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Wie kuflich sind Journalisten?V.i.S.d.P. 03/2006 Seite 31Titel Seite 30 V.i.S.d.P. 03/2006 Wie kuflich sind Journalisten?V.i.S.d.P. 03/2006 Seite 31 Was wrden Sie tun? Darf ein Journalist JaNeinKein Kommentar Bleistifte oder Papier von einer Veranstaltung mitnehmen, ber die er berichtet? beilug erwhnen, dass er von der Presse ist, um ein Problem zu beseitigen? ein Interview fhren, das er nur bekommt, weil gerade ein neues Buch erscheint? sich zum Essen einladen lassen? sich ein Zubrot als Pressesprecher verdienen? von der PR in den Journalismus wechseln? Ton-/Bildmaterial nutzen, das von einer Firma kostenlos bereitgestellt wird? Reden schreiben fr Politiker oder Firmen-chefs, ber die er sonst berichtet? Mitglied einer Partei sein? an einer Pressereise teilnehmen, ohne dafr zu bezahlen? als Freier auch fr Kundenmagazine schreiben? sich um einen von einer Firma gestifteten Journalistenpreis bewerben? eigene PR-Texte zu journalistischen Artikeln/Beitrgen umarbeiten? den Presseausweis nutzen, um umsonst ins Museum zu kommen? ein Buch umsonst bestellen, ohne darber zu berichten? die Bahn-Card mit 50 Prozent Journalisten-Vergnstigung kaufen? vergnstigt iegen, zum Beispiel mit Air Berlin um 50 Prozent?Uwe VorktterBerliner ZeitungHans Ley-endeckerSddeutsche ZeitungMichael RamstetterADACMotorweltHelmut Mark-wortFocusUlrich MeyerAkte 06 SAT.1Petra GessulatCosmo-politanChristian BommariusBerliner Zeitung einen speziellen Handy-Journalisten-Tarif nutzen? eine Flasche Wein als Weihnachtsaufmerksam-keit eines Unternehmens annehmen? nach einem Hintergrundgesprch mit dem bezahlten Phaeton nach Hause fahren? die einschlgigen Vorteile bei der Arbeit in den Ressorts Kosmetik/Motor/Reise nutzen?MaximalSportverein!Ausnahme! GenaueKennzeichnung!muss Privatsachebleiben!Wer von der PRkommt,ist keinJournalist* Viele Ihrer Fragen sind mit darf/darf nicht nicht zu beantworten. Es kommt doch auf die journalistische Leistung an, die nach einer verbilligten Bahnfahrt entsteht oder aus einemInterview, das als Promotion-Interviewvereinbart wurde. Auerdemgelten doch wohl fr den Nachrichtenmoderator oder die Wirtschaftskorrespondentin strengere Regeln als fr jemanden, der bei PETRAber Lippenstifte schreibt. Steffen SeibertWie kuflich sind Journalisten?V.i.S.d.P. 03/2006 Seite 31Wie kuflich sind Journalisten?V.i.S.d.P. 03/2006 Seite 31Jrg Schnen-born WDRSandra Maisch-bergerARDSteffen SeibertHeuteZDF* Fall 4Wo beginnt Forschungs-PR? Der Kollege Ehrlich besucht im Auftrag einer groen deutschen Forschungsfrderungs-Institution die weltbekannte Verhaltensforscherin Nerv, die bei der Organisation angestellt ist. Er soll ihre neuen Forschungen ber das Leben der Nacktmulle fr das Magazin der Organisation aufbereiten. Ehrlich liest Fachliteratur und besucht das Labor, spricht aber sonst mit keinem weiteren Nacktmullenforscher. Er erkennt bei diesem harmlosen Thema keine Gefahr fr seine journalistische Unabhngigkeit.AWarenSiepersnlichschoneinmalineiner hnlichen Lage?BKennenSieeinenKollegen,dersoetwas schon einmal gemacht hat?CHandeltessichbeidem Artikelum Wissen-schaftsjournalismus?DDarfEhrlichden Artikelals Zweitverwertung auch Zeitungen anbieten?EDarferdies,wennerderRedaktionmitteilt, dass er im Auftrag der Forschungsorganisation entstanden ist?35 652 54 4467 21 10 0 223 61 13 0 3 Fall 5Unabhngiger Testbericht? Technikjournalist Tasti hat regelmig im Auftrag der Computerrma Compo Pressemitteilungen verfasst, so auch eine ber das Software-Produkt Texter. Nun ruft ihn eine Radioredaktion an und mchte von ihm als erfahrenen Computerjournalisten gerne einen Testbericht ber Texter einkau-fen. Tasti kennt das Produkt sehr gut und berlegt, ob er nun aus erster Hand einen unabhngigen Testbericht schreiben kann.AWarenSiepersnlichschoneinmalineiner solchen Lage?BHabenSieselbstschoneinmalmitbekom-men, dass ein Kollege so etwas gemacht hat?C Darf er den Auftrag annehmen?D Sollte er der Redaktion mitteilen, dass er fr die Firma Compo Pressearbeit gemacht hat?E Sollte er dies auch dann tun, wenn er zwar fr dieFirma,nichtaberexplizitfrdasnachge-fragte Produkt Pressearbeit gemacht hat?81 10 5 412 30 55 325 73 26 94 Fall 6Gut geschnitten kostenlose O-Tne und perfekte Bilder Die PR-Agentur Picture.de beliefert Redaktionen mit kostenlosen O-Tnen und Bildern, die von For-schungsinstituten und Industrie zur Verfgung gestellt werden. Die Redaktion von "Science-TV" erfhrt von einer Tagung in Tunis. Dorthin zu reisen, erscheint ihr als aufwndig. Die Agentur bietet daher fnf knackige O-Tone von Referenten an. Oder sogar einen komplett gebauten Wissenschaftsbeitrag.A WarenSiepersnlichschoneinmalineiner solchen Lage?BHabenSieselbstschoneinmalmitbekom-men, dass ein Kollege so etwas gemacht hat?CDarfdieRedaktionsolcheBeitrgeeinfach senden, ohne auf den Ursprung hinzuweisen?9 89 451 47 237 62nicht von jedemnicht von jedemnicht von jedemV.i.S.d.P.kommt drauf ankommt drauf an, wiekommt auf dieFirma anFreie Journalisten:ja, Feste: neinKenne ich nicht nicht immer wei man,warumman es be-kommt. Aber manchmalgeht es nur so und daskann dann trotzdeminteressant sein.Es wre lebensfremd,diese Frage mit nein zu beantworten.Auch, wenn es imGrundsatz oft gut ist,dies zu vermeiden.Allenfalls als freierJournalist und auchdann sollte mandarauf achten, dasssich die Felder nichtberschneiden. grundstzlich nein.Wenn die Nutzung aus Beleggrnden notwendig ist, solltedies deutlich markiert bzw. gesagt werden.siehe Frage 18Dienstreisen sollten vomArbeitgeberbezahlt werden.nicht grundstzlich neinVergnstigungen ohne Betrachtung des Einzelfallsmhalteich nicht generell frprobelmatischnur, wenn die Lek-tre der beruichen Horizonterweiterung dient/es kommt auf das Buch an.nicht, wenn das Interesse privat ist. ja, aber siehe 5)Fotos: privat (5); Sat.1/Engels; Berliner Zeitung/P. Ponizak; ZDF /R. Rossival; WDR/V. Roloff; WDR/H. Sachsdas gehrt sich nichtBei uns klareRegelung: nein!Fr mich kann ich mir das nicht vorstellen.nicht grundstzlich neinkommt drauf anja, auerInterviewsdie Redaktion ist sich nicht einigja nein wei nicht k.A.90 6 4ja nein wei nicht k.A.ja nein wei nicht k.A.47 36 15 0 1Freie Journalisten: ja,Feste: neinFreie Journalisten:ja, Feste: neinWie kuflich sind Journalisten?V.i.S.d.P. 03/2006 Seite 31Wie kuflich sind Journalisten?V.i.S.d.P. 03/2006 Seite 31nr-Werkstatt Nr. 4/2006Getrennte Welten?Journalismus und PR in DeutschlandThomas SchnedlerArgumente zur Debatte um den Medienkodex des netzwerk recherchenr_Werkstatt4_A4_05.0613.05.200615:58 UhrSeite 1Getrennte Welten? Journalismus und PR in Deutschland1Thomas Schnedl erGet r ennt e Wel t en?Jour nal i smus und PR i n Deut schl andInhaltsverzeichnis:1. Einleitung . . . . . . . . . 22. Journalismus und PR in der wissenschaftlichen Forschung . 3(a) Der Vormarsch der PR empirische Ergebnisse . . . 3(b) Die Macht der PR Gegenstand der Forschung . . . 63. Normative Vorgaben die Kodizes der PR und des Journalismus . 104. Journalismus und PR in der Praxis das Ausma der Durchdringung 165. Die Diskussion um den Medienkodex . . . . . 22(a) Die Argumente der Kritiker . . . . . . 22(b) Die Forderungen des Netzwerks Recherche. . . . 246. Die Einschtzungen der Journalistengewerkschaften . . 26(a) Interview mit Michael Konken, DJVVorsitzender . . . 26(b) Interview mit Ulrike MaercksFranzen, Bundesgeschftsfhrerin dju 337. Sieben Fragen eine Kurzumfrage unter Experten. . . 38 Prof. Dr. Gnter Bentele (Universitt Leipzig) . . . . 38 Prof. Dr. Michael Haller (Universitt Leipzig) . . . . 40 Prof. Dr. Hans Mathias Kepplinger (Universitt Mainz) . . 42 Prof. Dr. Klaus Kocks (Fachhochschule Osnabrck) . . . 44 Dr. Roland Stahl (Bundesverband deutscher Pressesprecher) . 45 Lutz Tillmanns (Deutscher Presserat). . . . . 47 Prof. Dr. Volker Wolff (Universitt Mainz) . . . . 498. Fazit . . . . . . . . . . 51Impressum:Getrennte Welten?Journalismus und PR in DeutschlandAutor: Thomas SchnedlerHerausgeber: netzwerk recherche e. V.V.i.S.d.P.: Dr. Thomas Leif, WiesbadenDruck: einfach-digital print GmbH, HHHamburg 5/2006www.netzwerkrecherche.deU4_nr_werk413.05.200616:48 UhrSeite 2Getrennte Welten? Journalismus und PR in Deutschland21. EinleitungJournalisten machen keine PR. Vier Worte aus dem im Februar 2006 prsentiertenMedienkodex desNetzwerksRecherche haben Journalisten und PRSchaffendeelektrisiert. In Universitten, Journalistenschulen, Redaktionen, Fachzeitschriften undInternetforen wird seitdem intensiv debattiert: Zeugt diese Regel von Naivitt undRealittsferne? Ignoriert sie die Lebenswirklichkeit freier Journalisten? Oder ist siedringend notwendig in einer Branche, in der die Glaubwrdigkeit der Journalistenimmer weiter Schaden nimmt?Das Netzwerk Recherche mchte mit dem Medienkodex bewusst eine Diskussionanregen und auf bedenkliche Entwicklungen im Journalismus aufmerksam machen.ber das Ausma und die Heftigkeit der Debatte ist das Netzwerk Rechercheallerdings selbst berrascht.Viele dernun so vehement kritisierten Ideen undArgumente wurden vom Netzwerk Recherche in den letzten Jahren schon mehrfachvorgetragen ohne ein solch groes Echo in der Medienwelt auszulsen.Diese Dokumentation soll die Diskussion ber die Macht der PR und die Beziehungzwischen Journalisten und ffentlichkeitsarbeitern auf ein solides Fundament stellen.Sie dient dazu, die Pro und ContraArgumente zu sortieren und die laufende Debatteauf dieser Basis rationaler zu gestalten.Dafr wird zunchst ein berblick ber den Stand der wissenschaftlichen Diskussionzum Verhltnis von Journalismus und Public Relations gegeben. Nach einer Analyseder normativen Vorgaben also der Kodizes der beiden Branchen folgt ein Blickauf die in der Praxis zu beobachtende Verschmelzung der beiden Disziplinen. AufdieserGrundlage werden die Forderungen desNetzwerksRecherche und dieGegenargumente der Kritiker zur Diskussion gestellt. Abgerundet wird dieDokumentation durch ausfhrliche Interviews mit dem DJVVorsitzenden MichaelKonken und der djuBundesgeschftsfhrerin Ulrike MaercksFranzen sowie durch dieErgebnisse einer schriftlichen Kurzumfrage unter Experten. Wichtige Interviews undkontroverse Stellungnahmen werden ebenfalls im Anhang dokumentiert1.1Zu empfehlen ist darber hinaus das DeutschlandfunkInterview mit Rainer Burchardt (Februar 2006): Journalisten machenkeine PR. OnlineDokument unter http://www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/470556/ (Internetquelle vom 13.5.2006)Getrennte Welten? Journalismus und PR in Deutschland32. Journalismus und PR in der wissenschaftlichen Forschung(a) Der Vormarsch der PR empirische ErgebnisseDie Nachricht des Tages? Der Supermarkt erffnet.Trotz Baustelle: Heuteerffnet das Kaufland wer am4. Mai 2006dieWaldeckische Allgemeine in die Hand nahm, konnte der Botschaft nicht entgehen.Die Schlagzeile und ein vierspaltiges Farbfoto des neuen Supermarktes beherrschtendie Titelseite der Korbacher Lokalausgabe der Hessisch/NiederschsischenAllgemeinen.Das Kaufland zwang Angela Merkels Besuch in Washington,denMedizinerstreik und die Verschrfung der HartzIVRegelungen auf den unteren Teilder Seite, die Nachrichten des Tages schrumpften zu Miniaturmeldungen. Doch dasHandelsunternehmen hatte sich nicht etwa mit einer Anzeige an die Leser gewandt.Es war die Redaktion, die es schaffte, in 15 