb benotigen wirnoch einen Zusatz zum zweiten Hauptsatz der Thermodynamik, um zwischen denbeiden Moglichkeiten entscheiden zu konnen. Dieser Zusatz zum zweiten Hauptsatzwird durch das Axiom der nicht-reversiblen Prozessrichtungen gegeben, welches imDetail in [29] diskutiert wird und lautet:

Axiom 2.1. Außer im Gleichgewichtsteilraum existieren keine reversiblen Prozesseim Zustandsraum.

Eine Folge des Axioms ist, dass die Formulierung des zweiten Hauptsatzes durchColeman und Mizel [33]

∀ ∃ y : A(Z) · y = C(Z) =⇒ B(Z) · y ≥ D(Z), (2.1.31)

gultig ist, dies bedeutet, dass alle Losungen der Bilanzgleichung der Dissipations-ungleichung genugen mussen. Durch diese Implikation werden nun Bedingungen anA,C,B und D gestellt. Diese Bedingungen geben die Materialklasse an. Es gibtnun verschiedene Methoden die Dissipationsungleichung (2.1.24) auszuwerten. Wirwerden im Folgenden die Methode von Liu anwenden.

Satz 2.1. Liu’s Theorem [28,29]:Unter der Voraussetzung, dass (2.1.31) gilt, gibt es Zustandsfunktionen λ(Z), sodass die Liu-Gleichungen gelten

B(Z) = λ(Z) ·A(Z), (2.1.32)

λ(Z) ·C(Z) ≥ D(Z). (2.1.33)

Die Zustandsfunktionen λ sind nur eindeutig, falls der Rang von A maximal ist.Die Entropieproduktionsdichte

πs = λ ·C − D ≥ 0 (2.1.34)

ist unabhangig von der Prozessrichtung, bzw. von den hoheren Ableitungen.

2.1.5 Liu’s Gleichungen

Setzen wir nun die Ausdrucke (2.1.27) und (2.1.29) in Gl. (2.1.32) ein, so erhaltenwir die Liu-Gleichungen

λ1 = %∂s

∂%, (2.1.35)

%λ3 = ρ∂s

∂η, (2.1.36)

14 Kapitel 2 Thermodynamik

%λ2 = 0, (2.1.37)

0 = %∂s

∂∇%, (2.1.38)

0 = %∂s

∂∇η, (2.1.39)

0 = %∂s

∂(∇v)s, (2.1.40)

−λ2 · ∂T

∂∇%+ λ3

∂q

∂∇%=

∂Φ

∂∇%, (2.1.41)

−λ2 · ∂T

∂∇η+ λ3

∂q

∂∇η=

∂Φ

∂∇η, (2.1.42)

−λ2 · ∂T

∂(∇v)s+ λ3

∂q

∂(∇v)s=

∂Φ

∂(∇v)s, (2.1.43)

die zu den Basis-Feldern (2.1.8) und dem gewahlten Zustandsraum (2.1.10) geho-ren. Aus (2.1.38) bis (2.1.40) erhalten wir das bemerkenswerte Resultat, dass dieNichtgleichgewichtsentropie

s = S(%, η), (2.1.44)

nicht von den Nichtgleichgewichtsvariablen des Zustandsraumes (Gradienten derBasis-Felder) abhangt. Deshalb konnen wir durch (2.1.36) und (2.1.35) die folgendenAbkurzungen

1

T(%, η) := λ3 = %

∂s

∂η, −µ(%, η) :=

λ1

λ3

% = T%2 ∂s

∂%(2.1.45)

einfuhren. Dabei ist die Interpretation evident: T ist die Gleichgewichtstemperaturund µ ist das chemische Potenzial des Gleichgewichts. Aus (2.1.41) bis (2.1.43) we-gen (2.1.37) (λ2 = 0) erkennen wir, dass die Differenz des Entropiestroms Φ unddes Warmestroms λ3q nicht von den Gradienten der Basis-Felder abhangen kann.Deshalb gibt es eine Funktion φ(%, η), so dass

Φ(%, η,∇%,∇η, (∇v)s) = λ3(%, η)q(%, η,∇%,∇η, (∇v)s) + φ(%, η) (2.1.46)

gilt. Im Gleichgewicht gilt nun allerdings

Φeq = 0 und qeq = 0 =⇒ φeq ≡ φ = 0, (2.1.47)

deshalb konnen wir folgern, gemaß (2.1.46), dass die Entropieflussdichte durch

Φ(%, η,∇%,∇η, (∇v)s) =1

T(%, η)q(%, η,∇%,∇η, (∇v)s) (2.1.48)

auszudrucken ist. Ein Resultat, dass in der rationalen Thermodynamik oft benutztwird, allerdings ohne zu sagen, woher es kommt.

2.1 Nichtgleichgewichtsthermodynamik 15

2.1.6 Dissipations-Ungleichung

Setzen wir die Ausdrucke (2.1.28) und (2.1.30) in die Gleichung (2.1.33) ein, so kanndie Dissipationsungleichung (2.1.33) durch

−λ1%1 : (∇v)s + λ2 · [∂T

∂%· ∇% +

∂T

∂η· ∇η] +

+λ3[−η1 : (∇v)s + T : (∇v)s − ∂q

∂%· ∇%− ∂q

∂η· ∇η] ≥

≥ −S1 : (∇v)s − ∂Φ

∂%· ∇%− ∂Φ

∂η· ∇η. (2.1.49)

ausgedruckt werden. Setzen wir in diese Gleichung noch die Ausdrucke (2.1.37) und(2.1.45) ein und differenzieren wir den Entropieflusses (2.1.48) nach den jeweiligenBasis-Feldern, so bekommen wir die Ungleichung

−(

%∂s

∂%+

η

T+

p(%, η)

T− S

)1 : (∇v)s +

1

TV(Z) : (∇v)s + q(Z) · ∇ 1

T≥ 0.

(2.1.50)

Hier ist V(Z) der so genannte dissipative Anteil des Spannungstensors

T(Z) + p(%, η)1 =: V(Z). (2.1.51)

Da nun aber alle Großen in der ersten Klammer von (2.1.50) unabhangig von (∇v)s

sind, muss

%∂s

∂%+

η

T+

p(%, η)

T= %s, (2.1.52)

gelten, damit ist aber die Entropieproduktion durch

πs =1

TV(Z) : (∇v)s + q(Z) · ∇ 1

T≥ 0. (2.1.53)

gegeben. Dann aber konnen wir die Bilanzgleichung fur die Entropie (2.1.4) mit(2.1.46) und (2.1.51) als

ρs +∇ · q

T= − 1

TV : (∇v)s + q · ∇ 1

T(2.1.54)

schreiben. Setzen wir nun in diesen Ausdruck die Bilanzgleichungen (2.1.1) - (2.1.3)ein, so erhalten wir das Resultat:

ρs =ρ

Tη − p

ρTρ, (2.1.55)

welches im Einklang mit (2.1.35) und (2.1.36) steht. Die Gleichung (2.1.52) wirdauch Gibbs-Duhem Gleichung genannt.

16 Kapitel 2 Thermodynamik

Die Entropieproduktion (2.1.53) ist ein Produkt zwischen Flussen und Kraften.Da die kontinuierlichen Flusse und Krafte immer das gleiche Vorzeichen haben mus-sen [?], da man sonst die Dissipationsungleichung verletzen kann. Weiterhin gilt,falls die Flusse stetig sind, dass wir folgende Darstellung

V(Z) = L11(Z) : (∇v)s + L12(Z) · ∇ 1

T, (2.1.56)

q(Z) = L21(Z) : (∇v)s + L22(Z) · ∇ 1

T(2.1.57)

fur die Flusse angeben konnen. Setzen wir diese Darstellung in die Entropieproduk-tion ein, so erhalten wir

1

T(L11(Z) : (∇v)s) : (∇v)s +

1

TL12(Z) · ∇ 1

T: (∇v)s

+L21(Z) : (∇v)s · ∇ 1

T+ L22(Z) · ∇ 1

T· ∇ 1

T≥ 0. (2.1.58)

Damit ist offensichtlich, dass die Großen L12(Z) und L21(Z) nicht unabhangig von-einander sind, da ansonsten die Dissipationsungleichung verletzt werden konnte.Aber bevor wir naher auf diesen Punkt eingehen, werden wir uns zunachst mit derFormulierung der Funf-Feld-Theorie mittels Generic vertraut machen.

2.2 Generic

Befassen wir uns nun mit der Formulierung der Thermodynamik durch Generic1.Die Saulen dieser Theorie bestehen aus funf fundamentalen Blocken, die von Gre-mela und Ottinger ( [38] bis [?]) eingefuhrt wurden. Wir stellen hier zunachst dieRahmentheorie vor, bevor wir sie einmal auf die Funf-Feld-Theorie und ein diskretesSystem anwenden. Die Theorie zeichnet sich dadurch aus, dass sie nicht unterscheidetzwischen der Feldformulierung und diskreten Systemen. Dies wird erreicht durch dieEinfuhrung globaler Potentiale, die als Energie und Entropie des Systems interpre-tiert werden. Allerdings ist die Einfuhrung einer globalen Energie, sowie auch Entro-pie zunachst logisch nur moglich, wenn man sich auf isolierte Systeme beschrankt.Fur die Feldformulierung, heißt das, man fordert die Existenz eines kompakten Ge-bietes G, fur das gilt, dass die Energie erhalten bleibt, dass also die Flusse uberden Rand des Gebietes verschwinden. Die zugrundeliegende Struktur von Genericwird beschrieben durch die vier Blocke, mit denen sich die Dynamik des Systemsbeschreiben lasst. Sie sind explizit gegeben durch:

1Generic (General Equation for the No Equilibrium Reversible-Irreversible Coupling)

2.2 Generic 17

1. Die Menge der gesuchten Großen Z des zu beschreibendenisolierten Systems

2. Die Gesamtenergie des betrachteten, isolierten SystemsEtot[Z] =

∫etot(Z)d3x und seine Entropie S[Z] =∫

s(Z)d3x, die nur von den gesuchten Großen abhangen

3. Zwei, im allgemeinen operatorwertigen Matrizen L(Z) undM(Z), die

4. vom gewahlten Zustandsraum Z abhangen, welcher imallgemeinen nicht identisch mit der Menge der gesuchtenGrossen Z zu sein hat

Die Bewegungsgleichungen der Basis-Felder sind durch die spezielle Generic-Formgegeben

Z = L · δEtot

δZ+M· δS

δZ, (2.2.1)

wobei man den ersten Summanden in (2.2.1)1 als den reversiblen und den zweiten(2.2.1 )2 als den irreversiblen Anteil der Dynamik von Z

Zrev := L · δEtot

δZ, Zirr := M· δS

δZ(2.2.2)

interpretiert. Das Symbol δ/δ steht hier fur die Funktionalableitung, die die globalenGroßen (Potenziale) auf die lokalen abbildet, wie wir weiter unten in der GenericBehandlung, sehen werden. Neben den Bewegungsgleichungen (2.2.1) existieren wei-tere Bedingungen

L · δS(Z)

δZ= 0, M · δEtot(Z)

δZ= 0 (2.2.3)

fur die Großen, die in (2.3.1) auftauchen, die die moglichen Operatoren L andM einschranken. Diese Gleichungen werden im Folgenden Degenerierungsbedingun-gen (2.2.3) genannt. Die Bedingung, dass δS(Z)/δZ im Kern von L liegt, drucktdie Reversibilitat des L-Beitrags in den Bewegungsgleichungen (2.2.1) aus. Die-ser L-Beitrag erzeugt also keine Dissipation. Andererseits ist die Forderung, dassδEtot(Z)/δZ im Kern von M liegt, ein Ausdruck dafur, dass die Gesamtenergiedes Systems erhalten bleibt. Deshalb beschreiben die Degenerierungsbedingungen(2.2.3), die Kopplung zwischen der reversiblen und der irreversiblen Dynamik derBasis-Felder. Dieser Umstand liegt der Namensgebung von Generic (GeneralEquation for the Non Equilibrium Reversible-Irreversible Coupling) zugrunde. EineMoglichkeit L zu konstruieren, ist, wie in [45] gezeigt wird, gegeben durch die Exi-stenz eines erzeugenden Funktionals G(Z). Diese Konstruktion des Poisson-Operatorsdurch die Gruppentheorie wird hier am Beispiel eines diskreten System (siehe Ab-schnitt (2.3.2)) vorgefuhrt, wobei die erzeugende Funktion durch

L ∂G(Z)

∂Z= v · ∂Z

∂x. (2.2.4)

18 Kapitel 2 Thermodynamik

gegeben ist. Fur eine genauere Diskussion siehe [40]. Auf der rechten Seite der Gl.(2.2.4) steht das Geschwindigkeitsfeld und der raumliche Gradient der Basis-FelderZ.

Die weiteren Eigenschaften, der operatorwertigen Matrizen L andM werden nundurch einen Klammer-Formalismus beschrieben, wobei die erste Klammer antisym-metrisch und die zweite symmetrisch in ihren Eingangen ist

[A,B] :=

⟨δA

δZ,L · δB

δZ

⟩.= −[B,A] → [A,A] = 0, (2.2.5)

A,B :=

⟨δA

δZ,M · δB

δZ

⟩.= B, A, A,A ≥ 0. (2.2.6)

Weiterhin steht 〈, 〉 fur das Skalarprodukt, dass durch

⟨δA

δZ,L · δB

δZ

⟩:=

∫ [δA

δZ· L · δB

δZ

]d3x (2.2.7)

gegeben ist, und A,B sind zwei hinreichend regulare, reellwertige Funktionale auf Z.Aus (2.2.5) folgt unmittelbar, dass L antisymmetrisch ist. Hingegen mussen wir diePositivitat von M noch explizit fordern, da sie nicht aus der Definition (2.2.6)dersymmetrischen Klammer folgt. Da wir annehmen, dass das Gesamtsystem isoliertist und wir uber das Volumen des Systems zu integrieren haben

∫XA · ∇Y d3x = −

∫Y∇ · (AX) d3x, (2.2.8)

verschwinden Oberflachen-Terme bei partieller Integration. Die antisymmetrischeKlammer soll zudem die Jacobi-Identitat

[A, [B, C]] + [B, [C, A]] + [C, [A,B]].= 0 (2.2.9)

erfullen. Mit Hilfe des Klammer-Formalismus konnen wir, entsprechend zu (2.2.1),(2.2.5) und (2.2.6), die zeitliche Evolution einer Funktion A[Z] der gesuchten Felderals

∫A(Z) d3x =

∫∂A

∂Z· Z d3x = [A,Etot] + A, S (2.2.10)

schreiben. Damit erhalten wir fur A ≡ Z die Gleichung:

∫Z d3x = [Z, Etot] + Z, S. (2.2.11)

Das erste Gesetz der Thermodynamik fur isolierte Systeme erhalten wir durch diespezielle Wahl A[Z] = Etot[Z]. Dann wird die Erhaltung der Gesamtenergie gemaß(2.2.10), (2.2.5) und (2.2.6) durch

˙Etot = [Etot, Etot] + Etot, S = 0 (2.2.12)

2.2 Generic 19

ausgedruckt. Der erste Term in der obigen Gleichung ergibt Null gemaß (2.2.5) undder zweite Term ist ebenfalls Null wegen (2.2.3). Das zweite Gesetz der Thermody-namik fur isolierte Systeme, dass die Entropieproduktion immer nicht negativ ist,erhalten wir durch die Wahl A[Z] = S[Z] und wird im Rahmen von Generic, bzw.(2.2.3), durch

S = [S, Etot] + S, S = S, S ≥ 0 (2.2.13)

formuliert. Nachdem wir den allgemeinen Rahmen von Generic vorgestellt haben,wollen wir ihn auf die Funf-Feld-Theorie anwenden. Dazu mussen wir aber weitergehende Annahmen machen, insbesondere mussen wir bestimmte Materialannah-men treffen. Dies wird im einzelnen im Abschnitt 2.2.1 betrachtet. Ein wesentlicherUnterschied zur Behandlung durch die Nichtgleichgewichtsthermodynamik ist nun,dass die Entropie nur von den Basis-Feldern abhangt.

2.2.1 Durchfuhrung der Theorie

2.2.2 Reversibler Anteil der Bilanzen

Da wir ein isoliertes System zugrunde legen, sind die Bewegungsgleichung fur dieBasis-Felder (2.2.1) als Summe von einem reversiblen und einem irreversiblen Anteilan der Dynamik darstellbar. Wir beginnen hier mit der reversiblen Dynamik, die furdie Basis-Felder, gemaß (2.1.1) bis (2.1.3), gegeben sind durch:

∂t% = −∇ · (v%), (2.2.14)

∂t(%v) = −∇ · (v%v)−∇P, (2.2.15)

∂t(%ε) = −∇ · (v%ε)− P∇ · v, (2.2.16)

wobei P den Druck beschreibt. Die Basis-Felder sind also durch (2.1.8)

Z = (%, p := %v, η := %ε)(x, t), (2.2.17)

gegeben und der gewahlte Zustandsraum durch (2.1.9)

Z+ := (%, p, η,∇%,∇p,∇η), (2.2.18)

da hier, im Gegensatz zu (2.1.10), nicht das Konzept des objektiven Zustandsraumverlangt wird. Die globale Energie setzt sich aus der kinetischen Energie und derinneren Energie zusammen und ist durch

Etot(Z) =

∫ [p2(x, t)

2%(x, t)+ η(x, t)

]d3x. (2.2.19)

gegeben. Bilden wir die funktionalen Ableitung von (2.2.19), so erhalten wir dielokale Felder

δEtot

δZ=

(− 1

2ρ2p2(x, t),

1

ρp(x, t), 1

), (2.2.20)

20 Kapitel 2 Thermodynamik

die eingesetzt in (2.2.1)1 den reversiblen Anteil der Bewegungsgleichung

∂t%∂tp∂tη

= L ·

−1

2v2

v1

=

−∇ · (v%)−∇ · (vp)−∇P−∇ · (vη)− P∇ · v

. (2.2.21)

erzeugen. Diese funf Gleichungen sind aber keine hinreichende Bedingung, um die13 Komponenten des antisymmetrischen Operators L zu bestimmen. Aber da wirhier nur eine Neu-Formulierung der Bilanzen ((2.1.1) bis (2.1.3)) durchfuhren, istunter diesem Standpunkt die Unbestimmtheit nicht gravierend, da alle verschiede-nen Operatoren L zu denselben Bilanzen (2.2.14) bis (2.2.16) fuhren wird und wirverweisen auf [39], wo der Operator aus gruppentheoretischen Erwagung abgeleitetwurde. Auf der anderen Seite wird durch die Festlegung von L der Vektor δS/δZbestimmt, da die Degenerierungsbedingung (2.2.3)1 zu gelten hat.

Wir zeigen hier nur, dass eine Matrix L, die die Bedingung (2.2.21) erfullt, ge-geben ist durch:

L = −

0 ∇%· 0%∇ [∇p + p∇]>· ∇P + η∇0 (P∇+∇η)· 0

. (2.2.22)

Setzen wir nun (2.2.22) in (2.2.21) ein, so erhalten wir

0 ∇%· 0%∇ [∇p + p∇]>· ∇P + η∇0 (P∇+∇η)· 0

−1

2v2

v1

= −

∇ · (%v)−%∇(1

2v2) +∇p · v + p(∇> · v) + (∇P + η∇)

(P∇+∇η) · v

= −

∇% · v−%vi∂kvi + ∂i(pkvi) + pi∂kvi + ∂kP

(P∇+∇η) · v

(2.2.23)

=

−∇ · (v%)−∇ · (vp)−∇P−∇ · (vη)− P∇ · v

, (2.2.24)

womit die Behauptung gezeigt ist. Untersuchen wir als nachstes die Degenerierungs-bedingung (2.2.3)1

L · δS(Z)

δZ= 0. (2.2.25)

Diese Bedingung wird nun benutzt, um den Kern des Operators L zu bestimmen.Allerdings werden, wie schon bemerkt, unterschiedliche Matrizen auch verschiedeneKerne haben. Die globale Entropie hangt nur von den Basis-Feldern Z ab und istdurch

S(Z) =

∫%s(%, p, η) d3x. (2.2.26)

2.2 Generic 21

gegeben. Durch die funktionalen Ableitungen von S erhalten wir die folgenden Fel-der:

δS

δZ=

δSδ%δSδpδSδη

=

∂(%s)∂%

∂(%s)∂p

∂(%s)∂η

=:

− µ

Θ

% ∂s∂p1Θ

. (2.2.27)

Hier werden die gebrauchlichen Gleichgewichtsgroßen eingefuhrt (siehe auch (2.1.45)).Das chemische Potenzial µ und die absolute Gleichgewichtstemperatur Θ sind dieAbleitungen der Entropie nach der Dichte % bzw. nach der inneren Energie η. Wertenwir nun die Bedingung (2.2.3)1 aus, so erhalten wir

0 ∇%· 0%∇ [∇p + p∇]>· ∇P + η∇0 (P∇+∇η)· 0

− µ

Θ

% δSδp1Θ

=

∇% · δSδp

−%∇ µΘ

+ [∇p + p∇]> · δSδp +∇P

Θ+ η∇ 1

Θ

(P∇+∇η) · δSδp

= 0. (2.2.28)

Damit kann der Gradient der Entropie nur im Kern von S liegen, falls gilt

∂%s

∂p= 0, (2.2.29)

(−%∇ µ

Θ+ ∇P

Θ+ η∇ 1

Θ

)= 0, (2.2.30)

(2.2.31)

Aus dieser Gleichung kann gefolgert werden, dass die Entropie durch

%s =1

Θ(η + P − %µ) + const (2.2.32)

ausgedruckt werden kann. Dies sieht man ein, wenn wir Gradienten der Entropiebetrachten

∇S =1

Θ∇η − µ

θ∇% (2.2.33)

und zum anderen den Gradienten von (2.2.32) bilden

∇(1

Θ(η + P − %µ) + const ) =

1

Θ∇η − µ

θ∇% +

(−%∇ µ

Θ+ ∇P

Θ+ η∇ 1

Θ

)

=1

Θ∇η − µ

θ∇%, (2.2.34)

da der Term in der Klammer identisch verschwindet. Aus diesem Ausdruck kann nunanalog zu (2.1.55) gefolgert werden, dass die zeitliche Ableitung der Entropie [40]geschrieben werden kann als

%s =%

Θη − P

%θ%. (2.2.35)

22 Kapitel 2 Thermodynamik

Es zeigt sich durch (2.2.29), dass wir im Rahmen der Generic-Formulierung, eben-falls zeigen konnen, dass die Entropie nicht von der Geschwindigkeit v abhangt. Dadie Nichtgleichgewichtsvariablen durch das Gerust (Punkt 2) von Generic ausge-schlossen wurden, ist dies zusammen mit (2.2.29), das selbe Resultat, welches wir imRahmen der Nichtgleichgewichtsthermodynamik (2.1.44) durch die Liu-Gleichungenerhalten haben. Die Gleichung (2.2.35) wiederum ist der Ausdruck fur die Entro-pie, den wir in der rationalen Behandlung durch die Auswertung (2.1.55) der Liu-Ungleichung gefunden haben. Die Jacobi-Identitat wird durch den Poisson-Operatorerfullt, wie in [40] gezeigt wird.

2.2.3 Irreversibler Anteil der Bilanzen

Als nachstes mussen wir uns den Dissipationsoperator M betrachten. Um ihn zukonstruieren, stehen uns die Bewegungsgleichung (2.2.2)2 und die Degenerierungs-bedingung (2.2.3)2 zur Verfugung. Damit mussen wir die beiden Gleichungen

M · δS(Z)

δZ= M ·

− µ

Θ

01Θ

=

0∇ ·V

∇v : V −∇ · q

, (2.2.36)

M· δEtot(Z)

δZ= M ·

−(1/2)v2

v1

=

000

. (2.2.37)

betrachten. Aus (2.2.27) und (2.2.36) konnen wir unmittelbar, die Entropieproduk-tion berechnen, da dazu die Kenntnis von M nicht erforderlich ist. Wir erhalten aus(2.2.13) die folgende Entropieproduktion

⟨δS(Z)

δZ,M · δS(Z)

δZ

⟩=

∫1

Θ[∇v : V −∇ · q] d3x = (2.2.38)

=

∫[1

Θ∇v : V + q · ∇ 1

Θ] d3x =

∫πs d3x ≥ 0. (2.2.39)

Da das letzte Gleichheitszeichen in der obigen Gleichung fur alle Integrationsgebietegultig ist, erhalten wir als lokale Entropieproduktion

πs =1

Θ∇v : V + q · ∇ 1

Θ≥ 0. (2.2.40)

Dies ist dasselbe Ergebnis (2.1.52), wie wir sie schon in der konventionellen Behand-lung der Funf-Feld-Theorie gefunden haben. Die Entropieproduktion ist als auchhier, wie ublich, ein Produkt zwischen Flussen und Kraften. Da die kontinuierli-chen Flusse und Krafte immer die gleichen Nullstellen haben mussen , da man sonstdie Dissipationsungleichung verletzen kann, darf man schließen, dass wir folgendenicht-lineare Darstellung

V(Z) = L11(Z) : (∇v)s + L12(Z) · ∇ 1

Θ, (2.2.41)

q(Z) = L21(Z) : (∇v)s + L22(Z) · ∇ 1

Θ(2.2.42)

2.2 Generic 23

fur die Flusse angeben konnen, die im Unterschied zu (2.1.56) und (2.1.57) sichaus dem vollem ∂ivk zusammensetzt, da wir in Generic nicht den objektiven Zu-standsraum eingefuhrt haben. Das nur der symmetrische Anteil des Gradienten derGeschwindigkeit eingeht, ist eine direkte Folge dessen, dass wir nur eine Aussage uberdie Nullstellen machen konnen in der Entropieproduktion machen konnen (∇v = 0ist symmetrisch). Mit dieser Darstellung wollen wir im Folgenden arbeiten. Furdie weitere Konstruktion des Dissipationsoperator ist die Gibbs-Duhem-Gleichung(2.2.30) von Bedeutung, da wir an ihr ablesen konnen, dass ∇(µ/Θ)und ∇(1/Θ) imAllgemeinen unabhangige Großen sind, die nur bei einem konstanten Druck ∇P = 0voneinander abhangen. Nehmen wir im Folgenden an, dass ein konstanter Drucknur im Gleichgewicht erreicht wird, so konnen wir aus (2.2.37) schließen, dass dieerste Zeile des Dissipationsoperators identisch Null sein muss. Deshalb und wegender Symmetrie von M hat der Dissipationsoperator die Folgende Gestalt:

M =

0 0 00 M22 M 23

0 M 32 M33

. (2.2.43)

Setzen wir nun (2.2.41) und (2.2.42) in (2.2.36) so erhalten wir:

0 0 00 M22 M 23

0 M 32 M33

·

− µ

Θ

01Θ

=

0∇ · (L11(Z) : (∇v)s + L12(Z) · ∇ 1

Θ)

∇v : (L11(Z) : (∇v)s + L12(Z) · ∇ 1Θ)−∇ · (L21(Z) : (∇v)s + L22(Z) · ∇ 1

Θ)

.

(2.2.44)

Man erkennt, dass diese Gleichung nur Ausdrucke fur M 23 und M33 liefern kann.Wir bekommen eine eindeutige Darstellung fur M 23, die durch

M23k [∗] = ∂i[

1

2(L11

ikpq + L11ikqp)(∂pvq)Θ∗] + ∂i[L

12ikp∂p∗] (2.2.45)

gegeben ist, wobei aus den Bewegungsgleichungen folgt, dass L12ikp = L12

kip, da derSpannungstensor symmetrisch ist. Weiterhin erhalten wir fur M33 diese Darstellung:

M33[∗] = (∂ivk)1

2(L11

ikpq + L11ikqp)(∂pvq)Θ∗] + (∂ivk)L

12ikp∂p ∗

−∂i[1

2(L21

ipq + L21iqp)(∂pvq)Θ∗] − ∂i[L

22ip ∂p∗] (2.2.46)

Bevor wir uberprufen, welche Konsequenzen die Symmetriebedingung (2.2.6) fur dieDarstellung des Dissipationsoperators hat, betrachten wir als nachstes die Degene-rierungsbedingung (2.2.37), so erhalten wir die folgenden Gleichungen

M22 · v + M 23 = 0 (2.2.47)

M 32 · v + M33 = 0. (2.2.48)

24 Kapitel 2 Thermodynamik

Werten wir zunachst die erste Gleichung (2.2.47) aus, so erhalten wir

M22kq [vq] + ∂i[

1

2(L11

ikpq + L11ikqp)(∂pvq)Θ] + ∂i[L

12ikp∂p1]

= M22kq [vq] + ∂i[

1

2(L11

ikpq + L11ikqp)(∂pvq)Θ] = 0. (2.2.49)

Der Gradient der Energie liegt damit nur im Kern des Dissipationsoperator, wennM22 durch

M22kq [∗] = −∂i[

1

2(L11

ikpq + L11ikqp)(∂p∗)Θ], (2.2.50)

gegeben ist. Bevor wir die zweite Bedingungsgleichung (2.2.48) auswerten konnen,mussen wir uns zuerst M 32 aus den Symmetrieeigenschaften (2.2.6)

A,B = B,A, (2.2.51)

der Dissipationsklammer konstruieren. Es gilt fur beliebige Funktionale A und B dergesuchten Großen. Bevor wir M 32 konstruieren, schauen wir uns zunachst M 33 an.Es gilt fur M 33 mit (2.2.46) und (2.2.51)

IL :=

∫δA

δηM 33

[δB

δη

]d3x

.=

∫δB

δηM 33

[δA

δη

]d3x =: IR (2.2.52)

Setzen wir nun (2.2.46) in IL ein, so erhalten wir

IL =

δA

δη(∂ivk)

1

2(L11

ikpq + L11ikqp)(∂pvq)Θ

δB

δη︸ ︷︷ ︸I

+δA

δη(∂ivk)L

12ikp∂p

∂B

∂η︸ ︷︷ ︸II

− δA

δη∂i[

1

2(L21

ipq + L21iqp)(∂pvq)Θ

∂B

∂η]

︸ ︷︷ ︸III

− δA

δη∂i[L

22ip ∂p

δB

δη]

︸ ︷︷ ︸IV

d3x.

Wir erkennen sofort, dass die Terme I, da er keinen Gradienten enthalt, und IV ,da er zwei Gradienten enthalt, die Symmetrie erhalten, wenn L22

ip = L22pi gilt. Die

Terme II und III mussen sich aber gegenseitig kompensieren, da sie jeweils nureinen Gradienten enthalten. Integrieren wir die Terme II und III einmal partiell,so erhalten wir

III,IIIL =

∫−

[∂p

δA

δη(∂ivq)L

12iqp

]δB

δη︸ ︷︷ ︸a

+

(∂i

δA

δη

)[1

2(L21

ipq + L21iqp)(∂pvq)Θ

δB

δη]

︸ ︷︷ ︸b

d3x

Dieser Ausdruck soll aber nach Voraussetzung gleich

III,IIIR =

∫δB

δη(∂ivq)L

12iqp∂p

δA

δη︸ ︷︷ ︸c

− δB

∂η∂i[

1

2(L21

ipq + L21iqp)(∂pvq)Θ

δA

δη]

︸ ︷︷ ︸d

d3x

2.2 Generic 25

sein. Wir erkennen, dass die Ausdrucke a und d, bzw. b und c identisch seien mussen.Dies sieht man daran, dass die Ausdrucke a und d Ableitungen der phanomenologi-schen Materialfunktionen L21

ipq und L12ipq enthalten, wahrend die Ausdrucke b und c

nur die Materialfunktionen selbst enthalten. Betrachten wir zunachst die Terme, dienur die Ableitungen der Materialfunktionen enthalten, wir erhalten die folgendenIdentitaten fur die Ableitungen Materialfunktionen:

∂p

[L12

iqp(∂ivq)∗]

= ∂p[1

2(L21

piq + L21pqi)(∂ivq)Θ∗],

wobei der Summationsindex vertauscht wurde. Betrachten wir als nachstes, die Ter-me die nun keine Ableitungen der Materialfunktionen enthalten, so muss die folgendeGleichung gelten

L12iqp(∂ivq) =

1

2(L21

piq + L21pqi)(∂ivq)Θ. (2.2.53)

Beide Gleichungen werden erfullt, falls

L12iqp =

1

2(L21

piq + L21pqi)Θ. (2.2.54)

gilt. Untersuchen wir als nachstes die Symmetriebedingung fur M22, so erhalten wirmit (2.2.50) und (2.2.51) den Ausdruck:

IL :=

∫δA

δvk

∂i[1

2(L11

ikpq + L11ikqp)Θ(∂p

δB

δvq

)]dx3

.=

∫δB

δvk

∂i[1

2(L11

ikpq + L11ikqp)Θ(∂p

δA

δvq

)]dx3 =: IR. (2.2.55)

Integrieren wir nun die linke Seite der obigen Gleichung einmal partiell, so findenwir

IL = −∫ (

∂iδA

δvk

)[1

2(L11

ikpq + L11ikqp)Θ∂p

δB

δvq

)]dx3, (2.2.56)

und nach nochmaliger partieller Integration und Umbenennung der Summationsin-dizes finden wir

IL =

∫δB

δvk

∂i

[(∂p

δA

δvq

)1

2(L11

pqik + L11pqki)Θ

]dx3. (2.2.57)

Dieser Ausdruck soll aber gleich IR (siehe (2.2.55)) sein, dies gilt sicher nur, wenndie Koeffizienten die folgende Symmetrie

L11ikpq = L11

pqik = L11pqki (2.2.58)

aufweisen. Weiterhin konnen wir aus der Symmetriebedingung (2.2.51) und aus derDarstellung (2.2.45) von M23 folgern, dass

IL :=

∫∂A

∂vk

∂i[1

2(L11

ikpq + L11ikqp)(∂pvq)Θ

∂B

∂η] +

∂A

∂vk

∂i[L12ikp∂p

∂B

∂η]d3x

26 Kapitel 2 Thermodynamik

= −∫ [

∂i∂A

∂vk

][1

2(L11

ikpq + L11ikqp)(∂pvq)Θ

∂B

∂η] − ∂B

∂η∂p

[∂i

∂A

∂vk

][L12

ikp]d3x

gilt. Diese Integral soll aber auch durch M23 darstellbar sein. Deshalb ist M23 durch

M32k [∗] = −1

2(L11

ikpq + L11ikqp)(∂pvq)Θ∂i ∗ + ∂p[L

12ikp∂i∗] (2.2.59)

gegeben. Damit konnen wir die zweite Gleichung der Degenerierungsbedingung (2.2.48)auswerten und erhalten so mit (2.2.46) und (2.2.59) die Bedingungsgleichung:

−1

2(L11

ikpq + L11ikqp)(∂pvq)Θ∂ivk + ∂p[L

12ikp∂ivk]

+(∂ivk)1

2(L11

ikpq + L11ikqp)(∂pvq)Θ] + (∂ivk)L

12ikp∂p1−

−∂i[1

2(L21

ipq + L21iqp)(∂pvq)Θ] − ∂i[L

22ip ∂p1]

= −1

2(L11

ikpq + L11ikqp)(∂pvq)Θ∂ivk + ∂p[L

12ikp∂ivk]

+(∂ivk)1

2(L11

ikpq + L11ikqp)(∂pvq)Θ]−

−∂i[1

2(L21

ipq + L21iqp)(∂pvq)Θ]

= ∂p[L12ikp∂ivk]− ∂i[

1

2(L21

ipq + L21iqp)(∂pvq)Θ]

.= 0.

Dies ist aber schon wegen Bedingungsgleichung (2.2.53) erfullt. Fassen wir unsereErgebnisse an dieser Stelle zusammen. Wir erhalten aus (2.2.45), (2.2.46), (2.2.50)und (2.2.59), dass der Dissipationsoperator aus den folgenden Komponenten

M22kq [∗] = −∂i[L

11ikpq(∂p∗)Θ], (2.2.60)

M23k [∗] = ∂i[L

11ikpq(∂pvq)Θ∗] + ∂i[L

12ikp∂p∗], (2.2.61)

M32k [∗] = −L11

ikpq(∂pvq)Θ∂i ∗ + ∂p[L12ikp∂i∗], (2.2.62)

M33[∗] = (∂ivk)L11ikpq(∂pvq)Θ∗] + (∂ivk)L

12ikp∂p ∗ −

−∂i[1

2L21

ipq(∂pvq)Θ∗] − ∂i[L22ip ∂p∗] (2.2.63)

besteht, wobei die Koeffizienten L die folgenden Symmetrieeigenschaften ((2.2.53),(2.2.58))

L12ikp = L12

kip, L21ipq = L21

iqp, L12pqi = ΘL21

ipq, (2.2.64)

L22ik = L22

ki , L11ikpq = L11

pqik = L11pqki. (2.2.65)

besitzen mussen. Damit ist die Entropieproduktion (2.2.38) mit (2.1.55) durch

πs =1

T(L11(Z) : (∇v)s) : (∇v)s + 2L21(Z) : (∇v)s · ∇ 1

T

+ L22(Z) · ∇ 1

T· ∇ 1

T≥ 0. (2.2.66)

2.2 Generic 27

gegeben. Betrachten wir nun zuerst die wie viele unabhangige Komponenten L11ikpq

noch geblieben sind, von den ursprunglich 81 Komponenten sind durch die Sym-metriebedingungen nur noch 21 unabhangige vorhanden. Die ursprunglich 27 unab-hangigen Komponenten von L12

ikp haben sich durch die Symmetriebedingung auf 10reduziert, ebenso hat L21

ikp nur 10 unabhangige Komponenten die aber schon durchL12

ikp gegeben sind, die Anzahl der unabhangigen Komponenten von L22kp hat sich

infolge der Symmetrie auf 6 reduziert. Wir haben also durch die Bedingungen dieAnzahl der Materialfunktion von 144 auf 37 reduziert.

28 Kapitel 2 Thermodynamik

2.2.4 Diskussion

Zunachst wollen wir hier die Resultate der beiden Theorien gegenuberstellen:

Vergleich der Resultate

Nichtgleichgewichts-thermodynamik

Generic

System Keine Beschrankung isoliert

Bilanz-Gleichungeninklusive Materialgro-ßen

MasseImpulsinnere EnergieEntropie

Generic-Gleichungenthalten unbekannte Ope-ratormatrizen

Zustandsraum identischidentisch(aber nicht objektiviert)

2ter Hauptsatz Dissipationsungleichung M ist positiv definit

Entropie (LokalesGleichgewicht)

Abgeleitet Postulat

Auswertungs-Procedere

LIU Degenerierungsbedingung

Flussdichte der Entro-pie

LIU nicht definiert

Einschrankung derMaterial-Gleichungen

LIUSymmetrie von MAntisymmetrie von L

Bei der Behandlung beider Theorien sind wir zunachst von den bekannten Bilanz-Gleichung fur die Basis-Felder ausgegangen. Diskutieren wir hier zuerst die Nicht-gleichgewichtsthermodynamik. Wir haben uns einen Zustandsraum gewahlt, auf demwir dann die Bilanz-Gleichungen auf dem Zustandsraum erhalten hatten. Der Zu-standsraum soll im Rahmen dieser Theorie aus objektiven Feldern bestehen. Nach-dem wir die Bilanz-Gleichungen auf diesen gewahlten Zustandsraum aufgestellt ha-ben, waren wir durch den Satz von Liu befahigt, die Dissipationsungleichung auszu-werten. Allerdings benotigen wir dazu eine erweiterte Fassung des zweiten Haupt-satzes der Thermodynamik, der besagt, dass im Nichtgleichgewicht keine reversiblenProzesse moglich sind. Wir erhalten durch die Anwendung des Satzes von Liu Aus-sagen uber die Gestalt der Entropie, insbesondere des Resultats, dass die Entropienicht von der Geschwindigkeit abhangen kann. Wir konnten außerdem zeigen, dassdie Entropie nicht von den Gradienten der Basis-Felder, den so genannten Nicht-gleichgewichtsvariablen abhangt. Ein weiteres Resultat ist, dass wir explizit dieEntropieproduktion angeben konnten. Damit die Entropieproduktion immer nichtnegativ ist, muss die Matrix M positiv semidefinit sein. Damit sind ihre 144 Mate-rialfunktionen nicht alle voneinander unabhangig.

2.3 Behandlung eines diskreten Nichtgleichgewichtssystems 29

Im Gegensatz dazu ist der Rahmen von Generic restriktiver. Die Entropiehangt nur von den Basis-Feldern ab und hat damit von vornherein den gleichenStatus wie die Energie. Allerdings folgt aus den Degenerierungsbedingung fur denPoisson-Operator, dass die Entropie ebenfalls nicht vom Impulsfeld abhangt. DieKonstruktion der reversiblen Bewegungsgleichung wird im Allgemeinen aus einemVariationsprinzip zu erreichen sein. Damit konnen wir im Rahmen der Theorie einklare Trennung zwischen dem Dissipativen Anteil der Bewegungsgleichung und demreversiblen Anteil erreichen (siehe [40]). Der irreversible Anteil der Bewegung fuhrtuns sehr naturlich zur gleichen Entropieproduktion, die wir auch in Nichtgleichge-wichtsthermodynamik gefunden haben. Allerdings folgt aus den Degenerierungsbe-dingungen fur den Dissipations-Operator, dass die ursprunglich 144 unabhangigenMaterialfunktionen auf 37 reduzieren. Dies erleichtert selbstverstandlich die Arbeit,eine Materialgleichung fur den Spannungstensor, bzw. dem Warmestrom anzugeben.Berucksichtigt man noch, dass die Entropieproduktion nicht negativ ist, so wird sichdie Anzahl noch weiter reduzieren. Damit sind die Aussagen die durch Behandlungder Funf-Feld-Theorie gewonnen werden, sehr viel weit reichender als in der Nicht-gleichgewichtsthermodynamik.

Wir konnen in der Gegenuberstellung deutlich sehen, dass die Degenerierungsbe-dingungen fur den Poisson-Operator den gleichen Stellenwert besitzt, wie der Satzvon Liu. Allerdings besteht der wesentliche Unterschied, dass man das Liu-Verfahrenableiten kann, wahrend hingegen in Generic die Degenerierungsbedingung als Po-stulat eingefuhrt werden, sie also den gleichen Stellenwert erhalten, wie der Zusatzzum zweiten Hauptsatz, dass im Nicht-Gleichgewicht keine reversiblen Prozesse mog-lich sind. Die Frage ist nun, ob man vielleicht zeigen kann, dass die Degenerierungs-bedingung aquivalent zu diesem Zusatz des zweiten Hauptsatz mit der Implikationdes Satzes von Liu. Deshalb sollte man konsequenterweise die Degenerierungsbedin-gung auf der makroskopischen Ebene so verstehen, dass sie aussagt, dass der re-versible Anteil des Prozesses unabhangig vom irreversiblen Anteil des Prozesses istund deshalb beide Anteile additiv zur Dynamik des Basis-Felder beitragen. DieserGedankengang ist den konventionellen Theorien vollkommen unbekannt. Deshalb istes wunschenswert eine mikroskopische Ableitung von Generic zu finden, die einemHilft, diesen Gedankengang besser zu verstehen.

