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Stenografisches Protokoll 131 I 18. Wahlperiode 1. Untersuchungsausschuss nach Artikel 44 des Grundgesetzes Nur zur dienstlichen Verwendung 18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 1 von 124 Stenografisches Protokoll der 131. Sitzung - endgültige Fassung* - 1. Untersuchungsausschuss Berlin, den 16. Februar 2017, 11.30 Uhr Paul-Löbe-Haus, Europasaal (4.900) 10557 Berlin, Konrad-Adenauer-Str. 1 Vorsitz: Prof. Dr. Patrick Sensburg, MdB Tagesordnung - Öffentliche Beweisaufnahme Tagesordnungspunkt Zeugenvernehmung Seite - Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, MdB 4 (Beweisbeschluss Z-5) _________ * Hinweis: Die Korrekturen der Zeugin Dr. Angela Merkel sind in das Protokoll eingearbeitet. (siehe Anlage 1).

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Stenografisches Protokoll 131 I

18. Wahlperiode

1. Untersuchungsausschuss

nach Artikel 44 des Grundgesetzes

Nur zur dienstlichen Verwendung

18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 1 von 124

Stenografisches Protokollder 131. Sitzung- endgültige Fassung* -

1. UntersuchungsausschussBerlin, den 16. Februar 2017, 11.30 UhrPaul-Löbe-Haus, Europasaal (4.900)10557 Berlin, Konrad-Adenauer-Str. 1

Vorsitz: Prof. Dr. Patrick Sensburg, MdB

Tagesordnung - Öffentliche Beweisaufnahme

Tagesordnungspunkt

Zeugenvernehmung Seite

- Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, MdB 4(Beweisbeschluss Z-5)

_________* Hinweis:Die Korrekturen der Zeugin Dr. Angela Merkel sind in das Protokoll eingearbeitet. (siehe Anlage 1).

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1. Untersuchungsausschuss

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Mitglieder des Ausschusses

Ordentliche Mitglieder Stellvertretende Mitglieder

CDU/CSU Lindholz, AndreaSchipanski, TankredSensburg, Dr. PatrickWarken, Nina

Marschall, Matern vonOstermann, Dr. TimWendt, Marian

SPD Flisek, ChristianMittag, Susanne

Zimmermann, Dr. JensLischka, Burkhard

DIE LINKE. Renner, Martina Hahn, Dr. André

BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN

Notz, Dr. Konstantin von Ströbele, Hans-Christian

Fraktionsmitarbeiter

CDU/CSU Feser, Dr. AndreasAllers, Fried-HeyeBosnjak, NikoFischer, Sebastian D.Glas, Dr. VeraHaun, FabianKordon, DavidOtto, BirgitSchneider, BastianSchrot, JacobWehrl, Dr. WolfgangWimmer, Luzie

SPD Ahlefeldt, Johannes vonHeyer, ChristianDähne, Dr. HaraldEtzkorn, IreneGeiger, NicolasIssel, JanaLinden, AlexanderWeiß, Benjamin

DIE LINKE. Halbroth, AnnekeMartin, Stephan

BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN

Kant, MartinaLeopold, NilsPiallat, ChrisPohl, JörnMellentin, JohannaBaumann, Sophie

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1. Untersuchungsausschuss

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Teilnehmer Bundesrat

Teilnehmer Bundesrat

LV Bayern Luderschmid, Florian

Bundeskanzleramt Brunst, Dr. PhillipHeinemann, MartinJipp, DanielKämmerer, MarieKutt, Dr. MareikeLampe, MargitMetscher, AndreasNeist, DennisPachabeyan, MariaWolff, Philipp

Bundesministerium des Innern Brandt, Dr. KarstenDarge, Dr. TobiasHofmann, ChristianKiehn, EvaMatthes, ThomasWeiss, Jochen

Bundesministerium der Justiz und fürVerbraucherschutz

Kirchner, HeinoUnterlöhner, Dr. Ulrike

Bundesministerium für Wirtschaft und Energie Krüger, Philipp-LennartScholl, Dr. Kirsten

Bundesministerium für Verteidigung Theis, BjörnRauch RüdigerVoigt, Björn

Die Bundesbeauftragte für den Datenschutz unddie Informationsfreiheit

Kremer, Dr. Bernd

Auswärtiges Amt Müller-Bernd, Kai Stephen

Bundesamt für Sicherheit in derInformationstechnik

Hecheltjen, Dr. Martin

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1. Untersuchungsausschuss

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(Beginn: 11.30 Uhr)

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Meine sehrgeehrten Damen und Herren! Ich eröffne die131. Sitzung des 1. Untersuchungsausschusses.

Ich stelle fest: Die Öffentlichkeit ist hergestellt.Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebeVertreter der Presse, ich darf Sie alle ganz herz-lich begrüßen. Viele von Ihnen sind regelmäßighier, der eine oder andere - das zeigt sich daran,dass die Tribüne sehr gefüllt ist - heute aus be-sonderem Anlass. Ich freue mich, dass Sie alle dasind und von diesem Untersuchungsausschusswieder gut und sachlich berichten werden.

Besonders begrüße ich an dieser Stelle auchschon mal unsere heutige Zeugin, Frau Bundes-kanzlerin Dr. Angela Merkel. Herzlichen Dank,dass Sie heute bei uns sind.

Bevor ich zum eigentlichen Gegenstand der heu-tigen Sitzung komme, gestatten Sie mir einigeVorbemerkungen, die diejenigen, die regelmäßighier sind, schon kennen und auch bitte alle be-herzigen:

Ton- und Bildaufnahmen sind während der öf-fentlichen Beweisaufnahme nicht zulässig. EinVerstoß gegen dieses Gebot kann nach dem Haus-recht des Bundestages nicht nur zu einemdauernden Ausschluss von den Sitzungen diesesAusschusses sowie des ganzen Hauses führen,sondern gegebenenfalls auch strafrechtliche Kon-sequenzen nach sich ziehen.

Ich rufe den einzigen Punkt der Tagesordnungauf:

Zeugenvernehmung

Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel,MdB(Beweisbeschluss Z-5)

Die Beweisbeschluss Z-5 stammt vom08.05.2014. Es wird Beweis erhoben zum Unter-suchungsauftrag - Bundestagsdrucksachen18/843 und 18/8683 - durch Vernehmung derZeugin Dr. Angela Merkel, Bundeskanzlerin.

Zunächst wird die Zeugin Dr. Angela Merkel öf-fentlich vernommen. Sollte sich eine nichtöffent-liche Vernehmung daraus ergeben, sollte dieseerforderlich sein, findet im Anschluss eine wei-tere Vernehmung - dann nichtöffentlich, gegebe-nenfalls eingestuft - statt.

Vernehmung der ZeuginDr. Angela Merkel

Nochmals begrüßen darf ich herzlich Dr. AngelaMerkel. Ich stelle fest: Die Zeugin ist ordnungs-gemäß geladen. Frau Dr. Merkel, Sie haben denErhalt der Ladung am 13. Januar 2017 bestätigt.Herzlichen Dank, dass Sie meiner Ladung gefolgtsind und dem Ausschuss für diese Vernehmungheute zur Verfügung stehen.

Ich habe Sie darauf hinzuweisen, dass die Bun-destagsverwaltung eine Tonbandaufnahme dieserSitzung fertigt. Die Tonbandaufnahme dient aus-schließlich dem Zweck, die stenografische Auf-zeichnung zu erleichtern. Sie wird nach Erstel-lung des Protokolls auch wieder gelöscht.

Das Protokoll dieser Vernehmung wird Ihnennach Fertigstellung zugestellt. Sie haben dann14 Tage Zeit, etwaige Korrekturen oder Ergän-zungen vorzunehmen, falls dies notwendig seinsollte.

Frau Dr. Merkel, vor Ihrer Vernehmung habe ichSie zunächst zu belehren. Sie sind als Zeugin ge-laden worden. Als Zeugin sind Sie verpflichtet,die Wahrheit zu sagen. Ihre Aussagen müssenrichtig und vollständig sein. Sie dürfen nichtsweglassen, was zur Sache gehört, und nichts hin-zufügen, was der Wahrheit widerspricht.

Ich habe Sie außerdem auf die möglichen straf-rechtlichen Folgen eines Verstoßes gegen dieseWahrheitspflicht hinzuweisen. Wer vor dem Un-tersuchungsausschuss uneidlich falsch aussagt,kann gemäß § 162 in Verbindung mit § 153 desStrafgesetzbuches mit Freiheitsstrafen von dreiMonaten bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafebestraft werden.

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Stenografisches Protokoll 131 I

1. Untersuchungsausschuss

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18. Wahlperiode Deutscher Bundestag - Stenografischer Dienst Seite 5 von 124

Nach § 22 Absatz 2 des Untersuchungsausschuss-gesetzes können Sie die Auskunft auf solche Fra-gen verweigern, deren Beantwortung Sie selbstoder Angehörige im Sinne des § 52 Absatz 1 derStrafprozessordnung der Gefahr aussetzen würde,einer Untersuchung nach einem gesetzlich geord-neten Verfahren ausgesetzt zu werden. Dies be-trifft neben Verfahren wegen einer Straftat oderOrdnungswidrigkeit auch gegebenenfalls Diszi-plinarverfahren, falls das in Betracht kommensollte.

Sollten Teile Ihrer Aussage aus Gründen desSchutzes von Dienst-, Privat- oder Geschäftsge-heimnissen nur in einer nichtöffentlichen odereingestuften Sitzung möglich sein, bitte ich Sieum einen Hinweis, damit der Ausschuss danneinen Beschluss nach § 14 bzw. § 15 des Unter-suchungsausschussgesetzes fassen kann und dieSitzung dann in nichtöffentlicher oder in einge-stufter Form fortsetzen kann, sodass wir Ihnendann die entsprechenden Fragen stellen kön-nen. - Haben Sie hierzu Fragen?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Nein.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Gut. - Nachdiesen notwendigen Vorbemerkungen darf ichIhnen den geplanten Ablauf kurz darstellen. Ein-gangs habe ich Sie zur Person zu befragen. Zu Be-ginn der Vernehmung zur Sache haben Sie nach§ 24 Absatz 4 des Untersuchungsausschussgeset-zes die Gelegenheit, zum Beweisthema im Zu-sammenhang vorzutragen, also ein sogenanntesEingangsstatement abzugeben, bei dem Sie nichtdurch Fragen der Abgeordneten unterbrochenwerden. Danach werde ich Ihnen Fragen stellen,und anschließend erhalten die Mitglieder diesesAusschusses die Gelegenheit, ihre Fragen zu stel-len. Dies geschieht nach dem Stärkeverhältnisder Fraktionen, immer eine Fraktion nach der an-deren.

Ich darf Sie dann nun bitten, sich dem Ausschusszu Beginn mit Namen, Alter, Beruf und einer la-dungsfähigen Anschrift vorzustellen.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Mein Name istAngela Dorothea Kasner. Ich bin geboren am

17.07.1954. Und als Adresse möchte ich das Bun-deskanzleramt, Willy-Brandt-Straße, angeben.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ganz herz-lichen Dank. - Zunächst möchte ich Ihnen, wennSie dies wünschen, Gelegenheit für ein Eingangs-statement geben. Wünschen Sie dies?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja, dies wünsche ich,und das würde ich sehr gerne tun. - Herr Vorsit-zender, liebe Kolleginnen und Kollegen, gestattenSie mir zunächst eine Vorbemerkung: Da dasmenschliche Erinnerungsvermögen nicht immerganz zuverlässig ist, jedenfalls meines mit Blickauf Vorgänge, die zum Teil fast vier Jahre zurück-liegen, da darüber hinaus manches, was Sie si-cher interessieren wird, dem sogenannten Arkan-bereich, also dem Kernbereich der exekutivenEigenverantwortung, unterliegt, den zu beachtenmir wichtig ist, da ich aber gleichzeitig natürlichauch dem Informationsbedürfnis dieses Untersu-chungsausschusses nach bestem Wissen und Ge-wissen nachkommen möchte, habe ich mir zurVorbereitung auf die heutige Sitzung auch nocheinmal Vorlagen des Bundeskanzleramtes, dieich ab Juni 2013 zum Thema des Untersuchungs-ausschusses erhalten habe, sowie öffentlicheÄußerungen von mir in Pressekonferenzen, Inter-views und Reden angesehen.

Dies vorausgeschickt, möchte ich Ihnen in einemkurzen Überblick, den ich chronologisch anlegenwerde, schildern, wie ich die Dinge seit den ers-ten Presseberichten im Juni 2013 zu den Enthül-lungen Edward Snowdens erlebt habe, was dabeimein Handeln bestimmt hat und was nicht, wasdabei in meinem Amtsverständnis zu meinenAufgaben als Bundeskanzlerin gehört und wasnicht.

Erstmals Kenntnis von Datensammlungsprogram-men wie Prism und in diesem Zusammenhangvermuteten massenhaften, anlasslosen Ausspä-hungen durch die NSA habe ich über die Presse-berichterstattung zu den Enthüllungen EdwardSnowdens Anfang Juni 2013 erhalten. Am19. Juni 2013 habe ich dazu in einer gemeinsa-men Pressekonferenz mit dem amerikanischenPräsidenten Barack Obama aus Anlass seines

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Besuches hier in Berlin ausweislich der stenogra-fischen Mitschrift in meinen einführenden An-merkungen unter anderem gesagt, und ichmöchte zitieren:

Wir

- also Barack Obama und ich -

haben über Fragen des Internetsgesprochen, die im Zusammen-hang mit dem Thema des PRISM-Programms aufgekommen sind.Wir haben hier sehr ausführlichüber die neuen Möglichkeiten unddie neuen Gefährdungen gespro-chen. Das Internet ist für uns alleNeuland, und es ermöglicht natür-lich auch Feinden und Gegnernunserer demokratischen Grund-ordnung, mit völlig neuen Mög-lichkeiten und völlig neuenHerangehensweisen unsere Art zuleben in Gefahr zu bringen. Des-halb schätzen wir die Zusammen-arbeit mit den Vereinigten Staatenvon Amerika in den Fragen der Si-cherheit.

Ich habe aber auch deutlich ge-macht, dass natürlich bei allenNotwendigkeiten von Informa-tionsgewinnung das Thema …Verhältnismäßigkeit immer einwichtiges Thema ist. Unsere frei-heitlichen Grundordnungen lebendavon, dass Menschen sich sicherfühlen können. Deshalb ist dieFrage der Balance, die Frage derVerhältnismäßigkeit etwas, waswir weiter miteinander bespre-chen werden und wozu wir einenoffenen Informationsaustauschzwischen unseren Mitarbeitern so-wie auch zwischen den Mitarbei-tern des Innenministeriums ausDeutschland und den entspre-chenden amerikanischen Stellenvereinbart haben. Ich denke, die-ser Dialog wird weitergehen.

Zitat Ende.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, sich die Aussa-gen von damals noch einmal präzise vor Augen

zu führen, erscheint mir hilfreich, um gleichsamauthentisch, also mit meinen Worten von damals,deutlich zu machen, was mich seit Beginn derBerichterstattungen und daraus folgender Aufklä-rungsbemühungen geleitet hat und was mich imÜbrigen unverändert leitet: Das ist der Grundsatzder Verhältnismäßigkeit bei der Gewährleistungvon Sicherheit im umfassenden Sinne - Sicher-heit vor Gefahren des Terrors wie auch Sicher-heit beim Schutz der Privatsphäre. Immer gilt esstets aufs Neue, die richtige Balance von Freiheitund Sicherheit zu finden, gerade auch angesichtsimmer neuer technischer Entwicklungen, mit de-nen unser Rechtsrahmen nicht immer und schongar nicht immer sofort so Schritt halten kann, wiewir es uns wünschen, sodass wir also tatsächlichNeuland betreten.

In einer Vorlage vom 27. Juni 2013 wurde mir aufmeine Bitte um Information ein kurzer Überblicküber die zu dem Zeitpunkt verfügbaren Informa-tionen zu den Programmen Prism und Temporaübermittelt. In der Vorlage wird deutlich ge-macht, dass noch keine belastbaren Informatio-nen vorlägen, dass deshalb auch noch keine ab-schließenden Bewertungen möglich seien unddass das Bundesinnenministerium um weitereSachaufklärung bemüht sei.

Am 3. Juli 2013 erschien in der SüddeutschenZeitung ein Interview, das ich der Zeitung undmit ihr kooperierenden weiteren europäischenZeitungen aus Anlass eines in Berlin stattfinden-den runden Tisches zur Förderung der Jugend-beschäftigung in Europa gegeben hatte. Auf eineabschließende Frage zum damals die öffentlicheDebatte bestimmenden Thema NSA, warum ichdie Überwachungsaktionen der USA und Groß-britanniens kritisierte, wenn Deutschland in sei-ner Sicherheit davon profitierte, habe ich unteranderem ausgeführt, dass ich wie die meistenDeutschen sehr gut wisse, dass uns ausländischeDienste schon vielfach geholfen hätten, terroristi-sche Anschläge in Deutschland zu verhindern,dass gleichwohl aber immer auch der Schutz derPrivatsphäre zu beachten sei;

... denn

- ich zitiere aus dem Interview -:

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das Abhören von Freunden mitWanzen in unseren Botschaftenund EU-Vertretungen geht nicht.Wir sind nicht mehr im KaltenKrieg.

Zitat Ende.

Am selben Tag, also 3. Juli 2013, habe ich mitdem amerikanischen Präsidenten Barack Obamatelefoniert. Hierüber hat das Bundespresseamtam folgenden Tag, also am 4. Juli 2013, in einerPressemitteilung die Öffentlichkeit informiert.Unter anderem hat der Regierungssprecher mit-geteilt, dass ich die Ankündigung von PräsidentObama begrüßt habe, dass die USA ihren Verbün-deten Informationen über die Aktivitäten derNSA zur Verfügung stellen wollten.

Am 4. Juli 2013 habe ich darüber hinaus im Rah-men einer Pressekonferenz anlässlich eines Zu-kunftsgesprächs der Bundesregierung mit Sozial-partnern im Gästehaus der Bundesregierung inMeseberg auf die Frage eines Journalisten zu mei-nem Telefonat mit Präsident Obama in Grundzü-gen persönlich Auskunft gegeben, nicht in Ein-zelheiten - das mache ich grundsätzlich nicht - ,wohl aber in Grundzügen. Ich zitiere aus demstenografischen Bericht der Pressekonferenz:

Ich habe … deutlich gemacht, dasszum Beispiel das Ausspähen vonEinrichtungen innerhalb der Euro-päischen Union nicht dem ent-spricht, was uns als Freunde lei-ten sollte. Wir sind … nicht mehrim Kalten Krieg.

Zitat Ende.

Einige Tage später, am 19. Juli 2013, habe ich,wie immer seit meinem Amtsantritt 2005, aufEinladung der Bundespressekonferenz eine jähr-liche Sommerpressekonferenz abgehalten. Ichmache sie entweder vor oder nach den Sommer-ferien. Alle innen- wie außenpolitischen Themenkönnen zur Sprache kommen. Mir war klar, dassalle Fragen, die seit den Presseberichten um dieEnthüllungen Edward Snowdens in der Öffent-lichkeit diskutiert worden waren, in der Sommer-pressekonferenz des Jahres 2013 breiten Raum

einnehmen würden. Ich habe deshalb zu Beginnder Pressekonferenz, schon in meinen einleiten-den Bemerkungen ausführlich zu diesem ThemaStellung genommen und in dem Zusammenhangunter anderem acht Schlussfolgerungen erläutert,die Sie sicher alle kennen und die ich deshalbhier in diesem Eingangsstatement nicht alle imEinzelnen wiederholen werde. Sie reichten vonder Aufhebung alter Verwaltungsvereinbarungenzwischen der Bundesrepublik Deutschland undden Vereinigten Staaten von Amerika aus demJahre 1968 bis zur Stärkung des Vereins Deutsch-land sicher im Netz.

Genauso wichtig war mir damals, in dieser Pres-sekonferenz ausführlich darzulegen, wie ichmeine Aufgabe und meine Verantwortung alsBundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutsch-land wenige Wochen nach den ersten Presse-berichten zu den Enthüllungen Edward Snow-dens auch zu diesem Thema sehe und wahr-nehme. Das, was ich damals gesagt habe, ist mirunverändert wichtig. Es leitet mich bis heute,und ich erlaube mir deshalb, das - natürlich nurganz auszugsweise; es hatte sich ja um eine übereinstündige Pressekonferenz gehandelt - hier zuwiederholen. Ich zitiere ausweislich des steno-grafischen Berichts:

Wir können

- so habe ich am 19. Juli 2013 gesagt -

jetzt fast täglich neue Berichteüber Datenbanken, Programme,Systeme, Programmbezeichnun-gen, Klassifizierungen, Verbin-dungen und Unterscheidungenlesen und das ganz aktuell auchzu der Frage, ob das, was mitPRISM in Afghanistan beschrie-ben wird, identisch ist mit dem,was uns hier seit Anfang Juni be-schäftigt, also der Frage, ob es eineflächendeckende Datenüberwa-chung und Datenabschöpfung un-serer Bürgerinnen und Bürger hierin Deutschland vonseiten desNSA gibt, und zwar eine Ab-schöpfung, die gegen deutschesRecht erfolgt und von der ich

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durch die Presseberichte Kenntnisgenommen habe.

Mir ist es völlig unmöglich, hiereine Analyse von PRISM vorzu-nehmen, also was PRISM nun ist,Software, System, Datenbank, Pro-gramm, Ober- oder Untermengeund was auch immer dazu denk-bar ist. Das ist ja jetzt auch geradeGegenstand der Aufklärung. …

Als Bundeskanzlerin der Bundes-republik Deutschland habe ich da-bei eine übergeordnete politischeAufgabe. Ich trage zusammen mitder ganzen Bundesregierung Ver-antwortung für zwei große Werte:für Freiheit und Sicherheit, kon-kret für den Schutz der Bürger vorAnschlägen und vor Kriminalitätwie auch für den Schutz der Bür-ger vor Angriffen auf ihre Privat-sphäre. Beide Werte, Freiheit undSicherheit, stehen in einem gewis-sen Konflikt miteinander, undzwar seit jeher. Sie müssen durchRecht und Gesetz immer wieder inder Balance gehalten werden.

Das führt mich zu dem Kern des-sen, worum es bei all den Berich-ten über Datensammlungen zu ge-hen hat: Gilt auf deutschem Bodendeutsches Recht? Gilt auf europäi-schem Boden europäisches Recht?…

Der amerikanische PräsidentObama hat vor einigen Tagen ge-sagt, hundert Prozent Sicherheit,hundert Prozent Privatsphäre, nullUnannehmlichkeit, das sei nichtzu haben. Das stimmt. Wir allewissen, dass hierbei immer be-dacht werden muss, wie furchtbar,wie einschneidend die Anschlägedes 11. September 2001 für Ame-rika waren, sind und bleiben -übrigens nicht nur für Amerika.Diese Anschläge galten der ganzenfreien Welt, und nicht umsonstwurde damals der Bündnisfall derNato ausgerufen. Aber … auchdann gilt: Der Zweck heiligt nichtdie Mittel. Nicht alles, was tech-

nisch machbar ist, darf auch ge-macht werden. Es muss immer dieFrage der Verhältnismäßigkeit be-antwortet werden, also: In wel-chem Verhältnis zur Gefahr stehendie Mittel, die wir wählen, auchund gerade mit Blick auf die Wah-rung der Grundrechte in unseremGrundgesetz? …

Um es noch einmal ganz klar undunmissverständlich zu sagen: Aufdeutschem Boden hat man sich andeutsches Recht zu halten. Beiuns in Deutschland und in Europagilt nicht das Recht des Stärkeren,sondern die Stärke des Rechts.Das erwarte ich von jedem. Wenndas irgendwo nicht oder nochnicht überall der Fall sein sollte,dann muss es für die Zukunft si-chergestellt werden.

Zitat Ende.

In einer Vorlage vom 7. August 2013 zumThema - ich zitiere - „Agreement zwischen denNachrichtendiensten über die Abgrenzung derbeidseitigen Interessen“ berichtet mir der Abtei-lungsleiter 6 des Bundeskanzleramtes von Ergeb-nissen einer Reise von Vertretern des Bundes-innenministeriums, Staatssekretär Fritsche, desBundeskanzleramts, Herr Heiß - der Abteilungs-leiter 6 -, des Präsidenten des Bundesverfas-sungsschutzes, Herr Maaßen, des Präsidenten desBND, Herr Schindler, in Washington am5. August 2013 und den dortigen Gesprächen mitdem Direktor der NSA, General Alexander, unddem Direktor der National Intelligence, GeneralClapper, Weißes Haus. In dieser Vorlage erläutertHerr Heiß unter anderem, dass der NSA-Chef be-reit gewesen sei - ich zitiere aus der Vorlage -:

... eine Zusicherung abzugeben,dass auf deutschem Boden jeder-zeit deutsches Recht respektiertwerde und keine gegenseitigeSpionage stattfinde, möchte inso-weit aber eine beidseitige Erklä-rung erzielen. Hier käme ein„Agreement“ in Frage, in dembeide Seiten (Dienste)

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- also die Dienste -

entsprechende Zusicherungen ma-chen. Über das „Ob“ müsse aller-dings die Politik entscheiden.

Zitat Ende.

In der folgenden Bewertung begrüßt Herr Heißden Vorschlag für ein gegenseitiges Abkommen.Er führt darüber hinaus aus, dass es hilfreich seinkönnte, wenn ich mit Präsident Obama insbeson-dere zu dem - Zitat - „ins Auge gefassten Agree-ment“ - Zitat Ende - vor einer von ihm, wie dieamerikanischen Gesprächspartner erläutert hät-ten, für den Freitag der besagten Woche - das warder 9. August 2013 - geplanten Rede telefonierenkönnte. Ich habe von einem solchen Telefonatauf höchster Ebene abgesehen. Es will ganzgrundsätzlich sehr gut überlegt sein, wann undüber welche konkreten Anliegen jeweils auf derEbene der Staats- und Regierungschefs gespro-chen wird und wann nicht oder gegebenenfallsauch noch nicht, zumal dann, wenn es wie imvorliegenden Fall eine grundsätzliche Bereit-schaft zu Gesprächen über ein Agreement zwi-schen den Nachrichtendiensten auf Arbeitsebenegegeben hatte.

Mit dieser Vorlage wird Bezug genommen auf dasThema, das mit dem in der Öffentlichkeit be-kannten Begriff eines sogenannten No-Spy-Ab-kommens verbunden wird, mit dem der frühereKanzleramtsminister Ronald Pofalla im An-schluss an eine Sitzung des PKGr am 12. August2013 vom Angebot der US-Seite zum Abschlusseines solchen Abkommens die Öffentlichkeit in-formiert hatte.

Mitte Oktober 2013 - genauer: am 17. Oktober2013 - teilte mir der Regierungssprecher mit, dassihm von Journalisten des NachrichtenmagazinsDer Spiegel die Ablichtung eines Papiers gezeigtund gegeben worden sei, aus dem nach Annahmeder Journalisten hervorgehen könne, dass ein Mo-biltelefon von mir möglicherweise durch ameri-kanische Dienste überwacht werde. Ich habe da-raufhin gebeten, den Sachverhalt an die Fach-ebene des Bundeskanzleramts zur Prüfung undSachaufklärung weiterzugeben.

Am 23. Oktober 2013 habe ich mit dem amerika-nischen Präsidenten Barack Obama zu diesemThema telefoniert. In einer Pressemitteilung des-selben Tages teilte der Regierungssprecher zudiesem Telefonat unter anderem mit, dass ichsolche Praktiken, sollten sich die Hinweise be-wahrheiten, missbilligte und als völlig inakzep-tabel ansähe. Im Übrigen hätte ich die Erwartunggeäußert, dass die amerikanischen Behörden zumGesamtumfang möglicher Abhörpraktiken dieFragen beantworten, die die Bundesregierung be-reits vor Monaten gestellt habe, sowie für die Zu-kunft eine klare vertragliche Grundlage über dieTätigkeit der Dienste und ihre Zusammenarbeit.

Ich persönlich habe am folgenden Tag, dem24. Oktober 2013, vor der Sitzung des Europäi-schen Rates im sogenannten Doorstep Statement,also den üblichen Statements vor den Ratssitzun-gen beim Hineingehen, unter anderem gesagt -ich zitiere -:

Ich habe, seitdem wir über dieNSA sprechen, auch immer wie-der gegenüber dem amerikani-schen Präsidenten deutlich ge-macht: Ausspähen unter Freun-den, das geht gar nicht - das habeich im Juni, als er in Berlin war,gesagt, auch im Juli und gestern ineinem Telefonat -, und zwar ausdem Interesse für die Bürgerinnenund Bürger in Deutschland.

Da geht es nicht vordergründig ummich, sondern da geht es vor allenDingen um alle Bürgerinnen undBürger.

Zitat Ende.

Dieser Punkt ist mir sehr wichtig. Natürlich - dasist ja auch nachvollziehbar und verständlich - hatdie Tatsache, dass ein Mobiltelefon der Bundes-kanzlerin plötzlich im Mittelpunkt der Debattestand, besondere Aufmerksamkeit erfahren. Fürmich persönlich war das aber gar nicht die zen-trale Frage, zumal mir alle Kommunikationsfor-men von offen bis kryptiert zur Verfügung stehenund ich mein Kommunikationsverhalten stetsdem Kommunikationsinhalt angemessen ausrich-ten kann und das auch tue. Für mich persönlich

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standen und stehen vielmehr die Interessen allerBürgerinnen und Bürger im Mittelpunkt meinerÜberlegungen, die es zu vertreten und zu schüt-zen gilt, und zwar in der stets aufs Neue vorzu-nehmenden Abwägung zwischen Freiheit und Si-cherheit, zwischen dem Schutz der Bürger vorAnschlägen auf Leib und Leben und dem Schutzder Bürger vor Angriffen auf ihre Privatsphäre.

In einer Vorlage vom 14. Januar 2014 wird mirder „Stand der Verhandlungen mit den USA“ zuder, wie es im Betreff heißt, „Vereinbarung zwi-schen BND und NSA sowie zu einer politischenErklärung“ geschildert, also zu dem Thema, dasals sogenanntes No-Spy-Abkommen bekannt ist.Staatssekretär Fritsche wies auf dieser Vorlageauf ein bevorstehendes Telefonat durch ihn mitder stellvertretenden Sicherheitsberaterin fürTerrorismus, Lisa Monaco, hin.

Hierzu wurde mir in einer Vorlage vom nächstenTag, also vom 15. Januar 2014, und einem alsAnlage beigefügten Ergebnisvermerk zum Tele-fonat von Staatssekretär Fritsche mit Frau Mo-naco berichtet. Unter anderem hieß es darin - ichzitiere -:

Frau Monaco unterstrich, dasskurzfristig ... aus US-Sicht keineEinigung auf politischer Ebenemöglich sei. Gleichzeitig betontesie, dass die Verhandlungen aufEbene der Nachrichtendienstefortgesetzt werden müssten. ImLichte der Ergebnisse dieser Ver-handlungen könne dann später ge-prüft werden, inwieweit sich da-raus ausreichende Substanz fürGespräche auf politischer Ebeneergebe.

StF

- Staatssekretär Fritsche -

stimmte zu, dass noch vor derRede des US-Präsidenten eineEinigung auf politischer Ebenenicht möglich sei. Gleichzeitigbetonte StF,

- Staatssekretär Fritsche -

dass neben den Verhandlungenauf Ebene der Nachrichtendiensteauch - möglicherweise in einemspäteren Stadium - die Verhand-lungen auf politischer Ebene fort-gesetzt werden müssten. Dies gelteinsbesondere mit Blick auf den be-vorstehenden Besuch der BK’n

- Bundeskanzlerin -

bei Präs. Obama.

Zitat Ende.

Auf dieser Grundlage habe ich auch in meinerersten Regierungserklärung zu Beginn der neuenLegislaturperiode am 29. Januar 2014 im Deut-schen Bundestag zu diesem Thema gesprochenund unter anderem ausgeführt - ich zitiere ausdem Stenografischen Bericht des Deutschen Bun-destages -:

Die Vorstellungen sind heute weitauseinander. Viele sagen, die Ver-suche für eine solche Vereinba-rung seien von vornherein zumScheitern verurteilt, ein unrealisti-sches Unterfangen. Mag sein. MitSicherheit wird das Problem nichtschon durch eine Reise von mirgelöst und abgeschlossen sein.

Ich führe - und das mit … Nach-druck - diese Gespräche mit derKraft unserer Argumente, nichtmehr und nicht weniger. Aber ichglaube, wir haben davon gute.

Zitat Ende.

Unsere guten Argumente haben dennoch, wie wirwissen, nicht so überzeugt, dass ich Ihnen heutevon einem erfolgreichen Abschluss der Verhand-lungen zu einem sogenannten No-Spy-Abkom-men berichten könnte, also zu einer Vereinba-rung zur zukünftigen Zusammenarbeit der Nach-richtendienste. Davon informierte der Regie-rungssprecher im Rahmen seiner Regierungs-

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pressekonferenz am 30. April 2014 - das war un-mittelbar vor meinem Besuch in Washington -auch die Öffentlichkeit.

Am 3. Juli 2014 wurde ich vom Chef des Bundes-kanzleramtes, Peter Altmaier, davon informiert,dass der Generalbundesanwalt ein Ermittlungs-verfahren gegen einen Mitarbeiter des BND we-gen des Verdachts der nachrichtendienstlichenAgententätigkeit eingeleitet hat. Mit einer Presse-mitteilung des Bundespresseamts vom 10. Juli2014 teilte der Regierungssprecher unter ande-rem mit, dass der Repräsentant der US-Nachrich-tendienste an der US-Botschaft aufgefordert wor-den sei, Deutschland zu verlassen. Weiter wird inder Pressemitteilung ausgeführt, dass diese Auf-forderung vor dem Hintergrund der laufenden Er-mittlungen des Generalbundesanwalts wie auchder Fragen zur Tätigkeit von US-Nachrichten-diensten in Deutschland ergangen sei.

Im ZDF-Sommerinterview am 13. Juli 2014 ant-wortete ich auf die Frage, wie ich reagiert hätteund ob ich verärgert gewesen sei, als ich gehörthätte, dass die CIA möglicherweise einen Spionim Bundesnachrichtendienst gehabt habe, unteranderem so - ich zitiere aus der stenografischenMitschrift des Interviews -:

Ach da geht es nicht um verärgert,sondern es ist für mich noch ein-mal ein Beleg, dass wir über dieArbeit der Nachrichtendienstegrundsätzlich unterschiedlicheVorstellungen haben.

Ich glaube, dass Nachrichten-dienste im 21. Jahrhundert sichauf die wichtigen Sachen konzen-trieren sollten. Und wir arbeitenmit den Amerikanern sehr eng zu-sammen. Ich möchte auch, dassdas fortgesetzt werden kann, dennDeutschland profitiert natürlichvon dieser Zusammenarbeit, auchwas Terrorismusbekämpfung undandere Dinge anbelangt.

Aber wir leben nicht mehr im Kal-ten Krieg …, sondern wir sindheute ganz anderen Bedrohungenausgesetzt, asymmetrischen Be-drohungen. Und wenn ich da an

die Terrorismusbekämpfung, andas, was jetzt mit „Isis“ im Irakpassiert, an Afghanistan und an soviele andere Dinge denke, dannsollten wir uns auf das Wesent-liche konzentrieren.

Zitat Ende.

Und wenn ich heute ergänzen darf: Das Wesent-liche ist für mich nicht eine möglichst breiteÜberwachung von Verbündeten und ihren Insti-tutionen - das ist eine Vergeudung von Kraft undEnergie -, sondern zum Beispiel eine Überwa-chung im Zusammenhang mit IS und anderenfurchtbaren Bedrohungen unserer Art zu leben.

Einige, man kann sagen: etliche Monate später,im März 2015, wurde ich vom Chef des Bundes-kanzleramts davon informiert, dass er wiederumvon Staatssekretär Fritsche davon unterrichtetworden sei, dass bislang unbekannte NSA-Se-lektoren auch vom BND gesteuert worden seien.Der Kanzleramtsminister drängte auf umfassendeAufklärung. Am 22. April 2015 konnte er demPKGr einen ersten Bericht erstatten.

Einen Tag später, am 23. April 2015, erklärte derRegierungssprecher in einer Mitteilung des Bun-despresseamtes, dass das Bundeskanzleramt zudem an dem Tag in Presseveröffentlichungen the-matisierten Vorgang mit dem Bundesnachrich-tendienst seit mehreren Wochen in Kontakt ge-standen habe und diesen angewiesen habe, denkomplexen Sachverhalt vollständig aufzuklären.Im Rahmen seiner Dienst- und Fachaufsicht habedas Bundeskanzleramt technische und organisa-torische Defizite beim BND identifiziert und un-verzüglich Weisung erteilt, diese zu beheben.Nach wie vor gebe es keine Hinweise auf einemassenhafte Ausspähung deutscher und europäi-scher Staatsbürger.

Da bezüglich der Selektoren der NSA die soge-nannte Third Party Rule gilt, die eine Herausgabeder Selektoren ohne ausdrückliche Zustimmungder USA unmöglich macht, wurden umfangrei-che Konsultationen mit den USA durchgeführt.Die USA stimmten einer Herausgabe der Selek-toren an den Untersuchungsausschuss nicht zu.

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Deshalb wurde in Abstimmung mit dem Unter-suchungsausschuss Dr. Kurt Graulich durch Ka-binettentscheidung am 8. Juli 2015 als unabhän-gige sachverständige Vertrauensperson zur Unter-suchung der NSA-Selektoren bestimmt. Er über-mittelte seinen Bericht dem Untersuchungsaus-schuss am 29. Oktober 2015.

Anfang Oktober 2015 unterrichtete mich derKanzleramtsminister über den Sachverhalt, dassder BND auch eigene, bis dahin nicht bekannteSelektoren gesteuert habe. Das PKGr wurde da-von unterrichtet. Zur Untersuchung dieses Sach-verhalts richtete das PKGr eine Taskforce ein.

Herr Vorsitzender, liebe Kolleginnen und Kolle-gen, ich möchte mit Auszügen aus einem Inter-view von mir mit der Süddeutschen Zeitung am30. Mai 2015, also wenige Wochen nachdem dieEntwicklungen zu den vom BND gesteuertenNSA-Selektoren ans Tageslicht gekommen wa-ren, schließen. Ich zitiere kurz zusammengefasstaus meinen Antworten auf mehrere Fragen diesesInterviews:

Ich bin zutiefst davon überzeugt,dass wir im Interesse der Sicher-heit unserer Bürger die nachrich-tendienstliche Zusammenarbeitmit den Vereinigten Staaten vonAmerika wie auch mit den euro-päischen Partnern brauchen. ...Ich bin überzeugt, dass nachrich-tendienstliche Tätigkeit jedem vonuns Sicherheit und Schutz gibt.Ich habe im Juli 2013 gesagt, dassder Zweck nicht die Mittel heiligt.Das steht hinter meinem Satz,dass das Abhören von Freundennicht geht. Das gilt unverändert. ...Mein politischer Satz beschreibtganz offensichtlich einen an-spruchsvollen Grundsatz, den-noch halte ich ihn für wichtig.