Zeilen ber die Gre der Verkaufsflche,das umfangreiche Sortiment,die ZahlderParkpltze sowie ber die genauenffnungszeiten zu informieren. Die PRAbteilung des Unternehmens, das zum LidlKonzern gehrt, konnte sich die Hnde reiben.Flle wie dieser werden immer hufiger, heit es. Aber stimmt dieser Vorwurftatschlich? Werden Zeitungsleser mit immer mehr getarntem PRMaterialabgefttert? Hat sich tatschlich der Anteil der PRTexte im redaktionellen Teil vonRegionalzeitungen deutlich erhht?Der Leipziger Wissenschaftler Michael Haller ist diesen Fragen krzlich mit einerumfangreichen Studie nachgegangen. Im Mittelpunkt der Untersuchung standen dieLokalteile,dieWirtschaftsteilesowiedie Ressorts Auto und Reise von sechsRegionalzeitungen2. Geprft wurden jeweils die Ausgaben des vierten Quartals derJahre 2000,2002 und 2004 aufPRbasierte Beitrge.Darunterverstand dasForscherteam Texte, die aus Sicht der Zeitungsleser von der Redaktion verfasstsind, die jedoch ein Thema, ein Produkt, eine Marke oder eine Dienstleistung2 Gegenstand der inhaltsanalytischen Erhebung waren drei Tageszeitungen aus den neuen Bundeslndern (Schsische Zeitung,Leipziger Volkszeitung, Magdeburger Volksstimme) sowie drei Tageszeitungen aus den alten Bundeslndern (Kieler Nachrichten,Hamburger Abendblatt, Lbecker Nachrichten). Ermittelt wurden insgesamt 3.290 PRbasierte Texte, pro tglicherZeitungsausgabe im Schnitt 2,8 Texte. Vgl. Haller, Michael: PRbasierte Zeitungsberichte. In: Message, Heft 3/2005, S. 16Getrennte Welten? Journalismus und PR in Deutschland4einseitig positiv als Tatsache darstellen und keine diese positive Einschtzungberprfende Recherche erkennen lassen.3Die Hauptergebnisse: Der Trend zu mehr PR wurde klar besttigt. Der Anteil derheiklen Beitrge im redaktionellen Teilnahm im Untersuchungszeitraum sowohlrelativ als auch absolut deutlich zu, allerdings je nach Zeitung und nach Ressortunterschiedlich stark. Die Studie lieferte indes keinen Beweis fr eine allumfassendeAbhngigkeit des Journalismus von der PR. Der Anteil der PRbasierten Artikel bliebin allen Zeitungen unter 20 Prozent. Die Ergebnisse im Detail:! In den untersuchten Lokalteilen bot sich den Leipziger Forschern das folgendeBild: Im vierten Quartal 2000 war nur jeder 18. Text eindeutig PRbasiert. Geradeeinmal vier Jahre spter galt dies schon fr jeden 11. Text also fr 9 Prozent.Michael Haller resmiert hierzu: Diefr Glaubwrdigkeit undLeservertrauenmagebliche journalistische Leistung wurde abgebaut.4! Auch in den untersuchten Wirtschaftsteilen konnte das Forscherteam dieseTendenz beobachten: Waren 2000 die redaktionellen Texte noch weitgehend sauber,stieg der Anteil der PRlastigen Wirtschaftsartikel bis 2004 auf insgesamt knapp4 Prozent. Vor allem die Lbecker Nachrichten und das Hamburger Abendblatt fielenin der Untersuchung mit vielen glorifizierenden Firmengeschichten auf.! Die Ressorts Auto und Reisen stehen bei vielen Medienkritikern in Verdacht,besonders anfllig fr die Verlockungen der Public Relations zu sein. Die LeipzigerStudie konnte dies fr das Ressort Reisen besttigen: Mit 20 bis 25 Prozent blieb derAnteil der PRbasierten Artikel ber die Jahre bei fast allen untersuchten Zeitungenunverndert hoch. Nur die Kieler Nachrichten hatten deutlich weniger redaktionellgetarntes Werbematerial fr Reiseveranstalter oder Traumstrnde in ihrem Blatt.Auf den Autoseiten der untersuchten Tageszeitungen bot sich ein heterogenes Bild:Whrend sich in den Kieler Nachrichten und den Lbecker Nachrichten weniger PRArtikel fanden, verfnffachte sich deren Zahl beim Hamburger Abendblatt auf rund3Haller, Michael/Hiller, Alexander: Basisnorm Redaktionelle Unabhngigkeit. In: Message, Heft 3/2005, S. 154 Haller, Michael: Kundendienst statt Journalismus? In: Message, Heft 3/2005, S. 17Getrennte Welten? Journalismus und PR in Deutschland520 Prozent. Bei den drei ostdeutschen Tageszeitungen stieg der Anteil der einseitiglobenden Autoartikel unterdessen auf 12 Prozent5.Der Siegeszug der PR in den Regionalzeitungen lsst sich dabei nach Michael Hallerkeineswegs allein mit der Pressekrise erklren: So manches Ressort hlttrotzPersonalverknappung und Anzeigendruck am journalistischen Prinzip Unabhngigkeitfestund widerstehtden Begehrlichkeiten derkommerziellen Kundschaft imUnterschied zu manch anderer Zeitung, die trotz guter Personalausstattung undvolumigem Anzeigenteil einen geradezu peinlichen Geflligkeitsjournalismuspraktiziert.6Wie beurteilen die Chefredakteure der Tageszeitungen diese Entwicklung? EineBefragung7 im Herbst2002 zeigte,dass den Redaktionsleitern derdeutschenAbonnementszeitungen die gegenwrtigen Gefahren fr serisen und unabhngigenJournalismus durchaus bewusst sind. Einerseits hielten die Befragten denalthergebrachten Grundsatz der Trennung von redaktionellem Teil undWerbebotschaft fr unverzichtbar. Andererseits nannten sie zahlreiche verlegerischeund redaktionelle Strategien, die ihrer Ansicht nach momentan zu einer Aufweichungdieser wichtigen Grundnorm beitragen.Auf Platz 1 der Rangliste lagen Kopplungsgeschfte, bei denen einemAnzeigenkunden bei der Auftragserteilung ein redaktioneller Geflligkeitsartikelversprochen wird. 44 Prozent der Chefredakteure hielten dies sogar fr eine blichePraxis. Auch die unredigierte Verffentlichung werblich motivierter Pressemeldungenund die Platzierung von Anzeigen in einem thematisch passenden redaktionellenUmfeld zhlten nach Ansicht der Befragten zu den wichtigsten Gefhrdungen desTrennungsgrundsatzes8.5Vgl. Haller, Michael: Kundendienst statt Journalismus? In: Message, Heft 3/2005, S. 17 f.6 Haller, Michael: Kundendienst statt Journalismus? In: Message, Heft 3/2005, S. 197 Die Studie war als Vollerhebung der publizistischen Einheiten in Deutschland angelegt, 59 Prozent der angeschriebenenChefredaktionen antworteten. Die Verteilung nach Auflagenhhe, nach berregionalem und regi onallokalem Verbreitungsgebietsowie nach der Verteilung auf West und Ostdeutschland war reprsentativ. Vgl. Baerns, Barbara/Feldschow, Monika: DerTrennungsgrundsatz. Relevanz und Umsetzung des Grundsatzes der Trennung von Werbung und redaktionellem Teil. In: Duve,Freimut/Haller, Michael (Hg.): Leitbild Unabhngigkeit. Zur Sicherung publizistischer Verantwortung. Konstanz 2004, S. 1368 Ebenda, S. 137 ff.Getrennte Welten? Journalismus und PR in Deutschland6(b) Die Macht der PR Gegenstand der ForschungDer empirisch nachgewiesene Trend zu mehr PR, die von Chefredakteurenbeobachtete Aufweichung des Trennungsgebots gewinnen Werbung und PR in denRedaktionen zunehmend an Einfluss? WelcheMachthatdiePR? In welcherBeziehungstehenJournalismus undffentlichkeitsarbeit? Wie kannmandasKrfteverhltnis derbeiden Disziplinen beschreiben? Intensiv widmete sich diewissenschaftliche Forschung in Deutschland diesen auch heute noch so heftigdiskutierten Fragen.Frhe Studien9legten dabei den Schluss nahe, dass die PR den Journalismus mitErfolg instrumentalisiert,dass mchtige ffentlichkeitsarbeiter die journalistischeBerichterstattung weitgehend kontrollieren. Als Determinationshypothese wurdedieser Gedanke in der Fachwelt debattiert10.Er ging zurck auf eine Fallstudie von Barbara Baerns, die 1985 die Beziehungenzwischen nordrheinwestflischen Landespolitikern, politischer PR undlandespolitischen Korrespondenten untersucht hatte. Ihr berraschendes empirischesErgebnis: ber 60 Prozent der landespolitischen Berichterstattung lieen sich damalsauf PRAktivitten der Politik zurckfhren: Im Hrfunk beruhten 61 Prozent aufImpulsen der Public Relations, im Fernsehen 63 Prozent und in der Presse sogar 64Prozent.Sowohldie Themen als auch das Timing der Medienberichterstattungwurden von der nordrheinwestflischen PolitPR vorgegeben. Baerns resmierte:ffentlichkeitsarbeit ist fhig, die journalistische Recherchekraft zu lhmen undpublizistischen Leistungswillen zuzuschtten.11Das Echo auf diese wegweisende Untersuchung von Barbara Baerns war gespalten.Die einen lobten, dass sie den Antagonismus zwischen PR und Journalismus gutakzentuiere und den Blick auf gefhrliche Machtverschiebungen zwischen den beidenKommunikationsdisziplinen lenke12. Die Kritiker der Determinationstheseunterstrichen hingegen die Steuerungsleistung des Journalismus. Sie argumentierten:9Vgl. vor allem Baerns, Barbara: ffentlichkeitsarbeit oder Journalismus? Zum Einflu im Mediensystem. Kln 1985, S. 98 ff.10 Zur Diskussion vgl. Weber, Johanna: Das Verhltnis Journalismus und ffentlichkeitsarbeit. Eine Forschungsbersicht zu denEckpunkten einer wieder entdeckten Diskussion. In: Rolke, Lothar/Wolff, Volker (Hg.): Wie die Medien die Wirklichkeit steuernund selbst gesteuert werden. Opladen/Wiesbaden 1999, S. 265 ff.11 Vgl. Baerns, Barbara: ffentlichkeitsarbeit oder Journalismus? Zum Einflu im Mediensystem. Kln 1985, S. 9912 Vgl. RuMohl, Stephan: Spoonfeeding, Spinning, Whistleblowing. Beispiel USA: Wie sich die Machtbalance zwischen PR undJournalismus verschiebt. In: Rolke, Lothar/Wolff, Volker (Hg.): Wie die Medien die Wirklichkeit steuern und selbst gesteuertwerden. Opladen/Wiesbaden 1999, S. 172Getrennte Welten? Journalismus und PR in Deutschland7Um erfolgreich zu sein, mssten sich ffentlichkeitsarbeiter an den journalistischenSelektionskriterienalsoden Nachrichtenfaktorenorientieren. SiemsstenMedienstrukturen und Arbeitsroutinen der Redaktionen antizipieren mithin gebe derJournalismus den Takt vor.Folgeuntersuchungen relativierten zudem in Teilen die Ergebnisse von BarbaraBaerns.So konnte gezeigt werden,dass die journalistische Eigenleistung dannansteigt, wenn Themen strittig sind oder Krisensituationen zu beobachten sind. DieInformationen derPR werden dannmisstrauischer betrachtet,die Journalistenbesinnen sich eher auf die Pflicht zur Recherche und ihre ursprnglicheUnabhngigkeit. Da Streit und Krise aber gerade wichtige Nachrichtenfaktoren sind,setze sich bei vielen Themen also nicht die ungefilterte PolitPR durch, sondern diejournalistische Recherche13.Weitere Studien haben gezeigt,dass das Ma derInstrumentalisierung stark von der Artdes Mediums abhngt.Journalisten beiLokalblttern, berregionalen Qualittszeitungen oder politischen Wochenmagazinengehen demnach sehr unterschiedlich mit PRAngeboten um14.Das Zauberwort in der systemtheoretisch orientierten Kommunikationswissenschaftvon heute heit Interdependenz. Das bedeutet: Der Gedanke einer bloeinseitigen Prgung des Journalismus durch die ffentlichkeitsarbeit wird als zusimpel verworfen. Es dominieren vielmehr Erklrungsanstze, die von einemwechselseitigen Abhngigkeitsverhltnis zwischen Journalismus und PR ausgehen.Demnach sind beide Disziplinen eng miteinander verflochten, profitierenwechselseitig voneinander und haben dadurch einen Teil ihrer Autonomie eingebt.Der Journalismus nehme dankbar Leistungen der PR entgegen (Vorselektion derThemen, Vorformulierung von Meldungen, etc.), um auf diese Weise Zeit und Geldzu sparen. Die PR wiederum strebe die grtmgliche Publizitt ihrer Themen an, diesie mit Hilfe des Journalismus erreichen knne15. Trotz aller Verflechtungen handelees sich aber bei den Disziplinen Journalismus und ffentlichkeitsarbeit um zwei13 Vgl. Barth, Henrike/Donsbach, Wolfgang: Aktivitt und Passivitt von Journalisten gegenber Public Relations. Fallstudie amBeispiel von Pressekonferenzen zu Umweltthemen. In: Publizistik 37 (1992), Heft 2, S. 151 16514 