Eine weitere Frage, die sich aufdrangt, ist, ob man die Restriktion an die Mate-rialfunktionen, die durch die Degenerierungsbedingung und der Symmetrie fur denDissipations-Operator folgen, aus einer mikroskopischen Theorie besser verstehenkann. Aber bevor wir uns den mikroskopischen Theorien zuwenden werden, wollenwir hier noch einmal, die beiden Theorien fur ein diskretes System vergleichen.

2.3 Behandlung eines diskreten Nichtgleichgewichts-

systems

Als ein Beispiel [26] fur ein diskretes System wollen wir hier ein Gas mit einerkonstanten Molzahl in einem Zylinder, der durch einen Kolben abgeschlossen ist,betrachten. Der Kolben selbst ist vom Gas adiabatisch isoliert, kann aber mit seinerUmgebung Warme austauschen. Die Position des Kolbens wird durch die Koordinate

30 Kapitel 2 Thermodynamik

z beschrieben, dadurch ist das Volumen des eingeschlossenen Gases durch V = Azmit der Grundflache A des Zylinders gegeben. Die Drucke p und pe innerhalb undaußerhalb des Zylinders werden als unterschiedlich angenommen. Dies wird bedingtdurch die Reibungsbehaftete Dynamik des Kolbens. Dieses einfache System wirdbeschrieben durch das Variablenset

Kolben: Zp = (Up, z,mz) , Gas: Zg = (Egkin, U

g, z, z), (2.3.1)

wobei Up die innere Energie des Kolben , U g die des Gases und mz den Impuls desKolbens bezeichnet. Die Gesamtenergie des Gases setzt sich aus der inneren Energieund der kinetischen Energie des Gases zusammen. Die kinetische Energie Eg

kin be-schreibt den internen Fluss des Gases im Inneren des Zylinders , der hervorgerufenwird durch die Bewegung des Kolbens. Da wir das System aber als ein diskretesSystem beschreiben, besteht keine Notwendigkeit das Geschwindigkeitsfeld des Ga-ses im Detail zu betrachten. Das Geschwindigkeitsfeld des Gases ist eine Quelleder Dissipation, da seine kinetische Energie uber die Reibung in die innere Ener-gie umgewandelt wird. Deshalb mussen wir die kinetische Energie und die innereEnergie als Variablen des Gases einfuhren (2.3.1). Die kinetische Energie ist, abge-sehen von z, eine typische Nichtgleichgewichtsvariable und ihr Gleichgewichtswertist Eg,eq

kin = 0, der durch die entsprechende Wahl des Beobachters festgelegt wird.Dieser Beobachter, auf den wir uns in der Folge beziehen wollen, bewegt sich relativzum Gesamtsystem nicht. Diese System wollen wir zunachst mit den Methoden derNichtgleichgewichtsthermodynamik behandeln, bevor wir es im Rahmen von Genericdiskutieren werden.

2.3.1 Nichtgleichgewichtsthermodynamik

Der Startpunkt der Nichtgleichgewichtsthermodynamik sind die Bilanzen des Sy-stem, deshalb stellen wir nun zunachst die Bewegungsgleichungen fur die gesuchtenVariablen auf. Der Kolben soll sich in einem Potenzial Φ(z) bewegen, deshalb lautendie Bewegungsgleichungen des Kolbens

mz = −∂Φ

∂z+ Ap − Ape − αz. (2.3.2)

Der dynamische Druck des Gases p(Zg) ist durch die konstitutiven Materialglei-chungen des Gases gegeben, wohingegen der externe Druck pe durch die Umgebungbestimmt wird. Die Reibungskraft, in der der Reibungskoeffizient α > 0 auftaucht,wird durch den Zylinder hervorgerufen und als proportional zur Geschwindigkeitdes Kolbens angesetzt. Multiplizieren wir (2.3.2) mit z so erhalten wir naturlich dieBilanz-Gleichung der Energie des Kolbens

d

dt[1

2mz2 + Φ] = A(p− pe)z − αz2. (2.3.3)

Diese zeitliche Anderung der Energie konnen wir in die Arbeit, die im Allgemeinennicht dissipativ ist, und eine Dissipative Arbeit unterteilen

Leistung des Kolbens : W p = A(p− pe)z, (2.3.4)

2.3 Behandlung eines diskreten Nichtgleichgewichtssystems 31

Dissipative Leistung: Dp = −αz2. (2.3.5)

Deshalb kann das erste Gesetz der Thermodynamik fur den Kolben (2.3.3)

d

dt[1

2mz2 + Φ + Up] = W p + Qp, (2.3.6)

mit Up := Qp + αz2. (2.3.7)

geschrieben werden, wobei Qp den Warmeaustausch zwischen dem Kolben und sei-ner Umgebung beschreibt. Allerdings ist der externe Druck pe nicht bestimmt durchMaterialgleichungen, sondern wird durch die Umgebung kontrolliert und wird da-durch zu Fuhrungsparameteren des Systems (Eine tiefer gehende Diskussion desSachverhalts findet man in [25]).

Der Arbeitsaustausch und der Warmeaustausch des Gases sind durch

W g = −pAz, Qg ≡ 0. (2.3.8)

gegeben. Der Warmeaustausch des Gases mit dem Kolben und der Umgebung ver-schwindet identisch, entsprechend der Annahme, dass das Gas adiabatisch isoliertist.

Das externe Potenzial hat nur Auswirkungen auf den Kolben, die Dynamik desGases wird durch das Potenzial nicht beeinflusst. Aus diesem Grunde lautet daserste Gesetz der Thermodynamik fur das Gas folgendermaßen:

d

dt[Eg

kin + U g] = W g + Qg, (2.3.9)

with U g := −[Egkin] − pAz. (2.3.10)

Man erkennt sehr deutlich, dass die innere und die kinetische Energie des Gases keineunabhangigen Großen sind, deshalb fuhren wir als neue Variable die Gesamtenergiedes Gases als (2.3.10) durch

Eg := Egkin + U g, Egeq = U geq, (2.3.11)

ein. Wir haben also einen neuen Satz von Variablen, die den alten Variablensatz(2.3.1) durch

Zg = (Eg, z, z). (2.3.12)

ersetzen. Benutzen wir noch die Gl. (2.3.10) und (2.3.11), so erhalten wir fur dieEnergierate:

Eg = −pAz. (2.3.13)

Als nachsten Schritt sehen wir uns das zusammengesetzte System, bestehend ausdem Gas und dem Kolben, an. Aus (2.3.1)1 und (2.3.12) erhalten wir als Variablendes zusammengesetzten Systems:

Z = (Eg, Up, z, mz). (2.3.14)

Der Gleichgewichtsteilraum der gesuchten Großen ist mit (2.3.11)2 durch

Zeq = (U geq, Upeq, z, 0) (2.3.15)

32 Kapitel 2 Thermodynamik

gegeben. Die zeitliche Anderung der Gesamtenergie bezuglich (2.3.6), (2.3.4) und(2.3.13) ist durch

E :=d

dt[1

2mz2 + Φ + Eg + Up] = −peAz + Qp. (2.3.16)

gegeben. Nun mussen wir die konstitutiven Gleichungen fur den Druck, die Entro-pie und die Entropieproduktion angeben. Die konstitutiven Gleichungen sind aufdem thermodynamischen Zustandsraum definiert. Der Zustandsraum unterscheidetsich im Allgemeinen von den Variablen, den gesuchten Großen des Systems (sieheAbschnitt (2.1.2) ). Aber in diesem einfachen Beispiel fallen der thermodynamischeZustandsraum und der Variablensatz zusammen. Aus diesem Grunde sind die kon-stitutiven Gleichungen einfach gegeben durch:

p = p(Z), S = S(Z). (2.3.17)

Die Dissipationsungleichung ergibt sich aus der Entropiebilanz zu

S =∂S

∂EgEg +

∂S

∂UpUp +

∂S

∂zz +

∂S

∂zz = ϕ + σ ≥ ϕ. (2.3.18)

Die Entropieproduktion σ(Z) ist eine nicht negative Große und wird bedingt durchdie Reibung des Kolbens und dem Warmeaustausch des Kolbens mit der Umgebung.Der Entropieaustausch ϕ zwischen der Umgebung und dem zusammengesetzten Sy-stem ist abermals allein durch die Umgebung bestimmt und somit keine konstituti-ve Gleichung. Die Ungleichung (2.3.18) ist ein Ausdruck fur das zweite Gesetz derThermodynamik. Aus dem gewahlten Zustandsraum (2.3.14) ergibt sich nun, dasdie hoheren Ableitungen durch (Eg , Up und mz) gegeben sind, die wir entspre-chend des Satzes von Liu (2.1) benotigen. Die hoheren Ableitungen werden durchdie Bilanz-Gleichungen (2.3.13), (2.3.7) und (2.3.2) des Systems bestimmt. Spater,um die Dissipationsungleichung nach Liu auszuwerten, werden wir noch die Matrix-Formulierung der Bilanzen brauchen

1 0 00 1 00 0 1

Eg

Up

mz

=

−pAz

Qp + αz2

−∂Φ/∂z + A(p− pe)− αz

, (2.3.19)

(∂S

∂Eg

∂S

∂Up

∂S

∂mz

)

Eg

Up

mz

≥ ϕ − ∂S

∂zz. (2.3.20)

Die Dissipationsungleichung kann nun auf verschiedene Art und Weisen ausgewertet[27] werden. Hier werden wir jedoch Prozedur von Liu [28](siehe Abschnitt (2.1.4)))verwenden, da sie in anschaulicher Art physikalisch interpretiert werden kann [29].

Auswertung der Dissipationsungleichung

Die Matrixformulierung der Bilanzgleichung haben wir in (2.3.19) und (2.3.20) an-gegeben. Aus diesen Gleichungen konnen wir die Matrizen, die in der Liu-Prozedur

2.3 Behandlung eines diskreten Nichtgleichgewichtssystems 33

(Abschnitt (2.1.4)) relevant sind, direkt ablesen. Sie ergeben sich zu

A =

1 0 00 1 00 0 1

, (2.3.21)

B =

(∂S

∂Eg

∂S

∂Up

∂S

∂mz

), (2.3.22)

C =

−pAz

Qp + αz2

−∂Φ/∂z + A(p− pe)− αz

, (2.3.23)

D = ϕ − ∂S

∂zz. (2.3.24)

Aus dieser Darstellung folgen die Liu-Gleichungen (Satz (2.1)) , die zu (2.3.19) und(2.3.20) gehoren, indem wir (2.3.21) bis (2.3.24) einsetzen, zu

(Λ1 Λ2 Λ3)

1 0 00 1 00 0 1

=

(∂S

∂Eg

∂S

∂Up

∂S

∂mz

), (2.3.25)

Λ1(−pAz) + Λ2(Qp + αz2) + Λ3(−∂Φ/∂z + A(p− pe)− αz) ≥

≥ ϕ − (∂S/∂z) z. (2.3.26)

Aus (2.3.25) ergeben sich die Lagrange-Parameter zu

Λ1 =∂S

∂Eg=:

1

Θg, Λ2 =

∂S

∂Up=:

1

T p, Λ3 =

∂S

∂mz. (2.3.27)

Hier ist Θg die Nichtgleichgewichtstemperatur des Gases, die man sich als die Kon-takttemperatur [31,32] vorstellen kann, entsprechend ist die Temperatur des Kolbensdurch Θp gegeben. Da der externe Druck pe frei wahlbar ist und alle anderen Gro-ßen, speziell auch Qp und ϕ nicht vom externen Druck abhangen, kann die reduzierteUngleichung (2.3.26) nur gultig sein, wenn

Λ3 = 0 −→ ∂S

∂z= 0,

∂z

1

Θg=

∂z

1

T p= 0 (2.3.28)

gilt. Dies bedeutet, das die Nichtgleichgewichtsentropie unabhangig von z ist unddas nur Eg und Up im Definitionsbereich der Entropie ubrig bleibt. Die Dissipati-onsungleichung (2.3.26) schreibt sich nun mit (2.3.28) und (2.3.27) 1,2

(−pA

Θg+

∂S

∂z

)z +

(Qp

T p+

αz2

T p− ϕ

)≥ 0. (2.3.29)

Der Entropieaustausch [34] zwischen dem Kolben und seiner Umgebung ist durch

ϕ =Qp

T e(2.3.30)

34 Kapitel 2 Thermodynamik

gegeben. Die Temperatur T e der Umgebung hat Reservoir-Eigenschaften. Die Un-gleichung (2.3.29) reduziert sich deshalb in konsequenter Weise zu

(−pA

Θg+

∂S

∂z

)z + Qp

(1

T p− 1

T e

)+

αz2

T p≥ 0. (2.3.31)

Wie der externe Druck pe, so ist auch die Temperatur des Reservoirs T e eine externeGroße, von der keine anderen Variablen abhangen. Mit der speziellen Wahl T e = T p

erhalten wir aus (2.3.31) die Gleichung

(−pA

Θg+

∂S

∂z

)z +

αz2

T p≥ 0. (2.3.32)

Der Reibungskoeffizient α ist ein unabhangiger Parameter vom gewahlten Zustands-raum. Darum ist (2.3.32) immer noch gultig, wenn wir fur den Reibungskoeffizientendie spezielle Wahl α = 0 Null wahlen. Mit dieser Wahl erhalten wir

(−pA

Θg+

∂S

∂z

)z ≥ 0. (2.3.33)

Diese Restungleichung konnen wir nun elementar auswerten. Da p immer positivauf seinem Wertebereich ist und ∂S/∂z nicht abhangt von z, so wechselt die linkeSeite der Ungleichung (2.3.33) ihr Vorzeichen, wenn wir die Substitution z → −zvornehmen. Dann aber ist die einzige Moglichkeit, dass die Ungleichung (2.3.33)gultig ist, wie vom zweiten Gesetz der Thermodynamik gefordert wird, dass dieKlammer in (2.3.33) identisch verschwindet. Dann aber darf der Druck p ebenfallsnicht von z abhangen. Die reduzierte Dissipationsgleichung ergibt sich dann aus(2.3.31) zu:

Qp

(1

T p− 1

T e

)+

αz2

T p(Eg, Up, z)≥ 0. (2.3.34)

Die Entropieproduktion setzt sich dann also additiv aus zwei Termen zusammen, einTerm ist dem Warmeaustausch zwischen dem Kolben und seiner Umgebung gezollt,der andere Term ist durch die Reibung des Kolbens bedingt. Treffen wir die spezielleWahl T e = T p erkennen wir, dass der Reibungskoeffizient nicht negativ sein darf.Eine weitere Folgerung, die aus (2.3.34) zu ziehen ist, ist, da Qp, T e, und wegen(2.3.28)3 auch T p ebenfalls nicht von z abhangen, dass der erste Term in (2.3.34)

Qp

(1

T p− 1

T e

)≥ 0 (2.3.35)

auch alleine nicht negativ werden darf. Dies ist konsistent mit der Einfuhrung derKontakttemperatur, die uber eine solche definierende Ungleichung eingefuhrt wur-de [31, 32]. Damit haben wir das Problem im Sinne der Nichtgleichgewichtsthermo-dynamik erschopfend behandelt und wenden uns nun der Behandlung des Problemsmittels Generic zu.

2.3 Behandlung eines diskreten Nichtgleichgewichtssystems 35

2.3.2 Anwendung von Generic

Da Generic nur fur isolierte Systeme formuliert wurde, mussen wir das System(2.3.14), das bisher nur aus dem Zylinder, Gas und dem Kolben besteht, durch dieUmgebung erweitern, so dass wir ein isoliertes zusammengesetztes System erhalten.Da wir annehmen, dass das Gas (2.3.8)2 thermisch von seiner Umgebung isoliert ist,ist wiederum nur der Warmeaustausch des Kolbens

Qp = −Qe. (2.3.36)

mit seiner Umgebung zu berucksichtigen. Damit konnen wir das erste Gesetz derThermodynamik unter Berucksichtigung der Umgebung gemaß (2.3.7) wie folgt

U e = W e + Qe = +Apez − Up + αz2. (2.3.37)

formulieren. Da wir der Umgebung keine kinetische Energie zuschreiben, ist diezeitliche Anderung der Gesamtenergie nun durch

Etot =d

dt[1

2mz2 + Φ + Eg + Up + U e] = 0, (2.3.38)

gegeben. Dies ist eine Folge der Reservoir-Eigenschaften, die wir der Umgebungzugeschrieben haben. Damit sieht man, dass die Energie des Gesamtsystems erhaltenbleibt. Die funf Variablen, die wir dem System zugeordnet haben, sind

Z = (Eg, Up, p, z, U e), p := mz. (2.3.39)

Nachdem wir die Energie bestimmt haben, mussen wir die Matrix L bestimmen.Allerdings ist sie nicht eindeutig. Diesen Sachverhalt wollen wir hier unter der An-nahme diskutieren, dass wir die Bewegungsgleichungen

Zrev := L ∂Etot

∂Z, Zirr := M ∂S

∂Z. (2.3.40)

in ihren reversiblen und ihren irreversiblen Anteil zerlegen konnen. Bezeichnet nunn die Anzahl der unabhangigen Variablen Z, dann haben wir 2n (2.3.40) und (2.2.4)Gleichungen, die die antisymmetrische Matrix L bestimmen. Die Degenerierungsbe-dingung (2.2.3) bestimmt den Gradienten der Entropie ∂S(Z)/∂Z. Da wir die MatrixL als antisymmetrisch annehmen, hat sie (n2−n)/2 unabhangige Komponenten, diezu bestimmen sind. Also ist sie nicht eindeutig zu bestimmen, falls die Anzahl derVariablen

2n <n2 − n

2→ n > 5 (2.3.41)

großer ist als funf. Die Jacobi-Identitat (2.2.9) bestimmt nicht die Matrix L, sondernnur ihre Ableitungen, wie weiter unten im Abschnitt 2.3.2 explizit gezeigt wird. Inunserem betrachteten Beispiel ist dies durch (2.3.83) gegeben. Aus diesem Grundekonnen wir L nicht eindeutig bestimmen. Wenden wir uns nun der Konstruktionder Dissipationsmatrix M zu. Auch in diesem Fall haben wir 2n Gleichungen, diesich aus der Degenerierungsbedingung (2.2.3)2 und dem irreversiblen Anteil der Be-wegungsgleichungen (2.3.40)2 ergeben. Da M symmetrisch ist, hat sie (n2 + n)/2

36 Kapitel 2 Thermodynamik

unabhangige Komponenten, die wir zu bestimmen haben. Damit ergibt sich fur diemininimale Anzahl von Variablen, fur die M eindeutig zu bestimmen ist, folgendeUngleichung:

2n <n2 + n

2→ n > 3. (2.3.42)

Allerdings muss die Matrix M zusatzlich positiv semidefinit sein, da mit ihr derzweite Hauptsatz der Thermodynamik (2.2.13). formuliert wird. Die Ungleichungen(2.3.41) und (2.3.42) legen nun die Folgerung nahe, dass die makroskopische Be-handlung eines thermodynamischen Systems mittels Generic eine mikroskopischeHintergrundstheorie erfordert. Dies wird in den Kapiteln drei und vier diskutiertwerden. Dies unterscheidet Generic merklich von der Behandlung mittels konventio-neller Theorien, wie z.B. der Nichtgleichgewichtsthermodynamik.

Da unsere unabhangigen Variablen

Z = (Eg, Up, p, z, U e), p := mz. (2.3.43)

funf an der Zahl sind, sollte in diesem Beispiel die Matrix L eindeutig bestimmbar(2.3.42) sein. Allerdings wird sich erweisen, dass die MatrixM nicht eindeutig gemaß(2.3.42) bestimmt ist.

Reversibler Anteil der Bewegungsgleichung

Zuallererst haben wir die Matrix L, die den reversiblen Anteil der Bewegungsglei-chungen dominiert, zu bestimmen. Dazu ist unser Startpunkt, gemaß (2.2.4) derGenerator

G(Z) = pv. (2.3.44)

Mit Hilfe des Generators ergeben sich die partiellen Ableitungen ∂G(Z)/∂Z, die wirmit (2.3.43) zu bestimmen haben, zu

∂(pv)

∂Eg= 0,

∂(pv)

∂Up= 0, (2.3.45)

∂(pv)

∂mz= v,

∂(pv)

∂z= 0,

∂(pv)

∂U e= 0. (2.3.46)

Die rechte Seite der Gleichung (2.2.4) wird, da wir nur einen raumlichen Freiheitsgradz haben gemaß (2.3.13), (2.3.7), (2.3.43) und (2.3.37) zu:

v∂Eg

∂z= v(−pA), v

∂Up

∂z= 0, (2.3.47)

v∂p

∂z= 0, v

∂z

∂z= v, v

∂U e

∂z= v(peA). (2.3.48)

Setzen wir nun (2.3.45) in (2.3.48) ein, so finden wir fur die antisymmetrische MatrixL die

−pAv00v

peAv

=

0 ∗ −pA ∗ ∗∗ 0 0 ∗ ∗

pA 0 0 −1 −peA∗ ∗ 1 0 ∗∗ ∗ peA ∗ 0

00v00

. (2.3.49)

2.3 Behandlung eines diskreten Nichtgleichgewichtssystems 37

Komponenten. Die Sterne bezeichnen nun die Komponenten, die wir nicht allein ausden Gleichungen (2.2.4) fur den Generator bestimmen konnen. Schreiben wir nun denAnteil der Bewegungsgleichungen (2.3.40)1 der keine dissipativen Anteile, die wir jabereitsim Rahmen der Nichtgleichgewichtsthermodynamik als den Warmeubergangund die Reibung identifiziert haben, besitzt, auf, so erhalten wir mit dem Gradientender Gesamtenergie

∂Etot

∂Z=

11

p/m∂zΦ1

. (2.3.50)

nach dem gewahlten Zustandsraum (2.3.43) fur den reversiblen Anteil der Dynamik(2.3.40)1 folgendes

Eg

Up

˙pz

U e

rev

=

0 ∗ −pA ∗ ∗∗ 0 0 ∗ ∗

pA 0 0 −1 −peA∗ ∗ 1 0 ∗∗ ∗ peA ∗ 0

11

p/m∂zΦ1

. (2.3.51)

Mit der Definition des Impulses (2.3.43)2 und den reversiblen Anteil der Dynamik(2.3.13), (2.3.7), (2.3.37) und (2.3.2)

(Eg)rev = −pAz, (Up)rev = 0, (U e)rev = −peAz,

( ˙p)rev = −∂zΦ + A(p− pe), (2.3.52)

ergibt sich aus (2.3.51) die Matrix L zu:

Eg

Up

˙pz

U e

rev

=

0 −x −pA 0 xx 0 0 0 −x

pA 0 0 −1 −peA0 0 1 0 0−x x peA 0 0

11

p/m∂zΦ1

, (2.3.53)

so dass, entgegen dem Statement (2.3.41) die Matrix L wegen des beliebigen x nichteindeutig bestimmt ist. Dies resultiert aus der Tatsache, dass die 10 Gleichungen(2.3.49) und (2.3.51) nicht unabhangig voneinander sind.

Betrachten wir nun die Degenerierungsbedingung (2.2.3) in der Matrixformulie-rung, so erhalten wir die Gleichung

0 −x −pA 0 xx 0 0 0 −x

pA 0 0 −1 −peA0 0 1 0 0−x x peA 0 0

∂Stot/∂Eg

∂Stot/∂Up

∂Stot/∂p∂Stot/∂z∂Stot/∂U e

=

00000

, (2.3.54)

von der unmittelbar folgt, dass

∂Stot(Z)

∂p= 0,

∂Stot(Z)

∂z= pA

∂Stot

∂Eg− peA

∂Stot

∂U e, (2.3.55)

38 Kapitel 2 Thermodynamik

mitStot(Z) = Stot(Eg, Up, z, U e) (2.3.56)

gilt. Aus (2.3.54) bleiben drei Gleichungen ubrig, die wir nun genauer untersuchenwollen, da sie alle den unbekannten Faktor x enthalten. Eine der Gleichungen ist

x∂Stot

∂Eg− x

∂Stot

∂U e= 0. (2.3.57)

Bezeichnen wir die Ableitungen der Entropie (2.3.30) nach den Energien wie in(2.3.27)1,2

∂Stot

∂U e=:

1

T e, (2.3.58)

so erhalten wir schließlich aus (2.3.55)2

∂Stot

∂z=

pA

Θg− peA

T e, (2.3.59)

und mit (2.3.57)

x

(1

Θg− 1

T e

)= 0. (2.3.60)

Da aber im Allgemeinen Θg und T e verschieden voneinander sind, speziell auch imGleichgewicht, so bekommen wir als Bedingung fur den noch unbekannten Faktor

x = 0, (2.3.61)

so dass L

L =

0 0 −pA 0 00 0 0 0 0

pA 0 0 −1 −peA0 0 1 0 00 0 peA 0 0

(2.3.62)

eindeutig bestimmt ist. Vergleichen wir nun die Ausdrucke (2.3.59) mit (2.3.31), soist offensichtlich, dass wir annehmen mussen, dass die Entropien der Subsystemeadditiv sind

Stot(Eg, Up, z, U e) = S(Eg, Up, z) + Se(V e, U e), (2.3.63)

(V e bezeichnet das Volumen der Umgebung) sind, da die Ableitungen der Umge-bungsentropie durch

∂Se

∂ze=

peA

T e= −∂Se

∂z, V e ≡ Aze = −Az. (2.3.64)

gegeben sind. Aus den Degenerierungsbedingung hat sich außerdem ergeben, dassdie Entropie unabhangig vom Impuls des Kolbens ist. Dieses Ergebnis hatten wirim Rahmen der Nichtgleichgewichtsthermodynamik ebenfalls bei der Auswertungdes Dissipationsungleichung gefunden. Allerdings ist an dieser Stelle noch zu bemer-ken, dass wir hier, anders als in rationalen Behandlung des Beispiels, den Ausdruck(2.3.58) nicht als die Temperatur des Gases interpretieren konnen, da dieser Aus-druck notwendigerweise im Gleichgewicht verschwinden muss, da dann die Entropiemaximal wird (siehe z.B. [14] ).

2.3 Behandlung eines diskreten Nichtgleichgewichtssystems 39

Irreversibler Anteil der Dynamik

Die irreversiblen Anteile der Bewegungsgleichungen erhalten wir aus (2.3.13), (2.3.7),(2.3.37) und (2.3.2) zu

(Eg)irr = 0, (Up)irr = Qp + α

(1

mp

)2

, (U e)irr = −Qp,

( ˙p)irr = −α

(1

mp

). (2.3.65)

Aus diesem Grund lautet (2.3.40)2 hier in diesem Fall:

Zirr =

0

Qp + α (p/m)2

−α (p/m)0

−Qp

= M

1/Θg

1/T p

0(pA/Θg)− (peA/T e)

1/T e

. (2.3.66)

Mit Hilfe (2.3.50) konnen wir die Degenerierungsbedingung (2.2.9) durch

00000

= M

11

p/m∂zΦ1

. (2.3.67)

ausdrucken. Wie bereits oben diskutiert, konnen wir nicht erwarten, dass die 10Gleichungen (2.3.66) und (2.3.67) ausreichen, um die Dissipationsmatrix eindeutigzu bestimmen. Aber selbstverstandlich folgt aus (2.3.66), dass alle verschiedenenDarstellungen der Dissipationsmatrix zu den gleichen irreversiblen Anteil der Bewe-gungsgleichungen (2.2.1)2 fuhren mussen. Eine dieser symmetrischen Darstellungenvon M ist durch

M =

0 0 0 0 0

0 T pαz2 + Qp(

1T p − 1

T e

)−1 −T pαz 0 −Qp(

1T p − 1

T e

)−1

0 −T pαz T pα 0 00 0 0 0 0

0 −Qp(

1T p − 1

T e

)−10 0 Qp

(1

T p − 1T e

)−1

.(2.3.68)

gegeben. Da alle Darstellungen von M zu den eindeutigen Bewegungsgleichungenfuhrt, ist die Entropieproduktion (2.2.13) damit eindeutig bestimmt. Die Entropie-produktion selbst ist in einem isolierten System durch die zeitliche Anderung derEntropie

Σ =

⟨∂S

∂Z,M ∂S

∂Z

⟩(2.3.69)

selbst gegeben. Setzen wir nun (2.3.66) in die obige Entropieproduktion ein, so er-halten wir schließlich

Σ = Qp

(1

T p− 1

T e

)+

α

T pz2 ≥ 0. (2.3.70)

40 Kapitel 2 Thermodynamik

Da hier die Differenz(

1T p − 1

T e

)erscheint, erhalten wir also aus beiden Theorien,

die gleiche Entropieproduktion (2.3.34), die auch die gleiche Interpretation tragt.Deswegen ware es an dieser Stelle wohl angebracht zu uberlegen, ob die Extropienicht das geeignetere Potenzial ist, dass die Bewegungsgleichungen generiert (sieheauch Kapitel 4.1.5).

Alles in allem konnen wir nun sagen, dass die rationale Behandlung des Nicht-gleichgewichts, sowie auch die Behandlung mittels Generic zu den gleichen Re-sultaten fuhrt, wenn wir die die vier Saulen Generic L in (2.3.62), M in (2.3.68)und Etot(Z) ,S(Z) in Verbindung mit dem Zustandsraum (2.3.43) betrachten. Al-lerdings ist hier bemerkenswert, dass ein Ergebnis der Liu-Prozedur (2.3.28)2, dassdie Entropie nicht von z abhangt, aus den Degenerierungsbedingung folgt. Aller-dings muss man beachten, dass wir das Ergebnis aus der Liu-Prozedur nur erhaltenhatten, als wir annahmen, dass der externe Druck eine Fuhrungsgroße ist und so-mit keiner konstitutiven Gleichung genugen muss. Dabei ist zweifelhaft, ob dieseInterpretation noch zu halten ist, wenn wir ebenfalls das System als abgeschlossenbetrachten. Nichtsdestoweniger wird man aber erwarten durfen, dass zwischen demLiu-Verfahren und den Degenerierungsbedingungen ein Zusammenhang besteht.

Jacobi-Identitat

Im Rahmen von Generic sollte die Jacobi-Identitat fur diskrete Systeme fur beliebi-ge hinreichend regulare, reelle Funktionen, die auf dem Zustandsraum definiert sind,gultig sein. Damit erhalten wir eine Aquivalente Darstellung der Jacobi-Identitat

#i = ci · Z, i = 1, 2, 3, ...,∂#i

∂Z= ci = const. (2.3.71)

durch die Einfuhrung beliebiger linearer Funktionen #i auf dem Zustandsraum. Aus(2.2.5) erhalten wir fur die symmetrische Klammer:

[#i, #j] :=

⟨∂#i

∂Z,L ∂#j

∂Z

⟩≡ ci · L · cj. (2.3.72)

Damit konnen wir die einzelnen Terme der Jacobi-Identitat durch

[#k, [#i, #j]] = ck · L · ∂

∂Z(ci · L · cj) = ck · L · ∂L

∂Z: cicj. (2.3.73)

ausdrucken, die man in der Komponenten Schreibweise auch durch

[#k, [#i, #j]] = ckαci

βcjγLαδ

∂Lβγ

∂Zδ

. (2.3.74)

angeben kann. Damit lautet die Jacobi Identitat (2.2.9) wie folgt:

0.= Jkij := [#k, [#i, #j]] + [#i, [#j, #k]] + [#j, [#k, #i]] =

= ckαci

βcjγ

(Lαδ

∂Lβγ

∂Zδ

+ Lβδ∂Lγα

∂Zδ

+ Lγδ∂Lαβ

∂Zδ

). (2.3.75)

Da die Vektoren ci in (2.3.71)2 beliebig sind, finden wir

0 = Fαβγ := Lαδ∂Lβγ

∂Zδ

+ Lβδ∂Lγα

∂Zδ

+ Lγδ∂Lαβ

∂Zδ

, (2.3.76)

2.3 Behandlung eines diskreten Nichtgleichgewichtssystems 41

aus (2.3.75), dieser Ausdruck wurde auch schon in [40] angegeben. Nehmen wir nunan, dass, gemaß (2.2.5)1, L eine antisymmetrische Matrix

L = −L>, (2.3.77)

ist, dann ist F zyklisch und antisymmetrisch (F112 = 0, F123 = −F132 = F231 etc.).Aufgrund dieser Eigenschaft sind N Komponenten von F unabhangig voneinander,diese Komponenten konnen auch von Null verschieden sein. Die Zahl N berechnetman aus der Anzahl der Kombinationen von n Elementen, die aus einer Klassebestehend aus drei Elementen ohne Wiederholung gezogen werden.

N =

(n3

)=

n!

3!(n− 3)!. (2.3.78)

Nun konnen wir den Ausdruck (2.3.76), der ja aus dem Produkten von L mit seinenAbleitungen nach den Systemvariablen besteht, genauer betrachten. Die N Glei-chungen (2.3.76) konnen die (1/2)n2(n− 1) Ableitungen von L nicht bestimmen, dafolgende Ungleichung

n!

3!(n− 3)!<

1

2n2(n− 1) (2.3.79)

immer gultig ist. Deshalb konnen wir die Jacobi-Identitat nicht als ein Differen-tialgleichungssystem verstehen, dessen Losungen die Koeffizienten der Matrix Lαβ

bestimmt. Die Jacobi-Identitat bestimmt jedoch die Ableitungen der Koeffizientenvon L nach den Zustandsvariablen, wenn die Matrix selbst vorgegeben wird. Alsokonnen wir nur uberprufen, ob eine gegebene Matrix Lαβ(Z) der Jacobi-Identitatzuwider lauft, da dann die Gradienten von Lαβ(Z) mit der Bedingung (2.3.76) nichtkompatibel sind. Als Quintessenz erhalten wir aus der Jacobi-Bedingung demnachnur, dass sie eine mogliche vorgeschlagene Form von L als nicht akzeptabel ausson-dert. Sogar die Anzahl der unabhangigen Gleichungen in (2.3.76) werden von derStruktur von L abhangen. Betrachten wir in diesem Rahmen, die Poisson-Matrix Laus dem betrachteten Beispiel (2.3.43)mit dem funf-dimensionalen ZustandsraumZ = (Eg, Up, p, z, U e) . Deshalb hat L 10 unabhangige Komponenten Lαβ von denennur drei Komponenten (2.3.53)

L13 = −Ap(Z), L34 = −1, L35 = −Ape(Z), (2.3.80)

L12 = −x, L15 = x, L25 = −x. (2.3.81)

von Null verschieden sind. Die Menge der Indizes der nicht verschwinden Kompo-nenten von F , die in (2.3.80) erscheinen, sind durch 1, 3, 4, 5 gegeben. Deshalbhaben wir, gemaß (2.3.78), vier nicht verschwinden Elemente von F , die wir explizitdurch

F134, F135, F145, F345. (2.3.82)

angeben wollen. Damit erhalten wir gemaß (2.3.76), dass die einzigen notwendigenBedingungen fur die Gultigkeit der Jacobi-Identitat durch

∂p

∂p= 0,

∂pe

∂p= 0 (2.3.83)

42 Kapitel 2 Thermodynamik

gegeben sind. Blicken wir nun auf (2.3.41) und da die Dimension des Zustandsraumfunf ist und wir deshalb die Poisson-Matrix (2.3.54) eindeutig bestimmen konnten, istdie Jacobi-Identitat gultig. Bemerkenswert ist jedoch, dass aus ihr sofort folgt, dassder externe Druck ebenfalls unabhangig vom Impuls des Kolbens seien muss. EinErgebnis, dass wir bei der Behandlung durch die Nichtgleichgewichtsthermodynamikdurch das Argument der Fuhrungsgroße erhalten hatten.

2.4 Zusammenfassung

Der Ausgangspunkt beider Betrachtungen ist die Bewegungsgleichung des Kolbens(2.3.2) aus der wir zusammen mit den Bewegungsgleichungen des Gases und derBerucksichtigung der Umgebung des Kolbens den ersten Hauptsatz der Thermody-namik fur den Kolben (2.3.6), das Gas (2.3.13) und fur das Gesamtsystem (2.3.38)erhalten.

In der Behandlung des Beispiels durch die Nichtgleichgewichtsthermodynamikwurde durch die Anwendung des Satzes von Liu gezeigt, dass die Entropie (2.3.28)2

unabhangig vom Impuls des Kolbens ist. Die weiteren Folgerungen, die wir aus demSatz erhalten, ist, dass die Ableitung der Entropie (2.3.31) nach der Zustandsvaria-blen z (Ort des Kolbens) den Druck ergibt und dass der Reibungskoeffizient nichtnegativ sein darf, da ansonsten die Dissipationsungleichung (2.3.34) verletzt wurde.

In der Behandlung des Beispiels durch Generic ist der Ausgangspunkt die Ge-samtenergie des Systems und der Generator (2.2.4), bzw. (2.3.49) durch die wiruns einen Teil der reversiblen Dynamik konstruieren konnen, allerdings wurde diePoisson-Matrix L dadurch nicht vollstandig bestimmt. Die Poisson-Matrix wurdedann aber vollstandig durch die Anwendung der Degenerierungsbedingung (2.2.3)festlegt. Ein weiteres Ergebnis dieser Degenerierungsbedingung ist wiederum, dassdie Entropie unabhangig vom Impuls des Kolbens ist und das die Ableitung derEntropie nach dem Ort des Kolbens durch den Druck (2.3.59) gegeben ist. Die ir-reversible Dynamik (2.3.40)2,bzw. (2.3.66) zusammen mit der Degenerierungsbedin-gung (2.2.3)2 liefert uns Zwangsbedingung fur den Dissipations-Operator M, derallerdings nicht eindeutig bestimmbar ist, was aber nicht von Bedeutung ist, so lan-ge man die vollstandigen Bewegungsgleichungen kennt. Dann kann man sich dieEntropieproduktion (2.2.13) ohne die genaue Kenntnis von M konstruieren. Ausdieser Dissipationsungleichung (2.3.70) folgt dann, mit den gleichen Argumenten,wie in konventionellen Behandlung, dass der Reibungskoeffizient nicht negativ ist.

Wir haben also, wie schon in der Funf-Feld-Theorie, die gleichen Aussagen ausden beiden unterschiedlichen Ansatzen erhalten.

2.5 Diskussion

Die Frage ist nun, was wir aus diesen beiden Beispielen lernen konnen? Zunachsthaben wir gesehen, dass in der Behandlung der Funf-Feld-Theorie durch die beidenAnsatze die gleichen Aussagen uber die Entropieproduktion erhalten wurden. Aller-dings sind die Aussagen von Generic wesentlich scharfer und fuhren auf eine Ver-allgemeinerung der Onsager-Beziehung fur die phanomenologischen Koeffizienten.

2.5 Diskussion 43

Eine weiter gehende Analyse dieser Beziehung ist im Rahmen von Generic nichtgestattet, da wir in einem isolierten System kein außeres Magnetfeld unterbringenkonnen. Allerdings konnten diese Aussagen nur aus der sehr scharfen Einschrankungdes lokalen Gleichgewichts gefunden werden, das eine der fundamentalen Annahmenvon Generic ist, wahrend hingegen diese Annahme im Rahmen der Nichtgleich-gewichtsthermodynamik mit dem Zusatz-Axiom zum zweiten Hauptsatz ableitbarist.

Ebenso sahen wir in der Behandlung des diskreten Systems, dass die Folgerungendes Satzes von Liu anscheinend aquivalent zu den Degenerierungsbedingungen sind.

Die Degenerierungsbedingungen auf dem makroskopischen Level, konnen als dieTrennung zwischen dem reversiblen Prozess, den es alleine im Nichtgleichgewichtnicht geben kann, und dem irreversiblen Prozess gesehen werden. Dies kommt schonin der speziellen Gestalt der Generic-Form der Bewegungsgleichung (1.2.1) derBasis-Felder zu Ausdruck, da wir sie immer in einen reinen reversiblen und einenirreversiblen Anteil zerlegen konnen. Ein Gedanke, der den konventionellen Theorienfremd ist. Er findet vielleicht seine Entsprechung im Zusatz zum zweiten Hauptsatzder Thermodynamik, dass im Nichtgleichgewicht keine reversiblen Prozesse mog-lich sind. Aber die Frage, ob dies eine gerechtfertigte Annahme ist, fuhrt uns zurmikroskopischen Begrundung der makroskopischen Gleichungen.

44 Kapitel 2 Thermodynamik

Kapitel 3

Statistische Mechanik desNichtgleichgewichts

In diesem und im nachsten Kapitel werden wir die Grundlagen einer Anzahl vonPostulaten diskutieren, die in den phanomenologischen Theorien der Nichtgleichge-wichtsthermodynamik und Generic verwendet werden. Dieses Kapitel wird sich ins-besondere mit der Ableitung der Casimir-Onsager’schen Reziprozitatsbeziehungenund der Verallgemeinerung der Generic-Gleichungen beschaftigen. Grundsatzlichsollten sowohl diese Beziehungen als auch das irreversible Verhalten im allgemeinenin direkter Weise aus den mikroskopischen Gleichungen folgen. Da es jedoch keinesolche allgemein gultige mikroskopische Theorie gibt, wie sie beispielsweise fur dieGleichgewichtstheorie existiert, werden wir hier in diesem Kapitel einige bestehendeAnsatze diskutieren, bevor im nachsten Kapitel ein neuer Ansatz vorgestellt wird.Es wird hier aber gezeigt werden, dass aus den Prinzipien der statistischen Mecha-nik einige Theoreme folgen, auf deren Grundlage man mit Hilfe von zusatzlichenAnnahmen die Casimir-Onsager’schen Reziprozitatsbeziehungen, bzw. die GenericGrundgleichungen ableiten kann. Allerdings muss man dafur einige physikalischeAnnahmen treffen. Den nun vorgestellten Theorien ist es gemeinsam, dass sie da-von ausgehen, dass eine reduzierte Beschreibung makroskopischer Systeme existiert.Dieser reduzierte Satz an Variablen konnen sich z.B. auf die extensiven Eigenschaf-ten von makroskopisch infinitesimalen Bereichen innerhalb eines solchen Systemsbeziehen [12]. Diese Bereiche sollen dabei naturlich eine solche Dimension haben,dass sie noch eine große Anzahl von Teilchen enthalten, aus denen das System be-steht. Eine Zusatzforderung, die man stellen kann, ist die Annahme, dass die Er-wartungswerte des reduzierten Satzes der Variablen linearen Differentialgleichungenerster Ordnung genugen. Diese Annahme wird aus der Erfahrung abgeleitet. Wirwerden hier im folgenden die Annahme der reduzierten Beschreibung mit informati-onstheoretischen Mitteln und mit Hilfe des Gesetzes der großen Zahlen beschreiben.Es wird sich herausstellen, dass beide Theorien die Annahmen eines Markov’schenProzesses benotigen, um die Differentialgleichungen fur die Erwartungswerte, der“coarse-grained“ Variablen zu bekommen. Es ist offensichtlich, dass diese Annahmendie Klasse der zu beschreibenden Phanomene bestimmt, wobei wir nicht annehmen,dass alle makroskopischen Phanome zu dieser besonderen Klasse gehoren. Man wirdjedoch annehmen konnen, dass sich eine grosse Anzahl realer Phanomene, inner-

45

46 Kapitel 3 Statistische Mechanik des Nichtgleichgewichts

halb einer gewissen Naherung, adaquat durch eine solche Markov’sche Naherungbeschreiben lassen. Der grosse Vorteil, der sich ergibt, wenn man die Natur des zubeschreibenden Prozess einschrankt, liegt darin, dass wir das Verhalten der Entropieauf der Basis mikroskopischer Theorien diskutieren konnen. Diese eben angefuhrtenErorterungen werden der Gegenstand ausfuhrlicher Diskussion in den folgenden Ab-schnitten seien.