Diese Gedanken, diese Sätze haben auch bezogenauf den gesamten Komplex, der im Oktober be-kannt gewordenen Steuerung eigener Selektorendes BND ihre Gültigkeit. Sie waren und sind mirbezogen auf das gesamte Thema, das mit den ers-ten Presseberichten Anfang 2013 bekannt wurde,

wichtig und bestimmen mein Handeln. - Ichdanke für Ihre Aufmerksamkeit.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ganz herz-lichen Dank, Frau Bundeskanzlerin. - Sie habenmit Ihrem Eingangsstatement ja im Grunde denganzen Untersuchungszeitraum abgedeckt. Trotz-dem hätte ich noch einige Fragen; das werden Sieverstehen.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Mich würdeinteressieren: Als im Jahre 2013, im Sommer, dieEnthüllungen von Edward Snowden begannen, jaauch in die Presse gingen, wir überall wahrnah-men „Breaking News“ - das ließ sich ja kaumübersehen -, welchen Eindruck hatten Sie just indem Moment? Es war ein aufreibender Sommer2013 mit vielen Themen, und dann kommt soetwas. Sagt man da: „Das jetzt auch noch“, oderwie ist dann so ein erstes Gefühl, wenn so eineBreaking News über einen hereinbricht?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Na ja, ich glaube, ichverfüge über genügend Erfahrung, dass mir klarwar, dass das ein bedeutsamer Sachverhalt ist,der die Bundesregierung auch für eine bestimmteZeit beschäftigen wird. Das war von Anfang anklar. Ich habe mich ein bisschen - wenn Sieschon nach Gefühlen fragen, was ja, ich sage mal,nicht der zentrale Gegenstand des Untersu-chungsausschusses ist - auch da gefühlt wie zuder Zeit, als wir über die Spenden der CDU ge-sprochen haben, wo man immer alles über dieZeitung erfahren hatte und keine eigene Sachver-haltsdarstellung - - Das heißt, man war immerwieder von den Presseerklärungen abhängig. Dasist dann natürlich für jemanden, der Verantwor-tung trägt innerhalb der Bundesregierung, so,dass für mich die Aufgabe bestand, alle, die zurAufklärung beitragen könnten, zu bitten - unddas hat dann vor allen Dingen der Chef des Kanz-leramtes, der ja für diese Fragen auch zuständigist, getan -, dass möglichst schnell Aufklärungherbeigeschafft wird.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Bei vielenvon den Nachrichten, die ja in der Zeit erschie-nen, da musste man fragen: Stimmt das? Kann

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das sein? - Ich erinnere mich an die Nachrichtmit 580 Millionen Daten von Deutschen, die aus-gespäht wurden, was sich ja im Nachhinein soals nicht richtig herausgestellt hat. Aber wie wardie Situation? Sie sagten, der Chef des Kanzler-amtes war da in der Verantwortung, das zu ma-chen. Was hat er denn 2013 veranlasst, damalsRonald Pofalla?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich habe Ihnen ja ge-sagt: Die erste Vorlage, die mich erreicht hat, diebrachte dann eben zu den immer wieder genann-ten Worten Prism und Tempora keine vernünf-tige Aufklärung. Das hat dann bei mir auch rela-tiv schnell - ich habe ja über meine Pressekonfe-renz am 19. Juli berichtet - dazu geführt, dass ichmir vor Augen geführt habe: „Was ist meine Auf-gabe in dem Zusammenhang, und was sind Auf-gaben, die von den Fachexperten zu leistensind?“? Deshalb habe ich in dieser Pressekonfe-renz am 19. Juli 2013 bereits gesagt, dass ichnicht die Absicht habe, jetzt mich in die Tiefenund Untiefen von Prism und anderen Program-men zu versteifen, sondern dass ich meinen poli-tischen Auftrag im Auge haben muss: Geht eshier um eine massenhafte Ausspähung von Bür-gerinnen und Bürgern? Was wird getan?

Ich habe ja von Anfang an - deshalb auch schonam 3. und 4. Juli - immer wieder gesagt, wasmein Maßstab war, und mein Maßstab war, dassunter Freunden das Ausspähen nicht geht, undwenn es stattfindet, wie sich ja dann im weiterenVerlauf dargestellt hat, dass dann eingeschrittenwerden muss. Eine Folge - sehr viel später; denZeitpunkt kann ich jetzt nicht ganz genau sagen -,war ja dann auch, nachdem da der Agent odernachrichtendienstliche Agent -

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Markus R.

Zeugin Dr. Angela Merkel: - der USA im BNDwar, -

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Markus R.

Zeugin Dr. Angela Merkel: - dass wir gesagt ha-ben: 360-Grad-Blick auch von deutscher Seite,also die klare Umsetzung dieser Grundsätze: Ver-hältnismäßigkeit, der Zweck heiligt nicht die

Mittel, und wir sind Partner in einem gemein-samen Kampf, aber nicht Staaten, die sich gegen-seitig ausspähen.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Jetzt sind wirschon bei dem Satz im Grunde „Ausspähen unterFreunden, das geht gar nicht.“ Jetzt wird auf dereinen Seite gesagt: „Mensch, wie kann man soeinen Satz sagen, wenn der Bundesnachrichten-dienst doch auch zum Beispiel Ziele in der EUauf dem Schirm hat oder NATO-Partner?“? Aufder anderen Seite ist bei den Zeugenvernehmun-gen deutlich geworden, dass gerade der Satz imBND die Unterabteilung oder Abteilung TA erstmal aufgerüttelt hat und man nachgedacht hat:Mensch, machen wir nicht auch das eine oderandere, was wir bei sogenannten NSA-Selektorenkritisieren?

Sie haben es in Ihrem Eingangsstatement gesagtund gerade auch noch mal. Aber vielleicht nochetwas deutlicher: Was haben Sie mit dem Satzbezweckt? Der schien mir ja nicht völlig spontangehalten zu sein, sondern da bezweckten Siedoch etwas mit, oder nicht?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Der hat meine - -Also, er hat meine Überzeugung wiedergegeben,die ich davon habe, was Nachrichtendienste tunsollten und was sie nicht tun sollten. Insofernwar er spontan, aber auch auf einem bestimmtenWertefundament gesagt. Da habe ich nicht langenachgedacht. Ich habe ja auch nichts gewusst,wissen können oder überhaupt mich jemals da-mit beschäftigt, was dort gemacht werden könnte.Wenn dieser Satz im BND, wie Sie jetzt sagen,zum Nachdenken geführt haben sollte, dann warer noch richtiger platziert, als er sowieso platziertwar. Er erschien mir damals eher als eine Trivia-lität aus deutscher Perspektive.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ich hätte mirnatürlich gewünscht, dass schon der Kanzler-amtsminister und seine Weisungen deutlicherzum Nachdenken im BND geführt hätten als dieAussage der Kanzlerin.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Die war ja schon am3. Juli. Also, das war ja relativ früh.

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Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Genau.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Insofern sind dannauch die entsprechenden Weisungen, glaube ich,schon erfolgt.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Aber jetztwill ich noch mal so ein bisschen in die nach-richtendienstliche Praxis gehen. Man muss jaschon annehmen, dass, wenn man sich in Berlinbewegt, auch vielleicht Partner, mit denen mangemeinsame Ziele verfolgt, zum Beispiel in derTerrorismusbekämpfung, im Kampf gegen den ISbeispielsweise, andererseits in Berlin Interessenhaben, an Informationen dranzukommen, alsodass Briten, Franzosen - sie gehören jetzt zwarnicht zum Untersuchungsgegenstand, aber vieleandere Nationen -, Chinesen usw. - die jetzt nichtunsere Partner und vielleicht, nachrichtendienst-lich gesehen, unsere Freunde sind - auch ein In-teresse haben an Informationen im politischenBerlin, wo es ja auch viele Wirtschaftsrepräsen-tanzen gibt etc., an Informationen dranzukom-men. Also, die Meinung, man ist da so im Gentle-man-Fairness-Bereich, die wollten Sie ja nichtausdrücken, sondern was ist die Message noch?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja, ich kann es gernenoch mal wiederholen: dass Ausspähen unterFreunden aus meiner Sicht nicht geht. Da sindwir dann ja im Zuge der weiteren Zeitabläufe -und daran hat der Untersuchungsausschuss jaauch mitgewirkt, muss man sagen, durch seineBeweisbeschlüsse - auf Dinge gestoßen, die gegendiesen Satz verstoßen. Deshalb ist er nicht falsch.Er hat mich geleitet, und ich muss sagen: Alles,was Sie dann auch im Weiteren und wir im Wei-teren gemacht haben, macht diesen Satz ja eherrichtiger als falsch - dass wir das nicht wollen.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Als die Ame-rikaner dann - ich glaube, das kann man wirklichals gegeben inzwischen hinnehmen nach denZeugenaussagen - das No-Spy-Abkommen mitder deutschen Seite diskutierten - ob das jetztNo-Spy-Abkommen in diesen Gesprächen hießoder wie auch immer; ich habe das auch die an-deren Zeugen gefragt -, was könnte eine Motiva-tion aus Ihrer Sicht sein, dass die Amerikaner et-was ansprachen, was sie ja so mit noch keiner

Nation abgeschlossen haben, 2013, nachdemihnen ja durch Edward Snowden eigentlich dasgrößte Datenleck passiert war? Das ist ja nicht ge-rade vertrauensaufbauend im Verhältnis zu ande-ren Nachrichtendiensten, wenn einem großenNachrichtendienst so viele Daten abhandenkom-men. Könnte das eine Motivation gewesen seinder amerikanischen Seite, auf Diensteebene zusagen: „Komm, wir gehen jetzt mit unserem ,gu-ten‘“ - in Anführungsstrichen - „Partner Deutsch-land auf so ein Abkommen ein, weil wir ihn auchbrauchen“? Auch umgekehrt brauchen die Ame-rikaner ja vielleicht auch die gute Kooperationmit uns Deutschen.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Also, ich habe micherst mal mit unseren Interessen befasst. Wir hat-ten Aufklärungsbedarf, und wenn wir schon das,was geschehen war - - Also, die Aufklärungreicht nicht, und ob wir die Aufklärung bekämen,war ja auch nicht klar. Aber da musste ja wenigs-tens der Versuch unternommen werden ernsthaf-testerweise, für die Zukunft eine klare Aussagedarüber zu bekommen, auf welcher Basis wirkooperieren. Also, mich hat mehr das eigene In-teresse geleitet, und ich habe mich mit den Moti-vationen der anderen weniger befasst.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Weil, wennich die Zeugenaussagen bisher richtig verstandenhabe, dann ist bis Ende 2013 verhandelt wordenüber so ein Abkommen. Es gab Textbausteine, dieausgetauscht worden sind - Sie haben das ja ebenauch noch mal gesagt -, bis in den Januar 2014.Auch Außenminister Steinmeier war noch malunter anderem mit diesem Thema im Gepäck inden USA. Dann hat es auf politischer Ebene dieZeichen gegeben - auch nicht zuletzt vermutlichdurch die Rede von Barack Obama selber -, dassman doch zu so einem Abkommen nicht kom-men wird. Hat man vielleicht die Gelegenheitnicht schnell genug und entschlossen genug poli-tisch beim Schopf gepackt? Hätte man nicht sa-gen können: „Komm, wir machen das jetzt“?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Nein, ich glaubeschon, dass sehr - - Oder ich bin davon über-zeugt, dass sehr intensiv daran gearbeitet wurde.Ich habe Ihnen die Berührungspunkte, die ich

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mit der Sache hatte, hier in meinem Eingangs-statement genannt. Ich hatte aber nicht den ge-ringsten Zweifel, dass meine Mitarbeiter da in-tensiv dran arbeiten. Auch da kann ich wiederdie Motivation nicht erkunden. Ich habe auch janicht den Überblick über all die Zeugenaussagen.Ich habe die jetzt nicht alle studiert, sondernhabe Ihnen gesagt, was ich gelesen habe im Vor-feld. Ich kann nur sagen: Ich habe nicht den ge-ringsten Zweifel, dass von deutscher Seite daranentschieden gearbeitet wurde. Und zu einem be-stimmten Zeitpunkt musste man feststellen, dassunsere Erwartungen nicht mit denen überein-stimmten, sodass wir mit der amerikanischenSeite irgendetwas Essenzielles abschließen konn-ten.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Aber jetztfrage ich noch mal nach: Sie haben auch in derErinnerung aus der Zeit Herbst/Winter 2013, An-fang 2014 Erinnerungen an konkrete Verhandlun-gen nicht erst aus dem Aktenstudium zur Vorbe-reitung der Sitzung? Weil ja immer wieder derVorwurf im Raume stand, dass der Kanzleramts-minister damals, ohne dass es solche Verhand-lungen gegeben hätte, einfach dieses Thema be-enden wollte; es hätte nie Verhandlungen gege-ben. Hat es die gegeben aus Ihrer Erinnerung?Wissen Sie das, oder ist das eine Finte?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich habe Ihnen ja ge-sagt: Also, mit der Vorlage vom 7. August, diemich erreicht hatte, war ja nun vollkommen klar,dass es Verhandlungen gegeben hat. Ich persön-lich bin dann lange nicht informiert worden,habe aber nicht den geringsten Zweifel daran,dass weitergearbeitet wurde.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Mhm.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich glaube, da sinddann andere Zeugen für Sie wahrscheinlich aus-sagekräftiger gewesen.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ich teile das,weil das Zeugen wie Herr Steinmeier, HerrPofalla, Herr Fritsche, Herr Altmaier, Herr Heißauch gesagt haben; aber ich wollte Ihnen auchdie Chance geben, Ihre Meinung zu sagen, wennSie das anders sehen.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich möchte mich aufdas beziehen, was bei mir dann immer ankam,und aus der Tatsache, dass nicht ankam, dass esnicht verhandelt wird, habe ich natürlich ge-schlossen, dass weiterverhandelt wird.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Okay.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Im Januar war esdann ja auch so weit. Das war ja die Zeit, wo wiruns im Wesentlichen mit Koalitionsverhandlun-gen beschäftigt haben. Parallel ist natürlich dieArbeit trotzdem fortgesetzt worden.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Erinnern Siesich, wann das Thema No-Spy-Abkommen dannerledigt war? Sind Sie da unterrichtet worden imSinne von: „Frau Bundeskanzlerin, das wirdnichts mehr“, jetzt Endmeldung sozusagen?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Na ja, ich habe ja ge-sagt: Wir hatten dann am 14./15. Januar noch maldie Meldungen, die darauf hindeuteten, dass essich schwierig gestaltete. Dann habe ich in derRegierungserklärung zum Beginn der Legislatur-periode ja schon gesagt, dass die Vorstellungenweit auseinandergehen, dass ich aber mich nochnicht sozusagen damit einverstanden ergebenmöchte, dass es zum Scheitern verurteilt ist unddass wir mit Nachdruck diese Gespräche mit derKraft unserer Argumente weiterführen und ichauch weiterhin glaube, dass wir gute Argumentehaben. Dann am 30.04. war die Situation so, dassmir die Einschätzung gegeben wurde - die der Re-gierungssprecher dann auch geäußert hat -, dasswir nicht so weiterkommen, dass man Hoffnungmachen kann auf ein solches Abkommen in kur-zer Zeitfrist.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Okay. - EinBlick mal auf jetzt Ihr eigenes Handy. Das ist me-dial natürlich ein Ereignis gewesen, weil es dieganze Chronologie noch steigerte. Nicht nur wiralle waren im Fokus, sondern auch die Regie-rungschefin, die Bundeskanzlerin; Ihr Handy istabgehört worden. Sie haben auch in Ihrem Ein-gangsstatement etwas dazu gesagt. Was haben Sierausgekriegt über das Abhören Ihres Handys? DerGeneralbundesanwalt hat sich ja etwas schwerge-tan, und auch für uns ist das nicht ganz leicht;

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nachrichtendienstlich sprechen wir von „Plausi-bilitäten“. Können Sie uns dazu mehr sagen? Wieplausibel ist es aus Ihrer Sicht?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Dazu kann ich michnicht äußern. Ich habe nur festgestellt, dassnichts Beweisbares rausgekommen ist; das hat jadann auch den Generalbundesanwalt dazu ge-führt, das Verfahren einzustellen. Ich habe dannzur Kenntnis genommen, dass die amerikanischeRegierung gesagt hat, dass mein Handy nicht ab-gehört wird und in Zukunft nicht abgehört wer-den wird.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Okay. - EineDifferenzierung, zwischen welchem Handy, hatdie amerikanische Regierung nicht vorgenommenbei diesem Statement?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Über die öffentlichenÄußerungen hinaus kann ich dazu nichts sagen.Ich habe sozusagen meine Einschätzung desSachverhalts dem Präsidenten der VereinigtenStaaten von Amerika ja mitgeteilt in dem Telefo-nat, von dem ich auch zitiert habe. Darüberhinaus kann ich nichts sagen.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Der amerika-nische Präsident hat ja dann auch - zwar nicht alsWortzitat, aber sinngemäß - gesagt: „Wir müssenuns nicht dafür entschuldigen, dass wir mehrkönnen als andere“ in seinem Statement auf dieNachrichtendienste bezogen. Wenn ich mal jetztdas Thema „Ausspähen unter Freunden, das gehtgar nicht“, was ich als politische Zielsetzung fürrichtig erachte, mit der Faktizität, dass Nachrich-tendienste das machen, was sie machen, und dasist immer strafbar - nachrichtendienstliche Tätig-keit in einem anderen Land; ich kenne keinLand, das sagt, das ist okay; das ist in jedem Landunter Strafe gestellt -, und der Tatsache, dass dieamerikanische Administrative, egal wer Präsi-dent ist, deutlich den Schutz der amerikanischenBürgerinnen und Bürger auch dadurch durchset-zen möchte, dass sie intensiv nachrichtendienst-liche Arbeit macht - - Was ist jetzt die Konse-quenz der Bundesregierung daraus zum Schutzvon Bürgerinnen und Bürgern, zum Schutz vonGeheimnissen?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Na ja, die eine Konse-quenz war, dass wir zum Beispiel die 360-Grad-Überwachung für alle Partner eingeführt haben,weil wir eben nicht mehr sicher sein konnten,dass unser Verständnis, dass Abhören unterFreunden gar nicht geht, auch überall so einge-sehen wird. Die zweite Konsequenz war, wie Sieschon gesagt haben, dass natürlich sozusagenstrafrechtliche Verfahren gegen den entsprechen-den Agenten eingeleitet wurden und wir damitdeutlich machen, dass das unserer Auffassungnicht entspricht.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Okay. - Be-züglich des BND selber: Als sich dann heraus-stellte peu à peu, da waren ja auch Ziele, die wireigentlich nicht erwartet hätten, mit - ich sagedas jetzt mal untechnisch, um da nicht etwas zupräjudizieren - im Köcher - EU-Ziele, Botschaftenbeispielsweise, oder Einrichtungen der NATOoder was auch immer -, wie war da Ihre Reaktion,als Sie das herausfanden oder mitbekamen, ge-meldet bekamen?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Da war mir ja unmit-telbar klar, dass das mit meinem politischenObersatz, den ich für richtig halte, nicht verein-bar war, weder die Steuerung der NSA-Selekto-ren - dass man da nicht stärker nachgefragt hat -noch die Steuerung dann auch noch eigener Se-lektoren.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Weil ichhabe, wenn Sie zu Recht unterscheiden zwischenNSA-Selektoren und eigenen Selektoren, ja einengewissen Verdacht. Der drückt sich dahin aus,dass man nicht böswillig war und gesagt hat:„Komm, wir machen das mal, weil wir einfachmal hören wollen“, sondern dass man Anfang der2000er, als man die technische Expertise steigernwollte in den Kooperationen mit den amerikani-schen Partnern, noch nicht eben so gut war, dassman das ein oder andere mitkriegte - da sind Se-lektoren vielleicht untergeschoben worden -, aberdass man auch dann bei der Pflege sowohl derDatenbanken mit den NSA-Selektoren als auchmit den BND-eigenen Selektoren etwas vielleichtlax war und das, was im Topf drin war, auch drinließ und der Topf immer mehr anwuchs und manden Überblick verloren hatte.

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Haben Sie im Nachgang dieses ganzen Komple-xes selber das mal hinterfragt, oder hat derStaatssekretär im Kanzleramt, Herr Fritsche,Ihnen diesbezüglich eine Vorlage gemacht, Sieunterrichtet? Weil das hat doch wahrscheinlichdas Kanzleramt interessiert: „Warum kommt sowas zustande?“, nicht nur, dass etwas entgegendieser richtigen Aussage war: Das machen wirnicht. - Allein aus Ressourcengründen macht eskeinen Sinn, die Freunde auf dem Schirm zu ha-ben, wenn es genug Terroristen auf der Welt gibtund man begrenzte Ressourcen hat. Aber da musses ja irgendwie - - Also, ich frage immer nach derMotivation: „Wie kommt so was zustande?“, umes dann hinterher abstellen zu können? Hat manda hinterfragt, warum der BND - - warum da sowas passiert ist?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Wenn etwas passiert,was ich für falsch halte, dann, ehrlich gesagt, istdie Motivation mir auch egal. Und jetzt - - DieVerdächte, die können Sie aus den vielen Zeu-genbefragungen haben. Dazu kann ich nichts sa-gen. Ich habe gehört, dass diese beiden SortenSelektoren - - also das eine im März, das anderedann später im Oktober in - - dass das stattfand,und mit der Information war auch die Einschät-zung des Kanzleramtsministers klar, dass dasnicht geht. Insofern war da nur noch zu reagie-ren. Deshalb war unsere Presseerklärung ja auch,die sozusagen von Defiziten beim BND, techni-schen, organisatorischen Defiziten - - Die wurdeja selbst in der Öffentlichkeit - daran erinnere ichmich noch - als relativ harsch eingestuft, und daswar auch das Verständnis. Die weiteren Dinge,die daraus zu schlussfolgern waren, die habe ichnicht durchgesetzt, weil es nicht meine Verant-wortlichkeit ist. Das hat der Kanzleramtsmistergemacht, zusammen mit Herrn Fritsche und denbetroffenen Mitarbeitern im Bundeskanzleramt inder Abteilung 6, und darauf habe ich mich auchverlassen.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ich fand diePressemeldung damals auch relativ deutlich, aberauch gerechtfertigt vor dem Hintergrund, dass esaus meiner Sicht sicherlich vorkommen kann,dass Dinge falsch laufen; wer was macht, machtauch Fehler, insbesondere wenn es komplexeSachverhalte sind. Aber wenn so etwas doch

über Jahre dementsprechend in der Linie, wieman meldet, eben nicht hochdringt, dann ist dasfür mich der ärgerliche Punkt. Ist das auch fürSie der ärgerliche Punkt gewesen? Weil Sie hat-ten ja eine klare Ansage gemacht, und dann er-fährt man irgendwann: Mensch das hat auch dereigene BND gemacht, vielleicht nicht böswillig -however -, aber er hat es gemacht.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Na gut, das fällt unterorganisatorisches Defizit oder eben technisches.Das kann ich nicht einschätzen, wer was beurtei-len konnte. Aber auf jeden Fall fällt es unter Defi-zit. Dann kann man Defizite am besten abstellen,indem man sie nicht beschönigt, sondern be-nennt.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Okay. - Ichmöchte zu einem letzten Themenkomplex kom-men, weil er eben auch in diesem Untersu-chungsausschuss infrage steht und weil er ebenauch politische Implikationen hat. Das ist dasThema „Drohnen und Ramstein“. Wir hatteneinen Zeugen hier, der beschäftigt war mit demThema Drohnen, der als jemand, der mit, wenneine Drohne gesteuert wird, die Erfassungssys-teme gesteuert hat - das war der Zeuge BrandonBryant -, in das Thema involviert war. Der hatuns gesagt: Von Ramstein wurden zwar keineDrohnen gestartet unmittelbar; sie wurden auchnicht aus Ramstein gesteuert, sondern aus denUSA. Aber Ramstein brauche man, weil Ramsteinals sogenannte Relaisstation funktioniert. Weildie Erde halt rund ist und da auch Signale ebengeleitet werden müssen, deswegen braucht manRamstein. Wenn er Drohnen mitgeflogen ist,dann war Ramstein oft im Spiel.

Wäre das nicht etwas gewesen, wenn ich das jetztmal so kurz schildere - Sie sind sicherlich imSachverhalt -, wo man politisch auch hinterfra-gen muss: Ist das richtig, was da von deutschemBoden oder auf deutschem Boden passiert, wennein Stützpunkt der Vereinigten Staaten als Relais-station für den Einsatz von Drohnen genutztwird? Ist das ein Thema für die Bundesregierung?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Also, wenn ich rich-tig informiert bin, ist es nicht der unmittelbare

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Gegenstand des Untersuchungsausschusses. Habeich da recht?

(Dr. André Hahn (DIELINKE): Nein!)

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ja, also, dasThema Drohnen, geheimer Krieg - - So bezeich-net - -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Aber ich weiß, dasshier schon drüber gesprochen wurde. Es wird jaan vielen Stellen darüber - - Aber ich wollte - -

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Wir hattenauch einen Zeugen dazu.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja, gut, das kann auchsein. Aber ich wollte nur fragen, ob ich recht an-nehme, dass es sozusagen in den - wie heißtdas? - Beweisbeschlüssen - oder was weiß ich -und im Untersuchungsgegenstand nicht enthal-ten ist.

(Dr. Jens Zimmermann(SPD): Es kommt darauf

an!)

Ich kann dazu nur Folgendes sagen - das ist jaauch in vielen Regierungspressekonferenzen dis-kutiert worden -: Die entsprechenden verantwort-lichen Ressorts haben dazu ihre Aussagen ge-macht, und dem habe ich nichts hinzuzufügen.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Aber weite-ren Bedarf, zum Beispiel mal zu gucken, was daauf der Airbase in Ramstein passiert, sehen Sieoder das Auswärtige Amt, was dafür vielleichtzuständig wäre, oder das BMVg oder Sie als Bun-desregierung nicht derzeit?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich habe den Aus-sagen, die bisher getroffen wurden, nichts hinzu-zufügen.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Okay, gut. -Ich wäre am Ende meiner Fragen, weil ich ver-mute mal, dass die Fragen der Fraktionen auchda sind. Wir beginnen jetzt mit der ersten Frak-

tion. Das ist die Fraktion Die Linke. Frau Kolle-gin Renner beginnt. - Wenn Sie, Frau Bundes-kanzlerin, mal eine Pause brauchen irgendwann,sagen Sie Bescheid; sonst kommt eine Frage nachder anderen.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Noch reichen dieKräfte.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Davon geheich aus. - Frau Kollegin Renner.

Martina Renner (DIE LINKE): Herzlich willkom-men von mir auch, Frau Bundeskanzlerin! -Haben Sie sich eigentlich bei Frau Clinton, HerrnKerry, Herrn Hollande, Herrn Fabius und HerrnNetanjahu entschuldigt, entschuldigt dafür, dassdiese befreundeten Politikerinnen und Politikerdurch den Bundesnachrichtendienst abgehörtwurden?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Nein.

Martina Renner (DIE LINKE): Warum ist dasunterblieben?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich habe meine öf-fentlichen Äußerungen gemacht, und wir habendie entsprechenden Dinge eingeleitet, wie ich sieja auch dargestellt habe, und das spricht für sich.

Martina Renner (DIE LINKE): Aber wenn Siesich mit der BND-Selektoren-Problematik be-schäftigt haben, haben Sie ja sicherlich festge-stellt, dass unter den Spionagezielen eben nichtnur ganze Regierungsstellen waren, sondern ebenauch einzelne Politiker, Abgeordnete, Parlamenteund dass in dem Rahmen - - dass darunter vielewaren, mit denen eine vertrauensvolle Zusam-menarbeit seitens der Bundesrepublik insbeson-dere in Sicherheitsfragen essenziell notwendigist. Wäre es da nicht diplomatisch und auch per-sönlich angemessen gewesen, sich für diese Pra-xis des BND zu entschuldigen?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Also, ich - -

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Dazu meldetsich Herr Wolff, Frau Bundeskanzlerin, -

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Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja, ich kann es mirschon denken.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: - wahrschein-lich, weil es um eingestufte Sachverhalte auchgehen mag. - Herr Wolff.

MR Philipp Wolff (BK): Darf ich?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja, klar.

MR Philipp Wolff (BK): Ich will nur darauf hin-weisen: Ich gehe davon aus, Sie zitieren aus Pres-seberichten, Frau Renner.

Martina Renner (DIE LINKE): Natürlich.

(Dr. André Hahn (DIELINKE): Jetzt geht es um

die Entschuldigung!)

MR Philipp Wolff (BK): Es geht um entsprechendeingestufte - -

Martina Renner (DIE LINKE): Also, alle Namen,die ich genannt habe - darauf habe ich natürlichgeachtet im Vorfeld -, sind auch schon in der Öf-fentlichkeit genannt worden.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Trotzdembleiben die Sachverhalte selber natürlich einge-stuft.

(Dr. André Hahn (DIELINKE): Ja, aber die Frage,

ob sie sich entschuldigthat, nicht!)

Zeugin Dr. Angela Merkel: Genau, und die hatteich ja schon so eindeutig wie nur möglich beant-wortet, mit einem Nein. Außerdem habe ichmich - - Sie haben gesagt: wenn ich mich mit denBND-Selektoren beschäftigt habe. Ich habe michmit den Selektoren im Einzelnen nicht beschäf-tigt -

Martina Renner (DIE LINKE): Oh, schade.

Zeugin Dr. Angela Merkel: - und habe nur denKanzleramtsminister darin ermutigt, entschiedendabei vorzugehen, damit dann die notwendigen

Informationen, die ja auch von Ihnen eingefor-dert waren, auch an Sie gelangten, soweit dasmöglich war.

Martina Renner (DIE LINKE): Ich weiß, dass si-cherlich die Zeit knapp ist. Aber ich würde emp-fehlen, sich wirklich mit den BND-Selektoren zubeschäftigen, weil wir es weiterhin für ein -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich habe - -

Martina Renner (DIE LINKE): - ich sage das malganz deutlich - großes Problem empfinden, einauch demokratietheoretisches Problem, wenninsbesondere Einrichtungen wie Parlamentedurch den Bundesnachrichtendienst abgehörtwerden. Aber Sie haben sich da jetzt eindeutiggeäußert. Ich will da nicht weiter insistieren.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Nein, und ich geheauch davon aus, dass auch Ihr Tun mit dazu bei-getragen hat, dass so etwas in der Zukunft nichtgeschieht. Wir haben inzwischen auch eine klarerechtliche Grundlage durch das neue BND-Ge-setz, und insofern schaue ich in die Zukunft.

(Hans-Christian Ströbele(BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-

NEN): Ja, ja! Haben Sie sichdas mal angeguckt?)

Martina Renner (DIE LINKE): Zum Thema „Ab-hören des Mobiltelefons durch die NSA“. HabenSie damals in diesem Zusammenhang nebenHerrn Präsident Obama auch mit anderen zumBeispiel Regierungsspitzen in Europa telefoniert,um abzuklären, ob dort ähnliche Erfahrungenoder Sorgen vorliegen?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Nein.

Martina Renner (DIE LINKE): Auch nicht. -Kennen Sie eigentlich den Prüfbericht der Daten-schutzbeauftragten zur Zusammenarbeit in BadAibling zwischen NSA und Bundesnachrichten-dienst?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Nein.

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Martina Renner (DIE LINKE): Wissen Sie, dassdort die Bundesdatenschutzbeauftragte von 18gravierenden Rechtsverstößen spricht?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Nein.

Martina Renner (DIE LINKE): Das ist etwas ande-res als eben der Vorsitzende sagte, man war einbisschen lax. Es geht hier um Rechtsbruch durchden Bundesnachrichtendienst, insbesondere inder Kooperation mit der NSA: Eingriff in dasFernmeldegeheimnis zum Beispiel, aber auchvieles andere mehr.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Wie gesagt, ich kenneden Bericht nicht.

Martina Renner (DIE LINKE): Hätte man sichdazu nicht informieren lassen müssen, weil dieForderung nach Konsequenzen aus dem Ab-hörskandal und die Forderung auch nach Konse-quenzen aus den Feststellungen des Untersu-chungsausschusses stehen ja im Raum. Sie ken-nen sicherlich auch das Unverständnis darüber,dass lediglich Herr Schindler - wir wissen leiderbis heute nicht, weswegen; Sie vielleicht - entlas-sen wurde, es keinerlei organisatorische, struktu-relle oder personelle Konsequenzen im Bundes-nachrichtendienst gegeben hat. Ist darüber maldiskutiert worden, ob man mehr machen muss,wenn es so etwas gibt wie „Eigenleben der Tech-nischen Aufklärung“ - ein feststehender Termi-nus mittlerweile hier im Untersuchungsaus-schuss -, als das BND-Gesetz der Praxis anzu-passen und Herrn Schindler in den vorzeitigenRuhestand zu schicken?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich glaube, dass mehrgeschehen ist, als das BND-Gesetz der Praxis an-zupassen. Wir haben jetzt einen Untersuchungs-ausschuss. Ich bin die letzte Zeugin. Sie werdenIhre Schlussfolgerungen aus diesem Untersu-chungsausschuss ziehen. Erste Schlussfolgerun-gen sind durch die neue Fassung des BND-Geset-zes gezogen worden. Es gibt einen neuen Präsi-denten des BND. Das ist mir vom Kanzleramts-minister vorgeschlagen worden, dass er das sohandhaben möchte. Dem habe ich zugestimmt.Wenn Sie in Ihrem Abschlussbericht Hinweise,Empfehlungen haben, dann werden wir das wie

bei anderen Untersuchungsausschüssen, zumBeispiel NSU-Untersuchungsausschuss, natürlichauch sehr sorgfältig als Bundesregierung prüfen,ob weiterer Handlungsbedarf besteht.

Martina Renner (DIE LINKE): Wie schätzen Sieeigentlich die Kontrolltätigkeit des Bundeskanz-leramtes gegenüber dem Bundesnachrichten-dienst ein?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich vertraue meinenMitarbeitern.

Martina Renner (DIE LINKE): Haben Sie eine Er-klärung dafür, dass die zuständigen Mitarbeiterin den betreffenden Referaten, aber auch in derAbteilungsspitze bis zum Veröffentlichen derSnowden-Dokumente von der Praxis der NSAwie des Bundesnachrichtendienstes hinsichtlichinsbesondere dieser Selektorenproblematiknichts wissen wollten? Haben Sie eine Erklärungdafür, dass - -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Eine Erklärung, nein.Ich habe - - Wie gesagt, wir haben uns damit be-fasst nach Bekanntwerden aus Presseberichten,in der jeweiligen Zuständigkeit die notwendigenKonsequenzen zu ziehen. Ich habe von Anfangan eine sehr klare politische Vorgabe gemacht,und der Kanzleramtsminister und der Koordina-tor für die Dienste haben dann mit den Mitarbei-tern in Richtung BND natürlich auch versucht,die entsprechenden Schlussfolgerungen zu zie-hen. Es gehört zur Wahrheit dazu, dass erst durchdie Aufforderung, die Selektoren vorzulegen, dieDinge vollkommen klar geworden sind. Das ist zukritisieren, wie wir es auch in unserer Presse-erklärung getan haben.

Martina Renner (DIE LINKE): Aber würde esnicht zu einer funktionierenden Rechts-, Fach-und Dienstaufsicht dazugehören, dass man zuroperativen Praxis des Bundesnachrichtendienstesim Bundeskanzleramt informiert ist und nichtdarauf wartet, dass ein Untersuchungsausschussden richtigen Beweisantrag stellt, also hier sogardie Opposition? Das ist doch - -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich hoffe, dass wir fürdie Zukunft besser gerüstet sind.

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Martina Renner (DIE LINKE): Ja, aber das istdoch auch ein gravierendes Organisationsversa-gen im Bundeskanzleramt, wenn man sich insbe-sondere zur Praxis der Fernmeldeaufklärungüberhaupt all die Jahre nicht interessiert hat, wasdort für Ziele gesteuert werden, welche Kabel-ansätze man abhört, dass man zum Beispiel beider Deutschen Telekom in Frankfurt entspre-chend die Kabel zu tatsächlich nicht nur einzel-nen Terroristen, sondern massenhaft abhört. Wirreden hier, um es noch mal deutlich zu sagen,von 1,3 Millionen [sic!] Metadaten, die monatlichan die NSA geflossen sind. Wir reden nicht zueinzelnen Erfassungen im Bereich Terrorismus-abwehr oder Drogenhandel oder illegalem Waf-fenhandel usw. Wir reden von milliardenfachemDatenabgriff in Kooperation der NSA mit demBundesnachrichtendienst. Das will das Bundes-kanzleramt nicht gewusst haben? Die Frage ist:Ist es nicht nur ein Versäumnis, sondern ein Ver-sagen, wenn man diese Praxis einer nachgeord-neten Behörde nicht kennt?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Sie bilden sich jetztüber die Sachverhalte Ihre Meinung. Ich teile dieso nicht. Ich glaube, dass die Fachaufsicht überden BND auch voraussetzt, dass der BND selbergut arbeitet, vernünftig arbeitet. Es sind Defiziteerkannt worden, an der Abstellung dieser Defi-zite ist gearbeitet worden, und ich bin hoffnungs-voll, dass in Zukunft sich die Dinge so nicht wie-derholen werden.

Martina Renner (DIE LINKE): Sie sprachen vor-hin eingangs davon, dass Sie im Frühjahr 2014auf die Problematik unbekannte NSA-Selektorenhingewiesen wurden. Was verstehen Sie unter„unbekannte NSA-Selektoren“?

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Das müsstejetzt die letzte Frage dann sein.

(Die Zeugin blättert inihren Unterlagen)

Martina Renner (DIE LINKE): Ja, Sie können - imMärz war das - gerne noch mal gucken.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Im März. 2015?

Martina Renner (DIE LINKE): 15, Entschuldi-gung, ja. Der Fehler liegt bei mir.

Zeugin Dr. Angela Merkel: „Dass bislang unbe-kannte“.

Martina Renner (DIE LINKE): Ja, genau.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Na ja, war was Neues.

(Heiterkeit)

Martina Renner (DIE LINKE): Okay. - Wir hattenimmer bisher gedacht, es geht um kritische NSA-Selektoren.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich kenne Ihre Spra-che jetzt ja nicht selber. Also, ich habe das so auf-gefasst, dass der Kanzleramtsminister mir wasNeues gesagt hat, -

Martina Renner (DIE LINKE): Okay, jetzt habeich es verstanden.

Zeugin Dr. Angela Merkel: - und das habe ich als„bislang unbekannt“ klassifiziert.

Martina Renner (DIE LINKE): Okay, danke.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ganz herz-lichen Dank. - Wir kommen jetzt zur nächstenFraktion mit Fragen. Das ist in der ersten Rundedie Fraktion der SPD. Herr Kollege Flisek be-ginnt.

Christian Flisek (SPD): Vielen Dank, Herr Vorsit-zender. - Guten Tag, Frau Bundeskanzlerin!

Zeugin Dr. Angela Merkel: Guten Tag!