Vgl. beispielsweise Saffarnia, Pierre A.: Determiniert ffentlichkeitsarbeit tatschlich den Journalismus? Empirische Belegeund theoretische Befunde gegen die PRDeterminierungsannahme. In: Publizistik 38 (1993), Heft 3, S. 412 42515Vgl. Marcinkowski, Frank: Interdependenz. In: Jarren, Otfried/Sarcinelli, Ulrich/Saxer, Ulrich (Hg.): Politische Kommunikationin der demokratischen Gesellschaft. Opladen/Wiesbaden 1998, S. 663Getrennte Welten? Journalismus und PR in Deutschland8getrennte Systeme, in denen jeweils auf der Basis einer ganz eigenenHandlungsrationalitt agiert werde16.Andere Wissenschaftler erkennen den gleichen Zusammenhang, sprechen aber vonSymbiose und whlen damit einen Begriff aus der Biologie,der das engeZusammenleben verschiedener Arten zum gegenseitigen Vorteilbeschreibt17. ImMittelpunkt dieses Modells steht ein intimes Tauschverhltnis zwischen Journalistenund PRSchaffenden,das derRegelInformation gegen Publizitt18folgt.AmBeispiel der Beziehung zwischen Politikberichterstattern und politischer PR heit das:Der Journalist ist von hochaktuellen, exklusiven oder hintergrndigen Informationenabhngig, die PolitPR erstrebt die Verffentlichung bestimmter politischer Inhalte zueinem bestimmten Zeitpunkt. Beide ziehen aus der Tauschrelation wechselseitigenNutzen, verlieren aber nicht ihre Identitt denn es geht um Symbiose, nicht etwaum Fusion19.Einen entscheidenden Schritt weiter geht das ModellderIntereffikation vonGnter Bentele. Der Leipziger Wissenschaftler geht davon aus, dass sichJournalismus und PR wechselseitig ermglichen20. Mit anderen Worten: Nach seinerAnsicht knnen die einen gar nicht ohne die anderen die Journalisten brauchenzwingend die Angebote der Pressestellen,die PRBranche ist entscheidend aufMedien als glaubwrdige Sprachrohre angewiesen, umein mglichst breitesPublikum zu erreichen.Journalisten und ffentlichkeitsarbeiter agieren deshalb nach dieser Ansicht Hand inHand es kommt zum Twostep flow of content21: Die PRProfis generierenzielgenau und mediengerechtEreignisse,sie whlen Themen und formulierenBotschaften,alsderen Rezipienten zunchstdie Journalisten fungieren.Diesebedienen sich am Buffet der Fertigberichte, beurteilen die Relevanz und servieren16 Vgl. Jarren, Otfried/Donges, Patrick: Politische Kommunikation in der Mediengesellschaft. Eine Einfhrung. Band 2: Akteure,Prozesse und Inhalte. Wiesbaden 2002, S. 131 ff.17 Vgl. die Zusammenfassung bei Merten, Klaus: Mikro, MikroMakro oder Makro? Zum Verhltnis von Journalismus und PR aussystemischer Perspektive. In: Altmeppen, Klaus Dieter/Rttger, Ulrike/Bentele, Gnter (Hg.): Schwierige Verhltni sse.Interdependenzen zwischen Journalismus und PR. Wiesbaden 2004, S. 2418Hoffmann,Jochen: Inszenierung und Interpenetration.Das Zusammenspielvon Eliten aus Politik und Journalismus.Wiesbaden 2003, S. 251 ff.19Ebd. Vgl. auch RuMohl, Stephan: Symbiose oder Konflikt: ffentlichkeitsarbeit und Journalismus. In: Jarren, Otfried (Hg.):Medien und Journalismus 1. Eine Einfhrung. Opladen 1994, S. 313 32720 Vgl. Bentele, Gnter/Liebert, Tobias/Seeling, Stefan: Von der Determination zur Intereffikation. Ein integriertes Modell zumVerhltnis von Public Relations und Journalismus.In:Bentel e,Gnter/Haller,Michael(Hg.): Aktuelle Entstehung vonffentlichkeit. Konstanz 1997, S. 225 250. Die Wortneuschpfung Intereffikation wird dabei vom lateinischen efficare(mglich machen) hergeleitet.21Vgl. Merten, Klaus: Mikro, MikroMakro oder Makro? Zum Verhltnis von Journalismus und PR aus systemischer Perspektive,a.a.O., S. 22 f.Getrennte Welten? Journalismus und PR in Deutschland9schlielich den Lesern, Zuschauern und Hrern die getroffene Auswahl. DiesemModellder Bezi ehung der handelnden Personen entspricht unter makrosozialemBlickwinkel die Einschtzung, Journalismus und PR seien zwei gleichrangigeKonstituenten eines publizistischen Systems22.Die Kritiker dieses Modells bezweifeln, dass Journalismus ohne PR inzwischen ebensoundenkbar geworden ist wie PR ohne Journalismus. Sie erinnern deshalb zum einenan jene ffentlichkeitsarbeit,die ihre Zielgruppen am Journalismusvorbeizuerreichen versucht beispielsweise durch eigene Publikationen mit enorm hoherAuflage. Zum anderen betonen sie die Bedeutung des investigativen Journalismus.Das IntereffikationsModellziele augenscheinlich darauf, die PR wissenschaftlichaufzuwerten. Es beschnige deshalb das Verhltnis zwischen PR und Journalismusund bezwecke eine grenzaufhebende Partnerschaftsideologie23. Das Modell blendeso gravierendeFehlentwicklungen und Fragen derMachtverschiebungin demBeziehungsgeflecht zwischen Journalisten und ffentlichkeitsarbeitern aus. Es sei zugespitzt PR fr PR24.Zu beachten ist schlielich, dass es sich bei dem IntereffikationsModell um eingedankliches Konstrukt handel t, das bisher nur zum Teil mit empirischen Datenbelegt werden kann. Der Erfinder ist sich dessen bewusst: Das Modell ist deskriptivund hat den Sinn, eine theoretischsystematische Grundlage fr empirische Studienbereit zu stellen.25 Die empirische Forschung hat also jetzt die dringende Aufgabe,Argumente zu sammeln, die dieses Modell sttzen oder in Frage stellen.22 Vgl. Bentele, Gnter: ffentlichkeitsarbeit. In: Jarren, Otfried/Sarcinelli, Ulrich/Saxer, Ulrich (Hg.): Politische Kommunikationin der demokratischen Gesellschaft. Opladen/Wiesbaden 1998, S. 695 f.23RuMohl, Stephan: Spoonfeeding, Spinning, Whistleblowing. Beispiel USA: Wie sich die Machtbalance zwischen PR undJournalismus verschiebt, a.a.O., S. 17024 Ebd.25Bentele, Gnter: Parasitentum oder Symbiose? Das Intereffikationsmodell in der Diskussion. In: Rolke, Lothar/Wolff, Volker(Hg.): Wie die Medien die Wirklichkeit steuern und selbst gesteuert werden. Opladen/Wiesbaden 1999, S. 182Getrennte Welten? Journalismus und PR in Deutschland103. Normative Vorgaben die Kodizes der PR und des JournalismusWo Politik ist oder konomie, da ist keine Moral.Dieser entmuti genden Analysedes PhilosophenFriedrichvonSchlegel solltenJournalisten und PRSchaffende trotzen.Gerade weilsie im Spannungsfeld vonpolitischen und konomischen Interessen agieren mssen, haben sie inberufsethischen Kodizes die Normen ihrer jeweiligen Profession zusammengefasst.Die Wissenschaft sagt: Die Kodizes verkrpern generalisierte Erwartungen an dasprofessionelle Handeln derKollegen,sie sindMastab frdas VerhaltendesEinzelnen und dienen gleichzeitig als Konfliktvermeidungsprogramme fr denBerufsstand als Ganzes26. Die Kritiker derKodizessagen:Ohne schlagkrftigeSanktionsmglichkeiten fehlt den berufsstndischen Regelwerken in der Regel dieDurchsetzungskraft, die Formulierungen sind an vielen Stellen zu allgemein und ohnegroeAussagekraft, es herrscht einhohes AbstraktionsniveauundzuwenigSystematik27. Die Kritik zielt dabei zum einen auf die im Pressekodex des DeutschenPresserates niedergelegten Grundstze, zum anderen auf die wichtigstenEhrenkodizes der ffentlichkeitsarbeiter also insbesondere aufden Code deLisbonne und den Regelkatalog der Deutschen Public RelationsGesellschaft (DPRG).Journalisten und ffentlichkeitsarbeiter finden in den Kodizes und den ergnzendenRichtlinien zwar einige Hinweise,wie sie in der heiklen Beziehung der beidenProfessionen anstndig agieren knnen, wie sie Zweifelsfragen entscheiden sollenund wie sie Konflikte fair lsen knnen. Auf allzu viel Hilfe in den Regelwerken solltensie jedoch nicht hoffen. Dies zeigte krzlich ein inhaltsanalytischer Vergleich vonzwlf nationalen und internationalen Presse und PRKodizes durch dieKommunikationswissenschaftlerin Juliana Raupp.ImResmee der Studie heit es, dass die Interaktion zwischen PR undJournalismus, von der die Qualitt der ffentlichen Meinungsbildung mageblichabhngt, kaum Beachtung in den Kodizes findet. Die konflikttheoretische Analyse dernormativen Selbstzuschreibungen zeigt vielmehr folgendes Bild: PR und Journalismus26 Vgl. Raupp, Juliana: Berufsethische Kodizes als Konfliktvermeidungsprogramme. PRKodizes und Pressekodizes im Vergleich.In: Altmeppen, Klaus Dieter u.a. (Hg.): Schwierige Verhltnisse. Interdependenzen zwischen Journalismus und PR.Wiesbaden2004, S. 182 f.27 Vgl. die Zusammenfassung der Diskussion ebd., S. 183 f.Getrennte Welten? Journalismus und PR in Deutschland11beziehen sich nichtaufeinandersie agieren nichteinmalnebeneinanderher.Sondern sie stehen wortwrtlich mit dem Rcken zueinander: Die PR hat die Seiteder Auftraggeber im Blick, die Journalisten das Publikum.28Das Zusammenspielzwischen Public Relations und Journalismus werde nur an wenigen Stellen alskonflikttrchtig antizipiert, weil wohl auf beiden Seiten nur eine geringe Befrchtungbestehe, dass die jeweils andere Seite Ansto an Normverletzungen nehmen knnte.Das Fazit der Forscherin: Die geringe Thematisierung des Verhltnisses zwischen PRund Journalismus in den Kodizes erscheint vor diesem Hintergrund alsinstitutionalisierte Verleugnungsstrategie.29Trotz dieser grundstzlichen Schwchen der Kodizes lohnt sich ein Blick in denWortlaut der verschiedenen Regelungen. Sie sind immerhin Grundlage der Arbeit desDeutschen Presserates beziehungsweise des Deutschen Rates fr Public Relations.! Der Europische Kodex der Verhaltensgrundstze in der ffentlichkeitsarbeit(Code des Lisbonne), der fr alle Mitglieder der Deutschen Public RelationsGesellschaft gilt, schreibt in Artikel 4 vor: Public RelationsAktivitten mssen offendurchgefhrtwerden.Sie mssen leichtals solche erkennbarsein,eine klareQuellenbezeichnung tragen und drfen Dritte nicht irrefhren. Nimmt man dieseRegelung beim Wort, ist es PRSchaffenden beispielsweise verboten, ber freieJournalisten getarnte PRArtikel zu lancieren. In diesem Fall wrden sowohl dieRedaktionals auchdieLeserindieIrregefhrt.Verboten istferner,dassffentlichkeitsarbeiter darauf hinwirken, dass ein von der PR bezahlter Artikel imredaktionellen Teil nicht als Anzeige gekennzeichnet wird. Artikel 15 ergnzt deshalb:Jeder Versuch, die ffentlichkeit oder ihre Reprsentanten zu tuschen, ist nichtzulssig.! Die Wirksamkeit dieser Grundregeln wird in der PRPraxis durch den geringenBekanntheitsgrad des Code de Lisbonne erschwert. Eine Umfrage30unterPressesprechern und PRFachleuten in Unternehmen zeigte 2005,dassknapp28 Ebd., S. 19329Ebd., S. 193 f.30 Studie der Hamburger PublicRelationsAgentur ad publica. In die Umfrage gingen Unternehmen verschiedener Branchen(Pharma, Energie, Telekommunikation, Geld und Kreditwirtschaft, Medien, Versicherungen) und Grenordnungen ein. Von1208 Befragten antworteten 328 (27,3 Prozent). Vgl. ad publica (Hg.): Zweite Umfrage zum Code de Lisbonne. Internetquellevom 9.5.2006: http://www.adpublica.com/upload/anhang/238_umfrage_code.pdfGetrennte Welten? Journalismus und PR in Deutschland1255 Prozent der Befragten den Ehrenkodex berhaupt nicht kannten. Dieses Ergebniswurde im gleichen Jahr durch eine zweite Studie besttigt: Bei einerMitgliederbefragung des Bundesverbands deutscher Pressesprecher gaben54 Prozent an, die wichtigsten Kodizes der PRBranche berhaupt nicht zu kennen38 Prozent kannten sie nur flchtig31.! In den sieben Selbstverpflichtungen eines Mitglieds der Deutschen PublicRelationsGesellschaft (DPRG) wird der Gedanke des Tuschungsverbots wiederaufgegriffen.Dort heit es zum einen: Ich bin mir bewusst,dass ich nichtsunternehmendarf, was die ffentlichkeit zuirrigenSchlssenundfalschemVerhalten veranlasst. Zumanderenmssen