Zitat von Peierls ( [80], S. 121): ” In jeder theoretischen Behandlung von Trans-portproblemen, ist es wichtig zu realisieren an welcher Stelle die Irreversibilitat ein-gefuhrt wird. Falls sie nicht eingefuhrt wird, ist die Behandlung des Transportphano-mens mit Sicherheit falsch. Eine solche Beschreibung, die die Reversibilitat bewahrt,wird als Wert fur die Leitfahigkeit mit Sicherheit Null oder Unendlich ergeben. Wirverstehen mit Sicherheit nicht, was wir gemacht haben, wenn wir nicht den Punktangeben konnen, an dem wir die Irreversibilitat in die theoretische Behandlung desTransportproblems eingefuhrt haben.”

3.1 Beschreibung des Systems

Wir betrachten hier ausschließlich ein isoliertes thermodynamisches System Σ, dassdurch die Methoden der klassischen Mechanik beschrieben werden kann. Ein Zu-stand des Systems Σ wird durch einen Punkt des 2f dimensionalen PhasenraumsΓ beschrieben und durch π = (ξ1, ...ξf , Φ1, ...Φf ) dargestellt. Die HamiltonfunktionH = H(π; a) hangt nun vom Phasenraumpunkt und den konstanten Arbeitsvaria-blen a ab. Da wir ein isoliertes System betrachten, ist insbesondere die Energie desSystems keine Zufallsgroße, sondern ein konstanter Parameter des Systems Σ. Dieaußeren Parameter a (Arbeitsvariablen), die die Dynamik im Phasenraum bestim-men konnen, werden mit dem Symbol a bezeichnet. Diese Arbeitsvariablen konnenz.B.: das Volumen, ein angelegtes magnetisches Feld oder das Schwerefeld sein. DieDynamik des Systems wird durch die kanonischen Gleichungen

ξi =∂H(π; a)

∂Φi

, Φi = −∂H(π; a)

∂ξi

,dH(π; a)

dt=

∂H(π; a)

∂t= 0 (3.1.1)

beschrieben. Die Losungskurven π der Hamilton’schen-Gleichungen ist der Flussϕ(t). Da die Hamilton-Funktion als konstant angenommen wird, ist der Fluss desHamilton’schen Vektorfeldes auf den zuganglichen Teilraum

X = π ∈ Γ ⊆ R2Nf : H(π; a) = E(a) = const. , (3.1.2)

beschrankt. Verlangen wir noch zusatzlich, dass das betrachtete System in einemVolumen V eingeschlossen ist, so folgt, dass die Menge X kompakt ist. Sei nun π(t)eine Losung der kanonischen Gleichung mit den Anfangsbedingungen π(t0) = π0, dieim Folgenden als ein stochastischer Prozess (siehe Def. (4.1) ) behandelt wird, d.h.π(t) : Ω 7→ Γ mit π(t) = G, G ∈ Γ. Die Wahrscheinlichkeitsdichte, die zum stocha-stischen Prozess gehort, wird durch ρπ(G, t) definiert mit G = (q1, ...qf , p1, ..., pf ),G ∈ Γ. Der makroskopische Zustand wird nun beschrieben durch ein statistischesEnsemble, welches sich aus der vernunftigen Annahme begrunden lasst , dass uns nur

3.1 Beschreibung des Systems 47

eine unvollstandige Information des Mikrozustandes vorliegt. Dies bedeutet insbe-sondere, dass wir die genauen Anfangsbedingungen π0 nicht kennen. Deshalb startetjedes Ensemble mit unterschiedlichen Anfangsbedingungen, die aber alle zu demsel-ben Makrozustand, der auf der Energiehyperflache liegt, gehoren. Die kanonischenGleichungen (3.1.1), die die Dynamik der Phasenraumvariablen beschreiben, impli-zieren, dass der zugrunde liegende stochastische Prozess fur die Phasenraumvariablenπ ein Markov-Prozess ist. Die Wahrscheinlichkeitsdichte zur Zeit t wird bestimmtdurch die bedingte Wahrscheinlichkeitsdichte P (G, t|G0t0), dass der Zustand G zurZeit t vorliegt unter der Bedingung, dass zur Zeit t0 der Zustand G0 vorlag. Damitgilt

ρπ(G, t) =

X

P (G, t|G0t0)ρπ(G0, t0)dΓ0, G0 ∈ Γ0 (3.1.3)

die Chapman-Kolmogorov-Gleichung fur die Wahrscheinlichkeitsdichte. Diese Aus-sage ist naturlich eine Konsequenz der Tatsache, dass die kanonischen Gleichungen(3.1.1) Differentialgleichungen erster Ordnung sind, deren Losung durch die Angabeeiner Anfangsbedingung π0 vollstandig bestimmt sind.

Der Gleichgewichtszustand wird durch die Wahrscheinlichkeitsdichte, die nur in-nerhalb der Energieschale [E, E +dE] von Null verschieden ist, gegeben. Der Gleich-gewichtszustand wird durch

ρπ(G, a) =

ρ0 : innerhalb der Energieschale0 : außerhalb der Energieschale

(3.1.4)

beschrieben, wobei sich die Konstante ρ0 aus der Normierungsbedingung

∫ρπ(G, a)dΓ = 1 (3.1.5)

ergibt. Daraus folgt

ρ−10 =

X

dΓ =

(E,E+dE)

dΓ =: Ω, (3.1.6)

wobei Ω das Volumen des Phasenraums des zuganglichen Teil ist. Falls das Systemin eine Umgebung eingebettet ist und mit dieser Energie und Teilchen austauschenkann, wird naturlich die Restriktion auf die Energiehyperflache aufgehoben. Der Er-wartungswert einer beliebigen Phasenraumfunktion A(G; a) wird durch das Schar-mittel

A(t; a) :=

X

A(G; a)ρπ(G, t; a)dΓ = Tr[A(G; a)ρπ(G, t; a)] (3.1.7)

berechnet. Die Grundgleichung des Systems ist durch die Liouville-Gleichung

∂tρπ(G, t; a) = H(G, t; a), ρπ(G, t; a) (3.1.8)

48 Kapitel 3 Statistische Mechanik des Nichtgleichgewichts

gegeben mit der Poissonklammer

A1, A2 = −A2, A1 :=

f∑i=1

(∂A1

∂ξi

∂A2

∂Φi

− ∂A1

∂Φi

∂A2

∂ξi

). (3.1.9)

Viele der folgenden Relationen konnen gemeinsam fur den klassischen Fall undden quantenmechanischen Fall diskutiert werden, wenn man den Liouville-Operatordurch

iL[•] :=

•, H klassisch1i~ [•, H] quantenmechanisch

(3.1.10)

definiert. Mit Hilfe des Liouville-Operators lautet Gl. (3.1.8):

∂tρπ(t) + iL[ρπ] = 0 . (3.1.11)

Mit Hilfe der Wahrscheinlichkeitsdichte konnen wir nun die Gibbs’sche Entropie als

S[ρπ] := −kBTr[ρπ ln ρπ] (3.1.12)

definieren. Allerdings folgt aus dieser Definition, dass

d

dtS = 0 (3.1.13)

die Entropieerzeugung eines solchen System Null ist. Dies ist das Grundproblem derstatistischen Mechanik. Tolmann hat deswegen 1937 die Grundannahme getroffen,dass die Phasenraumvariable alle Zufallsvariable sind und dass im Gleichgewicht al-le zuganglichen Volumina des Phasenraums a priori gleichwahrscheinlich sind. DieseAnnahmen fuhren auf die statistische Mechanik des Gleichgewichts. Da man aberauch an einer Theorie des Nichtgleichgewichts interessiert ist, muss man sich andieser Stelle einige andere Konzepte uberlegen. Die erste Frage, die man auf dieserEbene zu beantworten hat, ist die Frage nach der Existenz eines mikroskopisch iso-lierten Systems? Die Antwort auf diese Frage teilt die physikalische Gemeinschaftin verschiedene Gruppen ein. So kann man durch die Existenz einer Umgebung sehrleicht zeigen, dass die Bewegungsgleichung fur die bedingten Ubergangswahrschein-lichkeiten Dissipation zeigt (siehe Caldeira-Leggett-Modell). Allerdings ist die Frage,ob man ein System isolieren kann oder nicht, keine Frage der mikroskopischen Theo-rien, da ja versucht wird thermodynamische Bilanzen aus diesen Theorien abzuleiten.Thermodynamische Bilanzen sind aber im allgemeinen von der Form

Rate der zu bilanzierenden Große = Fluss uber die Systemgrenzen

+ Interne Produktion . (3.1.14)

Die Unterscheidung zwischen den Flussen und den internen Produktionen kann ge-macht werden, falls es moglich ist, das System dadurch zu isolieren. Die Flusse sinddadurch charakterisiert, dass sie wahrend einer Isolierung des Systems verschwindenund dadurch werden die internen Produktionen identifiziert und messbar. Die inter-nen Produktionen sollten also invariant sein gegenuber einer Isolierung des Systems.

3.2 Die relevanten Observablen 49

Wie man diese internen Produktionen beschreiben kann, wird im dritten Kapitel be-handelt. Weiterhin ist dann klar, dass die Irreversibilitat offener System dann zweiUrsachen hat. Einmal die interne Produktion und andererseits die externen Flusse.Falls wir bestreiten, dass eine solche interne Entropieproduktion fur isolierte Sy-steme besteht, dann konnen wir aus der thermodynamischen Sichtweise nicht mehrkonsequent argumentieren, dass die Entropie fur ein offenes System durch die un-kontrolierten Fluktuationen der Umgebung immer zunimmt. Dies ist eine Folgerungaus der thermodyanamischen Annahme, dass wir das System unter Hinzunahme derUmgebung isolieren konnen und somit ein System erhielten, dass keine Entropieerzeugt.

Falls wir also ein dissipatives, isoliertes System mikroskopisch beschreiben wollen,dass unter Abschluss der Umgebung ins Gleichgewicht strebt, sind wir genotigt, eineallgemeinere Bewegungsgleichung fur die Wahrscheinlichkeitsdichte (Dichteoperator)zu fordern. Die allgemeine Liouville-Gleichung musste also von der Form

∂tρπ(t) = −iL[ρπ] + D[ρπ] (3.1.15)

sein. Eine Gleichung von dieser Struktur ist z.B. die Fokker-Planck-Gleichung desKlein-Kramer-Prozesses (siehe Anhang). Der Dissipationsoperator D[•] muss natur-lich die Gesamtenergie des Systems erhalten, und dafur sorgen, dass alle anderenGroßen gegen ihren Gleichgewichtswert streben. Ein Modell, dass diesen Anforde-rungen genugt wird explizit im dritten Kapitel behandelt. Bevor wir dazu kommen,wollen wir hier aber auch die gangigen Konzepte vorstellen und diskutieren. Daswichtigste Konzept beruht auf der Annahme der relevanten Observablen, die wirnun behandeln werden. Wir gehen also zunachst davon aus, der der Dissipations-operator D[ρ] ≡ 0 ist. Bevor wir die relevaten Observablen einfuhren, geben wir nochden Raum der Phasenraumfunktionen an. Die Menge aller Phasenraumfunktionen,die wir betrachten ist aus L2(Γ, dP ). Das dazugehorige Skalarprodukt ist durch

(A(π), B(π)) :=

X

A(G)B(G)dP (Γ) =

X

A(G)B(G)ρπ(G, t)dΓ. (3.1.16)

Wir lassen im Folgenden also nur Phasenraumfunktionen zu, die bezuglich des in-duzierten Wahrscheinlichkeitsmaßes ρ(G, t) quadratintegrabel sind.

3.2 Die relevanten Observablen

Vom makroskopischen Standpunkt aus, wird das System Σ nun durch einen Satzextensiver Variablen G1(G, a), ..., GK(G, a) beschrieben, die Funktionen der mikro-skopischen G ∈ Γ und der Arbeitsvariablen sind. Man mag sich dabei z.B. an Ener-gien, Massen, elektrischer Ladung und Impulse kleiner Teilsystem denken. Dabei istist zweckmaßig zwischen geraden und ungeraden Funktionen der Impulse zu unter-scheiden. Als Ausgangspunkt der Beschreibung des Systems starten wir deshalb vonder Annahme der Existenz einer reduzierten Beschreibung. Diese Beobachtungsebe-ne wird beispielsweise durch die Anzahl der Messinstrumente des Experimentatorsbestimmt. Im Folgenden wird die Diskussion rein klassisch gefuhrt werden.

50 Kapitel 3 Statistische Mechanik des Nichtgleichgewichts

Definition 3.1. Die Menge BB = spanG1(G; a), ...., GK(G; a), (3.2.1)

die aus K ∈ N Observablen bestehen soll, heißt Beobachtungsebene. Die K Ob-servablen sind die makroskopischen, beobachtbaren relevanten Großen, die von denArbeitsvariablen abhangen konnen.

Die geraden Funktionen der Teilchengeschwindigkeiten werden im Folgenden mitAi, wobei i = 1, ..., n, bezeichnet. Den zweiten Typ von Phasenraumfunktionen be-zeichnen wir mit Bj mit j = 1, 2, ..,m. Diese Phasenraumfunktionen B sind ungeradeFunktionen der Teilchengeschwindigkeiten, als z. B. Impulsdichten oder die elektri-schen Stromdichten. Damit ist Anzahl der Phasenraumfunktionen durch K = n+mgegeben.

Der Erfolg der Thermodynamik begrundet sich durch die Reduktion der Ob-servablen. Insbesondere kann man den Erfolg der Thermostatik nur aus der Ther-modynamik verstehen. Deshalb hat man in der Thermodynamik den so genann-ten begleitenden Prozess [27] eingefuhrt. Der begleitende Prozess ist eine Projekti-on des Prozesses im thermodynamischen Zustandsraum auf den Gleichgewichtsteil-raum. Eine weitere Anwendung findet dieser Gedanke in der statistischen Mechanikder Nichtgleichgewichtsprozesse. Die Idee, die dem Projektionsformalismus zugrun-de liegt, ist eine Reduktion des Phasenraums auf die relevanten Observablen. Manerhalt als Ergebnis der Projektion neue Bewegungsgleichungen der Observablen, dieman als stochastische Differentialgleichungen ansehen kann. Dazu wird eine relevan-te Wahrscheinlichkeitsverteilungsdichte eingefuhrt, die das zeitliche Verhalten derErwartungswerte der Beobachtungsebene richtig beschreibt.

Definition 3.2. Sei ρ(G, t) eine Losung der Liouville-Gleichung (3.1.8) und seiB die Beobachtungsebene des Systems Σ.Eine Wahrscheinlichkeitsverteilungsdichteρrel(π, t) im Phasenraum, heißt relevante Wahrscheinlichkeitsverteilungsdichte ge-nau dann, falls

gi := Gi = Tr[Gi(G)ρπ(G, t)] =: Tr[Giρrel] (3.2.2)

fur alle Gi ∈ B gilt.

Um unter der Menge aller relevanten Wahrscheinlichkeitsdichten eine auszuzeich-nen, kann man nun zwei verschiedene Prinzipien einfuhren.

• Fassen wir die relevanten Observablen als die Summe der Phasenraumfunktio-nen einzelner Teilchen auf, die eine Wahrscheinlichkeitsverteilung ρπ induzie-ren, so konnen wir mittels des Zentralen Grenzwertsatzes, argumentieren, dassdie relevante Wahrscheinlichkeitsverteilung durch eine Gauß-Wahrscheinlichkeits-verteilungsdichte gegeben ist.

• Fassen wir die Erwartungswerte der Beobachtungsebene als Nebenbedingungenauf, unter denen die Entropie maximal wird, so ist die relevante Wahrschein-lichkeitsdichte durch eine verallgemeinerte kanonische Verteilung gegeben.

Im Folgenden wird aber nur das letzte der beiden Konzepte diskutiert werden. EineDiskussion des ersten Konzepts findet man z.B. im Standardwerk von Groot undMazur ( [50]).

3.3 Prinzip der maximalen Entropie 51

3.3 Prinzip der maximalen Entropie

Seit den Arbeiten von E. T. Jaynes ( [9], [10]) ist die statistische Mechanik mit demPrinzip des Maximums der Entropie verbunden. Wir werden hier aber nur kurz aufdieses Thema eingehen. Die Forderung nach der Maximalitat der Entropie sondertunter der Menge aller relevanten Wahrscheinlichkeitsdichten, die der Definition (3.2)genugen, diejenige Wahrscheinlichkeistdichte RB aus, die die Entropie

η := −kBTr(ρπ ln RB) = −kBTr(RB ln(RB)) (3.3.1)

extremalisiert.

Postulat 3.1. Die Entropie (3.3.1) soll unter den K + 1 Nebenbedingungen

Tr(RB) = 1 (3.3.2)

Tr(RBGi) = gi, i = 1, 2, ..., K (3.3.3)

mit Gi ∈ B extremal sein.

Aus dieser Annahme kann nun gefolgert werden, dass die Wahrscheinlichkeits-verteilung die folgende Form

RB = e−λ0−∑K

i=1 λiGi =: e−Ω (3.3.4)

mit der Zustandsumme (Planck-Massieu-Funktion)

λ0 = ln Tr[e−

∑Ki=1 λiGi

](3.3.5)

hat und Ω := λ0 +∑K

i=1 λiGi. Die Parameter λ(t) sind Lagrangemultiplikatoren undsind durch die Definitionsgleichung (3.2.2) bestimmt. Die relevante Entropie ist danngegeben durch die Gleichung:

SB(t) := −kBTr[RB ln(RB)] = kB(λ0 +K∑

i=1

λiGi). (3.3.6)

An dieser Stelle kann die Entropie als Observable eingefuhrt werden. Der Entropie-operator ist gegeben durch die Linearkombination aller Elemente der Beobachtungs-ebene

SB := ln(RB) = −λ0 −K∑

i=1

λiGi. (3.3.7)

Es ist nun klar, dass die Aufgabe der Statistischen Mechanik des Nichtgleichgewichtsdarin besteht, Transportgleichungen fur die Scharmittelwerte Gi abzuleiten. Betrach-ten wir aber zunachst, die experimentellen Erfahrungen. Die Erfahrung zeigt uns,dass eine grosse Klasse von makroskopischen Observablen eine Uberlagerung einerzeitlich gedampften und einer oszillatorischen Dynamik unterliegt. Das Ziel wird esalso sein, eine solche Transportgleichung fur die Erwartungswerte der Beobachtungs-ebene abzuleiten.

52 Kapitel 3 Statistische Mechanik des Nichtgleichgewichts

3.4 Projektionsformalismus

Um eine exakte Definition der oben erwahnten Projektion zu erlangen (siehe z.B. [76]und [79]), mussen wir uns zunachst ein Skalarprodukt definieren. Sei f(G, t), g(G, t) ∈C∞ und sei ρ(G, t) eine Wahrscheinlichkeitsdichte, dann ist die Abbildung Φ : C1 ×C1 7→ Rdurch

(f, g)ρ :=

X

f+(G, t)g(G, t)dµ(Γ, t) =

X

f+(G, t)g(G, t)ρ(G, t)dΓ (3.4.1)

definiert. Die Funktionen, fur die das Skalarprodukt endlich ist, bilden den RaumL2 mit der ublichen Norm

||f || :=√√√√

X

f 2dµ(Γ, t). (3.4.2)

Nun identifizieren wir das Wahrscheinlichkeitsmass mit dem Wahrscheinlichkeits-mass, das die Entropie maximalisiert. Wir erhalten damit das Mori-Produkt

(f, g)RB:=

X

f+(G, t)g(G, t)RB(G, t)dΓ. (3.4.3)

Den Raum aller Phasenraumfunktionen bezeichnen wir im Folgenden als den Raumder Observablen HObs. Nun konnen wir die Projektionsoperatoren definieren.

Definition 3.3. Sei ∆G := G − g, die Abweichung vom Erwartungswert g, dannkonnen wir mit Hilfe des Mori-Produktes zwei Abbildungen definieren:

PM(Ω) : HObs −→ BA 7→ PM(Ω)[A]

mit

PM(−Ω)[•] := (•, 1)RB+

[(∆Gi, •)RB

· (∆Gi, ∆Gj)−1RB

]·∆Gj ,

und dem induzierten Projektor, der vom Dualraum in den Dualraum der Observablenabbildet

PKG(Ω) : (HObs)∗ −→ (HObs)∗

X 7→ PKG(Ω)[X]

mit

PKG(Ω)[•] := RBTr(•) + DRB(Ω)[Gi]) · (∆Gi, ∆Gj)−1 · Tr(∆Gj•),

wobei DRB(−Ω)[∆G] die Richtungsableitung langs des Vektors ∆G bezeichnet.

3.4 Projektionsformalismus 53

Die so definierten Abbildungen sind uber die folgende Beziehung miteinanderVerknupft:

Tr(PM(Ω)[A]ρ

)= Tr (PKG(Ω)[ρ]A) .

Man kann außerdem zeigen, dass die Abbildungen sich darstellen lassen als [12]:

• Mori-Projektor

PM(t)[•] := Tr[RB(t)•] +∑

n

Tr

[•∂RB(t)

∂gn

](Gn − gn) (3.4.4)

• Kawasaki-Gunton Projektor (linearer Operator)

PKG(t)[•] := RBTr[•] +∑

n

(Tr(•Gn)− Tr(•)gn

) ∂RB(t)

∂gn

(3.4.5)

Der Kawasaki-Gunton-Projektor ist linear und hat die folgenden Eigenschaften:

• PKG(t)[PKG(t′)[•]] = PKG(t)[•] fur beliebige Zeiten t, t′

• PKG(t)[ρ(t)] = RB(t)

• PKG(t)[

∂ρ(t)∂t

]= ∂RB(t)

∂t= RB(tr(RBG)− G) · d

dtλ unter der Bedingung

˙G = 0.

Der Mori-Projektor ist ebenfalls linear und hat die folgenden Eigenschaften:

• PM(t)[PM(t′)[•]] = PM(t′)[•]• PM(t)[Gn] = Gn.

Der Projektor, der auf den orthogonalen Raum der Beobachtungsebene projeziertist durch

QM [•] := 1−PM(t)[•] (3.4.6)

definiert.

3.4.1 Mori-Langevin-Theorie

Das Ziel der Mori-Langevin-Theorie ist es, aus den Hamilton’schen Gleichungen furdie Observablen G(G) ∈ B der Beobachtungsebene eine stochastsische Differential-gleichung abzuleiten, die vom sogenannten Langevin-Typ ist (Siehe z.B. [76]). Dasheißt, wir wollen eine Gleichung der Form ableiten,

v = A · v + B · v + η(t), (3.4.7)

wobei die Matrix A rein imaginare Eigenwerte, die Matrix B nicht positive Eigenwer-te haben soll und die stochastische Restkraft η(t) , die als weißes Rauschen additivzur deterministischen Gleichung hinzutritt. Daraus folgt, dass v ein Zufallsvektorist, der einer Wahrscheinlichkeitsdichte genugt, die eine Fokker-Planck-Gleichung

54 Kapitel 3 Statistische Mechanik des Nichtgleichgewichts

induziert. Damit kann man zeigen, dass die dazugehorige Entropieproduktion posi-tiv ist. Dies wird im Einzelnen im Kapitel vier diskutiert. Gehen wir nun von derkanonischen Bewegungsgleichungen fur die explizit zeitunabhangigen Observablen(beliebige Phasenraumfunktionen)

f(G(t)) = f(G(t)), H(G(t)) = iL[f ]

aus. Die formale Losung dieser Gleichung ist

f(G(t)) = eiLtf(G(0))

gegeben. Damit konnen wir die Dynamik der Observablen als

f(G) = eiLtiL[f(G(0))]

schreiben. Untersuchen wir nun die Dynamik der Observablen der Beobachtungs-ebene (spezielle Phasenraumfunktionen), so so konnen wir sie als

˙G(G(t)) = eiLtiL[G(G(0))]

= eiLtPM(−Ω)[L[G(G(0))]] + eiLtQM(−Ω)[L[G(G(0))]] (3.4.8)

An dieser Stelle wird haufig in der Literatur die folgende Operatoridentitat fur be-nutzt:

ei(A+B)α = eiAα + i

∫ α

0

ei(A+B)(α−s)BeiBsds,

die fur beliebige Operatoren A und B gilt, wobei wir A = iQM(Ω)L und B =iPM(Ω)L setzen, so ergibt sich fur

eiLt = eiQM (Ω)Lt + i

∫ t

0

eiL(t−s)PM(Ω)LeiQM (−Ω)Lsds. (3.4.9)

Allerdings konnen wir diese Operatoridentitat nur anwenden, wenn der Mori- Projek-tionsoperator und insbesondere der Liouville-Operator nicht von der Zeit abhangen.Dies ist der Fall, wenn wir auf Gleichgewichtszustande projizieren. Dies gilt also z.B.fur Req = 1

Ze−βH . Diesen Spezialfall wollen wir hier aber nicht betrachten, sondern

wir werden von der Gleichung, wobei das Skalarprodukt (3.4.3) verwendet wird,

˙G(G(t)) = PM(Ω)( ˆG(G(t)), H, 1) +QM(Ω)(G,H, 1) (3.4.10)

ausgehen. Die Bewegungsgleichung zerfallt also in einen parallelen und einen ortho-gonalen Anteil hinsichtlich der Beobachtungsebene.

Damit gilt die folgende Gleichung fur den Erwartungswert der zeitlichen Ablei-tung der Observablen, da wir den Erwartungswert jeder beliebigen Observablen alsSkalarprodukt mit dem Einselement, die per Definition in der Beobachtungsebeneliegt, schreiben konnen:

⟨d

dtG

⟩≡ (

˙G(G(t)), 1) = (PM(Ω)G,H, 1) + (QM(Ω)G,H, 1)

3.4 Projektionsformalismus 55

= (PM(Ω)G,H, 1). (3.4.11)

In dem letzten Schritt wurde die Tatsache benutzt, dass das Skalarprodukt miteinem Element, dass nicht in der Beobachtungsebene liegt, immer Null ergibt. Wirsehen also, dass wir keine allgemeine Langevin-Mori-Gleichung, der Form (3.4.7)ableiten konnen. Ein Gleichung der Form wird z.B. in [76] abgeleitet, allerdings unterder Annahme, dass die relevante Wahrscheinlichkeitsdichte gleich der stationarenkanonischen Wahrscheinlichkeitsdichte ist.

Aber wir konnen nun ausgehend von der Gl. (3.4.10) eine Bewegungsgleichung furdie Erwartungswerte ableiten. Die Annahmen, die wir im Folgenden zugrunde legen,sind dass wir eine Beobachtungsebene B (3.2.1) gewahlt haben, die eine relevanteWahrscheinlichkeitsdichte induziert, dessen totale zeitliche Anderung ungleich Nullist und dass die Gleichung (3.4.11) gilt.

Dazu bilden wir die totale zeitliche Ableitung von der relevanten Wahrschein-lichkeitsdichte (3.3.4)

d

dtRB(G, λ) =

[((g − G) ·

(d

dtλ

)+

(⟨d

dtG

⟩− d

dtG

))· λ

]RB(G, λ) 6= 0.

(3.4.12)

Dies sieht man wie folgt ein. Es gilt

d

dtλ0 = −g · d

dtλ− λ · 〈 d

dtG〉, (3.4.13)

und damit erhalten wir

d

dtRB = RB

d

dt(−λ0 − G · λ)

=

[((g − G) ·

(d

dtλ

)+

(⟨d

dtG

⟩− d

dtG

))· λ

]RB. (3.4.14)

Damit konnen wir eine Bewegungsgleichung fur die Erwartungswerte ableiten. Dazugehen wir von

d

dtg(λ, t) =

∂g

∂λ· ( d

dtλ) +

∂g

∂t= 〈 d

dtG〉+ Tr(G

d

dtRB) (3.4.15)

aus. Dann erhalten wir die folgende partielle Differentialgleichung fur die Erwar-tungswerte

∂tgi =

⟨d

dtGi

⟩+ Dilλl (3.4.16)

wobei die Matrix D durch

Dil =

(⟨Gi

d

dtGl

⟩− 〈Gi〉

⟨d

dtGl

⟩)(3.4.17)

gegeben ist. Diese Gleichung bekommen wir aus der folgenden Rechnung:

∂tg =d

dtg − ∂g

∂λ· ( d

dtλ)

56 Kapitel 3 Statistische Mechanik des Nichtgleichgewichts

= 〈 d

dtG〉+ Tr(G

d

dtRB)− ∂g

∂λ· ( d

dtλ)

= 〈 d

dtG〉+ Tr

(G

[((g − G) ·

(λ)

+

(⟨d

dtG

⟩− d

dtG

))· λ

]RB

)− ∂g

∂λ· λ

= 〈 d

dtG〉 − (〈G G〉 − g g) · λ + D · λ− ∂g

∂λ· λ

= 〈 d

dtG〉+ D · λ. (3.4.18)

Das sich die beiden Terme, in denen die zeitliche Ableitung der Lagrangeparameterwegheben, sieht man durch die folgende Gleichung ein

∂λ0

∂λi

= −gi,∂2λ0

∂λi∂λj

= 〈GiGj〉 − gigj (3.4.19)

Die Entropieproduktion konnen wir durch

d

dtS = −λ · ∂g

∂λ· (∂tλ) + λ ·D · λ (3.4.20)

angeben. Allerdings konnen wir nicht zeigen, dass die Matrix D positiv definit ist, sodass wir keine Aussage uber die Entropieproduktion machen konnen. Vergleicht mandie so abgeleitete Bewegungsgleichung mit der Bewegungsgleichung, die im Rahmender Beschreibung durch Generic aufgestellt werden, so erkennt man eine formaleAhnlichkeit. Allerdings ist die Matrix D nicht symmetrisch und wir konnen nichtzeigen, dass sie positiv definit ist.

Deshalb leiten wir nun einen expliziten Ausdruck fur die totale zeitliche Anderungder relevante Wahrscheinlichkeitsverteilung ab.

3.4.2 Robertson-Dynamik

Der Ausgangspunkt fur eine modifizierte Liouville-Gleichung ist die additive Zerle-gung der Wahrscheinlichkeitsdichte in einen relevanten und einen irrelevanten Anteilund die Liouville-Gleichung selbst (Schrodinger-Bild). Die Zerlegung wird durch dieidempotente Kawasaki-Gunton-Abbildung vorgenommen. Die Kawasaki-Gunton-Ab-bildung wird aufgrund der Idempotenz oft auch Projektor genannt. Damit konnenwir den folgenden Satz beweisen.

Satz 3.1. Robertson-Dynamik [74]Die partielle Differentialgleichung fur die Wahrscheinlichkeitsdichte RB lautet

∂tRB(G, t) = −iPKG(t)[LRB]−t∫

t0

PKG(t)[LT (t, s)QKG(t)[LRB(G, s)]]ds

und wird Robertson-Dynamik genannt, mit

∂sT (t, s) = iT (t, s)QKG(t)L (3.4.21)

T (t, t) = 1 (3.4.22)

und der Anfangsbedingungρ(t0) ≡ RB(t0).

3.4 Projektionsformalismus 57

Beweis: (siehe [75])Ausgehend von den Identitaten, die man aus der Liouville-Gleichung (3.1.11) erhalt,

∂tRB = PKG(t)[∂tρ] = −iPKG(t)[LRB]− iPKG(t)[L(ρ(t)−RB(t))]

und

∂t(ρ(t)−RB(t)) = −iQKG(t)[Lρ(t)] = −iQKG(t)[LRB(t)]−iQKG(t)[L(ρ(t)−RB(t))]

konnen wir, wenn wir die zweite Identitat mit der Funktion T (t, s) multiplizierenund von t0 bis t integrieren, einen Ausdruck fur ρ(t)−RB(t) ableiten.

t∫

t0

T (t, s)∂s(ρ(s)−RB(s))ds

= −i

t∫

t0

T (t, s)QKG(s)[LRB(s)]ds−t∫

t0

(∂sT (t, s)) (ρ(s)−RB(s))ds

= −i

t∫

t0

T (t, s)QKG(s)[LRB(s)]ds +

t∫

t0

T (t, s)∂s(ρ(s)−RB(s))ds

− [T (t, s)(ρ(s)−RB(s))]tt0 ,

wobei (3.4.22) benutzt wurden. Wir erhalten demnach mit (3.4.21) die Gleichung

ρ(t)−RB(t) = −i

t∫

t0

T (t, s)QKG(s)[LRB(s)]ds (3.4.23)

die wir in die erste Identitat einsetzen. Damit erhalten wir die gewunschte Aussage.¤

Die Bewegungsgleichung fur die Erwartungswerte bekommen wir durch die Mul-tiplikation von G mit der Robertson-Dynamik und anschließender Spur-Bildung, dawenn wir eine partielle Differentialgleichung fur die Wahrscheinlichkeitsdichte haben,die Observablen zeitunabhangig sind. Dies bedeutet, dass wir uns Schrodinger-Bildbefinden. Die Bewegungsgleichung lautet

∂tg = Tr(G∂tRB(t))

= iT r(GPKG(t)[LRB]− iT r

G

t∫

t0

PKG(t)[LT (t, s)QKG(t)[LRB(G, s)]]ds

= Tr(GH, RB)− iT r

G

t∫

t0

PKG(t)[LT (t, s)QKG(t)[LRB(G, s)]]ds

(3.4.24)

58 Kapitel 3 Statistische Mechanik des Nichtgleichgewichts

Die Entropieproduktion [75] ist durch

d

dtS(t) = kBTr(λ · GiL(RB(t)))

= −kBTr

λ · G

t∫

t0

PKG(t)[LT (t, s)QKG(t)[LRB(G, s)]]ds

(3.4.25)

gegeben, da man zeigen kann, dass der erste Summand in (3.4.25) keinen Beitragzur Entropieproduktion liefert (siehe Satz (4.5)). Im Allgemeinen lasst sich uber dieEntropieproduktion keine Aussage treffen. Allerdings konnen wir die Ableitung ander Stelle t = t0 bilden und zeigen, dass sie dann unter der Annahme, dass dieDrift-Terme

v = Tr(GLRB(t0)).= 0

alle Null sind, positiv ist.

d

dtS(t)

∣∣∣∣t=t0

= −kBTr(λ · GPKG(t0)[LQKG(t0)[LRB(G, t0)]]

)(3.4.26)

Setzen wir nun den Projektor QKG(t0) in diese Gleichung ein, so erhalten wir

d

dtS(t)

∣∣∣∣t=t0

= − kBTr(λ · GPKG(t0)[LLRB(G, t0)]

)

+ kBTr

(λ · GL

∂RB(G, t0)

∂g]

)· Tr(GLRB(t0)). (3.4.27)

Nehmen wir nun noch an, dass die Drift-Terme

v = Tr(GLRB(t0)).= 0

identisch [75] verschwinden, so folgt:

d

dtS(t)

∣∣∣∣t=t0

= − kBTr(PM(t0)[λ · G]LLRB(t0)

)

= −kBTr(λ · GLLRB(t0)

)

= −kBλ · Tr(i(LG)iLRB(G, t0)

). (3.4.28)

Benutzen wir nun noch die Identitat

iLRB(G, t0) = RB, H = i∑

i

∂RB

∂qi

∂H

∂pi

− ∂RB

∂pi

∂H

∂qi

= −(∑

i

∂(λ · G)

∂qi

∂H

∂pi

− ∂(λ · G)

∂pi

∂H

∂qi

)e−λ0−λ·G

= −λ · G,HRB(G, t0) = −iλ · (LG)RB(G, t0), (3.4.29)

3.5 Diskussion 59

so gilt

d

dtS(t)

∣∣∣∣t=t0

= (iλ · (LG), iλ · (LG)) ≥ 0. (3.4.30)

Wir konnen also, unter der Annahme, dass wir uns nahe am Geichgewicht befinden,zeigen dass die Entropieproduktion positiv zur Zeit t = t0 ist. Die Annahme, dasswir uns nahe am Gleichgewicht befinden, benotigen wir fur die Annahme, dass dieDrift-Terme der Beobachtungsebene identisch verschwinden.

3.4.3 Markov’sche Naherung

Obige Form der Mastergleichung ist dadurch gekennzeichnet, dass die zeitliche An-derung des Zustands, der durch die relevante Wahrscheinlichkeitsdichte beschriebenwird, nicht nur durch den momentanen Zustand allein, sondern durch die Zustandezu allen vorhergehenden Zeiten bestimmt wird. Offensichtlich erfasst der Integral-kern in (3.4.24) das ´´Gedachtnis´´ des Systems. Dies ist naturlich ein Effekt derreduzierten Beschreibungsebene. In der Regel sind die damit zusammenhangendenFeinheiten makroskopisch nicht auflosbar, deshalb setzen wir ein extrem kurzes Ge-dachtnis voraus. Im Rahmen dieser Naherung erhalten wir als Bewegungsgleichungfur die Erwartungswerte die folgende Gleichung [81]

∂tg = Tr(GH, RB)− iT r

G

t∫

t0

PKG(t)[LT (t, s)]ds

QKG(t)[LRB(G, t)]]

(3.4.31)

Benutzen wir noch die Identitat (3.4.29), so erhalten wir die Gleichung

∂tg = = Tr(GH, RB)

−iT r

G

t∫

t0

PKG(t)[LT (t, s)]ds

QKG(t)[(LG)RB(G, t)]

· λ.

(3.4.32)

Wie man sieht, ist in dieser Gleichung die Wahrscheinlichkeitsdichte aus dem Integralgezogen worden. Damit hangt die obige Gleichung zwar noch von den Anfangszeit t0ab, aber nicht mehr vom zeitlichen Verlauf der Wahrscheinlichkeitsdichte und damitder Historie des Prozess.

Diese Gleichung wurde schon von vielen Autoren abgeleitet, unter Anderem hatOttinger in [47] damit eine mikroskopische Begrundung, der von der Generic-Theorie geforderten Form der Bewegungsgleichung, angegeben.

3.5 Diskussion

In diesem Kapitel wurden einige Ansatze vorgestellt mit denen Dissipation erklartwerden soll. Allerdings haben wir im Rahmen des Projektionsformalismus gesehen,

60 Kapitel 3 Statistische Mechanik des Nichtgleichgewichts

dass wir eine positive Entropieproduktion nur unter sehr speziellen Annahmen zei-gen konnten. Die Modelle, die auf diesem Formalismus beruhen, mussen noch weitereAnnahmen treffen, um eine positive Entropieproduktion zu erhalten. Auch die mikro-skopische Begrundung von Generic ist hinsichtlich dieses Mangels nicht sonderlichuberzeugend. Sowie die Betrachtung der Langevin-Mori-Theorie in Verbindung mitdem Postulat der maximalen Entropie fuhrten nicht auf eine positive Entropierate.

Die Frage, die bisher unbeantwortet ist, ob man mit Hilfe von stochastischenDifferentialgleichungen ein abgeschlossenes System beschreiben kann. Diese Fragewerden wir im nachsten Kapitel untersuchen.

Kapitel 4

Mechanik dissipativer Systeme

In diesem Kapitel wird ein thermodynamisches System mit den Methoden der sta-tistischen Mechanik beschrieben. Es wird dabei die Theorie der stochastischen Pro-zesse benutzt. Ein kurzer Uberblick uber diese Theorie befindet sich im Anhang;fur eine detaillierte Beschreibung der Theorie der stochastischen Prozesse siehe z.B.Risken [15]. Ein thermodynamisches System kann nach Schottky [5] mit seiner Umge-bung Arbeit, Warme und Teilchen austauschen. Man nennt nun ein solches System

Q

W

n

Abbildung 4.1: Definition eines Schottky-Systems

isoliert, falls alle Austauschgroßen W , Q, n fur beliebige Umgebungen verschwin-den. Ein solches isoliertes System ist von fundamentaler Bedeutung, da man allethermodynamischen Systeme, die mit einer Umgebung Energie austauschen, durchHinzunahme der Umgebung als isoliertes System betrachten kann. Wir beschreibendas thermodynamische System mit Hilfe der klassischen Mechanik, die im Allge-meinen wohl nicht zutreffend ist, da die Interaktion der Atome und Molekule imRahmen der Quantenmechanik beschrieben werden musste. Es ist aber zumindesthilfreich, wenn man die klassische Beschreibung kennt.