Christian Flisek (SPD): Ich würde auch gerne zu-nächst einmal auf das ja wirklich berühmte Zitatvon Ihnen zurückkommen, das Sie bei mehrerenGelegenheiten gesagt haben, wo Sie auch heutenoch mal in Ihrem Eingangsstatement ganz we-sentlich drauf Bezug genommen haben: Ausspä-hen unter Freunden, das ginge gar nicht. Ichwürde Sie gerne mal fragen: Für wie absolut -wenn man sagt, das ist ein politischer Programm-satz, das ist Ihre tiefe innere Überzeugung, die

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hier zum Ausdruck kommt - halten Sie diesenSatz? Heißt das, dass jegliche Überwachung,Spionage zwischen Freunden einzustellen ist,wenn dieser Satz umgesetzt werden würde?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich weiß jetzt nicht - -Wenn ich sage: „Überwachen von Freunden, dasgeht nicht“, dann meine ich das so, wie ich dassage. Wenn es um terroristische Gefahren zumBeispiel geht, die in allen Ländern auftauchen,dann arbeiten ja die Nachrichtendienste zusam-men. Das ist aber - das habe ich ja auch in mei-nem Eingangsstatement gesagt - ein anderer Fall.

Christian Flisek (SPD): Ich würde das vielleichtkonkreter machen wollen, Frau Bundeskanzlerin.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja.

Christian Flisek (SPD): Nehmen wir mal denBereich der politischen oder der Regierungs-spionage. Das heißt, wenn wir uns jetzt über-legen, der Dienst eines befreundeten Staatesüberwacht Regierungsmitglieder eines anderenbefreundeten Staates. Würden Sie sagen, das istetwas - das sollte mit diesem Satz zum Ausdruckkommen -, -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja, absolut.

Christian Flisek (SPD): - das soll in Zukunftnicht mehr stattfinden?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Absolut. Es gab ja ir-gendwelche Äußerungen auch von amerikani-schen Regierungsvertretern, die meinten, es seinicht schlecht, wenn man wüsste, wie andereLänder denken, wenn sie zu Verhandlungen fah-ren, zum Beispiel zu G-20- oder sonstigen Tref-fen, und man wüsste schon mal im Voraus, wasda vielleicht als Verhandlungsposition geäußertwird. Da muss ich Ihnen sagen, ich finde das ab-surd. Ich bin bis jetzt gut durch meine Kanzler-tätigkeit gekommen, ohne dass ich das wusste,und ich glaube, alle anderen können das auch.

Christian Flisek (SPD): Jetzt sagen aber vieleauch, dass es Sinn machen könnte, beispiels-weise Regierungsmitglieder befreundeter Staatenauszuspionieren. Ich nenne jetzt keine konkreten

Fälle, aber man kann leicht einen solchen Fallmal hier als Beispiel nennen. Also, nehmen wirmal, an ein sehr enger Freund: Frankreich. EinRegierungsmitglied wird überwacht, weil diesesRegierungsmitglied sehr, sehr viele Gesprächeführt mit Regierungsmitgliedern beispielsweisein Afrika, Staaten, die sich vielleicht auch imAuftragsprofil der Bundesregierung befinden.Würden Sie sagen unter Beachtung Ihres Leit-motivs, wo etwas soll auch nicht mehr stattfin-den?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich glaube, dass dieseFragen sehr gut im neuen BND-Gesetz geregeltsind, wann wie was passieren kann. Daraufwürde ich mich jetzt mal stützen. Ansonsten:Untereinander, mit befreundeten Partnern, gehtes nicht. Wir haben den Fall - - Wir sind den Falldurchgegangen.

Christian Flisek (SPD): In der Tat, das BND-Ge-setz, das neue, hat einiges an Verbesserungen ge-bracht. Ich möchte aber natürlich schon noch malauf den Zeitpunkt auch abstellen, in dem dieserSatz von Ihnen ja mehrfach dann auch genanntwurde, unmittelbar nach den Snowden-Ver-öffentlichungen, bis dann vor allen Dingen indem berühmten Statement. Ich glaube, das warbeim Europäischen Rat in Brüssel im Oktober2013. Da hatten wir ja dieses BND-Gesetz nochnicht.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Richtig.

Christian Flisek (SPD): Wenn man sozusagenjetzt auf der Grundlage der alten Rechtslage da-mals so einen Satz sagt, mehrfach wiederholt undbetont - - Sie haben gerade gesagt, Sie haben dasals eine Trivialität gesehen.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Na, als eine innereÜberzeugung. Ich habe ja damals - - Vielleicht ge-hen wir noch mal zurück auch in den Erkennt-nisstand vom 3./4. Juli 2013. Dort standen janoch ganz andere Vorwürfe im Raum: massen-hafte Ausspähung von Bürgerinnen und Bürgernusw. Da habe ich das zum ersten Mal gesagt. Dagab es ja noch gar nicht die Frage meines Handys.

Christian Flisek (SPD): Ja.

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Zeugin Dr. Angela Merkel: Mein Handy hat danneine gewisse besondere Aufmerksamkeit erzeugt.Da habe ich dann sofort wieder darauf hingewie-sen, dass es mir nun auch sicherlich um dieFrage geht, ob sich befreundete Regierungsmit-glieder, Regierungen abhören. Aber vor allen Din-gen ging es mir auch sehr stark - das habe ich jadann in dem Zitat auch noch mal hier dargelegt -um die Frage auch breiter Bevölkerungsschich-ten. Anfang Juli war überhaupt noch nicht klar,dass es diese massenhafte Ausspähung nicht ge-geben hat, sondern sie wurde ja quasi insinuiertoder nicht als ausgeschlossen dargestellt.

Christian Flisek (SPD): Ich würde trotzdem gernenoch mal auf diesen Bereich der Regierungsspio-nage, auch der politischen Spionage zurückkom-men. Wenn Sie gesprochen haben davon, dassdas für Sie eine Überzeugung war - Sie habenauch vorhin den Begriff der Trivialität verwen-det -: Waren Sie zu dem Zeitpunkt, als Sie diesenSatz gesagt haben, der Überzeugung, dass derBND so etwas nicht macht?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Davon bin ich aus-gegangen, ja.

Christian Flisek (SPD): Wenn Sie die Informationbekommen, dass der BND, wie ich gerade das indem Beispielsfall genannt habe, vielleicht nichtein Regierungsmitglied eines sehr eng befreunde-ten Staates ausspäht, um direkt, ich sage mal,seine private Kommunikation zu überwachenoder zu überwachen, was innerhalb der EU pas-siert, aber wenn er das tut, um genau zum Bei-spiel an Informationen innerhalb des Auf-tragsprofils zu kommen, würden Sie sagen, dasist verhältnismäßig? Weil der Maßstab, den Sie jagerade entwickelt haben, ist ja der der Verhältnis-mäßigkeit, völlig zu Recht.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich würde dann zumeinem Kanzleramtsminister gehen und ihn bit-ten, zu klären, was Sache ist und was nicht. Ichhoffe, dass diejenigen, die die Überwachung ma-chen, das auch jeweils nach Sachlage entschei-den.

Christian Flisek (SPD): Jetzt ist es ja so, dass die-ser Satz, Ausspähen unter Fr- -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich bin weder Juristinnoch Expertin für Überwachung und Gefährder-einstufungen. Also, das - -

Christian Flisek (SPD): Jetzt gehen wir mal davonaus, dass im Zweifel eben ein Außenministereines EU-Staates nicht unbedingt ein Gefährderselber ist; aber es geht um Informationen über dieRegierungskommunikation.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Nein, das war ja nichtIhre - - Das war ja, wenn ich das sagen darf, nichtIhre Frage, sondern Sie haben ja insinuiert, dassein Außenminister eines befreundeten Staatesmit jemandem spricht, der gewisse Risiken auf-weist, und ich sage nur: Ich glaube, dass es dazuklare Abläufe im BND gibt und dass ich das nichtzu entscheiden habe, sondern andere.

Christian Flisek (SPD): Der Überzeugung warenSie: dass es solche klaren Abläufe innerhalb desBND zum damaligen Zeitpunkt gab?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich war der Überzeu-gung, dass man nicht befreundete Institutionenabhört.

Christian Flisek (SPD): Der Satz, dieses Zitat, warja auch im Wesentlichen, ich denke mal - so habeich es zumindest verstanden -, nach außen ge-richtet, also dass man in Zukunft für, ich sagejetzt mal, Standards sorgen soll im gemeinsamenRegierungsgeschäft, dass eben Ausspähen unterFreunden nicht mehr stattfindet. Ich würde Siegern fragen: Wenn man sich nicht sicher seinkann, was der eigene Dienst tatsächlich treibt, istes verantwortlich, politisch, dann außenpolitischso etwas sozusagen als eine Forderung gegenüberPartnern und Freunden in den Raum zu stellen?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Herr Flisek, Sie habenja eben mich gefragt, ob ich davon ausgegangenbin, dass der BND so etwas nicht tut. Daraufhinhabe ich mit einem Ja geantwortet. Deshalb wardiese Aussage darauf gerichtet, dass es ein unter-schiedliches Verständnis vielleicht zwischen ver-schiedenen Ländern gibt. In diesem Falle standenja die Vereinigten Staaten von Amerika in Rede.Ich habe dann ja auch in meiner Regierungserklä-

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rung am 29. Januar 2014 gesagt, dass die Auffas-sungen an einigen Stellen offensichtlich sehr un-terschiedlich sind.

Christian Flisek (SPD): Haben Sie denn, FrauBundeskanzlerin, in Ihrer Amtszeit seit 2005 je-mals Produkte - die Fachleute reden von „Finish-ed Intelligence“ - des BND bekommen, wo Sie In-formationen über die interne Meinungsbildungbefreundeter Staaten bekommen hätten?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Nein, ich habe natür-lich, wie viele, die Einschätzungen des BND überbestimmte Sachverhalte gelesen, aber habe michmit der Quellenfrage nicht beschäftigt, sondernhabe diese als politische Berichte zur Kenntnisgenommen. Die sind ja - -

Christian Flisek (SPD): Und Rückschlüsse auf-grund der Art der Information des Inhalts, -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Nein.

Christian Flisek (SPD): - dass es hier tatsächlichnicht anders möglich ist, dass es sich um Quel-len, ich sage mal, im Regierungsapparat befreun-deter Staaten handelt? Das war für Sie nicht er-kennbar?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Nein. Also, wenn esfür den BND-Präsidenten nicht erkennbar war, istes sowieso hochunwahrscheinlich, dass es fürmich erkennbar war. Aber für mich - - Ich habemir die Frage nie gestellt.

Christian Flisek (SPD): Nun ja, der BND-Präsi-dent hat sich bis zu einer bestimmten Zäsur aufden Standpunkt gestellt, dass das das übliche Ge-schäft war.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich weiß nicht, aufwelchen Standpunkt sich der BND-Präsident ge-stellt hat. Ich - -

Christian Flisek (SPD): Sie haben so was aberauch selber nie angefordert mal?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Was?

Christian Flisek (SPD): Informationen, also überMeinungsbildung im Regierungsbereich befreun-deter Staaten.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Informationen - -Über die Gewinnung von Informationen habe ichnicht - - Nein.

Christian Flisek (SPD): Okay.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Weil es ja, wie gesagt,nicht in meinem Vorstellungsbereich war, wes-halb ich eben auch von vornherein in dem Sach-verhalt, der im Zusammenhang mit den USA auf-trat, gesagt habe, dass aus meiner Sicht nach demEnde des Kalten Krieges das Abhören unter Part-nern nicht geht.

Christian Flisek (SPD): Bevor Sie diese Überzeu-gung zum Ausdruck gebracht haben - „Ausspä-hen unter Freunden, das geht gar nicht“ -, habenSie sich denn mal über die Mitarbeiter, die Siedort haben, also vor allen Dingen natürlich denChef des Bundeskanzleramtes - dann, später wardas natürlich auch Herr Fritsche -, aber vor allenDingen in der Abteilung 6 des Bundeskanzler-amtes, darüber informieren lassen, was sozusa-gen business as usual im Kanzleramt - - im BNDist zu diesem Kontext?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich sage es noch mal:Ich habe eine politische Überzeugung zum Aus-druck gebracht; das ist auch meine Aufgabe alsBundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutsch-land. Deshalb bedurfte die keiner weiteren Verifi-kation. Ich habe meine politische Überzeugunggesagt, und ich finde: Alles, was wir seitdem ge-tan haben, verhilft dieser Überzeugung auchmehr zum Durchbruch. Dass so viel noch zu tunwar, war mir an diesem Tag, als ich das gesagthabe, nicht klar; aber wir arbeiten ja genau indiese Richtung.

Christian Flisek (SPD): Gut. - Im unmittelbarenNachgang zu dieser Äußerung kam es ja dannauch zu Treffen der Spitzen der Dienste mitIhrem damaligen Chef des BundeskanzleramtesHerrn Pofalla. Herr Pofalla hat uns hier gegen-über gesagt, es ist dann zu mündlichen Weisun-

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gen gekommen, dass zum Beispiel bestimmte Se-lektoren zu löschen seien im NSA-Profil damals.Herr Pofalla hat hier auch gesagt, dass er imNachgang dazu einen Bericht angefordert hatüber die Frage, wie diese Umsetzung erfolgt ist,ob es Probleme gab, weil das Ganze ja kein trivia-les Geschäft ist, durchaus ein komplexes Themazwischen Freiheit und Sicherheit.

Das Problem, das wir hier haben, ist, dass nurHerr Pofalla etwas von diesem Bericht weiß. Wirhaben diesen Bericht nie in unseren Unterlagen -trotz Vollständigkeitserklärung, auf die ich ver-traue - vorgelegt bekommen. Der Nachfolger, HerrAltmaier, hat nie etwas davon gehört. Der Abtei-lungsleiter 6, Herr Heiß, hat nie etwas davon ge-hört. Herr Fritsche, der im Januar, glaube ich,2014 im Amt eingesetzt wurde als Staatssekretärund Koordinator für die Dienste, kennt das Ganzeauch nicht. Ist das üblich? Ich meine, immerhinunterhalten wir uns, wenn wir über einen Berichtreden - neben der Weisung -, über eines der zen-tralen Instrumente, wie Fachaufsicht ausgeübtwird. Ich gebe gerne zu, dass man sozusagen alsFachaufsichtsbehörde nicht die Pflicht hat, hinterjeden Mitarbeiter einen weiteren zu stellen, wiedas schon manchmal hier so formuliert wurde.Aber die zentralen Instrumente Weisung, Be-richtsanforderung - -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich kann dazu natur-gemäß nichts sagen, weil ich von dem gesamtenVorgang keine Kenntnis hatte.

Christian Flisek (SPD): Haben Sie nach dem - -Haben Sie überhaupt mitbekommen, dass unmit-telbar nach Ihrer Äußerung diese Weisungen inden Dienst hinein erteilt worden sind?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Nein.

Christian Flisek (SPD): Also, von einer Unruhe,von einer erhöhten Betriebstemperatur auch beimBND aufgrund Ihres politischen Satzes -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Nein.

Christian Flisek (SPD): - haben Sie überhaupt garnichts mitbekommen?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Nein.

Christian Flisek (SPD): Woran liegt das, FrauBundeskanzlerin, dass in einer Zeit, wo diesesThema ja immerhin - - Wir haben vor kurzem denUS-Botschafter in dieser Zeit, Herrn Emerson,hier verabschiedet. Er hat in seinem Abschieds-statement gesagt, dass neben TTIP das ThemaNSA eines der zentralen politischen Themen inseiner Zeit als Botschafter hier in Berlin war. Wiekann es sein, dass sozusagen dieses Thema, dasja doch für die transatlantischen Beziehungennicht nur auf der Arbeitsebene relevant ist, son-dern eben auch auf der höchsten politischenEbene - - dass man da nicht mal nachgefasst hatund gesagt hat: „Was bedeutet das jetzt eigentlichkonkret in der Umsetzung?“?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Da ich schon sagte,dass ich den Satz gesagt habe in der Annahme,dass der BND sich an diese politische Überzeu-gung hält, konnte ich auch nicht nachfragen undnach erhöhten Betriebstemperaturen gucken, son-dern ich habe meine - -

Christian Flisek (SPD): Das ist meine Formulie-rung.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja, ja. - Ich sage nur:Meine politische Überzeugung war, dass dasnicht geht. Darüber habe ich mit den VereinigtenStaaten von Amerika und mit dem amerikani-schen Präsidenten gesprochen.

Christian Flisek (SPD): Aber haben - - Ich frage esjetzt wirklich mal so: Haben Sie das dann nichtin einem Bereich auch mal zu einer Chefsachegemacht, dass Sie gesagt haben: Herr Pofalla, dieDinge, die in diesem Bereich passieren - - WeilSie haben ja mitbekommen, wie sehr dieser Satzsozusagen wirkte, auch in der Öffentlichkeit. Erist ja nicht ohne Wirkung geblieben, auch für un-sere Arbeit im Ausschuss. Dass Sie mal gesagt ha-ben: Herr Pofalla, ich möchte über diese Dingejetzt regelmäßig informiert werden. Was passiertdort? Halten wir uns selber dran? Was bedeutetdas auch für die Verhandlungen über das soge-nannte No-Spy-Abkommen?

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Zeugin Dr. Angela Merkel: Also, ich sage es nochmal: Ich habe keinerlei Anlass gehabt, dass derSatz bei uns seitens des BND nicht eingehaltenwurde. Ich habe auch keine Kenntnis von dem,was Sie jetzt über Herrn Pofalla und seine Dingesagen, gehabt, sondern habe überhaupt zum ers-ten Mal von Selektoren, unbekannten Selektorenoder, wie Sie das nennen, kritischen Selektorenerfahren im März 2015 - da war das, glaube ich -,und insofern war mein Fokus auf die Frage ge-richtet: Wie können wir mit den Amerikanernpolitische Abmachungen bekommen? Da warenja diese Gespräche, über die ich dann von Zeit zuZeit auch informiert wurde.

Christian Flisek (SPD): Frau Bundeskanzlerin,trotzdem noch mal nachgefragt: Woran kann esliegen, dass Sie diesen Satz sagen im Oktober,unmittelbar danach Ihr Kanzleramtschef PofallaWeisungen erteilt, dass einzelne, bestimmte EU-Selektoren der - - Herr Pofalla war stärker im Ge-schäft operativ drin; das ist auch nicht der Vor-wurf.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Er war verantwort-lich.

Christian Flisek (SPD): Genau, er war verant-wortlich. - Wie kann es sein, dass er solche Wei-sungen erteilte in Bezug auf EU-Partner undNATO-Partner - „die Selektoren sollen gelöschtwerden“ - in den BND hinein und Sie darübernicht informiert werden, dass das passiert, dassSie im Glauben gehalten werden, das sei sozusa-gen sowieso, ganz trivial eingehalten, die Rechts-lage, an die sich der BND von Anfang an gehaltenhat?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Also, ich kann ja hiernur das sagen, was ich weiß und was ich wusste.Ich will noch mal darauf hinweisen: Ich habenicht im Oktober zum ersten Mal das mit denFreunden gesagt im Zusammenhang mit meinemHandy, sondern ich habe es am 3. und 4. Juli ge-sagt und sinngemäß auch in der Pressekonferenzam 19. Juli. Das heißt, es war für mich von An-fang an unbeschadet meines Handys, wo es dannallen aufgefallen ist, ein Satz. Deshalb hatte ichauch null Grund, zu glauben, dass mit dem Okto-ber ein neuer Sachverhalt aufgetreten war. Da

war eine Insinuierung, dass vielleicht vonseitender Vereinigten Staaten von Amerika meinHandy abgehört werden konnte, aber nichts an-deres.

Christian Flisek (SPD): Wir unterhalten uns ja - -Sie haben ja auch darauf hingewiesen, dass esunsere Aufgabe ist, dann sozusagen Empfehlun-gen hier zu unterbreiten. Ein Themenkomplex,der hier, zumindest für meine Fraktion, sehrdeutlich aufscheint, ist die Frage: Wie sehr funk-tioniert die Fachaufsicht doch eines sehr poli-tischen Bundeskanzleramtes über dieses sensibleGeschäft der Dienste?

Ich stelle mir noch mal, wie gesagt, die Frage, umauch einen - - Ich kenne ja die inneren Abläufedes Kanzleramtes nicht. Ich versuche mir nur einBild davon zu machen. Ich stelle mir die Frage:Wie kann es sein, dass ein Thema, das ganzzentral für die transatlantischen Beziehungen ist,also wo Sie im Wesentlichen - Sie haben ja auchden Kernbereich angesprochen - die Ver-antwortung politisch natürlich tragen, und inIhrem engsten Umfeld im Amt treffen sich dieSpitzen der Geheimdienstpräsidenten und derKontrolleure, es geht darum, NATO-Partner-Se-lektoren, EU-Partner-Selektoren zu löschen, und -korrigieren Sie mich bitte - Sie sagen, Sie habenvon diesen Vorfällen unmittelbar nach diesemZitat von Ihnen nichts mitbekommen, also, wennSie so wollen, von den Erfolgen Ihrer politischenAnsage?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Also, erst mal will ichnoch mal sagen: Mit „unmittelbar“ ist wieder in-sinuiert, ich hätte es im Oktober zum ersten Malgesagt. Ich habe es schon im Juli gesagt; also, sounmittelbar danach war es nicht. Ich kann nursagen, dass ich davon nicht informiert wurdeund dass ich auch glaube, dass die Eigenständig-keit und die Zuständigkeit des Kanzleramts-ministers, inzwischen ja verstärkt durch HerrnFritsche auch als Koordinator, guter Brauch inden Bundesregierungen ist; ich glaube, solange esBundesregierungen in der BundesrepublikDeutschland gibt. Das, was Sie von mir hörenkönnen, ist das, was ich wusste, und ich wusstedavon nichts.

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Christian Flisek (SPD): Frau Bundeskanzlerin,eine letzte Frage. Im Nachgang ist man natürlichimmer schlauer, sozusagen im Rückblick. Aberwenn Sie jetzt das sich noch mal vor Augen füh-ren: Hätten Sie gesagt, Sie hätten informiert wer-den müssen oder sollen aufgrund der Organisa-tion des Themas Nachrichtendienste in IhremVerantwortungsbereich?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich habe und hatteVertrauen zu meinem damaligen Kanzleramts-minister.

Christian Flisek (SPD): Der Sie nicht informierthatte darüber. - Danke.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: HerzlichenDank. - Dann jetzt zur nächsten Fraktion. Dienächste Fraktion ist die Fraktion Bündnis 90/DieGrünen. Ich glaube, Herr Kollege von Notz be-ginnt. - Genau.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Vielen Dank, Herr Vorsitzender. - GutenTag, Frau Bundeskanzlerin!

Zeugin Dr. Angela Merkel: Guten Tag!

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Jetzt reden wir immer über diesen berühm-ten Satz, der irgendwie so eine politische Aufla-dung erfahren hat. Deswegen ist für mich erstmal interessant, die Urheberschaft zu klären. Werhat den Satz eigentlich erfunden?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Also, ich habe - - Ir-gendwie ist der Satz deshalb, finde ich, sehr inte-ressant, weil Sie, glaube ich, alle dem Satz zu-stimmen und trotzdem er uns so sehr beschäftigt.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Genau.

(Hans-Christian Ströbele(BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Aber der ist nicht

eingehalten worden!)

Zeugin Dr. Angela Merkel: Dass wir da aber poli-tisch übereinstimmen, ist doch schon mal eineMenge.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Das stimmt. Also, politisch - - Ich sageIhnen mal, wie es mir ganz persönlich ging: Ichhabe Sie den Satz sagen hören, und irgendwiefühlte sich das gut an.

(Heiterkeit)

Also, auch jetzt so für einen Grünen fühlte sichdas gut an. Aber ich habe, wie, glaube ich, vieleMenschen eben gedacht: a) Wenn die Kanzlerindas sagt, dann sind wir moralisch auf der richti-gen Seite. Wir machen das nicht, was die NSAmacht.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja, das habe ich jaauch gedacht.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Genau, aber das war halt falsch. - Also, ichhabe - - Die erste Aufzeichnung, die ich gefundenhabe von diesem Satz, die kommt von Ihrem Re-gierungssprecher. Der sagt am 01.07. in der Pres-sekonferenz 628 diesen Satz - ich kann das jetztnoch mal vorlesen -:

Ich sage ganz klar: Abhören vonFreunden ist inakzeptabel. Dasgeht gar nicht. Wir sind nichtmehr im Kalten Krieg.

Usw. usf. Und die ersten Fragen, die dann kom-men von Journalistinnen und Journalisten, dieauf dieser Pressekonferenz sind, sind sozusagengenau das Logische eigentlich, nämlich: „Heißtdas, dass wir das selbst nicht machen?“, und:Lässt das BND-Gesetz nicht auch zu, dass wir dasmachen?

Dann geht es da so ein bisschen hin und her, undam Ende sagt Ihr Regierungssprecher auf jedenFall - ich zitiere -:

Ich werde noch einmal mit denAuslegungsexperten sprechen.Dann werden wir versuchen, dazueine Antwort nachzuliefern.

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Diese Antwort ist leider nicht überliefert. HabenSie diese Frage im Bundeskanzleramt diskutiert„Machen wir das nicht selbst?“?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Nein. Ich sehe einhohes Maß an Übereinstimmung zwischen demRegierungssprecher und mir, weil ich am 03.07.fast wörtlich dasselbe gesagt habe.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich hätte jetzt nichtsagen können, ob er es vor- oder nachher - - Ichwusste, dass er es auch in einer Regierungspres-sekonferenz mal verwendet hat. Das deutet da-rauf hin, dass wir darüber gesprochen haben. Ichhatte jedenfalls keinen Zweifel daran, dass dieserSatz politisch richtig ist und sich auch in der Pra-xis dann so umsetzen lässt oder umgesetzt ist.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja. - Aber es gab ja dann doch eine ganzeReihe von Hinweisen spätestens im Oktober, dassauch der deutsche Nachrichtendienst das Gleichetut.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Warum im Oktober?

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Weil da zum Beispiel die Washington Postam 30.10.2013 berichtete, dass der Bundesnach-richtendienst circa 300 US-Amerikaner über-wacht. Hat Sie das erreicht?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich erinnere michjedenfalls nicht.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Einen Tag vorher hat auch Herr Clapper ineiner Anhörung in den USA ganz Ähnliches ge-sagt - nach dem Motto „Così fan tutte“ -: So ma-chen es alle. - Es gibt zahlreiche Unterlagen. Ichsage Ihnen jetzt mal nur eine einzige, die jetzthier zufällig liegt, aus dem Auswärtigen Amt: einGespräch am 02.07., also noch vor Ihrem State-ment. Das ist MAT A AA-1/6c_4.pdf, Blatt 16.

(Dr. André Hahn (DIELINKE): Das müssen wir

so sagen!)

- Ja. - Da sagt eine Wendy Sherman aus den USA.Ich zitiere - - Wendy Sherman beklagt den außer-ordentlichen Schaden, den Snowden angerichtethabe. Man wisse auch nicht genau, welche Infor-mationen er noch öffentlich machen wolle, ver-suche aber, den möglichen Schaden zu begren-zen. Was die NSA mache, machten genauso jaauch Großbritannien, Frankreich und deutscheDienste.

Also, das war auch gegenüber deutschen Stellenetwas, was alle gesagt haben: Auch die Deut-schen machen das. - Und jetzt, Frau Merkel, er-klären Sie mir doch, warum es bis zum März2015 dauerte. Also, noch über zwei Jahre hat derdeutsche Bundesnachrichtendienst Freunde ab-gelauscht. Es sind ja hier schon ein paar Sachengefallen. Wir haben diese Selektoren angeguckt.Es waren teilweise wirklich merkwürdige Such-begriffe, die da eingesteuert wurden. Warum se-hen Sie sich da nicht in einer Verantwortung alsFach- und Rechtsaufsicht, das vorher abzustellen,wenn Sie es denn die zehn Jahre, die Sie vorherregiert haben, schon nicht mitbekommen haben?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Also, das, was Sie mirvon dem zuständigen KanzleramtsministerPofalla eben ja gesagt haben, dass er zwischen-durch mal einen solchen Versuch unternommenhatte, spricht ja dafür, dass der, der für die Fach-aufsicht verantwortlich war, schon sich diesesThemas angenommen hatte. Dass das dann im-mer noch nicht vollständig befolgt wurde, fälltunter die Presseerklärung: technische und orga-nisatorische Defizite.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, aber für Herrn Pofalla sind Sie jetzt zu-ständig und Herr Pofalla dann für den - -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Im Sinne der Zustän-digkeit für den BND bin ich nicht für HerrnPofalla zuständig. Ich habe aber ausdrücklich ge-sagt, dass ich ihm vertraut habe und auch weitervertraue.

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Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Das verstehe ich. Aber er hat sein Wissenmit zur Deutschen Bahn genommen. Er hat eseben offensichtlich niemandem weitergegeben indem Sinne, dass sich darum strukturell geküm-mert wurde, was zu dieser maximalen Peinlich-keit im März 2015 geführt hat. Also, deswegendie Frage: Was ist da falsch gelaufen Ihrer Mei-nung nach?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Herr Pofalla war jahier als Zeuge und hat Ihnen sicherlich Auskunftgegeben.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, der wollte auch nicht schuld sein. Also,der hat sich dazu auch nicht erklärt. Der hat ge-sagt: Ich habe auch alles richtig gemacht. - Des-wegen ist ja die Frage - - Eben weil es keine per-sonellen Konsequenzen wegen dieses Skandalsgibt, ist die Frage, wer eigentlich verantwortlichist, und es wäre hilfreich für uns, wenn Sie unsdas sagen könnten.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich sage noch mal: Esist dann ja, auch durch Ihr Mitwirken - das mussman zugeben -, dazu gekommen, dass wir, glaubeich, heute einen vollständigen Überblick haben.Dass es da Defizite gab, wie wir es schon mit demBND geschrieben haben, ist klar. Die Fragen, dieSie stellen, kann ich nur so beantworten, dass ichtrotz allem Vertrauen zu denen habe, die das ge-macht haben, und dass wir in Zukunft sicherlichunsere Schlussfolgerungen daraus ziehen. Dasbedeutet, dass diejenigen, die für die Fachauf-sicht des BND verantwortlich sind, genauer hin-gucken werden.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Wie lange habe ich noch?

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Jetzt noch 30Sekunden. Für eine Frage würde es reichen. DieAntwort zählt ja nicht mit dazu, außer wir disku-tieren jetzt darüber.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Die Antwort zählt nicht dazu. - Nein, ichgebe ab und hebe mir das für die nächste Rundeauf. - Vielen Dank.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ganz herz-lichen Dank. - Dann kommen wir jetzt zur nächs-ten Fraktion. Jetzt stellt die Fraktion derCDU/CSU die Fragen. Frau Kollegin Warken be-ginnt.

Nina Warken (CDU/CSU): Vielen Dank. - GutenTag, Frau Bundeskanzlerin!

Zeugin Dr. Angela Merkel: Guten Tag!

Nina Warken (CDU/CSU): Sie hatten ja in IhremEingangsstatement schon Ausführungen dazu ge-macht, wie es war, als Sie von den Snowden-Ent-hüllungen Kenntnis erlangt haben, was dann IhreGedanken, Ihre nächsten Schritte waren; die Kol-legen haben Sie dazu ja auch schon befragt. Siehaben ausgeführt, dass Sie die Leitplanken vorge-geben haben, wie Sie sich künftig auch die Arbeitdes BND vorstellen. Es wurde ja einiges dannauch getan: die BND-Reform - Sie haben sieselbst erwähnt -, die PKGr-Reform. Es gab jadurchaus auch in der Abteilung 6 in Ihrem Hauspersonelle Aufwüchse, Umstrukturierungen. ImBND schaut man jetzt genauer hin. Da gibt es ver-besserte Weisungslagen, ein verbessertes Control-ling, auch bei der Selektorenprüfung. Ist mit denDingen, die sich jetzt geändert haben, die verbes-sert worden sind, das erfüllt worden, was Sie da-mals vorgegeben haben?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich weiß nicht ganzgenau, ob ich das Wort „Leitplanken“, was ichmanchmal benutze, heute schon benutzt hatte;aber im Grundsatz habe ich eine politische Vor-gabe gemacht. Ich gehe davon aus, dass die Ver-antwortlichen das, was sie nach ihrer fachlichenEinschätzung für notwendig halten, gemacht ha-ben, ja. Sicherlich wird trotzdem - davon geheich auch mal aus - in Zukunft öfter hingeschautwerden, sowohl im BND als vielleicht auch beider Fachaufsicht im Rahmen der neu gefundenenStrukturen.

Nina Warken (CDU/CSU): Sie hatten ja gesagt,dass Sie zu Beginn auch dann konkrete Nachfra-gen hatten, es Vorlagen gab, zum Beispiel überdie Programme Prism und Tempora. Wir habenauch durchaus ja in unseren Unterlagen einige

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Vermerke, die auch Ihre Paraphe tragen. Am An-fang waren das mehr, und später, als das Ganzedann so schon Monate ging, waren es wenigeroder keine Vermerke oder Vorlagen mehr, die Siedann persönlich abgezeichnet haben. War dasdann so, dass Sie sich dann eher mündlich habenberichten lassen über den Fortgang, oder habenSie gesagt: „Ich habe das Ganze jetzt sozusagenabgegeben an meinen Chef BK und gehe davonaus, dass das auch so umgesetzt wird“, oder wiemuss man sich das vorstellen?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Na ja, ich glaube, dassich schon über die politisch relevanten Dinge in-formiert wurde. Am Anfang die Nachfragen nachPrism und Tempora hatte ich aufgrund von Pres-seberichterstattungen gemacht, habe mich dannaber bereits Mitte Juli entschieden, mich mehrum die politischen Implikationen zu kümmern,deshalb also auch die Vorlagen, die ich Ihnen jagesagt habe, im August und dann wieder im Ja-nuar zu dem Stand der Gespräche über eben auchVerabredungen zum sogenannten No-Spy-Ab-kommen.

Nina Warken (CDU/CSU): Ich möchte - -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Zwischenzeitlich hat-ten sich nach meiner Erinnerung auch eine ganzeReihe von Sachverhalten geklärt, also dass, wieHerr Sensburg schon sagte, die flächendeckendeAusspähung nicht stattgefunden hatte usw.

Nina Warken (CDU/CSU): Zum Prism-Programmhaben Sie in dem Sachstandsvermerk, den Sieauch vorhin erwähnt hatten, den Sie im Juni2013 angefordert hatten, auch den Hinweis oderdie Ausführungen, dass die NSA eben mitgeteilthat, dass zur Verfügung gestellte Informationenzu Terrorismussachverhalten auch aus demPrism-Programm stammen. Präsident Obama hatsich zum Thema „Datensammlung der NSA“ jaauch bei seinem Berlin-Besuch geäußert und hatgesagt: Die Folge davon ist, dass wir Leben ret-ten. - Haben Sie denn einen Wissensstand oderwie ist denn Ihre Einschätzung zu der Frage, dieja schon in der Öffentlichkeit auch kontroversdiskutiert wird, ob und wie viele Terroranschlägedurch die Überwachungsprogramme der NSA tat-sächlich verhindert werden konnten?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Also, ich will an derStelle vielleicht noch mal sagen: Ich habe nieZweifel daran gehabt und habe auch heute keineZweifel daran, dass wir Nachrichtendienste brau-chen, eigene, gut ausgestattete. Wir sind ja inzwi-schen auch hier sehr viel weiter, auch innerhalbder politischen Meinungsbildung, und haben dieAusstattung verbessert. Zum damaligen Zeit-punkt war, glaube ich, unstrittig - so hat man esja auch überall gelesen -, dass die Frage derSauerland-Gruppe zum Beispiel sehr stark damitzusammenhing. Das ist das, woran ich mich jetzterinnere. Es gab dann noch mal einen versuchtenAnschlag auf einen Weihnachtsmarkt, wenn ichmich erinnere. Ich habe jetzt nicht alle Fälle vormir. Aber ich hatte keinen Zweifel daran, dassdie Aussage des amerikanischen Präsidenten,dass auch durch nachrichtendienstliche Zusam-menarbeit Leben gerettet werden kann, richtig ist.Heute habe ich sie mindestens so wenig, undeigentlich hat es sich noch stärker bewiesen alsrichtig.

Nina Warken (CDU/CSU): Sie haben bei IhrerRede anlässlich des 60-jährigen Jubiläums desBND auch gesagt, dass der BND unverzichtbar ist.Sie haben auch gesagt, dass die Zusammenarbeitmit anderen Nachrichtendiensten eben auchwichtig ist. Was sind denn Ihres Erachtens dieVoraussetzungen, die Bedingungen, die für sol-che Kooperationen gelten müssen mit anderenNachrichtendiensten?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Also, ich glaube, dasswir eine weit gefächerte Zusammenarbeit brau-chen, auch mit vielen Ländern. Wir haben im Zu-sammenhang mit Anis Amri jetzt gehört - da geheich wieder von presseöffentlichen Dingen aus -,dass uns auch nordafrikanische Dienste zum Bei-spiel Informationen zur Verfügung stellen. Also,ich glaube, die Gruppe derer, die im Kampf gegenden islamistischen Terrorismus vereint ist unddagegen ankämpft, ist eine ziemlich großeGruppe von Ländern. Natürlich muss man sichdarüber austauschen.

Nina Warken (CDU/CSU): Was würden Sie - -Wir hatten jetzt vorhin von Leitplanken oderGrundlinien - - Welche Grundlinien oder poli-tischen Voraussetzungen würden Sie formulieren

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wollen, die für diese Kooperationen gelten sol-len?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Dass man sich offenseine Informationen sagt über solche Sachver-halte, zum Beispiel den islamistischen Terror.Trotzdem kann es sich um Länder handeln, dieunsere Wertebasis, auch was die Einhaltung vonMenschenrechten anbelangt, vielleicht nicht100 - - in vollem Umfang entsprechen. Da habenwir dann darüber Diskussionen. Trotzdem arbei-ten wir mit den Diensten zusammen oder dieDienste miteinander zusammen.

Nina Warken (CDU/CSU): Die nicht die Werte-basis vielleicht unbedingt teilen, aber dann dochdas gegenseitige Recht und die Einhaltung desRechts des anderen Landes respektieren.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Na ja, gut. Ich sagemal: Da waren wir uns ja jetzt schon einig. Mitder 360-Grad-Überwachung, die eingeführtwurde, gucken wir jetzt natürlich nach der Tätig-keit aller Dienste, egal ob wir in Allianzen mit-einander verbunden sind, wie in der transatlan-tischen oder in der europäischen, und egal ob wireben sonst Länder sind, die auf verschiedeneWeise kooperieren, ohne nun in gemeinsamenOrganisationen wie zum Beispiel der Europäi-schen Union zu sein.

Nina Warken (CDU/CSU): Wir haben hier ja auchden Vorwurf der Wirtschaftsspionage zu klären,also ob der BND in irgendeiner Weise geholfenhat bzw. ob die NSA eigentätig hier spioniert hat,um ihren Unternehmen Wettbewerbsvorteile zuverschaffen. Den Vorwurf konnten wir hier so imAusschuss nicht belegen. Es handelt sich viel-mehr immer um die Phänomenbereiche derProliferation zum Beispiel, was ja auch nach demBND-Gesetz explizit erlaubt ist. Als damals aberVorwürfe aufkamen, hat Ihr Vizekanzler, Bundes-minister Gabriel, gesagt, Sie hätten ihm zweimalversichert, es habe über den bekannten FallEADS hinaus keine Hinweise auf Wirtschafts-spionage gegeben. Können Sie uns dazu Näheresausführen? Wie war da Ihr Informationsstand?Von wem wurde an Sie berichtet, sodass Siedann auch wieder Herrn Gabriel informierenkonnten?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich habe mich erkun-digt bei dem, der zuständig ist, also beim Chefdes Kanzleramtes, es kann sein, ich habe auch -das kann ich jetzt nicht mehr genau sagen - nochmal mit Herrn Fritsche gesprochen und auf derGrundlage, weil der Vizekanzler mich gefragthatte, ihm die Auskunft gegeben, die ich bekom-men hatte.