die Mitglieder folgenden Passusunterschreiben: Gegenber Journalisten und anderen Trgern ffentlicherVerantwortung wende ich keine unlauteren Mittel an.! Dieser GummiParagraph wird seit 1997 durch eine Richtlinie fr den Umgangmit Journalisten konkretisiert ein Papier mit zehn Punkten, eine Ausnahme in derWelt der Ehrenkodizes, wie die Analyse von Juliana Raupp gezeigt hat. Die Richtliniewidmet sich vor allemzwei heiklen Themen den Pressegeschenken undEinladungen32. An die Spitze stellt das Papier aber das Gebot der Transparenz:Wenn Unternehmen und andere Organisationen mit fest angestellten oder freienJournalisten PRBerater oder Autorenvertrge abschlieen, soll grundstzlichvereinbart werden, dass die Vertragspartner ihre Arbeitgeber oder hauptschlichenAuftraggeber (das sind in der Regel Redaktionen) darber unterrichten. Ob dieseKlausel in der tglichen Praxis der PRSchaffenden und der Kommunikationsstrategenimmer eingehalten wird, ist mehr als fraglich.31 Vgl. Bentele, Gnter/Grokurth, Lars/Seidenglanz, Ren: Profession Pressesprecher. Vermessung eines Berufsstandes. Berlin2005, S. 97 f. 672 Pressesprecher beteiligten sich an der Befragung.32Sechs der zehn Punkte beschftigen sich mit diesen beiden Problemkreisen. Das Papier findet sich im Internet unterhttp://www.drpronline.de/statische/itemshowone.php4?id=12 (Internetquelle vom 12.5.2006).Getrennte Welten? Journalismus und PR in Deutschland13DoppelagentenStehtdie deutsche Altersvorsorge vordem Bankrott? Zu dieserFrage hatteReinhold Beckmann am 20.Mrz 2006 NorbertBlm in seine ARDTalkshoweingeladen.Derehemalige Arbeitsund Sozialministerverteidigte im Interviewvehement das gesetzliche Rentensystem. Was Blm und die Fernsehzuschauer nichtwussten: Moderator Beckmann warb seit Anfang Mrz 2006 fr dieVersicherungsgruppe WWK. Sein Auftrag die Menschen von der Notwendigkeiteiner privaten Altersvorsorge zu berzeugen. Doch damit nicht genug: Auch derzweite Gast des Abends, die ZDFJournalistin Nina Ruge, warb bereits 2002 fr dieVersicherungsgruppe WWK. Munter griff sie immer wieder in das Gesprch mit Blmein und wies aufdie Bedeutung der Privatvorsorge hin derExMinister imZangengriff. Der fr Beckmann zustndige NDR wusste von nichts. Damit es nichtwieder zu einem solchen Fall kommt, wird uns Reinhold Beckmann in Zukunft, wievertraglich vorgesehen, ber seine Werbevertrge in Kenntnis setzen, gab derSender schlielich bekannt33.! In Artikel 5 des Code de Lisbonne heit es: In ihren Beziehungen zu anderenBerufsstnden und zu anderen Bereichen der sozialen Kommunikation respektierenPublicRelationsFachleute die dort geltenden Regeln und Praktiken, sofern diese mitden ethischen Grundstzen ihres eigenen Berufsstandes vereinbar sind. ber dieseBrcke entfaltet insbesondere der im Pressekodex fixierte Trennungsgrundsatz seineWirkung im Bereich der PR, so dass ffentlichkeitsarbeiter nicht zu Komplizenwerden drfen, wenn Redaktionen einen von der PR bezahlten Artikel im Gewandeines redaktionellen Textes verffentlichen wollen.!Artikel 14 des Code de Lisbonneumfasst schlielich die Pflicht zurBereitstellung von Informationen, soweit es die Wahrung des Berufsgeheimnisseszulsst. Verboten sind demnach beispielsweise Strafaktionen undInformationsblockaden gegen unliebsame Journalisten,die zu kritisch bereinUnternehmen, einen Verband oder eine Organisation berichtet haben. Artikel 1433Vgl. Simon, Ulrike: Doppelagent Beckmann. Wie der Moderator seine Sendung als Plattform fr das Thema Privatvorsorgenutzt. In: Der Tagesspiegel vom 26.4.2006, S. 31Getrennte Welten? Journalismus und PR in Deutschland14schreibt in diesemSinne weiterhin die Respektierung der Rechte und derUnabhngigkeit der Informationsmedien vor.AusgeladenDiese Pflichten sind nicht allen ffentlichkeitsarbeitern bewusst, wie das Beispieleiner freien Journalistin im Mai 2001 zeigte. Sie verffentlichte unter der berschriftPressionen der Lufthansa gegen kritische Presse einen Bericht ber dieStrafaktionen der Fluggesellschaft, nachdem die Lufthansa zuvor auf einen kritischenBericht der Sddeutschen Zeitung mit einer drastischen Krzung der Bordexemplarereagiert hatte. Auch der Artikel der freien Journalistin missfiel dem Unternehmen, dassie daraufhin prompt aus dem LufthansaPresseverteiler strich und nicht mehr zuPressekonferenzen einlud ein erhebliches Problem fr die auf Fluggesellschaftenspezialisierte Journalisti n.! Der Pressekodex streift den Umgang mit Public Relations nur. Er statuiert zwarin Ziffer 7 die klare Trennung zwischen redaktionellem Text und Verffentlichungenzu werblichen Zwecken. In den entsprechenden Richtlinien findet sich dann aber inBezug aufdie ArbeitderPublic Relations nurein schwammiges Gebot:DieGlaubwrdigkeit der Presse als Informationsquelle gebietet besondere Sorgfalt beimUmgang mit PRMaterial sowie bei der Abfassung eigener redaktioneller Hinweisedurch die Redaktionen.Das klingt gut,hilft aber in konkreten Grenzfllen nicht weiter. Was bedeutetbesondereSorgfaltbeispielsweise,wenn Anzeigenkunden beiTageszeitungenSonderseiten mit einem passenden thematischen Umfeld buchen? Was bedeutetbesondere Sorgfalt, wenn ein freier Autor auch fr die ffentlichkeitsarbeit einesbestimmten Unternehmens ttig ist? Weder eine kritische berprfung anhand vonweiteren Quellen noch eine umfassende Kennzeichnung von PRMaterial werden imPressekodex ausdrcklich angemahnt. Nur fr einen Fall enthlt der Kodex einekonkrete Vorgabe: In einer Richtlinie zu Ziffer 1 heit es: Pressemitteilungen, dievon Behrden, Parteien, Verbnden, Vereinen oder anderen Interessenvertretungenherausgegeben werden, mssen als solche gekennzeichnet werden, wenn sie ohneBearbeitung durch die Redaktion verffentlicht werden. Diese Richtlinie lsst vieleGetrennte Welten? Journalismus und PR in Deutschland15Fragen offen. Was soll beispielsweise gelten, wenn der Redakteur fr einen PRArtikel einen neuen Anfang schreibt? Es zeigt sich: Fr das heikle Verhltnis zwischenJournalismus und PR enthlt der Pressekodex in seiner bisherigen Form keineausreichenden Regelungen.! Der Deutsche Presserat prft derzeit selbst, ob die Regelung in Ziffer 7 und inden entsprechenden Richtliniendes Pressekodex noch streng genug ist:DieFormulierung war bisher ausreichend. Derzeit berarbeiten wir den Kodex, dabeiwird auch ber eine nderung der Ziffer 7 diskutiert.34Wein aus sterreichMit einer Reihe von Sonderseiten warben sterreichische Winzer im Frhling 2006 indeutschen Tageszeitungen fr ihre Weine. Der Tagesspiegel widmete den Winzernbeispielsweise Ende April 2006 unter der Rubrik Sonderthema eine ganze Seite,berichtete ber die Vorzge der sterreichischen Weinregionen und eine geplanteWeinprsentation in Berlin, nannte Berliner Weinhndler, die alle ein qualifiziertessterreichSortiment fhren, das perfekte Umfeld fr die entsprechende Anzeigeder sterreichischen Weinmarketinggesellschaft im unteren Drittel der Seite35. EineSeite mit purer PR ohne eindeutige Kennzeichnung.Das gleiche Bild bot sich wenige Tage spter in der Sddeutschen Zeitung. Unter derRubrik Wein aus sterreich Eine Sonderseite der Sddeutschen Zeitung wurdehier im Stile eines redaktionellen Berichts vom Roten Veltiner aus Niedersterreichgeschwrmt. Reisetipps und ein Winzerportrt rundeten die Seite ab36. Wieder einpassender Rahmen fr die Anzeige der sterreichischen Weinindustrie aber keinJournalismus.34 So die Sprecherin des Deutschen Presserats, Ilka Desgranges, im Interview mit dem Medienmagazin Insight. In: Insight, Heft4/2006, S. 3835Vgl. Der Tagesspiegel vom 30.4.2006, S. 1236 Vgl. Sddeutsche Zeitung vom 5.5.2006, S. 17Getrennte Welten? Journalismus und PR in Deutschland164. Journalismus und PR in der Praxis das Ausma der DurchdringungEs ist ein schnes, ein idyllisches Bild ein Bild, das uns von der pluralistischenInformationsgesellschaft und ihrem wichtigsten Akteur und Wchter, demJournalisten, berichtet: Eben dieser Journalist sitzt in seiner RedaktionsstubeVerbnde, Behrden und Unternehmen senden ihm Informationen zu. Er whlt aus,berprft, recherchiert, ergnzt. Er ist korrekt, kritisch, unbestechlich.Viele berufen sich bei der Diskussion um das Verhltnis von PR und Journalismus aufeben dieses Bild. Es ist der Mastab im Pldoyer fr ein sauberes Miteinander von PRund Journalismus. Denn geprfte PR, so heit es, sei nur eine Quelle von vielen,hilfreich statt gefhrlich.Dieser schne Gedanke hat nur einen gravierenden Fehler: Die oben beschriebeneIdylle istweitestgehend dahin.In den vergangenen Jahren hatdie PR massivaufgerstet, der Journalismus gleichzeitig abgerstet. Die ffentlichkeitsarbeit geflltsich schon lange nicht mehr in der Rolle des informierenden Dienstleisters.Siekolonialisiert den Journalismus.Zunchst die Zahlen: In Deutschland versorgen 30.000 bis 50.000 PRMitarbeiter37rund 48.000 hauptberufliche Journalisten38 mit Informationen. Whrend die Zahlhauptberuflicher Journalisten leicht rcklufig ist, hat sich die derffentlichkeitsarbeiter fast verdoppelt39. Wie ein Blick in die USA zeigt, knnte sichdieses Verhltnis noch massiv zu Ungunsten des Journalismus ndern. Dort gab esbereits zu Beginn der neunziger Jahre rund 120.000 Journalisten und 162.000 PRMitarbeiter. Zehn Jahre spter war die Zahlder ffentlichkeitsarbeiter auf ber200.000 gestiegen40. Auch fr Deutschland wird vermutet, dass die Zahl der PRMitarbeiter weiter steigen wird.Aber nicht nur zahlenmig hat die ffentlichkeitsarbeit aufgeholt, auch die Methodensind feiner geworden. Lngst dominieren nicht mehr die plumpen Botschaften. PR istjournalistischer geworden auch weil viele Journalisten die Seite gewechselt habenund genau wissen, was die Kollegen wnschen. So wandte sich beispielsweise der37 Diese ungenaue Schtzung stammt von der Deutschen Public RelationsGesellschaft (DPRG), vgl. die Internetquelle vom9.5.2006: http://www.dprg.de/statische/itemshowone.php4?id=39. Exakte Zahlen gibt es fr dieses Berufsfeld in Deutschlandnicht, vgl. Nuri, Pares: Journalismus und Public Relations. Wie der Teufel das Weihwasser? Grnde fr schlechten Journalismusund Folgen unzulssiger PRArbeit. Magisterarbeit 2005, S. 14 f.38Von dieser Zahl geht Prof. Dr. Siegfried Weischenberg in seiner Studie Journalismus in Deutschland II (2005) aus. Vgl. dieZusammenfassung wichtiger Daten und erster Befunde auf der Homepage unter http://www.journalistik.uni hamburg.de/(Internetquelle vom 12.5.2006)39Vgl. Preger, Sven: Mangelware Recherche. Mnster 2004, S. 100.40 Vgl. Goepfert, Winfried: Public Relations: Am Tropf der Industrie. In: Message 4/2003, S. 43Getrennte Welten? Journalismus und PR in Deutschland17Verband der privaten Krankversicherungen im Sommer 2002 mit einem fertigenDrehbuch fr ein Expertentelefon an zahlreiche Regionalzeitungen41. Andereinszenieren PseudoEreignisse, um die Mechanismen der Medienberichterstattung frsich zu nutzen.Schamane on TourEin Schamane geisterte im April 2006 durch die Sportteile der Regionalzeitungen: MitFedern, Ketten und Amuletten geschmckt stand Tzamarenda Naychapi aus Ecuadorbarfuss auf dem Rasen der deutschen WMStadien, richtete den Blick in die Ferneund reinigte die Arenen mit einer lautstarken Zeremonie von bsen Geistern, wie eshie. Dankbar druckten die Zeitungen die eindrucksvollen Fotos, Sender und OnlinePortale berichteten nicht immer mit dem Hinweis, dass der Schamane im Auftragder ecuadorianischen Tourismusindustrie