Der Systemzustand eines thermodynamischen Systems wird durch die 2fN Pha-senraumvariablen beschrieben, wobei f die Anzahl der Freiheitsgrade pro Teilchen

61

62 Kapitel 4 Mechanik dissipativer Systeme

Heuristische Motivation der

stochastischen Bewegungsgleichung

Postulat 4.1 der stochastischen

Bewegungsgleichung

(Langevin-Gleichung )

Ableitung der Fokker-Planck-Gleichung

für die WahrscheinlichkeitsdichteFPG

Ableitung einer Bewegungsgleichung

für die Erwartungswerte beliebiger

Phasenraumfunktionen

Ableitung des ersten und des

zweiten Hauptsatzes der

Thermodynamikabgeschlossener

Systeme

Aufstellung der Hamiltonfunktion

für abgeschlossene Systeme

Ableitung der Kramer-Moyal-

Enwicklungskoeffizienten

Existenz und Eindeutig der

stationären Lösung der FPG

(Grundpostulat der statistischen

Mechanik abgeschlosser Systeme)

Angabe makroskopisch

relevanter Phasenraum-

funktionen

Einführung der makroskopischen

Potentiale E und S

(Energie und Entropie)

Aufstellung der Bewegungsgleichung

in GENERIC-Form

Mechanik dissipativer

abgeschlossener Systeme

Satz 4.2

Satz 4.1 und Satz 4.3

Satz 4.4

Gl. 4.1.75 und Satz 4.7, Lemma 4.6

Abschnitt 4.1.4Abschnitt 4.1.4

Abschnitt 4.1.5

Abschnitt 4.12

Abbildung 4.2: Ubersicht uber die Vorgehensweise in diesem Kapitel

angibt, N die Anzahl der Teilchen und durch die Arbeitsvariablen a (z.B: Volumen).Ein Phasenraumpunkt π ∈ R2fN beschreibt nun einen Zustand des thermodynami-schen Systems und ist als

π =

fN∑i=1

ξiei +

2fN∑

j=fN+1

φjej, ei : kartesische Einheitsvektoren (4.0.1)

definiert. Die Phasenraumvariablen ξi beschreiben die Systemkonfiguration und φi

sind die dazu kanonisch konjugierten Impulse des thermodynamischen Systems. Dermikroskopische Zustandsraum wird durch

Z := π; a (4.0.2)

definiert. Aus der klassischen Mechanik ist bekannt, dass der Zustand Z durch dieAngabe eines Phasenraumraumpunktes und der Angabe des zeitlichen Verlaufes

4.1 Isolierte diskrete Systeme 63

der Arbeitsvariablen a eindeutig spezifiziert ist; kennt man zur Zeit t0 die Phaseπ0, so kann man durch Losung der Bewegungsgleichung π zu jeder Zeit bestim-men. Diese Losung wird mit π(t, a(t)|π0) bezeichnet, wobei die Anfangsbedingungπ(t0, a(t0)|π0) = π0 ist. Demnach durchlauft das System im Laufe seiner Entwicklungeine Trajektorie im zuganglichen Teil Phasenraum, der im folgenden als Γ-Raum be-zeichnet wird. Nun ist jede klassische Observable als Funktion auf dem Phasenraumdarstellbar. Die makroskopischen Großen gewinnt man daher durch die Einfuhrungspezieller Phasenraumfunktionen f(π; a), die auf dem mikroskopischen Zustands-raum definiert sind. Beispiele hierfur sind z.B. die Gesamtenergie des Systems, derGesamtimpuls, die Teilchendichte oder der Gesamtspin des Systems.

4.1 Isolierte diskrete Systeme

Notation 4.1. Im Folgenden werden die generalisierten Koordinaten mit zwei In-dizes bezeichnen, wobei der erste lateinische Index die Teilchennummer beschreibtund der zweite griechische Index uber die Freiheitsgrade geht. Die generalisiertenArbeitsvariablen werden als a bezeichnet.

Wir fassen den 2Nf dimensionalen Phasenraum Γ, wobei

π := ξ11, ...ξNf , φ11, ...φNf ∈ Γ

einen Phasenraumpunkt bezeichnet, als einen Zufallsraum auf. Der Vektor π wirdnun als Zufallsvektor bezeichnet. Wir ersetzen also die Phasenraumvariablen, deneneine direkte physikalische Bedeutung zukommt, da sie messbar sind, durch stocha-stische Variablen. Dies wird zur Folge haben, dass die Liouville-Gleichung durch eineFokker-Planck-Gleichung ersetzt wird. Die Trajektorie im Phasenraum kann dannals stochastischer Prozess aufgefasst werden und dies ermoglicht die Einfuhrung desBegriffs des statistischen Ensembles. Als Zustandsraum kann, wie oben bemerktwurde, fur ein isoliertes diskretes System der Teilraum des Phasenraums

X = π ∈ R2Nf : H(π; a) = E(a) = const , (4.1.1)

d.h. die Energiehyperflache, angesehen werden.

Definition 4.1. Ein stochastischer Prozess (π(t), t ∈ I ⊂ R) ist eine Familie vonZufallsvariablen, definiert auf einem Wahrscheinlichkeitsraum (Ω,F , P ). Zu einembestimmten Zeitpunkt t ist π(t) : Ω → Γ eine Zufallsvariable, die eine Wahrschein-lichkeitsdichte ρπ(Gt, t) auf dem Phasenraum (Gt ∈ Γ) induziert .

Definition 4.2. Der Erwartungswert einer beliebigen Phasenraumfunktion f(G)wird durch

f(G)(t) =

∫f(G)ρπ(G, t)dΓ

definiert.

64 Kapitel 4 Mechanik dissipativer Systeme

Definition 4.3. π(k)(t) wird eine Realisierung des stochastischen Prozesses genannt,falls sich alle n-zeitigen Wahrscheinlichkeitsdichten ρπ(G1, t1, G2, t2, ...., Gn, tn) imdistributiven Sinne darstellen lassen als:

ρπ(G1, t1, G2, t2, ...., Gn, tn) = limN→∞

(1

N

)n N∑

k=1

δ(π(k)(t1)−G1)δ(π(k)(t2)−G2)

×....× δ(π(k)(tn)−Gn)

Definition 4.4. Der Ensemble-Mittelwert einer beliebigen Funktionen F (π) des sto-chastischen Prozess zu einer festen, aber beliebigen Zeit t1 des stochastischen Pro-zesses wird definiert durch:

〈F 〉(t1) := limN→∞

1

N

N∑

k=1

F (π(k)(t1)). (4.1.2)

Aus den Definitionen (4.2), (4.1.2) und (4.4) folgt sofort, dass der Ensemble-Mittelwert gleich dem Erwartungswert

f(G) ≡ 〈f(π)〉 (4.1.3)

einer beliebigen Phasenfunktion f(π) ist. Dies sieht man durch die Rechnung

f(G) =

∫f(G)〈δ(π(t)−G)〉dΓ

=

∫〈f(π)δ(π(t)−G)〉dΓ = 〈f(π)〉

ein.

Definition 4.5. Eine Zufallsvariable η(t) heißt weißes Rauschen, falls gilt

〈η(t)〉 = 0 (4.1.4)

〈η(t)η(t′)〉 = Dδ(t− t′). (4.1.5)

Da wir hier und im Folgenden die Stratonovich-Interpretation der stochastischenIntegration verwenden wollen, ist die δ-Distribution in (4.1.5) folgendermaßen auf-zufassen:

Definition 4.6. Die Delta-Distribution wird durch die folgenden Eigenschaften de-finiert:

∫ ∞

−∞f(s)δ(t− s)ds = f(t) (4.1.6)

∫ s

t

f(t1)δ(t1 − s)dt1 =1

2f(s) . (4.1.7)

Ein probates Mittel, um stochastische Prozesse zu beschreiben, sind die stocha-stischen Differentialgleichungen. Stochastische Differentialgleichungen entstehen z.B.dadurch, dass man zu den deterministischen Differentialgleichungen ein so genanntesweißes Rauschen addiert.

4.1 Isolierte diskrete Systeme 65

Definition 4.7. Das System Σ wird durch die Hamiltonfunktion H(Z), die aufdem mikroskopischen Zustandsraum (4.0.2) definiert ist, gegeben. Wir nehmen imFolgenden an, dass die Hamiltonfunktion durch

H(π, a) := T (π) + VWW (ξ) + VAr(ξ, a) , (π, ξ) ∈ Γ

gegeben ist, wobei die kinetische Energie

T (π, a) :=1

2

N∑i=1

(φiα − Aiα)Θiαjβ(φjβ − Aiα) (4.1.8)

eine quadratische Form der kanonischen Impulse ist und die Matrix Θ eine positi-

ve (und daher invertierbare) Matrix ist, die nicht von den generalisierten Orten ξabhangen darf. Die Potentiale V (ξ, a) sollen nur von Arbeitsvariablen und den gene-ralisierten Orten abhangen durfen. Das Vektorpotential hangt von Relativkoordinatenab und es gilt

Ai =∑

j 6=i

A(|ξi − ξj|),

mit der Eichung∂Ai

∂ξi

= 0

Definition 4.8. Das System Σ heißt isoliert, wenn die Hamiltonfunktion eine Er-haltungsgroße ist, insbesondere muss

∂aH(π, a) · a = 0 (4.1.9)

gelten.

Beispiel 4.1. Als ein Beispiel fur eine Hamiltonfunktion, die wir explizit ausge-schlossen haben, sei hier die Hamiltonfunktion fur N freie Hantelmolekule in einemKubus, der Lange l

H =∑

i

(pi− Ai)

2

2M+

1

2C

((pϑi − Aϑi)

2 +1

sin2 ϑi

(pφi − Aφi)2

)+ VWand(qi

− l)

gegeben, mit den Abkurzungen M = m1 + m2, C = (m1m2/M)R2, R ist der Ab-stand zwischen den beiden Atomen der Hantel und m1 bzw. m2 sind die Massender beiden Hantel-Atome und ϑi gibt die Orientierung der Hantel im Raum an. DasWandpotential VWand hangt nur von den Schwerpunktskoordinaten und dem Volu-mens V = l1l2l3 ab.

Stattdessen wollen wir im Folgenden ein Molekul, das aus N -Atomen besteht,nicht als einen starren Korper ansehen, sondern als ein System N miteinander wech-selwirkender Punktteilchen beschreiben.

Beispiel 4.2. Die 1-Teilchen Hamiltonfunktion fur ein zweiatomiges Molekul ist inRelativ- und Schwerpunktskoordinaten (r, R) durch

H1 =1

2MR

2+

M

2m1m2

r2 + VMol(r) (4.1.10)

66 Kapitel 4 Mechanik dissipativer Systeme

Aus der Definition (4.7) folgen die Hamilton’schen Bewegungsgleichung

˙ξiα =∂H(ξ, φ, a)

∂φiα

= Θiαjβ(φjβ − Ajβ)

˙φiα = −∂H(ξ, φ)

∂ξiα

= −∂V (ξ)

∂ξiα

+∂Aiα

∂ξjβ

Θjβlλ(φlλ − Alλ). (4.1.11)

Fuhren wir an dieser Stelle die Abkurzung

ηij≡ ∂Ai

∂ξj

ein, so ist sofort ersichtlich aus der Definition von Ai, dass

ηij(π) = −η

ji(π)

gilt. Zusatzlich wird im Verlauf der weiteren Rechnung angenommen, dass

ηij(π) = −ηT

ij(π)

gilt. Das elektromagnetische Feld, dass durch die Rotation des Vektorpotenzials Ai

auf das i-te Teilchen wirkt, wollen wir hier als stochastische Kraft interpretieren.In der Sprache des letzten Kapitel bedeutet dies, dass wir eine Beobachtungsebe-ne B wahlen, die aus der Menge aller quadratintegrablen Funktionen L2 bezuglichdes induzierten Wahrscheinlichkeitsmaßes ρ besteht, aus der die Funktionen ∂Aiα

∂ξjβ

entnommen wurden

B =

G(π) : G(π)ηiαjβ(t) = 0

= ηiαjβ⊥.

Aus dieser Definition der Beobachtungsebene folgt mit G(π) ≡ 1, dass der Erwar-tungswerte von η

ij

ηij(t) = 0

verschwindet. Insbesondere gilt fur eine beliebige Phasenraumfunktion f ∈ B, dassdie Korrelation

fη(t)ij

= 0

gleich Null ist. Die Frage, die sich nun stellt, wodurch die hoheren Momente vonηiαjβ gegeben sind? Wir fordern nun von der Korrelationsfunktion, dass sie durch

ηiαjβ(t)ηlνkµ(t′) :=2D

V(Θ−1

iαlλΘ−1jβkκ −Θ−1

iαkκΘ−1jβlλ)δ(t− t′)

gegeben ist. Das in der Korrelationsfunktion die inverse Massenmatrix vorkommenmuss, wird im Verlauf des Kapitels ersichtlich werden. Dies bedeutet, dass die Kraft,

4.1 Isolierte diskrete Systeme 67

die vom i-ten Teilchen auf das j-te Teilchen ausgeubt wird, nur zu gleichen Zeitenmiteinander korreliert ist. Diese Annahme resultiert aus der Vorstellung, dass dieAbmessungen des Volumens V klein sind, so dass man keine Retardierungseffekteberucksichtigen muss. Allerdings wird die δ-Funktion im Sinne von Stratonovichzu interpretieren sein. Zusatzlich fordern wir, dass die hoheren Korrelationen alleNull sind. Mit diesen beiden Forderungen wird die stochastische Kraft ηiαjβ(t) zueinem weißen Rauschen. Fuhren wir nun noch die nicht-kanonische TransformationΦ : (ξ, φ) 7→ (ξ, φ) mit

ξiα = ξiα, φiα = φiα − Aiα, (4.1.12)

so konnen wir die Hamiltonfunktion aus (4.7) durch

H =1

2

N∑i=1

φiαΘiαjβφjβ + VWW (ξ) + VAr(ξ, a) (4.1.13)

angeben. Im Folgenden werden wir mit dieser Hamiltonfunktion arbeiten. Die An-nahmen, die wir bisher gemacht haben, fassen wir nun noch einmal im folgendenPostulat zusammen:

Postulat 4.1. Sei ein isoliertes System Σ auf ein Volumen V eingeschrankt. Dannkonnen die stochastischen Bewegungsgleichungen fur ein isoliertes, diskretes ther-modynamische System Σ mit der Hamiltonfunktion aus Gl. 4.1.13 mit Def. 4.8 als

ξiα =∂H(ξ, φ, a)

∂φiα

φiα = −∂H(ξ, φ)

∂ξiα

+N∑

j=1

f∑

β=1

ηiαjβ

∂H(ξ, φ, a)

∂φjβ

(4.1.14)

geschrieben werden, wobei die thermischen Fluktuationen durch

N∑j=1

f∑

β=1

∂H(ξ, φ, a)

∂φjβ

ηiαjβ (4.1.15)

gegeben sind. Die von den Phasenraum unabhangige Zufallsmatrix η wird durch die

folgenden Eigenschaften charakterisiert:

(a) Sie ist antisymmetrisch in den Multiindizes ηiαjβ = −ηjβiα.

(b) Der Ensemble-Mittelwert der Matrix η ist durch

〈ηiαjβ(t)〉 = 0 (4.1.16)

gegeben und verschwindet fur jede Komponente identisch.

(c) Die Korrelationsfunktion ist durch

〈ηiαjβ(t)ηlνkµ(t′)〉 :=2D

V(Θ−1

iαlλΘ−1jβkκ −Θ−1

iαkκΘ−1jβlλ)δ(t− t′) (4.1.17)

gegeben, wobei V das Volumen des Systems und Θ−1 die inverse Matrix zu Θist, die in (4.1.8) eingefuhrt wurde, ist.

68 Kapitel 4 Mechanik dissipativer Systeme

Wir haben die deterministischen kanonischen Gleichungen (3.1) durch einen sto-chastischen Prozess ersetzt. Die Motivation dafur ist, dass wir keine genaue Kenntnisdes Wechselwirkungspotentials A haben, zumindest fur kleine Abstande |ξ

i− ξ

j|.

Diese Wechselwirkung bei kleinen Abstanden werden zumeist durch so genannteHard-core Potenziale beschrieben. Bei der Beschreibung durch einen stochastischenProzess wird der Mangel an Information uber die genaue Art der Wechselwirkungdurch die thermischen Fluktuationen modelliert. Diese thermischen Fluktuationenwurden so eingefuhrt, dass sie in einem unendlichen Volumen, dass einer endlichenAnzahl von Teilchen zur Verfugung steht verschwinden, aber sie treten schon bei zweiTeilchen in einem begrenzten Volumen auf. Allerdings sollte die DiffusionskonstanteD ≈ 10−23s−1, die die thermischen Fluktuationen beschreibt, sehr klein sein, so dasssie sich erst bemerkbar macht, wenn die Teilchenzahl sehr groß ist. Dass die Teilchen-zahl in die Bewegungsgleichung der Erwartungswerte eingeht, ergibt sich aus Satz(4.4). Die Frage ist naturlich, ob man solche Gleichungen aus der Quantenmechanikableiten kann, so wie man das fur den Klein-Kramer-Prozess (A.3.2) im Rahmen desCaldeira-Leggett-Modells (D) zeigen kann. Die thermischen Fluktuation, denen dasi−te Teilchen ausgesetzt ist, kann man als Effekt seiner Umgebung, die aus allen an-deren Teilchen besteht, interpretieren. Ein wesentlicher Vorteil dieser Beschreibunggegenuber der Beschreibung durch den Klein-Kramer-Prozess besteht darin, dassdie Energie (wie unten gezeigt wird) eine Erhaltungsgroße ist und wir deshalb in derLage sind, das Grundpostulat der statistischen Mechanik im Rahmen dieses Modellsabzuleiten. Eine weitere Interpretationsmoglichkeit der stochastischen Prozesse isteine Analogie zur Pfadintegraldarstellung der Quantenmechanik, wie in [15] gezeigtwurde. Damit wird die klassische deterministische Trajektorie zur wahrscheinlichstenBahn, der das System folgt.

Bevor wir weiter auf diesen Punkt eingehen, untersuchen wir hier aber zunachstdie Auswirkungen der thermischen Fluktuationen auf die Observablen. Als Obser-vable fassen wir den Erwartungswert einer Zufallsvariable auf. Zunachst konnen wiraus der Tatsache, dass die stochastische Matrix η und die Phasenraumvariablen π

unabhangige Zufallsvariablen sind, mit Hilfe von (4.1.16) schließen, das folgendesgilt:

〈φiαηkνjµ〉 − 〈φiα〉〈ηkνjµ〉 = 〈φiαηkνjµ〉 = 0 . (4.1.18)

Aus (4.1.18) folgt mit (4.1.14), dass die beobachtbare zeitliche Ableitung der Tra-jektorie im Phasenraum den folgenden Gleichungen genugt

⟨ξiα

⟩=

⟨∂H(π(t))

∂φiα

⟩(4.1.19)

⟨φiα

⟩= −

⟨∂H(π(t))

∂ξiα

⟩. (4.1.20)

Weiterhin gilt, dass die Hamiltonfunktion, sofern sie nicht explizit zeitabhangig ist,eine Erhaltungsgroße ist:

d

dtH(π, a) =

∂H(π, a)

∂ξ· ∂H(π, a)

∂φ− ∂H(π, a)

∂ξ· ∂H(π, a)

∂φ

4.1 Isolierte diskrete Systeme 69

+∂H(π, a)

∂a· a +

∂H(ξ, φ, a)

∂φiα

ηiαjβ

∂H(ξ, φ, a)

∂φjβ

= 0 . (4.1.21)

Wir erkennen, dass das Ergebnis Null ist, anhand der Tatsache, dass der vierte Sum-mand in (4.1.21) identisch verschwindet, da die Matrix η antisymmetrisch ist. Der

erste Summand ist ebenfalls Null, da das System isoliert (Def. 4.8) ist. Die Aufgabeist, die partielle Differentialgleichung fur die Wahrscheinlichkeitsdichte des Phasen-raums zu bestimmen. Wir werden dabei der Darstellung von Risken [15] folgen.Dazu werden die Erkenntnisse in der Form von Satzen dargestellt, deren Beweissich in [15] befindet. In Folge des schon dargestellten, lasst sich erwarten, dass dieFokker-Planck-Gleichung, die aquivalent zu den stochastischen Differentialgleichung(4.1.14) ist, eine Erweiterung der Liouville-Gleichung sein muss. Die Wahrscheinlich-keitsdichte, die diesem stochastischen Prozess π, die entsprechenden ZufallsvariablenG zuordnet, ist nach (4.1.2) durch

ρπ(G, t) := 〈δ(π(t)−G)〉 (4.1.22)

gegeben. Bevor wir allerdings die partielle Differentialgleichung fur (4.1.22) , die aqui-valent zum stochastischen Prozess π ist, angeben konnen, mussen wir noch die Be-griffe, der Momente einer Wahrscheinlichkeitsverteilungsdichte, sowie den Begriff derbedingten Ubergangswahrscheinlichkeit und die Momente der bedingten Ubergangs-wahrscheinlichkeit definieren. Mit Hilfe der Momente der bedingten Ubergangswahr-scheinlichkeit konnen wir uns dann die Kramer-Moyal-Entwicklungskoeffizienten de-finieren. Die Kramer-Moyal-Entwicklungskoeffizienten einer stochastischen Differen-tialgleichungen bestimmen die dazugehorige Fokker-Planck-Gleichung vollstandig,wie von [16], [17] gezeigt wurde. Der Vorteil bei dieser Behandlung ist, dass derstochastische Prozess ξn dabei wie eine normale Variable im Phasenraum behandeltwerden kann, da wir bei den Momenten der bedingten Wahrscheinlichkeit nur an Er-wartungswerten interessiert sind. Diesen Sachverhalt werden wir uns in der Folge zunutzen machen. Diese Kramer-Moyal-Entwicklungskoeffizienten sind notwendig, umdie Dynamik der Wahrscheinlichkeitsverteilungsdichte anzugeben. Allerdings kannman zeigen, dass die Darstellung eines stochastischen Prozess durch stochastischeDifferentialgleichungen nicht eindeutig ist, sondern dass eine Klasse von stochasti-schen Differentialgleichungen existiert, die physikalisch aquivalent sind, da sie alsLosung die gleiche Wahrscheinlichkeitsdichte haben [15].

Definition 4.9. Die Momente der Wahrscheinlichkeitsdichte (4.1.22) sind gegebendurch

M (n) :=

∫G....G︸ ︷︷ ︸n−Mal

ρπ(G, t)dΓ . (4.1.23)

Die ersten beide Momente sind demnach

M(1)iα =

∫Giαρπ(G, t)dΓ (4.1.24)

M(2)iαjβ =

∫GiαGjβρπ(G, t)dΓ . (4.1.25)

70 Kapitel 4 Mechanik dissipativer Systeme

Definition 4.10. Die bedingte Wahrscheinlichkeit wird als die Wahrscheinlichkeits-dichte definiert, die zum stochastischen Prozess πn zur Zeit tn gehort, unter der Be-dingungen, dass zu den fruheren Zeiten tn−i der Zufallsvektor die scharfen Werte Gi

zu den Zeiten ti (i = 1, ..m) angenommen hatte:

P (Gn, tn|Gn−1, tn−1; ......; Gm, tm) :=⟨δ(Gn − π(tn))

⟩π(tn−1)=Gn−1,.....π(t1)=G1

,

tn > t > tn−1 > .... > tm . (4.1.26)

Definition 4.11. Falls fur einen stochastischen Prozess gilt, dass die bedingte Uber-gangswahrscheinlichkeit nur von der letzten Bedingung abhangt

P (Gn, tn|Gn−1, tn−1; ......; G1, t1) ≡ P (Gn, tn|Gn−1, tn−1) (4.1.27)

so nennt man den zugrunde liegenden Prozess Markov-Prozess.

Der stochastische Prozess, der durch die Gleichungen (4.1.14) beschrieben wird,ist ein Markov Prozess [18] , da die Zufallsmatrix η(t) δ-korreliert ist. Dies folgt

aus der Tatsache, dass die Losung π zur Zeit t eines Differentialgleichungssystem er-ster Ordnung eindeutig durch die Anfangsbedingungen bestimmt ist und ein weißesRauschen η(t) (δ- korreliert) zu einer fruheren Zeit t < tn−1 kann die bedingte Uber-

gangswahrscheinlichkeit zu einer spateren Zeit t > tn−1 nicht beeinflussen, sondernnur instantan.

Definition 4.12. Die n-ten Momente der bedingten Ubergangswahrscheinlichkeit(4.1.26) werden durch

M (n)(G, t, τ) :=

⟨(π(t + τ)− π(t))....(π(t)− π(t))︸ ︷︷ ︸

n−Mal

⟩|π(t)=G′

=

∫(G−G′).....(G−G′)︸ ︷︷ ︸

n−Mal

P (G, t + τ |G′t)dΓ′

(4.1.28)

definiert.

Die ersten beiden Momente der bedingten Wahrscheinlichkeit (4.1.26) sind ex-plizit durch

M(1)iα (G, t, τ) :=

⟨πiα(t + τ)− πiα(t)

⟩|π(t)=G′

=

∫(Giα −G′

iα)P (G, t + τ |G′t)dΓ′

und

M(2)iαjβ(G, t, τ) :=

⟨[πiα(t + τ)− πiα(t)][πjβ(t + τ)− πjβ(t)]

⟩|π(t)=G′

=

∫(Giα −G′

iα)(Gjβ −G′jβ)P (G, t + τ |G′t)dΓ′

gegeben.

4.1 Isolierte diskrete Systeme 71

Definition 4.13. Die Kramer-Moyal-Entwicklungskoeffizienten werden mit der De-finition (4.12) durch

D(n)(G, t) :=1

n!limτ→0

1

τM (n)(G, t) (4.1.29)

definiert.

Aus der Definition der bedingten Ubergangswahrscheinlichkeit und der Markov-Eigenschaft, folgt, dass die Wahrscheinlichkeitsdichte zur Zeit t + τ als

ρπ(G, t + τ) =

∫P (G, t + τ |G′, t)ρπ(G′, t)dΓ′ (4.1.30)

darstellbar ist. Aus dieser Darstellung folgt der Satz:

Satz 4.1. Die bedingte Wahrscheinlichkeitsdichte (4.1.27) fur einen Markov-Prozessgenugt der Differentialgleichung

∂tP (G, t|G′, t′) =∑

n

(−∂)n

∂Gj1 .....∂Gjn

D(n)(G, t)P (G, t|G′, t′) (4.1.31)

mit der Anfangsbedingung

P (G, t′|G′, t′) = δ(G−G′) (4.1.32)

wobei ji ein Multiindex ist.

Beweis: siehe [15]Es ist nun klar, dass wir, damit wir die Fokker-Planck-Gleichung explizit ange-ben konnen, die zum stochastischen Prozess (4.1.14) gehort, die Kramer-Moyal-Entwicklungskoeffi-zienten zu bestimmen haben. Dies mussen wir auch explizit be-weisen, da wir hier die stochastischen Differentialgleichungen untersuchen, die einenstochastischen Prozess im Phasenraum beschreiben und das weiße Rauschen eineMatrix ist. Die in der Literatur [15]

πi = hi(π, t) + gij(π, t)ηj(t) (4.1.33)

untersuchten Gleichungen sind von obigen Typ und nur dafur wird eine allgemeineFormel in [15] angegeben. Daher werden wir die hier benotigte Form in einem Satzformulieren und diesen beweisen.

4.1.1 Kramer-Moyal-Entwicklungskoeffizienten

Die Kramer-Moyal-Entwicklungskoeffizienten stellen die Verknupfung zwischen einerstochastischen Differentialgleichung und der dazugehorigen partiellen Differential-gleichung fur die Wahrscheinlichkeitsdichte dar (siehe [15] ). Um aus einer stochasti-schen Differentialgleichung, die Kramer-Moyal-Entwicklungskoeffizienten zu bestim-men, behandelt man die stochastische Differentialgleichung als eine gewohnliche, indem Sinne, dass wir diese einfach integrieren konnen. Dazu gehen wir von einem

72 Kapitel 4 Mechanik dissipativer Systeme

festen und damit scharfen Anfangspunkt π(t) = G zur Zeit t aus. Dann schauenwir uns den zeitlichen Verlauf der Trajektorie an. Die Großen, die darin vorkommenwerden nach Taylor entwickelt und dann wieder in die Gleichung eingesetzt. Danachwird der Erwartungswert gebildet. Der Vorteil den man durch diese Herangehens-weise hat, ist dass man, wenn man eine stochastische Differentialgleichung gegebenhat, sofort die entsprechende Fokker-Planck-Gleichung angeben kann.

Satz 4.2. Der stochastische Prozess π werde durch die

πiα = hiα(π, t) + gjβ(π, t)ηiαjβ(t)

〈ηiαjβ(t)〉 = 0 (4.1.34)

〈ηiαjβ(t)ηlλkκ(t′)〉 =

2D

V(Θ−1

iαlλΘ−1jβkκ −Θ−1

iαkκΘ−1jβlλ)δ(t− t′) ,

stochastische Differentialgleichungen beschrieben , wobei wir die Abkurzungen (siehePostulat (4.1))

hiα(π, t) := Liαjβ∂H(π)

∂πjβ

, (4.1.35)

mit der symplektische Matrix L,

gjβ(π, t) :=

0 : j ≤ N

∂H(π)∂Φjβ

= Θjβlλφlλ : j > N, (4.1.36)

und der Hamiltonfunktion (Definition 4.7) benutzen wollen. Die Drift- und Diffusi-onskoeffizienten sind dann durch

D(1)iα (G, t) = hiα(G, t)− D

V(fN − 1)piα (4.1.37)

D(2)iαjβ(G, t) =

D

V[Θ−1

iαjβ2T − piαpjβ] , (4.1.38)

alle Entwicklungskoeffizienten hoherer Stufe sind identisch Null

D(n)i1,....in

(G, t) = 0 (4.1.39)

gegeben.

Beweis fur den Driftkoeffizienten

Der Driftkoeffizient (Definition 4.13) ist als

Diα(G, t) := limτ→0

1

τ〈πiα(t + τ)− πiα(t)〉|πkκ(t)=Gkκ

k = 1, ...., N κ = 1, 2..., f . (4.1.40)

4.1 Isolierte diskrete Systeme 73

definiert. Berechnen wir zunachst den Driftkoeffizienten, dazu gehen wir von derfolgenden stochastischen Differentialgleichung (in integraler Form) aus:

πiα(t + τ)− πiα(t) =

∫ t+τ

t

[hiα(π(t1), t1) + gjβ(π(t1), t1)ηiαjβ(t1)]dt1 . (4.1.41)

Nun entwickeln wir die Funktionen hiα(π(t1), t1) und gjβ(π(t1), t1) um die Stelle π(t)nach Taylor.

hiα(π(t1), t1) = hiα(π(t), t1) +

[∂hiα(π, t1)

∂πkκ

]

πkκ(t)=Gkκ

(πkκ(t1)− πkκ(t)) + ...

(4.1.42)

und

gjβ(π(t1), t1) = gjβ(π(t), t1) +

[∂gjβ(G(t1), t1)

∂πkκ

]

πkκ(t)=Gkκ

(πkκ(t1)− πkκ) + ... .

(4.1.43)

Setzen wir nun die Entwicklungen (4.1.42) und (4.1.43) in Gl. (4.1.41) ein, so erhaltenwir

πiα(t + τ)− πiα(t) =

∫ t+τ

t

hiα(π(t), t1)dt1

+

∫ t+τ

t

[∂

∂πkκ

hiα(π(t1), t1)

]

πkκ(t)=Gkκ

(πkκ(t1)− πkκ(t))

dt1

+

∫ t+τ

t

gjβ(π(t), t1)ηiαjβ(t1)dt1

+

∫ t+τ

t

[∂gjβ(π(t1), t1)

∂πkκ

]

πkκ(t)=Gkκ

(πkκ(t1)− πkκ(t))ηiαjβ(t1)

dt1

+O (τ 2

). (4.1.44)

Nun ist aber (πkκ(t1)− πkκ(t)) gegeben durch

πkκ(t1)− πkκ(t) =

∫ t1

t

[hkκ(π(t2), t2) + glλ(π(t2), t2)ηkκlλ(t2)]dt2 . (4.1.45)

Setzen wir diese Darstellung (4.1.45) in (4.1.44) ein, so bekommen wir die folgendeGleichung, wobei wir im Laufe der Rechnung die Argumente unterdrucken.

πiα(t + τ)− πiα(t) =

∫ t+τ

t

hiα(π(t), t1)dt1 +

∫ t+τ

t

gjβ(π, t1)ηiαjβ(t1)dt1

+

∫ t+τ

t

∫ t1

t

[∂hiα(π(t1), t1)

∂πkκ(t)

]

πkκ(t)=Gkκ

[hkκ(t2) + glλ(t2)ηkκlλ(t2)

]dt2dt1

+

∫ t+τ

t

∫ t1

t

[∂gjβ(t1)

∂πkκ(t)

]

πkκ(t)

[hkκ(t2)ηiαjβ(t1) + glλ(t2)ηiαjβ(t1)ηkκlλ(t2)

]dt2dt1

74 Kapitel 4 Mechanik dissipativer Systeme

+O (τ 2

). (4.1.46)

Entwickeln wir nun die Funktionen hkκ(π(t2), t2) und glλ(π(t2), t2) unter dem Dop-pelintegral ebenfalls um die Stelle π(t) nach Taylor aber nur bis zur Nullten Ord-nung und setzen diese Entwicklungen in die Gl. (4.1.46), so erhalten wir nach derEnsemble-Mittelwertbildung die Gleichung:

〈πiα(t + τ)− πiα(t)〉πkκ(t)=Gkκ=

∫ t+τ

t

hiα(G, t1)dt1

+

∫ t+τ

t

∫ t1

t

[∂gjβ(G, t1)

∂Gkκ

]glλ(G, t2)〈ηiαjβ(t1)ηkκlλ(t2)〉πkκ(t)=Gkκ

dt2dt1 +O (

τ 2)

.

(4.1.47)

Setzen wir nun in der obigen Gleichung den Ausdruck (4.1.17) fur die Korrelations-funktion des weißen Rauschens ein. so finden wir

〈πiα(t + τ)− πiα(t)〉 =

∫ t+τ

t

hiα(π, t1)dt1 (4.1.48)

+

t+τ∫

t

t1∫

t

[∂gjβ(t1)

∂Gkκ

]glλ(t2)

2D

V(Θ−1

iαkκΘ−1jβlλ −Θ−1

iαlλΘ−1jβkκ)δ(t1 − t2)

dt2dt1 .

(4.1.49)

Benutzen wir nun die Definition der δ-Distribution (4.1.7), so gilt

2

∫ t1

t

glλ(π, t2)δ(t1 − t2)dt2 =: aglλ(π(t1), t1), (4.1.50)

wobei der Faktor a entweder die Werte Null oder Eins annehmen kann, je nachdem obman die Ito- oder Stratonovich Definition der stochastischen Integration verwendet.Wir haben hier die Stratonovich Definition verwendet (a ≡ 1). Somit erhalten wirnach der Integration und mit

gkκ(G(t), t) =

0 : k ≤ N

Θkκiαpiα : k > N, (4.1.51)

den folgenden Ausdruck

〈πiα(t + τ)− πiα(t)〉 =

∫ t+τ

t

hiα(π, t1)dt1

+

t+τ∫

t

ΘjβkκΘlλmµpmµ(t1)

D

V(Θ−1

iαkκΘ−1jβlλ −Θ−1

iαlλΘ−1jβkκ)

dt1

=

∫ t+τ

t

hiα(π, t1)dt1 +D

V

∫ t+τ

t

(δjiδαβδjmδβµpmµ − δkkδκκδimδαµpmµ)dt1,

(4.1.52)

4.1 Isolierte diskrete Systeme 75

wobei hier die Mittelwertbildung bereits an der scharfen Stelle G = π(t) ausgewertetwurde. Setzen wir nun Gl. (4.1.52) in Gl. (4.1.40) ein und bilden den Limes τ → 0so finden wir fur den Driftkoeffizienten

D(1)iα (G, t) = hiα(G, t)− D

V(fN − 1)piα. (4.1.53)

Damit ist fur den Driftkoeffizienten der Beweis abgeschlossen. 2

Beweis fur den Diffusionskoeffizienten

Der Diffusionskoeffizient (Definition 4.13) ist definiert als:

Diαjβ(G) :=1

2limτ→0

1

τ

⟨[πiα(t + τ)− πiα(t)

] [πjβ(t + τ)− πjβ

]⟩∣∣∣∣πkκ(t)=Gkκ

k = 1, ...., N κ = 1, 2, ...f . (4.1.54)

Betrachten wir zunachst

[πiα(t + τ)− πiα(t)

] [πj(t + τ)− πjβ

]=

∫ t+τ

t

∫ t+τ

t

×[

hiα(π(t1), t1) + gkκ(π(t1), t1)ηiαkκ(t1)]

×[hjβ(π(t2), t2) + glλ(π(t2), t2)ηjβlλ(t2)

]dt1dt2 . (4.1.55)

Setzen wir nun fur hiα(π(t1), t1), hiα(π(t2), t2), gkκ(π(t1), t1) und gkκ(π(t1), t1) dieTaylor-Entwicklung (4.1.42) bzw. (4.1.43) ein und bilden wir jetzt den Erwartungs-wert von Gl. (4.1.55), so finden wir

〈(πiα(t + τ)− πiα(t))(πjβ(t + τ)− πjβ(t))〉|πkκ(t)=Gkκ

=

∫ t+τ

t

∫ t+τ

t

gkκ(π(t), t1)glλ(π(t), t2)〈ηjβlλ(t2)ηiαkκ(t1)〉dt2dt1 +O (τ 2

).

(4.1.56)

Setzen wir wieder fur die Korrelation des weißen Rauschens den Ausdruck (4.1.17)ein, und fuhren die Integration aus, so erhalten wir mit (4.1.51)

〈(πiα(t + τ)− πiα(t))(πjβ(t + τ)− πjβ(t))〉

=

∫ t+τ

t

ΘkκmµpmµΘlλnνpnν2D

V(Θ−1

jβiαΘ−1lλkκ −Θ−1

iαlλΘ−1jβkκ)dt1 +O (

τ 2)

.

(4.1.57)

Setzen wir den Ausdruck (4.1.57) in Gl. ( 4.1.54) und bilden wir nun den Limesτ → 0, so erhalten wir fur den Diffusionsmatrix mit (4.1.8)

D(2)iαjβ =

D

V

[Θ−1

iαjβ2T − piαpjβ

]. (4.1.58)

76 Kapitel 4 Mechanik dissipativer Systeme

Alle Terme hoherer Entwicklungen verschwinden, wenn man den Limes τ → 0 be-trachtet, da sie mindestens in der Ordnung τ 2 auftauchen. Deshalb verschwindenauch alle Kramer-Moyal Entwicklungskoeffizienten der hoheren Stufe, womit die Be-hauptung bewiesen ist. 2

Mit den Kramer-Moyal Entwicklungskoeffizienten (Satz 4.2) konnen wir nun dendie Fokker-Planck-Gleichung (Satz 4.1) fur die bedingte Wahrscheinlichkeitsdichte(4.1.27) angeben. Bevor wir die Fokker-Planck-Gleichung fur die bedingte Wahr-scheinlichkeitsdichte aber explizit angegeben, zeigen wir hier zunachst das folgendeLemma.

Lemma 4.1. Die Ableitung des zweiten Kramer-Moyal-Entwicklungskoeffizienten(4.1.38) nach den generalisierten Impulsen ist gleich dem Teil des ersten Kramer-Moyal-Entwicklungskoeffizienten (4.1.37), der durch die stochastischen Term indu-ziert wird.

∂Diαjβ(p)

∂piα

= Dstochindiα := Diα − hiα = − D

V(Nf − 1)piα .

Beweis: Der Beweis erfolgt durch nachrechnen.

∂Diαjβ(p)

∂pjβ

=D

V

∂pjβ

[Θ−1

iαjβ2T − piαpjβ

]

=D

V(2Θ−1

iαjβΘjβmµpmµ − δjjδββpiα − pjβδijδαβ)

=D

V(2piα −Nfpiα − piα) = −D

V(Nf − 1)piα

= Diα − hiα .

2

Aus diesem Lemma und Satz (4.1) folgt nun mit Hilfe des Satzes (4.2), dass diebedingte Wahrscheinlichkeitsdichte und damit auch die einzeitige Wahrscheinlich-keitsdichte der folgenden Fokker-Planck-Gleichung genugt.

Satz 4.3. Die bedingte Ubergangswahrscheinlichkeit (4.1.27) die zur stochastischenDifferentialgleichungen (4.1.34) gehort, genugt der Fokker-Planck Gleichung

∂tP (G, t|G′, t′) = −P (G, t|G′, t′), H(G)+

∂piα

D(2)iαjβ

∂pjβ

P (G, t|G′, t′) ,

(4.1.59)

mit der Anfangsbedingung P (G, t′|G′, t′) = δ(G′ −G) , wobei die Poisson-Klammerals

f(G, a), k(G, a) :=∂f(G, a)

∂qiα

∂k(G, a)

∂piα

− ∂f(G, a)

∂piα

∂k(G, a)

∂qiα

(4.1.60)

definiert ist und mit den Kramer-Moyal Entwicklungskoeffizienten (4.1.37) und (4.1.38)

D(2)iαjβ(G) =

0 : i, j ≤ N

DV

(Θ−1iαjβ2T − piαpjβ) : i, j > N

. (4.1.61)

4.1 Isolierte diskrete Systeme 77

Beweis: Aus Satz (4.2) folgt, dass die Entwicklung (4.1) nach dem zweiten Termabbricht, deshalb konnen wir (4.1) als

∂tP (G, t|G′, t′) = − ∂

∂Gkκ

D(1)kκ P (G, t|G′, t′)

+∂2

∂Gkκ∂Glλ

D(2)kκlλP (G, t|G′, t′) (4.1.62)

mit den Kramer-Moyal-Entwicklungskoeffizienten

D(1)kκ (G, t) = hkκ(G, t)− D

V(fN − 1)pkκ

= Lkκiα∂H

∂Giα

− D

V(fN − 1)pkκ (4.1.63)

und

D(2)kκlλ =

D

V[Θ−1

kκlλ2T − pkκplλ] (4.1.64)

schreiben. Nun ist nach Lemma (4.1) die Ableitung des zweiten Diffusionskoeffizien-ten durch

∂Dkκlλ(p)

∂pkκ

= Dlλ − hlλ .

gegeben. Setzen wir diesen Ausdruck in Gl. (4.1.62) ein, so finden wir, dass derdurch das weiße Rauschen induzierte Anteil des Driftkoeffizienten sich gerade mitder Ableitung (4.1) wegkurzt, so dass wir

∂tP (G, t|G′, t′) = −P (G, t|G′, t′), H(G)+

∂piα

D(2)iαjβ

∂pjβ

P (G, t|G′, t′)

erhalten. Das der erste Teil der obigen Gleichung mit der Poisson-Klammer geschrie-ben werden kann, folgt mit (4.1.64) aus der Rechnung

− ∂

∂Gkκ

[Lkκiα

∂H

∂Giα

P (G, t|G′, t′)]

= −Lkκiα∂2H

∂Gkκ∂Giα︸ ︷︷ ︸=0

P (G, t|G′, t′)

−Lkκiα∂H

∂Giα

∂Gkκ

P (G, t|G′, t′)

= −P (G, t|G′, t′), H(G)Das der erste Summand Null ergibt sich aus der Voraussetzung, dass die Hamilton-funktion die Schwarz’sche Integrabilitatsbedingung erfullt und aus der Antisymme-trie der symplektischen Matrix.