Nina Warken (CDU/CSU): Herr Gabriel hat ja denFall EADS als Wirtschaftsspionage eingeordnet.Können Sie sich ein Bild machen, wie er danndazu kam aus dem, was er von Ihnen gehört hat?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Nein.

Nina Warken (CDU/CSU): Ich möchte zu einemanderen Komplex noch kommen. Ursächlich für,glaube ich, unsere Tätigkeit hier und Ausgangs-punkt von allem waren ja die Enthüllungen vonEdward Snowden im Frühsommer 2013. Eswurde dann direkt und bis heute auch viel überdie Person Edward Snowdens ja gesprochen. Eskamen bald Forderungen oder die Frage ist inden Raum gestellt worden: Müssen wir ihm hierAsyl gewähren? Später ging es darum, inwieferner als Zeuge für diesen Ausschuss hier inDeutschland aussagen kann und ob das nicht er-möglicht werden müsse seitens der Bundesregie-rung. Können Sie uns sagen, aus welchen Grün-den die Bundesregierung bislang sich geweigerthat, Herrn Snowden trotz sehr vieler Initiativen,vieler Diskussionen eine Einreise nach Deutsch-land zu ermöglichen?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Nein, ich habe michhier immer wieder auf die Feststellungen - - Dasist ja vom Bundesjustizministerium, also vomBMJV, und vom AA umfassend geprüft worden.Ich habe mich auf die Einschätzungen jeweils ge-stützt und verlassen, habe auch nie Widerspruchdazu gehört innerhalb der Bundesregierung.

Nina Warken (CDU/CSU): Es wird ja in der Öf-fentlichkeit oft gesagt, dass man ihm eben auchviel zu verdanken hat, viele Informationen zuverdanken hat und dass es eine nette Geste wäre,ihn hierher zu holen und ihm entweder Asyl zugewähren oder dass wir hier zumindest die Gele-genheit haben, ihn als Zeugen - -

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Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Dazu HerrWolff von der Bundesregierung.

MR Philipp Wolff (BK): Ich möchte nur daraufhinweisen, dass das aus unserer Sicht nicht un-tersuchungsgegenständlich ist, dass man natür-lich Angaben ohne Anerkenntnis einer Rechts-pflicht dazu machen kann, sofern man das will.

(Hans-Christian Ströbele(BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-

NEN): Das ist doch egal, obmit oder ohne! - Heiterkeit)

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Frau Warkendarf weiter fragen und die Bundeskanzlerin na-türlich ohne Anerkennung einer Rechtspflichtantworten. Herr Ströbele fragt vielleicht noch malnach dem Friedensnobelpreis, aber nichtsdesto-trotz müssen wir mal schauen, was denn dieGründe waren. Ich glaube, da will Frau Warkendrauf hinaus.

Nina Warken (CDU/CSU): Genau, die Gründe. -Sie hatten ja auch schon eben geantwortet. Aberdie Forderung bleibt ja in der Öffentlichkeit, dassman ihn doch hierher holen müsse auch einStück weit aus Dankbarkeit - so habe ich es ebengenannt - und eben, weil er uns noch weiterhel-fen kann. Was würden Sie da entgegnen?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Wenn ich jetzt rechtinformiert bin, gab es ja verschiedene Angebotedes Untersuchungsausschusses - von Videokonfe-renz bis noch anderen; da weiß ich jetzt nichtalle einzelnen -, die alle abgelehnt wurden. Inso-fern ist es ja nicht so, dass es nicht irgendwieauch Angebote gab, Informationen einzuholen.

Nina Warken (CDU/CSU): Aber darüber hinaus-gehend würden Sie nicht gehen wollen?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Nein.

Nina Warken (CDU/CSU): Die Thematik bezüg-lich Ihres Handys wurde vorhin schon mit Ihnenja auch besprochen. Es wurde immer wieder derVorwurf erhoben, dass das Thema NSA-Überwa-chung die Regierung oder Sie selbst erst dann

richtig berührt hat, dass man erst dann richtig tä-tig geworden ist, als man dann erfahren hat, dassauch das Kanzlerinnenhandy eben Ziel der NSAgewesen ist. Was würden Sie dem Vorwurf ent-gegnen?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Mein halbes Ein-gangsstatement.

(Heiterkeit)

Also, ich - - Nein, wir haben davon gehört, undwir sind natürlich umgehend tätig geworden undhaben - - Es war ja - - ergab ja noch der Zufall,dass auch der amerikanische Präsident bereits am19. Juni Deutschland besucht hat. Da war das einumfassendes Thema. Dann haben wir natürlichden gesamten Sommer über - - Sie haben ja denKanzleramtsminister Pofalla hier auch als Zeugengehabt, der sich ausführlich mit dem gesamtenThemenkomplex ja befasst hat. Das PKGr hat sichpermanent, glaube ich, wenn ich mich recht erin-nere, damit befasst; damals war Herr Oppermannder Vorsitzende. Insofern kann man wirklichnicht sagen, dass wir erst begonnen haben, unsmit den Dingen zu befassen, als es Oktober 2013war, sondern nach meiner Erinnerung hat es denSommer ausreichend bestimmt.

Nina Warken (CDU/CSU): Gut. - Ist Ihres Erach-tens zwischenzeitlich sichergestellt, dass die Re-gierungskommunikation sicher ist?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Wie ich schon sagte:Ich habe auch vorher darauf geachtet, dass dasKommunikationsverhalten dem entsprechendenKommunikationsgegenstand angemessen ist. Daswird auch weiter so gehandhabt.

Nina Warken (CDU/CSU): Herr Könen - das istder Vizepräsident des BSI - war ja hier auch alsZeuge und hat uns berichtet, dass er Ihnen da-mals auch angeboten hat, dass das BSI Ihr Mobil-telefon physisch untersucht. Er hat gesagt:

Wir haben es angeboten ... Aberdas Angebot ist nicht angenom-men worden.

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War es Ihnen denn damals nicht wichtig, genauzu klären, ob Ihr Telefon manipuliert wordenwar?

Zeugin Dr. Angela Merkel: In der Abwägung derFrage, was man da als Mehrgewinn herausfindenkonnte, und der Frage, wie viele Erkenntnisseman über mein gesamtes Kommunikationsverhal-ten gewinnen konnte, was aus meiner Sicht zumKernbereich meiner Tätigkeit als Bundeskanzle-rin gehört, habe ich mich entschieden, mir einneues Gerät zu nehmen und nicht die Überwa-chung zu - - oder die Untersuchung, das Angebotanzunehmen.

Nina Warken (CDU/CSU): Haben Sie denn dazuauch konkrete Auskünfte seitens der US-Regie-rung bekommen, was da -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Nein.

Nina Warken (CDU/CSU): - Sachlage war? - ImRosengarten des Weißen Hauses bei einer ge-meinsamen Pressekonferenz mit PräsidentObama Anfang Mai 2014 - die Frage war, ob Ver-trauen wiederhergestellt sei - haben Sie gesagt -Zitat -:

Es kann und wird mehr geben, alszur Tagesordnung überzugehen.

Wurde denn Ihres Erachtens seitens der US-Re-gierung in der Folgezeit dann ausreichend Ver-trauen aufgebaut?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Wenn ich mich rechterinnere, hat Präsident Obama dann selber ja -und darüber hat er ja auch in öffentlichen Redenberichtet - doch Änderungen auch des Erfas-sungs- - oder der Arbeit der Nachrichtendienstein den Vereinigten Staaten von Amerika vorge-nommen und auch mehrfach darüber gespro-chen. Das bedeutet nicht, dass alle Einschätzun-gen jetzt zwischen den Vereinigten Staaten vonAmerika und Deutschland hier schon überein-stimmen. Aber es sind durchaus auch Schritte inden Vereinigten Staaten von Amerika unternom-men worden. Und damit ist natürlich auch einSchritt zu mehr Vertrauen da. Und das Zweite

ist, dass die Schlussfolgerung 360-Grad-Über-wachung natürlich auch für sich spricht.

Nina Warken (CDU/CSU): Das wäre nämlichmeine nächste Frage gewesen, ob Vertrauen dennda ausreichend ist bzw. der einzige Maßstab seinkann und ob man nicht auch -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Nein.

Nina Warken (CDU/CSU): - ein gesundes Maß anMisstrauen einfach haben muss.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja. Deshalb ist vonmir ausdrücklich die Entscheidung des Bundes-innenministers der 360-Grad-Überwachung un-terstützt worden.

Nina Warken (CDU/CSU): Gut. - Dann gebe ichan der Stelle ab an den Kollegen. - Vielen Dank.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ja. - Ich habenur noch mal eine Fragerichtung, weil die Fragender Kolleginnen und Kollegen vorher mich ein-fach dazu reizen: Es ist ja nun wirklich so, dassdie Bundeskanzlerin für das Wohl und Wehe desganzen Landes verantwortlich ist - das ist haltso -, natürlich damit auch für das ordentlicheArbeiten des Bundeskanzleramtes und alles, wasdadrunter untergliedert ist. Trotzdem gibt es jadie Arbeitsstruktur, die Sie eigentlich hinrei-chend dargelegt haben. Können Sie es trotzdemnoch mal machen, dass klar wird: „Wofür ist derChef des Bundeskanzleramtes gut? Was machtder mit Blick auf die Nachrichtendienste? Wofürist der Nachrichtendienstbeauftragte, Staatssekre-tär Fritsche, in dem konkreten personellen Fallzuständig?“, weil ja immer die Frage auch auf-kommt: „Frau Bundeskanzlerin, hätten Sie nichtden Selektor da aus dem Topf nehmen müs-sen?“? So kommt es mir manchmal vor, weil dasverschließt den Blick ein bisschen auf die kon-kreten Probleme, die aufgetaucht sind.

Ich sehe bei den Anschuldigungen, die im Som-mer 2013 peu à peu kamen - und Sie hatten dasgesagt, auch Kolleginnen und Kollegen hattendas gesagt -, vieles für nicht gegeben. Ich seheaber andere Probleme, die wir im Sommer 2013gar nicht auf dem Schirm hatten, für in diesem

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Untersuchungsausschuss aufgetreten. Das mitden Selektoren, ich glaube, das hatte hier keinerauf dem Schirm. Selbst wenn man da auf einemChart von den Veröffentlichungen von EdwardSnowden da was mit Selektoren sieht, dann hatkeiner im Grunde die Reichweite der Problematikerkannt, wie sie ja teilweise sogar erst 2015 unsallen gewahr wurde, auch uns.

So. Und deswegen, glaube ich, muss man mal be-stimmte Dinge trennen, bei denen wir uns ver-kämpfen würden, und bei den Dingen, wo wirwirklich genau hingucken würden und wo ichVerbesserungsbedarf sehe, wo wir auch be-stimmte Dinge schon gemacht haben, wo ichauch mit Blick auf den Abschlussbericht gerneherausarbeiten würde: Welche Punkte müssenvielleicht noch kommen? - Also, jetzt die kon-krete Frage noch mal: Welche Verantwortung hatdie Funktion von Staatssekretär Fritsche ausIhrer Sicht mit Blick auf die Nachrichtendienste?Was muss der da machen?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Also, für die Rechts-und Fachaufsicht für den BND ist, wie gesagt,seit Jahr und Tag - ich würde sagen, fast seit Be-stehen der Bundesregierung; ich weiß jetzt nichtgenau, ob das 1949 schon so war - aber immerentweder ein eigener Staatsminister verantwort-lich oder aber der Chef des Kanzleramtes. Die Po-sition von Staatssekretär Fritsche ist zum Teilschon eine Aus- - speist sich aus zwei Wurzeln.

Ich weiß jetzt nicht genau, ob es ein PKGr-Berichtwar oder andere Berichte, die darauf die Bundes-regierung aufforderten, mehr für die Koordinie-rung der Tätigkeit aller Nachrichtendienste zutun, weil das Kanzleramt für den BND verant-wortlich ist, das Bundesinnenministerium fürden Verfassungsschutz, Verteidigungsministe-rium für MAD und dann daraus sich auch sozu-sagen durchaus Reibungen oder Effizienzver-luste - oder wie immer das eingeschätzt wurdeseitens der Kollegen, ich glaube, im PKGr - erga-ben. Und man hat die Bundesregierung aufgefor-dert, etwas zu tun, damit diese Arbeiten besserkoordiniert werden können. Das war sozusagenWurzel eins oder Strang eins, aus der sich die Er-nennung von Herrn Fritsche speiste.

Und Strang zwei war, dass erkennbar war bei derBildung der neuen Bundesregierung, dass unsdas Thema NSA und die Fragen, die damit zu-sammenhängen, noch weiter beschäftigen wer-den. Auch klar war, dass der Kanzleramtsminis-ter ja sonst auch noch ein paar Dinge zu tun hatund man deshalb die personelle Kapazität an die-ser Stelle auch verstärken wollte.

Jetzt will ich - - Weil es sich ja hier auch um einThema handelt, das von hoher gesamtgesell-schaftlicher Verantwortung ist, deshalb habe ichja auch von den ersten Tagen nach dem Bekannt-werden der Informationen an nicht geschwiegenund mich damit herausgeredet, dass der Zustän-dige für die Rechts- und Fachaufsicht des BNDbitte mal die Sachen klären sollte, sondern ichhabe sehr klare politische Vorgaben gemacht undmein Verständnis auch deutlich gemacht. Undich glaube, wenn man sich die heutige Rechtsset-zung anguckt, die wir jetzt auch im Zusammen-hang mit islamistischem Terror machen, im Par-lament, in der Bundesregierung, dann geht esdoch dauernd um diese Balance von Sicherheitund Freiheit und „Was ist angemessen? Was istnicht angemessen?“. Also, das hat sich doch jetztdurch die Jahre eigentlich bestätigt und ist fastim Augenblick noch mal wieder virulenter alsdamals. Also trage ich natürlich für die Frage,wie wir mit solchen wesentlichen Fragen umge-hen, als Bundeskanzlerin Gesamtverantwortung;das ist klar.

Und dann gibt es eben die Ressortprinzipien mitden anderen Ministern, und dann gibt es ebenauch die spezielle Verantwortlichkeit der Fach-und Rechtsaufsicht, verstärkt durch den Koordi-nator für die Dienste, jetzt von Herrn Fritsche. Sowürde ich die Sachlage darstellen. Und da ist dasThema Fach- und Rechtsaufsicht im Zusammen-hang mit dem BND eben auch ein wichtigesThema gewesen und wird es auch in der Zukunftbleiben.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Wer ist denndamals 2013 auf die Idee gekommen, HerrnSchmidbauer da zu installieren - - Herrn Fritschezu installieren

(Heiterkeit)

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in der Stelle? Weil vorher gab es die ja nicht.Vielleicht war mein Versprecher sowieso garnicht so falsch, weil - -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Genau. Wenn ichmich recht erinnere, war das der Kanzleramts-minister Pofalla, der ja aus der Situation heraus,die wir kannten, bei der nächsten Regierungsbil-dung gesagt hat, mich auf die Wünsche des Parla-ments hingewiesen hat, eine bessere Koordinie-rung zu gewährleisten, und auch natürlich aufdie Summe der Arbeit hingewiesen hat, die auchin den nächsten Monaten noch auf uns sicherlichzukommt. Es war ja absehbar bei der Regierungs-bildung, dass auch ein Untersuchungsausschussgebildet wird. Der ist dann zwar erst im Frühjahrgebildet worden; aber das war ja im Raum. DieOpposition hatte das, glaube ich, schon angekün-digt, dass sie das tun werde. Und in dem Zusam-menhang haben wir diese personelle Verstärkunggemacht, und ich bin diesem Vorschlag gefolgt.Die Koalitionsfraktion, also die SPD, mit der wirdas natürlich diskutiert haben, ist dem auch ge-folgt. Und so ist Herr Fritsche an diese Stelle ge-kommen.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ja. Und denUntersuchungsausschuss haben wir ja auchweise im Koalitionsvertrag verankert. - Mir gehtes so ein bisschen darum: Da ist ja nun wasschiefgelaufen - und das wissen wir alle, und dashaben wir auch alle festgestellt -, dass der Einsatzvon Selektoren im Bundesnachrichtendienst, auswelcher Motivation auch immer - - Ich habe dameine Theorie. Aber ob die die richtige ist, wer-den wir nicht ergründen können, weil wir wahr-scheinlich nicht in die Köpfe des ein oder ande-ren hineinschauen können. Das ist falsch gelau-fen, vielleicht durch Übermotiviertheit, warumauch immer.

Aber das Problem, was ich sehe - und das, was jaich eben meinte: „weil Dinge falsch laufen; kannpassieren“ -, ist, dass das nicht wie eigentlich ineiner deutschen Behörde üblich - - Und wennman die Struktur von deutschen Behörden kennt,dann weiß man, dass besondere Vorkommnissegemeldet werden, dass Versäumnisse gemeldetwerden, dass der Grundsatz, den man nicht nurbeim Militär hat, „Melden macht frei“, auch den

einzelnen Sachbearbeiter eher freizeichnet, weil,wie gesagt, Fehler können immer passieren.Diese Sichtweise sehen wir von der Struktur desGrundgesetzes, was das Berufsbeamtentum be-trifft und die Haftung von Beamten, ja im Grundebis ins Beamtenrecht, bis in die tägliche Praxis.

Dieses Melden hat aber nicht geklappt. Und da,meine ich, müsste man vielleicht noch mal hin-schauen und sagen: Warum eigentlich nicht? -Weil wir wollen ja in Zukunft gewährleisten,dass das Bundeskanzleramt mit der Funktion, dieja von Herrn Fritsche ausgeübt wird und durchdie Abteilung 6 ja gewährleistet wird, dann auchmal etwas bemerkt, wenn der Bundesnachrich-tendienst an irgendeiner Stelle in der Hierarchiemauert, was nicht passieren darf. Eigentlich er-warte ich von einer Behörde, dass es von untennach oben hochgeht, ob das das Meldeamt ist biszum Bürgermeister. Wenn ein Bürgermeisternicht erfährt, was in seinem Einwohnermeldeamtpassiert, dann ist das auch unglücklich.

Und dann müsste man jetzt mal wirklichschauen: Wie kriegen wir es hin, dass unter denbesonderen Voraussetzungen von Polizei undNachrichtendiensten, die wir mit Eingriffsrech-ten ausstatten - was ja etwas mehr ist als viel-leicht bei einem Einwohnermeldeamt -, dannauch gewährleistet ist bei diesem starken Pfundan Möglichkeiten - - auf der anderen Seite dieRechtfertigung - klar - durch das, was Sie zuRecht dargestellt haben: „Notwendigkeiten derGewährleistung der Sicherheit“, aber auch Kon-trolle?

Und ich habe das öfters gesagt: Ich sehe uns na-türlich in der Bütt als Parlamentarier, weil wirkönnen auch nicht hinter jeden Mitarbeiter desBND einen Parlamentarier stellen, sondern esmuss gewährleistet sein, dass die Dienst- undFachaufsicht, die das auch nicht kann, aber dieSicherheit hat, dass diese Meldung - - dass dieErkenntnisse auch vernünftig fließen. Deswegenhaben wir im BND-Gesetz ja die Zeichnungdurch den BND-Präsidenten inzwischen etabliert,wenn Abhörmaßnahmen stattfinden. Aber mussnicht im umgekehrten Schluss auch aufseiten desKanzleramtes noch was kommen, weil man jaeben anscheinend nicht gewahr sein kann, dass

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alles ordentlich läuft wie in einer deutschen Be-hörde? Was ich auch erwartet hätte, muss ichganz ehrlich sagen: dass die Dinge eben hoch-kommen.

Und ich würde mir vielleicht als Anregung - ichweiß nicht, ob wir uns darauf einigen in einemAbschlussbericht - noch ein bisschen mehr tech-nische Expertise in der Abteilung 6 wünschen -weil ich kannte da auch vieles nicht, was dortstattfindet im Bundesnachrichtendienst -, insbe-sondere wenn man die Expertise erweitert mit-hilfe der Partner, dass man einfach noch stärkergewahr ist, was denn an Neuerungen in diesemNeuland, was sich irgendwie anscheinend zumAlltag erschließt, dann in Zukunft auch passiertim BND, also vielleicht die Erweiterung des tech-nischen Know-hows in der Abteilung 6, weg vonder klassischen juristisch ausgerichteten Dienst-und Fachaufsicht mit dem ein oder anderen, dervielleicht ein Experte ist im Bereich von dem,was wir als Nachrichtenwesen bezeichnen. Denktman darüber nach im Kanzleramt? Oder bin ichjetzt völlig auf dem Holzweg und Sie sagen:„Herr Sensburg, ist ja schön, was Sie sich da ein-fallen lassen nach drei Jahren; aber ich sehe dasanders“?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Also, ehrlich gesagt,wäre das eine Frage, die ich dem Kanzleramts-minister dann noch mal stellen würde. Ich willFolgendes sagen: Es ist ja so gewesen, dass derUntersuchungsauftrag dann, nachdem bekanntwurde, dass auch der BND eigene Selektoren ge-steuert hatte, noch mal erweitert wurde, wennich das richtig sehe. Und es ist ja bis dahin auchsozusagen eine Vollständigkeitserklärung abge-geben worden vom BND; das muss ja jedes Malsein. Und auf diese Vollständigkeitserklärung hatsich natürlich die Rechts- und Fachaufsicht auchverlassen. Und ich glaube, dass der neue BND-Präsident doch auch im Lichte dessen, was vor-gefallen ist, schon sehr viel aufmerksamer seinwird an dieser Stelle. Also, dass die Dinge jaauch im BND nicht ohne Wirkung gebliebensind, davon gehe ich ganz fest aus.

Und das Zweite ist, dass natürlich auch sicher-lich die Abteilung 6 - aber da muss ich darübersprechen; ich habe mich da jetzt im Detail nicht

damit beschäftigt - sehr viel aufmerksamer istund das PKGr auch sicher in der Folge jemandenalso jetzt gestärkt hat und seinerseits die Überwa-chung auch technisch mit sehr viel mehr verfol-gen will. Und ich glaube, eine Parallelität wirdda auch auf der Regierungsseite natürlich statt-finden. Und trotzdem, sage ich Ihnen, wird esnicht gelingen, die Rechts- und Fachaufsicht aufden gesamten Stand dessen zu bringen, was dieFachleute in dem technischen Bereich des BNDkönnen. Das wäre eine Duplizierung einer Be-hörde, die zum Schluss wieder zu den gleichensystemischen Schwächen führen kann wie dieBehörde selbst. Und deshalb kann man da sicher-lich die Transparenzforderung sehr viel stärkernoch stellen. Aber zum Schluss müssen wir uns -und ich glaube, das können wir auch - daraufverlassen, dass auch der BND selbst aus diesenVorkommnissen gelernt hat.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ganz herz-lichen Dank. - Wir kommen jetzt zur zweiten Fra-gerunde. In der zweiten Fragerunde beginnt wie-der die Fraktion Die Linke und, ich glaube, auchwieder Frau Kollegin Renner.

Martina Renner (DIE LINKE): Danke, Herr Vorsit-zender. - Frau Dr. Merkel, in Ihrer Sommerpres-sekonferenz am 19. Juli 2013 führten Sie aus:

Um es noch einmal ganz klar undunmissverständlich zu sagen: Aufdeutschem Boden hat man sich andeutsches Recht zu halten.

Wie stellt die Bundesregierung sicher, dass dieNSA sich daran hält?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Durch die 360-Grad-Überwachung.

Martina Renner (DIE LINKE): Die hat ja beiMarkus R. weniger gut funktioniert.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Na - -

Martina Renner (DIE LINKE): Die hat beim Kanz-lerinnenhandy weniger gut funktioniert, und diehat bei den NSA-Selektoren auch nicht so gut

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funktioniert. Gibt es in dem Bereich irgendwel-che Konsequenzen, dass man zum Beispiel hierauch gegenüber der amerikanischen Seite inten-siver um Sachstandsberichte bittet, dass man Ein-blick erhält zur Überwachungspraxis in Deutsch-land und Europa, oder ist das heute der Stand,wie er vor Sommer 2013 war?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Also, wenn ich rechtinformiert bin, ist ja die Tatsache, dass es Mar-kus R. im BND gab, nicht von amerikanischenBehörden uns gesagt worden, -

Martina Renner (DIE LINKE): Nein.

Zeugin Dr. Angela Merkel: - sondern war - -

Martina Renner (DIE LINKE): Aber er ist erst vonder CIA geschickt worden. Ja.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja, das ist ja ein Un-terschied. Also, es geht jetzt ja darum: Was kön-nen wir ermitteln? - Und das war ja offensicht-lich eine Sache, die dann von deutscher Seite ausans Tageslicht gekommen ist und mit der dann jaauch in entsprechender Weise umgegangenwurde. Zweitens - sage ich noch mal -: 360-Grad.Drittens werden wir immer wieder versuchen,mit der amerikanischen Seite über gemeinsameGrundsätze zu sprechen. Aber wir hatten erst ein-mal nicht den gewünschten Erfolg; darüber habeich ja auch berichtet.

Martina Renner (DIE LINKE): Haben Sie eineVorstellung, wie viele NSA-Suchbegriffe auf derDatenbank des Bundesnachrichtendienstes lie-fen?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Nein.

Martina Renner (DIE LINKE): Das waren 13 Mil-lionen. Wie viel es derzeit sind, wissen wir nicht;vielleicht Mitglieder des PKGr hier im Raum. Esist doch eine ganz erhebliche Anzahl - oder? -,wenn jeder Einzelne dieser Selektoren einenGrundrechtseingriff normiert.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Na ja. Ich glaube, wirmüssen jetzt wirklich wieder unterscheiden zwi-schen den Dingen, die nicht richtig gelaufen

sind, und den Dingen, die nach dem BND-Gesetz,auch nach dem neuen BND-Gesetz, abgedecktsind. Und wenn es da viele große Zahlen von et-was gibt - was ich technisch nicht voll durchbli-cke -, dann sollte man mit der großen Zahl ausmeiner Sicht nicht Eindrücke erwecken, die viel-leicht in die Irre führen.

Martina Renner (DIE LINKE): Na, dann reden wirüber die rechtswidrigen NSA-Selektoren: Siesprachen davon, dass die USA leider nicht zuge-stimmt hätten, dass der Untersuchungsausschussdiese einsehen könne. Aus den Unterlagen, diewir gesehen haben, und aus den Gesprächen, diewir mit der Bundesregierung geführt haben, gehteher hervor, dass die USA sich eher zurückhal-tend geäußert haben und die Letztentscheidungder Bundesregierung überlassen haben, ob demUntersuchungsausschuss die Selektoren vorge-legt werden.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich muss jetzt, damitich es richtig sage - - Es bedarf der ausdrück-lichen - -

(Die Zeugin blättert inihren Unterlagen)

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Frau Bundes-kanzlerin, dazu meldet sich auch Herr Wolff.

MR Philipp Wolff (BK): Also, ich will nur auchinsofern darauf hinweisen: Der Umgang mit denSelektoren gegenüber dem Untersuchungsaus-schuss ist auch nicht untersuchungsgegenständ-lich; da sind wir uns, glaube ich, einig.

(Dr. André Hahn (DIELINKE): Es geht um Be-

weisanträge, die hiergestellt wurden!)

Die Zeugin kann natürlich dazu Aussagen ma-chen. Aber ich glaube, das ist unbestritten, dassdas Verfahren an sich nicht Gegenstand des Un-tersuchungsausschusses ist.

Martina Renner (DIE LINKE): Dann machen wirohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht - -

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MR Philipp Wolff (BK): Da kann man in Bera-tungssitzung darüber sprechen, und da haben wirauch intensiv darüber gesprochen.

Martina Renner (DIE LINKE): Aber wenn wirheute die Gelegenheit haben, eine Zeugin zusprechen, die verantwortlich ist für solche poli-tischen Entscheidungen, dass man zum Beispieldem Untersuchungsausschuss wichtige Beweis-mittel nicht gibt, dann versuchen wir ja natürlichheute, die Gelegenheit zu nehmen, dies zu the-matisieren.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Genau. Und HerrWolff ist so sachkundig, dass er dann immer aufdie -

Martina Renner (DIE LINKE): Genau.

Zeugin Dr. Angela Merkel: - Qualität meinerAussagen hinweist, und dafür bin ich sehr dank-bar. - Ich kann und will zu dem Thema auch nurwieder zitieren, was ich schon im Eingangsstate-ment habe: Die Third Party Rule gilt. Das heißt,die Herausgabe der Selektoren ohne ausdrück-liche Zustimmung der USA ist nicht möglich. -Und eine solche ausdrückliche Zustimmung hates nicht gegeben.

Martina Renner (DIE LINKE): Sie führen ja nunnatürlich auch vielfältige Gespräche mit ver-schiedenen Personen in der US-Administration.Spielte das dort mal eine Rolle, inwieweit mandie Arbeit des deutschen Untersuchungsaus-schusses, also des deutschen Parlamentes, gege-benenfalls befördert oder hemmt?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Also, ich habe der-artige Gespräche nicht geführt. Aber es ist ja be-kannt, dass es ein Konsultationsverfahren dazugab. Also: Es wurden solche Gespräche geführt;natürlich.

Martina Renner (DIE LINKE): Frau Kollegin War-ken hat ja vorhin schon auf die Rolle der Bundes-regierung im Zusammenhang mit unserer Zeu-genladung Edward Snowden abgestellt. Ichwürde gerne nur eine Frage ergänzen zu IhrenAntworten, die Sie vorhin gaben: Sehen Sie

eigentlich vor dem Hintergrund, dass es mittler-weile einen neuen und auch anderen US-Präsi-denten gibt und insbesondere eine andere Hal-tung der US-Regierung im Bereich Bürger- undFreiheitsrechte, gegebenenfalls die Notwendig-keit, die Entscheidung der Bundesregierung unddamit auch der Mehrheit in diesem Ausschuss,nämlich der regierungstragenden Fraktion, zuüberdenken, die Zeugeneinvernahme vonEdward Snowden weiter zu blockieren?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich möchte meinenAusführungen von erst jetzt nichts hinzufügen.

Martina Renner (DIE LINKE): Also, Sie würdensagen: Unter der neuen Administration hat sichnichts geändert, was die Haltung der Bundes-regierung beeinflussen könnte.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich sehe keinen er-gänzenden Sachverhalt, den ich jetzt noch zudem Thema sagen könnte. Wenn ich mich rechterinnere, war es sowieso ja nicht der Gegenstanddes Untersuchungsausschusses.

Martina Renner (DIE LINKE): Ja, aber es ist unserzentraler Beweisbeschluss und - -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja, ja. Den achte ich jaauch. Deshalb habe ich ja Frau Warken auch dasgesagt, was ich dazu sagen kann. Aber das war er-schöpfend aus meiner Sicht.

Martina Renner (DIE LINKE): Wenn Sie über dieFragen der Kontrolltätigkeit des Bundeskanzler-amtes beraten haben - was sicherlich gelegentlichThema war in den letzten Jahren -, wer ist dortIhr erster Ansprechpartner, Herr Fritsche oderHerr Altmaier?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Also, wir nähern unsjetzt auch sehr stark dem Kommunikationsver-halten innerhalb der Bundesregierung, was ichdem Arkanbereich zurechnen würde. Ich darfIhnen aber sagen, dass mein erster Ansprechpart-ner in jedem Falle der Chef des Kanzleramtes ist.Das soll aber keine Herabsetzung von Herrn Frit-sche sein. Nur, es liegt in der Natur der Sache.

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Martina Renner (DIE LINKE): Und als man Sieinformierte - das hat man sicherlich irgendwanngetan -, dass fragwürdige BND-Selektoren aufge-funden wurden, die sich gegen Botschaften, euro-päische Einrichtungen, Regierungsstellen, inter-nationale Institutionen und vieles mehr richte-ten, was hat man Ihnen da genau gesagt? Wannwar das? Wer hat das Ihnen gesagt? Weil ich willes nur kurz erläutern: Hier gibt es tatsächlich wi-dersprüchliche Aussagen von Herrn Pofalla,Herrn Schindler, Herrn Altmaier, um was es dagenau bei diesem Bericht im Bundeskanzleramtging. Was ist Ihnen gesagt worden? Was ist dasProblematische beim BND?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Gut. - Also, zu Zeitenvon Herrn Pofalla ist mir überhaupt nichts gesagtworden, wie wir ja schon festgestellt hatten.Dann ist Anfang Oktober - - Nein, jetzt war erstmal - - Im März waren die NSA-Selektoren.

Martina Renner (DIE LINKE): Genau.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Da hat mich der Chefdes Bundeskanzleramtes informiert, dass er wie-derum von Staatssekretär Fritsche davon unter-richtet worden sei usw. Er hat mir dann gesagt,dass er auf umfassende Aufklärung drängt, undich habe dann mitbekommen, dass am 22. Aprildem PKGr ein erster Bericht gegeben wurde.

Martina Renner (DIE LINKE): Ja, aber wir fragennatürlich auch Ihre Erinnerung hier, nicht nurdas, was Sie jetzt noch mal aufgeschrieben ha-ben.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja, das ist ja meineErinnerung.

Martina Renner (DIE LINKE): Und können Siesich daran erinnern: Was hat Herr Altmaier ge-sagt, was ist das Problem? „Wir steuern unsereeigenen Botschaften. Wir steuern unsere Kolle-gen“?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Nein. Ich habe über-haupt im Zusammenhang von März 2015, glaubeich, mich zum ersten Mal intensiver mit dem Se-lektorenbegriff überhaupt befasst. Und dann An-fang Oktober - - Es war sowohl klar, dass die

Steuerung dieser NSA-Selektoren nicht unserenVorstellungen von der Tätigkeit des BND ent-sprach, als auch - - Wobei ich ja da zu dem Zeit-punkt gar nicht wusste und auch zum heutigenZeitpunkt nicht - - mich intensiv bemüht habe,was - - Mir ist nur gesagt worden, dass es Steue-rungen sind, die unter der Rubrik „Abhören vonFreunden tut man nicht“ nicht angemessen sind.Und dann ist eben im Oktober noch mal klar ge-worden, dass auch der BND solche eigenen Se-lektoren steuert. Und dass das nun völlig ab-weicht von der Grundthese, die ich vertretenhabe und vertrete, war mir unmittelbar nach derInformation klar.

Martina Renner (DIE LINKE): Aber da ist dochsicherlich nicht nur gesagt worden: Wir steuernauch Freunde.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Vielleicht alsletzte Frage.

Martina Renner (DIE LINKE): Das würde ja eineNachfrage provozieren: Ja, wen denn konkret?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Mir war klar, dassdas - - Kann ich jetzt nicht sagen. Der Kern derAussage war: -

Martina Renner (DIE LINKE): Wir steuernFreunde.

Zeugin Dr. Angela Merkel: - „Wir steuern -

Martina Renner (DIE LINKE): Freunde.

Zeugin Dr. Angela Merkel: - Selektoren, die un-ter die Rubrik ‚Freunde‘ fallen“, und dass das mitdem Programmsatz „Ausspähen von Freunden“nicht vereinbar ist.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Okay.

Martina Renner (DIE LINKE): Okay.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Gut.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Deshalb sind wir jaalle dagegen; deshalb muss das ja auch abgestelltwerden.

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Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: HerzlichenDank. - Wir müssen wieder die Fraktionen wech-seln, weil das ja Zeitkontingente sind. Und wirkommen in der zweiten Runde jetzt zur Fraktionder CDU/CSU. Frau Kollegin Warken.

Nina Warken (CDU/CSU): Ja, vielen Dank. - Ichmöchte noch mal auf das Thema No-Spy-Abkom-men zu sprechen kommen. Sie haben dazu ein-gangs ja schon einiges gesagt, auch wie das Ganzevom Gang der Verhandlungen her aus Ihrer Sicht,Ihrer Erinnerung nach abgelaufen ist. War dasGanze also kein, wie es so oft genannt wird, „Po-panz“ im Wahlkampf oder keine „Nebelkerze“ imBundestagswahlkampf?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja, angesichts auchder Faktenlage finde ich es schon erstaunlich,dass das immer wieder so politisch eingestuftwird. Ich kann mich dem absolut nicht anschlie-ßen. Ich habe Ihnen von der Vorlage vom7. August berichtet. Ich habe Ihnen von denGesprächen, die Herr Fritsche mit Frau Monacohatte, berichtet und kann nicht erkennen, dass essich da nicht um Verhandlungen handelte.

Nina Warken (CDU/CSU): War der Begriff viel-leicht zu optimistisch gewählt?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja, die amerikanischeSeite hat von „Agreement“ gesprochen, ausweis-lich der Vorlage, die ich am 7. August bekommenhabe. Und dann hat der Kanzleramtsminister dasam 12. August mit „No-Spy-Abkommen“ klassifi-ziert. Ich persönlich habe einmal, glaube ich, voneinem „sogenannten No-Spy-Abkommen“ ge-sprochen. Aber ich glaube, zwischen „Agree-ment“ und „No-Spy-Abkommen“ kann ich jetztnicht den ganz großen Unterschied erkennen.

Nina Warken (CDU/CSU): Was war denn derkonkrete Grund? Woran ist es dann tatsächlichgescheitert? Wo war da der größte Dissens, denman gehabt hat?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Also, nach meinerAuffassung daran, dass man sich eben auf dieKernsätze, dass deutsches Recht gilt, dass Ab-hören von Freunden nicht geht, so nicht einigenkonnte. Und wir konnten jetzt ja kein Abkommen

akzeptieren, das unsere Kernauffassungen nichtausreichend berücksichtigt.

Nina Warken (CDU/CSU): Waren die ganzen Ver-handlungen, die ganzen Gespräche dann Ihres Er-achtens völlig umsonst oder ergebnislos, oder hatman dann zumindest vielleicht in Teilbereichenein gemeinsames Verständnis hinbekommen?Oder hat es vielleicht dazu geführt, dass inner-halb der US-Regierung, innerhalb der Verwaltungder Vereinigten Staaten es doch ein Umdenkengegeben hat?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Na ja. Ich nehme dieTatsache, dass Präsident Obama ja die gesamtenFragen der nachrichtendienstlichen Tätigkeitenauch auf den Prüfstand gestellt hat und auch re-lativ weit reichende Änderungen angeordnet hat,schon auch als ein Indiz dafür, dass man auchVeränderungsbedarf in den Vereinigten Staatenvon Amerika gesehen hat. Ja.