durch Deutschland reiste, um mit seinenTnzen fr den Andenstaat zu werben42. Der lie sich die Tour rund 1,5 MillionenEuro kosten.Besonders geschickt im Zusammenspiel mit den Redaktionen ist die Initiative NeueSoziale Marktwirtschaft, die im Oktober 2000 vom Arbeitgeberverband Gesamtmetallgegrndet wurde und als LobbyInstrument neoliberaler Eliten in Unternehmen,Wissenschaft und Politik wirkt. Mit Hilfe der Initiative wollen sie wirtschaftsliberaleThemen auf die Agenda setzen und einen wirtschaftsfreundlichen Klimawechsel inder Gesellschaft erreichen43. Ihre Strategie zielt auf die ffentliche Meinung: Wer amEnde die Herrschaft in einer Debatte erringt, dem winkt der hchste Preis einePolitik nach seinem Gusto.44Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft kann dabei bis in das Jahr 2010 hineinmit rund 9 Millionen Euro jhrlich rechnen. Sie tritt mit Anzeigenkampagnen undInternetseiten in die ffentlichkeit und strebt vor allem nach medialer Prsenzihres neoliberalen Grundanliegens. Prominente Kuratoren und Botschafter wie Paul41 76 Vgl. Cario, Ingmar: Drehbcher fr Journalisten. Der Einfluss der PRIndustrie auf den Journalismus wird grer. Wie kanndie Entwicklung aufgehalten werden? Das Netzwerk Recherche schlgt jetzt umfangreiche Gegenmanahmen vor. In: Message,Nr. 2/2005, S. 84 bis 8742 Vgl. Ihle, Alf: Erste Besucher sind schon da. Internetquelle vom 9.5.2006: http://www.bild.tonline.de/BTO/sport/wirsindfussball/reise/schamane/artschamane.html43 Vgl. Speth, Rudolf: Die politischen Strategien der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft. Gutachten fr die HansBcklerStiftung. Dsseldorf, August 2004, S. 7 f.44Hamann,Gtz:Lautsprecherdes Kapitals.Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaftstreitetfrdie FreiheitderUnternehmen. In: Die Zeit, Heft 19/2005. Internetquelle vom 9.5.2006: http://zeus.zeit.de/text/2005/19/insmGetrennte Welten? Journalismus und PR in Deutschland18Kirchhof oder Lothar Spth untersttzen die Arbeit der Reforminitiative, indem sieGastbeitrge fr Tageszeitungen verfassen, Interviews geben oder in politischenTalkshows auftreten. Die Initiative pflegt zudem zahlreiche Medienpartnerschaftenmit Wirtschaftsmagazinen, uert sich mit Pressemitteilungen zu aktuellenpolitischen Fragen,produziertsendefertige TVBeitrge,bietetRedaktionen gutaufbereitete wissenschaftliche Analysen an, erschafft mit vermeintlich unabhngigenRankings oder Umfragen die gewnschten Schlagzeilen45und hat bereitsFernsehbeitrge der ARD mitfinanziert46. So verschwimmen im Ergebnis die Grenzenzwischen unabhngigem Journalismus, Interessenpolitik und PR.Die erstarkende PRIndustrie trifft auf einen schwchelnden Journalismus. Die Zeitfr Recherche wird immer knapper, Rationalisierung ist das Gebot der Stunde. DieArbeit wird auf immer weniger Schultern verteilt, die Redaktionen werdenausgednnt, die Zahl der Festanstellungen schmilzt der Deutsche JournalistenVerband schtzt, dass die Zahl der Redakteursstellen in den vergangenen Jahren umetwa 1500 zurckgegangen ist. Viele Redaktionen lassen einen Groteil der Arbeitvon freien Mitarbeitern erledigen, die aber oft extrem schlecht bezahlt werden.Damit forcieren sie die Vermengung von PR und Journalismus, weil viele Freie sichVerdienstmglichkeiten in der ffentlichkeitsarbeit suchen.Doch nicht nur Zeit und Personalmangel oder lcherliche Honorarhhen begrndenden groen Erfolg der Public Relations. Wenn PRMitteilungen unverndert ins Blattgehoben werden, ist dies auch ein Zeichen eines deformierten Selbstverstndnissesder Journalisten, ein Beweis fr mangelnde Distanz, fr mangelnde Unabhngigkeit.Wennsich Journalisten primralsDienstleisterfrSerivceInformationen,alsContentManager verstehenundnicht als Aufklrer oder Kritiker, gebensiewesentlich unbefangener einseitige Unternehmensinformationen an die Leserweiter47. Der Trend zumNutzwertjournalismus frdert dabei die Nhe zurffentlichkeitsarbeit. Wer im Sinne des Nutzens, nicht im Sinne der kritischenInformation arbeitet, fr den ist die Quelle seiner Textbausteine eher zweitrangig.45Ein Beispielist das BundeslnderRanking,das die von der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft definierte wirtschaftliche Dynamik misst. Die passenden Schlagzeilen sind bei solchen Vergleichen sicher. Vgl. ein Beispiel wie Ggen,Florian: Sachsen ist Spitzenreiter. Internetquelle vom 9.5.2006: http://www.stern.de/politik/deutschland/547095.html?nv=cb46Diese Vorgehen beschreibt vor allem Speth, Rudolf: Die politischen Strategien der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft,a.a.O., S. 22 ff.47 Vgl. Leif, Thomas: Vorwort. In: Preger, Sven: Mangelware Recherche. Mnster 2004. Leif weist darauf hin, dass das enormeRecherchedefizit in vielen Redaktionen nicht nur auf die schlechten ueren Bedingungen, sondern vor allem auf die innereHaltung der Journalisten zurckzufhren sei.Getrennte Welten? Journalismus und PR in Deutschland19Selbst PRProfis schockt das Ausma der bernahmefreudigkeit vieler Journalisten.Der Kommunikationsberater Klaus Kocks stellt klar, dass die ffentlichkeitsarbeiterlngst nicht mehr nur hoffen mssen, den Journalisten die Informationenunterschieben zu knnen. Seiner Ansicht nach gibt es von Seiten der Journalisteneine aktive Nachfrage nach PR, die nur noch mit Mhe zu befriedigen sei. Diesbeschrnke sich nicht auf die blichen Verdchtigen im Reise oderMotorjournalismus, sondern liee sich auf die Mitarbeiter der Politik oderWirtschaftsredaktionenausweiten. DasRollenbild derverfhrten Unschuld istmittlerweile eine verlogene Groteske, resmiert er48.FrKlaus Kocks kann der Parasit PR nur berleben, wenn das Wirtstier, derJournalismus, gesund ist. Ob dies noch gewhrleistet ist, ist indes mehr als fraglich.Die Grenzen zwischen unabhngigerBerichterstattung,dem Journalismus,undgekaufter Kommunikation, also PR, verschwimmen. Experten befrchten, dass diesder Tod beider Systeme sein knnte. Im Gegensatz zu vielen Vertretern des PRorientierten Journalismus, die davor warnen, die gegenseitige Durchdringung derSysteme zu dramatisieren, steht fr Kritiker dieser Entwicklung nicht weniger als dieExistenzgrundlage des Journalismus, seine Glaubwrdigkeit, auf dem Spiel49. Dennnur wenn die Mediennutzer glauben, dass Redaktionen unabhngig von singulrenInteressen die verffentlichten Informationen kritisch prfen, werden sie wohl aufDauer bereit sein, Geld fr die Medienprodukte zu bezahlen50. Anzeigenbltter gibtes schlielich gratis.Altersvorsorge mit der Sddeutschen ZeitungDie Sonderseiten der sterreichischen Winzer waren ein alltgliches Beispiel lngstwerden die Methoden verfeinert, die Verschmelzung zwischen Werbung, PR undredaktionellem Angebot wird perfektioniert. Ein Beispiel, wie nahe sich Redaktion undWerbekunde kommen, bot die Sddeutsche Zeitung am29./30.4.2006. EineSonderseiteunter der Rubrik AltersvorsorgewidmetesichdemThemader48Kocks, Klaus: Das neue Lobbyinstrument PR im Journalismus. In: Leif, Thomas/Speth, Rudolf: Die stille Macht. Lobbyismusin Deutschland. Wiesbaden 2003, S. 35149In die Kritik geriet jngst sogar der Deutsche JournalistenVerband DJV, als der Mitgliederzeitschrift journalist im Mai 2006eine 16seitige Verlagsbeilage der Bausparkasse Schwbisch Hallbeilag,die im Layout der DJVZeitschrift glich. DieKennzeichnung als Anzeige fehlte, die Seiten waren voll mit Werbebotschaften des Unternehmens. Keiner bringt mehrMenschen in die eigenen vier Wnde, hie es beispielsweise. Zur Kritik des OnlineDienstes Medienwatch und dem Vorwurfder Schleichwerbung vgl. die OnlinePressemeldung unter http://www.newsroom.de/news/display/index.cfm?id=339839(Internetquelle vom 13.5.2006).50Vgl. Mast, Claudia: Wirtschaftsjournalismus zwischen Kunden, Kohle und Kumpanei. In: Dokumentation des 6. MainzerMedien Disputs. New Journalism vom Kulturgut zum Wirtschaftsgut. Mainz 2001, S. 95.Getrennte Welten? Journalismus und PR in Deutschland20Privatrente. Die Fondsgesellschaft Pioneer Investments warb im unteren Drittel derSeite: Fr Ihre Altersvorsorge ist Ihnen das Beste gerade gut genug? Das sehen wirgenauso. Das bliche Prinzip der Sonderseiten.Doch damit nicht genug. Direkt in der Anzeige der Fondsgesellschaft fand sich einHinweis auf die Internetprsenz der Zeitung: www.sueddeutsche.de/altersvorsorge.Wer diesem Link folgte, whnte sich zunchst auf den Wirtschaftsseiten des Blattes,denn dem Leser wurden ausgewhlte Artikel der Sddeutschen Zeitung prsentiert.Stutzig machen konnte allerdings die einseitige Botschaft der Texte. Das Netz wirddnner. Altersvorsorge geht jeden an, hie es zum Beispiel. Eine Grafik mit einerabstrzenden Kurve warnte: Das Rentenniveau sinkt dramatisch. Kein Wunder: DieInternetseite war nichts anderes als die Fortsetzung der gedruckten Sonderseite imInternet, die bloe Fassade eines redaktionellen Angebots. Wer sehr genauhinschaute,fand in hauchdnner,mikroskopisch kleinerSchriftschlielich denHinweis: Anzeige Dies ist ein Angebot von Pioneer Investments inZusammenarbeit mit sueddeutsche.de GmbH. Fr die Inhalte ist Pioneer Investmentsverantwortlich.Noch so ein Traumbild, das stndig beschworen wird: die Reinheit der Lehre, die amIdealdes unabhngigen und kritischen Journalisten orientierte Ausbildung desNachwuchses. Doch selbst an Hochschulen und Journalistenschulen verschwimmenlngstdie Grenzen zwischen Journalismus und Public Relations obwohldochgerade hier den angehenden Journalisten die ehernen Grundstze ihres Berufesvermittelt werden mssten: Der Journalist informiert im Interesse der ffentlichkeit.Er ist nur ihr verpflichtet. Der ffentlichkeitsarbeiter betreibt Auftragskommunikation. Fest steht daher: Es gibt eine klare Trennung zwischen PR undJournalismus.Junge Journalisten, die diesen Dreischritt begriffen haben, sind zumindesttheoretisch gerstet, die notwendige Distanz zur ffentlichkeitsarbeit auch bei ihrertglichen Arbeit in den Redaktionen zu halten, die Trennung der Professionen zurespektieren, Grenzberschreitung zu bemerken und zu vermeiden.Getrennte Welten? Journalismus und PR in Deutschland21Nun sprieen seit Jahren vor allem an den Fachhochschulen Studiengnge, die vondieser Trennung nichts mehr wissen wollen51. Die FachhochschuleGelsenkirchen beispielsweise bietet den BachelorStudiengang Journalismus undPublic Relationsan.Dieser,so erklrtdieHochschule aufihrerHomepage,verknpftzweiAusbildungen,die in Deutschland bislang getrenntangebotenwurden: die Ausbildung zum Journalisten und die Ausbildung zumffentlichkeitsarbeiter. Der Studiengang trgt damit der engen Verzahnung vonJournalismus und Public Relations im Alltag Rechnung.52Die Fachhochschule Kln bildet in einem BachelorStudiengang zum OnlineRedakteuraus.Auch hierwirdim Internet53damitgeworben,dass frdieAbsolventen dieses Studienganges die altmodische Unterscheidung zwischen PR undJournalismus lngst nicht mehr gilt: Die Absolventen knnen sowohl in den OnlineRedaktionen von Medienbetrieben als auch in den OnlineRedaktionen andererWirtschaftsunternehmen arbeiten.Und in der Selbstdarstellung des JournalistikStudienganges der FachhochschuleMagdeburgStendal ist die PR bereits zu einem Teil des Journalismus geworden.ber die Ausbildung heit es auf der Homepage: Sie qualifiziert fr den gesamtenBereich des Journalismus. Dies umfasst journalistische Ttigkeiten bei den aktuellberichtenden Massenmedien (Zeitung und