Damit und mit (4.1.30) folgt auch sogleich die Behauptung (4.1.59). Multiplizie-ren wir die obige Gleichung mit ρ(G′, t′) und integrieren uber Γ′, so erhalten wir dieFokker-Planck-Gleichung

∂tρ(G, t) = −ρ(G, t), H(G)+∂

∂piα

D(2)iαjβ

∂pjβ

P (G, t) (4.1.65)

78 Kapitel 4 Mechanik dissipativer Systeme

fur die Wahrscheinlichkeitsdichte ρ(G, t). 2

Man kann nun wahlweise die Langevin-Gleichung (4.1.14) oder die Fokker-Planck-Gleichung (4.1.65) losen. Im Anhang (B.1) wird die Langevin-Gleichung fur einenWiener-Prozess auf einem Kreis explizit gelost, die Verallgemeinerung auf einenWiener-Prozess auf einer N − 1 dimensionalen Kugel, die auch im Anhang bespro-chen wird, konnen wir, wie weiter unten gezeigt wird, physikalisch als ein ideales Gasim thermodynamischen Limes interpretieren. Die Gleichung (4.1.62) entspricht alsoder bekannten Liouville-Gleichung, die durch den Term, der die Diffusionsmatrixenthalt, erganzt wurde. Bevor wir untersuchen, ob die Gl.(4.1.62) eine eindeutigeGleichgewichtslosung hat, wollen wir zunachst noch die Eigenschaften der Diffusi-onsmatrix betrachten. Wir zeigen nun, dass die Diffusionsmatrix positiv semidefinitist, und geben ihren Kern explizit an. Diese Eigenschaften ermoglichen es uns, zuzeigen, dass eine eindeutige stationare Losung fur die Wahrscheinlichkeitsdichte exi-stiert.

Lemma 4.2. Die Diffusionsmatrix (4.1.61)

D =D

V(Θ−1(p · (Θ · p))− p p)

besitzt die folgenden Eigenschaften:

• Sie ist positiv semidefinit.

• Der Impulsanteil des Gradienten der Hamiltonfunktion ∂H∂pjβ

aus Def. (4.7)

spannt den Kern der Diffusionsmatrix auf.

Beweis: Die erste Eigenschaft folgt aus der Annahme, dass Θ aus Def. (4.7) einepositive, invertierbare Matrix ist. Die kinetische Energie in Def. (4.7) soll also posi-tiv sein und man soll die Lagrange-Funktion aus der Hamiltonfunktion bestimmenkonnen. Deshalb existiert eine Matrix A derart, dass A ·A = Θ. Sei x ein beliebigernormierbarer Vektor, dann gilt

V

Dx · (D · x) = [x · (Θ−1 · x)][p · (Θ · p)]− |[x · p]|2

= ([A−1 · x] · [A−1 · x])([A · p] · [A · p])− |(A−1 · x) · (A · p)|2= (x · x)(p · p)− |(x · p)|2 ≥ 0︸︷︷︸

CS

(4.1.66)

mit x := A−1 · x und p := A · p. Der letzte Schluss ergibt sich mit dem Satz vonCauchy-Schwartz (CS). Die zweite Eigenschaft bestatigt man durch nachrechnen.

D(2)iαjβ(G)

∂H

∂pjβ

=D

V

(Θ−1

iαjβ2T − piαpjβ

)θjβmµpmµ

=D

V[δimδαµpmµ2T − piα2T ]

= 0. (4.1.67)

4.1 Isolierte diskrete Systeme 79

Damit wurde gezeigt, dass der Gradient der Hamiltonfunktion im der Kern der Dif-fusionsmatrix liegt. Der Kern ist damit auch vollstandig bestimmt, da (4.1.66) nurNull wird, wenn x = αp, α ∈ R gilt, oder wie aus der Gleichung sofort folgt x = Θ·p.2

Die Wahrscheinlichkeitsverteilungsdichte ist vollstandig bestimmt durch die An-gabe samtlicher Momente. Deshalb ist es eine Alternative die Differentialgleichungenfur alle Momente zu bestimmen, insbesondere falls man sich nur fur die ersten zweiMomente der Wahrscheinlichkeitsverteilungsdichte interessiert. Dazu benutzen wirdie Definition (4.1.23) der Momente und differenzieren nach t.

Definition 4.14. Die Erwartungswerte bezuglich der Wahrscheinlichkeitsdichte ρ(G, t)werden als

f(a, t) :=1

(2π~)fN

1

N !

χ

f(G, a)ρ(G, t)d3NG (4.1.68)

definiert.

Satz 4.4. Die Bewegungsgleichung fur die Erwartungswerte einer Funktion f(G, a)in einem isolierten thermodynamischen System (a = const.) lautet

d

dtf(a, t) = f(G, a), H(G, a) − D

V(Nf − 1)piα

∂f(G, a)

∂piα

+Diαjβ(G)∂2f(G, a)

∂piα∂pjβ

. (4.1.69)

Beweis: Wir gehen von der Bewegungsgleichung fur die Wahrscheinlichkeits-dichte (4.1.65) aus

∂tρ(G, t) = −ρ(G, t), H(G)+∂

∂piα

D(2)iαjβ

∂pjβ

ρ(G, t) .

Diese Gleichung multiplizieren wir mit einer beliebigen Phasenraumfunktion f(G)und integrieren uber die kompakte Energiehyperflache χ, damit erhalten wir diefolgende Gleichung

χ

f(G)∂tρ(G, t)dΓ = −∫

χ

f(G)

(∂ρ(G, t)

∂qiα

∂H(G)

∂piα

− ∂ρ(G, t)

∂piα

∂H(G, a)

∂qiα

)dΓ

+

χ

f(G)∂

∂piα

D(2)iαjβ

∂pjβ

ρ(G, t)dΓ.

Da die Energiehyperflache kompakt ist, durfen wir partiell integrieren, wobei dieOberflachenterme Null sind. Damit finden wir unter Berucksichtigung der Tatsache,dass die Hamiltonfunktion zweimal stetig differenzierbar ist, die folgende Gleichung:

d

dt

χ

f(G)ρ(G, t)dΓ =

χ

ρ(G, t)

(∂f(G)

∂qiα

∂H(G)

∂piα

− ∂f(G)

∂piα

∂H(G, a)

∂qiα

)dΓ

80 Kapitel 4 Mechanik dissipativer Systeme

−∫

χ

(∂

∂piα

f(G)

)D

(2)iαjβρ(G, t)

∂pjβ

ln(ρ(G, t)

)dΓ

.(4.1.70)

Multiplizieren wir diese Gleichung mit dem Normierungsfaktor 1(2π~)fN

1N !

, so erhal-ten wir diese Darstellung fur die Bewegungsgleichung des Erwartungswertes einerbeliebigen Phasenraumfunktion:

d

dtf(t) =

∂f(G)

∂qiα

∂H(G)

∂piα

− ∂f(G)

∂piα

∂H(G, a)

∂qiα

−(

∂piα

f(G)

)D

(2)iαjβ

∂pjβ

ln(ρ(G, t)

). (4.1.71)

Ausgehend von der Gl. (4.1.70) konnen wir aber noch die gewunschte Darstellungableiten. Dazu wird der zweite Term der Gl. (4.1.70) partiell integriert, somit findenwir diese Gleichung

d

dt

χ

f(G)ρ(G, t)dΓ =

χ

ρ(G, t)

(∂f(G)

∂qiα

∂H(G)

∂piα

− ∂f(G)

∂piα

∂H(G, a)

∂qiα

)dΓ

+

χ

(∂2f(G)

∂piα∂pjβ

)D

(2)iαjβρ(G, t)dΓ

+

χ

(∂

∂piα

f(G)

) (∂

∂pjβ

D(2)iαjβ

)ρ(G, t)dΓ (4.1.72)

Benutzen wir nun noch Lemma (4.1) und multiplizieren die obige Gleichung mit demNormierungsfaktor , so erhalten wir die Behauptung

d

dtf(a, t) = f(G, a), H(G, a) − D

V(Nf − 1)piα

∂f(G, a)

∂piα

+Diαjβ(G)∂2f(G, a)

∂piα∂pjβ

.

Damit ist die Behauptung gezeigt. 2

Lemma 4.3. Aus Gleichung (4.1.69) folgt fur lineare Funktionen f(G) = κiβpiβ,dass die Bewegungsgleichung fur die Erwartungswerte als

d

dtf(t) = f(π, a), H(π, a)+

∂Diαjβ

∂pjβ

κiα (4.1.73)

mit

∂Diαjβ(p)

∂piα

= −D

V[fN − 1]pjβ = D

(1)jβ − hjβ(G) (4.1.74)

geschrieben werden kann.

4.1 Isolierte diskrete Systeme 81

Ausgehend von der Bewegungsgleichung (4.1.71) fur die Erwartungswerte belie-biger Phasenraumfunktionen, konnen wir nun zeigen, dass der Erwartungswert der

Hamiltonfunktion eine Erhaltungsgroße H = 0 ist.

d

dtH(G) =

∂H(G)

∂qiα

∂H(G)

∂piα

− ∂H(G)

∂piα

∂H(G, a)

∂qiα

−(

∂piα

H(G)

)D

(2)iαjβ

∂pjβ

ln(ρ(G, t)

)dΓ.

Benutzen wir nun, dass die Poissonklammer H, H = 0 Null ergibt und dass derImpulsgradient der Hamiltonfunktion im Kern der Diffusionsmatrix (Lemma (4.2))liegt, so erhalten wir

d

dtH(G) = 0 (4.1.75)

als Ergebnis, dass die Hamiltonfunktion eine Erhaltungsgroße ist und damit jedeFunktion f(H), die nur von der Hamiltonfunktion abhangt.

4.1.2 Stationare Losung

Aus der Erkenntnis, dass der Impulsgradient der Hamiltonfunktion im Kern der Dif-fusionsmatrix liegt, konnen wir sofort schließen, dass jede Funktion ρ = ρ(H(G))stationare Losung der Gl. (4.1.65) ist, da die Wahrscheinlichkeitsdichte aber nurauf der 2fN − 1 dimensionalen Energiehyperflache von Null verschieden ist undH(G) = E0 eine Konstante ist, die durch die Anfangsbedingungen festgelegt ist.Insbesondere ist naturlich die Gleichverteilung auf der 2fN −1 dimensionalen Ener-giehyperflache Losung der Gl. (4.1.62). Wir haben jetzt noch zu zeigen, dass jedebeliebige Losung der Gl. (4.1.65) gegen diese spezielle Gleichgewichtslosung strebt.Dazu vergleichen wir zwei beliebige Losung der Fokker-Planck-Gleichung (4.1.65)miteinander. Konnen wir nun unter gewissen Bedingungen zeigen, dass die beidenLosungen fur grosse Zeiten ubereinstimmen, dann existiert eine eindeutige stationareLosung. Die Bedingungen unter denen wir zeigen konnen, dass eine solche eindeutigeLosung existiert, sind die explizite Zeitunabhangigkeit der Drift- und Diffusionsko-effizienten, sowie dass die Diffusionsmatrix positiv definit ist. Um diese Aussagen zuspezifizieren, fuhren wir das Funktional H[ρ1, ρ2] ein. Dies wurde von Lebowitz [21]und Graham [20] vorgeschlagen.

Definition 4.15. Das Funktional H[ρ1, ρ2] wird durch

H(t) :=

∫ ρ1(G, t) ln

(ρ1(G, t)

ρ2(G, t)

)dΓ (4.1.76)

definiert, wobei ρ1 und ρ2 zwei positive normierte Losungen der Fokker-Planck Glei-chung (4.1.65) sind.

Satz 4.5. Das Funktional H(t) hat die zwei Eigenschaften:

1. Das Funktional H(t) ist positiv: H(t) ≥ 0.

82 Kapitel 4 Mechanik dissipativer Systeme

2. Die Zeitableitung ist negativ ddt

H(t) ≤ 0, unter der Voraussetzung, dass dieDiffusionsmatrix Dij positiv definit ist.

Beweis: Wir folgen bei dem Beweis der Darstellung in [15] (Seite 135). Dass dasFunktional positiv ist, ist eine Folge der Ungleichung ln x ≥ 1 − 1

xfur alle x > 0.

Fuhren wir die Abkurzung R = ρ1(G,t)ρ2(G,t)

> 0 ein, so gilt

R ln R−R + 1 ≥ 0.

Damit ist aber auch, wegen der Normierung von ρ1, ρ2 und ρi ≥ 0

H(t) =

∫ ρ1(G, t) ln

(ρ1(G, t)

ρ2(G, t)

)− ρ1(G, t) + ρ2(G, t)

=

∫ρ2(G, t) [R ln R−R + 1] dΓ ≥ 0 .

Damit ist die erste Behauptung gezeigt. Nun untersuchen wir die Dynamik des Funk-tionals. Dazu fuhren wir den Fokker-Planck-Operator LFP

LFP (•) :=

[− ∂

∂Gi

D(1)i +

∂2

∂Gi∂Gj

D(2)ij

](•)

und den dazu adjungierten Operator

L†FP (•) :=

[D

(1)i

∂Gi

+ D(2)ij

∂2

∂Gi∂Gj

](•)

ein [15]. Damit konnen wir die zeitliche Evolution des Funktionals durch den

˙H(t) =

∫ρ1 ln R−Rρ2 dΓ

=

∫ LFP (ρ1) ln R−Rρ2

=

∫ ρ1L

†FP (ln R)−Rρ2

Ausdruck angeben. Untersuchen wir den ersten Summanden der obigen rechten Seiteder Gleichung, so finden wir

L†FP (ln R) =

[D

(1)i

∂Gi

+ D(2)ij

∂2

∂Gi∂Gj

](ln R)

=

[D

(1)i + D

(2)ij

∂Gj

]1

R

∂R

∂Gi

=1

RL†FP (R)−D

(2)ij

1

R2

∂R

∂Gi

∂R

∂Gj

Damit erhalten wir

˙H(t) =

∫ ρ1

[1

RL†FP (R)−D

(2)ij

1

R2

∂R

∂Gi

∂R

∂Gj

]−Rρ2

dΓ (4.1.77)

4.1 Isolierte diskrete Systeme 83

=

∫ [RLFP (ρ2)− ρ1D

(2)ij

1

R2

∂R

∂Gi

∂R

∂Gj

]−Rρ2

dΓ (4.1.78)

= −∫ [

D(2)ij (G)

∂ ln R(G, t)

∂Gj

ln R(G, t)

∂Gi

]dΓ ≤ 0 . (4.1.79)

Womit der Satz bewiesen ist. 2

Damit dient diese Funktion, wie Schlogl ( [23], [24]) gezeigt hat, als Ljapunov-Funktion.

Lemma 4.4. Falls Diαjβ positiv definit und zeitunabhangig ist und der Driftkoeffizi-ent keine Singularitat hat und ebenfalls zeitunabhangig ist, existiert eine eindeutigestationare Losung.

Beweis: siehe [15]. 2

Mit Hilfe des aus der Literatur bekannten Satzes (4.5) und dem daraus folgendenLemma (4.4) konnen wir die spezielle Fokker-Planck-Gleichung (4.1.65) untersu-chen. Nach Lemma (4.2) ist Diαjβ(G) zwar nicht explizit zeitabhangig, aber nichtpositiv definit, sondern nur positiv semidefinit. Der zweite Summand in der Fokker-Planck-Gleichung (4.1.65) verschwindet in unserem Spezialfall fur beliebige Funktio-nen ρ1 = ρ1(T, g1(q)) und ρ2 = ρ2(T +g2(q)), da der Impulsanteil des Gradienten derHamiltonfunktion und damit Impulsanteil des Gradienten der kinetischen Energie Tim Kern der Diffussionsmatrix liegt.

Satz 4.6. Die stationare Losung ist die Gleichverteilung auf der Energiehyperflache,

ρstat(G) = ρ(H(G)) = const. (4.1.80)

mit der Energie

H(G) := T + V =N∑

j,i=1

f∑

α,β=1

1

2piαΘiαjβpjβ + V (q) = const. . (4.1.81)

Beweis: Die Funktion ρ(H(G)) ist eine stationare Losung der Fokker-Planck-Gleichung.

∂tρ(G, t) = −ρ(G, t), H(G)+∂

∂piα

D(2)iαjβ

∂pjβ

ρ(G, t) (4.1.82)

Dies sieht man durch Einsetzen in die obige Gleichung und unter Berucksichtigungvon Lemma (4.2). Wir haben zu untersuchen, ob eine Funktion ρ1(T (G), q, t) =ρ1(H−V (q), q, t) auch Losung der Fokker-Planck-Gleichung (4.1.82) sein kann. Dieswar die Voraussetzung zu Satz (4.5). Dazu setzen wir den Ansatz in die Gl. (4.1.82)und erhalten wegen Lemma (4.2) die Gleichung

∂tρ1(T (G), q, t) = −ρ1(T (G), q, t), H+ 0. (4.1.83)

Rechnen wir nun explizit die Poissonklammer aus, so erhalten wir

∂tρ1(H(G)− V (q), q, t) = −∑iα

∂ρ1

∂qiα

∂H

∂piα

− ∂ρ1

∂piα

∂H

∂qiα

84 Kapitel 4 Mechanik dissipativer Systeme

= −∑iα

∂H

∂piα

[∂ρ1

∂qiα

−(

∂ρ1

∂H

∂H

∂piα

)∂H

∂qiα

]

= −∑iα

∂H

∂piα

[∂ρ1

∂qiα

− ∂ρ1

∂H

∂H

∂qiα

]

Nun ist aber die linke Seite, der obigen Gleichung, von ∂H∂piα

unabhangig, da T =

E0− V (q) gilt. Daraus folgt, dass die Gleichung nur erfullt ist, falls ∂tρ1(T, q, t) = 0gilt. Weiterhin ist der Driftkoeffizientvektor, der aus dem Impulsgradient der Hamil-tonfunktion ∂H

∂piαbesteht, linear unabhangig. Deshalb muss fur qiα 6= 0 die Summe

fur jeden Summanden verschwinden. Aus diesem Grund erhalten wir

∂ρ1

∂qi

=∂ρ1

∂H

∂H

∂qi

⇒ ρ1(H(G)).

Damit bleibt fur die stationare Losung nur die Gleichverteilung auf der Energiehy-perflache ubrig. Eine beliebige Funktion ρ(H), die nicht explizit zeitabhangig ist,erfullt die Gleichung (4.1.80). Da es im betrachteten System keine weiteren Erhal-tungsgroßen existieren, ist die Losung eindeutig. 2

Damit haben wir zumindest die statistische Mechanik des Gleichgewichts imRahmen der Theorie der stochastischen Prozesse eingebettet. Denn der Satz (4.6)bedeutet, dass wir im Rahmen der behandelten Theorie das grundlegende Postulatder statistischen Mechanik abgeleitet haben.

4.1.3 Entropie und Extropie

Die Wahrscheinlichkeitsdichte ist nur auf einem Teilraum des Phasenraumes von Nullverschieden. Dieser Teilraum ist durch die 2fN −1 dimensionale Energiehyperflacheχ gegeben.

Definition 4.16. Die Entropie des Systems wird deshalb durch

S(t) := −kBln ρ(G, t) = − kB

N !(2π~)fn

χ

ρ(G, t) ln ρ(G, t) dΓ. (4.1.84)

definiert und heißt Gibbs’sche Entropie wobei kB die Boltzmankonstante ist.

Bevor wir zur Entropieproduktion kommen, fuhren wir den Begriff der Irreversi-bilitat ein.

Definition 4.17. Ein Prozess heißt

• irreversible, falls seine Entropieproduktion positiv ist.

• reversible, falls seine Entropieproduktion Null ist.

• nicht moglich, falls seine Entropieproduktion kleiner als Null ist.

4.1 Isolierte diskrete Systeme 85

Weiterhin bezeichnen wir ein abgeschlossenes System als dissipatives System, wennder Prozess, der den Ubergang vom Nichtgleichgewicht zum Gleichgewicht beschreibt,irreversible ist.

d

dtS(t) ≥ 0. (4.1.85)

Definition 4.18. Die Extropie ist eine spezielle Ljapunov-Funktion und wird durchdie Gleichgewichtswahrscheinlichkeitsdichte ρeq bestimmt.

Ξ(t) := −kBlnρ(G, t)

ρeq

= Seq − S. (4.1.86)

Aus den beiden Definitionen folgen mit Hilfe des Satzes (4.5) unmittelbar diezwei Lemmata.

Lemma 4.5. Die Extropie Ξ(t) ist eine positive Große die monoton mit der Zeitfallt. Es gilt demnach:

Ξ(t) > 0,d

dtΞ(t) ≤ 0 (4.1.87)

Dieses Lemma ist eine Folge des Satzes (4.5), da die Extropie das spezielle Funk-tional H[ρ(t), ρeq] ist. Wir konnen nun zeigen, dass die stochastischen Gleichungen,die in (4.1) postuliert wurden, ein dissipatives System beschreiben.

Lemma 4.6. H-TheoremDie zeitliche Ableitung der Entropie ist

d

dtS(t) = kB

∂Φ

pjβ

Diαjβ∂Φ

piα

≥ 0 (4.1.88)

mit der Abkurzung

ρ(G, t) =: e−Φ(G,t). (4.1.89)

Diese Ergebnis ist insofern erstaunlich, als das wir zeigen konnen, dass mit derGibbs’schen Entropiedefinition, die Entropieproduktion immer Null ist, falls diezugrundeliegenden Differentialgleichungen rein deterministisch ist. Dies sieht mandurch die Herleitung der Kramer-Moyal-Entwicklungskoeffizienten ein. Die Diffu-sionsmatrix ist eine direkte Folge der thermischen Fluktuation, die wir als multi-plikatives Rauschen zu den kanonischen Gleichungen des Phasenraums hinzugefugthaben. Andrerseits ist durch den Beweis auch klar ersichtlich, das der Driftkoeffizi-ent einen reversiblen Prozess beschreibt. Dies ist insofern erstaunlich, als dass manz.B. durch einen rein deterministischen Dampfungsterm, den man zu den kanoni-schen Gleichungen hinzufugt, nun auch einen reversiblen Prozess beschreibt, fallsman die Gibbs’sche Entropieproduktion verwendet. Allerdings kann man diesemProblem umgehen, wenn man als Entropiemass z.B. das Volumen des Phasenraumsverwendet.

86 Kapitel 4 Mechanik dissipativer Systeme

4.1.4 Dynamik diskreter thermodynamischer Systeme

Diskrete thermodynamische Systeme zeichnen sich nun dadurch aus, dass dem dis-sipativen mechanischen System globale Eigenschaften zugeordnet werden. Diese glo-balen Eigenschaften sind geben durch die Summe aller Eigenschaften, die wir deneinzelnen Teilchen zuordnen konnen, wie z.B. die innere Energie, dem Gesamtimpulsund dem Gesamtspin. Diese Eigenschaften werden durch Abbildung aus dem Pha-senraum in einen niederdimensionalen Raum gewonnen. Wir hatten bereits gesehen,dass die Bewegungsgleichung des Erwartungswertes einer beliebigen Phasenraum-funktion durch (Satz 4.4)

d

dtf(a, t) = f(G, a), H(G, a) − D

V(Nf − 1)piα

∂f(G, a)

∂piα

+Diαjβ(G)∂2f(G, a)

∂piα∂pjβ

(4.1.90)

gegeben ist, wobei die Hamiltonfunktion durch

H(G, a) :=1

2

N∑j,i=1

f∑

α,β=1

piαΘiαjβpjβ + V (q, a) (4.1.91)

gegeben ist. An dem Ausdruck fur die kinetische Energie erkennen wir, dass wirhier explizit ein außeres Magnetfeld ausschließen. Dies ist aber keine NotwendigeVoraussetzung fur das Folgende.

Das Potenzial V (q, a) soll sich additiv aus einem Wechselwirkungspotenzial undeinem Wandpotenzial

V (q; a) = VWW (q) + VWand(x− l); qα ≡ xα α = 1, 2, 3 (4.1.92)

angeben lassen. Die Freiheitsgrade pro Teilchen werden durch die griechischen Indizesbeschrieben. Die Diffusionsmatrix hatten wir zu

D =D

V(Θ−1(q)p · (Θ(q) · p))− p p

bestimmt. Als nachstes fuhren wir spezielle Phasenraumfunktionen ein, die sich da-durch auszeichnen, dass ihre Erwartungswerte makroskopisch beobachtbar ist.

B = A1(G, a), A2(G, a), ...., AL(G, a) (4.1.93)

fest. Die Menge der gesuchten thermodynamischen Großen ist durch die Erwartungs-werte der Beobachtungsebene gegeben. Solche spezielle Phasenraumfunktionen sindz.B. durch die folgende Ubersicht gegeben.

Schwerpunkt : A1α(G) :=∑N

i=1 qiα α = 1, 2, 3

Schwerpunktsimpuls : A2α(G) :=∑N

i=1 piα α = 1, 2, 3

Innerer Drehimpuls : A3α(G) :=∑N

i=1 piα α = 4, 5, 6Innere Energie : A4(G) := 1

2(piα − piα)Θiαjβ(pjβ − pjβ) + V (q; a)

Gesamtenergie : A5(G) := H(G, a)Entropieoperator : A6(G) := ln(ρ(G))

4.1 Isolierte diskrete Systeme 87

Fur die Erwartungswerte dieser speziellen Phasenraumfunktionen konnen wirnun die Bilanzgleichungen angeben. Dazu setzen wir die Phasenraumfunktionen indie Gl. (4.1.90) ein und setzen N−1 ≈ N . Damit erhalten wir die folgenden Bilanzen:

• Bilanzgleichung des Schwerpunktes

d

dtA1α =

N∑i=1

Θiαjβpjβ

• Bilanzgleichung des Schwerpunktsimpulses

d

dtA2α =

∂VWand(q − l)

∂lα− D

VfNA2α α = 1, 2, 3

• Bilanzgleichung des inneren Drehimpulses (Spin)

d

dtA3α = −

∑i

∂VWW (G)

∂qiα

− D

VfNA3α α, β > 3

• Bilanzgleichung der inneren Energie

d

dtA4 = A4, H − D

VfNpiαΘiαlλ(plλ − plλ) +

D

V2fNT

= piα

∂VWand(q − l)

∂qiα

− DfN

VpiαΘiαjβpjβ

= piα

∂VWand(q − l)

∂qiα

+2DfN

V[A4 −H] .

• Bilanzgleichung der Gesamtenergie (1. Hauptsatz)

d

dtH = 0

• Bilanzgleichung der Entropie (2. Hauptsatz)

d

dtS(t) = kB

∂Φ

pjβ

Diαjβ∂Φ

piα

≥ 0

Der thermodynamische Zustandsraum setzt sich aus den Erwartungswerten derBasis-Großen A1, A1, A2, A3, A4 und den Erwartungswerten weiterer Phasenraum-funktionen f 1, ..., fK fur die keine Bilanzgleichung aufgestellt werden.

Z := A1, A2, A3, A4, f 1, ..., fK , a. (4.1.94)

Ein solcher Abbruch ist in jedem Fall notwendig, falls man von einem endlichen Satzvon Bilanzgleichungen ausgeht. Ansonsten erhalt man ein unendlich dimensionales

88 Kapitel 4 Mechanik dissipativer Systeme

gekoppeltes System von Differentialgleichungen. Die Entropie wie auch die Gesamt-energie sind also fur dieses Beispiel Zustandsfunktionen und keine Basisgroßen. Diesist fur die Entropie ersichtlich. Die Gesamtenergie ist durch

E = H = A4 +1

2piαΘiαjβpjβ =: U + Ekin (4.1.95)

mit der ublichen Bezeichnung fur die innere Energie

A4 ≡ U.

Die Zustandsfunktionen oder auch Materialfunktionen, die in den obigen angebenBilanzgleichungen stehen, werden in dieser Ubersicht

Bilanzgleichung Materilafunktionen

Schwerpunkt∑N

i=1 Θiαjβpjβ

Schwerpunktimpuls∑

i

∂VWand(q−l)

∂qiα

Spin∑

i∂VWW (G)

∂qiα

Innere Energie∑

i

∂VWand(q−l)

∂qiα, 1

2piαΘiαjβpjβ

zusammengestellt. Insgesamt haben wir in diesem Beispiel 7 Materialfunktionenund 15 Bilanzgleichungen.

Die nachste Frage, die wir jetzt untersuchen wollen, ist: Konnen wir den Satz dergesuchten Großen so erweitern, dass die Gesamtenergie und auch die Entropie alleinvon den gesuchten Großen abhangen?

Die Antwort auf diese Frage ist fur die Gesamtenergie kanonisch. Aus der Dar-stellung der Gesamtenergie durch (4.1.95) ergibt sich als Beobachtungsebene derFolgende Satz

B = q11, ..., qNf , p11, ..., pNf , A4. (4.1.96)

Die gesuchten Großen sind die Erwartungswerte der Beobachtungsebene. Den ther-modynamische Zustandsraum konnen wir zu

Z := q11, ..., qNf , p11, ..., pNf , A4, f 1, ..., fK , a. (4.1.97)

bestimmen, wobei die Erwartungswerte der Phasenraumfunktionen f durch die Ma-terialfunktionen gegeben sind. Die Gesamtenergie konnen wir durch die gesuchtenGroßen als

E(U, p11, ..., pNf ) =1

2piαΘiαjβpjβ + U = Ekin + U = E0 = const. (4.1.98)

ausdrucken.Die 2Nf + 3 Bilanzgleichung fur die gesuchten Großen ergeben sich wieder mit

(4.1.90) zu

d

dtqiα = Θiαjβpjβ (4.1.99)

4.1 Isolierte diskrete Systeme 89

d

dtpiα = −∂V (G)

∂qiα

− D

V(Nf − 1)piα . (4.1.100)

Die Bilanzgleichung der inneren Energie ergibt sich zu

d

dtA4 = −piαΘiαjβ

d

dtpjβ. (4.1.101)

Dies ist eine direkte Folged

dtE(U,Ekin) = 0

der Energieerhaltung. Die Bilanzgleichung der Entropie ist wieder durch

d

dtS(t) = kB

∂Φ

pjβ

Diαjβ∂Φ

piα

≥ 0

gegeben.Betrachten wir als nachstes die Entropie des Systems, nun hatten wir allgemein

schon gezeigt, dass die Zeitableitung der Entropie eine positiv semidefinite Großeist. Da wir aber die Fokker-Planck Gleichung nicht allgemein losen konnen, aberbewiesen haben, dass eine eindeutige Gleichgewichtslosung existiert, wollen wir andieser Stelle einen Naherungsausdruck fur die Entropie und die Extropie ableiten.Dazu betrachten wir die Entropie des Gleichgewichts. Der Gleichgewichtsteilraumdes thermodynamischen Zustandsraum (4.1.97) ist durch

Zgl = (U ≡ E0(a)) (4.1.102)

gegeben. Die Gleichgewichtsentropie S = S(U, a) hangt nur von diesen Großen ab.Machen wir nun eine Taylorentwicklung um diese Großen, so erhalten wir die Ab-hangigkeit der Nichtgleichgewichtsentropie von diesen Großen. Dazu fuhren wir dieAbkurzungen

β :=

(∂S(U, a)

∂U

)

U=E0

λ :=

(∂2S(U, a)

∂U2

)

U=E0

(4.1.103)

ein. Die Annahme, die wir im Folgenden zugrunde legen, ist, dass die Nichtgleichge-wichtsentropie S = S(E(E0, E0 − Ekin, q11, ..., qNf ) nur von den gesuchten abhangt.Die Ableitungen der Entropie nach den Erwartungswerten der Impulse ergibt sichzu (

∂S(E − Ekin, q11, ..., qNf ))

∂piα

)

piα=0

=

(∂S

∂E

∂(E − Ekin)

∂pjβ

)

piα=0

= 0

und(

∂2S

∂piα∂pjβ

)

piα=0,pjβ=0

=

(∂

∂piα

[∂S

∂E

∂E

∂pjβ

])

piα=0

=

(∂

∂piα

[βΘjβlλplλ]

)

piα=0

= −βΘiαjβ

So ergibt sich die folgende Taylorreihe

S(U, p, q) = S0 + β(U − E0) +1

2λ(U − E0)

2 − 1

2βpiαΘiαjβpjβ

90 Kapitel 4 Mechanik dissipativer Systeme

+

(∂S(E(U,Ekin), q11, ..., qNf )

∂qiα

)

qiα=0

qiα

+1

2

(∂2S

∂qiα∂qjβ

)

qiα=0,qjβ=0

qiαqjβ + ....., (4.1.104)

Nehmen wir jetzt noch an, dass die obige Tayloreihe nach den quadratischen Glie-dern abbricht, so konnen die Ableitungen der Nichtgleichgewichtsentropie nach dengesuchten Großen zu

∂S

∂U= β + λ(U − E0) =:

1

θ

∂S

∂piα

= −βΘiαjβpjβ

∂S

∂qiα

=1

θKiα

(4.1.105)

bestimmen, wobei Kiα hier die Rolle eines Platzhalters spielt, den wir spater nochzu spezifizieren haben. Die Ableitungen der Extropie

Ξ(t) = Seq − S(t) (4.1.106)

sind demnach durch

∂Ξ

∂U= −λ(U − E0)

∂Ξ

∂piα

= βΘiαjβpjβ

∂Ξ

∂qiα

= −1

θKiα, (4.1.107)

gegeben. Es bleibt an dieser Stelle noch festzuhalten, dass man allgemein zeigenkann, dass λ < 0 immer gilt. Die Extropie konnen wir demnach angeben als

Ξ(U, p, q, a) = −1

2λ(U − E0)

2 +1

2βEkin +

−(

∂S(E(U,Ekin), q11, ..., qNf ))

∂qiα

)

qiα=0

qiα

−1

2

(∂2S

∂qiα∂qjβ

)

qiα=0,qjβ=0

qiαqjβ (4.1.108)

Wir haben jetzt fur die Entropie und die Extropie im Nichtgleichgewicht einen Na-herungsausdruck angeben, die nur von den gesuchten Großen abhangen. Die Frage,die sich stellt, ist, ob diese Ausdrucke sinnvolle Angaben sind. Die Antwort werdenwir im nachsten Abschnitt geben. Wir haben zu zeigen, dass die Zeitableitung derEntropie nicht negativ ist.

4.1.5 GENERIC Form der Bewegungsgleichungen

Sei die Menge aller relevanten makroskopischen Phasenraumfunktion (Beobachtungs-ebene) durch

B = A1(π, a), A2(π, a), ...., AK(π, a) (4.1.109)

gegeben, dann lautet die Bewegungsgleichung fur den Erwartungswert einer beliebi-gen Observablen Al(π, a) aus B:

d

dtfl(π, a) =

∂fl

∂πi

Lij∂H

∂πj

− ∂fl

∂pi

Dij∂ ln ρ

∂pj

+∂fl

∂a· a, (4.1.110)

4.1 Isolierte diskrete Systeme 91

da die Fokker-Planck-Gleichung der Wahrscheinlichkeitsdichte durch (4.1.65) gege-

ben ist. Fuhren wir an dieser Stelle die Kringel-Observablef durch

d

dtf(π, a) =:

f(π, a)

ein, so konnen wir schreiben

f =

∂f

∂πi

Lij∂H

∂πj

− ∂f

∂pi

Dij∂ ln ρ

∂pj

+∂f

∂a· a.

An dieser Gleichung erkennen wir sehr deutlich, dass alle von Generic gefordertenEigenschaften (Kapitel (2.2)) erfullt sind. Dies gilt fur alle Observable des Systems.

Das Ziel von diesem Abschnitt wird es sein globale Potentiale E und Ξ anzugeben,so dass fur einen vollstandigen Satz von Observable A, die im folgenden gesuchteGroßen genannt werden,

d

dtA = L(Z) · ∂E(A)

∂A︸ ︷︷ ︸Reversibler Anteil

−M(Z) · ∂Ξ(A)

∂A︸ ︷︷ ︸Irreversibler Anteil

. (4.1.111)

gilt, mit einer antisymmetrischen Matrix L und der symmetrischen Matrix M dieim allgemeinen Zustandsfunktionen sein werden.

Als Beobachtungsebene wird wieder

B = q11, ..., qNf , p11, ..., pNf , A4.

genommen. Die gesuchten Großen sind die Erwartungswerte der Beobachtungsebene.Der thermodynamische Zustandsraum (4.1.97) ergibt sich als

Z := q11, ..., qNf , p11, ..., pNf , A4, f 1, ..., fK , a.

Die makroskopische Energie hangt nur von den gesuchten Großen ab

E(U, piα) =1

2piαΘiαjβpjβ + U. (4.1.112)

Fur die makroskopische Extropie setzen wir den Ausdruck (4.1.108)

Ξ(U, p, q, a) = −1

2λ(U − E0)

2 +1

2βEkin + Ξq(q, a) (4.1.113)

an. Die Bewegungsgleichung fur die gesuchten Großen (4.1.99), (4.1.100) und (4.1.101)lauten mit der Ableitung der Extropie geschrieben, wie folgt

d

dtqiα = Θiαjβpjβ (4.1.114)

d

dtpiα = − ∂V

∂qiα

−[

D

V βNfΘ−1

iαmµ

]∂Ξ

∂pmµ

(4.1.115)

92 Kapitel 4 Mechanik dissipativer Systeme

d

dtU = Θiαmµpmµ

∂V

∂qiα

+

[2DfN

V λ

]∂Ξ

∂U. (4.1.116)

Damit gilt, dass der irreversible Anteil der Bewegungsgleichung durch die Onsa-ger’schen Reziprozitatsbeziehungen bestimmt sind. In den bisherigen Rechnungenwurde ein außeres Magnetfeld nicht berucksichtigt (siehe (4.1.91)). Wenden wir unsdem reversiblen Anteil der Bewegungsgleichung zu. Die Bewegungsgleichungen kon-nen mit Hilfe der Energie auch folgendermaßen ausgedruckt werden

d

dtqiα =

∂E

∂piα

(4.1.117)

d

dtpiα = − ∂V

∂qiα

∂E

∂U+

[D

V βNfΘ−1

iαmµ

]∂Ξ

∂pmµ

(4.1.118)

d

dtU =

∂V

∂qiα

∂E

∂piα

−[

2DfN

V λ

]∂Ξ

∂U. (4.1.119)

Definieren wir uns nun noch die zwei folgenden Matrizen:

L =

0 1 0

−1 0 − ∂V∂qiα

0 ∂V∂qiα

0

(4.1.120)

M =

0 0 0

0[

DV β

NfΘ−1iαmµ

]0

0 0 −[

2DfNV λ

]

, (4.1.121)

so konnen wir die Bewegungsgleichung in der generischen Form schreiben

d

dt

qiα

piα

U

=

0 1 0

−1 0 ∂V∂qiα

0 − ∂V∂qiα

0

·

∂E(A)∂qiα

∂E(A)∂piα

∂E(A)∂U

0 0 0

0[

DV β

NfΘ−1iαmµ

]0

0 0 −[

2DfNV λ

]

·

∂Ξ(A)∂qiα

∂Ξ(A)∂pmµ∂Ξ(A)

∂U

.(4.1.122)

Um diese Gleichung in einer kompakten Schreibweise auszudrucken, definieren wirdie Menge der gesuchten Großen durch

A = q1, ..., q

N, p

1, ..., p

N, U. (4.1.123)

Damit lauten die Bewegungsgleichungen (4.1.122) fur die gesuchten Großen

d

dtA = L(Z) · ∂E(Z)

∂A︸ ︷︷ ︸Reversibler Anteil

−M(Z) · ∂Ξ(Z)

∂A︸ ︷︷ ︸Irreversibler Anteil

. (4.1.124)

4.1 Isolierte diskrete Systeme 93

Die Trennung in den reversiblen und irreversiblen Anteil ist dadurch definiert, dassder reversible Anteil unverandert bleibt, falls die Diffusionskonstante D zu Nullgewahlt wird, damit bliebe nur der reversible Anteil der Bewegungsgleichung ubrig.Es ist nun ein leichtes die Bewegungsgleichung fur beliebige Funktionen, die nur vonden gesuchten Großen abhangen, aufzuschreiben. Beliebige Funktionen f(G) von Ggenugen nun der folgenden Gleichung:

d

dtf(A) =

∂f(G)

∂A· L(Z) · ∂E(A)

∂A− ∂f(A)

∂A·M(Z) · ∂Ξ(Z)

∂A. (4.1.125)

Damit alle Eigenschaften von Generic erfullt sind, uberprufen wir hier zunachstdie Energieerhaltung, bevor wir uns der Entropieerzeugung zuwenden wollen. Es giltnun

d

dtE(A) =

∂E(G)

∂A· L(Z) · ∂E(A)

∂A︸ ︷︷ ︸=0

−∂E(A)

∂A·M(Z) · ∂Ξ(Z)

∂A. (4.1.126)

Dass der reversible Anteil Null ist, ergibt sich aus der Antisymmetrie der Matrix(4.1.120). Der irreversible Anteil ist gegeben durch:

∂E(Z)∂qiα

∂E(Z)∂piα

∂E(Z)∂U

·

0 0 0

0 −[

DV β

NfΘ−1iαmµ

]0

0 0[

2DfNV λ

]

·

∂Ξ(Z)∂qiα

∂Ξ(Z)∂piα

∂Ξ(Z)∂U

= 0−Θiαnνpnν

[D

V βNfΘ−1

iαmµ

]βΘiαmµpmµ +

[2DfN

V λ

]λ(U − E0)

=2DNf

V(Ekin − Ekin) = 0 (4.1.127)

Damit ist evident, dass die globale Energie eine Erhaltungsgroße ist. Wir kommennun zur Entropieerzeugung. Dazu betrachten wir die Zeitableitung der Extropie. Esgilt

d

dtΞ(A) =

∂Ξ(G)

∂A· L(Z) · ∂E(A)

∂A− ∂Ξ(A)

∂A·M(Z) · ∂Ξ(Z)

∂A. (4.1.128)

Betrachten wir zuerst den irreversiblen Anteil

d

dtΞirr(A) = −βΘiαmµpmµ

[D

V βNfΘ−1

iαmµ

]βΘmµnνpnν +

[2DfN

V λ

]λ2(U − E0)

2

= −DβNf

V2Ekin +

[2DfN

V

]λ(U − E0)

2 ≤ 0 . (4.1.129)

Diese Ungleichung gilt, da D immer positiv ist und λ < 0. Daher sind beide Sum-manden einzeln kleiner Null und somit die Summe. Falls die Extropie immer positivsein soll, so muss der reversible Anteil der Bewegungsgleichung verschwinden. Es gilt

d

dtΞrev(A) =

∂Ξ

∂qiα

Θiαmµpmµ − βΘiαmµpmµ∂V

∂qiα

− λ(U − E)Θiαmµpmµ∂V

∂qiα

94 Kapitel 4 Mechanik dissipativer Systeme

qiα

Θiαmµpmµ − 1

θΘiαmµpmµ

∂V

∂qiα

(4.1.130)

Damit dieser Anteil verschwindet, muss also

∂Ξ

∂qiα

≡ 1

θ

∂V

∂qiα

(4.1.131)

gelten. Damit ist auch der Platzhalter aus (4.1.107) bestimmt worden.Interessant ist es auch, sich die Energien einzelner Teilchens anzusehen. Dazu gehenwir von einer Hamiltonfunktion aus, die die folgende Form hat:

HN :=∑

i

1

2mp2

i+

∑i<j

V (|qi− q

j|) (4.1.132)

Die Energie eines einzelnen Teilchens ist dann

hi =1

2mp2

i+

1

2

N∑

j 6=i

V (|qi− q

j|) ≡ 1

2mp2

i+ Vi (4.1.133)

Die innere Energie eines Teilchens ist dann gemaß (4.1.96) gegeben durch

ui = hi − 1

2mp2

i(4.1.134)

Die Bewegungsgleichung der inneren Energie ist gegeben durch

d

dtui = hi − 1

2mp2

i, HN − 2ND

Vui − 2D

VT +

2ND

VV i (4.1.135)

Machen wir an dieser Stelle eine Naherung, und zwar ersetzen wir

V i ≈ 1

NV , (4.1.136)

so konnen wir Gleichung (4.1.135) als

d

dtui = hi − 1

2mp2

i, HN − 2ND

V(ui − 1

NE0) (4.1.137)

schreiben. Dieses Verfahren, die Bewegung eines einzelnen Teilchens wird in derstatistischen Mechanik angewendet, um die Virialkoeffizienten zu bestimmen. Andieser Stelle fassen wir das bisher erreichte zusammen. Wir haben bisher gezeigt,dass

• Dissipative Systeme (4.17) konnen durch die stochastischen Gleichungen (4.1.14)beschrieben werden.