Nina Warken (CDU/CSU): Eingangs hatten Sieals eine erste Reaktion auf die veröffentlichtenInformationen zu den Abhörmaßnahmen derNSA ja den sogenannten Achtpunkteplan ge-nannt, von dem ja manches direkt umgesetztworden ist, manches noch wahrscheinlich imProzess ist. Können Sie uns da Näheres sagen,wie weit man ist mit der Umsetzung und wonoch Handlungsbedarf besteht?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Also, ehrlich gesagt,habe ich die acht Punkte jetzt nicht bei mir. Aberich weiß, dass wir bei den Vereinten Nationengearbeitet haben, da bei diesem Pakt für - habenSie wahrscheinlich besser da - - und wo es umdie Informations- und Privatsphäre, -

Nina Warken (CDU/CSU): Schutz der Privat-sphäre im Digitalzeitalter.

Zeugin Dr. Angela Merkel: - Schutz der Privat-sphäre geht. Dort haben wir uns ja damals mitBrasilien zusammengeschlossen, sind auch voneinigen Ländern noch unterstützt worden; daranwird immer noch gearbeitet. Da gibt es jetzt aucheinen UN-Verantwortlichen für diesen ganzenBereich. Wir haben durchaus Konferenzen mit

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den europäischen Nachrichtendiensten auch ge-habt. Wir haben die Datenschutz-Grundverord-nung inzwischen verabschiedet. Wir haben imBereich des BSI Etliches gemacht. Also, da istschon einiges geschehen.

Nina Warken (CDU/CSU): Ein Thema, das unsimmer wieder hier auch bewegt, ist eben die Tat-sache, dass auf Grundlage von bestimmten Ver-einbarungen, von Abkommen mit anderen Staa-ten es eben nicht möglich ist, dass die Bundes-regierung uns Dokumente vorlegt. Dennoch hat jadie Bundesregierung, auch Staatssekretär Frit-sche, sich immer intensiv auch bemüht, dassDokumente freigegeben werden können, dass siedem Ausschuss vorgelegt werden können, insbe-sondere eben bei den Amerikanern. Wie würdenSie denn von dem, was Sie mitbekommen haben,die Kooperationsbereitschaft der Amerikaneroder auch der anderen Five-Eyes-Staaten zusam-menfassend beschreiben? Ist da eher gemauertworden, oder wie war da auch die Atmosphäre?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Also, ich nehme ja andiesen Gesprächen nicht teil. Ich weiß nur, dasses eine, wenn Sie zum Beispiel die Five Eyesnennen, klare politische Aussage meiner Kolle-gen gibt, uns immer auch gut zu unterrichtenüber Gefährdungen, die für deutsche Staatsbürgerentstehen könnten. Und ich finde, das ist einesehr wichtige Sache für mich, weil die Frage „Woliegen Gefährdungen für deutsche Staatsbürgerin-nen und Staatsbürger vor?“ die entscheidendeFrage natürlich auch ist, um die ich mich zukümmern habe. Und da habe ich eigentlich einsehr gutes Gefühl und eine sehr gute Einschät-zung, dass man hier eng mit uns zusammenarbei-tet. Und wir haben jetzt schon darüber gespro-chen, dass uns das an vielen Stellen auch schongeholfen hat.

Nina Warken (CDU/CSU): Genau. Das ist näm-lich dann auch der nächste Punkt oder dienächste Frage, die immer wieder aufgetaucht ist.Der Kollege von Notz hat dazu auch mal eine An-frage gestellt, die die Regierung beantwortet hat:dass jetzt tatsächlich in der operativen Zusam-menarbeit der Nachrichtendienste es da wohlschon Anzeichen gegeben hat. Also, die Bundes-regierung hat in der Antwort von „deutlichen

Anzeichen“ gesprochen, dass eben wichtige Part-ner in der nachrichtendienstlichen Zusammen-arbeit diese Zusammenarbeit auf den Prüfstandstellen. Inwiefern haben Sie davon Kenntnis er-langt, bzw. was waren denn diese Anzeichen?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Das kann ich im Ein-zelnen nicht sagen. Ich weiß nur, dass dieDienste allgemein und auch die befreundeten da-von ausgehen, dass sie ihre Arbeit eben so ma-chen können, dass dadurch Personen nicht in Ge-fahr geraten und deshalb eben auch ein gewissesMaß an Verschwiegenheit erforderlich ist; das istder Arbeit immanent.

Nina Warken (CDU/CSU): Wie würden Sie dannden weiteren Fortgang des Verhältnisses zwi-schen den deutschen Diensten und den Dienstender Five-Eyes-Staaten beschreiben, wenn es davielleicht am Anfang schon, sage ich mal, ge-wisse Zeichen der Entfremdung gegeben hat,wenn ich es so nennen will? Hat man sich dannwieder angenähert? Hat sich das wieder normali-siert?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich würde von derEinschätzung her sagen, ohne dass ich mich mitden Diensten darüber im Detail unterhalten hätte,dass alles, was in der Zeitung steht zum Hergangvon bestimmten Informationen, sagen wir mal,die Vertrautheit zwischen den Diensten nicht för-dert.

Nina Warken (CDU/CSU): Und das ist immernoch so, oder bessert sich das?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Man weiß ja nicht,wie oft was nicht in der Zeitung steht.

Nina Warken (CDU/CSU): Gut. - Dann würde ichfür den Moment mal abgeben.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: HerzlichenDank.

Nina Warken (CDU/CSU): Der Kollege wolltenoch.

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Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Der KollegeSchipanski hat aber weitere Fragen für die Frak-tion der CDU/CSU.

Tankred Schipanski (CDU/CSU): Zwei Fragen,Frau Bundeskanzlerin. Sie haben ja zu den BND-eigenen Selektoren schon Stellung genommen.Wir hatten eine Taskforce des PKGr dazu. Dawurde ja auch noch mal im offenen Bericht aus-drücklich festgestellt, dass kein Partnerlandselbst politisch aufgeklärt oder ausspioniert wer-den sollte oder wurde. Mit Blick auf - -

(Dr. André Hahn (DIELINKE): Was? Blanke Lüge,

blanke Lüge!)

- Überhaupt nicht. Also, dann gucken Sie sichden offenen Bericht an, Herr Hahn, und dannkommen Sie genau zu dieser Einschätzung.

(Hans-Christian Ströbele(BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ich habe da mitge-arbeitet! - Martina Renner(DIE LINKE): Können wir

einen Vorhalt - -)

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Wir sindheute so kollegial, wie wir es in den letzten dreiJahren gemacht haben, und lassen immer denje-nigen, der fragt, ausreden, nicht wahr? - Danke.

(Christian Flisek (SPD): Dasist Quatsch mit Soße!)

Tankred Schipanski (CDU/CSU): Also, mit Blickauf Ihre Aussage „Ausspähen unter Freunden,das geht gar nicht“ - darauf wollte ich jetzt nocheinmal hinaus -: Hätten Sie zum damaligen Zeit-punkt gewusst, welche Ziele auch der BNDsteuert, hätten Sie diese Aussage damals auch sogetätigt?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Wie ich schon sagte:Ich stehe zu dieser Aussage und habe mich jetztmit dem Bericht nicht im Einzelnen befasst. Ichsage nur: Ich stehe zu der Aussage und habe jameinen Bericht oder meine Ausführungen hierim Eingang auch so beendet mit einem Zitat vom30. Mai 2015, das ja heute noch gilt:

Mein politischer Satz beschreibtganz offensichtlich einen an-spruchsvollen Grundsatz, den-noch halte ich ihn für wichtig.

Tankred Schipanski (CDU/CSU): Gut. - ZumWeiteren oder jedenfalls eine Frage anschließendan die Frau Kollegin Warken - das betrifft dieKooperation mit anderen Nachrichtendiensten -:Kollegin Warken hat darauf hingewiesen, dassselbstverständlich in der globalisierten Welt dasnotwendig ist, das auch zu machen. Wenn es -zukünftig; wir sollen ja auch entsprechende Emp-fehlungen ausgeben als Untersuchungsaus-schuss - sich dabei jetzt aber um Nachrichten-dienste handelt, die jetzt nicht unser Wertefunda-ment vertreten, wie würden Sie das politisch ein-schätzen? Ist es dann trotzdem unter Umständengeboten, mit diesen Diensten zusammenzuarbei-ten?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja. Ich hatte das jaauch im Zusammenhang mit Frau Warken schongesagt: Ich glaube, dass die Anforderung an denSchutz unserer Staatsbürger, der wir nach bestemWissen und Gewissen entsprechen müssen, es er-forderlich macht, dass wir mit Informationsquel-len oder also auch mit Diensten anderer Längerso gut wie möglich kooperieren. Im Einzelfallmuss das jeweils dann entschieden werden, wiedas genau gemacht wird. Und die Gefahr des is-lamistischen Terrorismus ist eine globale Gefahr;das wissen wir leider. Und deshalb erfordert sieauch noch stärker, als das vielleicht zu früherenZeiten notwendig war, diese internationale Zu-sammenarbeit.

Tankred Schipanski (CDU/CSU): Und dann hätteich noch eine abschließende Frage von meinerSeite mit Blick auf die Reform des BND-Gesetzes,was wir vollzogen haben: Halten Sie das für eineausreichende Rechtsgrundlage, um auch Ihrempolitischen Leitmotiv „Abhören unter Freunden,das geht gar nicht“ entsprechend gerecht zu wer-den?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja. Also, ich halte esfür eine Rechtsgrundlage, die einerseits die not-wendige Tätigkeit der Dienste möglich macht,

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also des BND in diesem Falle, die mehr Rechts-klarheit mit sich bringt, gerade auch was sozusa-gen Tätigkeiten auf deutschem Territorium anbe-langt, und gleichzeitig meinen Anliegen und mei-nem politischen Grundsatz, den Sie ja auch tei-len, gerecht wird. Und dann wird man die Dingeweiter beobachten müssen in der Zukunft; das istja immer so, bei jedem Gesetz.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Der KollegeOstermann hat weitere Fragen.

Dr. Tim Ostermann (CDU/CSU): Frau Bundes-kanzlerin, ich möchte noch mal auf Ihr Handy zusprechen kommen und auf die Vermutung, dasses abgehört worden sein könnte. Noch mal kon-kret nachgefragt: Wie gravierend schätzen Sieden Informationsabfluss ein, der durch eineÜberwachung - man muss ja vorsichtig formulie-ren - Ihres Handys entstanden sein könnte?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Da ich mein Kommu-nikationsverhalten immer den Sachverhalten an-gemessen betreibe, glaube ich, dass, egal wasist - - Es sind ja keine Indizien - - Also, wir habenkeine Beweise, dass der Sachverhalt stattgefun-den hat. Aber ich halte das bei meiner politi-schen Tätigkeit für absolut beherrschbar, selbstwenn es so sein sollte, wofür ich keinen Beweishabe.

Dr. Tim Ostermann (CDU/CSU): Medienberich-ten zufolge soll dieses Handy auch überwiegendfür Parteizwecke genutzt worden sein, das heißtalso nicht für Regierungszwecke. Treffen dieseBerichte so zu?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Also, richtig ist,dass - - Zu der Frage, mit welchem Anteil wasgemacht wurde, will ich mich jetzt gar nichtäußern. Ich habe aus Gründen der Frage der Ab-rechnung darauf Wert gelegt, dass das Handy vonder Partei geführt wurde, weil ich in keine Ab-grenzungsfragen kommen möchte, wann ein Ge-spräch ein Partei-, ein Regierungsgespräch ist.Und ich glaube, angesichts von unser allerWunsch, dass wir nicht Steuergelder falsch ver-wenden, ist das eine richtige Entscheidung gewe-sen.

Dr. Tim Ostermann (CDU/CSU): Dann nocheinige Fragen zum Thema 360-Grad-Blick. LautMedienberichten - ich beziehe mich da auf einenBericht der Süddeutschen Zeitung - soll die Ent-scheidung durch die Minister Altmaier, de Mai-zière und Steinmeier getroffen worden sein. Sinddiese Überlegungen mit Ihnen abgestimmt wor-den, oder ist die Initiative dazu sogar von Ihnenausgegangen?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Wir bewegen unsjetzt, glaube ich, wieder nicht im Kernbereich desUntersuchungsausschusses; aber ist auch egal. Esist ja eine bekannte Entscheidung. Die drei Mi-nister haben überlegt: Welche Maßnahmen mussman angesichts der Situation ins Auge fassen? -Und das ist mir dann mitgeteilt worden, und ichhabe das begrüßt.

Dr. Tim Ostermann (CDU/CSU): Vor dem Hinter-grund einer Äußerung von Frau Renner eben, diegesagt hat, der 360-Grad-Blick habe bei Markus R.und bezüglich des angeblichen Abhörens IhresHandys nicht funktioniert, ist mir noch malwichtig, dass wir vielleicht die Chronologie nochmal ein bisschen auf die Reihe bringen.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja. Da wollte ich nochdarauf eingehen. Ich habe die jetzt nicht genauim Kopf, wann der 360-Grad-Blick eingeführtwurde. Aber - -

Dr. Tim Ostermann (CDU/CSU): Den Medien-bericht gab es im Juli 2014, im gleichen Monatsoll es die Enthüllung zu Markus R. gegeben ha-ben, und den Sachverhalt zu Ihrem Handy hatman im Oktober 2013 vernehmen dürfen.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Richtig. Ich habeauch die Art - - Was ich da gesehen habe - - habeich nicht den Eindruck gehabt, dass es der 360-Grad-Blick war. Aber - -

Dr. Tim Ostermann (CDU/CSU): Okay. - Keineweiteren Fragen meinerseits. - Danke.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Okay. - DerKollege Wendt macht weiter mit seinen Fragen.

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Marian Wendt (CDU/CSU): Ja. - Frau Bundes-kanzlerin, ich hatte bereits am Montag darübergesprochen: Es geht ja in unserem Untersu-chungsausschuss auch um Konsequenzen, umdie Zukunft, den Blick: Wie kann man solcheDinge, die vorgeworfen waren - - Den Sachverhaltmuss man dann noch prüfen. Oder: Es ist nochnicht alles so bewiesen, wie es vorgeworfenwurde. Was kann man aber daraus schlussfolgernfür die Zukunft?

Und was man ja zumindest feststellen kann, ist jazumindest, dass die Snowden-Veröffentlichun-gen nicht nur in Deutschland, vielleicht welt-weit, zumindest in der westlichen Welt dazu ge-führt haben, dass das Thema IT-Sicherheit, Cy-bersicherheit in den Blickwinkel der Politik, vorallen Dingen auch der Gesellschaft und der Men-schen gerückt ist. Es gibt eine gewisse Sensibili-tät. Und Sie selber sprachen ja auch von einer„hohen gesamtgesellschaftlichen Verantwortung“zu diesem Thema vorhin. Und die Bundesregie-rung hat auch im November 2016 dazu eine Cy-ber-Sicherheitsstrategie für Deutschland verab-schiedet.

Und meine Frage ist - es gibt ja einige Maßnah-men, die wir bereits getan haben: IT-Sicherheits-gesetz, auch ein BND-Gesetz -: Gibt es aus IhrerSicht noch weitere Dinge, Maßnahmen, die Siefür nötig halten umzusetzen, aber aus politischenGründen, finanziellen oder sonstigen Gründennoch nicht umgesetzt werden konnten, die manin Angriff nehmen müsste in naher Zeit, in denkommenden Jahren auf jeden Fall?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Also, da kann ichjetzt nicht für die gesamte Zukunft sprechen. Wirhaben jetzt ja erst mal alle Sicherheitsbehördenmit so vielen Mitteln ausgestattet innerhalb derBundesregierung, dass man doch davon ausgehenkann, dass sowohl die technische Ertüchtigungstattfinden kann als auch personeller Aufwuchsmöglich ist. Jetzt geht es darum, die entsprechen-den Fachkräfte zu bekommen. Das wird eine grö-ßere Herausforderung sein, nach, sagen wir mal,auch der Knappheit von bestimmten Expertenauf dem Markt. Es wird mit der Cyber-Sicher-heitsstrategie, die wir jetzt beschlossen haben,glaube ich, das Problemfeld gut beschrieben.

Wir werden allerdings immer wieder anpassenmüssen. Denn das, was wir erleben, was derDeutsche Bundestag erlebt hat, was die deutscheWirtschaft erlebt, was wir auch sonst erleben, be-deutet ja immer wieder, dass wir uns auch gegenAngriffe schützen müssen. Und wie dieserSchutz am besten erfolgen kann, darüber wirdsicherlich weiter diskutiert werden: Kann ich Ab-wehr schaffen, ohne jemals eigene Fähigkeiten zuhaben? Wie viel eigene Fähigkeiten braucheich? - Also, ich denke, da sehen wir rasantentechnischen Entwicklungen entgegen, die uns ineiner permanenten Diskussion halten werden.

Darüber hinaus hat ja die Bundesverteidigungs-ministerin auch sozusagen eine Einheit aufge-baut, die sich mit Cyberangriffen im militäri-schen Bereich befasst. Ich glaube, dass unserKommunikationsnetz innerhalb der Bundesregie-rung, dieses IVV- -

Marian Wendt (CDU/CSU): IVBB.

Zeugin Dr. Angela Merkel: - - IVBB, dass dasauch sehr gut gepflegt und betreut wird vom BSI,dass wir da eine sehr gute Situation haben. Ichglaube, dass wir weiter mit der mittelständischenWirtschaft sprechen müssen über die Gefährdun-gen, die aus Cyberangriffen auch entstehen. Undwir werden uns immer wieder auch - deshalb hatThomas de Maizière ja auch sehr früh mit derWirtschaft gesprochen - damit auseinandersetzenmüssen, dass man heute auch Infrastruktur lahm-legen kann und dass das also höchste Sensibilitäterfordert. Das ganze Gebiet ist, sagen wir mal, be-schrieben. Die Weichen sind richtig gestellt. Abersich darauf auszuruhen, wäre falsch.

Marian Wendt (CDU/CSU): Man könnte auch da-von - -

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: So richtig,wie das ist, sollten wir uns jetzt wieder etwasstärker dem Untersuchungsgegenstand nähern.

Marian Wendt (CDU/CSU): Okay. Gut. - Dann ge-ben wir hier erst mal ab und kommen vielleichtspäter noch mal darauf.

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Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Okay. Herz-lichen Dank. - Damit sind wir mit den Fragen derCDU/CSU-Fraktion durch und kommen zur Frak-tion Bündnis 90/Die Grünen. Herr Kollege Strö-bele stellt jetzt die Fragen.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja. Danke, Herr Vorsitzender. - Frau Mer-kel, Sie haben außer diesem berühmten Satz, derjetzt immer wieder hinterfragt worden ist odernachgefragt worden ist seit dem Sommer 2013,auch immer wieder wiederholt, dass Sie dafürsind und sich dafür einsetzen sollen - und habendas gefordert -, dass das Ganze aufgeklärt wird,also schon lange bevor es einen Untersuchungs-ausschuss gegeben hat. Trifft zu, nicht? Odernicht?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Nun habe ich Ihnen im Oktober 2013einen Brief von Edward Snowden aus Moskaumitgebracht, den ich Ihnen auch zuschickte - derwar, glaube ich, auch an Sie persönlich gerich-tet -, in dem er erklärt hat, er ist dazu bereit, nachDeutschland zu kommen, um hier bei der Aufklä-rung zu helfen, und würde auch gerne hier indiesem Land leben. Darauf gab es keine Reaktion.

Dann hat der Untersuchungsausschuss in mehre-ren Befassungen beschlossen, dass Herr Snowdendoch hier als Zeuge, ich sage mal: als wichtigerZeuge, in Betracht kommt. Das ist immer wiederdaran gescheitert, dass die Bundesregierung bisheute keine Entscheidung gefällt hat. Das Justiz-ministerium, auf das Sie sich beziehen, konntebis heute nicht klären, was Herrn Snowdeneigentlich vorgeworfen wird in den USA, undauch von der Bundesregierung insgesamt wurdekeine endgültige Entscheidung getroffen, sondernimmer irgendwelche neuen Ausflüchte gebracht.Deshalb frage ich Sie: Warum weigern Sie sich,warum weigert sich die Bundeswehr so beharr-lich,

(Susanne Mittag (SPD):Bundesregierung!)

uns diese Auskunftsquelle zur Verfügung zu stel-len - ich will Ihnen jetzt nicht zu nahe treten -,aber wahrscheinlich den wichtigsten Zeugen,den wir hier hören könnten? Warum weigern Siesich?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Also, ich habe nichtden geringsten Zweifel, dass das Bundesjustiz-ministerium alles unternimmt, was notwendigist, um Sachverhalte zu klären. Zweitens habendie entsprechenden Ministerien, AA und BMJV,nach meiner Erinnerung gesagt, dass die Voraus-setzungen für Asyl nicht vorliegen. Und drittenshabe ich nicht ganz verstanden, warum die Ange-bote des Untersuchungsausschusses, Informatio-nen von Herrn Snowden zu bekommen, immerwieder seinerseits abgelehnt wurden, obwohl erja sonst auch eine Reihe von öffentlichen Auftrit-ten hatte.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Haben Sie kein Verständnis dafür, dassEdward Snowden durch seinen Anwalt hat mit-teilen lassen, dass er von Moskau aus sich darangehindert sieht, alle Fakten - ich sage das malganz, weil man das allgemein ausdrücken muss;allgemein sage ich das auch - - dass er da nichtalles auf den Tisch legen kann, weil er natürlichseinen Asylgebern - - auf die jedenfalls Rücksichtnehmen muss? Da haben Sie kein Verständnisfür.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Das habe ich nicht zubewerten. Ich sage nur: Es sind solche Angebotegemacht worden, und von ihnen ist nicht Ge-brauch gemacht worden.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja. - Frau Merkel, ich bin für Wahrheit undKlarheit und erhoffe mir, dass auch Sie dazu bei-tragen heute in Ihrer Befragung. Ist nicht dereigentliche Grund - und warum nennen Sie dennicht? dann könnte man damit umgehen -, dassSie es nicht wagen oder sich nicht trauen, gegeneinen vermuteten Willen der US-Regierung undder US-Administration Herrn Snowden hierher-zuholen? Es wäre doch - jedenfalls sollte manmal die Möglichkeiten gemeinsam mit seinemAnwalt durchspielen - möglich. Der eigentliche

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Hintergrund ist doch ein ganz anderer. Das an-dere sind doch Ausflüchte. Oder liege ich da völ-lig daneben?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich kann nur wieder-holen, dass - -

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Und dazumeldet sich noch Herr Wolff. Ich will Sie nichtunterbrechen, Frau Bundeskanzlerin; aber in derErgänzung mit Herrn Wolff wird es vielleichtdann noch interessanter.

(Dr. André Hahn (DIELINKE): Na ja! Na ja!)

MR Philipp Wolff (BK): Also auch je mehr wirdarüber diskutieren, wird es nicht untersu-chungsgegenständlicher; Herr Ströbele, das wis-sen Sie auch. Mir ist klar, dass es interessant ist,wenn man die Bundeskanzlerin als Zeugin hierhat, sie dazu zu befragen. Aber es bleibt dabei: Esist nicht untersuchungsgegenständlich. Und:Ausführungen ohne Anerkenntnis einer Rechts-pflicht.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Na gut.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Deshalb möchte ichauch meine Äußerung, dass das Justizministe-rium und das Auswärtige Amt die Voraussetzun-gen für Asyl geprüft haben und sie für nicht be-stehend halten, noch mal wiederholen.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Und das ist die volle Wahrheit. Das ist derGrund, -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Das ist der Sachver-halt.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): - warum die Bundesregierung und Sie sichnicht dafür einsetzen, dass er hierherkommenkann.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Das ist das, was ichdazu sagen möchte, Herr Ströbele.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Allenfalls Viertelwahrheit. - Jetzt kommeich zum - -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich weiß - - Also - -

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Jetzt komme ich zu dem anderen Punkt.Ich habe nur acht Minuten, Frau Merkel.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich wollte nur - -Also, wenn wir jetzt in eine philosophische Be-trachtung über die Frage der Wahrheit eintreten,dann gibt es objektive und subjektive, glaube ichzumindest. Und ich habe Ihnen jetzt mal einenobjektiven Teil dargelegt der Meinungsbildung inder Bundesregierung. Und das bitte ich nicht alsNichtwahrheit zu qualifizieren.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Aber was ist denn die subjektive Wahrheitvon Ihnen?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Über die subjektive - -Ich setze mich an der - -

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Die interessiert mich ja vor allen Dingen.Sie sind da als Zeugin.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja, ja. Das habe ichschon verstanden. Aber ich halte mich an die ob-jektive.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Aha. Also, was jetzt Ihr Grund ist, das wol-len Sie uns nicht sagen.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Mein Grund ist die - -

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Der eigentliche Grund.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Für die Festlegungvon Entscheidungen der Bundesregierung, wie indiesem Falle des Justiz- und des Außenministe-riums, sind Sachverhalte maßgebend, und diesind so getroffen worden, wie sie getroffen wur-den.

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Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, das wissen wir auch. - Jetzt zum zwei-ten Punkt - Sie haben das ja selber schon vorhindas erwähnt -: Es kam nun die Meldung auf -Ihnen ist das von einem Journalisten auch alsErstes oder von einem Journalisten kommendmitgeteilt worden -, dass Ihr Handy abgehörtworden ist. Und dann haben Sie gesagt, Sie ha-ben danach - das hat auch Herr Altmaier hier ge-sagt - gehört aus den USA, insbesondere von demUS-Präsidenten, dass Ihnen gesagt worden ist:Jetzt wird Ihr Handy nicht abgehört und in Zu-kunft auch nicht. - Herr Altmaier hat das nichtausdrücklich gesagt, aber durchscheinen lassen,dass das darauf hindeutete, dass es vorher gewe-sen sein könnte.

Nun ist in derselben Zeit damals, ein paar Tagespäter und ein paar Wochen später, immer wie-der auch erwähnt worden, dass andere Regie-rungsmitglieder abgehört worden sind, insbeson-dere sogar Ihr Vorgänger, also der frühere Kanz-ler. Ist das nicht ein bisschen egoistisch vonIhnen gewesen, sich damit zufriedenzugeben,dass Sie nicht mehr abgehört werden? Ich habedas so verstanden: Solange Obama das Sagen hat,werden Sie nicht mehr abgehört. - Und die ande-ren, waren die Ihnen alle egal? Also die ganzenanderen, von denen wir inzwischen ja sehr vielmehr wissen, wer das alles gewesen ist - im euro-päischen Raum, NSA-Selektoren, BND-Selekto-ren -, wer da alles abgehört wird, da haben Siesich nicht darum gekümmert; das war nicht IhrInteresse. Sie wussten, Sie sind raus, also ist allesgut.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Also, erst mal wurdeHerrn Seibert von zwei Journalisten des Spiegelsein Dokument übergeben, das dann ich zur Ana-lyse weitergegeben habe, das dann auch vom Ge-neralbundesanwalt umfänglich untersucht wurdeund woraus man nicht schlussfolgern konnte,dass eine Evidenz dafür - - oder dass mein Handyabgehört wurde. Zweitens - -

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Was? Dass was? Habe ich nicht verstan-den.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Dass das Handy ab-gehört wurde, das hat der Generalbundesanwaltnicht festgestellt und alle, die das angeguckt ha-ben.

Zweitens habe ich jetzt die Äußerung der ameri-kanischen Seite nicht genau im Kopf. Aber ichbin mir nicht mehr ganz sicher, ob es sich nur aufmich bezog oder auf Staats- und Regierungschefsim Allgemeinen; das weiß ich jetzt nicht.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Das wäre ja neu; das wäre ja sensationellneu.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Dann war es viel-leicht nur meins. Ich habe jedenfalls weder umdiese - - Ich habe diese Aussage zur Kenntnis ge-nommen.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja. Und Sie gingen danach davon aus, weilSie Herrn Obama glauben, dass Sie jedenfallsraus sind, weil Sie nicht mehr abgehört werden.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich habe die Aussagezur Kenntnis genommen. Ja.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja. Und die Schlussfolgerung haben Sie ge-zogen. Und warum haben Sie nicht gefragt: „Undwas ist mit meinen Kollegen oder früheren Kolle-gen?“?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Also, ich habe michin dem Moment nicht um die ganze Welt geküm-mert, ehrlich gesagt.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Nein, nein. Nicht um die ganze Welt, -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Das ist richtig.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): - aber ein paar Freunde vielleicht noch.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja, gut. - Also, passenSie auf: Ich habe das zur Kenntnis genommen.Ansonsten haben wir die Untersuchung hier

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durchgeführt. Sie haben zu keinem Ergebnis ge-führt und - -

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Na ja. Es gab ja diese öffentliche Äu- -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ansonsten habe ich jaauch heute hier noch mal gesagt, dass die öffent-liche Aufmerksamkeit auf mein Handy eigentlichaus meiner Sicht auch ein bisschen von dem po-litischen Schwerpunkt abgelenkt hat, dass ichvor allen Dingen für die Bürgerinnen und Bürgerverantwortlich bin. Mein Handy ist auch interes-sant, fällt in die Frage „Freunde“; aber die allge-meine Fragestellung ist sehr viel breiter.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Na ja. Aber es ging doch um die Frage,auch bei Ihnen jetzt: Halten sich die USA und dieNSA in Deutschland an die deutschen Gesetzeund Rechte? - Weil, dass Ihr Handy abgehört wor-den ist, war nicht nur ausdrücklich nicht zuge-lassen in Deutschland, sondern das war sogarverboten und - noch schlimmer - unter erheb-liche Strafe gestellt.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Das wäredann die letzte Frage.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Also, Herr Schipanskihat ja eben - ich glaube, Herr Schipanski war es;oder jemand anders? - auf die chronologischeFolge auch noch mal hingewiesen. Die Einfüh-rung der 360-Grad-Beobachtung ist ja auch eineFolge dessen, dass wir an den Stellen gesagt ha-ben: Auch hier müssen wir schauen mit unserenMitteln, was passiert.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: HerzlichenDank. - Dann kommen wir jetzt zur nächstenFraktion. Das ist die Fraktion der SPD. HerrKollege Flisek.

Christian Flisek (SPD): Danke, Herr Vorsitzen-der. - Frau Bundeskanzlerin, ich möchte nochmal in etwa anknüpfen an das, wo wir vorhinaufhören mussten. Sie hatten auf die Frage einerKollegin oder eines Kollegen gesagt, wer Sie innachrichtendienstlichen Angelegenheiten infor-miert innerhalb des Bundeskanzleramtes, dass

das im Wesentlichen der Chef BK ist, also HerrPofalla oder aktuell Herr Altmaier. Ich würde Siegerne fragen, ohne dass ich jetzt auf Details ein-gehen möchte, wie diese Gespräche ablaufen.Aber wie stellen Sie sicher, dass die wichtigenDinge, also Dinge, wo Sie sagen, das ist für Sievon Interesse, auch wirklich zu Ihnen gelangenund sozusagen nicht Stopp ist beim Chef BK?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Indem ich meinenMitarbeitern vertrau- - oder meinen, ja, Mitarbei-tern, oder wie Sie es nennen wollen, vertraue.

Christian Flisek (SPD): Heißt das im Umkehr-schluss, dass das eine Ermessensentscheidungdes jeweiligen Chef BK ist, zu entscheiden, wanner Sie über solche Sachverhalte informiert?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Die Frage, worüberich informiert werde, ist in gewisser Weise im-mer Ermessensentscheidung; aber man kenntsich ja auch aus den politischen Diskussionen.Und ich glaube, dass ich durch meine allgemeineInteressiertheit schon davon ausgehen kann, dassich wichtige Sache zu erfahren bekomme.

Christian Flisek (SPD): Gut. - Ich meine, ichhabe - sehen Sie es mir nach - da meine Zweifeleinfach unter dem Aspekt, -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Okay. Das ist Ihr gu-tes Recht.

Christian Flisek (SPD): - wie wir sozusagen ge-rade die Chronologie entwickelt hatten. Ich sagemal: Diese Schnittstelle ist halt noch mal Ihr Satzda im Oktober 2013. Sie haben sozusagen damiteine politische Überzeugung kundgetan, dienicht dem aktuellen Geschäftsbetrieb im BNDentsprochen hat. Und es hat im unmittelbarenzeitlichen Nachgang Sitzungen im Kanzleramtgegeben, wo Ihr Chef BK mit den Spitzen derNachrichtendienste zusammensaß; ich habe dasals „erhöhte Betriebstemperatur“ bezeichnet. Esist zu Löschungen gekommen von EU-Selektoren,von NATO-Partner-Selektoren. Also, konkretsind das ja acht Tage gewesen zwischen IhremZitat im Oktober und der mündlichen Weisungvon Herrn Pofalla. Und Sie haben gerade gesagt,Sie sind von Herrn Pofalla, zumindest in seiner

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Zeit - ich glaube, die ging dann bis Dezember2014, wo dann die neue Regierungsbildung war -,über diese Sachverhalte überhaupt nicht infor-miert worden. Richtig?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Das ist richtig. Ichmöchte noch mal, auch wenn Sie immer die zeit-liche Nähe zwischen der Oktoberäußerung unddem anderen Vorgang in den Mittelpunkt stellen,von meiner Seite aus in den Mittelpunkt stellen,dass vom Regierungssprecher am 1. Juli bis zum3. Juli/4. Juli immer wieder dieser Satz gefallenist und deshalb der Kanzleramtsminister, demich vertraut habe und dem ich weiter vertraue imRückblick, diese Entscheidung so getroffen hat,wie er sie getroffen hat.

Christian Flisek (SPD): Ich stelle mir nur dieFrage, Frau Bundeskanzlerin - ich habe das auchjetzt mitbekommen; wir haben das ja auch gehört,dass Sie mehrfach hintereinander diese Zitategesagt haben - - Aber noch mal: Im Oktober wares sozusagen noch mal sehr prominent das letzteMal. Wir befinden uns genau in diesem Zeit-raum - -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Na, heute war es dasletzte Mal.

Christian Flisek (SPD): Bitte?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Heute war es dasletzte Mal.

Christian Flisek (SPD): Ja, das stimmt auch; bil-lige ich gerne zu. - Aber es war, ich sage mal, sowas wie der Kernzeitraum, wo ja über das Agree-ment, wie es jetzt mal neutral bezeichnet wordenist, verhandelt wurde. Wir haben hier gelernt auf-grund von Zeugenaussagen, dass diese Verhand-lungen womöglich auf zwei Ebenen stattfanden,dass es sozusagen den Strang gab auf der Dienste-ebene, die miteinander verhandelt haben überein Agreement, dass eben von Anfang an dieses„Angebot“ - ich setze das jetzt mal bewusst inAnführungsstriche - verbunden war mit dem Vor-behalt, dass die politische Administration, auchin den USA, dem zustimmt. Und ich sage mal: Dakommen Sie als Bundeskanzlerin doch sehr insSpiel.

Das heißt, in diesem Zeitfenster war doch dieChance gegeben, dass aus dieser innersten Über-zeugung, die Sie hatten - Ausspähen unter Freun-den geht gar nicht -, ein ganz konkretes Abkom-men werden könnte. Und da stelle ich mir dieFrage: Wie kann das sein, dass Sie in dieser hei-ßen Phase der Verhandlungen, wo diese Chance,vielleicht eine einmalige Chance - denn wennman sich den Regierungswechsel in den USAjetzt anschaut - - dass man diese einmaligeChance sozusagen in einer Situation des Abwar-tens verbracht hat? Weil auf der politischenEbene grünes Licht dafür zu organisieren, daswäre doch Kernbereich Ihrer politischen Verant-wortung und Aufgabe gewesen.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja. - Also, ich habejedenfalls nach dem 7. August, als ich ja über dieVerhandlungen informiert wurde durch die Vor-lage, aus der ich berichtet habe, die Verhandlun-gen auf einem guten Weg gesehen. Und die Re-gierungschefin mischt sich, wenn überhaupt, erstam völligen Ende eines solchen Ganges ein. Unddiese Verhandlungen waren, aus meiner Sicht je-denfalls, auf einem Weg.

Christian Flisek (SPD): Aus den Medien habenwir erfahren, dass es - -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Und durch die Ab-zeichnung der Vorlage habe ich ja sozusagen demGanzen auch meine Unterstützung verliehen.

Christian Flisek (SPD): Ja. - Aus den Medien ha-ben wir erfahren, dass Frau Karen Donfried am8. Januar 2014 an Ihren Abteilungsleiter HerrnHeusgen eine E-Mail geschrieben hat. Ich darfdas jetzt einfach noch mal zitieren auf Englisch.Da hat sie geschrieben:

This will not be a no-spy agree-ment and I do believe all the folkson our side have been consistentin saying that all along. (?)

Also, sie sagt, das wird kein No-Spy-Abkommenwerden, und sie ist der Überzeugung, dass alleLeute auf amerikanischer Seite dies auch dieganze Zeit über klar zum Ausdruck gebrachthaben. - Wann haben Sie von dieser doch, auch

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rückwirkend betrachtet, sehr rigorosen Absageerstmals Kenntnis erlangt?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Also, erstens: Ichhabe mich auf die Darlegungen verlassen, die mirals Bundeskanzlerin als Vorlage vorgelegt wur-den. Und jetzt weiß ich nicht, wann in der Presseaus dieser - -

Christian Flisek (SPD): Das ist eine E-Mail vonFrau Karen Donfried, die da -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Vom?

Christian Flisek (SPD): - an sehr prominenterStelle im Weißen Haus arbeitet, vom 8. Januar2014 -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja, gut. Sie - -

Christian Flisek (SPD): - an Herrn Heusgen, IhrenAbteilungsleiter im Kanzleramt.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Sie kennen ja auchmeine Ausführungen dann vom1 14. Januar undauch die Regierungserklärung, wo ich sage:

Die Vorstellungen sind heute weitauseinander. Viele sagen, die Ver-suche für eine solche Vereinba-rung seien von vornherein zumScheitern verurteilt …

Und dann habe ich genau das gemacht, wozu Siemich auffordern: dass man dann trotzdem nochmal mit der Kraft unserer Argumente es weiterversucht, bis ich dann beim Besuch - Anfang Maiwar das dann, glaube ich - auch zu der Überzeu-gung gekommen bin, dass es im Augenblick viel-leicht doch nicht zum Erfolg führt.

Christian Flisek (SPD): Sie haben vorhin - ichhatte da genau zugehört - gesagt, die Amerikanerhätten das, was man da verhandelt hat, eherneutral als „Agreement“ bezeichnet, es sei nachIhrer Auffassung Herr Pofalla, der zum erstenMal in dieser berühmten Pressekonferenz nach

1 Änderung der Zeugin: statt „vom“,einsetzen/ändern in „zum“

der Sitzung des PKGr den Begriff „No-Spy-Ab-kommen“ genannt habe. Ich frage Sie: GlaubenSie nicht, dass man da vielleicht in der Öffent-lichkeit eine Erwartungshaltung erzeugt hat mitdiesem Etikett „No Spy Agreement“ oder „No-Spy-Abkommen“, wo von Anfang an klar war,wirklich von Anfang an klar war - und das stütztja auch die Aussage von Frau Donfried -, dass soetwas nie kommen wird? Also dass man viel-leicht über ein Abkommen auf Diensteebene imSinne eines erweiterten Memorandum of Agree-ment verhandelt, wo man einige Standardssetzt - - Aber mal ganz ehrlich: Wenn Sie draußenauf die Straße hier in Berlin oder sonst wo inDeutschland gehen und fragen, was versteht je-mand, der ein bisschen Englisch versteht, untereinem No-Spy-Abkommen, dann wird da dochein sehr allumfassender Nichtangriffspakt inSpionagetätigkeiten verstanden.