Zeitschrift,Hrfunk undFernsehen,OnlineMedien),aberauch Ttigkeiten im Bereich derffentlichkeitsarbeit/PR(Pressestellen, Unternehmenskommunikation/Corporate Publishing, Agenturen).54Das Bild an der Klner Journalistenschule fr Politik und Wirtschaft isthnlich: Schon in der Grundausbildung konzentrieren sich die angehendenRedakteure auf die Schwerpunkte Lokaljournalismus und ffentlichkeitsarbeit. Derzweite Teil der Ausbildung in Kln die Qualifikation zum Fachjournalist fr Politikund Wirtschaft beinhaltet dann zwingend ein Praktikum in derffentlichkeitsarbeit. Auch den Ausbildern der mutmalichen journalistischen Elitescheint die tradierte Trennungnicht mehr heilig zu sein: Christoph Fasel,Frsprecher des Nutzwertjournalismus und seit dem vergangenen Jahr Leiter der51Dass dies nicht der richtige Weg ist, zeigte im Mai 2006 auch ein Hochschulranking des Wirtschaftsmagazins karriere. DasRanking basierte auf einer Befragung von Studierenden und Absolventen sowie von Personalverantwortlichen aus groenUnternehmen. Im Bereich Medien landete die Universitt Leipzig auf dem ersten Platz, die zwischen Journalistik und PR trennt.Nach Aussage von karriere befrworteten die Studenten in der Befragung klare Ausbildungsprofile. Vgl. Borghard, Liane:Blten im Wildwuchs. Hochschulranking 06/07. In: karriere, Heft 5/2006, S. 5752 Vgl. den OnlineAuftritt des Studienganges unter http://www.fhgelsenkirchen.de/ (Internetquelle vom 12.5.2006)53Vgl. den Auftritt des Studienganges unter http://cms.onlineredakteure.com/html/ (Internetquelle vom 12.5.2006)54 Vgl. den OnlineAuftritt unter http://www.hsmagdeburg.de/studium/moegl/stgjmm.html (Internetquelle vom 12.5.2006)Getrennte Welten? Journalismus und PR in Deutschland22Hamburger HenriNannenSchule, ist laut Homepage55heute noch Berater undPartner der Stuttgarter Kommunikationsagentur WortFreunde, die im Internet vorallem fr ihre przise ffentlichkeitsarbeit wirbt. Wir bearbeiten Anfragen vonJournalisten,platzieren gezieltInformationsmaterial,Statements und Beitrge,versprechen die WortFreunde dort.5. Die Diskussion um den Medienkodex(a) Die Hauptargumente der KritikerDie Realitt ist eine andere.56Kritiker werfen dem Netzwerk Recherche vor, das Gebot Journalisten machen keinePR zeuge zwar von guter Gesinnung, sei aber realittsfremd und naiv. Es gehevoller Ignoranz an den Arbeitsbedingungen vieler freier Journalisten vorbei, dieangesichts der kargen Honorare von Verlagen und Sendern immer hufiger zurAnnahme von PRAuftrgen gezwungen seien.Dem Netzwerk Recherche sind die Sorgen der freien Kollegen gut bekannt, viele vonihnen sind als Mitglied im Netzwerk Recherche organisiert.Deshalb fordert derMedienkodex ausdrcklich die in den Medienunternehmen Verantwortlichen auf, dieJournalisten bei der Umsetzung der Grundregeln tatkrftig zu untersttzen. DasNetzwerk Recherche sieht also Verlage und Sender in der Pflicht, die fr eineunabhngige Berichterstattung notwendigen Arbeitsbedingungen zu gewhrleisten.Gerade in strmischen Zeiten hlt das Netzwerk Recherche es aber fr dringenderforderlich, auch fr den einzelnen Journalisten ein Leitbild zu formulieren, um ihmeinen Orientierungspunkt fr die journalistische Praxis zu geben. Die gegenwrtigeMelange von PR und Journalismus die Wirklichkeit darf nicht zur Normalittwerden, das wre die achselzuckende Kapitulation, das Ende des unabhngigenJournalismus. Der Satz Journalisten machen keine PR enthlt fr das NetzwerkRecherche deshalb zwei Dimensionen. Erstens mssen journalistische Produkte freivon PRBotschaften bleiben. Zweitens appelliert das Netzwerk Recherche an deneinzelnen Journalisten: Lass dich nicht fr bestellte Wahrheiten einkaufen!55 Vgl. den OnlineAuftritt der Stuttgarter Kommunikationsagentur WortFreunde unter http://www.wortfreun.de/ (Internetquellevom 12.5.2006). Das Portrt von Christoph Fasel erscheint dort in der Rubrik Geschftsfhrung.56Karin Wenk, verantwortliche Redakteurin der medienpolitischen ver.di Zeitschrift M Menschen machen Medien, in Heft4/2006, S. 7Getrennte Welten? Journalismus und PR in Deutschland23Da hat sich etwas unentwirrbar vermischt, was Ihr fr trennbar haltet.57Manche Kritiker behaupten,Journalismus und PR seien bereits so miteinanderverschmolzen, dass eine Trennung der beiden Disziplinen unmglich geworden sei.Sie sagen: Journalisten machen pausenlos PR.58Fr das Netzwerk Recherche istdiese Haltung der journalistische Offenbarungseid, eine Bankrotterklrung aus bloerBequemlichkeit. Gerade weilder Einfluss der PR auf den Journalismus wchst,mssen wir ber die Gefahren der beginnenden Verschmelzung debattieren. Geradeweil es immer mehr Grenzberschreitungen gibt, mssen wir diesen gefhrlichenTrend stoppen und zur Normalitt zurckkehren.Transparenz und Legitimation sind zwei Voraussetzungen, will man sichzum Sprachrohr einer Branche machen. Die aber sind nicht erfllt.59Dem Netzwerk Recherche wird vorgeworfen, der Medienkodex sei in Hinterzimmernallein von einer Gruppe fest angestellter Journalisten entworfen worden. Das istfalsch. Das Netzwerk Recherche hat mehr als drei Jahre an dem Papier gearbeitet.Das Zwischenergebnis der Debatte die Leitlinien fr einen serisen Journalismus wurde in zahlreichen Publikationen des Netzwerks Recherche verffentlicht und am21.4.2004 in der Frankfurter Rundschau dokumentiert. Auf mehrerenFachkonferenzen haben sich viele freie Journalisten und Kommunikationswissenschaftler beteiligt, im Januar 2006 wurde der Medienkodex schlielich in eineroffenen Veranstaltung debattiert und zur Abstimmung gestellt. Auffllig ist, dass esauf all diese Verffentlichungen keine Reaktionen der Kritiker gab.57 So die V.i.S.d.P. Redaktion in einem Offenen Brief an das Netzwerk Recherche, Heft 2/2006, S. 4458Ebd.59 So die V.i.S.d.P. Redaktion in Heft 3/2006, S. 26Getrennte Welten? Journalismus und PR in Deutschland24(b) Die Forderungen des Netzwerks RechercheJournalismus und Public Relations haben in der demokratischen Gesellschaftunterschiedliche Funktionen.Es sind zweiganz eigene Welten,zweigetrennteProfessi onen, zwei vllig unterschiedliche Aufgaben im Mediensystem. Journalistensammeln Informationen aus vielen Quellen, sie wgen ab, sie wrdigenunvoreingenommen und unbeeinflusst das Ergebnis ihrer Recherche. Die Arbeit derPublic Relations hingegen ist in ihrem Kern interessengeleitet, sie orientiert sich anAuftrgenundvorgegebenenKommunikationszielen, sieblendet unerwnschteFakten aus und prsentiert bestellte Wahrheiten.Um die fortschreitende Unterwanderung des Journalismus durch PRBotschaften zustoppen, fordert das Netzwerk Recherche seit lngerem ein ganzes Bndel vonManahmen. In Anlehnung an das NRPositionspapier zum Verhltnis von PR undJournalismus aus dem vergangenen Jahr60 heit das vor allem:Kennzeichnungspflicht fr PRJournalismusInsbesondere das Unwesen der Sonderseiten und Sonderbeilagen muss beendetwerden. Den Lesern darf mit diesen neutral klingenden Bezeichnungen nicht lngervorgegaukelt werden, sie htten ein von unabhngigen Journalisten gestaltetesredaktionelles Angebot vor sich. Die deutliche Benennung des Auftraggebers solcherSeiten ist erforderlich. Sie wrde verhindern, dass PRProfis die Glaubwrdigkeit derRedaktion fr ihre Zwecke missbrauchen und dass Leser in die Irre gefhrt werden.Klare Trennung von PR und Journalismus in der AusbildungSchon in der Hochschulausbildung von Journalisten und PRNachwuchs muss aufeine klare Trennung derProfessionen geachtetwerden.Nichtakzeptabelsinddeshalb Studiengnge und Ausbildungsangebote der Journalistenschulen, die denUnterschied zwischen unabhngiger Berichterstattung und Auftragskommunikationverwischen.Przisierung und Verschrfung des PressekodexDas Netzwerk Recherche begrt die laufenden Korrekturen des Pressekodex underwartet eine erkennbare Verschrfung und Przisierung. Das in Ziffer 7 fixierte60Unter http://www.netzwerkrecherche.de/docs/NRPositionspapier_PR_Journalismus.pdf zum Download (Internetquelle vom12.5.2006).Getrennte Welten? Journalismus und PR in Deutschland25Trennungsgebot zwischen Redaktion und Werbung muss sinngem auch fr PRgelten.Verzicht der PRSchaffenden auf ManipulationenDie in den PRKodizes bereits normierten Gebote und Verbote drfen nicht nur aufdem Papier stehen. Sie mssen zum Mastab der tglichen PRArbeit werden. DiePRBerufsverbnde sind deshalb aufgerufen, den Bekanntheitsgrad der Ehrenkodizeszusteigern, auf ihreEinhaltungzupochenund eineintensiveKontrollezugewhrleisten.Angemessene VergtungSenderund Verlage mssen fr eine ausreichende materielle Absicherung derJournalisten und fr bessere Arbeitsbedingungen in den Redaktionen sorgen. Nichtzuletzt mssen sie Leitlinien zur Sicherung einer unabhngigen Berichterstattungentwickeln oder den vorliegenden Regelwerken mehr Geltung verschaffen.Getrennte Welten? Journalismus und PR in Deutschland266. Die Einschtzungen der Journalistengewerkschaften(a) Interview mit Michael Konken, DJVVorsitzenderPresse und ffentlichkeitsarbeiter sind JournalistenHerr Konken, welchen Einfluss hat die PR Ihrer Ansicht nach heute aufredaktionelle Inhalte?Konken: Zwei Begriffe werden heute hufig durcheinander geworfen: PR auf dereinen Seite und Werbung auf der anderen. Hufig meint man Werbung spricht abervon PR. PR aber ist Presse und ffentlichkeitsarbeit und damit etwas vllig anderesals Werbung. ffentlichkeitsarbeit ist die Pflege ffentlicher Beziehungen und sollVertrauen zwischen den Kommunikatoren gestalten. Werbung dagegen willKaufentscheidungenbeeinflussenundforcieren. Einkonkreter Fall warendieProductPlacementFlle im ffentlichrechtlichen Rundfunk.Wenn ich von PR spreche, meine ich ffentlichkeitsarbeit, die natrlichimmer auch gleichzeitig versucht, Werbebotschaften zu platzieren.Konken: ffentlichkeitsarbeit platziert keine Werbebotschaften. Presse undffentlichkeitsarbeit sind Pressemitteilungen oder Newsletter, Tage der Offenen Tr,Podiumsveranstaltungen oder Ausstellungen also Information in unterschiedlicherForm. Das ist eine Stufe in der Kommunikation, whrend Werbung einen Kaufanreizschaffen soll.ffentlichkeitsarbeit ist aber doch mehr als bloe Beziehungspflege undGestaltung von Vertrauen. ffentlichkeitsarbeiter wollen und mssen dieBotschaften ihrer Auftraggeber platzieren,sie sollen ber die Medienbestimmte Interessen vertreten. ImFalle eines Falles verhindernPressesprecher heute kritische Berichterstattung und werden besondersin den heiklen Branchen und der Politik oft zu Gegnern einer freienBerichterstattung. Wie bewerten Sie diese empirisch gesichertenErkenntnisse?Konken: Die Aufgabe von Pressesprechern, so wie der DJV sie versteht, ist es zuinformieren und zwar unter anderem ber ihre Auftraggeber zu informieren. Dassbestimmte Positionen vertreten werden, wenn man fr sein Unternehmen, seineOrganisation oder seine Partei spricht, ist offenkundig und kein Geheimnis undkann auch zur Information gehren. Die Aufgabe der neutralen und kritischenDarstellung liegt bei den recherchierenden Journalisten.Zurck zu unserer Ausgangsfrage: Haben jene, die versuchen, Botschaftenin den redaktionellen Teilen zu platzieren, Erfolg?Konken: Die Situation in den Redaktionen ist unter anderem durch die personelleAusstattung mittlerweile so schlecht geworden, dass Journalisten, die oft unterGetrennte Welten? Journalismus und PR in Deutschland27Zeitdruck stehen, auch Pressemitteilungen nahezu eins zu eins