• Existenz einer eindeutigen stationaren Losung (4.6), die die Gleichverteilungauf dem zuganglichen Teil des Phasenraum ist.

• Bestimmung einer makroskopischen Energie (4.1.98) und Extropie (4.1.108) furdas abgeschlossen thermodynamische System und damit auch die Bestimmungder Temperatur als die Ableitung der Entropie nach der inneren Energie.

• Bewegungsgleichung in der Generic Form fur den reduzierten Variablensatz.

gilt.

4.1 Isolierte diskrete Systeme 95

4.1.6 Beispiel: Ideales Gas

Als ein erstes Beispiel betrachten wir ein System aus N strukturlosen wechselwir-kungsfreien klassischen Teilchen gleicher Masse, die in einem Gefaß G des VolumensV eingesperrt seien. Zunachst mussen wir die Hamilton-Funktion des Systems be-stimmen. Nun sollen dessen Wande aber total-reflektierend sein. Dies ist physikalischerforderlich, denn andernfalls wurde das System mit der Wand Energie austauschenkonnen und wir mußten diese Freiheitsgrade mit in die Beschreibung des Systemsaufnehmen, damit wir wieder ein isoliertes System beschreiben wurden. Diese Im-plikation bedingt nun aber die Annahme, dass das Gefaß mit ein unendlichen Masseausgestattet ist, deshalb erscheinen in der Beschreibung zwei Geschwindigeiten, diedes Gefaß vG und die des Schwerpunkt des Systems vΣ. Die Geschwindigkeit desGefaßes wird im folgendem identisch Null

vG ≡ 0 (4.1.138)

gesetzt. Der dem System zuganglichen Phasenraum des idealen Gases ist deshalb6N Dimensional und wird dadurch zu

Γ = G × G × .....G︸ ︷︷ ︸N−Mal

×Γp, (4.1.139)

wobei Γp der -unbeschrankte- Impulsraum ist. Somit konnen wir das System durchdie Hamiltonfunktion freier Teilchen

H =∑

i

1

2mφ2

i+ V (ξ; a) =: E0 a ∈ R3, (4.1.140)

mit dem Potenzial

V (ξ; a) = VWW (ξ) + VWand(ξ − l). (4.1.141)

beschreiben. Da wir uns auf ein ideales Gas beschranken, gilt

VWW (ξ) ≡ 0. (4.1.142)

Die Bewegung im Volumen V wird hier also in einem unendlich hohen Potentialka-sten beschrieben. Der Zustand ist gegeben durch

π = ξ1, ...ξ

N, φ

1, ...φ

N, , π ∈ Γ. (4.1.143)

wobei ξider kartesische Ortsvektor des i-ten Teilchens ist. Der mikroskopische Zu-

standsraum wird aufgespannt durch den Phasenraum und die Arbeitsvariablen a ∈R3

Z = π, a. (4.1.144)

Die stochastischen Bewegungsgleichungen lauten gemaß Postulat (4.1):

ξiα =1

mφiα (4.1.145)

96 Kapitel 4 Mechanik dissipativer Systeme

φiα = − ∂V

∂ξiα

+1

mφjβηiαjβ(t), i, j = 1, 2, ..., N und α, β = 1, 2, 3

(4.1.146)

mit den Eigenschaften des stochastischen Terms

〈ηiαjβ(t)〉 = 0 (4.1.147)

〈ηiαjβ(t)ηlλkκ(t′)〉 =

Dm2

V(δilδjkδαλδβκ − δikδjlδακδβλ)δ(t− t′). (4.1.148)

Die spezielle Wahl des weißen Rauschen beschreibt, dass nur die Freiheitsgrade un-tereinander Energie und Impuls miteinander austauschen konnen und sich somitnicht gegenseitig beeinflussen. Die Antisymmetrie des weißen Rauschens

ηiαjβ(t) = −ηjβiα(t) (4.1.149)

in den lateinischen Indizes gewahrleistet, dass die Energie E0 :=∑

i1

2mφ

ikonstant

ist. Die Wahrscheinlichkeitsdichte wird durch

ρ(G, a, t) :=

⟨N∏

i=1

δ(ξi(t; a)− q

i(a))δ(φ

i(t; a)− p

i(a))

⟩(4.1.150)

gegeben. Die Kramer-Moyal Entwicklungskoeffizienten sind im allgemeinen durchden Satz (4.2) gegeben und lauten fur das ideale Gas

Diα(q, p; a) =

1m

piα : i ≤ N

− ∂V∂qiα

+ DV m

(3N − 1)piα : i > N(4.1.151)

D(2)iαjβ(p) =

0 : i, j ≤ N

DV m

[∑

k p2kκδijδαβ − pjβpiα] : i, j > N

(4.1.152)

Die Fokker-Planck Gleichung (4.1.65) kann als

∂tρ(G, a, t) = −ρ,H+∂

∂piα

D(2)iαjβ(p)

∂pjβ

ρ(G, a, t) (4.1.153)

geschrieben werden. Nachdem wir die Fokker-Planck-Gleichung fur ein ideales Gasmit N ≈ 1024 Teilchen, sind wir in der Lage Bewegungsgleichungen fur die Momenteder Phasenraumvariablen aufzustellen. Als Beobachtungsebene wahlen wir hier dieOrts- und Impulsvariablen der einzelnen Atome, sowie die kinetischen Energien proTeilchen.

B = q1, .., q

N, p

1, ....p

N,

1

2mp2

1, ...,

1

2mp2

N

Satz 4.7. Sei die Menge der gesuchten Großen wieder durch die Erwartungswerteder Beobachtungsebene:

A = q1, ...q

N, p

1, ...., p

N,

1

2mp

1· p

1,

1

2mp

2· p

2, ...,

1

2mp

N· p

N (4.1.154)

4.1 Isolierte diskrete Systeme 97

gegeben, wobei die bedingte Wahrscheinlichkeitsdichte der Gl. (4.1.153) genugt, dannlauten die Bewegungsgleichungen fur die Menge A gemaß Gl. (4.1.90)

d

dtq

i=

1

mp

i(4.1.155)

d

dtp

i= −∂V (q; l)

∂qi

− D

V m3(N − 1)p

i(4.1.156)

d

dt

1

2mp2

i= −3DN

V mp2

i+

D

V6E0 (4.1.157)

mit

1

m

k

p2

k= 2E0 = const. (4.1.158)

Die Bewegungsgleichung fur die zweiten Momente der Impulse (4.1.157) konnenwir sofort losen und zwar durch:

1

2mp2

i(t) =

1

NE0 −

[1

NE0 − 1

2mp2

i(t0)

]e−

6DV

N(t−t0). (4.1.159)

An diesem Ergebnis konnen wir sofort den Gleichgewichtswert der der Energie proTeilchen ablesen. Wir konnen auch die Bewegungsgleichung fur das zweite Momenteiner Impulskomponente p2

iα aufstellen

d

dt

1

2mp2

iα = −3DN

V mp2

iα +D

V2E0 (4.1.160)

und durch

1

2mp2

iα(t) =1

3NE0 −

[1

3NE0 − 1

2mp2

iα(t0)

]e−

6DV

N(t−t0). (4.1.161)

losen. Dieses Ergebnis ist konsistent mit den Ergebnissen, die aus der statistischenMechanik des Gleichgewichts bekannt sind, wir konnen aus der Losung ablesen, dassder Gleichgewichtswert (t → ∞) der zweiten Moments einer Impulskomponentegegeben ist durch 1

3NE0. Damit gilt fur dieses Modellsystem im Gleichgewicht der

Aquipartitionssatz (Gleichverteilungssatz), da im Gleichgwicht [14] gilt

limt→∞

1

2mp2

iα =1

3NE0 =

1

2T =

1

2

kB

β, (4.1.162)

wobei T die Gleichgewichtstemperatur des idealen Gases ist. Das dritte Gleichheits-zeichen in der obigen Gleichung ist durch die Erkenntnisse der Statistischen Mecha-nik des Gleichgewichts gegeben.

Energie des idealen Gases

Betrachten wir die Energie des idealen Gases, die wir auch durch die zweiten Mo-mente der Wahrscheinlichkeitsdichte ausdrucken konnen

E0 =1

2m

k

p2k, (4.1.163)

98 Kapitel 4 Mechanik dissipativer Systeme

so fallt auf, dass sie keinen beobachterunabhangigen Anteil hat. Deshalb fuhren wirnun die Kumulanten als unabhangige Variablen ein. Damit kann man die Gesamt-energie durch

E0 =1

2m

k

p2

k+

k

Uk (4.1.164)

mit

Uk :=1

2m(p

k− p

k)2. (4.1.165)

ausdrucken. Es ist nun offensichtlich, dass die so definierte innere Energie beobach-terunabhangig ist. Die Bewegungsgleichung fur innere Energie lautet

d

dtUk = − 1

mp

k· ∂V (q; l)

∂qk

−3D(N − 1)

V m(p

k− p

k) · p

k+

D

V m

(6E0 − 1

mp2

k

). (4.1.166)

Setzen wir nun noch (N − 1) ≈ N , was Anbetracht der sehr grossen Teilchenzahlsicherlich eine gerechtfertigte Naherung ist . Damit konnen wir die Bewegungsglei-chung der inneren Energie eines Teilchen als

d

dtUk = − 1

mp

k· ∂V (q; l)

∂qk

− 6DN

V(Uk − 1

NE0) (4.1.167)

schreiben. Der Gleichgewichtswert der gesamten inneren Energie U :=∑

i Ui ist so-mit die Gesamtenergie des Systems. Wagen wir an dieser Stelle einen Ausblick aufden ersten Hauptsatz der Thermodynamik, so ist klar, dass wir von einem Gleichge-wichtswert ausgehen. Die Anderung der inneren Energie kann dann nur durch einenEingriff in das System erfolgen. Hierbei konnen wir dem System auf zwei Arten Ener-gie zufuhren, und zwar einerseits durch die Zufuhrung von Warme Q und durch dieZufuhrung von Arbeit W . Der erste Hauptsatz der Thermodynamik lautet nun

E = Q + W = U + Ekin = 0 (4.1.168)

Aber bevor wir allgemeiner auf dieses Thema eingehen, betrachten wir zunachst dieEntropie und die Extropie des idealen Gases. Als Zustandsraum (4.1.97) konnen wirnun den Satz der Variablen

Z = q1, .., q

N, q

1, .., q

N, U1, U2, ....UN , f 1, ..., fK (4.1.169)

verwenden.

Entropie und Extropie des idealen Gases

Die Gleichgewichtsentropie des idealen Gases ist bekanntermaßen [14] gegeben durch(V = l1l2l3)

Seq(U, V ) = − kB

~3NN !

χ

ρeq ln ρeqdΓ = kB3N

2ln U + N ln V + ln B , (4.1.170)

4.1 Isolierte diskrete Systeme 99

wobei B = const. ist. Damit gilt mit U ≡ E0, wobei E0 hier die Gesamtenergiebezeichnet.

β =3NkB

2

1

E0

, λ = −3NkB

2

1

E20

. (4.1.171)

Damit wird die Entropie gemaß (4.1.104) zu

S(Z) = S0 +3N

2

1

E

∑i

(Ui − 1

NE

)− 3N

4m

1

E

∑i

p2

i− 3N

4

1

E2

(∑i

Ui − 1

NE

)2

+∂S

∂qi

∣∣∣∣∣q

i=0

· qi+O

(1

E3

). (4.1.172)

An dieser Stelle ist es hilfreich die spezifische Energie e = 1N

E einzufuhren, damitlautet die Gleichung fur die Entropie

S(Z) = S0 +3

2

1

e

∑i

(Ui − 1

NE

)− 3

4m

1

e

∑i

p2

i− 3

4

1

Ne2

∑i

(Ui − 1

NE

)2

+∂S

∂qi

∣∣∣∣∣q

i=0

· qi+O

(1

N2

). (4.1.173)

Man erkennt nun sehr gut, dass die Terme hoherer Ordnung in der Großenordnungvon 10−24 liegen und damit vernachlassigbar sind. Die Frage, die sich hier stellt, istoffensichtlich, ob die Nichtgleichgewichtsentropie auch von den Erwartungswertendes Ortes abhangt, oder auch von hoheren Momenten der Orte. Die Frage lasst sichan dieser Stelle schon beantworten, die Nichtgleichgewichtsentropie muss zumindestauch von den Erwartungswerten der Orte abhangen, sonst ist die Zeitableitung derEntropie und damit die Entropieproduktion nicht positiv semidefinit, wie wir weiterunten sehen werden. Die Extropie ist gemaß der Definition (4.1.108) gegeben durch

Ξ = Seq − S(t) =3N

4m

1

E

∑i

p2

i+

3N

4

1

E2

∑i

(Ui − 1

NE

)2

+ Ξq(qi) . (4.1.174)

An dieser Stelle ist es angebracht zu uberprufen, ob die Entropie und die Extropie diegewunschten Eigenschaften besitzt. Es wird hier zunachst untersucht ob die Extropieeine positiv definite Große ist. Nehmen wir zunachst einmal an, dass der Anteil dervon den Orten abhangt positiv sei, aber ansonsten zeitlich konstant. Dann siehtman sofort, dass die Extropie eine positive Große ist. Die nachste Aufgabe ist es sichdie Entropieproduktion anzuschauen. Dies wir im Folgenden Abschnitt behandeltwerden.

Generic Form der Bewegungsgleichungen

An dieser Stelle fassen wir die Ergebnisse noch einmal zusammen. Wir haben denthermodynamischen Zustandsraum als

Z = q1, .., q

N, q

1, .., q

N, U1, U2, ....UN , f 1, ..., fK (4.1.175)

100 Kapitel 4 Mechanik dissipativer Systeme

eingefuhrt. Weiterhin haben wir die globalen Funktionen der Energie und der Ex-tropie eingefuhrt und gesehen, dass sie vollstandig durch die gesuchten Großen A(siehe (4.1.154)) bestimmt sind. Die Energie (4.1.164)

E(Z) =1

2m

k

p2

k+

k

Uk (4.1.176)

und die Extropie (4.1.174)

Ξ(Z) =3N

4m

1

E

∑i

p2

i+

3N

4

1

E2

∑i

(Ui − 1

NE

)2

+ Ξq(q) (4.1.177)

sind globale Zustandsfunktionen. Der ortsabhangige Anteil ist additiv, da die Orteund die Impulse unabhangige Variablen sind, deshalb ist die Wahrscheinlichkeits-dichte multiplikativ und damit die Extropie additiv in diesen Großen. Definieren wirjetzt die durch die Wand verursachte Kraft, die auf das i− te Teilchen wirkt, als

K i(a) :=∂VWand(q; l)

∂qi

, (4.1.178)

so konnen wir die Bewegungsgleichung fur den Schwerpunkt des i-ten Teilchens(4.1.155), fur den Schwerpunktimpuls des i-ten Teilchens (4.1.156) und fur die innereEnergie (4.1.167) als

d

dtq

i=

∂E(Z)

∂pi

(4.1.179)

d

dtp

i= −∂E(Z)

∂qi

−Ki(a)∂E(Z)

∂U− 2DE

V

∂Ξ(Z)

∂pi

(4.1.180)

d

dtUi = Ki(a) · ∂E(Z)

∂pi

− 4DE2

mV

∂Ξ(Z)

∂Ui

(4.1.181)

schreiben. Diese Gleichung konnen wir etwas kompakter als Matrixgleichung dar-stellen. Dazu fuhren wir die antisymmetrische Matrix L als

L =

0 1 0−1 0 −Ki(a)0 K i(a) 0

(4.1.182)

ein und die symmetrische Matrix M als

M =

0 0 0

0 2DEV

0

0 0 4DE2

mV

(4.1.183)

ein. Damit konnen wir die Bewegungsgleichung fur die gesuchten Großen (siehe(4.1.154)) durch:

4.1 Isolierte diskrete Systeme 101

ddt

qi

ddt

pi

ddt

Ui

=

0 1 0−1 0 −Ki(a)0 K i(a) 0

·

∂E(Z)∂q

i∂E(Z)

∂pi

∂E(Z)∂Ui

0 0 0

0 2DEV

0

0 0 4DE2

mV

·

∂Ξ(Z)∂q

i∂Ξ(Z)

∂pi

∂Ξ(Z)∂Ui

(4.1.184)

ausdrucken. Nun konnen wir uns auch dem Problem der Entropieproduktion zuwen-den. Es gilt demnach

d

dtΞ =

∂Ξ(G)

∂G· L(Z) · ∂E(G)

∂G︸ ︷︷ ︸ReversiblerAnteil

+∂Ξ(G)

∂G·M(Z) · ∂Ξ(Z)

∂G︸ ︷︷ ︸IrreversiblerAnteil

. (4.1.185)

Die Bezeichnungen resultieren nun daher, dass der irreversible Anteil identisch ver-schwindet, wenn wir in den stochastischen Gleichungen (Postulat 4.1.14) D = 0identisch Null setzen. Betrachten wir zunachst den reversiblen Anteil, dann gilt

d

dtΞrev =

∑i

Ξ

qi

· 1

mp

i−

∑i

(3N

2

1

E− 3N

2

Ui

E2+

3

2

1

E

)1

mKi · pi

(4.1.186)

Falls wir nun annehmen wollen, dass der reversible Anteil der Bewegung nicht zurEntropieproduktion beitragt, muss er identisch verschwinden. Die Gleichung ist si-cherlich erfullt, wenn wir die trivial Losung annehmen. Dann ist die Ableitung derExtropie nach den Erwartungswerten der Orte gegeben durch

∂Ξ

∂qi

:=

(3N

2

1

E− 3N

2

Ui

E2+

3

2

1

E

)Ki. (4.1.187)

Dann ist der reversible Anteil der Entropieproduktion identisch Null. Betrachtenwir nun den irreversiblen Term, den wir in der Folge auch als Entropieproduktionbezeichnen wollen. Es gilt

d

dtΞirr = −

∑i

(3N)

2Empi

2DE

V

(3N)

2Empi −

∑i

(3N

2E2

)2 (Ui − 1

NE

)24DE2

V m

= −9N2 D

V m

[Ekin

E+

∑i

(Ui − 1

NE

)2

E2

]≤ 0 . (4.1.188)

Damit ist die Extropieproduktion kleiner Null und somit gemaß (Lemma 4.6) dieEntropieproduktion großer als Null. Uberprufen wir nun die Erhaltung der Energie,so ist klar, dass der reversible Anteil wegen der Antisymmetrie der Matrix L identischverschwindet. Der irreversible Anteil ist gemaß (4.1.185) gegeben durch

d

dtE = 0− 3ND

V m

(∑i

1

mp2

i+ 2

(∑i

Ui − E

))= 0 . (4.1.189)

102 Kapitel 4 Mechanik dissipativer Systeme

Damit wurden die von Generic geforderten Eigenschaften fur die Bewegungsglei-chungen des idealen Gases gezeigt. Als nachstes wollen wir uns den numerischenAuswertungen der Bewegungsgleichungen widmen.

Nummerische Losung der Bewegungsgleichungen

Die Gleichungen fur das ideale Gas kann man im Fall des thermodynamischen Limessofort losen. Da in diesem Fall, das Wandpotential verschwindet. Damit ist das Pro-blem des idealen Gases aquivalent zu dem Wiener Prozess auf einer N -dimensionalenKugel. Dieses Problem ist im Anhang (B.3) gelost und ebenfalls mit den numeri-schen Losungen verglichen worden. Dabei zeigt sich eine sehr gute Ubereinstimmungzwischen Theorie und Numerik im Rahmen der statistischen Fehler. Hier stellen wiraber die numerischen Losungen in einem Gefaß des Volumens V vor. Allerdings wur-de bei der numerischen Behandlung ein zwei dimensionales Problem untersucht. Dieshat den Effekt, das die Freiheitsgrade f gleich zwei sind. Es werden nun die gesamteEnergie des idealen Gases als

U :=1

N

4∑i=1

Ui (4.1.190)

und eine Art gemittelter Schwerpunktsimpuls

p :=1

2N

4∑i=1

(pxi + pyi) (4.1.191)

eingefuhrt.

Abbildung 4.3: Darstellung der Inneren Energie und des gemittelten Schwerpunkt-simpuls fur N = 4 und V = 1 in zwei Dimensionen mit unterschiedlichen Diffusions-konstanten D, aber gleichen Anfangsbedingungen.

In der Abbildung (4.3) erkennt man sehr schon das oszillatorische Verhalten derinneren Energie und damit der kinetischen Energie. Allerdings bekommt man diesesVerhalten nur fur spezielle Anfangsbedingungen und kleiner Diffusionskonstanten.Wir erkennen, dass schon die Diffusionskonstante D = 0.51

sdie innere Energie ex-

ponentiell abfallen lasst.

4.1 Isolierte diskrete Systeme 103

Abbildung 4.4: Die inner Energie und der Schwerpunktsimpuls des idealen Gasesbei Expansion. Die Anfangsbedingungen sind so gewahlt, dass sich alle Teilchen zurZeit t0 im Volumen Vi befinden und sich ab der Zeit t > t0 im Volumen Vf bewegenkonnen

In der nachsten Abbildung (4.4) wird nun untersucht, wie sich die Großen andern,bei der Variation von A, wobei der Faktor A = Vi

Vfdarstellt. Vi gibt dabei an, in

welchem anfanglichen Volumen sich die Teichen befunden haben. Man erkennt dabeigut, dass als sich die Teilchen alle im Volumen Vi < Vf befunden haben, dass sichdie Teilchen erst ungestort ausbreiten, bis sie den Effekt der Wand spurten, der zudem Knick in der Kurve fuhrte.

Bisher haben wir uns noch nicht mit der Frage beschaftigt, wie eine Nichtgleich-gewichtssituation entstehen kann. Wir sind bisher davon ausgegangen, dass die Orteund die Impulse der Teichen zu einer Zeit t0 bekannt seien und das sie dann insGleichgewicht streben. Eine solche Nichtgleichgewichtssituation kann naturlich imKontakt mit anderen thermodynamischen Systemen entstehen. Deswegen werdenwir uns abschließend damit beschaftigen, wie wir einen solchen Kontakt beschreibenkonnen.

4.1.7 Beispiel: Gas in einem Kolben

So lange wir die Dynamik der Arbeitsvariablen nicht in den Bewegungsgleichung furdas System integriert haben, ist es nicht moglich die Bewegungsgleichung in der Ge-neric Form anzugeben. Als ein Beispiel, wie wir die Dynamik der Arbeitsvariablenin das System integrieren konnen wollen wir als letztes Beispiel noch einmal aufdas Anfangsbeispiel zuruckkommen und die mikroskopischen Bewegungsgleichungfur ein System aufstellen, wo sich ein Gas in einem Kolben befindet, der mit einemdritten System Warme austauschen kann. Der Einfachheit wollen wir annehmen,dass das dritte System aus einem idealen Gas besteht. Der Phasenraum ist durchΓ = Γ(1) × Γ(2) × Γ(3) gegeben, wobei die Phasenraume der Subsystem im einzelnendurch

Γ(1) = q(1)

1, ...q(1)

N1, p(1)

1, ...p(1)

N1,

Γ(2) = q(2)K , p

(2)K

104 Kapitel 4 Mechanik dissipativer Systeme

undΓ(3) = q(3)

1, ...q(3)

N3, p(3)

1, ...p(3)

N3,

bestimmt sind.

z

y

x

S(1)

S

S(2)

(3)

Wir haben also die folgende Situation. Das System Σ(1) wird beschrieben durch

HN11 =

N1∑i

1

2m1

|p(1)

i|2

︸ ︷︷ ︸=:T1

+

N1(N1−1)/2∑

i6=j

V1i(|q(1)

i− q(1)

j|) + V 1K

Wand(|q(1)i − q

(2)K |)

Das System Σ(2) bestehend aus dem Kolben mit der Masse mK , der an einer Federmit der Federkonstanten κ befestigt ist

H2 =1

2mK

|p(2)k |2

︸ ︷︷ ︸=:T2

+1

2ω2|q(2)

K |2

und das System Σ(3), das durch ein ideales Gas gegeben seien soll

HN33 =

N3∑i

1

2m3

|p(3)

i|2

︸ ︷︷ ︸=: T3 + V 3K

Wand(|q(3)i − q

(2)K |).

Die Hamiltonfunktion des Zusammengesetzten Systems ist demnach durch

H := HN11 + H2 + HN3

3 (4.1.192)

Es soll kein Teilchenaustausch zwischen den Systemen zugelassen seien (N1 = const.,N3 = const.). Weiterhin nehmen wir an, dass nur das System Σ3 mit dem KolbenΣ2 Warme austauschen kann. Deshalb sind die stochastischen Bewegungsgleichunggemaß Postulat 4.1 durch

q(1)

i=

1

m1

p(1)

i

p(1)

i= −∂VWW

∂q(1)i

− ∂V 1KWand

∂q(1)i

+1

m1

η(11)

ij· p(1)

j

q(2)

K=

1

mK

pK

4.1 Isolierte diskrete Systeme 105

p(2)

K= −ω2q

K− ∂V 1K

Wand

∂q(1)K

+1

m3

η(32)

Ki· p(3)

i

q(3)

i=

1

m1

p(1)

i

p(3)

i= −∂V 3K

Wand

∂qi

+1

m3

η(33)

ij· p(3)

j+

1

mK

η(32)

iK· p(2)

K

gegeben. Dabei haben wir fur den Ort des Kolbens den Vektor q(2)K

= (0, 0, q(2)K )

und fur den Impuls den Vektor p(2)K

= (0, 0, p(2)K ) eingefuhrt. Berechnet man die

Kramer-Moyal-Koeffizienten (Satz 4.2) fur dieses Gleichungssystem, so erhalt manals Ergebnis die Folgende ((N1 + 1 + N2)× (N1 + 1 + N2)) Diffusionsmatrix:

D =D

V

Θ−1

12T1 − p(1)p(1) 0 −0

−0 Θ−1

22(T2 + T3)− p(2)p(2) −p(2)p(3)

−0 −p(3)p(2) Θ−1

32(T2 + T3)− p(3)p(3)

(4.1.193)

wobei Ti die kinetischen Energien der einzelnen System Σi beschreiben. Die Diffussi-onsmatrix zerfallt in einzelnen Blocke. Der Block D(11) := Θ−1

12T1−p

1p(1) beschreibt

das adiabatisch isolierte System Σ1 , wie wir das schon aus dem Beispiel fur das iso-lierte ideale Gas her kennen. Die Blocke D(22), D(23), D(32) und D(33) sind strukturellidentisch mit dem Block D(11) und beschreibt das adiabatisch isolierte zusammen-gesetzte System Σ2

⋃Σ3. Damit wir die Fokker-Planck-Gleichung in der ublichen

Form schreiben konnen, fuhren wir eine neue Bezeichnung ein.

p := (p(1)1x , p

(1)1y ..., p

(1)N1z, p

(2)K , p

(3)1x , ..., p

(3)N3z)

q := (q(1)1x , q

(1)1y ..., q

(1)N1z, q

(2)K , q

(3)1x , ..., q

(3)N3z)

Damit konnen wir die Fokker-Planck-Gleichung fur die Wahrscheinlichkeitsdichtedurch

∂tρ(q, p, t) = −ρ,H+

N1+1+N3∑i,j=1

∂pi

[Dij

∂pj

ρ

](4.1.194)

angeben. Die Gesamtenergie bleibt naturlich wieder erhalten

E0 := H1 + H2 + H3 = const. , (4.1.195)

wie wir weiter unten noch explizit zeigen werden. Wir wollen im Folgenden dieGleichungen aus dem Abschnitt uber die Behandlung eines diskreten Nichtgleichge-wichtssystems mikroskopisch betrachten. Dazu betrachten wir uns den thermodyna-mischen Zustandsraum (2.3.43), der aus den Variablen

Z = (Eg, Up, p, z, U e), p := mz.

besteht. Die dazugehorige Beobachtungsebene ist durch

B = H1, A2, pK , qK , H3 (4.1.196)

106 Kapitel 4 Mechanik dissipativer Systeme

wobei die Phasenraumfunktion A2 durch

A2 :=1

2mK

(|pk| − |p

k|)2 +

1

2ω2(|q

K| − |q

K|)2 (4.1.197)

definiert ist. Die Zuordnung geschieht durch

Eg := H1, Up := A2, p := pK , z = qK , U e := H3.

Als nachsten Schritt werden wir nun die Bilanzgleichungen fur die gesuchten Großenableiten.

Satz 4.8. Die gesuchten Großen des zusammengesetzten Systems Σ sind gegebendurch die Erwartungswerte der Beobachtungsebene

B = H1, A2, pK , qK , H3

und der thermodynamische Zustandsraum

Z = (Eg, Up, p, z, U e, T2, T3, f 1, ...).

Damit konnen wir zeigen, dass die Folgenden Bilanzgleichungen fur die Erwartungs-werte der gewahlten Beobachtungsebene gelten.

1. Die Bilanzgleichung fur die Energie des Gases im System Σ1:

d

dtEG =

∂V 1KWand

∂qK

1

mK

pK ≈ ∂V 1KWand

∂qK

1

mK

pK . (4.1.198)

2. Die Bilanzgleichung fur die innere Energie des Kolbens:

d

dtUP = − 1

mK

(pK − pK)

(∂V 1K

Wand

∂qK

+∂V 3K

Wand

∂qK

)

−N3D

V

1

mK

(p2K − p2

K) +2D

VT3

≈ D

VN3

1

mK

p2K −

2D

V(N3T2 − T3) (4.1.199)

3. Die Bilanzgleichung fur den Ort des Kolbens:

d

dtz =

1

mK

p (4.1.200)

4. Die Bilanzgleichung fur den Impuls des Kolbens:

d

dtp

K= −ωq

K− ∂VWand(q

(1)j − qK)

∂qK

− ∂VWand(q(3)j − q

K)

∂qK

− D

VN3pK

.

(4.1.201)

4.1 Isolierte diskrete Systeme 107

5. Die Bilanzgleichung fur die Energie des Gases im System Σ3:

d

dtEG =

∂V 3KWand

∂qK

1

mK

pK +2D

V[N3T2 − T3]

≈ ∂V 3KWand

∂qK

1

mK

pK +2D

V[N3T2 − T3]. (4.1.202)

6. Die Bilanzgleichung fur die Entropie S := −kBln(ρ) des ZusammengesetztenSystems

d

dtS = kB

∂ ln(ρ)

pj

Dij∂ ln(ρ)

pi

≥ 0. (4.1.203)

Naherungsweise haben wir angenommen, dass die Ableitungen der Wandpotentialenicht mit dem Impuls des Kolbens

1

mK

pK

(∂V 1K

Wand

∂qK

+∂V 3K

Wand

∂qK

)≈ 1

mK

pK

(∂V 1K

Wand

∂qK

+∂V 3K

Wand

∂qK

)(4.1.204)

korreliert sind.

Bevor wir diese Bilanzgleichungen im einzelnen herleiten werden, wollen wir andieser Stelle die Bilanzgleichungen mit den Bilanzen des Abschnitt uber die Be-handlung eines diskreten Nichtgleichgewichtssystems 2.3 vergleichen. Anhand die-ses Vergleiches konnen wir die mesoskopischen Ausdrucke mit den makroskopischenGroßen identifizieren. Aus Gleichung (4.1.201) und Gleichung (2.3.2) konnen wirablesen, dass der Druck des Gases Σ1 durch

p ≡ − 1

A

∂V 1KWand

∂qK

(4.1.205)

gegeben ist, wobei A die Flache des Kolbens bezeichnet. Weiterhin folgt, dass derdynamische Druck pe des Systems Σ3 durch

pe ≡ 1

A

∂V 3KWand

∂qK

gegeben ist. Die phanomenologische Reibungskoeffizient α ergibt sich zu

α ≡ D

V mK

N3. (4.1.206)

Der Warmeubergang zwischen dem Kolben und dem dritten System (Umgebung)kann aus (4.1.199) und (2.3.7) zu

QP ≡ −2D

V[N3T2 − T3] (4.1.207)

108 Kapitel 4 Mechanik dissipativer Systeme

bestimmt werden. Damit haben wir alle phanomenologischen Großen des Abschnitts2.3 mit Ausdrucken aus einer mikroskopischen Hintergrundstheorie identifiziert. Da-mit kann man die Generic-Form der Bilanzgleichung, wie in dem Abschnitt 2.3gezeigt wurde, aufstellen. Allerdings folgen sie nicht direkt aus der mikroskopischenHintergrundstheorie. Nach dieser Bemerkung kommen wir zu dem Beweis des obigenSatzes.

Beweis fur (1.) :Dazu setzen wir die Phasenraumfunktionen in die Gl. (4.1.90) (Satz 4.4) mit der

Diffusionsmatrix (4.1.193) ein. Bestimmen wir zunachst die Bilanzgleichung fur dieEnergie des Gases EG. Es gilt

d

dtEG = H1, H+

N1∑i,j

∂H1

∂pi

∂Dij

∂pj

+∂2H1

∂pi∂pj

Dij

=∂V 1K

Wand

∂qK

1

mK

pK . (4.1.208)

Den ersten Teil der obigen Gleichung ergibt sich durch

H1, H = H1, H1+ H1, H2+ H1, H3 = H1, H2 =∂V 1K

Wand

∂qK

1

mK

pK

(4.1.209)

Beweis fur (2.) :Als nachstes stellen wir die Bilanzgleichung fur die innere Energie des Kolbens

auf. Setzen wir A2 in die Gl. (4.1.90) ein, so erhalten wir

d

dtA2 = A2, H+

∂A2

∂pi

∂Dij

∂pj

+∂2A2

∂pi∂pj

Dij (4.1.210)

Berechnen wir zunachst die Poisson-Klammer A2, H, so finden ir

A2, H =N∑α

∂A2

∂qα

∂H

∂pα

− ∂A2

∂pα

∂H

∂qα

mk

(qK − qK)pK − 1

mK

(pK − pK) ·(

∂V 1KWand

∂qK

+∂V 3K

Wand

∂qK

+ ωqK

).

Damit erhalten wir

A2, H = − 1

mK

(pK − pK) ·(

∂V 1KWand

∂qK

+∂V 3K

Wand

∂qK

).

Berechnen wir als nachstes den zweiten Term der Gl. (4.1.210), so erhalten wir

∂A2

∂pi

∂Dij

∂pj

= −N3D

V

1

mK

(pK − pK)pK = −N3D

V

1

mK

(p2K − p2

k) (4.1.211)

4.1 Isolierte diskrete Systeme 109

Fur den letzten Term der Gl. (4.1.210) ergibt sich

∂2A2

∂pi∂pj

Dij =D

V

1

mK

(mK2(T2 + T3)− p2K) =

2D

VT3 (4.1.212)

Setzen wir diese Ergebnisse in Gl. (4.1.210), so erhalten wir als Bilanzgleichung furdie innere Energie des Kolbens

d

dtUP =

1

mK

(pK − pK)

(∂V 1K

Wand

∂qK

+∂V 3K

Wand

∂qK

)

−N3D

V

1

mK

(p2K − p2

K) +2D

VT3 (4.1.213)

Falls wir noch annehmen, dass die Ableitung nach dem Wandpotential eine Großeist, die nicht mit dem Impuls des Kolbens korreliert ist, also

1

mK

pK

(∂V 1K

Wand

∂qK

+∂V 3K

Wand

∂qK

)≈ 1

mK

pK

(∂V 1K

Wand

∂qK

+∂V 3K

Wand

∂qK

)(4.1.214)

gilt. Dann ist die Bilanzgleichung der inneren Energie des Kolbens durch

d

dtUP = −N3

D

V

1

mK

(p2K − p2

K) +2D

VT3 (4.1.215)

gegeben.Beweis fur (5.) :

Als nachstes betrachten wir die Phasenraumfunktion H3. Als Bilanzgleichungerhalten wir

d

dtU e = H3, H+

N1+N3+1∑i,j=1

∂H3

∂pi

∂Dij

∂pj

+∂2H3

∂pi∂pj

Dij. (4.1.216)

Analog zu der Rechnung (4.1.209) erhalten wir fur den Erwartungswert der Poisson-klammer H3, H = H3, H2 den folgenden Ausdruck:

H3, H =∂V 3K

Wand(|qk − qi|)∂qK

1

mK

pK

Der zweite Term in der Bilanzgleichung fur U e ist

N1+N3+1∑i,j

∂H3

∂pi

∂Dij

∂pj

+∂2H3

∂pi∂pj

Dij = −D

VN3

N1+N3+1∑i=N1+1

1

m3

p2i

+D

V

N1+N3+1∑i=N1+1

[(δii

2

m3

[T2 + T3]

)− 1

m3

p2i

]

=2D

V[N3T2 − T3] (4.1.217)

110 Kapitel 4 Mechanik dissipativer Systeme

Damit erhalten wir fur die Energie des dritten Systems die

d

dtU e =

∂V 3KWand(|qk − qi|)

∂qK

1

mK

pK +2D

V[N3T2 − T3] (4.1.218)

Bilanzgleichung .Beweis fur (3.) : Die Bilanzgleichung fur den Ort des Kolbens ergibt sich gemaßGl. (4.1.90) (Satz 4.4) zu

d

dtqK =

1

mK

pK (4.1.219)

Beweis fur (4.) : Die Bilanzgleichung fur den Impuls des Kolbens ergibt sichgemaß Gl. (4.1.90) (Satz 4.4) zu (pK ≡ pN1+1)

d

dtpK = − ∂H

∂qK

+

N1∑i,j

∂pN1+1

∂pi

∂Dij

∂pj

+∂2pN1+1

∂pi∂pj

Dij

= −ωqK−

∂V 1KWand(qj

− qK

)

∂qK

−∂V 3K

Wand(qj− q

K)

∂qK

−D

V3N3pK

. (4.1.220)

Beweis fur (6.) : Die Bilanzgleichung fur die Entropie des ZusammengesetztenSystems ergibt sofort aus Lemma (4.6) 2

4.2 Zusammenfassung der Ergebnisse des Kapitels 111

4.2 Zusammenfassung der Ergebnisse des Kapi-

tels

Heuristische Motivation der

stochastischen Bewegungsgleichung

Postulat 4.1 der stochastischen

Bewegungsgleichung

(Langevin-Gleichung )

Ableitung der Fokker-Planck-Gleichung

für die WahrscheinlichkeitsdichteFPG

Ableitung einer Bewegungsgleichung

für die Erwartungswerte beliebiger

Phasenraumfunktionen

Ableitung des ersten und des

zweiten Hauptsatzes der

Thermodynamikabgeschlossener

Systeme

Aufstellung der Hamiltonfunktion

für abgeschlossene Systeme

Ableitung der Kramer-Moyal-

Enwicklungskoeffizienten

Existenz und Eindeutig der

stationären Lösung der FPG

(Grundpostulat der statistischen

Mechanik abgeschlosser Systeme)

Angabe makroskopisch

relevanter Phasenraum-

funktionen

Einführung der makroskopischen

Potentiale E und S

(Energie und Entropie)

Aufstellung der Bewegungsgleichung

in GENERIC-Form

Mechanik dissipativer

abgeschlossener Systeme

Satz 4.2

Satz 4.1 und Satz 4.3

Satz 4.4

Gl. 4.1.75 und Satz 4.7, Lemma 4.6

Abschnitt 4.1.4Abschnitt 4.1.4

Abschnitt 4.1.5

Abschnitt 4.12

Abbildung 4.5: Darstellung der Ergebnisse des Kapitels

Nach diesem letztem Beispiel stellen wir uns nun die Frage, was wurde durch denstochastischen Zugang (4.1) erreicht. Zunachst einmal wurden alle mikroskopischenObservablen zu Zufallsvariablen, was dem Zugang von Tolmann [58] entspricht.

Eine direkte Folge der stochastischen Bewegungsgleichungen Pos. (4.1) ist dieErhaltung der Hamiltonfunktion und damit die ihres Erwartungswertes, die als ma-kroskopische Energie interpretiert wird. Weiterhin konnten wir zeigen, dass im Rah-men dieses Modells ein abgeschlossenes System eine positive Entropie ErzeugungSatz (4.5) bzw. Lemma (4.6) besitzt. Damit haben wir den ersten Hauptsatz undden zweiten Hauptsatz der Thermodynamik fur isolierte System gezeigt.

Desweiteren konnten wir zeigen, dass eine eindeutige Gleichgewichtsverteilungexistiert (Satz (4.6)), die dem Grundpostulat der statistischen Mechanik genugt.

112 Kapitel 4 Mechanik dissipativer Systeme

Im Rahmen dieses Modells ist das Grundpostulat also eine Folge der stochastischenGleichungen (4.1).

Eine weitere Konsequenz ist die Entstehung der Reibung fur die Erwartungswerteder Phasenraumvariablen durch das multiplikative weißen Rauschen, die nicht direktin die grundlegenden Annahmen (Postulat 4.1) gesteckt wurden, wie bei den ublichenBehandlung der Brown’schen Bewegung durch einen Ornstein-Uhlenbeck Prozess.

Im Beispiel (4.1.7) wird der Warmeubergang zwischen zwei makroskopischenSystemen im Rahmen des Modells beschrieben. Es wird gezeigt, wie man mikro-skopische Ausdrucke fur die makroskopischen Großen, wie den Druck (4.1.205), denReibungskoeffizienten 4.1.206 und den Warmeubergang (4.1.207) erhalt.