Und die Frage ist: Ist durch die Benutzung diesesBegriffes, wenn Sie selber sagen: „‚Agreement‘,das haben die Amerikaner dazu gesagt, wir warenes, die ‚no spy‘ gesagt haben“, da nicht in derÖffentlichkeit eine Erwartungshaltung geschürtworden, die man von Anfang an nicht fähig wareinzuhalten?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Sehe ich anders. Ichwill noch mal zitieren aus der Vorlage vom7. August. In dieser Vorlage erläutert Herr Heißunter anderem, dass der NSA-Chef bereit gewe-sen sei - und jetzt zitiere ich -:

… eine Zusicherung abzugeben,dass auf deutschem Boden jeder-zeit deutsches Recht respektiertwerde und keine gegenseitigeSpionage stattfinde, möchte inso-weit aber eine beidseitige Erklä-rung erzielen. Hier käme ein„Agreement“ infrage, in dem bei-den Seiten (Dienste) entspre-chende Zusicherungen machen.Über das „Ob“ müsse allerdingsdie Politik entscheiden.

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Dass Herr Pofalla wenige Tage später mit dieserVorlage dann sagt: „Keine Spionage, No SpyAgreement/-Abkommen“, halte ich durchaus fürvertretbar.

Christian Flisek (SPD): Sie halten es also für ver-tretbar, dass man diesen Begriff benutzt. HabenSie denn auf politischer Leitungsebene jenseitsdieser Vorlage Ihres Mitarbeiters, der vielleichtauch ein bisschen schönere Musik - entschuldi-gen Sie, dass ich jetzt so zuspitze - bei der Reisegehört hat, als es dann den Fakten entsprach,ohne dass wir detailliert in die Gespräche eintau-chen müssen, von der US-amerikanischen Admi-nistration persönlich jemals ein Signal erhalten,dass man bereit ist, über ein Abkommen in dieserReichweite zu verhandeln?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich kann hier nur dieZitate wiedergeben. Und es handelt sich umeinen Abteilungsleiter der Bundesregierung, vondem ich nicht den Ans- - also nicht die Meinungteile, dass er sich vielleicht irgendwas schöngere-det hat. Ich stelle allerdings fest, dass im weite-ren Verlauf der Dinge, insbesondere im Januar,die Dinge sich anders darstellten und dann nichtdas herausgekommen ist, was wir uns vorgestellthaben. Als ich davon erfahren habe, nämlichschon am 29. Januar, also auch im Umfeld desZitates, das Sie gemacht haben, habe ich ja auchdeutlich auf die Schwierigkeiten in aller Öffent-lichkeit hingewiesen.

Christian Flisek (SPD): Also, Ihre letzte Aussagejetzt oder die letzte Antwort interpretiere ich jetztauf meine Frage so: Sie persönlich haben keinZeichen von der US-Administration erhalten inIhren Gesprächen, dass man über ein Abkommenin dieser Reichweite bereit ist mit Deutschlandzu verhandeln. Es wäre ja ein einmaliger Vor-gang, Frau Bundeskanzlerin, weil nach unserem -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja.

Christian Flisek (SPD): - Kenntnisstand - - nachdreijähriger Arbeit haben wir festgestellt, dass esso weitreichende No-Spy-Abkommen mit einersolchen wechselseitigen Garantie, sich nicht aus-zuspionieren - - das ist etwas sehr Seltenes aufder Welt.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Richtig. Ich habe dieGespräche auf der Fachebene stattfinden lassen.Ich selber habe darüber nicht politisch gespro-chen und habe den weiteren Verlauf dieser Ge-spräche abgewartet und den Verlauf ja auch dar-gelegt.

Christian Flisek (SPD): Und Sie haben auch, ichsage mal, keine Motivation verspürt aufgrundIhres von uns allen geteilten Satzes, da sich stär-ker einzubinden. Das war für Sie nicht notwen-dig, weil Sie gesagt haben: Das soll die Arbeits-ebene machen.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Das soll weiter ver-handelt werden. Ja.

Christian Flisek (SPD): Ich möchte Sie mal fra-gen: Wenn man so etwas verhandelt, etwas voneiner solchen Reichweite in einer so auch durch-aus politisch brisanten Zeit, wo das Thema sooffen in der Öffentlichkeit diskutiert wird, viel-leicht kurz bevor auch im Parlament ein Unter-suchungsausschuss eingerichtet wird - also, ichhabe gerade auch gesagt, nach meinem Dafürhal-ten gibt es so etwas Weitreichendes auf der gan-zen Welt gar nicht, noch nicht einmal innerhalbdes Five-Eyes-Verbundes; aber lassen wir das maldahingestellt sein -, wäre es nicht der Todesstoßfür jede Verhandlung, zumindest auf der politi-schen Ebene, wenn der Chef des Bundeskanzler-amtes noch in einem sehr frühen Stadium, näm-lich im Angebotsstadium, so etwas vor der deut-schen Öffentlichkeit ausplaudert und sagt: „LiebeLeute, wir, die Deutschen, haben ein Angebot,ein No-Spy-Abkommen abzuschließen, vielleichteinmalig auf der Welt“? Da würden doch dieAmerikaner, nachdem - -

Also, entschuldigen Sie, was ich alles gelernthabe über „geheimhaltungsbedürftig“ hier, dawürden doch die Amerikaner, also abgesehen da-von, dass man wahrscheinlich das wirklich alstopsecret, als Streng Geheim, diese Verhandlungeinstufen würde - - Also, ich finde es befremd-lich, dass dann der Chef des Kanzleramtes in die-ser Phase, wo überhaupt noch gar nichts wirklichverhandelt ist, sich an die deutsche Öffentlich-keit wendet und sagt: So ist das. Wir verhandeln

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darüber. Wir haben ein Angebot darüber. - Wiehaben Sie das bewertet?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich habe es mit Blickauf die Vorlage vom 7. August so bewertet, wieich es schon dargestellt habe.

Christian Flisek (SPD): Also, Sie halten dasdurchaus für üblich, dass man solche Verhand-lungen in einer solchen Phase über ein so sensi-bles bilaterales Thema der deutschen Öffentlich-keit präsentiert. Ich glaube, viele Staaten inEuropa und auf der Welt, die sich genauso alsenge Partner der USA sehen, haben es als be-fremdlich empfunden. Und das hat durchaus,sage ich mal, Begehrlichkeiten auf den Plan ge-rufen.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Darüber habe ichkeine Kenntnis.

Christian Flisek (SPD): Aber noch mal: Sie emp-finden das als normal, dass der Kanzleramts-minister das - -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich habe das damalsmit Blick auf diese Vorlage als richtig empfun-den, zumal ja nicht dem PKGr darüber berichtetwurde und auch nicht auszuschließen war, dassdas, was berichtet wurde, vielleicht dann doch ir-gendwie den Weg in die Zeitung findet.

Christian Flisek (SPD): Gut. - Ich möchte nochmal zusammenfassen: Also, Sie sagen uns, HerrPofalla hat aus dem Agreement ein No-Spy-Ab-kommen gemacht, hat diesen Begriff geprägt. Sieselber haben auf politischer Leitungsebene hierzuin der ganzen Zeit keinerlei Signale bekommen,dass es auch was werden könnte. Und Sie sagen,es ist auch normal, dass Herr Pofalla sich in derfrühen Phase der Verhandlungen in dieser Form,wie er es getan hat, so an die deutsche Öffentlich-keit wendet und sagt: Wir verhandeln darüber.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich habe daran keinenAnstoß genommen. Ja.

Christian Flisek (SPD): Okay.

(Hans-Christian Ströbele(BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Aber gut für den

Wahlkampf!)

Ich wollte noch auch mal auf Ihren Achtpunkte-plan zu sprechen kommen von der Sommerpres-sekonferenz. Einer dieser Punkte heißt ja, dassman unter anderem Verhandlungen mit EU-Part-nern über gemeinsame Standards für nachrich-tendienstliche Kooperationen vornehmen wolleoder die Initiative ergreifen wolle hierfür, richtig?Haben Sie in diesem Kontext seitdem irgendwel-che Initiativen konkret ergriffen?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich persönlich nicht.Nach meiner Kenntnis hat es aber Gespräche zwi-schen Diensten auch in Europa gegeben und - -Ja, aber ich kann über die Einzelheiten nichts be-richten.

Christian Flisek (SPD): Okay. - Ich möchte Siefragen, Frau Bundeskanzlerin, weil das ja auchganz erhebliche Konsequenzen hat für die Frage,was am Ende ins Parlament gerät und was nichtund welche Kultur sozusagen an der wichtigenSchnittstelle Kanzleramt in Sachen „was wirdkommuniziert und was nicht?“ dort gelebt wird:Gibt es so was wie so eine Art Schutzwall um dieKanzlerin herum, dass man sagt: „Diese The-men“ - Nachrichtendienste - „die sollen dochbesser mal auf der Arbeitsebene bleiben, die sol-len die Dienste klären, die sollen dann - - jetztneu Herr Fritsche seit Januar 2014, der soll dasklären, und nur, wenn es ganz, ganz schlimmwird, dann soll es zum Chef des Bundeskanzler-amtes kommen“, sodass Sie mit diesen Themenüberhaupt nicht behelligt werden?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Nein. Es ist weit vormeiner Kanzlerschaft die Entscheidung gefälltworden, dass die Rechts- und Fachaufsicht fürden BND im Bundeskanzleramt beim Chef desBundeskanzleramtes oder einem gesondertenStaatsminister angesiedelt ist. Das ist bei meinemVorgänger so gewesen, bei allen Vor- - Also, dasich habe ich bei Helmut Kohl so erlebt; der HerrSchmidbauer ist ja hier irrtümlich schon genanntworden. Und insofern habe ich das als eine ver-

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nünftige Arbeitszuweisung oder Aufgabenzuwei-sung immer erachtet und erachte es auch nachwie vor als eine solche.

Meine Aufgabe ist es - das habe ich ja auch um-fänglich dargestellt -, politische Grundsätze zupostulieren, mich um die Frage zu kümmern:„Wie können wir Freiheit und Sicherheit in eineVerhältnismäßigkeit bringen?“, und der muss ichnachkommen. Und dann gibt es dazu die entspre-chenden Instrumentarien.

Christian Flisek (SPD): Also, das heißt, Sie habendiese Tradition, die Sie vorgefunden haben -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja.

Christian Flisek (SPD): - in diesen beiden Optio-nen, auch fortgeführt, zunächst einmal nur miteinem verantwortlichen Chef des Bundeskanzler-amtes, später - jetzt neu - mit Staatssekretär Frit-sche zusätzlich seit Januar 2014. Und dort ist dasThema ausschließlich - plus Abteilung 6 - imKanzleramt verortet. Und Sie sagen: Ich machepolitische Grundsätze, mehr nicht.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Das wäredann die letzte Frage.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich habe Ihnen ja dar-gelegt, dass ich über bestimmte politische Sach-verhalte - und die sind ja hier auch aufgelistet -sehr wohl informiert wurde. Ich habe eine Vor-lage am 7. August bekommen; das wird dann jaauch jeweils entschieden. Ich habe eine Vorlageim Januar bekommen. Ich bin vom Kanzleramts-minister informiert worden zu dem Thema BND-Selektoren/NSA-Selektoren. Also, es ist nicht so,dass bei - -

Christian Flisek (SPD): Ja, ja. Verstehen Sie michnicht falsch. Nur ich habe den Ein- -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Nein. Ich war ja ge-rade dabei, zu versuchen, auf Ihre Frage eineAntwort zu finden.

Christian Flisek (SPD): Frau Bundeskanzlerin,weil das ja auch jetzt vom Zeitkontingent her dieletzte Frage ist: Ja, Sie haben zum Beispiel diese

Vorlage bekommen im Anschluss an die USA-Reise, wo angeblich dieses Angebot unterbreitetwurde zu einem No-Spy-Abkommen oder Agree-ment. Aber im unmittelbaren Nachgang eben,zum Beispiel wo empfindlichste Selektoren ge-löscht worden sind, kriegen Sie diese Informa-tion über einen langen Zeitraum nicht. Und des-wegen stellt sich die Frage: Nach welchen Krite-rien werden Sie denn informiert? - Also, ichmöchte nicht im Raum stehen lassen, dass dasdas Kriterium ist: „Was ist gut für Sie, und wasist schlecht für Sie? Was ist günstig, was ist un-günstig?“, sondern die Frage sollte doch beant-wortet werden: Nach welchen objektiven Krite-rien erhalten Sie nachrichtendienstrelevante In-formationen?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja. Und da muss ichmich ein Stück weit auf das Ermessen derer ver-lassen, denen ich vertraue. Und die Information,dass der BND eigene Selektoren gesteuert hat undnoch NSA-Selektoren aufgetaucht sind, habe ichnicht als eine besonders angenehme Informationempfunden. Also, dass man mir nur Informatio-nen gibt, die angenehm sind - die vom Januar, dieVorlage, war dann auch schon nicht so ange-nehm -, das kann ich nicht feststellen.

Christian Flisek (SPD): Gut. - Danke erst mal.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: HerzlichenDank. - Und wir kommen jetzt zur nächsten Fra-gerunde, in der auch wieder die Fraktion DieLinke beginnt. Herr Kollege Hahn beginnt.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Ja. Herr Vorsitzen-der, vielen Dank. - Frau Bundeskanzlerin, Sie ha-ben ja selber gelobt, dass dieser Ausschuss aucheiniges ans Licht gebracht hat, und haben den-noch heute immer wieder die Formulierung ver-wandt von den organisatorischen und techni-schen Defiziten. Sie haben auf die Presseerklä-rung verwiesen, Sie haben das heute auch nochmal wiederholt. Nach allem, was der Untersu-chungsausschuss aufgedeckt hat - und da werdeich jetzt gleich noch was zu sagen -, halte ich espersönlich für eine völlig unangemessene Ver-harmlosung des gesamten Skandals.

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Was haben wir denn aus unserer Sicht - und damöchte ich Sie dann zu befragen - aufgedeckt?Wir haben den Umstand, dass der BND sicheinen rechtswidrigen Zugriff auf den Kabelkno-tenpunkt in Frankfurt am Main verschafft hat.Die G 10-Komission hat hier erklärt, sie ist ge-täuscht worden. Man hat mitgeteilt, dass manzwei, drei Personen prüfen und überwachen will,und wollte eigentlich an die sogenannten Rou-tineverkehre. Der BND hat die NSA im Schlepp-tau mitgenommen, und vier Jahre lang wurdenTag für Tag Millionen Telefonate, Mails, SMSen,IP-Adressen usw. ausgeforscht. Schutz deutscherGrundrechtsträger, haben wir hier gehört, warvielfach nicht gewährleistet. Wir haben in denSystemen des BND NSA-Selektoren laufen gehabtin zweistelliger Millionenhöhe - Kollegin Rennerhat vorhin darauf schon verwiesen -, und so vieleTerroristen gibt es auf der ganzen Welt nicht; daswerden vermutlich auch Sie nicht glauben. Etwaein Drittel dieser Selektoren konnte der BNDselbst nicht lesen, hat sie trotzdem gesteuert. Obdas Wirtschaftsinteressen waren, ob dort poli-tische Spionage gemacht worden ist, weiß nie-mand. Der BND konnte es nicht lesen und hat estrotzdem gesteuert.

Wir haben dann die Situation, dass nach denSnowden-Enthüllungen selbst der BND 40 000NSA-Suchbegriffe als rechtswidrig und gegendeutsche und europäische Interessen verstoßendeingestuft hat. Wir haben Dutzende Botschaften,die ausgespäht worden sind, europäischer undNATO-Partner. Wir haben selbst den eigenendeutschen Botschafter bei der EU vom BND über-wacht. Sie erklären: „Ausspähen unter Freunden,das geht gar nicht“, und trotzdem macht der BNDgenau das über viele Jahre, in einigen Außenstel-len im Übrigen bis zum Frühjahr 2015, wie wirhier wissen.

Einfache Sachbearbeiter in der Abteilung TA desBND stellen über Jahre - angeblich ohne Rück-sprache mit den Vorgesetzten - Staats- und Regie-rungschefs, Minister, befreundete Regierungen,EU-, internationale Organisationen, Parlamenteeigenständig in die Suchmaschinerie des BNDein. Niemand weiß davon, im Kanzleramt angeb-lich überhaupt keiner, weder der Abteilungsleiternoch der Kanzleramtsminister; nachgefragt hat

man aber auch nicht. BND und Bundesamt fürVerfassungsschutz geben Namen, Daten und Han-dynummern an die NSA weiter von tatsächlichenoder vermeintlichen Terrorverdächtigen. Handy-daten sind ein wichtiges Instrument auch, umPersonen zu orten.

Kurz nach der Übergabe der Daten werden dannimmer einige von ihnen durch US-Drohnenan-griffe getötet; auch deutsche Staatsbürger sinddarunter. Die Drohneneinsätze, haben wir heutegehört, laufen über Ramstein, also über deut-schen Boden. Die Bundesregierung tut nichts, umdas aufzuklären oder gar abzustellen. Und imDrohnenkrieg sind auch viele Hundert Menschenvöllig unschuldig umgekommen. Und das allesaus Ihrer Sicht, Frau Bundeskanzlerin - ich willIhnen die Gelegenheit geben, dass noch mal rich-tigzustellen -, alles nur technische und organisa-torische Defizite?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja. Und auch daswurde schon als scharfe Stellungnahme einge-stuft. Ich kann mich Ihrer Pauschaleinschätzung,so wie Sie das jetzt auch gerade mit Blick auf dieDrohnen angesprochen haben, nicht anschließen.Das verwundert jetzt ja auch nicht. Ich will nurnicht, indem ich jetzt nicht jeden einzelnenPunkt aufnehme, den Eindruck erwecken, alswürde ich dem allen zustimmen.

Es gab technische und organisatorische Defizite.Es steht Ihnen frei in der politischen Beurteilung,das schärfer zu artikulieren; das ist überhaupt garkeine Frage. Ich kann dem, was ich hier dargelegthabe, weiter nichts hinzufügen, und kann nur sa-gen: Wir tun alles, damit sich in der Zukunft soetwas nicht wiederholt.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Heute befragen wiraber Sie.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Sie haben -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich habe ja auch - -

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Dr. André Hahn (DIE LINKE): - den streng gehei-men Bericht des Parlamentarischen Kontrollgre-miums - ich hoffe Sie kennen den -,

(Nina Warken (CDU/CSU):Streng Geheim!)

wo rechtswidrige Vorgänge aufgelistet sind. Dasist eine Presseerklärung, die öffentlich gemachtworden ist. Ein Drittel davon war rechtswidrig,unverhältnismäßig, ein Drittel im Graubereichder problematischen Selektoren. Und ich würdeIhnen - -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich werde jetzt auseinem streng geheimen Bericht nicht, jedenfallsnicht - -

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Nein, nein. Ichhabe gesagt, das war die öffentliche Presseerklä-rung, -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Genau.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): - diese beidenPunkte. Ich würde Ihnen gerne die einzelnenPunkte vorlesen. Das sind dann alles organisato-rische Defizite aus Ihrer Sicht. Kennen Sie denndiesen Bericht, den streng geheimen, die voll-ständige Fassung?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich habe mich mitdem Bericht im Einzelnen nicht befasst. Ich weißnur, dass absolut dringend war, bestimmte Defi-zite, auch wenn Sie den Begriff nicht hören wol-len, abzustellen, und vergewissere mich, dass dasnicht wieder passiert.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): In dem Bericht derBundesdatenschutzbeauftragten mit Rechtsbrü-chen, Gesetzesverstößen, dutzendfachen förm-lichen Beanstandungen, die gegen die Bundes-regierung ausgesprochen wurden - auch alles nurDefizite und organisatorische Probleme?

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Auch der istals Streng Geheim eingestuft übrigens.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Ja, das ist ja vorhinschon gefragt worden. Ich frage jetzt nach demBericht.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Genau. Da habe ichdoch auch schon geantwortet.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ich wollte esnur anmerken.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Der Antwort habe ichnichts hinzuzufügen.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Ja. Ich würdeIhnen das alles gerne vorlesen; darf ich nicht inöffentlicher Sitzung.

(Tankred Schipanski(CDU/CSU): Weil das

Geheim ist! Das ist aucheine Stellungnahme der

Bundesregierung!)

Aber wenn das alles in diesem Bericht enthaltenist, in beiden Berichten, des Parlaments und derBundesdatenschutzbeauftragten, warum gibt esdenn bis heute keine Konsequenzen bei derRechts- und Fachaufsicht im Bundeskanzleramt?Alle sitzen noch auf ihren Stühlen. Das ist nunIhre Verantwortung als Bundeskanzlerin, auch dafür Abhilfe zu sorgen und Änderungen vorzuneh-men.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Es gibt eine Änderungbeim Präsidenten des Bundesnachrichtendiens-tes, der ich zugestimmt habe, als der Bundes-kanzleramtsminister mir das vorgeschlagen hat.Solche - -

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Ich will noch malauf das Kanzlerhandy auch kommen. Sie habendas Telefonat mit Herrn Obama, mit dem ameri-kanischen Präsidenten, vorhin erwähnt. Was hatder Ihnen denn gesagt zu Ihrem Handy? War dasauch ein organisatorisches Defizit, dass das in dieÜberwachung reingekommen ist? Oder - -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Das, was ich dazu sa-gen kann, habe ich erst vorgetragen. Ansonsten

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zitiere ich nicht aus Gesprächen, die ich mit an-deren Kollegen führe.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Na ja. Es geht janicht um Zitate, sondern es geht ja um dieFrage - -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Entschuldigen Siebitte. Der amerikanische Präsident hätte Ihnen jasagen können: „Frau Bundeskanzlerin“, oder:„Angela“ - ich weiß nicht, wie Sie miteinanderkommunizieren - „die Sache stimmt gar nicht;das sind alles haltlose Beschuldigungen. Sie kön-nen sich sicher sein: Das hat nie stattgefundenund wird auch nie stattfinden“. Diese Aussagehat es aber doch offenkundig nicht gegeben,oder?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Die Aussage, die esgegeben hat, ist ja hier schon Gegenstand der Un-terredung gewesen, dass mein Handy nicht abge-hört wird und nicht abgehört werden wird.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Und zur Vergan-genheit ist nichts gesagt worden.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich habe es ja gesagt:dass wird und nicht werden wird.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Zu Herrn Pofallasind Ihnen schon einige Fragen gestellt worden.Ich finde es gut, wenn Sie sagen: „Ich vertrauemeinen Mitarbeitern“, aber ja sicher doch nichtblind. Das ist das, was wir hier - auch für michmuss ich das sagen - überhaupt nicht verstehenkönnen: Da geht die Kanzlerin durchs Land, beieiner Veranstaltung nach der anderen sagt diesenSatz - immer in etwas abgewandelter Form -:Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht. -Irgendwann wird es dem BND-Präsidenten zubunt, er sagt: „Das passt ja gar nicht zu dem, waswir hier machen“, holt sich einen Termin imBundeskanzleramt und teilt Herrn Pofalla mit:Also, Herr Kanzleramtsminister, wir machen dasauch, EU und NATO und andere Dinge. - Und Ihreigener Kanzleramtschef lässt Sie weiter durchdie Gegend laufen und sagt Ihnen nicht, wasbeim BND los ist, auch auf die Gefahr hin, dass

die Amerikaner Sie irgendwann damit kompro-mittieren oder öffentlich diesen Punkt auch an-sprechen.

Hat man Sie da ins Messer laufen lassen? HätteSie nicht Herr Pofalla wirklich über diesen wich-tigen Punkt informieren müssen, damit Sie wis-sen, was der Hintergrund ist, wenn Sie öffent-liche Auftritte haben und die entsprechendenDinge dort immer wieder artikulieren?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Wie gesagt, ich habeja schon mehrfach gesagt: Ich halte das für eineErmessensentscheidung, die er so getroffen hat,wie er sie getroffen hat, und dass ich trotzdemVertrauen zu ihm habe.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Das können Siehaben. Aber aus heutiger Sicht: Wäre das nichtgut gewesen, Sie hätten das gewusst?

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Das müsstedann die letzte Frage sein.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Schauen Sie: Wennwir alle aus heutiger Sicht das beurteilen, wasvor vier Jahren war, dann würden wir alle an dieSache ganz anders rangehen. Das ist nun mal derGang der Ereignisse, dass wir heute eine andereSicht haben als damals insgesamt zu dem gesam-ten Sachverhalt. Und ich sage noch mal: Ich haltees für eine mögliche Ermessensentscheidung.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ganz herz-lichen Dank. - Dann kommen wir jetzt zur nächs-ten Fraktion, zur Fraktion der CDU/CSU. FrauKollegin Warken.

Nina Warken (CDU/CSU): Wir haben momentankeine Fragen.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: HerzlichenDank. - Dann kommen wir zur Fraktion Bünd-nis 90/Die Grünen. Herr Kollege von Notz.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Vielen Dank, Herr Vorsitzender. - FrauBundeskanzlerin, ich komme auch noch mal aufdiesen Vermerk des AL 6, Herrn Heiß, vom07.08.2013, den Sie ja auch abgezeichnet haben

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mit einem handschriftlichen Vermerk. Deswegen:Können Sie noch mal sagen, was die Kernbot-schaft von Herrn Heiß an Sie ist in diesem Ver-merk?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Also, meine Kernbot-schaft habe ich vorgelesen. Soll ich es noch mallesen? Ich zitiere aus der Vorlage: Eine Zusiche-rung - -

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Sie können das vorlesen, Sie könnten esmir auch einfach sagen. Aber - -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Nein. Dann bin ichnur präzise. Ich meine, ich habe -

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Okay.

Zeugin Dr. Angela Merkel: - die Vorlagen, die ichbekomme - - vom 7. August 2013 nicht mehrwörtlich im Kopf; das würden Sie mir verzeihen,glaube ich.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Das verstehe ich vollständig.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Aber ich weiß nicht,ob Sie darauf hinauswollen, dass Sie etwas ande-res für wichtig halten in der Vorlage als ich.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Nein. Also, ich kann Ihnen das auch vor-lesen; mir liegt das ja auch vor. Wir können unsgegenseitig Dinge vorlesen. Also, da steht drin:

Beide US-Gesprächspartner habendie Forderung, auf deutschem Bo-den müsse von jedem deutschesRecht eingehalten werden, akzep-tiert.

Das steht da wortwörtlich drin.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Mhm.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): So. Und jetzt hat ja nun Frau Donfried -das ist vorgelesen worden - gesagt später: Das

stand niemals zur Diskussion. - Und vielleichtdarf ich Ihnen noch aus einer anderen Vorlagezitieren, was der Resident in Washingtongeschrieben hat am 08.08.2013; MAT ABND-1-9i.pdf. Der schreibt da in Hinblick aufPunkt 2:

Ergänzung der „NSA-talkingpoints vom 05. August 2013“durch folgende Punkte:Erklärung, dass weder in Darm-stadt oder in Wiesbaden noch ananderer Stelle in DEU „collec-tion“ stattfindet

Zweitens - oder zweiter Kugelpunkt -:

Dass NSA nicht deutsches Rechtverletzt

NSA-Antwort am 08.08.2013, also an dem Tag,an dem er das aufschreibt:

We cannot add any new languageto the bullets of the talking points… at this moment. It goes beyondNSA. It is a policy decision.

Also, er sagt klipp und klar: Wir werden nichtzusagen, dass wir uns an deutsches Recht hal-ten. - Also, was ich damit sagen - -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Das habe ich jetzt ausIhren Darlegungen nicht genau entnehmen kön-nen.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Gut. Das kann ich Ihnen gerne noch malvorlegen, das Dokument.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Nein. Ich sage nur:„Über das Ob müsse allerdings die Politik ent-scheiden“, hat ja auch Herr Heiß geschrieben.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Herr Heiß hat gesagt, dass die amerikani-sche Seite das akzeptiert hätte. Und das ist tat-sächlich auch aus den Gesprächsvermerken nichtzu entnehmen. Ich kann Ihnen daraus vorlesen.

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Da heißt es zu den Äußerungen des NSA-Direk-tors - das ist MAT A BMI-1/10l_2, Blatt 55 bis59 - - Da soll General Alexander gesagt haben:

Wir haben Abkommen mit derdeutschen Regierung vertretendurch die deutschen Dienste, diewir befolgen. Alle gemeinsamen

- darauf liegt die Betonung, glaube ich -

Operationen werden unter Beach-tung der deutschen und amerika-nischen Gesetze durchgeführt.

Heißt: Wenn man nicht gemeinsam operiert,dann eben nicht. - Daran ist das Abkommen jaauch schließlich gescheitert. Also, um zum Punktzu kommen, weil ich immer nur acht Minutenhabe, Frau Merkel: Der Vermerk von Herrn Heißist - vorhin haben wir ja über „objektiv“ und„subjektiv“ geredet - objektiv falsch. Die ameri-kanische Seite hat das nicht akzeptiert. - Unddeswegen würde ich Sie gerne fragen, warumHerr Heiß heute noch AL 6 eigentlich ist, wenner Sie in einer so zentralen Frage falsch infor-miert hat.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich kann nicht sagen,dass er mich falsch informiert hat. Ich habe seineInformationen jedenfalls zur Kenntnis genommenund auf der Basis auch durch mein Abzeichnenweitere Gespräche für sinnvoll gehalten.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja. - Und ihr Kanzleramtschef, HerrPofalla, der hat das dann in dieser berühmten13-Statement-Rede - - 13-Punkte-Rede am 12.08.auch genauso kommuniziert, dass die Amerika-ner das akzeptiert hätten. Und er spricht ja dann,glaube ich, in Ihrem Namen auch, wenn er sowas sagt. Aber es war eben objektiv falsch.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Also, er hat in derFrage - das wissen Sie ja auch - von der Aufga-benzuordnung nicht in meinem Namen gespro-chen, sondern er hat in seiner Funktion als Ver-antwortlicher für den BND und damit auch nacheiner PKGr-Sitzung gesprochen, wenn ich richtiginformiert bin. Und wenn Sie das als objektivfalsch betrachten, dann nehme ich das jetzt zur

Kenntnis. Ich sage, ich habe den Worten vonHerrn Heiß vertraut. Und die Gespräche sind jaauch weitergegangen.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Das haben Sie. Aber jetzt in der Nach-schau? Wir haben ja vorhin über objektive undsubjektive Wahrheiten gesprochen.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich sage, dass die Ge-spräche noch sehr intensiv dann weitergeführtwurden und dass das Ergebnis im Januar in derTat enttäuschend war.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Die Amerikaner sagen, es hat nie Aus-sicht gegeben darauf, dass das - -

(Tankred Schipanski(CDU/CSU): Stimmt doch

gar nicht!)

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich nehme es ja zurKenntnis. Ich kann nur von dem ausgehen, wasich zur Kenntnis bekommen habe.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Frau Merkel, was war eigentlich imAugust 2013 neben dieser Thematik noch wich-tig? Was war denn so die politische Situation?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich finde es jetzt - -Können Sie machen, was Sie machen. Aber ichhabe keine Absicht, in irgendeiner Weise infragezu ziehen, dass wir uns nach bestem Wissen undGewissen mit den Fragen von NSA befasst haben.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Das hatte mit dem Bundestagswahlkampfrein gar nichts zu tun.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Nein.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Diese - -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Dazu haben Sie unsauch wenige Möglichkeiten gelassen.

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Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Bitte?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Na ja. Ich sage mal,die Insinuierung, wir würden irgendwie nichtstun auf dem Gebiet: Da gab es ja nun ausrei-chend, auch richtigerweise, das Bedürfnis nachAufklärung.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Klar, nur wenn die Aufklärung, ich sagemal, objektiv wahrhaftig stattgefunden hätte,wären die Wahrheiten im Bundestagswahlkampf2013 sehr unangenehm gewesen. Dann hätte mannämlich sagen müssen: Die Sachen, die Snowdenhier aufklärt, ach übrigens, das machen wir auch.Und XKeyscore und all diese Programme, Prism,wir sind ein Teil davon. - Das hat aber das Bun-deskanzleramt, das haben weder Herr Pofallanoch Sie gesagt, sondern Sie haben Dinge gesagt,die sich eben nachher nicht bewahrheitet haben.Und deswegen entsteht da so ein Wahrheitsdelta,und wir versuchen, eben rauszufinden sozusa-gen - - Also, ich will gar nicht sagen - -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich - -

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ich glaube Ihnen, dass Herr Heiß Ihnen dasgesagt hat.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja, ist ja unbestritten.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Genau, -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Sie haben es, ich habees.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): - das ist unbestritten. Genau. - Aber michwundert eben, dass das konsequenzlos erfolgt,also dass er Ihnen was Falsches aufschreibt undSie damit rausgehen und dann passiert nichts.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja, ob das - - Über dieFalschheit kann ich jetzt nicht richten. Ich sagenur, ich habe das so zur Kenntnis genommen,und dann sind die Gespräche auch weitergegan-gen.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Können Sie noch mal sagen, weil Sie ebendas so auf Herrn Schindler bezogen haben: Wes-wegen ist Herr Schindler in den vorzeitigenRuhestand geschickt worden?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Diese Ruhestandsver-setzungen erfolgen ohne Angabe von Gründen.Aber ich möchte nicht ausschließen, dass ein ge-wisser Neuanfang auch in dem Zusammenhangeine Rolle gespielt hat. Der Kanzleramtsministerwird wahrscheinlich dazu auch befragt wordensein. Ich habe seine Vernehmung nicht - -

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, der hat gesagt, dass er die Gründe nichtsagen muss irgendwie. Aber ich glaube, dieseRegelung gilt beamtenrechtlich, dass man das -

(Dr. André Hahn (DIELINKE): Ihm muss man die

Gründe nicht sagen!)

- genau - ihm nicht sagen muss, also der Person,die man dann eben in den vorzeitigen Ruhestandschickt. Aber bei Herrn Fromm zum Beispiel,Präsident des BfV, war man nach dem NSU-Skandal nicht so zimperlich; da hat man öffent-lich gesagt: Gut, die Schredderaktion; der Mannmuss gehen. - Also, man kann, wenn man will,die Gründe sagen; -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Gut. Ich gehe soweit - -

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): - aber Sie sagen die Gründe im FallSchindler nicht.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Das wäre dieletzte Frage oder Bitte.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich sage die Gründenicht; aber ich sage, dass ich zufrieden bin, dasses einen Neuanfang beim BND gibt.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: HerzlichenDank. - Und wir kommen zur nächsten Fraktion,der Fraktion der SPD. Herr Kollege Flisek.

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Christian Flisek (SPD): Danke, Herr Vorsitzen-der. - Frau Bundeskanzlerin, Sie haben ja in Ih-rem Eingangsstatement völlig zu Recht, wie ichfinde, gesagt, dass Sie nicht nur sich nach demThema „Abhören von Regierungsspitzen“ um IhrHandy gekümmert haben, sondern im Schwer-punkt natürlich um die Frage: Wie ist es um denGrundrechtsschutz der deutschen Bürgerinnenund Bürger bestellt?

Nach Sommer 2013, nach diesen Snowden-Veröf-fentlichungen, ist irgendeine Initiative mal ergrif-fen worden, zu versuchen: Was könnte ein realis-tisches Bild der Gesamttätigkeit amerikanischerDienste - und das sind ja viele - in Bezug aufDeutschland sein? Weil, wenn wir uns über dieKooperationen unterhalten - - Ich unterstelle mal,das ist der offizielle Teil, das ist vielleicht nureine Spitze vom Eisberg. Den Teil der Tätigkeit inBezug auf Deutschland, den die Dienste ausübenaußerhalb von Kooperationen, den sehen wir garnicht, der findet sich auch in keinen Akten desBundeskanzleramts oder des BND wieder. Ist derVersuch mal unternommen worden, so was wieein Gesamtbild zu erstellen mit den Erkenntnis-möglichkeiten, die man vielleicht auch über dieSpionageabwehr hat?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Es ist die Entschei-dung getroffen worden, in Zukunft mit der360-Grad-Beobachtung ja einen neuen Weg zu be-schreiten, und da wird im Augenblick oder seit-dem ja mehr getan, als man das früher getan hat.

Christian Flisek (SPD): Na ja, gut, also - -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja.

Christian Flisek (SPD): Ich fand den Begriff „360-Grad-Überwachung und -Abwehr“ auch immersehr, sehr eingängig. Ich fand, das war ein schö-ner Begriff, so nach dem Motto: Man hatte vorhernur so einen Teil, und jetzt schaut man überallhin. Wir haben durch die Vernehmung von HerrnMaaßen hier kennengelernt, der ja im Bundesamtfür Verfassungsschutz die Spionageabwehr beisich hat, dass sozusagen die 155 unproblemati-schen Staaten, wo auch die Freunde dazugehö-ren - - dass vor der Maßnahme eine Person dafürzuständig war und man das jetzt - wohlgemerkt:

für 155 Staaten - verzwölffacht hat. Also, wir ha-ben jetzt zwölf Personen, die dafür zuständigsind. Und er hat hier auch offen gesagt, dass mansozusagen mit so einem Personalbestand dieseErwartung, die der Begriff suggeriert - „360-Grad-Abwehr“ -, nicht erfüllen kann.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Okay. Wenn das soist - ich habe die Vernehmung - - also, ich habedas Privileg, Herrn Maaßen in der Frage gehört zuhaben, nicht gehabt -, dann werde -

Christian Flisek (SPD): Es war ein Privileg, ja.

Zeugin Dr. Angela Merkel: - ich den Bundes-innenminister bitten, der Sache noch mal nach-zugehen. Wir haben so viele - das wissen Sie jaauch - personelle Aufstockungsmöglichkeitenjetzt, weil wir sagen: „Wir müssen unsere Aufga-ben besser erfüllen und vollständig erfüllen“,dass wir dann darüber noch mal sprechen wer-den. Das nehme ich gerne mit.

Christian Flisek (SPD): Das ist gut, Frau Bundes-kanzlerin. - Ich würde Sie jetzt auch noch mal imHinblick auch auf das Agreement fragen wollen.Ich meine, Ihr Abteilungsleiter 2, Herr Heusgen,der sozusagen ja bei den Fragen, was läuft imtransatlantischen Verhältnis, der zuständige An-sprechpartner ja auch mit ist - dann neben, wasGeheimdienstfragen betrifft, der Abteilung 6 -,hat ebenfalls auch von seinem Counterpart FrauDonfried im Juli 2013 bereits eine E-Mail bekom-men, wo es heißt - ich sage es mal zunächst aufEnglisch, im Original -:

Our experts simply don’t feelequipped to judge our complianceunder German law (?)

Also auf die Frage, ob ein Geheimdienst der USAtatsächlich sich bei seiner Tätigkeit in Deutsch-land auf deutsches Recht einrichtet und das ein-hält, haben sie schlicht und ergreifend gesagt:„Wir fühlen uns überhaupt nicht dazu fähig, einesolche Zusage zu geben, weil wir überhauptkeine Ahnung haben“ - ich überspitze jetzt maldie Übersetzung -, „was deutsches Recht eigent-lich aussagt und woran wir uns dann halten müs-sen.“

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Jetzt mal rein handwerklich: Wenn man über soein Kernelement eines Agreements verhandeltund eine solche Aussage kommt zu einem Zeit-punkt Juli 2013 an Herrn Heusgen, was ist denndavon zu halten?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Davon ist zu halten,dass dann Gespräche weitergeführt werden müs-sen, in denen die deutsche Seite darstellt, wie diedeutsche Rechtslage ist; das ist ja nun keineKomplikation. Das sagt ja nicht: Wir haben keinInteresse an der deutschen Rechtslage und wol-len mit euch nicht über die deutsche Rechtslagesprechen.