abdrucken. Frher hatdie Recherche einen groen Teil unserer Arbeit ausgemacht, heute fehlt dafr oft dieZeit. Das Hinterfragen, wer hinter einer Pressemitteilung steht, und die kritischeAufbereitung der Informationen bleiben auf der Strecke und so finden auchgezielte Botschaften ihren Weg in die Medien.Haben Sie denn den Eindruck, dass diese Phnomene den Journalismusverndern?Konken: Ja, sie verndern den Journalismus mit Sicherheit. Die Objektivitt und dieTrennlinie, die wir zur Wahrung dieser Objektivitt bisher ganz klar ziehen wollten,werden aufgeweicht. Die Profis auf der Werbeseite wissen, wo die Schwachstellensind und wie sie Meldungen platzieren knnen.Problematisch ist auch, dass die Verleger diese Entwicklung nicht verhindern. Inmanchen Fllen wird sogar Druck auf die Redaktionen ausgebt, bestimmte Firmennicht negativ oder eher positiv darzustellen. Ein Beispiel: In Hamburg stand krzlichdie Anzeige einerBrauereineben einem Artikelber eine Schlgereiin einerGaststtte.Die Brauereibeschwerte sich,dass diese Platzierung ihrem Imageabtrglich sei. Die Anzeige musste daraufhin noch einmal geschaltet werden. Undsolche Flle gibt es immer wieder.Auch habe ich neulich einen ARDBeitrag gesehen,in dem das Cafe Einsteinmehrfach als Treff von Journalisten und Politikern erwhnt wurde. Und zwei Tagesptererzhlte mirein Bekannter:Ich warim Cafe Einstein,das wurde imFernsehen erwhnt, datreffensich Politiker und Journalisten. Er seigleichhingegangen und habe einen Kaffee getrunken. Man htte im Beitrag natrlich auchsagen knnen:Ein bekanntesCafe in BerlinMitte.Aberselbstim ffentlichrechtlichen Rundfunk werden solche unbewussten Werbebotschaften vermittelt.Sehen Sie angesichts dieser Flle den Journalismus regelrecht in Gefahr?Konken:Eine gewisse Gefahristtatschlich gegeben und derEinflusswirdmglicherweise noch grer werden. Es fehlt die Absicherung der Journalisten, diesie frher hatten, als die Verleger und Intendanten noch sagten: Wir stehen fr dieklare Trennung zwischen Journalismus und werblichen Botschaften. Das ist heutenicht mehr so, weil viele Verleger und Geschftsfhrer strker wirtschaftlich denken.Sie sehen die Gewinnmaximierung als Ziel und dass wirkt sich auf die Redaktionenaus. Redaktionen mssen heute vermehrt so berichten, dass auch die Gewinnestimmen.Die Werbestrategen sehen dadurch eine gnstige Situation, um Kosten zu sparen.Die redaktionelle Erwhnung ist erstrebenswert, weil die Glaubwrdigkeit hher istals bei einer Anzeigenschaltung. Insofern werden die Werbestrategen knftig alleMglichkeiten nutzen, um sich auch redaktionell mehr Einfluss zu verschaffen.Getrennte Welten? Journalismus und PR in Deutschland28Um dieser Gefahr vorzubeugen: Muss die Ausbildung von PRMitarbeiternnicht strikt von der journalistischen Ausbildung getrennt werden?Konken: Es ist ja in der Realitt bereits in der Regel so, dass ein Volontariat in einerPressestelle sich von Volontariaten in Redaktionen unterscheidet. Dennoch ist eswichtig, dass auch in Pressestellen das komplette journalistische Rstzeug mit an dieHand gegeben wird, und auf der anderen Seite die Redaktionsvolontre ber diespezifischen Arbeitsweisen und Aufgaben in Pressestellen aufgeklrt werden. Soknnen eine effektive und transparente Zusammenarbeit beider Seiten gesichert undein Beitrag zur journalistischen Unabhngigkeit geleistet werden.Was halten Sie von der Aussage,dass sich Journalismus und PR sounentwirrbar miteinander vermischt haben, dass eine Trennung der beidenDisziplinen gar nicht mehr mglich sei?Konken: Eine klare Trennung ist in der Tat schwieriger geworden. Das eigentlicheProblem ist allerdings, dass Werbestrategien ebenfalls Einfluss nehmen. Ein Beispiel:Jemand schreibt ein neues Buch, geht in die Talkshows und macht dort Werbung frdas Buch. Und wir Journalisten stellen die Bcher vor. Da ist mittlerweile ein Knuelentstanden, das schwer zu entwirren ist.Ich glaube, die Diskussion der Zukunft muss dahin gehen, die Grenzen wieder klarerzu ziehen und zu sagen: Was verstehen wir unter Presse und ffentlichkeitsarbeit?Und was unter Werbung? Was knnen wir eigentlich noch dulden und wo sind dieklaren Abgrenzungen notwendig?Sie haben jetzt gesagt, dass es schwieriger geworden sei, eine klareTrennung wieder einzufhren. Halten Sie es denn fr unmglich?Konken: Nicht fr unmglich. Aber es ist nicht leicht und braucht Kriterien. Ganzwerden wir es nicht schaffen,dazu fehlen die personellen Ressourcen in denRedaktionen und das Verstndnis der Verleger und Intendanten. Weiterhelfen kannuns die ffentliche Diskussion,wenn Flle von fehlender Trennung aufgedecktwerden.Ein gutes Beispiel ist der vom DJVMitglieder und Medienmagazin journalist inZusammenarbeit mit epdmedien aufgedeckte Schleichwerbungsskandal rund um dieARDSerie Marienhof: epdmedienRedakteur Volker Lilienthal hat viele Monate vordem Fernseher gesessen, um die Affre aufzuarbeiten. Dem Normalbrger und auchden meisten Journalisten ist die Schleichwerbung nicht oder kaum aufgefallen. Undauch Lilienthal hat gesagt, er musste sich eine Sendung oft mehrfach anschauen, umzu erkennen, wo die Werbebotschaft versteckt ist. Wir lesen Berichte einmal durch,wir sehen Sendungen einmal: Dabei nehmen wir Beeinflussungen nur imUnterbewusstsein wahr, erkennen die Missstnde nur selten bewusst.Getrennte Welten? Journalismus und PR in Deutschland29Die Ansicht, dass eine Trennung nicht mehr mglich wre, wird aber auchgeuert, einfach weil es bequem ist.Konken: So ist es. Aber diese Bequemlichkeit darf nicht endgltig sein. Es ist auchunsere Aufgabe, das Voranschreiten solcher Probleme zu verhindern. Sonst sind wirirgendwann alle nur noch Schreiber der Werbeszene.Man muss sich also Mhe geben. Sind denn, wie ich es auch noch gelernthabe, Journalismus und PR zwei ganz deutlich voneinander getrennteDisziplinen?Konken: Zwei Disziplinen, aber in beiden wird journalistisch gearbeitet. Klar trennendavon muss man wie bereits erwhnt Werbung und hnlicheKommunikationsinstrumente.Der DJV schreibt zum Berufsbild des Journalisten, dass Journalisten ihrenBeruf ausben als fest Angestellte oder als Freie oder aber im Bereich derffentlichkeitsarbeiteines Wirtschaftsunternehmens,einerVerwaltungoder einer Organisation. Das hat michberrascht. Wennmandasweiterdenkt,sind ja per Definition diejenigen,die PR machen,ihrerAnsicht nach Journalisten?Konken: Presse und ffentlichkeitsarbeit, die im DJVBerufsbild genannt wird, dientder Informationsvermittlung, was journalistische Ttigkeiten erfordert. Das Berufsbildmacht dies deutlich, indem es besagt, dass ffentlichkeitsarbeit die interne undexterne Kommunikation, die Medienarbeit und die direkte Information derffentlichkeit umfasst. Ein Beispiel: Das Informationsfreiheitsgesetz und dieLandespressegesetze sehen vor,dassdie Behrden unsInformationen gebenmssen. Diese Informationsvermittlung wird in den Behrden in der Regel von denPressestellen, von den Journalisten in Presse und ffentlichkeitsarbeit,vorgenommen. Sie sammeln Informationen und bereiten sie so auf, dass sie an dieJournalisten drauen weitergegeben und von diesen auch weiterverarbeitet werdenknnen.Aber als ffentlichkeitsarbeiter lasse ich doch eher Sachen weg.AlsJournalist muss ich das Ganze darstellen...Konken: Das ist die Frage, wie ich mit ffentlichkeitsarbeit umgehe. Im Idealfalllsst auch der ffentlichkeitsarbeiter nichts weg. Natrlich ist dieser Idealfall nichtimmer gegeben. Dennoch baut der ffentlichkeitsarbeiter durch umfassendeInformationen Vertrauen zu den Journalisten auf, was ja eines der Ziele der Presseundffentlichkeitsarbeit ist. Er hat alsoaucheinInteressedaran, sovieleInformationen weiterzugeben wie mglich.Sind es denn nicht vllig unterschiedliche Berufsrollen ffentlichkeitsarbeit und Journalismus?Konken: Nein. Beide Seiten haben die Aufgabe zu informieren. Einige Unterschiedegibt es natrlich: Die eine Seite arbeitet fr ihr Unternehmen, ihre Organisation, dieGetrennte Welten? Journalismus und PR in Deutschland30andere Seite im Auftrag der ffentlichkeit. Der Journalist erhlt Informationen vondem Informationsmittlern in den Pressestellen, die so ihrem Informationsauftragnachkommen. Und es ist dann Aufgabe des Journalisten, die Informationen soaufzubereiten, dass sie zur Meinungs oder Willensbildung oder auch derUnterhaltung der Brger beitragen. Es ist seine Entscheidung, was er mit derInformation macht. Stellen Sie sich einmal vor, die Informationen undStellungnahmen der Pressestellen wrden ausbleiben. Ein wichtigerInformationskanal fr die Redaktionen wrde fehlen.Ihrer Ansicht nach arbeiten also Journalisten und ffentlichkeitsarbeiterjournalistisch?Konken:Die Arten,wie gearbeitetwird,sind aufgrund derunterschiedlichenAufgaben nicht vollkommen identisch. Dennoch arbeiten beide Gruppenjournalistisch, denn beide tragen Informationen zusammen, bereiten diese auf undstellen sie einer ffentlichkeit oder Teilffentlichkeit zur Verfgung.Also macht es Ihrer Ansicht nach auch Sinn, beide unter dem BegriffJournalist zusammenzufassen?Konken: Ja, natrlich. Entscheidend ist die journalistische Arbeit. Und zurjournalistischen Arbeit gehren das Recherchieren, das Erstellen von Texten undBeitrgen und die Kommunikation. Und insofern knnen beide unter dem OberbegriffJournalist zusammengefasst werden.Welche Rolle spielen solche ffentlichkeitsarbeiter in Ihrem Verband?Konken: Rund acht Prozent unserer Mitglieder sind in der Presse undffentlichkeitsarbeit ttig. Wichtig fr uns ist, dass ihre Aufgaben dem Berufsbildentsprechen, dass sie also tatschlich fr die Presse und ffentlichkeitsarbeit undnicht fr die Werbung zustndig sind.Und was passiert, wenn Sie herausfinden, dass jemand in der Werbungttig ist?Konken: Wenn der Landesverband, in dem die Mitgliedschaft beantragt wird oderbesteht, herausfindet, dass jemand nicht hauptberuflich als Journalist ttig ist, wirdder Antrag auf Mitgliedschaft abgelehnt oder die Mitgliedschaft nachtrglich beendet.Im Gesprch ist, dass rund 30 Prozent ihrer Mitglieder oder sogar mehr inder ffentlichkeitsarbeit ttig sind. Wie bewerten Sie diese Zahlen?Konken: Ich wei nicht, wo Sie diese Angabe gehrt haben, sie stimmt auf jedenFall so nicht. Unsere eigenen aktuellen Erhebungen besagen, dass rund acht Prozentder DJVMitglieder hauptberuflich in der Presse und ffentlichkeitsarbeit ttig sind.Getrennte Welten? Journalismus und PR in Deutschland31Haben Sie denn Zahlen, wie viele der freien Journalisten ffentlichkeitsarbeit machen?Konken: Nein. Wir wissen natrlich, dass es freie Journalisten gibt, die sowohlredaktionell als auch in der ffentlichkeitsarbeit ttig sind meist, weil sie sichaufgrund der schwierigen Auftragslage im Medienbereich anders nicht mehr berWasser halten knnten.Meinen Sie denn, dass es ein freier Journalist tatschlich schaffen kann,sowohl fr Redaktionen als auch fr Pressestellen zu arbeiten?Konken: Es ist sicherlich nicht leicht, seine Unabhngigkeit in einem solchen Fallvollstndig zu bewahren, aber es ist mglich. Es geht hier insbesondere um dasSelbstverstndnis des Journalisten, das stimmen muss. Gleiches gilt aber in hnlicherWeise doch auch fr den Journalisten in der Redaktion, der Pressemitteilungenbekommt. Alle Journalisten mssen sich bewusst werden, dass die Gefahr besteht, inAbhngigkeit zu geraten und dieser Gefahr durch sorgfltige Arbeitentgegentreten.Wie schafft ein