Falls wir den Ausdruck (4.1.1051) als Temperatur interpretieren, konnen wir auchfur ein ideales Gas den zeitlichen Verlauf der Temperatur bestimmen. Fur gewisseAnfangsbedingungen haben wir einen oszillierenden Temperaturverlauf gefunden,den man in der Literatur als second sound bezeichnet. Eng verknupft mit dieserFrage ist die makroskopische Darstellung der Entropie bzw. der Extropie, die esuns ermoglicht die Bewegungsgleichung in der Generic Form aufzuschreiben. DieseDarstellung ist fur ein abgeschlossenes System entspricht den Onsager’schen Rezipro-zitatsbeziehungen fur den irreversiblen Anteil der Bewegungsgleichungen (4.1.124).Zudem kann man den Gradienten der Extropie als die thermodynamischen Kraf-te interpretieren, die dafur Rechnung tragen, dass ein abgeschlossenes System insGleichgewicht strebt.

Die Frage die man sich nun stellen muss, ist die Frage nach dem Preis den wirdafur zu bezahlen haben. Zunachst einmal haben wir fur ein Vielteilchensystem ineinem Volumen die Form der kanonischen Gleichungen (siehe Postulat 4.1) zerstort,indem wir sie um den stochastischen Term erweitert haben.

Ansonsten wurden alle Konzepte der statistischen Mechanik unverandert uber-nommen. Das Modell leistet, da es rein klassisch ist, keine quantenmechanischenErklarungen. Dieses Manko konnte man eventuell dadurch beseitigen, dass man einequantenmechanische Formulierung der Langevin-Gleichung benutzt. In der Litera-tur gibt es in der jungeren Zeit viele Darstellungen, die sich mit diesem Themabeschaftigen. Insbesondere das Caldeira-Legget Modell beschaftigt sich ja mit dieserFragestellung. Eine weitere Frage, die im Rahmen der Arbeit unbeantwortet blieb,ist die Feldformulierung der Bewegungsgleichung fur die Erwartungswerte der mi-kroskopischen Erwartungswerte. In der Literatur (z.B. Reif) findet man auch dazuLosungsvorschlage.

Kapitel 5

Zusammenfassung der Ergebnisse

In dieser Arbeit wurde die Dynamik dissipativer diskreter Systeme untersucht. EinSystem heißt dissipativ, falls seine Entropieproduktion nicht negativ ist.

Ein diskretes System kann auf verschieden Stufen beschrieben werden. Die Stufenwerden mit makroskopisch, mesoskopisch und mikroskopisch bezeichnet. Die Obser-vablen des Systems werden physikalische interpretiert, wie z.B. Energie, Entropy,Impuls, ...

Im ersten Teil der Arbeit wurde untersucht, wie man im Rahmen der rationalenThermodynamik ein diskretes System in der Feldformulierung untersucht. Die Ob-servablen im Rahmen der rationalen Thermodynamik ergeben den Zustandsraum.Ein Teil des Zustandsraumes besteht aus den Observablen, fur die man Bilanz-Gleichungen angeben kann. Diese speziellen Observablen werden Basis-Großen, oderauch gesuchte Felder genannt.

Es wurde dargelegt, wie man mit Hilfe der Liu-Gleichung, die Entropie-Bilanzauswerten kann. Das Resultat dieser Untersuchung zeigt, das man explizite Aus-drucke fur den Entropiefluss und die Entropieproduktion erhalt.

Isoliert man ein diskretes System, dann bedeutet dies, dass die Austauschgroßenbzw. Flusse (Arbeit, Warme, Teilchen) mit seiner Umgebung zu Null gesetzt werden.Insbesondere erscheint dann auch der Entropiefluss nicht mehr in Gleichungen, daer ebenfalls verschwindet. Die Entropierate ist dann gleich der Entropieproduktion.

Im Rahmen von Generic wird ein isoliertes diskretes System untersucht. DieDynamik der Observablen sind aber nicht durch Bilanz-Gleichungen gegeben, son-dern es werden die Generic-Gleichungen und die Degenerierungsbedingungen furden Poisson-Operator, bzw. den Dissipations-Operator postuliert. Auf der phanome-nologischen, bzw. makroskopischen Ebene zeigt der Vergleich zwischen Generic undder rationalen Thermodynamik, dass eine Formulierung in Generic fur ein gegebe-nes System wohl immer moglich ist. Die Schwierigkeit ist aber die Konstruktion derOperatoren (Poisson und Dissipationsoperator), die in den Generic-Gleichungenauftauchen.

Deshalb wurde im zweiten Teil der Arbeit untersucht, wie man ein diskretes Sy-stem im Rahmen der klassischen statistischen Mechanik untersucht. Man fuhrt Ob-servable F (G, t) ein, die Funktionen des Phasenraums (Zustand) sind. Der Messwerteiner Observablen ist durch den Erwartungswert einer Observablen gegeben

E(F ) := Tr(Fρ).

113

114 Kapitel 5 Zusammenfassung der Ergebnisse

Die Dynamik einer Observablen wird durch die Kringel Observable

d

dtE(F ) := Tr(

Fρ)

beschrieben. Als Liouville-Raum wird der Raum aller Observablen bezeichnet.

Die Frage ist, wie fuhrt man Dissipation in die reversiblen Zustandsgleichungen(Hamilton-Gleichung) ein?

Die Antwort auf diese Frage ist durch Reduktion oder Projektion. Nun muss mangenau definieren, was man mit Reduktion meint.

Fur ein offenes diskretes System meint Reduktion, das man uber die Variablender Umgebung zu integrieren hat. Dies wird auch oft mit ausspuren des Bades be-zeichnet. Man reduziert also die Dimension des Phasenraums.

Betrachtet man ein isoliertes System ist es aber erstmal nicht klar, was man mitReduktion meint.

Im zweiten Kapitel wurde untersucht, ob man unter Reduktion verstehen kann,dass man eine Abbildung aus dem Liuoville-Raum in einen endlich dimensionalenUnterraum des Liouville-Raumes verstehen kann. Dieser endliche Unterraum wirdals Beobachtungsebene bezeichnet und die Elemente der Beobachtungsebene werdenals makroskopische Observablen bezeichnet. Die Dynamik fur die relevante Wahr-scheinlichkeitsdichte ist dann durch die Robertson-Dynamik gegeben.

Es bleiben an dieser Stelle aber drei Fragen offen.

• Was zeichnet die makroskopischen Variablen aus?

• Ist die Dynamik des Zustandes hinreichend fur Observable, die nicht in derBeobachtungsebene liegen [75]?

• Ist die Entropieproduktion (3.4.30) nur in der kurz-Zeit Naherung nicht nega-tiv?

Eine mogliche Antwort auf die erste Frage ist, die makroskopischen Observablensind durch den Experimentator ausgezeichnet, der eine makroskopische Praparati-on des Zustandes vornimmt. Die Antwort auf die zweite Frage fuhrt einen in einDilemma. Diese Dilemma besteht darin, dass man zeigen kann, dass die Robertson-Dynamik, insbesondere wenn man zeitabhangige Arbeitsvariablen [75] zulasst, furElemente, die nicht in der Beobachtungsebene enthalten sind, wie z.b. die Zeita-bleitung (Kringel-Operator) der Erwartungswerte der makroskopischen Observablenfalsche Werte liefert. Deshalb ist diese Art der Beschreibung wohl nicht die richtige,oder aber falls doch, so ist die ursprungliche reversible Beschreibung falsch. Dieswollen wir aber nicht annehmen. In den Arbeiten [76] und [75] werden alternativeDynamiken vorgeschlagen, die aber zumeist implizite Dynamiken sind.

Im dritten Kapitel wird ein heuristisches Modell vorgestellt, wie man dieses Di-lemma umgehen kann. Es wurde ein Vektor-Potenzial eingefuhrt, dass die Wechsel-wirkung der Molekule untereinander beschreibt. Es wurde weiterhin angenommen,dass der Gradient des Vektorpotenzials ein weißes Rauschen ist. Eine Observable η

115

heißt weißes Rauschen, falls ihr Erwartungswert fur alle Zeiten Null ist, und ihreZweipunktskorrelationsfunktion

E[η(Gt)η(Gs)] := Tr[η(Gt)η(Gs)ρ2(Gt, t; Gt, s)] = kδ(t− s).

Weiterhin konnen alle hoheren n-Punktkorrelationen durch die Ein-Punktkorrelationund die Zwei-Punktkorrelation ausgedruckt werden. Das Resultat dieser Untersu-chung fuhrt uns auf ein erweiterte Liouville-Gleichung fur die Wahrscheinlichkeits-dichte (4.1.65). Damit konnen wir aber auch die Kringel-Observable einer beliebigenObservablen angeben. Aus (4.1.71) folgt, dass

f = f, H −

(∂

∂piα

f(G)

)D

(2)iαjβ

∂pjβ

ln(ρ(G, t)

)+ ∂tf.

Dies ist aber die im Rahmen von Generic geforderte Struktur, die hier fur alle Ob-servablen gultig ist . Dies fuhrte zu der Vermutung, dass sich diese Struktur auch aufdem makroskopischen Level erhalten bleibt. Als Ausblick mochte ich hier anfuhren,dass man diesen Beweis aber auch allgemein fuhren kann, wenn man eine allgemeineBeobachtungsebene und einen begleitenden Prozess einfuhrt. Diese Begriffe sind imRahmen der Quantenthermodynamik wohldefiniert.

Das bedeutet aber, falls man dieses Modell zugrunde liegt, dass die Struktur, dieim Rahmen von Generic gefordert sind, eine kanonische Folgerung sind.

Was konnen wir aus diesem Beispiel lernen? Sind wir nun in der Lage den Begriffder Reduktion zu definieren? Als Abschluss der Arbeit mochte ich einen Vorschlagskizzieren, wie man Reduktion des Zustandes definieren konnte.

Sei Γ der Phasenraum (Hilbertraum). Sei R ∈ Γ ein Vektor des Phasenraums. SeiH die Observable der Energie. Die Dynamik des Vektors R wird im klassischen Falldurch das Hamilton’sche Vektorfeld und im quantenmechanischen durch die Schro-dingergleichung gegeben. Der Zustand des Systems wird durch eine Wahrscheinlich-keitsdichte ρ(G, t) beschrieben.

Eine Observable F ist im klassischen Fall eine Abbildung des Phasenraum auf diereellen Zahlen. Der Raum aller Observablen Lobs wird als Liouville-Raum bezeichnet.Als Meßwert einer Observable bezeichnen wir den Erwartungswert der Observable.Die Dynamik der Wahrscheinlichkeitsdichte wird durch die Liouville-Gleichung ge-geben. Als ein inneres Produkt fuhren wir

(F,G) := E(

1

2(FG + GF )

)= Tr

[(1

2(FG + GF )

]

ein. Dieses innere Produkt macht aus dem Liouville-Raum einen Prehilbert-Raum.Deshalb konnen wir eine orhonormal Basis hν(G) mit

(hν(G), hλ(G)) = δνλ,

∞∑ν=1

hν(G)hν(G′) = δ(G−G′).

einfuhren. Eine beliebige Observable F hat in dieser Basis die Darstellung:

F =∞∑

ν=1

aνhν(G), aν = (F, hν(π)).

116 Kapitel 5 Zusammenfassung der Ergebnisse

SeiZ := Spanhν : ν ∈M, 1 ∈ Z

ein Unterraum von Lobs. Diesen Unterraum nennen wir reduzierten Unterraum, fallser die charakteristische Funktion der Energiehyperflache enthalt. Sei P eine Abbil-dung

P : Lobs → Z, (Pf)(G) :=∑

ν∈M(f, hν)hν(G).

mitP :=

∑ν∈M

hν(G)hν(G′)

Man kann nun zeigen, dass die Abbildung P ein orthogonaler Projektor ist. Diesbedeutet, dass P die folgenden Eigenschaften hat

• P 2 = P

• (Pf, g) = (f, Pg), mit f, g ∈ Lobs

Weiterhin bezeichnen wir den orthogonalen Projektor zu P mit Q := I−P . Denzu Z orthogonalen Raum bezeichnen wir mit

Z⊥ = g ∈ Lobs : Qg = g.Sei nun G ∈ Z⊥ und F ∈ Z, dann folgt sofort aus der Eigenschaft, P ein orthogonalerProjektor ist, dass

(PF, QG) = (F, PQG) = 0

gilt, wegen PQ = 0. Deshalb folgt, dass alle Elemente G ∈ Z⊥ die Eigenschafthaben, dass ihr Erwartungswerte identisch Null ist. Dies erhalt man durch

(1, G) = E[G] = 0,

da nach Voraussetzung 1 ∈ Z gilt.Sei f ∈ Lobs mit f = Pf + Qf . Der Erwartungswert von f ist nun durch

E[f ] = E[Pf + Qf ] = E[Pf ]

gegeben. Deshalb konnen wir nun eine reduzierte Wahrscheinlichkeitsdichte ρ durch

Tr[(Pf)ρ] =: Tr[f(P ρ)] =: Tr[f(ρ)]

definieren. Diese reduzierte Wahrscheinlichkeitsdichte ρ hat die Eigenschaft, dass siedie Erwartungswerte aller Observablen des Liouville-Raums korrekt beschreibt. Diesbedeutet aber weiterhin, dass wir jetzt einen Split der Wahrscheinlichkeitsdichte ineinen relevanten und einen irrelevanten Anteil haben. Damit konnen wir im Allge-meinen eine Dynamik fur die reduzierte Wahrscheinlichkeit ableiten, wie aus Satz(3.1) direkt folgt. Dies erkennt man an dem Beweis, da fur den gefuhrten Beweisnur der Split der Wahrscheinlichkeitsdichte in relevante und einen irrelvanten Anteilρ = ρ + ρirr notig ist. Der induzierte Projektor

P (t) =∑

ν∈Mhν(G)hν(G

′)ρ(G, t)

117

sieht formal gleich aus und ist explizit zeitabhangig. Die Dynamik ist dann durch dieFick-Sauermann Dynamik [76], oder durch die Schirrmeister Dynamik [75] gegeben.

Allerdings wird der dissipative Anteil der Dynamik im Allgemeinen erscheinen,falls die Hamiltonfunktion nicht vollstandig im Unterraum Z

PH 6= H

enthalten ist. Das bedeutet, setzen wir die Hamiltonfunktion aus Definition (4.7)voraus, erhalten wir

QH =N∑

j,i=1

piΘijAintj

PH =1

2

N∑j,i=1

∈ Z⊥(pi − Aexti )Θij(pj − Aext

i ) +1

2

N∑j,i=1

(Ainti )Θij(A

intj ) + V,

wobei Aintj das im Kapitel 4.1 eingefuhrt Vektorpotenzial ist. Allerdings muss man

dieses Programm noch genauer untersuchen.

118 Kapitel 5 Zusammenfassung der Ergebnisse

Kapitel 6

Danksagung

Ich mochte an dieser Stelle allen Danken, die fur das Entstehen dieser Arbeit beige-tragen haben.Als erstes will ich meinen Eltern und meiner Schwester danken fur ihre moralischeUnterstutzung und ihre Geduld, die sie mit mir hatten.Meinen Freunden Dagmar, Nadja, Steffi, Christo, Frank, Thoralf und vielen anderenwill ich danken fur die nette Zeit und die Ablenkung, die sie mir vor Allem inschlechten Zeiten gaben.Meiner Arbeitsgruppe und insbesondere Prof. Muschik danke ich fur die angenehmeLehrzeit und den Diskussionen, die wir fuhrten.

Prof. Muschik mochte ich danken fur die wissenschaftliche Freiheit , die er unsallen gewahrt hat und seinem Lehrsatz:

Physikalische Begriffsbildungen sind unabhangig vom Level der Beschreibung.

Frank danke ich besonders fur die Entwicklung des Programms, mit denen ich meineRechnungen nummerisch bestatigen konnte und eine explizite graphische Darstel-lung der zeitlichen Entwicklung der Observablen mir anschauen durfte und seinenKorrekturen und Anregungen.Meinem Freund und Zimmergenossen Xto danke ich besonders fur die vielen, vie-len wissenschaftlichen Diskussionen und den Nachhilfestunden in Mathematik undseinen unerschutterlichen Glauben an die Prinzipien der Physik ;-).Dagmar, Frank, Christo und Thoralf danke ich fur die sprachlichen Korrekturen desWerkes und den wissenschaftlichen Diskussionen.

Vielen Dank

119

120 Kapitel 6 Danksagung

Anhang A

Stochastische Prozesse

Vor der physikalischen Analyse erfolgt eine kurze Darlegung der rein mathematischenAspekte der Theorie der stochastischen Prozesse.

A.1 Definition: Stochastischer Prozesses

Eine zufallige Funktion der Zeit Γ(t) wird unter den folgenden Bedingungen alsstochastischer Prozess bezeichnet:

Definition A.1. (Γ(t), t ∈ I ∈ R) heißt stochastischer Prozess, wenn es zu jederZeit t1 eine Wahrscheinlichkeitsdichte W (Γ(t1)) gibt. Γ(k)(t) wird Realisierung desstochastischen Prozesses genannt.

Definition A.2. Der Erwartungswert der beliebigen Funktionen Fi(Γ) (i=1,...,K)zu einer festen, aber beliebigen Zeit t1 des stochastischen Prozesses wird definiertdurch:

〈Fi〉(t1) := limN→∞

1

N

N∑

k=1

Fi(Γ(k)(t1)). (A.1.1)

Definition A.3. Die Wahrscheinlichkeitsdichte zur festen Zeit t1, die zum stocha-stischen Prozess gehort, ist gegeben durch

WΓ,1(G1, t) := 〈δ(G1 − Γ(t1))〉 (A.1.2)

mit der Normierung∫

WΓ,1(G1, t)dG1 = 1 (A.1.3)

Die Wahrscheinlichkeit, die Zufallsvariable oder den stochastischen Prozess ineinem Intervall I1 := [G1, G1 + dG1] mit Γ(t1) ∈ I1 zu finden, ist gegeben durchWΓ,1(G1, t)dG1. Damit konnen wir den Ensemble-Mittelwert (A.1.1) ausdruckendurch

〈Fi〉(t1) :=

∫Fi(G1)WΓ,1(G1, t)dG1. (A.1.4)

121

122 Kapitel A Stochastische Prozesse

Definition A.4. Momente der WahrscheinlichkeitsverteilungSei Γ(t) ein Zufallsvektor der Dimension K, dann ist das n-te Moment der Wahr-scheinlichkeitsverteilung zu einer festen Zeit t1 (A.1.2)

M (n)n1,...nK

(t1) :=

∫ K∏r=1

Gnrr,1WΓ1,...ΓK ,1(G1, t1)d

KG1. (A.1.5)

mit

K∑r=1

nr = n (A.1.6)

Definition A.5. Varianz und KovarianzDie Varianz σij des Zufallsvektors Fi(Γ1) ist definiert durch

σij(t1) := M(2)0,...,ni=1,0,..nj=1,0...,0 −M

(1)0,...,ni=1,0,...,nj=0,0...,0M

(1)0,..,ni=0,0,...,nj=1,0,...,0

(A.1.7)

wobei die Diagonalelemente σii die Varianz und die Off Diagonalelemente von σij (i 6= j) die Kovarianz heißen.

Als nachstes definieren wir die Wahrscheinlichkeit, wie die Zufallsvariablen inden Intervallen Γ(t1) ∈ I1, Γ(t2) ∈ I2,...,Γ(tn) ∈ In mit Ii := [Gi, Gi + dGi] zu findensind. Diese Wahrscheinlichkeit kann durch

WΓ,n(Gn, tn; ....G1, t1)dG1...dGn (A.1.8)

angegeben werden.

Definition A.6. Die n-zeitige Wahrscheinlichkeitsdichte ist dann gegeben durch

WΓ,n(Gn, tn; ....G1, t1) :=

⟨n∏

i=1

δ(Gi − Γ(ti))

⟩(A.1.9)

Falls wir nun die unendliche Folge der Wahrscheinlichkeitsdichten

W1(G1, t1)WΓ,2(G2, t2; G1, t1)WΓ,3(G3, t3; G2, t2; .G1, t1)...

(A.1.10)

fur jede Zeit ti in einem Intervall t0 ≤ ti ≤ t0 + T kennen, haben wir damit diekomplette Zeitabhangigkeit des stochastischen Prozesses erfasst, der durch die Zu-fallsvariable Γ(t) beschrieben wird. Durch die n-zeitige Wahrscheinlichkeitsdichtekonnen wir nun jeden beliebigen Erwartungswert ausrechnen. Die Kreuzkorrelati-onsfunktion ist dann z.B.: gegeben durch

〈Γ(t1)Γ(t2)〉 :=

∫G1G2WΓ,1(G2, t2; G1, t1) dG1dG2. (A.1.11)

Als nachstes definieren wir die bedingte Ubergangswahrscheinlichkeitsdichte fur sto-chastische Prozesse.

A.2 Klassifizierung von Stochastischen Prozessen 123

Definition A.7. Die bedingte Ubergangswahrscheinlichkeitsdichte ist Wahrschein-lichkeitsdichte der Zufallsvariable Γ(tn) zur Zeit tn unter den Bedingungen, dass dieZufallsvariable zu einer Zeit tn−1 mit tn−1 < tn den scharfen (festen) Wert Gn−1

hat; dass die Zufallsvariable zu einer Zeit tn−2 mit tn−2 < tn−1 den scharfen (festen)Wert Gn−2 hat;... und die Zufallsvariable zu einer Zeit t1 mit t1 < t2 den scharfen(festen) Wert G1 hat.

P (Gn, tn|Gn−1, tn−1; ...; G1, t1) := 〈δ(Gn − Γ(tn))〉|Γ(tn−1)=Gn−1,...,Γ(t1)=G1

tn > tn−1 > ... > t1 (A.1.12)

Die bedingte Ubergangswahrscheinlichkeitsdichte konnen wir durch die n-zeitigeWahrscheinlichkeitsdichte uber die Relation

P (Gn, tn|Gn−1, tn−1; ...; G1, t1) =WΓ,n(Gn, tn; ....G1, t1)

WΓ,n−1(Gn−1, tn−1; ....G1, t1)(A.1.13)

=WΓ,n(Gn, tn; ....G1, t1)∫

WΓ,n(Gn, tn; ....G1, t1)dGn

(A.1.14)

ausdrucken.

A.2 Klassifizierung von Stochastischen Prozessen

Definition A.8. Ein stochastischer Prozess heißt stationar, wenn sich die Wahr-scheinlichkeitsdichte (A.1.10) sich nicht andert und man ti durch ti + t (t beliebig)ersetzt.

Daraus folgt, dass W1 nicht von der Zeit abhangt und das W2 nur von der Diffe-renz t1− t2 abhangt. Insbesondere hangt dadurch die Korrelationsfunktion (A.1.11)nur noch von der Differenz t1 − t2 ab.

Definition A.9. Falls die bedingte Wahrscheinlichkeitsdichte gar nicht von einemfruheren Wert Γ(ti−1) = G(ti−1) abhangt, so heißt der zugrunde liegende Prozess:Reiner Zufallsprozess.

P (Gn, tn|Gn−1, tn−1; ...; G1, t1) = P (Gn, tn) (A.2.1)

Daraus folgt, dass die n-zeitige Wahrscheinlichkeitsdichte

WΓ,n(Gn, tn; ....G1, t1) =n∏

i=1

P (Gi, ti) (A.2.2)

faktorisiert. Die komplette Information uber den stochastischen Prozess enthalt dem-nach die einzeitige Wahrscheinlichkeitsdichte.

Der nachst einfache stochastische Prozess wird dann komplett beschrieben durchdie zweizeitige Wahrscheinlichkeitsdichte und wird Markov-Prozess genannt.

Definition A.10. Falls die bedingte Wahrscheinlichkeitsdichte nur vom Wert Γ(tn−1) =G(tn−1) abhangt, so heißt der zugrunde liegende Prozess: Markov Prozess.

P (Gn, tn|Gn−1, tn−1; ...; G1, t1) = P (Gn, tn|Gn−1, tn−1) (A.2.3)

124 Kapitel A Stochastische Prozesse

Daraus folgt, dass die n-zeitige Wahrscheinlichkeitsdichte, ausgedruckt werdenkann durch

WΓ,n(Gn, tn; ....G1, t1) = P (Gn, tn|Gn−1, tn−1)P (Gn−1, tn−1|Gn−2, tn−2)

×...P (G2, t2|G1, t1)W1(G1, t1) (A.2.4)

Deshalb gilt fur einen Markov-Prozess, dass die unendliche Hierarchie (A.1.10) nachdem zweiten Glied abbricht, das bedeutet die komplette Information uber den Sto-chastischen Prozess, ausgedruckt werden kann durch die zweizeitige Wahrscheinlich-keitsdichte. Wir konnen nun die beiden Gleichungen (A.2.2) und (A.2.4) folgender-maßen interpretieren: Fur einen reinen Stochastischen Prozess (A.2.2) existiert keinGedachtnis an einen fruheren Wert der Zufallsvariable. (Ein Beispiel fur einen sol-chen reinen Stochastischen Prozess ist, n Mal hintereinander zu wurfeln.) Bei einemMarkov-Prozess (A.2.4) existiert zumindest ein Gedachtnis an einen fruheren Wertder Zufallsvariable zu einem beliebigen Zeitpunkt. Die Zeitdifferenz t1 − t2, die inder bedingten Wahrscheinlichkeitsdichte P (G2, t2|G1, t1) bei einem Markov Prozessauftritt, ist aber willkurlich. Falls aber die Zeitdifferenz sehr groß ist, so wird dieAbhangigkeit der bedingten Wahrscheinlichkeitsdichte von G1 sehr klein sein. (DasGedachtnis geht also im Laufe der Zeit verloren.) Auf der anderen Seite: falls dieZeitabhangigkeit infinitesimal ist, so gilt

limt1→t2

P (G2, t2|G1, t1) = δ(G1 −G2) (A.2.5)

Eine weitere Klassifizierung der Nicht Markov’schen Prozesse bringt nichts Neues. Esgibt zwei Alternative Methoden solche Nicht Markov’schen Prozesse zu behandeln.Die erste Moglichkeit ist weitere Zufallsvariablen einzufuhren, damit der stochasti-sche Prozess markovsch wird. Die zweite Moglichkeit ist, dass man in der Fokker-Planck Gleichung, die einen Markov’schen Prozess beschreibt, einen Gedachtnistermeinbaut, so dass sie auch fur Nicht Markov’sche Prozesse gultig ist. Darauf wird imweiteren Verlauf der Arbeit nicht eingegangen, da im folgenden nur Markov’scheProzesse behandelt.

A.3 Markov Prozess

A.3.1 Fokker-Planck Gleichung

Satz A.1. Fur einen Markov-Prozess gilt die Chapman-Kolmogorov Gleichung

P (G1, t1|G3, t3) =

∫P (G1, t1|G2, t2)P (G2, t2|G3, t3)d

NG2

(A.3.1)

Definition A.11. Die bedingte Ubergangswahrscheinlichkeit fur einen Markov-Prozesslautet:

P (G, t|G, t′) :=

⟨N∏

i=1

δ(Gi − Γi(t))

⟩∣∣∣∣∣Γk(t′)=Gk

, k = 1, ..., N. (A.3.2)

A.3 Markov Prozess 125

Satz A.2. Fur Markov-Prozesse gilt die Chapmann-Kolmogorov Gleichung

WΓ(G, t + τ) =

∫P (G, t + τ |G′, t)WΓ(G′, t)dNG′. (A.3.3)

Definition A.12. Die Momente der bedingten Ubergangswahrscheinlichkeit sind ge-geben durch

M(n)i1,....in

((G′, t, τ) :=

∫ n∏

k=1

(Gik −G′ik

)P (G, t + τ |G′, t)dNG (A.3.4)

Definition A.13. Die Kramer-Moyal Entwicklungskoeffizienten sind definiert als

D(n)i1,....in

(G, t) :=1

n!limτ→0

1

τ

⟨n∏

k=1

(Γik(t + τ)−Gik(t)

⟩∣∣∣∣∣Γir (t)=Gir

r = 1, ...N

(A.3.5)

Definition A.14. Die Kramer-Moyal Entwicklungskoeffizienten

D(n)i1,....in

(G′, t) =1

n!limτ→0

1

τM

(n)i1,....in

(G′, t, τ) (A.3.6)

Satz A.3. Die partielle Differentialgleichung fur die Wahrscheinlichkeitsdichte, dieeinen Markov-Prozess beschreibt, lautet

∂tWΓ(G, t) =

∞∑n=1

(−1)n∇nGD(n)(G, t)WΓ(G, t) (A.3.7)

Satz A.4. Satz von PawulaFur eine positiv bedingte Ubergangswahrscheinlichkeitsdichte (A.3.2) bricht die Ent-wicklung (A.3.7) entweder fur n = 2 ab, oder aber sie bricht niemals ab.

Definition A.15. Die Gleichung, fur die die Entwicklung (A.3.7) nach dem zweitenGlied abbricht

∂WΓ(G, t)

∂t=

(− ∂

∂Gi

Di(G, t) +∂2

∂Gi∂Gj

Dij(G, t)

)WΓ(G, t)

(A.3.8)

heißt Fokker-Planck Gleichung.

Satz A.5. H-TheoremSei

H(t) :=

∫WΓ(G, t) ln(WΓ(G, t))dNG (A.3.9)

und D(2)ij positiv definit, dann gilt

d

dtH(t) = −

∫D

(2)ij

∂ ln(WΓ(G, t))

∂Gj

∂ ln(WΓ(G, t))

∂Gi

dN ≤ 0 (A.3.10)

126 Kapitel A Stochastische Prozesse

Satz A.6. Sei

H(t) :=1

~3N(3N)!

∫ W1(G, a) ln

(W1(G, t)

W2(G, t)

)d3NG (A.3.11)

wobei W1 W2 zwei beliebige, normierte Losungen der Fokker-Planck Gleichung (B.3.9)sind, dann ist die so definierte Funktion positiv

H(t) ≥ 0 (A.3.12)

und es gilt

d

dtH(t) = −

∫Dij(G)

∂ ln R(G, t)

∂Gj

ln R(G, t)

∂Gi

dNG ≤ 0 (A.3.13)

mit der Abkurzung

R(G, t) :=W1(G, t)

W2(G, t)(A.3.14)

Beweis [15] (Seite 135)

Lemma A.1. Falls Dij positiv definit und zeitunabhangig ist und der Driftkoeffizi-ent keine Singularitat hat und ebenfalls zeitunabhangig ist, existiert eine eindeutigestationare Losung.

Beweis [15] (Seite 136) Falls Dij positiv definit ist, muss ddt

H(t) immer kleiner

werden, so lange R(G,t)∂Gj

6= 0. Da H(t) nach unten beschrankt ist, kann H(t) nicht

immer kleiner werden, daher muss irgendwann die Funktion R von G unabhangigwerden. Daraus folgt, dass R = 1 gleich eins ist, da die Losungen als normalisiertvorausgesetzt wurden. H(t) erreicht dann seinen minimalen Wert H(t) = 0. Dasselbegilt naturlich auch fur weiter Losungen Wk der Fokker-Planck Gleichung. Deshalbsind nach einer gewissen Zeit alle Losungen der Fokker-Planck Gleichung identisch.Falls der Drift- und Diffusionskoeffizient zeitunabhangig ist, so existiert eine statio-nare Losung, die eindeutig ist. qed

A.3.2 Stochastische Differentialgleichungen

Ein anderer Zugang zur Theorie der stochastischen Prozesse ist der Weg uber die sto-chastischen Differentialgleichungen, den wir an dieser Stelle kurz behandeln werden,da im nachsten Kapitel eine stochastische Differentialgleichung untersucht wird, dieeinen Wiener-Prozess auf der Oberflache einer N-Dimensionalen Kugel beschreibt.

Definition A.16. Sei Γ(t) ein zeitabhangiger Zufallsvektor der Dimension K.Seien hi(Γ, t) und gij(Γ, t) stetige Funktionen des Zufallsvektor Γ.Sei der Vektor η(t) (Dimension K) ein stationarer, Markov’scher, stochastischerProzess, der unabhangig von Γ(t) ist.

〈ηi(t)〉 = 0 〈ηi(t)ηj(s)〉 = 2δijδ(t− s). (A.3.15)

A.3 Markov Prozess 127

Dann heißt die folgende Gleichung

Γi = hi(Γ, t) + gij(Γ, t)ηj(t) (A.3.16)

Langevin-Gleichung. Falls die Funktion gij(Γ, t) nicht vom Zufallsvektor Γ abhangt,nennt man den Term gijηj(t) ein additives Rauschen, ansonsten multiplikatives Rau-schen.

Lemma A.2. Der stochastische Prozess (A.3.16)ist ein Markov-Prozess.

Beweis: Eine Differentialgleichung erster Ordnung hat bei gegebenen Anfangs-werten eine eindeutige Losung und der stationare stochastische Prozess ηi(t) zu einerfruheren Zeit t ≤ t1 nicht die bedingte Ubergangswahrscheinlichkeit zu einer spate-ren Zeit t ≥ t1 andern kann. Falls η(t) nicht δ(t − s) korreliert ist, so ist auch Γ(t)kein Markov-Prozess.

Definition A.17. Stratonovich Interpretation Das Integral uber die Korrelations-funktion des stationaren, stochastischen Prozess η(t), ist gegeben durch

∫ t1

t

gki(Γ(t), t2)〈ηi(t1)ηj(t2)〉dt2 = agki(Γ(t), t1) (A.3.17)

wobei der Koeffizient a gleich eins gesetzt wird.

In der Literatur wird auch die Ito-Interpretation behandelt, dabei wird der Koef-fizient a identisch Null gesetzt (a = 0). Im folgenden wollen wir aber die StratonovichInterpretation benutzen.

Satz A.7. Die Kramer-Moyal Entwicklungskoeffizienten (A.3.6) fur den stochasti-schen Prozess (A.3.16) und der Stratonovich Interpretation sind nun gegeben durch:

• Driftvektor n = 1

D(1)i (G, t) := hi(G, t) + agkj(G)

∂gkj(G)

∂Gk

a = 1 (A.3.18)

• Diffusionsmatrix n = 2

D(2)ij = gik(G)gjk(G) (A.3.19)

• Alle Tensoren der Stufe n > 2 sind identisch Null

Lemma A.3. Aus diesem Satz folgt nun, dass die partielle Differentialgleichung furdie Wahrscheinlichkeitsdichte eine Fokker-Planck Gleichung ist, wobei die Kramer-Moyal Entwicklungskoeffizienten gegeben sind durch (A.3.18) und (A.3.19)

∂WΓ(G, t)

∂t=

(− ∂

∂Gi

D1i (G, t) +

∂2

∂Gi∂Gj

D(2)ij (G, t)

)WΓ(G, t).

(A.3.20)

mit der Anfangsbedingung

W (G, t0) = δ(G− G0) (A.3.21)

128 Kapitel A Stochastische Prozesse

Wiener-Prozess

In der Literatur werden insbesondere Langevin-Gleichungen mit additivem Rauschenbehandelt. Ein Wiener-Prozess wird beschrieben durch

Γi =√

Dηi(t) (A.3.22)

Die dazugehorige Fokker-Planck Gleichung fur die bedingte Ubergangswahrschein-lichkeit ist nun

∂PΓ(G, t|G′, t′)∂t

= Di∂2

∂G2i

PΓ(G, t|G′, t′).

(A.3.23)

mit der Anfangsbedingung

PΓ(G, t′|G′, t′) = δ(G−G′) (A.3.24)

Die Losung ist

PΓ(G, t|G′, t′) =K∏

i=1

1√4πDi(t− t′)

exp

(−(Gi −G′

i)2

4Di(t− t′)

)(A.3.25)

Ornstein-Uhlenbeck Prozess

Der Ornstein-Uhlenbeck Prozess wird durch

Γi = MijΓj +√

Diηi(t) (A.3.26)

Die Fokker-Planck Gleichung lautet

∂P

∂t= Mij

∂Gi

(GjP ) +√

DiDj∂

∂Gi∂Gj

P (A.3.27)

mit der Losung

PΓ(G, t|G′, t′) =1

(2π)k/2

√Detσ(t− t′)

× exp

−1

2σ−1(t− t′)ij[Gi −Win(t− t′)G′

n]

× [Gj −Wjm(t− t′)G′m]

(A.3.28)

Die Matrix Wjm(t − t′) ist die Green-Funktion der homogenen Langevin-Gleichung( A.3.26). Die stationare Losung ist gegeben durch:

Γ(G, t|G′, t′) =1

(2π)k/2

√Detσ(t− t′)

× exp−σ−1(∞)ijGiGj

(A.3.29)

A.3 Markov Prozess 129

mit

Milσlj(∞) + Mjlσli(∞) = 2DiDj (A.3.30)

Die Erwartungswerte genugen der folgenden Differentialgleichung:

d

dt〈Gi〉 = Mij〈Gj〉. (A.3.31)

Mit Hilfe des Ornstein-Uhlenbeck Prozess werden die Casimir-Onsager’schen Rezi-prozitatsbeziehungen hergeleitet [?]. Die Gleichungen werden dann so interpretiert,dass sie fur ein ideales Gas (ohne Wechselwirkung) und fur beliebige aber geeignetePhasenraumfunktionen gultig sind.

Klein-Kramer Prozess

Der Klein-Kramer Prozess beschreibt die sechs Dimensionale Bewegung in einemgegebenen Potential.

xi =1

mpi (A.3.32)

pi =∂V (x)

∂xi

+ Miipi +√

Dηi(t) (A.3.33)

mit der kanonischen stationaren Losung

P (x, p|x′, p′) = Nstat exp

12m

3∑i=1

(pi)2 + V (x)

kBT

(A.3.34)

130 Kapitel A Stochastische Prozesse

Anhang B

Langevin Gleichung

Im Gegensatz zu den in der Literatur beschriebenen untersuchen wir hier den folgen-den Typ von stochastischen Differentialgleichungen ,der sich durch eine stochastischeMatrix unterscheidet.

Γi = hi(Γ, t) + gj(Γ, t)ηij(t) (B.0.1)

〈ηij(t)〉 = 0 (B.0.2)

〈ηij(t)ηlk(t′)〉 = 2(δilδjk − δikδjl)δ(t− t′). (B.0.3)

Auch hier gilt die Stratonovich Interpretation des Rauschens. Bevor wir den Allge-meinen Typ untersuchen, wenden wir uns hier zunachst einem Spezialfall zu.

B.1 Wiener Prozess auf einem Kreis

Hier noch ein Beispiel fur eine Langevin-Gleichung und deren Losung. Der Tupel(x,y) sind jetzt die Zufallsvariablen und die folgende stochastische Differentialglei-chung beschreibt einen Wiener-Prozess auf einem Kreis

x = yη(t)

y = −xη(t) (B.1.1)

mit einem weißen Rauschen

〈η(t)〉 = 0, 〈η(t)η(t′)〉 = 2Dδ(t− t′),

wobei wir die Stratonovich Interpretation der stochastischen Integration verwendenwerden. Dass der Prozess auf einem Kreis stattfindet, wird dadurch bewiesen, dassman die Große R2 = x2 + y2 nach der t differenziert.

d

dt(x2 + y2) = 2(xy − yx)η(t) = 0

Die Formale Losung der DGL (B.1.1 )in Kartesischen Koordinaten lautet

x(t) = c1 sin

(∫ t

0

η(s)ds

)+ c2 cos

(∫ t

0

η(s)ds

)(B.1.2)

131

132 Kapitel B Langevin Gleichung

y(t) = c2 sin

(∫ t

0

η(s)ds

)+ c1 cos

(∫ t

0

η(s)ds

). (B.1.3)

(B.1.4)

Nun gelten die Identitaten

sin(

∫ t

0

η(s)ds) :=∑

n

(−1)n

(2n + 1)!

∫ t

0

....

∫ t

0

η(t1)....η(t2n+1)dt1...dt2n+1 (B.1.5)

cos(x) :=∑

n

−1)n

(2n)!

∫ t

0

....

∫ t

0

η(t1)....η(t2n)dt1...dt2n (B.1.6)

Betrachten wir nun den Erwartungswert der formalen Losung (B.1.2), wobei wirfolgende Identitat benutzen werden (siehe [15])

∫ t

0

...

∫ t

0

〈η(t1)....η(t2n)〉dt1..dt2n =(2n)!

2nn!

[∫ t

0

∫ t

0

〈η(t1)η(t2)〉dt1dt2

]n

=(2n)!