Christian Flisek (SPD): Na ja.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Die E-Mail ist mirnicht zugegangen, nebenbei; aber wenn Sie ausihr zitieren, habe ich keinen Zweifel, dass es sieso gibt, und dann - -

Christian Flisek (SPD): Ja.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja. Sie haben michdoch - -

Christian Flisek (SPD): Mit Verlaub, Frau Bun-deskanzlerin - -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Sie haben mich dochgefragt, -

Christian Flisek (SPD): Ja.

Zeugin Dr. Angela Merkel: - wie ich das sehe,und jetzt habe ich doch lediglich dazu geantwor-tet.

Christian Flisek (SPD): Das ist richtig.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Das stellt Sie nichtzufrieden und - -

Christian Flisek (SPD): Nein, ich hake da jetztauch noch mal nach, mit Verlaub, deswegen, -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja, klar.

Christian Flisek (SPD): - weil ich glaube, miteinem Gespräch, wo die deutsche Seite mal dar-stellt, was die deutsche Rechtslage ist, ist es na-türlich nicht getan, weil ich mir bei der Vielzahlder Geheimdienste der Amerikaner und auch inBezug auf das, was sie in Deutschland tun - - dahaben wir es ja mit einem Bündel von wahr-scheinlich unzähligen Maßnahmen zu tun. Dasheißt, das ist sozusagen in jedem Fall einzelfall-abhängig, diese Prüfung, und die Amerikanermüssten ja quasi jede einzelne Maßnahme - wassie bestimmt nicht tun wollen - dann bei derdeutschen Regierung anmelden und sagen: Prüftmal, ob das sozusagen „compliance“ ist mit deut-schem Recht oder nicht. - Und das ist ja alleinoperativ ein Ding der Unmöglichkeit, wenn dieAmerikaner sagen: „Wir können es nicht beurtei-len eigenständig“, ein K.-o.-Kriterium, würde ichsagen.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Okay. Dann habenwir da unterschiedliche Vorstellungen, ob manso ein Abkommen überhaupt verhandeln kannoder nicht, wenn Sie jetzt sagen, dass es sowiesosinnlos ist angesichts der Komplexität.

Christian Flisek (SPD): Hinter der politischenMessage, Frau Bundeskanzlerin, -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Meine Erfahrung ist,wo Juristen - -

Christian Flisek (SPD): - stehe ich zu 100 Pro-zent.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Wie bitte?

Christian Flisek (SPD): Hinter der politischenMessage, dass wir Standards brauchen, dass wirnicht mehr ein Denken aus Zeiten des KaltenKrieges brauchen zwischen Partnern, stehe ich zu100 Prozent.

Nur, die Frage ist - - Ich sage es mal auch so jetzt:Wir haben gerade 360-Grad-Blick - das ist einsehr eingängiger Begriff - -Wir haben aber auchgesehen - und Sie haben ja gesagt, Sie werden danoch mal nachfassen -, die Personalausstattungist dürftig in einem wichtigen Bereich fürDeutschland, Spionageabwehr. Forschung und

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Entwicklung in diesem Land ist ein Kernelementfür unsere Wirtschaftskraft, um nur das ThemaWirtschaftsspionage anzusprechen. Und wirhaben „No Spy“ als einen Begriff, der Erwar-tungshaltungen schürt, wo ich mir die Fragestelle: Geht man mit solchen Begriffen in der Öf-fentlichkeit nicht zu leichtfertig um, weil manErwartungshaltungen schürt, die man einfachschlicht - - Man kann nicht liefern.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Na, ich glaube, wennich mich recht erinnere, gab es von amerikani-scher Seite sehr wohl zur Wirtschaftsspionagesehr eindeutige Aussagen, dass von der amerika-nischen Regierung keine Wirtschaftsspionage be-trieben wird. Und ich meine, jetzt sind wir an ei-nem Punkt - - Ich weiß, dass man rechtlich sehrviel mehr durchsetzen kann, wenn man will, alsman vielleicht als Nichtjurist erst mal denkt. Ichweiß jetzt gar nicht, ob Sie Jurist sind oder nicht;ich bin keiner. Aber wenn ich jedes Mal einenSachverhalt als so komplex einstufe, dass ich garnicht erst anfange, zu gucken, ob ich es rechtlichregeln kann, das wäre, glaube ich, auch keinegute Grundeinstellung.

Christian Flisek (SPD): So weit stimme ich Ihnenzu, aber, wie gesagt - - Gut. - Ich habe eine Fragenoch zum No-Spy-Abkommen. In dem Vermerk,den Sie ja selber jetzt mehrfach sozusagen als diewesentliche Informationsgrundlage für Ihre ei-gene Bewertung zitiert haben, nämlich der Vor-lage von Herrn Heiß vom 7. August 2013, heißtes - also zumindest in der Version, die uns vor-liegt, gibt es eine handschriftliche Notiz nochvon Herrn Heiß, und da heißt es -:

Außenminister Westerwelle er-hielt im Telefonat mit Kerry keineZusagen. Ggf. unverzüglich Ge-sprächsanmeldung Obama (?)

Also, wir haben das beim Lesen so interpretiert,dass es - politischer Leitungsvorbehalt; das warja klar: also, die Geheimdienste können über allesMögliche verhandeln, die Politik muss zustim-men - bis zu diesem Zeitpunkt keinerlei Zusagengab, auch im Gespräch Westerwelle-Kerry nicht,und sozusagen ein Arbeitsauftrag im Kanzleramtexistierte, wobei ich jetzt nicht sagen würde, dass

Herr Heiß Aufträge geben kann, aber, ich sagemal, eine Empfehlung, eine Anregung gebenkann, dass man hier eine Gesprächsanmeldungmit Präsident Obama macht. Und ich glaube, dieeinzige Person im Kanzleramt, die mit PräsidentObama sprechen wird, das sind dann Sie. Ist einsolches Gespräch angemeldet worden? Ist da eineInitiative aufgrund dieses handschriftlichen Ver-merks erfolgt?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Nein, darüber hatteich ja auch gesprochen. Es war so, dass dieseAnregung da war, weil wohl Präsident Obama am9. August eine Rede geplant hatte. Und ichwurde dann informiert, dass auch der Außen-minister bereits mit dem Außenminister Kerry,also Westerwelle mit Kerry, telefoniert hatte, undhabe dann entschieden, dass im Blick auf dieRede vom 9. August ein Telefonat auf der Ebene,wie der Vermerk war, in welchem Stadium sichdie Gespräche befanden, nicht zielführend ist.Und deshalb habe ich heute ja hier auch darge-legt: Ich habe von einem solchen Telefonat aufhöchster Ebene abgesehen. Es will ohnehin ganzgrundsätzlich überlegt sein, wann und über wel-che konkreten Anliegen jeweils auf der Ebene derStaats- und Regierungschefs gesprochen wirdund wann nicht, zumal dann, wenn es wie imvorliegenden Fall eine grundsätzliche Bereit-schaft zu Gesprächen über ein Agreement zwi-schen den Nachrichtendiensten auf Arbeitsebenegegeben hatte, aber klar war - das füge ich jetzthinzu -, dass dies noch nicht den Stand erreichthatte, dass darüber zwischen zwei Regierungs-chefs gesprochen werden kann.

Christian Flisek (SPD): Hat man vielleicht von ei-nem solchen Gespräch abgesehen, haben Sie viel-leicht von einem solchen Gespräch abgesehen,weil man befürchtete, vielleicht zu früh eine ein-deutige Absage zu bekommen und damit dasThema noch sehr früh, auch im Bundestagswahl-kampf, begraben zu müssen?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Nein.

Christian Flisek (SPD): Ich möchte noch einmalauf die Selektoren und auch auf die Frage, wie

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nach dem Herbst 2013 mit den Selektoren um-gegangen worden ist und welche Rolle da dasKanzleramt hat, zu sprechen kommen.

Fast alle Zeugen aus dem Kanzleramt haben unsberichtet, dass das Thema „Selektoren“, „kri-tische Selektoren“ nach der einmaligen Lö-schungsaktion im Oktober 2013 erst wieder an-lässlich des Besuches von dem damaligen neuenChef des Bundeskanzleramts, Herrn Altmaier, inPullach im Frühjahr 2015 voll aufschlug.

Die Frage, die wir uns hier stellen, ist: Was ist inder Zwischenzeit passiert? Warum vergehen fastanderthalb Jahre in einem Bereich - - Wir habenjetzt gelernt, der Bereich „Signal Intelligence/SIGINT“ ist auch in der strategischen Kommuni-kationsüberwachung wichtig; da stimme ichIhnen auch zu. Er ist ein Teil der Tätigkeit desBND, der fast mehr als 50 Prozent einnimmt, derimmer mehr Ressourcen auch verschlingt. Undwir haben gelernt, dass sozusagen in den Unmen-gen der Datenströme der Begriff der Selektoren,der Suchbegriffe, ein ganz entscheidender ist.Und dann hat man im Oktober 2013, wie gesagt,im Kontext Snowden, im Vorfeld eines sich kon-stituierenden Untersuchungsausschusses imMärz 2014 hier im Bundestag schon einmal einklares Indiz, dass es hier eine Problemlage gibt.Abgesehen davon - das, glaube ich, ist auch des-wegen klar, weil der einfache Selektorenmitarbei-ter beim BND - - Wir haben die ja hier auch ge-hört; das waren für die Damen und Herren oftkeine angenehmen Befragungen, weil die das garnicht gewohnt sind, vor so einem Ausschuss aus-zusagen. Die haben uns alle aber miteinander ge-sagt: Wir hatten nie eine Handreichung einmalgehabt, was wir wirklich zu tun haben. - Also, esgab nie eine verschriftlichte Verwaltungsricht-linie, wie das aufzusetzen ist, obwohl das dannauch immer mit der Zeit komplexer geworden ist,weil die technische Entwicklung in den 2010er-Jahren ja gigantisch war dann am Ende.

Und dann taucht dieses Problem im Oktober2013 erstmals auf bei Pofalla. Er erteilt in allerEile Weisungen. Es führt zu Ergebnissen. Er for-dert einen Bericht an, den keiner kennt - lassenwir das Thema -, und dann dauert es trotzdembis März 2015, bis sich das Kanzleramt wiederum

reaktiv dieser Sache annimmt. Und ich stelle mirdie Frage: Wäre es in dieser Zeit nicht höchsteEisenbahn gewesen, wirklich proaktiv mal struk-turiert diesen Komplex anzugehen? Sie hätten esja einfach machen können, oder Herr Altmaierhätte es auch einfach machen können, einfachmal dem Herrn Heiß sagen: Lieber Herr Heiß,machen Sie uns da bitte mal eine Bestands-aufnahme. - Herr Heiß hat uns gesagt bei seinerVernehmung, nur wenn von oben eine Anwei-sung kam, ist er tätig geworden. - Das ist eineAussage von ihm gewesen hier im Ausschuss. -Und wenn nichts kam, dann wurde auch nichtsveranlasst.

Das heißt, die Frage ist: Wie - - Also, für uns istdas unerklärlich. Wir haben das deswegen auchin der öffentlichen Bewertung als, ich sage mal,ein schwarzes Loch ein Stück weit bezeichnet,weil diese ungeheure Zeit - anderthalb Jahrenichts passiert - nahezu unglaublich erscheint.Wie bewerten Sie das in der Rückbetrachtung?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja, da ich ja von derOktoberinformation nichts wusste, kann ich jetztja nur mutmaßen. Damals ist es ja nicht reaktivgewesen offensichtlich, sondern offensichtlich istja Herrn Pofalla was gesagt worden. Er hat dazueine Weisung erteilt. Und ehrlich gesagt, könnteman sich ja auch vorstellen, wenn der BND etwassagt, anschließend eine Weisung erteilt wird - ichmutmaße jetzt nur -, dass dann das Problem auchgelöst wird.

Und dass dann herauskommt im Oktober - dieBND-Sachen waren im Oktober oder Ende Sep-tember 2015 -, dass das doch nicht ausgeführtwurde vollständig: Da komme ich wieder auf dietechnischen und organisatorische Defizite. Unddas war dann noch eine sehr höfliche Formulie-rung.

Christian Flisek (SPD): Ja, ich sage es ganz offen,Frau Bundeskanzlerin: Ich teile die Ansicht, dasses in der Abteilung Technische Aufklärung er-hebliche organisatorische Defizite, Mängel gibt.Insofern, glaube ich, wird auch grundsätzlichdarüber zu reden sein, ob es Sinn macht, die Ab-teilung TA ausgerechnet in Pullach zu belassen.Also die Abteilung, wo die meisten Probleme

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sind und die immer wichtiger wird, so entferntvon der BND-Spitze in Berlin zu organisieren, istein politisches Thema, das noch zu klären seinwird. Aber es stellt sich natürlich auch die Frage,ob es organisatorische Defizite in der Fachauf-sicht gegeben hat. Und wenn ich mir anschaue,dass Themen auftauchen und man keinerlei Ver-anlassung sieht, proaktiv mal diese Themenstrukturiert anzugehen, nachzufragen - Mitarbei-ter, eine ganze Abteilung ist dafür da, Herr Frit-sche als neuer Staatssekretär ist extra im Januar2014 eingesetzt worden -, und man dann im März2015 relativ überrascht tut: „Oh, oh, da gibt es jaProbleme mit den Selektoren; wussten wir garnicht“: Ich finde das nicht nachvollziehbar.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Okay. Diese Bewer-tung nehme ich zur Kenntnis, und ich glaubeauch, dass man auch im Bundeskanzleramt inder entsprechenden Abteilung aus den Vorgän-gen gelernt hat, dass sich die Dinge nicht wiederso wiederholen werden.

Und im Übrigen will ich noch einmal darauf hin-weisen: Herr Fritsche ist nicht nur wegen, er istauch - das hat noch eine zusätzliche Begründunggebracht - wegen der Empfehlung des Parlamentsins Kanzleramt gekommen, -

Christian Flisek (SPD): Ja.

Zeugin Dr. Angela Merkel: - die Arbeit der Nach-richtendienste besser zu koordinieren.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Wir wärenmit der Zeit durch.

Christian Flisek (SPD): Danke. Vielen Dank erstmal.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Wir wärenjetzt am Ende der dritten Fragerunde. Ich würdevorschlagen, wir machen noch eine Fragerunde,und wenn dann noch Fragen im öffentlichen Teilsind, dann würde ich aber vorher eine Pause ma-chen, sodass wir mal eine 20-minütige Pause ha-ben; ich glaube, das tut uns allen gut. Aber, ichglaube, eine Fragerunde schaffen wir noch, unddann wird sich klären, ob noch weitere Fragenbestehen oder nicht.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja, aber wenn dannnoch zwei Fragen übrig bleiben, können wir es - -Na, mir ist es - -

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Na, wenn eszwei sind, dann kriegen wir die auch noch hin.Aber wenn es mehr als zwei sind, dann würde - -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Genau. Sie entschei-den darüber. Ich bin noch aussagefähig.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Und ichwürde dann nach der nächsten Fragerunde mal20 Minuten Pause machen, -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Okay.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: - dass wiruns noch mal alle sammeln und mit Kraft in dienächste Runde - oder zwei oder drei - dann ge-hen. - Es beginnt aber Frau Kollegin Renner indieser vierten Runde.

Martina Renner (DIE LINKE): Frau Bundeskanz-lerin, ich will noch mal auf das Sommerinter-view 2013 zurückkommen. Sie haben in demInterview mehrfach erwähnt, dass PräsidentObama Akten deklassifizieren werde. Was wardenn genau damit gemeint? Sind denn Aktendann wirklich herabgestuft worden? Für wen?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Können Sie es mirnoch mal vorlesen?

Martina Renner (DIE LINKE): Ich kann Ihnen dasgerne noch mal vorlesen.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich habe die - - weilich es jetzt - -

Martina Renner (DIE LINKE): Die Stelle aus demInterview?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja.

Martina Renner (DIE LINKE): Okay. Dann - -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Was ist das? Sommer-PK oder - -

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Martina Renner (DIE LINKE): Ja.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja. - Lesen Sie es mireinfach nur vor.

Martina Renner (DIE LINKE): Dann lasse ich dasgerade mal raussuchen -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ach so.

Martina Renner (DIE LINKE): - und würde miteiner zweiten Frage weitermachen, und zu derkommen wir dann gleich noch mal zurück. - Siehaben auch in dem Interview gesagt - aber wennich das dann auch vorlesen soll, dann müssenwir das auch suchen -, dass das G-10-Gesetz einsehr gutes Gesetz sei, und erwähnten explizit,„maximal“ - das ist ein Zitat von Ihnen - „dürfen20 Prozent der Informationen abgeschöpft wer-den“ (?). So war ja auch der Wille des Gesetz-gebers gemeint. Wissen Sie mittlerweile, dass derBND exakt diese 20-Prozent-Regelung umgangenhat?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Nein.

Martina Renner (DIE LINKE): Er hat nämlichnicht, wie der Gesetzgeber es wollte - und dakann man in der Kommentierung zum Gesetzeindeutig nachlesen -, nur 20 Prozent einesKabelansatzes zur Grundlage gelegt. Also, derGesetzgeber hat gemeint: 20 Prozent eines Kabel-ansatzes; der BND hat einfach gesagt: Wenn ichnur 20 Prozent des weltweiten Internetverkehrsnehme, ist es okay.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Hm.

Martina Renner (DIE LINKE): Und damit hat erdas Gesetz, also, man kann sagen, gebeugt oderfehlinterpretiert, aber auf jeden Fall die 20-Pro-zent-Regel gebrochen. Wussten Sie das?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Nein. Ich habemich - - Wie gesagt, ich wurde mal informiertüber diese 20-Prozent-Regel. Ich weiß nicht, wieSie die finden; ich finde sie - -

Martina Renner (DIE LINKE): Die war eigentlichganz gut gemeint, ja.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja, sie war gut ge-meint, aber -

Martina Renner (DIE LINKE): Der BND hat leideraber sich nicht dran gehalten.

Zeugin Dr. Angela Merkel: - der Gedanke, dassman irgendwo mal 100 Prozent relevante Infor-mationen an irgendeiner Stelle findet und dienicht abschöpfen darf, ist auch komisch, wennSie dem G-10- - aber - -

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Nur zur Info:Wir haben hier im Ausschuss auch - -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Entschuldigung! Ichwill nicht das G- - Das werden Sie richtig bewer-ten.

Martina Renner (DIE LINKE): Aber, wie - - Ichhabe jetzt die Stell- -

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Wir habenhier im Ausschuss auch über die Auslegung die-ser 20 Prozent intensiv mit divergierenden An-sichten diskutiert.

Martina Renner (DIE LINKE): Ja, genau. Es gibtaber eine Kommentierung zum Gesetz, und dieist eindeutig. - ARD-Sommerinterview, und dageht es um Minute 8:57. Sie sagen:

Wir sind ja dabei, den Sachverhaltaufzuklären. Mir ist so etwas bis-lang nicht bekannt. Aber deshalbsprechen unsere Experten in Ame-rika mit den Vereinigten Staatenvon Amerika. Und ich finde es einwichtiges Zeichen, dass PräsidentObama auch gesagt hat, dass dieseDeklassifizierung von Akten, andie wir bis jetzt überhaupt nichtherangekommen sind, stattfindet.

Was - -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja, dann wird - - Also,es muss ja dann auf eine Äußerung von PräsidentObama zurückgehen.

Martina Renner (DIE LINKE): Ja.

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Zeugin Dr. Angela Merkel: Und - -

Martina Renner (DIE LINKE): Die Sie ja viel-leicht kennen und ich nicht. Aber um welche Ak-ten geht es denn da? Vielleicht sind die ja für denAusschuss von Relevanz.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich glaube, dass Siealles bekommen haben, was Sie bekommen kön-nen.

Martina Renner (DIE LINKE): Aber haben Siedenn mal deklassifizierte Akten - -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Nein, ich habe michmit der Deklassifizierung von Akten nicht be-schäftigt.

Martina Renner (DIE LINKE): Na ja, es geht ja umden Vorgang - -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich habe Ihnen ja ge-sagt, dass Präsident Obama umfassend angesichtsvon Herrn Snowden die Frage „Wie arbeiten dieamerikanischen Dienste?“ in Angriff genommenhat. Und dazu könnten solche Dinge auch gehö-ren. Aber ich kann im Einzelfall dazu nichts sa-gen.

Martina Renner (DIE LINKE): Wissen Sie eigent-lich, wie die Kooperation der NSA mit dem Bun-desnachrichtendienst in Bad Aibling aussah?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Im Detail nicht, nein.

Martina Renner (DIE LINKE): Und in groben Zü-gen? Um was es da ging?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Nein. Ich habe michnicht mit den Einzelheiten der NSA-Kooperationmit dem BND beschäftigt.

Martina Renner (DIE LINKE): Mhm. Also, es istja Hauptgegenstand dieses Untersuchungs-ausschusses und auch des BfDI-Prüfberichtes ge-wesen und auch Hauptgegenstand der öffentli-chen Berichterstattung in den letzten Monaten.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja, habe ich zur - -

Martina Renner (DIE LINKE): „Eikonal“, dieOperation bei der Deutschen Telekom.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja, ich sage ja - - Aberich kann hier nur darüber berichten, was ichsozusagen aus dem Kanzleramt an Informationenbekommen kann. Ich lese natürlich auch Zeitungund da - - Für die Details ist derjenige zuständig,der die Fach- und Rechtsaufsicht über den BNDinnehat.

Martina Renner (DIE LINKE): Also, die Koopera-tion wurde ja mal zwischenzeitlich einge-schränkt. Dann ist sie wieder voll aufgelaufen.Zwischenzeitlich wurden mal keine IP-Datenmehr genutzt. Dann wurde das wieder rückgängiggemacht. Mittlerweile läuft sie wieder. Ich hatteja vorhin schon gefragt, ob es nicht unter derneuen US-Administration, unter dem neuen US-Präsidenten möglicherweise auch Reflexionen imBundeskanzleramt darauf gibt: Wir leiten ja jetztim Zuge dieser Kooperation weiterhin täglich zig-fach Daten an die USA, und der BND durchsuchtweiterhin seine Datenbank mit NSA-Suchbegrif-fen nach bestimmten Treffern, und, wie meinKollege Dr. Hahn ja schon ausführte, 30 Prozentdieser Suchbegriffe werden technisch gar nichtverstanden. Ich meine, in der Situation, in derwir jetzt stehen - - Wir können doch möglicher-weise gar nicht ausschließen, dass die NSA ebenauch nach Journalisten sucht, Nichtregierungs-organisationen, nach befreundeten Regierungen,nach Ähnlichem mehr und dass diese Datendann eben auch von Deutschland an Trump über-geben werden.

(MR Philipp Wolff (BK)meldet sich zu Wort)

Zeugin Dr. Angela Merkel: Aber das sind dochjetzt Unterstellungen, die - -

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Dazu HerrWolff von der Bundesregierung.

MR Philipp Wolff (BK): Also, ich wollte nur kurzanmerken, dass ich die Frage so als Vorhalt auchfür falsch halte, wenn Sie über aktuelle Datensprechen, und wollte das auch nur der Zeugin zuerkennen geben, -

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Martina Renner (DIE LINKE): Es werden dochDaten weiterhin geliefert.

MR Philipp Wolff (BK): - dass die Lesbarkeit sichdefinitiv nicht auf die aktuelle Tätigkeit er-streckt, -

Martina Renner (DIE LINKE): Aber die Lesbar-keit - -

MR Philipp Wolff (BK): - genauso wenig wie derUntersuchungsausschuss -

Martina Renner (DIE LINKE): Ja.

MR Philipp Wolff (BK): - sich auf die aktuelleTätigkeit erstreckt.

Martina Renner (DIE LINKE): Das würde mitFrau Kanzlerin zu weit führen. Man hat eineDeutung angefügt an die Selektoren, aber mankann immerhin weiterhin einen bestimmten An-teil an Selektoren, insbesondere aus Messenger-systemen usw. - -

MR Philipp Wolff (BK): Nein, das ist nicht kor-rekt, -

Martina Renner (DIE LINKE): Ja.

MR Philipp Wolff (BK): - was die aktuelle Vorge-hensweise betrifft.

Zeugin Dr. Angela Merkel: So, also.

Martina Renner (DIE LINKE): (… akustisch un-verständlich) Okay, wir müssen das Technischehier nicht diskutieren.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Wir müsstenschon aus der Vergangenheit sagen, damit es un-tersuchungsgegenständlich ist.

Martina Renner (DIE LINKE): Genau. In der Ver-gangenheit war es so, dass die NSA-Selektoren zueinem bestimmten Prozentsatz nicht verstandenwurden. Und das ist natürlich besonders kritisch,hat auch die Datenschutzbeauftragte intensiv kri-tisiert, dass, wenn man Suchbegriffe laufen lässt,

die man selbst nicht versteht, natürlich damit so-wohl Treffer erzielt werden, die ausgeleitet wer-den an die USA, zum anderen aber auch inGrundrechte eingegriffen wird, und das ohneKontrolle seitens des Bundesnachrichtendiens-tes; das war ihre Kritik damals.

Aber wir stehen ja jetzt unter veränderten außen-politischen Bedingungen und auch unter verän-derten innenpolitischen in den USA, und dieFrage ist: Sollte man einen Datentransfer in dieUSA heute nicht noch mal einer politischen Re-vision unterziehen?

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Da muss ichaber wirklich sagen: Das ist nicht Gegenstanddieses Untersuchungsausschusses. So sehr, wiees mich interessieren würde - -

Martina Renner (DIE LINKE): Ja, aber Herr Vor-sitzender, da muss ich mal sagen: Vorhin habenauch Kollegen gefragt: Bietet denn das neue BND-Gesetz - -

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Auch da binich ja eingeschritten, als die Kollegen - -

Martina Renner (DIE LINKE): - jetzt Gewähr ir-gendwie, dass alle -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich kann doch maldas, was ich - -

Martina Renner (DIE LINKE): - Konsequenzengezogen wurden? - Die Fragen sind dann immerokay und meine nicht; das geht eben nicht.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ja, doch. Ge-nauso wie beim Kollegen Ostermann die Fragenicht okay war, ist diese auch ganz deutlich au-ßerhalb des Untersuchungszeitraums. Wenn dieBundeskanzlerin aber ein allgemeines politischesStatement heute abgeben möchte, dann bin ichder Letzte, der ihr das Wort abschneidet oder dasMikro abdreht.

Zeugin Dr. Angela Merkel: So, und da ich ver-meiden möchte, dass der Eindruck entsteht, dassunter der neuen amerikanischen Administrationdie Zusammenarbeit der Nachrichtendienste

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nicht mehr erfolgen wird, will ich hier ganz ein-deutig sagen, dass ich erstens glaube, dass wiraus eigenen Interessen auf diese Zusammenarbeitangewiesen sind, und dass ich davon ausgehe,dass sie fortgesetzt wird.

(Dr. André Hahn(DIE LINKE): Egal, wer

Präsident ist?)

Martina Renner (DIE LINKE): Gut. Okay.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Sie kriegennoch eine Frage.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Dass ich unter derneuen Administration -

Martina Renner (DIE LINKE): Ja.

Zeugin Dr. Angela Merkel: - davon ausgehe, dassdie nachrichtendienstliche Zusammenarbeit fort-gesetzt wird. Das ist mir sehr wichtig, dass danicht irgendwelche Zweifel aufkommen.

Martina Renner (DIE LINKE): Okay. Ist eine Ant-wort. - Wir haben ja jetzt viel über das Bundes-kanzleramt gesprochen und eben auch über - ausunserer Sicht - die Vernachlässigung seiner Auf-sichtspflichten. Ich wollte noch mal ein bisschenüber das Parlament sprechen. Wir haben im Rah-men unseres Untersuchungsausschusses natür-lich auch prüfen müssen, inwieweit in der Ver-gangenheit Kontrollgremien oder aber auch ein-zelne Abgeordnete, Fraktionen nicht richtig odernicht rechtzeitig informiert wurden, und habenzum Beispiel festgestellt, dass es mindestenssechs Kleine Anfragen gibt von Abgeordneten,die in Teilen aus heutiger Sicht falsch beantwor-tet wurden. Und dafür trägt ja das Bundeskanz-leramt letztendlich die Verantwortung, selbstwenn die fehlerhaften Zuarbeiten vom Bundes-nachrichtendienst kamen. Ist diese Problematikmal im Bundeskanzleramt besprochen worden,dass man in Zukunft dem Parlament wahrheits-gemäß berichten möchte?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Wir berichten immernach bestem Wissen und Gewissen. Ich habe erst

schon von den Vollständigkeitserklärungen ge-sprochen, die jeweils abgegeben werden von denBehörden. Aus den Erfahrungen - haben wir abernun heute auch schon gesprochen - sind ja auchVeränderungen vorgenommen worden dahin ge-hend, dass man die Transparenz sicherlich imBND verbessert. Und es ist sehr misslich, dasssolche Vollständigkeitserklärungen abgegebenwurden und im Nachhinein herauskam, dass sienicht vollständig waren.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Das müsstedann die letzte Frage gewesen sein.

Martina Renner (DIE LINKE): Aber der Umstand,dass zum Beispiel auch Anfragen falsch beant-wortet wurden, war der Ihnen bekannt?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Habe ich in der Zei-tung gelesen.

Martina Renner (DIE LINKE): Danke.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ganz herz-lichen Dank. - Dann kommen wir jetzt zur - -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Sie können mal da-von ausgehen, dass das Kanzleramt nicht wis-sentlich eine falsch beantwortete Kleine Anfragerausgehen lässt.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Okay.

Martina Renner (DIE LINKE): Ich weiß nicht, obich das - -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Na ja, wir sollten unsja jetzt nicht Dinge unterstellen, die wir gegensei-tig nicht wollen.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Wir kommenaber jetzt zu den Fragen der CDU/CSU-Fraktion. -Ich hätte eine Nachfrage, auch da wieder zum so-genannten No-Spy-Abkommen, weil wir ja im-mer noch zwischen zwei Polen changieren: Gabes das wirklich, oder gab es das nicht? Und eswurde dann E-Mail-Verkehr von Frau Karen Don-fried zitiert. Ich habe mir den gesamten Mailver-kehr von vielen, vielen Seiten mal geben lassenvom Sommer 2013 bis Anfang Februar 2014. Also

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über irgendwas haben die anscheinend da ge-schrieben. Wenn es das gar nicht gegeben hat,dann haben die viel Zeit mit einem Chat ver-bracht. Aber irgendwie geht es immer um diesesÜbereinkommen.

Und dann habe ich mir noch mal die Zeugenaus-sage von Herrn Schindler, die letzte, geben las-sen, wo er befragt wird auch über dieses No-Spy-Abkommen und die Frage gestellt kriegt: Wie istdas denn alles zustande gekommen? Und dannsagt Herr Gerhard Schindler - und das ist das Pro-tokoll der Zeugenvernehmung vom, wäre schön,wenn das so draufstünde, dass das auch ein Ab-geordneter schnell findet, 21. Mai, Seite 122 -:

Dieser Begriff „No Spy“ ist keineErfindung der deutschen Seite. Ichhabe diesen Begriff erstmalig ge-hört in einem ersten Gespräch, alses darum ging, eine Vereinbarungzu schließen. Dieses Angebot kamvon der US-Seite, das Vereinba-rungsangebot, und dabei wurdeder Begriff „No Spy“ verwendet.

So sagte es Herr Schindler; so sagte es übrigensauch in seiner Vernehmung Herr Fritsche. Dasmag sein, dass die sich irren. Mir ist eigentlichauch egal, wer den Begriff zuerst benutzt hat.Irgendwie schien er benutzt worden zu sein.

Wenn Sie jetzt auch aussagen, dass Sie von denVerhandlungen über ein No-Spy-Abkommenwussten, dann frage ich mich, warum wir das dieganze Zeit hier weiterhin nachfragen. Es scheintes irgendwie gegeben zu haben, und auf zweiEbenen scheint verhandelt worden zu sein. Trau-rig ist, dass es dann nicht zu einem Abschluss ge-kommen ist, weil es wäre vielleicht etwas, wasmustergültig hätte sein können, weil es so wasnoch nicht gibt. Und deswegen hatte ich oft viel-leicht auch nach den Beweggründen gefragt, weilich tatsächlich die Meinung habe und die Vermu-tung habe, die amerikanische Seite war 2013 sounter Druck aufgrund dieses Datenleaks, dass sieso etwas eingegangen wären. Haben Sie den Ein-druck, wir täuschen uns,

(Christian Flisek (SPD):Man definiere „wir“!)

und die Bundesregierung hat da nur Potemkin-sche Hausfassaden aufgebaut? Oder hat es daswirklich gegeben, wovon hier fast alle Zeugen be-richtet haben? Und den E-Mail-Verkehr, denkönnte ich sogar vorlegen, den ich hier in derHand habe, den scheint es irgendwie auch gege-ben zu haben. Oder Herr Wolff hat ihn heimlichnachts getippt. Wie schaute es aus?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Na ja, ich habe ja - -

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Vielleicht,dass Sie es jetzt noch einmal zum x-ten Malesagen.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja, also, ich - - HerrSensburg, ich habe ja nicht die geringste Veran-lassung, an der Ernsthaftigkeit dieser Verhand-lungen zu zweifeln. Ich habe zum ersten Mal die-sen Begriff „No-Spy-Abkommen“ gehört im Zu-sammenhang mit den öffentlichen Äußerungendes Kanzleramtsministers nach der PKGr-Sit-zung. Wenn er früher schon gefallen ist, dann umso besser, dann ist er auch nicht sozusagen vonder deutschen Seite ins Gespräch gebracht wor-den.

Ich kann nur sagen: Wenn ich einen Vermerk be-komme, wo gesagt wird: „keine gegenseitigeSpionage stattfinde“ und „ein ‚Agreement‘ inFrage“ kommt, „in dem beide Seiten“ zustim-men, dann ist es zu dem Wort „No-Spy-Abkom-men“ nicht so weit, sodass es auch sehr gut mög-lich sein kann, dass das dann auf der amerikani-schen Seite gefallen ist. Über die Motive kann ichnicht spekulieren. Es ist jedenfalls festzustellen,dass ganz offensichtlich - und Sie untermauerndas ja noch mal - intensiv gesprochen wurde aufden verschiedensten Ebenen.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Und dannwürde ich im Zweifel in der nächsten Runde,nach gegebenenfalls einer Pause, dann noch malauf die Probleme und Versäumnisse im BND zusprechen kommen, die ich nämlich, wie gesagt,für sehr relevant halte.

Wir kommen jetzt zur nächsten Fraktion, und dasist die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen. HerrKollege von Notz.

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Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Nein, ich, Herr Vorsitzender, bin dran.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Entschuldi-gung! Sie sehen heute so jung aus, Herr Kollege. -Herr Kollege Ströbele ist das natürlich.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Okay. - Frau Merkel, ich komme noch malauf den Anfang zurück. Also, das war ja das ent-scheidende Jahr, Frühsommer und dann Sommer2013. Dieser berühmte Satz ist von Ihnen dakreiert worden. Ich habe Sie so verstanden, bevorSie das gesagt haben, dass das gar nicht geht, ha-ben Sie nicht irgendwie mit Ihrem Dienst, alsomit dem Bundesnachrichtendienst, oder Leutenaus ihrem Kanzleramt geredet, ob das vielleichtdoch ist, sondern Sie haben den irgendwie ganzspontan entwickelt aus eigener politischer undmoralischer Meinung und Empörung.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich habe ihn alsmeine politische Überzeugung gesagt, ja.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, so habe ich es auch verstanden.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Und ich habe ihnauch aus der Meinung gesagt, dass dies keine nurvon mir geteilte politische Überzeugung ist.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, ja. Herr Seibert hat das ja auch gesagt, -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): - und Sie können mich da mit einschlie-ßen. Also, ich finde das auch nicht richtig.

Also, das war praktisch eine Kritik an dem, wasvorgeworfen wurde nach den Dokumenten vonEdward Snowden - wenn das stimmte. Das istjetzt meine erste Frage: -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Richtig.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): - Seit wann sind Sie davon ausgegangen,dass die Dokumente aus dem Besitz von Edward

Snowden zutreffend sind, dass das echte Doku-mente aus der NSA sind, vielleicht da nichtirgendwie in einem Ordner abgeheftet, aber inden Netzen und dann abgedruckt worden sind?Ab wann sind Sie davon ausgegangen? Ich stellediese Frage, weil ich da ja auch sehr engagiertwar schon in den ersten Wochen und immer ent-gegengehalten wurde: „Wir wissen doch garnicht, ob das richtig ist, ob da nicht einer waserfunden und nachgemacht hat“, und so. DieseGedanken werden Sie sich ja auch gemachthaben, wenn da so plötzlich Dokumente auftau-chen. Seit wann sind Sie davon ausgegangen, daist was dran an den Dokumenten, die sind wirk-lich aus der NSA?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Also, ich glaube, diePresseveröffentlichungen waren so - jedenfallsnach meiner Erinnerung, und man hat ja auchkeinerlei Dementis gehört von substanziellerArt -, dass ich zumindest der Meinung war, dasswir uns damit auseinandersetzen müssen.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, aber wie jetzt? Also, -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja, wie?

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): - Sie haben ja auch mehrere Delegationenin die USA geschickt. Herr Friedrich war mal da,die Chefs der Dienste waren da und haben dannberichtet. Was haben die denn zurückgebracht?„Die Amerikaner bestreiten das nicht und sagenauch: ‚Mist, dass das passiert ist, und hoffentlichkommt da nicht noch mehr‘“, oder? Wie war IhreInformationslage im Sommer, sagen wir mal, Juli2013?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Na, die war so, dassich ja von der Vorlage zu Prism und Tempora daNachfragen gestellt hatte aufgrund der Presse-berichterstattung. Habe dann gehört, dass darübernoch keine abschließenden Bewertungen zu hö-ren sind. So richtig abschließend sind sie ja dannauch danach nicht sofort geworden. Und insofernhabe ich mich dann auf die politische Weichen-stellung und die politische Einschätzung und diepolitischen Maßstäbe konzentriert.