Journalist das?Konken:Indem ersich fragt,was seineAufgabeals Journalistist,welcheVerpflichtung er da hat, die ffentlichkeit unabhngig zu informieren. Und er mussdie Trennlinie zur Werbung beachten deshalb pochen wir auch im Pressekodex aufeine Trennung zur Werbung und nicht zur Presse und ffentlichkeitsarbeit.Der Freie knnte also gleichzeitig fr die eine und die andere Seitearbeiten?Konken: Ein freier Journalist sollte berwiegend journalistisch arbeiten. Wenn eraber fr seinen Lebensunterhalt auch Texte fr die ffentlichkeitsarbeit macht,arbeitet er ja in der Regel weiterhin journalistisch. Wir appellieren nur an ihn, sobewusst zu trennen, dass er nicht in eine Abhngigkeit gert.Sie wissen,dass es im Medienkodex des Netzwerk Recherche unteranderem heit: Journalisten machen keine PR.Konken: Fr mich ist der allgemein anerkannte Pressekodex ausschlaggebend, derdie Trennlinien aufgezeigt.Was spricht denn gegen diese Formulierung?Konken: Wenn man PR als Presse und ffentlichkeitsarbeit versteht, handelt essich um journalistische Arbeit. Presse und ffentlichkeitsarbeiter sind Journalisten.Getrennte Welten? Journalismus und PR in Deutschland32Der Presserat arbeitet gerade an der nderung des PRPassus imPressekodex. Wie bewerten sie das?Konken: Der Presserat formuliert gerade den Pressekodex neu. Davon ist Ziffer 7nur ein Teil. Vor einer Bewertung sollten wir auf den endgltigennderungsvorschlag warten.WiebewertensiedieTatsache, dassgeradedieDPRGundanderePRVerbnde sowie die neue Interessenvertretung der Pressesprecher denMedienkodex von Netzwerk Recherche sehr loben?Konken: Natrlich steht jedem Verband und jeder Interessenvertretung eine eigeneMeinung zu. Mich interessieren jedoch die Meinungen der DJVMitglieder und unterdiesen habe ich berwiegend negative Stimmen gehrt.Nun sind ja die Interessen von Journalisten und ffentlichkeitsarbeiternnicht immer identisch. Macht sie das als Verband nicht unglaubwrdig,wenn sie sich fr beide uern?Konken: Nein, warum? Auch ffentlichkeitsarbeiter fallen unter den OberbegriffJournalisten und sind in einem Teilgebiet des Journalismus ttig. Diejenigen, die beiuns sind,verpflichten sich der journalistischen Arbeit und nichtder Werbung.Deshalb fhlen die sich bei uns aufgehoben und haben ihren eigenen Fachausschussfr Presse und ffentlichkeitsarbeit. Und wir als Deutscher JournalistenVerbandvertreten sie wie alle anderen Journalisten.Auch wenn sich die ffentlichkeitsarbeiter gut aufgehoben fhlen: VielePressesprecher verhindern heute kritische Berichterstattung, siebeeinflussendenVerlauf journalistischer Arbeit durchBeschwerden,Blockaden oder Tricks. In heiklen Fllen werden die Pressesprecher zuGegnern derJournalisten.Warum dulden sie diese Berufsgruppe alsgleichberechtigte Mitlieder?Konken: Im Bereich der Presse und ffentlichkeitsarbeit gibt es wie in jedemanderen Berufsfeld sicherlich schwarze Schafe. Aber das kann kein Grund dafrsein, eine ganze journalistische Berufsgruppe auszuschlieen.Frchtensieals VerbandeinfachfinanzielleVerluste, wennsiedieffentlichkeitsarbeiter ausschlieen wrden?Konken: Wir wrden insbesondere eine Berufsgruppe aus demDeutschenJournalistenVerband ausschlieen, die journalistisch arbeitet was absurd wre.****Getrennte Welten? Journalismus und PR in Deutschland33(b) Interview mit Ulrike MaercksFranzen, djuBundesgeschftsfhrerinDas ist wirklichkeitsfremdFrau MaercksFranzen, welchen Einfluss hat PR heute auf denJournalismus?MaercksFranzen: Einen offenbar wachsenden Einfluss. Redaktionen werden vonPRMeldungen und leicht zu verwertenden Angeboten berflutet, und unter Zeitdruckund Personalmangel ist die Versuchung gro, sie ins Blatt zu heben oder ohneweitere Recherche als Meldung zu verarbeiten. Nachrichtenagenturen bieten eigenePRDienste an als OriginalTextDienste oder OriginalBildAngebot getarnt. Das isteine Gefahr fr die journalistische Qualitt.Oft ist es auch ein Problem der Darstellungsformen: Es gibt viele Texte, die alsredaktionelle Texte getarnt sind, die in Wirklichkeit aber nichts anderes als Werbungoder PR sind zumBeispiel so genannte Verlagssonderverffentlichungen,Anzeigenkollektive oder Beilagen in Printprodukten. Da gibt es sicher gerade auch imLokalbereichVersuche, die normale redaktionelle Berichterstattungfr PRzumissbrauchen oder auch Koppelungen durchzusetzen also Anzeigen davonabhngig zu machen, dass ber die Firma positiv berichtet wird. Dann hngt es vomVerlag und vom Chefredakteur ab, wie weit dem widerstanden wird. Es ist fr deneinzelnen Journalisten schwer, sich dagegen zu wehren. Deshalb kommt es auf dieHaltung der Zeitung generell an.Und wie ist die Situation im Rundfunk?MaercksFranzen: Die bekanntesten Beispiele aus dem audiovisuellen Bereichwaren PRAktivitten, die sich in fiktionalen Produktionen versteckt hatten und dortunterschwellig und hinterhltig wirkten, daneben viele aus dem Sport. Aber es sindauch Flle bekannt geworden, wo ganze journalistisch angelegte Sendungen oderDokumentationen durch beteiligte Auftraggeber bezahlt wurden und entsprechend inderen Sinne erstellt wurden, ohne dass der Zuschauer das wahrnehmen konnte.Diese Grenzberschreitungensindbel, aber durchJournalistenauchwiederaufgedeckt worden.Noch schlimmerfinde ich die Flle,in denen sich Journalisten mitihrem imJournalismus erworbenen Ansehen und ihrer Glaubwrdigkeit vor PRKarren spannenlassen, diese Glaubwrdigkeit fr Produkte oder fr politische Meinungen einsetzenoder gar selbst von anderen bezahlte Themen und Meinungen als ihre setzen wollen.Erkennen Sie denn einen Trend zu solchen Grenzberschreitungenzwischen Journalismus und PR, wie Sie sie gerade beschrieben haben?MaercksFranzen: Ich glaube, wir sind aufmerksamer geworden und es fllt unsmehr auf. Frher ist das Thema unkritischer behandelt worden, das gab es aberGetrennte Welten? Journalismus und PR in Deutschland34immer gerade diese Koppelungen. Aber ob es mengenmig in den journalistischenProdukten mehr geworden ist da habe ich keine ausreichenden Fakten dazu.Es gibt Studien, die das belegen. Zum Beispiel hat die Universitt Leipzigkrzlich Lokal und Wirtschaftsteile von Regionalzeitungen und dieRessorts Auto und Reisen untersucht. In dieser Studie wurde festgestellt,dass es tatschlich einen Trend zu mehr PRbasierten Berichten gibt.MaercksFranzen: Ich habe die Studie leider noch nicht lesen knnen. Wenn PRGrundlage und einzige Quelle ist und die eigene Recherche fehlt, halte ich das frsehr bedenklich. Aber ich kann hier selbst keine vollstndige Medienbeobachtungmachen. Da bin ich also auf diese Ergebnisse der Wissenschaft angewiesen. Undwenn der Trend ausreichend belegbar ist, halte ich ihn fr sehr gefhrlich und freinen Anlass, mehr Aufmerksamkeit und ffentliches Interesse zu wecken sowieWiderstand entgegenzusetzen.Haben Sie den Eindruck,dass die professionelle Arbeit derPRdenJournalismus in seinem Kern verndert?MaercksFranzen: Ich glaube auch, dass die PRArbeit sehr viel professionalisierterist. Den ersten Teil der Prmisse akzeptiere ich somit voll. Der Input an Geld undKompetenz und damit auch die Versuche der Einflussnahme haben heftigzugenommen. Ich wrde auch sagen: Es zeigt auf jeden Fall Wirkung.Wenn man sich anschaut, wie Themen gesetzt werden zum Beispiel durch dieInitiative Neue Soziale Marktwirtschaft , muss man sagen: Es wird sehr viel mehrKraft, Geld und Zeit in die PR gesteckt. Und es hat Wirkung. Es zeigt auch Wirkung inden einzelnen journalistischen Produkten Beispiele habe ich ja oben genannt. Aberauf den Journalismus generell? Da bin ich dann fr eine genaue Trennung und damitder Meinung, dass das kein Journalismus mehr ist.Aber es geht ja beim Journalismus um Glaubwrdigkeit. Was passiert,wenn sich die Leser, Hrer und Zuschauer nicht mehr darauf verlassenknnen, dass sie journalistische Produkte vor sich haben eben keine PR?Wenn also die PR immer mehr an Einfluss gewinnt, wird damit nicht derJournalismus in seinem Kern erschttert?MaercksFranzen: Wenn man das auch als Journalismus ansieht, dann: Ja. Aber daist fr mich die Definition von Journalismus noch eine andere: Wo der Versuchungoder der Absicht nachgegeben wird, PR zu bernehmen, handelt es sich fr micheben nicht mehr um ein journalistisches Produkt.Wir haben ein anderes Bild von Journalismus und versuchen auch, den Journalismusdavon freizuhalten.Wenn ich jetztabersage,dass sich durch PR der ganzeJournalismus verndert, dann gebe ich schon auf, dann gebe ich meine AnsprcheandenJournalismus auf. Will sagen: WennGrundstze wie Quellenangabe,Recherche,Offenlegung nichtmehrbeachtetwerden,dann gefhrdetdas dieQualitt des Journalismus.Getrennte Welten? Journalismus und PR in Deutschland35Deshalb sprechen viele ja auch von PRJournalismus,also von jenenVersuchen, die den Journalismus imitieren, um ins Radio, in die Zeitung zukommen. Denken Sie, dass unter diesem Label ein ganz neues Berufsfeldentstanden ist?MaercksFranzen: Fr mich ist die Bezeichnung ein Widerspruch in sich. Ich wrefroh, wenn es nicht PRJournalismus genannt wrde. Ich wei, dass Studiengnge soheien und dass es so verkauft wird, um einen gewissen Anspruch zu suggerieren.Wenn man PR machen will,sollte man es auch so nennen.PR bedientsichjournalistischer Ausdrucks und Gestaltungsmittel. Aber die Zwecke sind grundlegendanders.Wenn ich Unterbewusstes in Gang setzen will,wenn ich Meinungen,Bedrfnisse erzeugen will, ohne es offen zu sagen das ist fr mich PR. Das ist keinJournalismus.Nun sind ja in der dju Mitglieder, die beides machen. PR undJournalismusMaercksFranzen: Mitglied in der dju ist nur, wer hauptberuflich Journalist ist.Wenn jemand hauptberuflich PR macht, kann er bei uns nicht Mitglied werden. Dafrgibt es auch eine Fachgruppe, die fr Kreative aus der Werbewirtschaft zustndig ist.Es gibt aber natrlich die berschneidung in der einzelnen Person. Wenn aber einer und das haben wir natrlich zunehmend, weil sich die Marktlage fr Journalisten inden letzten sechs Jahren entscheidend verschrft hat zum berleben neben seinerjournalistischen Ttigkeit PRTtigkeiten macht, kann er, solange er berwiegendjournalistisch ttig ist, bei uns Mitglied werden bzw. bleiben. Wir vertreten dann aberseine journalistischen Interessen. Nicht seine Interessen als PRSchaffender.Nach Ihrer Definition knnte also beispielsweise ein freier Journalist desHandelsblattes, der nebenbei fr die Initiative Neue SozialeMarktwirtschaft PR macht, djuMitglied sein?MaercksFranzen: Das wre ein Fall, wo sich Inhalte wahrscheinlich unzulssigmischen. Ob der oder die dann wirklich in einer Gewerkschaft organisiert wre? DasBeispiel scheint mir jetzt eher hypothetisch.Wie kann denn Ihrer Ansicht nach der Freie, der beides macht, PR undJournalismus, sauber zwischen beiden Professionen trennen?MaercksFranzen: Zum Beispiel indem er ber solche Themen, in denen er PRmacht, nicht schreibt. Das darf er nicht vermischen.Wird denn dieser Freie nicht in stndiger Versuchung sein, seineKenntnisse auf beiden Seiten zu verwerten?MaercksFranzen: Von einem Journalisten verlange ich ein Bewusstsein dessen,was ertut.Ein Journalistlebtja auch als Person und als Autorvon seinerGlaubwrdigkeit. Und man muss der Versuchung ja nicht nachgeben. Man muss denAnspruch da sehr hoch halten.Sie geraten ja auch als purer zum Beispielpolitischer Journalist stndig in die Versuchung, PR zu machen, weil ihre QuellenGetrennte Wel