2nn!(2t)n. (B.1.7)

Daher finden wir fur die Erwartungswerte, da die ungeraden Potenzen des sin Nullergeben, die folgenden Ausdrucke fur die Erwartungswerte:

〈x(t)〉 = c2

∑n

(−1)n (2Dt)2n

(n)!= c2e

−Dt

〈y(t)〉 = c1e−Dt. (B.1.8)

Nun haben wir etwas erstaunliches gefunden, die Erwartungswerte fallen exponentiellab, ohne dass wir explizit einen solchen Dampfungsfaktor eingebaut haben. DieDampfung wird also allein durch das stochastische Rauschen hervorgerufen. Nunmussen wir noch die Varianz der Erwartungswerte bestimmen. Dazu berechnen wirzunachst die Korrelationsfunktion fur t1 ≥ t2

〈x(t1)x(t2)〉 = c21

⟨sin

(∫ t1

0

η(s)ds

)sin

(∫ t2

0

η(s)ds

)⟩

+c1c2

⟨sin

(∫ t1

0

η(s)ds

)cos

(∫ t2

0

η(s)ds

)⟩

+c1c2

⟨cos

(∫ t1

0

η(s)ds

)sin

(∫ t2

0

η(s)ds

)⟩

+c22

⟨cos

(∫ t1

0

η(s)ds

)cos

(∫ t2

0

η(s)ds

)⟩

= c21

⟨sin

(∫ t1

0

η(s)ds

)sin

(∫ t2

0

η(s)ds

)⟩

+c22

⟨cos

(∫ t1

0

η(s)ds

)cos

(∫ t2

0

η(s)ds

)⟩

=1

2c21

(⟨cos

(∫ t1

0

η(s)ds−∫ t2

0

η(s′)ds′)

+ cos

(∫ t1

0

η(s)ds +

∫ t2

0

η(s′)ds′)⟩)

B.1 Wiener Prozess auf einem Kreis 133

+1

2c22

(⟨cos

(∫ t1

0

η(s)ds−∫ t2

0

η(s′)ds′)− cos

(∫ t1

0

η(s)ds +

∫ t2

0

η(s′)ds′)⟩)

=1

2(c2

1 + c22)e

−2D(t1−t2) − 1

2(c2

1 − c22)e

−2D(t1+t2). (B.1.9)

Oder, falls wir die Einschrankung t1 < t2 fallen lassen

〈x(t1)x(t2)〉 =1

2(c2

1 + c22)e

−2D(|t1−t2|) − 1

2(c2

1 − c22)e

−2D(t1+t2) (B.1.10)

und

〈y(t1)y(t2)〉 =1

2(c2

1 + c22)e

−2D(|t1−t2|) +1

2(c2

1 − c22)e

−2D(t1+t2) (B.1.11)

〈y(t1)x(t2)〉 = c1c2e−2D(t1+t2) (B.1.12)

Mit Hilfe der Ergebnisse (B.1.10) und (B.1.11) konnen wir nun die Varianz derErwartungswerte des Tupels (x, y) als

〈x(t)2〉 − 〈x(t)〉2 =1

2R2 +

1

2(x2

0 − y20)e

−4Dt − x20e−2Dt

〈y(t)2〉 − 〈y(t)〉2 =1

2R2 +

1

2(y2

0 − x20)e

−4Dt − y20e−2Dt (B.1.13)

angeben. Fur einen spateren Zweck, fuhren wir hier noch die Variablen (X, Y ) als

X = x

Y = y (B.1.14)

ein. Der Erwartungswert dieser neuen Großen ist dann

〈X(t)−X(0)〉 =

∫ t

0

〈x(s)〉ds = −x(0)

De−Dt (B.1.15)

mit der quadratische Abweichung

〈[X(t)−X(0)]2〉 :=

∫ t

0

∫ t

0

〈x(t1)x(t2)〉dt1dt2

= (c21 + c2

2)

[t

2D− 1

4D2

(1− e−2Dt

)]

+1

8D2(c2

1 − c22)

(1− e−2Dt

)2(B.1.16)

Fur grosse Zeiten dominiert der lineare Anteil:

〈X(t)2 −X(0)2〉 = (c21 + c2

2)t

2D(B.1.17)

Interessant ware es auch die hoheren Momente der Wahrscheinlichkeitsdichte zubestimmen. Dazu berechnen wir die Wahrscheinlichkeitsdichte mit Hilfe einer Varia-blentransformation. Wir fuhren als neue Variablen die Polarkoordinaten (R, φ) ein.Dann gelten die Relationen:

r2 := x2 + y2 (B.1.18)

134 Kapitel B Langevin Gleichung

x = r sin(φ) (B.1.19)

y = r cos(φ) (B.1.20)

Daraus folgen die neuen stochastischen Differentialgleichungen als

d

dtr = 0

d

dtφ = η,

mit den Anfangsbedingung: W (φ, t0) = δ(φ− φ0). Diese neuen Differentialgleichun-gen kennen wir bereits aus der Betrachtung des Wiener Prozess im vorherigen Ka-pitel. Deshalb konnen wir die Wahrscheinlichkeitsdichte sofort als

W (φ, t) :=1√

4πD(t− t0)exp

(− (φ− φ0)

2

4D(t− t0)

)

angeben. Mit Hilfe der Wahrscheinlichkeitsdichte bestimmen wir nun die Momenteder Wahrscheinlichkeitsverteilung in kartesischen Koordinaten.

〈xiyj〉 =: Mij = Ri+j

∞∫

−∞

cosi(φ) sinj(φ)W (φ, t)dφ (B.1.21)

〈x〉 = r cos(φ0)e−D(t−t0) (B.1.22)

〈y〉 = r sin(φ0)e−D(t−t0) (B.1.23)

〈x2〉 =r2

2

(1 + exp[−4D(t− t0)] cos(2x0)

)(B.1.24)

〈y2〉 =r2

2

(1− exp[−4D(t− t0)] cos(2x0)

)(B.1.25)

〈yx〉 =r2

2exp[−4D(t− t0)] sin(2x0) (B.1.26)

Wir sehen also die Ergebnisse stimmen mit (B.1.10) und (B.1.11) uberein. Berechnenwir nun noch die dritten Momente, so finden wir

〈x3〉 =R3

4

(3 cos(φ0)e

−D(t−t0) + cos(3φ0)e−9D(t−t0)

)

〈x2y〉 = R3 sin(φ0)e−D(t−t0) − R3

4

(3 sin(φ0)e

−D(t−t0) − sin(3φ0)e−9D(t−t0)

)

〈xy2〉 = R3 cos(φ0)e−D(t−t0) − R3

4

(3 cos(φ0)e

−D(t−t0) + cos(3φ0)e−9D(t−t0)

)

〈y3〉 =R3

4

(3 sin(φ0)e

−D(t−t0) − sin(3φ0)e−9D(t−t0)

)(B.1.27)

Damit haben wir das Problem, des Wiener Prozess auf einem Kreis behandelt.Wenden wir uns nun der Frage nach der Verallgemeinerung zu: Wie sieht ein Wie-ner Prozess auf einer N-Dimensionalen Kugel aus?. Diese stochastische Differential-gleichung lasst sich nun nicht mehr so einfach losen, deshalb schauen wir uns nundie dazugehorige Fokker-Planck Gleichung an. Dazu mussen wir jetzt zunachst dieKramer- Moyal Entwicklungskoeffizient bestimmen.

B.2 Kramer-Moyal Entwicklungskoeffizienten 135

B.2 Kramer-Moyal Entwicklungskoeffizienten

Der Drift- und Diffusionskoeffizient die in der dazugehorigen Fokker-Planck-Gleichungauftreten, sind folgendermaßen definiert (siehe Anhang):

Satz B.1. Die Drift- und Diffusionskoeffizienten der Langevin-Gleichung

Γi = hi(Γ, t) + gj(Γ, t)ηij(t) (B.2.1)

〈ηij(t)〉 = 0 (B.2.2)

〈ηij(t)ηlk(t′)〉 = 2(δilδjk − δikδjl)δ(t− t′) (B.2.3)

sind gegeben durch:

D(1)i = hi(G, t)

+a

[∂

∂Gi

gj(G(t), t)]

gj(G(t), t)−[

∂Gj

gj(G(t), t)]

gi(G(t), t)

.

(B.2.4)

D(2)ij =

[∑

k

gk(G(t), t)2δij − gj(G(t), t)gi(G(t), t)]

(B.2.5)

Alle Entwicklungskoeffizienten hoherer Stufe sind identisch Null

D(n)i1,....in

(G′, t) = 0 (B.2.6)

Beweis fur den Driftkoeffizienten

Der Driftkoeffizient ist definiert als:

Di(G := limτ→0

1

τ〈Γi(t + τ)−Gi〉|Γk(t)=Gk

k = 1, ...., N (B.2.7)

Berechnen wir zunachst den Driftkoeffizienten, dazu gehen wir von der folgendenStochastischen Differentialgleichung (in Integraler Form) aus:

Γi(t + τ)−Gi(t) =

∫ t+τ

t

[hi(Γ(t1), t1) + gj(Γ(t1), t)ηij(t1)]dt1 (B.2.8)

Nun gilt

hi(Γ(t1), t1) = hi(G, t1) +

[∂

∂Gk

hi(G(t1), t1)]

(Γk(t1)−Gk) + .... (B.2.9)

und

gj(Γ(t1), t1) = gj(G, t1) +

[∂

∂Gk

gj(G(t1), t1)]

(Γk(t1)−Gk) (B.2.10)

136 Kapitel B Langevin Gleichung

Setzen wir nun die Entwicklungen (B.2.9) und (B.2.10) in Gl. (B.2.8) ein, so erhaltenwir

Γi(t + τ)−Gi(t) =

∫ t+τ

t

hi(G, t1)dt1

+

∫ t+τ

t

[∂

∂Gk

hi(G(t1), t1)]

(Γk(t1)−Gk)

dt1

+

∫ t+τ

t

gj(G, t1)ηij(t1)dt1

+

∫ t+τ

t

[∂

∂Gk

gj(G(t1), t1)]

(Γk(t1)−Gk)ηij(t1)

dt1

(B.2.11)

Nun ist aber (Γk(t1)−Gk) gegeben durch

Γk(t1)−Gk(t) =

∫ t1

t

[hk(Γ(t2), t2) + gl(Γ(t2), t2)ηkl(t2)]dt2 (B.2.12)

Somit erhalten wir

Γi(t + τ)−Gi(t) =

∫ t+τ

t

hi(G, t1)dt1 +

∫ t+τ

t

gj(G, t1)ηij(t1)dt1

+

∫ t+τ

t

∫ t1

t

[∂

∂Gk

hi(G(t1), t1)]

[hk(Γ(t2), t2) + gl(Γ(t2), t2)ηkl(t2)]

dt2dt1

+

∫ t+τ

t

∫ t1

t

[∂

∂Gk

gj(G(t1), t1)]

[hk(Γ(t2), t2)ηij(t1) + gl(Γ(t2), t2)ηij(t1)ηkl(t2)]

dt2dt1

(B.2.13)

Diesen Iteration fuhren wir noch einmal durch, wobei wir aber nur die Glieder ersterOrdnung einsetzen. Danach bilden wir den Ensemble Mittelwert von der Gl. (B.2.13) Betrachten wir nun den Mittelwert von (B.2.13 ) , so finden wir

〈Γi(t + τ)−Gi(t)〉 =

∫ t+τ

t

hi(G, t1)dt1

+

∫ t+τ

t

∫ t1

t

[∂

∂Gk

gj(G(t1), t1)]

gl(G(t2), t2)〈ηij(t1)ηkl(t2)〉

dt2dt1

=

∫ t+τ

t

hi(G, t1)dt1 (B.2.14)

+

∫ t+τ

t

∫ t1

t

[∂

∂Gk

gj(G(t1), t1)]

gl(G(t2), t2)2(δikδjl − δilδkj)δ(t1 − t2)

dt2dt1

(B.2.15)

Betrachten wir nun

2

∫ t1

t

gl(Γ(t2), t2)δ(t1 − t2)dt2 =: agl(Γ(t1), t1), (B.2.16)

B.2 Kramer-Moyal Entwicklungskoeffizienten 137

wobei der Faktor a entweder die Werte Null oder Eins annehmen kann, je nachdem obman die Ito- oder Stratonovich Definition der stochastischen Integration verwendet.Damit erhalten wir fur den Driftkoeffizienten

D(1)i = hi(G, t)

+a

[∂

∂Gi

gj(G(t), t)]

gj(G(t), t)−[

∂Gj

gj(G(t), t)]

gi(G(t), t)

.

(B.2.17)

Setzen wir nun

gk(G(t), t) := DGk(t), (B.2.18)

so finden wir fur den Driftkoeffizienten

Di = hi(G, t) + a δijGj −NGi Di

= hi(G, t)− a(N − 1)GiD2 (B.2.19)

und somit abhangig von der Wahl von a. Im folgenden setzen wir

a = 1. (B.2.20)

Diffusionskoeffizient

Der Diffusionskoeffizient ist definiert als:

Dij(G :=1

2limτ→0

1

τ〈(Γi(t + τ)−Gi(t))(Γj(t + τ)−Gj)〉|Γk(t)=Gk

k = 1, ...., 6N (B.2.21)

Betrachten wir zunachst

(Γi(t + τ)−Gi(t))(Γj(t + τ)−Gj) =

∫ t+τ

t

∫ t+τ

t

×[hi(Γ(t1), t1) + gk(Γ(t1), t1)ηik(t1)]

×[hj(Γ(t2), t2) + gl(Γ(t2), t2)ηjl(t2)]dt1dt2 (B.2.22)

Bilden wir jetzt den Erwartungswert von Gl. (B.2.22), so finden wir

〈(Γi(t + τ)−Gi(t))(Γj(t + τ)−Gj)〉=

∫ t+τ

t

∫ t+τ

t

gk(Γ(t1), t1)gl(Γ(t2), t2)〈ηjl(t2)ηik(t1)〉dt2dt1

(B.2.23)

Fuhren wir nun die Integration aus, so erhalten wir

D(2)ij = Di

[∑

k

gk(G(t), t)2δij − gj(G(t), t)gi(G(t), t)]

, (B.2.24)

138 Kapitel B Langevin Gleichung

bzw. mit Gl. (B.2.18)

D(2)ij = D2

[∑

k

G2kδij −GjGi,

](B.2.25)

Alle Terme hoherer Entwicklungen verschwinden, wenn man den Limes τ → 0 be-trachtet, da sie mindestens in der Ordnung τ 2 auftauchen. Deshalb verschwindenauch alle Kramer-Moyal Entwicklungskoeffizienten der hoheren Stufe, womit die Be-hauptung bewiesen ist. q.e.dNun genugt die bedingte Ubergangswahrscheinlichkeit, der folgenden Fokker-PlanckGleichung

∂tP (G, t|G′, t′) = − ∂

∂Gk

D(1)k P (G, t|G′, t′) +

∂2

∂Gk∂Gl

D(2)kl P (G, t|G′, t′)

(B.2.26)

Man kann nun wahlweise die Langevin Gleichung oder die Fokker-Planck Gleichunglosen. Falls man aber nur an der Momenten der Wahrscheinlichkeitsverteilung inter-essiert ist, kann man alternativ eine Differentialgleichung fur die Momente ableiten.Dazu benutzen wir die Definition (A.3.4) der Momente und differenzieren nach t.

Satz B.2. Die Bewegungsgleichung fur die Momente der WahrscheinlichkeitsdichteW (G), t) lautet

d

dtM (n)

n1,...nk(t) = Di(G)∂f

(n)n1,...nk(G)

∂Gi

+ Dij(G)∂2f

(n)n1,...nk(G)∂Gi∂Gj

(B.2.27)

mit

f (n)n1,...nk

(G) :=k∏

i=1

Gnii ,

k∑i=1

ni = n (B.2.28)

Beweis Man benutze Satz 2, Kapitel 11, Forster 3 (siehe Anhang Satz A.11) .Und integriere zweimal partiell.

B.3 Wiener Prozess auf einer (N-1)-dimensionalen

Kugeloberflache

Die folgende Langevin-Gleichung wollen wir untersuchen

Γi = ΓjDηij(t) (B.3.1)

〈ηij(t)〉 = 0 (B.3.2)

〈ηij(t)ηlk(t′)〉 = 2(δilδjk − δikδjl)δ(t− t′) (B.3.3)

ηij(t) = −ηij(t), (B.3.4)

B.3 Wiener Prozess auf einer (N-1)-dimensionalen Kugeloberflache139

wobei ηij die stochastische, antisymmetrische Matrix ist. Dass diese stochastischeDifferentialgleichung (B.3.1) eine Bewegung auf einer N-Dimensionalen Kugel be-schreibt, sieht man durch die Einfuhrung des Radiuses

R2 :=∑

i

Γ2i (B.3.5)

und seiner Differentiation nach der Zeit

d

dtR2 = 2

∑i

ΓiΓi = 2∑i,j

ΓiηijΓj = 0 (B.3.6)

die Null ergibt. Diesen speziellen Fall, hatten wir in der Gleichung (B.2.18) betrachtetund konnen nun mit Hilfe der Kramer-Moyal Entwicklungskoeffizienten (B.2.19),(B.2.25) und hi(Γ) = 0

∂tW (G, t) = − ∂

∂Gi

Di(G)W (G, t) +∂2

∂Gi∂Gj

Dij(G)W (G, t)(B.3.7)

die Fokker-Planck Gleichung aufstellen. Betrachten wir die Entwicklungskoeffizien-ten genauer, so finden wir die folgende Beziehung zwischen Diffusions- und Driftko-effizienten

∂Gj

D2

[∑

k

G2kδij −GjGi

]= (N − 1)GiD

2 = −D(1)i . (B.3.8)

Deshalb konnen wir die Fokker-Planck Gleichung (B.3.7) auch als

∂tW (G, t) = +

∂Gi

D(2)ij (G) ∂

∂Gj

W (G, t)(B.3.9)

schreiben. Die Spur der Diffusionsmatrix (B.2.25) ist gegeben durch

SpD(2)ij = D2(N − 1)

k

G2k = D2(N − 1)R2. (B.3.10)

Weiterhin gilt, dass die Diffusionsmatrix (B.2.25) positiv semidefinit ist und dassder Vektor G im Kern

Dij(G)Gj = 0 (B.3.11)

der Diffusionsmatrix liegt. Mit Hilfe dieser Ergebnisse konnen wir nun die folgendeBehauptung beweisen.

Satz B.3. Die stationare Losung ist die Gleichverteilung auf der Kugeloberflache

Wstat(G) = W (R2(G)−R20) = Nstatδ

(∑

k

G2k −R2

0

). (B.3.12)

140 Kapitel B Langevin Gleichung

Beweis: Setzen wir die Wahrscheinlichkeitsdichte (B.3.12) in die Fokker-PlanckGleichung (B.3.9), so erhalten wir

0 =∂

∂Gi

Dij(G)2Gj∂W (R(G))

∂R(B.3.13)

Da nun aber B.3.11

Dij(p)Gj = 0 (B.3.14)

gilt, ist die Gleichung erfullt. Die Eindeutigkeit erhalten wir leider nicht aus demSatz (A.1), da die Diffusionsmatrix positiv semidefinit ist. qed.Um zu zeigen, dass die Losung eindeutig ist, schauen wir uns nun die Momenteder Wahrscheinlichkeitsverteilung an. Ausgehend vom Satz (B.2) erhalten wir dieBewegungsgleichung

d

dtGi(t) = −D(N − 1)Gi(t) (B.3.15)

fur das erste Moment Gi(t) mit der Losung

Gi(t) = Gi(0)eD(N−1)t. (B.3.16)

Fur die Bewegungsgleichung der zweiten Momente

M (2) :=

∫G⊗GW (G, t)dNG (B.3.17)

finden wir

d

dtMij(t) = −2DNMij(t) + 2DR2δij (B.3.18)

mit den Losungen

Mii(t) =1

NR2 −

[1

NR2 −Mii(0)

]e−2DNt (B.3.19)

bzw. fur i 6= j

GiGj(t) = Gi(0)Gj(0)e−2DNt (B.3.20)

Wir haben also fur N = 2 die Ergebnisse (B.1.22) wieder gefunden, die wir furden Wiener Prozess auf Kreis schon bestimmt hatten. Ein Mass fur die Korrelationzweier Zufallszahlen ist gegeben durch die Varianzmatrix

σij(t) = Mij −MiMj = Gi(0)Gj(0)[e−2DNt − e−2D(N−1)t

]. (B.3.21)

Wir sehen also, falls N →∞ sehr gross wird, werden die Zufallszahlen unabhangigund wir konnen den zentralen Grenzwertsatz anwenden. Deshalb konnen wir dann

B.4 Beschreibung des nummerischen Algorithmus zur Losung einerLangevin-Gleichung 141

die Wahrscheinlichkeitsdichte naherungsweise durch eine Gauß’sche Wahrscheinlich-keitsverteilung bestimmen. Bestimmen wir den Erwartungswert von G4

i , so erhaltenwir

d

dtG4

i = −4D(N − 1)G4i + 12R2G2

i − 12G4i

= −4D(N + 8)G4i + 12R2Mii (B.3.22)

Setzen wir nun die Losung ein, so erhalten wir

d

dtG4

i = −4D(N + 8)G4i +

12R4

N− 12R2

[1

NR2 −Mii(0)

]e−2DNt (B.3.23)

B.4 Beschreibung des nummerischen Algorithmus

zur Losung einer Langevin-Gleichung

Die Langevin-Gleichung kann auf dem Computer gelost werden. Die Methode, diedabei benutzt wird, heißt Molekular Dynamik. Die Idee, die dieser Simulation zuGrunde liegt, besteht darin, die Bewegungsgleichungen zu integrieren und ein si-muliertes stochastisches Rauschen dazu zu addieren. Danach wird der Mittelwertuber eine grosse Anzahl von Realisierungen gebildet. Dabei wird im Algorithmusdas stochastische Rauschen gleichzeitig mit der Integration der Bewegungsgleichungbehandelt.

Wir starten mit beliebigen Anfangswerten zur Zeit t = 0

Γ(0) = Γ0. (B.4.1)

Die Langevin-Gleichung wird nun uber das Zeitintervall I = [0, T ] integriert. Dazuunterteilen wir das Zeitintervall I in N gleich große, kleine Zeitschritte der Lange τ .

tn = τn, τ =T

N, n = 1, 2, ..., N (B.4.2)

Die Zufallsvariable zur Zeit tn+1 bezeichnen wir als Γi,n+1 = Γi(tn+1) und berechnensie durch die diskretisierte Langevin Gleichung

Γi,n+1 = Γi,n + D(1)i (Γn)

√τ + Γi(tn)τηij(tn) (B.4.3)

Die stochastische, antisymmetrische Matrix wird durch den Zufallsgenerator gene-riert. Jedes Element der Matrix (i > j) ist zu jeder Zeit t = tn eine unabhangige,Gauß’sche verteilte Zufallsvariable, d.h.

〈ηij(n)〉 = 0, 〈ηij(n)ηkl(m)〉 = 2δnmδkiδlj (B.4.4)

In diesem Programm erzeugt ein Zufallsgenerator zu jedem Iterationsschritt tn die Munabhangigen Zufallszahlen 0 ≤ rν ≤ 1. Um nun die Zufallsmatrix ηn zu erzeugen,benutzen wir

ηnij =

√24

M

M∑ν=1

(rν − 1

2

), (B.4.5)

142 Kapitel B Langevin Gleichung

wobei M = 50 gewahlt wurde. Der Erwartungswert von jedem zufalligem Elementist dann Null. Weiterhin ist die Varianz gleich zwei

〈η2ijn〉 =

24

M

M∑ν=1

⟨(rν − 1

2

)⟩=

24

MM

∫ 12

− 12

x2dx = 2. (B.4.6)

Auf diesem Wege erhalt man eine Realisation ΓN = Γi(T ). Allerdings muss manden Fehler korrigieren, der durch die Zeitdiskretisierung auftritt. Der Radius R2

n =∑i Γ

2in ist nicht langer konstant, sondern wachst mit jeder Iteration. Dieser Fehler

wird im Programm dadurch korrigiert, dass wir nach jedem Iterationsschritt denRadius korrigieren durch

Γi,n+1 = Γi,n+1

√Rn+1

Rn

. (B.4.7)

Fur den nachsten Iterationsschritt benutzen wir dann den so erhaltenen Wert. Be-rechnen wir nun N solcher Realisierungen, so konnen wir den Erwartungswert belie-biger Funktionen von f(Γ) berechnen, wobei man naturlich sorgsam darauf achtenmuss, dass bei jeder Realisation die stochastische Matrix unabhangig von der vorhe-rigen Realisation ist. Der Fehler der gemacht wird, ist schwer abzuschatzen. Deshalbist die Methode auch nur bedingt geeignet einen ungefahren Eindruck vom Verhaltender Erwartungswerte zu bekommen.

Anhang C

Wechselwirkung zwischenmakroskopischen Systemen

Wir wollen hier untersuchen, inwieweit wir mit Hilfe des bisherigen Modells, Wech-selwirkungen zwischen Systemen beschreiben konnen. Dazu wird die Annahme ge-macht, dass wir die Systeme Σ1, Σ2 und Σ3 haben. Die Systeme Σ1 und Σ3 konnennur uber das System Σ2 interagieren. Das System Σ2 kann in einem Spezialfall eineWand darstellen, jedoch wollen wir uns hier nicht darauf beschranken. Wir neh-men aber an, dass die Wechselwirkung zwischen den Systemen Σ1,3 und Σ2 nuruber einen stochastischen Term oder uber die Bewegung des Systems H2 stattfindet.

H H H21 3

a a1 2

Die Variablen a1 und a2 sind die Arbeits-

variablen des Systems, und drucken die Volumenabhangigkeit der Hamiltonfunktionaus. Weiterhin soll das Gesamtsystem Σ durch die Hamiltonfunktion

H := H1(Γ1, a1) + H2(Γ2, a1, a2) + H3(Γ3, a3) (C.0.1)

beschrieben werden. Da das Gesamtsystem Σ abgeschlossen sein soll, ist die Gesam-tenergie zeitlich konstant. Damit die Darstellung ubersichtlicher wird, fuhren wirhier nun eine Vektornotation ein. Die Matrix L ist die symplektische Matrix unddie Matrix M projiziert den Gradienten der Hamiltonfunktion auf die Ableitungennach den generalisierten Impulsen. Die Phasen oder Zustande der einzelnen Systemsind dann gegeben durch:

π1 =

f1∑i=1

ξi1ei + φi1ei+N1f1(C.0.2)

π2 =

f2∑i=1

ξi2ei + φi1ei+N2f2(C.0.3)

π3 =

f2∑i=1

ξi3ei + φi3ei+N3f3, (C.0.4)

143

144 Kapitel C Wechselwirkung zwischen makroskopischen Systemen

(C.0.5)

wobei fi die Anzahl der Freiheitsgrade der einzelnen Subsysteme bezeichnen. Diestochastischen Bewegungsgleichungen sind unseren Voraussetzungen nach

π1 = L · ∂H

∂π+

(M1 ·

∂H1

∂π1

)· η

11+

(M

2· ∂H2

∂π2

)· η

12+

(M

3· ∂H3

∂π3

)· η

13

π2 = L · ∂H

∂π+

(M

2· ∂H2

∂π2

)· η

22+

(M

1· ∂H1

∂π1

)· η

21+

(M

3· ∂H3

∂π3

)· η

23

π3 = L · ∂H

∂π+

(M

3· ∂H3

∂π3

)· η

33+ (M

2· ∂H2

∂π2

) · η32

+

(M

2· ∂H2

∂π2

)· η

12

(C.0.6)

wobei die Eigenschaften der stochastischen Matrizen ηl

durch das Postulat (4.1)

bestimmt sind und zusatzlich soll gelten, dass die stochastischen Matrizen alle un-abhangig voneinander sind, die einzelnen stochastischen Matrizen aber ein weißesRauschen beschreiben. Die Dynamiken der Energien der einzelnen Subsysteme ge-nugen dann den Gleichungen

H1 =∂H1

∂a1

d

dta1 +

(M

1· ∂H1

∂π1

)· η

12

(M

2· ∂H2

∂π2

)

+

(M

1· ∂H1

∂π1

)· η

13

(M

3· ∂H3

∂π3

)(C.0.7)

H2 =∂H2

∂a1

d

dta1 +

∂H2

∂a2

d

dta2 +

(M

1· ∂H1

∂π1

)· η

12·(

M2· ∂H2

∂π2

)

+

(M

2· ∂H2

∂π2

)· η

23

(M

3· ∂H3

∂π3

)(C.0.8)

H3 =∂H1

∂a1

d

dta1 +

(M

2· ∂H2

∂π2

)· η

23·(

M3· ∂H3

∂π3

)

+

(M

1· ∂H1

∂π1

)· η

31

(M

3· ∂H3

∂π3

)(C.0.9)

und sind somit ebenfalls Zufallsvariablen. Damit wir die Erwartungswerte dieserGroßen bestimmen konnen, mussen wir zunachst die Diffusionsmatrix bestimmen,damit wir die Dynamik der Wahrscheinlichkeitsdichte angeben konnen. Die Diffusi-onsmatrix ergibt sich aus Satz (4.2) zu:

D(2) =

Θ−1

12T − p

1p

1−p

1p

2−p

1p

3

−p1p

2Θ−1

22T − p

2p

2−p

3p

2

−p1p

3−p

3p

2Θ−1

32T − p

3p

3

(C.0.10)

wobei T die gesamte kinetische Energie des Systems darstellt. Wir untersuchen jetztzunachst die zwei Spezialfalle der rein thermischen Wechselwirkung und der reinmechanischen Wechselwirkung .

C.1 Thermische Wechselwirkung 145

C.1 Thermische Wechselwirkung

Nehmen wir als erstes an, dass die Arbeitsvariablen konstant bleiben und dass keinTeilchenaustausch zwischen den einzelnen Systemen stattfindet. Die Gleichungen(C.0.7) reduzieren sich auf

H1 =

(M

1· ∂H1

∂π1

)· η

12

(M

2· ∂H2

∂π2

)

H2 =

(M

1· ∂H1

∂π1

)· η

12·(

M2· ∂H2

∂π2

)+

(M

2· ∂H2

∂π2

)· η

23

(M

3· ∂H3

∂π3

)

H3 =

(M

2· ∂H2

∂π2

)· η

23·(

M3· ∂H3

∂π3

)(C.1.1)

Die einzelnen Hamiltonfunktionen werden so auch zu Zufallsvariablen. Man erkenntsofort dass die Gesamthamiltonfunktion H eine Erhaltungsgroße ist. Bestimmen wirzunachst die Dynamik der Erwartungswerte der einzelnen Hamiltonfunktionen. Esgilt

d

dtH1 = −2

D

VfH1 + 2

D

Vf1T + 2

D

VfV 1 (C.1.2)

d

dtH2 = −2

D

VfH2 + 2

D

Vf2T + 2

D

VfV 2

d

dtH3 = −2

D

VfH3 + 2

D

Vf3T + 2

D

VfV 3 . (C.1.3)

Es gilt∑

iddt

H i = 0. Damit haben wir die Rate des Warmeubergang Qi bestimmt.Es gilt

d

dtH i =: Qi (C.1.4)

Fur den einfacheren Fall, das wir nur zwei Systeme betrachten, kann man den War-meaustausch auch bestimmen. Diese Diskussion wird am Beispiel des Gases in einemKolben gefuhrt werden. Eine analytische Losung ergibt sich aber nur in dem Fall,dass wir den Warmeubergang zwischen N Systemen bestimmen, die aus idealen Teil-chen bestehen. Die entsprechende Gleichung ist dann durch (4.1.160) gegeben, wowir schon ein einzelnes Atom als thermodynamisches System interpretieren konnen,das mit allen anderen Atomen (seiner Umgebung) Warme austauschen konnte.

C.2 Mechanische Wechselwirkung

Die Annahme ist, dass zwischen den drei Teilsystemen nur Arbeit geleistet werdenkann. Die Arbeitsvariablen sind jetzt zeitabhangige Großen. Wir lassen also keinenWarmeaustausch und keinen Teilchenaustausch zu. Die stochastischen Bewegungs-gleichungen lauten

π1 = L · ∂H

∂π+

(M · ∂H1

∂π1

)· η

1

146 Kapitel C Wechselwirkung zwischen makroskopischen Systemen

π2 = L · ∂H

∂π+

(M

2· ∂H2

∂π2

)· η

2(C.2.1)

π3 = L · ∂H

∂π+

(M

3· ∂H3

∂π3

)· η

3

(C.2.2)

Die Diffusionsmatrix reduziert sich auf

D(2) =

Θ−1

12T1 − p

1p

10 0

0 Θ−1

22T2 − p

2p

20

0 0 Θ−1

32T3 − p

3p

3

, (C.2.3)

somit sind die Bewegungsgleichungen fur die Erwartungswerte der einzelnen Hamil-tonfunktion gegeben durch

d

dtH1 =

∂H1

∂a1

d

dta1 = W12 (C.2.4)

d

dtH2 =

∂H2

∂a1

d

dta1 +

∂H2

∂a2

d

dta2 = W21 + W23 (C.2.5)

d

dtH3 =

∂H1

∂a2

d

dta2 = W32 (C.2.6)

(C.2.7)

Aus der Energieerhaltung und den Eigenschaften des Wandpontentials folgt

W12 = −W21 W23. = −W32 (C.2.8)

Es ist naturlich klar, dass die Entropie des zusammengesetzten Systems zunimmt.Die Entropieproduktion ist aber gegeben durch die Entropieproduktion in den ein-zelnen Subsystemen. Es existiert kein Entropiestrom von einem Subsystem zum an-deren. Falls wir annehmen, dass das Volumen der einzelnen System durch Vi = aiAgegeben ist, wobei A die konstante Querschnittsflache des Gefaß ist, dann konnenwir die Gleichungen auch als

W12 = P12V1 (C.2.9)

W2 = (P21 + P23)V2 (C.2.10)

W23 = P32V1 (C.2.11)

schreiben , wobei Pij die Drucke der i-ten Subsysteme sind. Dies fuhrt uns sofortauf den Begriff der verallgemeinerten Thermodynamischen Krafte.

Definition C.1. Sei H(π, a) die Hamiltonfunktion des Systems Σ und a die Ar-beitsvariablen (außere Parameter) des Systems, dann werden die verallgemeinertenthermodynamischen Krafte K

K =∂H(π, a)

∂a(C.2.12)

durch den Erwartungswert der Ableitung der Hamiltonfunktion nach den Arbeitsva-riablen definiert.

C.3 Allgemeine Wechselwirkung 147

Damit konnen wir den Fall der allgemeinen Wechselwirkung zwischen zwei Syste-men behandeln, der aber analog zur Behandlung der mechanischen Wechselwirkunggeht. Im folgenden nehmen wir den Fall der allgemeinen Wechselwirkung zwischenden Systemen Σi an. Der nachste Schritt ist wieder sich einen geeigneten thermody-namischen Zustandsraum zu suchen, um sich dann auch eine makroskopische Entro-pie bzw. Extropie zu definieren. Damit kommen wir zu den generischen Bewegungs-gleichungen des thermodynamischen Systems Σ. Diesen Fall konnen wir aber imallgemeinen in keine ansprechende Generic Form bringen (siehe Diskussion amAnfang (Kolben) ).

C.3 Allgemeine Wechselwirkung

Als Beobachtungsebene nehmen wir wieder die generalisierten Impulse und Ortedes Systems an, sowie die Funktion A4 deren Erwartungswert die inneren Energiender einzelnen Subsystem reprasentiert. Damit sind die gesuchten Großen G gegebendurch

G := π1, π2, π3, U1, U2, U3 (C.3.1)

und damit der ergibt sich der thermodynamische zu

Z = G, a, D, f1, f2, f3, .... (C.3.2)

wobei die Punkte die hoheren Moment reprasentieren. Fur die Dynamik der gesuch-ten Großen finden wir

d

dtq

ji=

1

mp

ji(C.3.3)

d

dtp

ji= −

∂Vj(qj; a)

∂qji

− D

V m3(f − 1)p

ji. (C.3.4)

Die Bewegungsgleichung fur die inneren Energien ist, falls wir wieder annehmen,dass 1 sehr klein im Vergleich zu den Freiheitsgraden fi der einzelnen Subsystem ist:

d

dtUi =

∂Ui

∂ai

ai − pij· ∂Vi

∂qij

− 2D

VfUi + 2

D

VfiT + 2

D

VκiV i (C.3.5)

An dieser Stelle mussen wir, falls wir die Gleichung vereinfachen wollen, wieder eineNaherung machen. Wie im Falle der realen Gase (4.1.136), nehmen wir hier an, dasswir das Potential

V i ≈ fi

f(V 1 + V 2 + V 3) (C.3.6)

annahern konnen. Dann vereinfachen sich die Gleichungen (C.3.5) zu

d

dtUi =

∂Ui

∂ai

ai − pi· ∂Vi

∂qi

− 2D

Vf

(Ui +

fi

fE0

)(C.3.7)

148 Kapitel C Wechselwirkung zwischen makroskopischen Systemen

Wir konnen nun auch fur das allgemein wechselwirkende Thermodynamischen Sy-stem, die Gleichungen in der Generic Form angeben. Dazu mussen wir den Gradi-enten der Entropie bestimmen. Im Gleichgewicht gilt

∂Seq

∂Ui

= 0 (C.3.8)

(siehe Diskussion Reif). Deshalb ist die Entropie und damit auch die Extropie min-destens quadratisch in den Energien der einzelnen Subsysteme. Damit konnen wiransetzen

∂S

∂Ui

= λ(Ui − Ei), (C.3.9)

wobei Ei, die Gleichgewichtsenergie der einzelnen Subsysteme ist. Damit konnenwir die Gleichung in der GENERIC Form angeben, aber da die Gleichungen dannden Phanomenologischen Gleichungen (siehe Anfang) entsprechen, erhalten wir andieser Stelle nichts Neues. Diesen Sachverhalt verdeutlichen wir im nachsten Beispiel.

Anhang D

Caldeira-Leggett-Modell

Es ist bisher noch nicht verstanden worden, welche mikroskopischen Mechanismendem makroskopischen Effekt der Reibung zugrunde liegen. Deshalb versucht man,die Reibung durch moglichst einfache Modelle zu beschreiben. Das einfachste Modelleines dissipativen quantenmechanischen Systems, das dieser Forderung genugt, istein Teilchen, das an ein thermodynamisches Reservoir gekoppelt ist. Das thermo-dynamische Reservoir wird durch eine genugend grosse Anzahl von harmonischenOszillatoren realisiert. Man nimmt dabei an, dass das System (Teilchen) das Reser-voir nur leicht stort. Dieses Modell wurde 1966 von Ullersman [78] eingefuhrt und15 Jahre spater von Caldeira und Leggett [77] verallgemeinert und erfolgreich aufTunnelprozesse angewandt. Das einfachste Modell geht von einer linearen Kopplungzwischen dem Teilchen und dem Reservoir aus. Der allgemeine HamiltonOperator,der diesen Anforderungen genugt ist:

H = HS + HB + HI ; (D.0.1)

mit der Hamiltonfunktion des betrachteten Systems

HS =p2

2M+ V (x), (D.0.2)

(wobei im Folgenden angenommen wird, dass es sich um ein freies Teilchen handelt)und der Hamiltonfunktion

HB =N∑

i=1

P 2i

2mi

+1

2miωiX

2i , (D.0.3)

die das thermodynamische Reservoir, bestehend aus N Oszillatoren beschreibt, unddie Hamiltonfunktion

HI = −N∑

i=1

Fi(x)Xi + ∆V (x), (D.0.4)

die die Kopplung beschreibt. Es wurde zur Wechselwirkung eine Renormalisierungs-funktion ∆V (x) addiert, die von den Parametern mi, ωi und von Fi(x) abhangendarf, nicht aber von den dynamischen Variablen des Reservoirs. Die Funktion ∆V (x)

149

150 Kapitel D Caldeira-Leggett-Modell

wird so gewahlt, dass sie den frequenzabhangigen Term, der durch die Wechselwir-kung verursacht wird, kompensiert [71]. Die Funktion ist gegeben durch

∆V (x) =N∑

i=1

Fi(x)

2miω2i

(D.0.5)

Der spezielle Fall einer separablen Wechselwirkung Fi(x) = ciF (x) ist von beson-derem Interesse, da dann die translationsinvariante Hamiltonfunktion wie folgt aus-sieht:

H =p2

2M+ V (x) +

N∑i=1

[P 2

i

2mi

+1

2miωi

(Xi − ciF (x)

2miω2i

)2]

(D.0.6)

Weiterhin nehmen wir an, dass die Kopplung durch Fi(x) = cix beschrieben wird.Die Hamiltonfunktion nimmt die spezielle Form:

H =p2

2M+ V (x) +

N∑i=1

[P 2

i

2mi

+1

2miωi

(Xi − ci

2miω2i

x

)2]

(D.0.7)

an. Diese Hamiltonfunktion (D.0.7) wurde in den letzten 30 Jahren benutzt, umDissipationen zu untersuchen. In der heutigen Literatur wird sie Caldeira-Leggett-Modell genannt. Die gekoppelten Bewegungsgleichungen, die man aus diesem Modellerhalt, sind:

Mx(t)−N∑

i=1

ci

[Xi − ci

2miω2i

x

]= 0

miXi(t) + miω2i Xi(t)− cix(t) = 0, (D.0.8)

wobei wir der Einfachheit wegen V (x) := 0 gesetzt haben. Diese beiden Bewegungs-gleichungen sind zu losen. Eine Methode, diese Gleichungen zu losen, besteht darin,dass man sie einer Fourier-Transformation unterzieht, so dass die Differentialglei-chungen zu algebraischen Gleichungen werden. Die Losung der unteren Gleichungwird dann in die erstere Gleichung eingesetzt. Dann findet man die Gleichung:

−Mω2x(ω)− iMωγ(ω)x(ω) = 0 (D.0.9)

Der frequenzabhangige Dampfungskoeffizient ist gegeben durch:

γ(ω) = iω

M

N∑i=1

c2i

miω2i

1

ω2 − ω2i

(D.0.10)

An dieser Stelle ist es bequem, die spektrale Dichtefunktion einzufuhren:

σ(ω) =π

2γ(ω) = i

ω

M

N∑i=1

c2i

miω2i

δ(ω − ωi). (D.0.11)

151

Damit kann man (D.0.10) umschreiben zu:

γ(ω) = i2ω

∫ ∞

0

σ(ω′)ω′

1

ω2 − ω2i − i0+

dω′ (D.0.12)

Aus dieser Gleichung ersieht man, dass der Dampfungskern γ(t) mit der Spektral-dichte verbunden ist durch

γ(t) = Θ(t)2ω

∫ ∞

0

σ(ω)

ωcos(ωt). (D.0.13)

In der letzten Gleichung ergibt sich deutlich, dass der Realteil der Dampfungsfunk-tion mit der Spektraldichte durch die Beziehung

γ′(ω) =1

M

σ(ω)

ω(D.0.14)

verbunden ist. Wir sehen, dass die Spektraldichte vollstandig bestimmt ist durchdie Parameter, die auch schon in der klassischen phanomenologischen Bewegungs-gleichung (D.0.12) auftauchen. Das ist eine Folge der Beschrankung auf die lineareDissipation, bei der die Reibung ihrerseits nicht abhangt vom Zustand des Systems.Die allgemeine Vorgehensweise, die sich aus dieser Erkenntnis ableiten lasst, ist, dassman zuerst die Funktion γ′(ω) bestimmt, die dann die Spektraldichte definiert. Dieobige Relation spielt also eine wichtige Rolle in der phanomenologischen Behandlungdissipativer quantenmechanischer Systeme. Ein markovscher oder ohmscher Damp-fungskoeffizient ist frequenzunabhangig:

γ′(ω) = γ. (D.0.15)

Die dazugehorige Spektraldichte ist nun:

σ(ω) = Mγω (D.0.16)

fur alle Frequenzen ω. Diese Relation (D.0.16) bezeichnet die idealisierte Situation,dass die Spektraldichte linear mit der Frequenz ansteigt. In der Realitat wird es aberso sein, dass die Spektraldichte fur ω → ∞ wieder abfallt. Es ist auch klar, dass eseine mikroskopische intrinsische Erinnerungszeit geben wird, die aus dem Reservoirherruhrt. Die Drude-Dampfungsfunktion in der klassischen Bewegungsgleichung (??)mit der Erinnerungszeit τD = 1/ωD hat die Form:

γ(t) = ωDγ exp(−ωDt) : (D.0.17)

Ihre Fourier-Transformierte ist:

γ(ω) =γωD

ωD − iω(D.0.18)

Diese obige Drude-Form induziert die folgende Spektraldichte

σ(ω) =Mγω

1 + ω2

ω2D

(D.0.19)

Diese ihrem Wesen nach eher naturliche Wahl der Spektraldichte verhalt sich aberbei kleinen Frequenzen ω ¿ ωD effektiv wie ein ohmsches Reservoir. Diese Untersu-chungen konnen auch im Rahmen der Feynmann-Vernon-Theorie dargestellt werden.Insbesondere kann im Rahmen der FV-Theorie auch eine Kopplung untersucht wer-den, die nicht linear in den Variablen des Teilchens ist. (siehe Diplomarbeit)

152 Kapitel D Caldeira-Leggett-Modell

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