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Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Jetzt ist damals - ich erinnere mich danoch ziemlich genau - als erste Reaktionen auchaus der Bundesregierung mitgeteilt worden: „Wirhaben eine ganze Reihe von Fragen“, die wurdenauch zum Teil veröffentlicht, „an die USA ge-stellt, die wir jetzt beantwortet bekommen sol-len.“ Und dann sind Herren dahin gefahren, ha-ben das mit der NSA besprochen, und dann ka-men sie wieder und haben gesagt: „Ja, ja, die wer-den beantwortet; das dauert auch nicht mehrlange“, weil wir als Abgeordnete ja immer draufwarteten, was kommen denn aus den USA dazufür Reaktionen. Da wurde uns immer gesagt: Naja, die müssen noch runtergestuft werden; dasdauert aber nicht lange, ein paar Wochen oder so,und dann sehen wir. - Wissen Sie was aus denFragen und den Antworten geworden ist?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Nein.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Wenn ich Ihnen sage: „Sie sind bis heutenicht beantwortet“, wundert Sie das?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Nehme ich zur Kennt-nis.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Nehmen Sie zur Kenntnis. - Ja, deshalb ha-ben wir lange Zeit natürlich auch immer Vermu-tungen angestellt. Und ich vermute, dass Sie,nachdem dann auch Herr Seibert, Ihr Pressespre-cher, in einer Pressekonferenz Ihren wichtigenSatz gesagt hat und dann gefragt worden ist:„Stimmt das denn auch? Machen das die Deut-schen nicht auch so?“, vielleicht spätestens zudiesem Zeitpunkt nachgefragt haben bei den Leu-ten, die das wissen mussten, also im Kanzleramtbei Ihrer Abteilung oder vielleicht sogar denBND-Chef gefragt haben: „Sagt mal, könnte essein, dass da bei uns auch so was läuft, dass wirda Ärger kriegen?“

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich habe solche Nach-fragen nicht gestellt. Ich habe mich an das,was - - man mich informiert hat, gehalten.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, haben die Sie positiv so informiert,dass sie gesagt haben: -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Nein, ich sage - - ichhabe ihnen - -

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): - „So was machen wir nicht“?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Nein. Sie kennen jaalle Informationen, die ich bekommen habe.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, aber ich finde da nie, dass die sich da-mit auseinander gesetzt haben: „Wir machen dasauch“, oder: „Wir machen das ein bisschen, nichtso schlimm wie die Amerikaner“, oder so.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Herr Ströbele, ichkann nur sagen: Ich habe die Vorlagen, die indem Zusammenhang an mich gegangen sind, hierdargelegt, und darüber hinaus habe ich keine Er-kenntnisse gehabt.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Sie haben sich auch nicht bemüht - darumgeht es mit jetzt -, Erkenntnisse zu gewinnen.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Nein, ich bin davonausgegangen, dass die notwendigen Aufklärungs-arbeiten auf der Fachebene laufen, -

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja. - Und jetzt kommen wir noch mal zudem 12. August.

Zeugin Dr. Angela Merkel: - zumal der amerika-nische Präsident - und er hat ja dann auch in derFolge einiges gemacht - bei seinem Besuch - - Da-rauf können wir auch noch mal zurückkommen -der war da am - -

(Die Zeugin blättert inihren Unterlagen)

warten Sie mal - - Hier: Am 19. Juni war ja derBesuch des Präsidenten Obama, wobei

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wir einen offenen Informations-austausch zwischen unseren Mit-arbeitern sowie auch zwischenden Mitarbeitern des Innenminis-teriums … und den entsprechen-den amerikanischen Stellen ver-einbart haben. Ich denke, dieserDialog wird weitergehen.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja. - Jetzt komme ich auf den 12. Augustnoch mal, der ja schon mehrfach hier zitiert wor-den ist, also das Pressestatement - - vorher imPKGr und dann ein Pressestatement von Pofalla.

War Ihnen bekannt, dass in diesem Statementvon Herrn Pofalla auch der Satz stand:

Die NSA hat uns schriftlich versi-chert, dass sie Recht und Gesetz inDeutschland einhält.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Na ja, das war ja - -Ich weiß nicht, beziehen Sie sich auf seine öffent-lichen Äußerungen?

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, ja.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja. - Na ja, gut, esstand für mich in keinem Widerspruch zu derVorlage vom 7. August, die ich ja nun auch schonmehrfach zitiert hatte:

… eine Zusicherung abzugeben,dass auf deutschem Boden jeder-zeit deutsches Recht respektiertwerde und keine gegenseitigeSpionage stattfindet

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Nein. Hier soll ja positiv - - Die NSA soll jadiese Zusage gegeben haben, dass sie es nichtmachen. So kann man - - Anders kann man dasnicht verstehen:

Die NSA hat uns schriftlich versi-chert, dass sie Recht und Gesetz inDeutschland einhält.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Kann mandie Fundstelle mal haben? Weil ich habe das jetztauch nicht vor mir liegen.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Das war nach dem 08.08. Ich glaube - -

(Martina Renner (DIELINKE): Das war aus demPressestatement, 12.08.! -

Dr. André Hahn (DIELINKE): Der Satz von

Pofalla!)

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ja, aber ichwürde ihn halt auch gerne lesen. Das ist immerhilfreich. Weil die meisten sind Juristen, und diewissen, dass ein Blick ins Gesetz die Rechtsfin-dung erleichtert, auch in Texte.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: IrgendeineMAT-Nummer. Dann können wir es suchen.

(Dr. André Hahn (DIELINKE): Das hat keine

MAT-Nummer!)

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Das ist das Dokument: Die Bundesregie-rung, Mitschrift Pressekonferenz. Und da stehtdann unter vierter Absatz, erster Satz:

1. Die NSA hat uns schriftlich ver-sichert, dass sie Recht und Gesetzin Deutschland einhält.

(Dr. Konstantin von Notz(BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-

NEN): Das ist einDokument der

Bundesregierung!)

- Ja.

(Dr. André Hahn (DIELINKE): Internet!)

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Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja, ich habe jetzt janur versucht, zu sagen, dass ich darin keinen Wi-derspruch zu der Vorlage, die mich erreicht hat,vom 7. August sehe. Darüber hinaus kann ichdazu nichts sagen.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Auch die anderen Sachen, die sind schonmehrfach vorgehalten worden, dass Herr Pofalladann erklärt hat, an der ganzen Sache ist nichtsdran.

Finden Sie die Überlegung - ich sage das malganz vorsichtig -, dass der 12. August fünf Wo-chen vor der Bundestagswahl war und da IhrKanzleramtsminister an die Öffentlichkeit geht,mit sehr vehementen Worten - ich stand selberdabei; ich habe das selber gehört - gesagt hat: „Anden Vorwürfen ist nichts dran“ und dann solcheSätze gesagt hat, ein No-Spy-Abkommen sei an-geboten worden,

(Dr. André Hahn (DIELINKE): Beruhigungspille!)

und dann so einen Satz gesagt hat, wo mir dannerst mal die Worte fehlten - - Wenn das alles soist - - Nun wissen wir heute, das stimmt garnicht. Kann das sein, dass das wahlkampfmoti-viert war oder dass man das Thema aus demWahlkampf nun wegkriegen wollte, was übrigensja weitgehend gelungen ist? Und dann fand dieWahl statt am 18. September. Und danach ging eserst wieder los, als im Oktober bekannt wurde,dass Ihr Handy abgehört wurde. Also - -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Also, noch mal - ichglaube, Herr Sensburg hatte darauf schon hinge-wiesen -: Wenn ich mich recht erinnere, stand jadamals der Vorwurf der massenhaften Ausspä-hung von Bundesbürgern im Raum.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Und im Laufe desSommers, wenn ich mich richtig erinnere, hatsich dieser Vorwurf dann doch entkräftet.

(Dr. Konstantin von Notz(BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-

NEN): Das stimmt sonicht!)

So habe ich meine - - Vielleicht ist meine Erinne-rung falsch, aber - - so - -

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, ja.

(Dr. Konstantin von Notz(BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-

NEN): Das ist ein relevanterPunkt!)

Zeugin Dr. Angela Merkel: Zweitens kann ichjetzt nur auf das verweisen, was ich am 7. Augusthier habe von Herrn Heiß. Und ich hatte den Ein-druck, dass sich Herr Pofalla jedenfalls in Bezugauf die Aussagen zum No-Spy-Abkommen daraufbezogen hat. Und ansonsten kann ich dazu weiterkeinen Kommentar abgeben. Ich weise jedoch dieBehauptung oder die Insinuierung - oder was im-mer das ist -, den Verdacht, man hätte nichts wei-ter zu tun gehabt, als das Thema aus dem Wahl-kampf rauszuhalten, zurück.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Den weisen Sie zurück.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN):Haben Sie denn vor der Pressekonferenzoder vor diesem Pressegespräch - ich weiß garnicht, ob das geplant war oder von Herrn Pofallaspontan nach der PKGr-Sitzung abgegeben wor-den ist - mit ihm mal darüber geredet? Oder hater Ihnen vorher oder nachher gesagt: „Wir habendas jetzt abgeräumt. Ich hoffe, das Thema sindwir jetzt los“?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Nein, so hat er nichtgesprochen, sondern er ist ins PKGr mit seinenErkenntnissen gegangen -

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja. Daran erinnere ich mich auch.

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Zeugin Dr. Angela Merkel: - und hat dann nach-her, wie andere auch, eine Stellungnahme abge-geben.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja. - Aber Sie haben nie mit Herrn Pofallain dem Sinne geredet: „Das müssen wir jetzt ir-gendwie vom Tisch kriegen“?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Nein.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ist ja verständlich, nachzuvollziehen.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Na, ich bitte Sie!

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, natürlich.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Glauben Sie, dass sowas Erfolg hat?

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, das war erfolgreich, ziemlich jedenfalls.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Nein.

(Dr. André Hahn (DIELINKE): Doch!)

Wir haben - -

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Weil er ziemlich starke Sätze gesagt hatund man sich nicht vorstellen konnte, dass dieSätze falsch waren, zu dem da- - dass immerhinein Kanzleramtschef so was sagt, -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja, gut, Sie habenmich gefragt, -

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): - was nicht stimmt.

Zeugin Dr. Angela Merkel: - ob ich in dem Sinnemit ihm gesprochen habe, -

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, Sie sagen - -

Zeugin Dr. Angela Merkel: - und dazu sage ichein entschiedenes Nein.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, sagen Sie ein entschie- -

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Und jetztmüssten wir noch mal wechseln.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Darf ich noch eine Frage danach stellen; -

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Eine Frage -

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): - denn sonst muss ich nachher wieder vonvorn anfangen.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: - kriegen wirhin. Nein, die eine machen wir noch.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja. - Frau Merkel, dann interessiert mich:Dann haben Sie sehr viel später, nach dem März2015, von Herrn Altmaier erfahren, von seinemBesuch usw. und im Laufe der nächsten Wochenwahrscheinlich auch mehr. Fühlten Sie sichnicht da - also, mir wäre das so gegangen, odermir ist das sogar so gegangen - reingelegt von Ih-rem Dienst, dass plötzlich rauskommt - - Sie wie-derholen immer wieder diesen berühmten Satz,diesen richtigen Satz, und nun kommt raus, dassgenau das, wo Sie sagen: „Das geht gar nicht“ -und alle Welt geht davon aus, dann wird das na-türlich auch von Deutschen nicht praktiziert;sonst würde die Kanzlerin das nie sagen - vomBND praktiziert worden ist mit einigen Ländern -ich kann sie Ihnen auch noch mal alle aufzählen;ich habe die sehr gut in Erinnerung -: Nachbar-länder und Regierungen und Parlamente und - -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Jeder einzelne Fallreicht.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Bitte?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Jeder einzelne Fallreicht; Sie brauchen mir nicht alle aufzuzählen.Ich - -

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Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja. - Waren Sie da nicht empört? Sind Sienicht im Karree gesprungen? Man lässt Sie indiese Falle laufen und in dieser Falle sitzen blei-ben.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Es ist nicht meineArt, im Karree zu springen.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Das glaube ich Ihnen.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Aber ich fand es so,dass man es unbedingt und endgültig abstellenmuss.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja. - Haben Sie nicht gesagt: „Hol mal diealle her! Ich will denen mal den Kopf waschen“?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Nein, das habe ichdem Chef des Kanzleramts überlassen.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Sie haben das cool zur Kenntnis genom-men, haben gesagt: „Da müssen wir mal sehen,was wir machen“?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Nein. „Da müssen wirentschieden handeln.“ Da habe ich den Kanzler-amtsminister drin bestätigt; da brauchte ich ihnaber auch nicht weiter anzufeuern, sondern daswar ihm selber ein Verlangen.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Jahrelang tappten Sie in der Irre rum.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ich glaube,das war die eine Frage. Ganz herzlichen Dank. -Und wir kommen jetzt in dieser Runde abschlie-ßend zur Fraktion der SPD. Herr Kollege Flisek.

Christian Flisek (SPD): Ja, danke, Herr Vorsitzen-der. - Frau Bundeskanzlerin, auch noch mal zudem Komplex „No Spy“. Ich frage Sie mal: Kön-nen Sie unsere Zweifel nachvollziehen, wenn wiraufgrund der Aktenlage - ich nenne jetzt nur einBeispiel - Widersprüche haben, eben beispiels-weise dass Ihr Abteilungsleiter 2 E-Mails ausdem Weißen Haus bekommt, wo drinsteht: „Wir

fühlen uns gar nicht in der Lage, zu beurteilen,was deutsches Recht ist“, und gleichzeitig derChef des Bundeskanzleramtes vor der deutschenÖffentlichkeit sagt: „Wir haben eine schriftlicheZusage der US-Administration und der Geheim-dienste, sich an deutsches Recht zu halten“?Können Sie nachvollziehen, dass wir hier, ichsage mal, eine gesunde Skepsis, ja, Zweifel ha-ben, dass diese Widersprüche - - Die sind nichtausgeräumt.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Sie haben ja - - HerrSensburg hat ja dankenswerterweise aus demFundus von Aussagen, die Sie hier gehört haben,auch berichtet. Da ich die alle nicht kenne, kannich mich immer nur auf das beziehen, was mirvorliegt. Und insofern gibt es doch sehr starkeGrundlagen dafür, dass hier ernsthaft verhandeltwurde. Und dass da natürlich nicht am 8. Juli -oder von wann die E-Mail, aus der Sie zitieren,ist -, alle Fragen ausgeräumt waren, das liegtdoch in der Natur der Sache. Das war auch am7. August nicht der Fall. Aber hätte man - - Ichhabe selbst im Januar noch gesagt: Sollte mandenn angesichts des doch, wie ich nach wie vorfinde, sinnvollen Unterfangens ungefähr einenMonat nach Bekanntwerden der Vorwürfe gleichalle Bemühungen einstellen?

Christian Flisek (SPD): Das verlangt niemand.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Deshalb ist es -

Christian Flisek (SPD): Die Frage - -

Zeugin Dr. Angela Merkel: - doch, glaube ich,das natürliche Herangehen eines Untersuchungs-ausschusses, dass man auch Skepsis und Zweifelhat. Das habe ich nicht zu bewerten. Ich kannIhnen nur sagen, wie es bei mir war und wie ichdas gesehen habe. Ich hielt das Projekt für poli-tisch sinnvoll. Und das, was ich dazu erfahrenhabe, war jedenfalls bis Januar nicht so, dass ichsage: Deshalb nehmen wir davon Abstand.

Christian Flisek (SPD): Gut. Lassen wir das maldann. Wir haben natürlich auch noch mal eineandere Bewertung, als der Vorsitzende das gerademit seinen Zitaten hier zum Besten gegeben hat.

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Bezogen noch mal auf das, was mit Ihrem Handypassiert ist und bekannt wurde: Haben Sie dieoffiziellen Stellungnahmen aus dem WeißenHaus, beispielsweise bei der Regierungspresse-konferenz vom 24.10. - - Da hat der Pressespre-cher gesagt:

The President assured the Chan-cellor that the United States is notmonitoring and will not monitorthe communications of the Chan-cellor …

Also, er hat gesagt: Momentan machen wir esnicht, und wir werden es auch in Zukunft nichtmachen.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Das habe ich ja - -

Christian Flisek (SPD): Haben Sie das intern sointerpretiert, als Eingeständnis, dass es in derVergangenheit eben gemacht wurde.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich habe das mit Inte-resse verfolgt.

(Vereinzelt Heiterkeit)

Und ich habe ja mehrfach schon in einer ver-suchten deutschen Übersetzung den Sachverhaltauch dargestellt. Er war, wie er war.

Christian Flisek (SPD): Sie gehen davon aus, dassSie überwacht worden sind bis zu diesem Zeit-punkt.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Das habe ich nicht ge-sagt. Wir haben keine Indizien. Und deshalbnehme ich das, was gesagt wurde - -

(Dr. André Hahn (DIELINKE): Keine Indizien!)

- Oder: „Wir haben keine Indizien“, ist falsch.Wir haben - - Auch der Generalbundesanwalt istzu keiner abschließenden Feststellung gekommenund - -

Christian Flisek (SPD): Das wundert uns beimdamaligen Generalbundesanwalt nicht.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Na ja, das ist ja nuneine Bewertung, mit der ich mich natürlichnicht - -

Christian Flisek (SPD): Ja. Es war einer, der dieNSA -

Zeugin Dr. Angela Merkel: - - die ich erst mal zu-rückweise.

Christian Flisek (SPD): - mit der NASA verwech-selt hat.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja, ja. Gut. - Die Gene-ralbundesanwaltschaft ist eine Institution, diewir alle achten sollten.

Christian Flisek (SPD): Die Veröffentlichungender New York Times vom 18.12. - - Da wird be-richtet aus einem Gespräch, dass der PräsidentObama sich bei Ihnen entschuldigt haben sollteund es angeblich ein Zitat von Ihnen gegebenhätte, wo Sie das als „This is like the Stasi“ be-werten. Ist das zutreffend?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich berichte nicht ausmeinen Telefonaten, -

Christian Flisek (SPD): Okay.

Zeugin Dr. Angela Merkel: - und zum anderenhabe ich mich an anderer Stelle öffentlich dazugeäußert, dass ich die NSA nicht mit der Staats-sicherheit vergleiche. Und ich möchte mir garnicht vorstellen, dass die Staatssicherheit - sohabe ich, glaube ich, sinngemäß gesagt - über dieInstrumente technischer Art verfügt hätte, die esheute gibt.

Christian Flisek (SPD): Ich möchte dann nochmal zurückkommen - ich verlasse jetzt mal denganzen Bereich „No Spy“ - - Auch noch mal, wasuns natürlich hier auch umtreibt, ist die Frage:Wie ist sozusagen das Innenleben im Kanzleramt,Abteilung 6, jetzt Staatssekretär Fritsche, Chefdes Kanzleramtes und dann Sie als Bundeskanz-lerin, im Kontext der Geheimdienstaufsicht?Also, ich möchte nur mal zusammenfassen: Wirhaben im Oktober nach Ihrem Zitat die mündli-

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che Weisung gehabt, eine Weisung, die nie ir-gendwo in Dokumenten des Kanzleramtes auchnur ansatzweise verschriftlicht wurde.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Sie meinen jetzt dasvon Herrn Pofalla.

Christian Flisek (SPD): Von Herrn Pofalla genau.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Mhm.

Christian Flisek (SPD): Eine mündliche Weisung.Ich habe Verständnis dafür, dass man, wenn eseilbedürftig ist, in Gesprächen eine mündlicheWeisung erteilt. Aber wir haben auch nichts jetztin den Unterlagen, Dokumenten des Kanzleram-tes, wo irgendwo mal eine Verschriftlichung die-ser mündlichen Weisung von Herrn Pofalla zufinden ist. Wir haben diese ominösen Vorgängeum einen angeblich angeforderten Bericht, undwir haben gehört, dass der aktuelle Chef des Bun-deskanzleramtes, Herr Bundesminister Altmaier,gesagt hat, er hat ein Übergabegespräch mit HerrnPofalla gemacht, und da ist über alles gesprochenworden, über Abläufe, aber über das auch ebennicht.

So, jetzt frage ich mich: Unterstellt, Herr Alt-maier hätte vielleicht eine völlig andere Einschät-zung der Sachlage in Bezug auf, was da passiertist im Oktober 2013 gehabt: Wie ist eigentlich si-chergestellt, dass jemand wie Herr Altmaier über-haupt eine solche Information erhält? Denn ausden Akten des Kanzleramtes findet er nichts voneiner Weisung, ein Bericht ist nie gekommen,weil - so meine Bewertung - er nie angefordertwurde, und in einem Übergabegespräch findetdas auch thematisch - - überhaupt spielt daskeine Rolle. Wie soll jemand wie Herr Altmaierüberhaupt die Informationen bekommen, die ervielleicht braucht, um sich eine eigene Meinungzu bilden, um ein eigenes Urteil und eine eigeneBewertung abzugeben zu diesem ganzen Kom-plex? Hinzu kommt, dass der Abteilungsleiter 6,Herr Heiß, zu dem ganzen Thema schweigt.

2 Änderung der Zeugin: streichen von „nicht“

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja. - Was ist jetzt dieFrage?

Christian Flisek (SPD): Ja, wie soll er das sicher-stellen nach Ihrer Auffassung?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Also, wie soll man sowas in Zukunft sicherstellen, -

Christian Flisek (SPD): Also, Sie sagen es - -

Zeugin Dr. Angela Merkel: - dass solche Dingenicht passieren? Oder wie?

Christian Flisek (SPD): Ja. - Würden Sie dasdenn - - Ich frage es mal andersrum. Sie haben jaoder das Kanzleramt hat ja organisatorische Defi-zite im BND festgestellt. Würden Sie einen sol-chen Ablauf als ein organisatorisches Defizit imKanzleramt beurteilen?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Na ja, es gehört si-cherlich wieder - - wie ich erst schon sprach vonden Ermessensentscheidungen, was man bei derAmtsübergabe weitergibt. Und ich will mich jetztnicht hier an Vermutungen und Spekulationenbeteiligen. Ich meine, wir haben eine Situation,dass der BND ja auch nicht begonnen hat mit denVeröffentlichungen von Herrn Snowden, irgend-welche eigenen Selektoren zu steuern, sonderndas, glaube ich, schon etwas länger getan hat.Und insoweit kann man auch sagen: Wie konntedas eigentlich passieren, dass die Vorgängerregie-rung an Herrn Pofalla überhaupt das übergebenhat, ohne nicht [sic!]2 zu fragen? - Also, Sie kön-nen jetzt lange zurückfragen: Wie konnte das al-les so passieren, dass es so war, wie es war? Eshatte viele Unzulänglichkeiten, wenn man dieDinge im Rückblick sich anguckt. Und ich würdeauch als eine Lehre aus diesem ganzen Unter-suchungsausschuss und dem, was wir dabei allesmitbekommen haben, sagen, dass man solcheÜbergabegespräche möglichst detailliert machtoder bestimmte Dinge vielleicht auch verschrift-licht.

Allerdings: Wenn der BND selber davon spricht,dass er Selektoren hatte - so erscheint es jetzt ja

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nach dem, was wir alles hören und was HerrPofalla dann angewiesen hat -, gehört es auchdazu - - oder ist es auch erstaunlich, dass dannnicht vollständig gearbeitet wurde. Also, wennman schon sozusagen selber, nicht erst durch - -Sie haben ja dann praktisch noch mal alle Se-lektoren sehen wollen, wenn ich das richtig ver-standen habe. Und dabei ist dann ja heraus-gekommen, dass es noch viel mehr gab als das,worüber im Oktober gesprochen wurde. Und soetwas darf in Zukunft sich nicht wiederholen;das ist doch gar keine Frage.

Christian Flisek (SPD): Ja, da stimme ich zu, FrauBundeskanzlerin. Nur, die Überlegung, die wirnatürlich in unserer Arbeit hatten und wo wirauch gar nicht so lange für gebraucht haben, umdarauf zu kommen, ist natürlich eine Überlegung,die ich auch gerne im Bereich der Aufsicht gese-hen hätte, dass man mal sagt: Ich möchte jetztmal alle Selektoren sehen, und sei es auch nurüber eine Stichprobe. Ich möchte da mal ein paarMitarbeiter dransetzen, die eine Auswertung ma-chen. - So, das ist unter Pofalla nicht passiert. Siesind nicht informiert worden. Und Herr Altmaierhat hier gesessen und sehr glaubhaft versichert,dass das Thema „Selektoren“, überhaupt der Be-griff „Selektor“ für ihn erstmals im März 2015virulent geworden ist.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Na, das galt für michauch, ja.

Christian Flisek (SPD): Das galt dann im Zweifeljetzt auch für Sie, Frau Bundeskanzlerin, und dasheißt - noch mal -: Obwohl dieses Thema im Ok-tober mit voller Wucht da war, ist es - so würdeich jetzt mal das bewerten - aufgrund organisato-rischer Defizite im Kanzleramt nicht weiter fort-geführt worden durch Herrn Altmaier. Übereinen längeren Zeitraum hat man wieder einenZustand gehabt im BND, von dem man gar nichtwusste, was passiert eigentlich, um dann auchmehr oder weniger durch einen Zufall anlässlicheines Besuches in Pullach im März 2015 zu er-fahren: Oh, wir haben auch noch ein Problem mitden BND-Selektoren.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Gut. Diese Bewertungwerden Sie ja dann sicherlich auch vornehmen,und wir werden uns die zu Herzen nehmen.

Christian Flisek (SPD): Ich hätte nur noch eineFrage: Was ist denn nach Ihrer - - Im März 2015wurden Sie ja direkt dann informiert, nicht?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Na ja, von Herrn Alt-maier darüber, dass - - Da waren es aber dann erstmal die NSA-Selektoren.

Christian Flisek (SPD): Mhm. - Aber was istsozusagen - - Ich meine, immerhin - - Sie habenja gerade auf die Frage: „Wer entscheidet, was Siean Informationen bekommen?“, gesagt, das liegtim Ermessen. - Herr Altmaier hat keine Sekundeoffensichtlich im März gezögert, die Informationan Sie heranzutragen, während Herr Pofalla dieseInformationen zurückgehalten hat.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja.

Christian Flisek (SPD): Hat Herr - -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ermessensentschei-dungen können unterschiedlich gefällt werden.

Christian Flisek (SPD): Hat Herr Pofalla ermes-sensfehlerhaft gehandelt? Na ja, Sie können trotz-dem überprüft werden, zumindest juristisch.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich habe mehrfachjetzt mein Vertrauen ausgedrückt. Ich kann esgerne noch mal wiederholen.

(Hans-Christian Ströbele(BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Da kann man ma-

chen, was man will!)

Christian Flisek (SPD): Gut. - Ich würde mitIhnen eigentlich noch mal auch auf Ihr Eingangs-statement zurückkommen. Da haben Sie davongesprochen, dass Freiheit und Sicherheit auszu-balancieren sind, bei einem sehr schwierigenThema. Wir haben uns hier im Ausschuss sehrintensiv mit der wichtigen - ich betone das: wich-tigen - Kooperation von Nachrichtendiensten - -

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unterhalten. Ich persönlich habe aus dieser Ar-beit jedoch eine Sorge; ich habe das immer dasElefantenargument genannt, das da lautet: Wennwir eine Kooperation haben beispielsweise zwi-schen BND und der NSA, wie weit sind wir be-reit, mit unseren Ansprüchen an die Kooperationzu gehen, wenn sozusagen die Gefahr über unswie ein Damoklesschwert hängt, dass irgend-wann die NSA sagt: „Wir haben die Nase voll“,und am Ende vielleicht nur eine einzige Informa-tion, die einen Anschlag verhindern könnte,dann aus welchen Gründen und welcher Motiva-tion auch immer nicht weitergereicht wird?

Das ist so ein Argument; ich nenne es deswegenElefantenargument, weil das eigentlich alle Be-denken platttrampeln kann, weil keiner - wirk-lich niemand -, glaube ich, die Verantwortungübernehmen möchte, dass er eine Informationhätte bekommen können, die einen schrecklichenAnschlag in Deutschland oder anderswo hätteverhindern können.

Wie gehen wir in einem Staat, der trotzdem anseinen Ansprüchen ja festhält, die Sie auch in Ih-rem Eingangsstatement formuliert haben, mit die-sem Konflikt um? Weil, ich glaube, da kommenwir an einen Punkt, wo wir nicht mehr mit derFormel „Freiheit und Sicherheit müssen aus-balanciert werden“ weiterkommen, sondern dageht es in ganz konkreten Situationen um ganzkonkrete Entscheidungen. Was würden Sie dazusagen?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja, also, ich kanndazu jetzt kein abschließendes Statement abge-ben. Ich würde dazu Folgendes sagen: Dass wirauf diese Kooperation angewiesen sind, das istganz offensichtlich - das haben uns bis jetzt dieVerhandlungen mit den Vereinigten Staaten vonAmerika ja gezeigt -, dass diese Kooperationnicht auf einer Basis zu unseren Konditionen,sage ich mal, wie ich sie gerne hätte, ablaufenkann. Das heißt, die Dienste unterliegen unter-schiedlichen nationalen Bewertungen. Mich hatsehr zufriedengestellt, dass Präsident Obamawichtige Schritte unternommen hat, um aucheine Veränderung der Arbeit der Dienste in denVereinigten Staaten von Amerika nach Snowden

zu machen. Aber ich glaube, dass hier das Sicher-heitsbedürfnis und die Sicherheitsverantwor-tung, die wir haben, eine sehr große Rolle spie-len.

Das Zweite und das Wichtigere ist ja jetzt: Wassind wir bereit in - - Also, erst mal: Was machenwir selber? - Da sind wir ja frei. Und da würdeich eben sagen, dieses Ausspähen von Freundengeht nicht. Da haben wir ja Dinge getan, die sindvöllig irrelevant für die Frage, ob wir gut mit denVereinigten Staaten von Amerika zusammen-arbeiten können.

Und dann muss man im Einzelfall gucken, wel-che Konditionierung die Partner an uns setzen,was wir denn zu tun haben und nicht zu tun ha-ben. Und dafür haben wir jetzt ja sehr klare Ge-setze. Und wenn auf der Basis des BND-Gesetzes,neue Fassung, unter Einhaltung der Vorausset-zungen die Kooperation möglich ist, dann würdeich sie machen.

Aber dass wir jetzt sozusagen von uns aus, vonDeutschland aus alle und sofort bekehren - - Wirwissen ja, dass es oft lange Argumentationskettenbenötigt, um auch international Standards undGemeinsamkeiten festzulegen. Und das werdenwir nun nicht ganz alleine schaffen.

Christian Flisek (SPD): Und Sie glauben, dass derBND gerüstet ist, um verantwortungsvoll gerademit diesem schwierigen Argument umzugehen?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja. Inklusive derFachaufsicht, ja, und der Kontrolle der Parla-mente, des neuaufgestellten PKGr.

Christian Flisek (SPD): Vielleicht noch mal ganzkurz zurück. Was - -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Wenn ich das nichtglaubte, dürften wir ja nicht kooperieren.

Christian Flisek (SPD): Das ist durchaus eineFrage - - bzw. ob wir solche Kooperationen nichteinem anderen Verantwortlichkeitsregime auchunterstellen müssen.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Welchem denn noch?

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Christian Flisek (SPD): Na ja, gut. Das werdenFragen sein, die wir natürlich auch in unseremEmpfehlungsteil erörtern.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich halte - - Also,ich -

Christian Flisek (SPD): Ich komme - - ich sage - -

Zeugin Dr. Angela Merkel: - persönlich halte dasPKGr, um das jetzt mal zu sagen, für - - jetzt willich - -

Christian Flisek (SPD): Gut, dann frage ich damal konkret vielleicht nach mit einem Beispiel,das uns hier auch teilweise ein Stück weit geär-gert hat. In diesen Kooperationsvereinbarungengibt es eine sogenannte Third-Party-Klausel. Ha-ben Sie wahrscheinlich vielleicht schon mal wasdavon gehört. Also, das - -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Die habe ich sogar zi-tiert.

Christian Flisek (SPD): Genau. - Der Punkt ist,dass Material des jeweils anderen Dienstes soge-nannten Dritten nur dann vorgelegt werden kann,wenn der jeweilige Dienst ausdrücklich zustimmtin einem - - was das auch immer für ein Verfah-ren ist. Und das Bundeskanzleramt stellt sich jaauf den Standpunkt, dass „Dritte“ im Verhältniszum Kanzleramt eben auch in dem Fall zum Bei-spiel ein Gremium des Parlaments ist, das heißtein Untersuchungsausschuss oder ein anderesGremium.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Mhm.

Christian Flisek (SPD): Halten Sie angesichtsdessen, weil Sie gerade das Parlament einbezo-gen haben und gesagt haben, das ist ja eine ganzwichtige Rolle, die wir wahrnehmen bei der Kon-trolle solcher Kooperationen, das für sachge-recht?

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Müsste Ihreletzte Frage sein.

Christian Flisek (SPD): Weil über diese Klauselkann ja am Ende sehr, ich sage mal, auf vertrag-licher Basis bestimmt werden, was der Kontrolledes Parlaments entzogen wird und was nicht.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Das glaube ich schon.Man hat ja dann mit der sachverständigen Personoder unabhängigen sachverständigen Personauch einen Weg gefunden. Das Ganze ist vomBundesverfassungsgericht beurteilt worden undals verfassungskonform gefasst worden. Und des-halb glaube ich, dass man da sogar einen sehrintelligenten Weg gefunden hat und dass man aufdiesem Weg weiterschreiten kann, ja. Und es gibthalt auch einen bestimmten exekutiven Bereich;das hat ja das Bundesverfassungsgericht, wennich das richtig in Erinnerung habe, auch recht gutherausgearbeitet.

Christian Flisek (SPD): Gut, vielen Dank erst mal.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Wir sind jetztam Ende der vierten Fragerunde. - Ich würde jetztvorschlagen, wie ich es eben auch gesagt habe,dass wir jetzt für 15 Minuten mal eine kurzePause machen. Wir würden uns dann um16.05 Uhr hier wieder im Ausschussraum treffen.Dann können sich auch alle mal mit Getränkenversorgen; das ist auch sicherlich für die Öffent-lichkeit ein ganz wichtiger Punkt, nicht dass mirhier noch einer dehydriert.

Die Sitzung ist damit unterbrochen. Sie wird um16.05 Uhr fortgesetzt.

(Unterbrechung von15.50 bis 16.09 Uhr)

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Die unterbro-chene Sitzung des 1. Untersuchungsausschusseswird fortgesetzt. Wir beginnen mit einer neuenFragerunde. - Die Damen und Herren, die jetztnoch reinkommen, bitte ich, sich doch zügig zusetzen, damit wir das auch ruhig fortführen kön-nen. - Und Frau Kollegin Renner beginnt für dieFraktion Die Linke mit ihren Fragen.

Martina Renner (DIE LINKE): Frau Bundeskanz-lerin, die Leiterin Ihres Büros, Frau Baumann,

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hat am 17. Juli 2013 ausweislich unserer Unterla-gen - das ist MAT A BK-1-3a_19.pdf, Seite 38 -Günter Heiß und Christoph Heusgen um Aus-kunft über ein in der Presse erwähntes Abkom-men gebeten. In der Rheinischen Post war wohldie Rede davon, dass Ex-Kanzler Schröder einAbkommen durchgesetzt habe, mit dem er deut-lich gemacht habe, dass die amerikanischenGeheimdienste kein deutsches Recht brechendürften. Sie fragt dann, um was für ein Abkom-men es sich dabei handelt und ob das noch gel-ten würde. - Offenbar diente diese Korrespon-denz auch zur Vorbereitung der Sommerpresse-konferenz.

Und dann antwortet aus dem Bundesnachrich-tendienst am nächsten Tag - -

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Können wirnoch mal ganz kurz die Fundstelle - - Ich habedie E-Mail zwar eben auch gesehen, aber jetzt istsie mit wieder weggehuscht. Vielleicht könnenSie es kurz sagen.

Martina Renner (DIE LINKE): MAT ABK-1-3a_19.pdf, Seite 38. - Und dann antworteteam nächsten Tag Frau Polzin, die das für die Ab-teilung 6 übernommen hatte - vielleicht kennenSie sie ja auch -, dass im BND auch mit Blick aufdie Kürze der Zeit keine Erkenntnisse zu einementsprechenden Abkommen vorliegen würden.Es habe aber eine - -

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ganz kurz,Frau Renner. - Herr Wolff. Wahrscheinlich bezüg-lich der Fundstelle.

MR Philipp Wolff (BK): Ich finde es superhilf-reich, wenn es auch dann vorliegt, wenn derZeuge das mitplotten kann, falls wir gerade nochein Exemplar haben; sonst ist es sehr mühsammit so langen Vorhalten.

Martina Renner (DIE LINKE): Ja, dann muss dasAusschusssekretariat das mal suchen.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Wir suchen.Aber Sie haben eine Geschwindigkeit drauf, FrauRenner. Ich habe doch die Zeit angehalten.

Martina Renner (DIE LINKE): Ich habe ganz lang-sam gesprochen.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ich habe jaangehalten. - Wir suchen das Dokument gerade,wenn wir es nur digital - -

Martina Renner (DIE LINKE): Vielleicht fangenwir so schon mal so weit an: Erinnern Sie sich andieses Gespräch mit Frau Baumann oder HerrnSeibert, dass es darum ging: Was ist mit diesemAbkommen aus 99 von Herrn Schröder? Gibt esdas? Können wir das nutzen? Können wir damitargumentieren?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich weiß, dass der da-malige SPD-Kanzlerkandidat, Herr Steinbrück,öfter von solchen Abkommen gesprochen hatund mir Vorhaltungen gemacht hat, dass wir sowas nicht haben. Nach meiner Erinnerung kanndamit nur dieses MoA - oder wie das heißt - inBad Aibling gemeint sein. Das ist aber dann inder Rheinischen Post wahrscheinlich auch falschbeschrieben worden, also die Antwort, dass einsolches Abkommen nicht existiert. Das Einzige,was man irgendwann gefunden hat, ist ein Me-morandum of Agreement - oder wie das heißt -aus Bad Aibling, was zum Teil als Vertraulichund zum Teil als Sehr Vertraulich, glaube ich,eingestuft war oder was. Jedenfalls Verträge, wieHerr Steinbrück sie damals immer wieder er-wähnt hat, sind nicht aufgefunden worden.

Martina Renner (DIE LINKE): Genau. Und dieFrage für mich ist: War vielleicht diese An-nahme, dass es solche Verträge gibt, HintergrundIhrer Aussage, dass auch die Amerikaner sich aufdeutschem Boden an deutsches Recht haltenmüssen? Oder haben Sie das ganz allgemein ge-meint, unabhängig von der Frage, ob das denenmal irgendwann verdeutlicht wurde?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich habe jetzt dieFrage nicht ganz verstanden. - Ich wollte übri-gens noch zu Beginn der Sitzung sagen, dass ichmich bei meiner Namensgebung etwas verkürztgeäußert habe. Es handelte sich nur um den Ge-borenen-Namen, aber nicht den aktuellen. Also,Angela Dorothea Merkel, geborene Kasner. Da ichdas Dorothea gemeinhin nur im Zusammenhang

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mit meinem Mädchennamen verwende - - undsonst so selten vorkommt, muss ich das richtig-stellen.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ich habeinsoweit auch die Zeit der Fraktion Die Linkeangehalten für diese Klarstellung, die uns allen,glaube ich, klar war. - Frau Kollegin Rennermacht mit den Fragen weiter.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Könnten Sie IhreFrage noch mal wiederholen?

Martina Renner (DIE LINKE): Ist der Umstand,dass Frau Baumann dann eben versucht nachdiesem Artikel in der Rheinischen Post, unbe-dingt bei Herrn Heiß oder bei Frau Polzin dieseGrundlage möglicherweise zu ergattern, dass dieUS-Amerikaner zugesichert hätten, sich an Rechtund Gesetz zu halten und Ähnliches mehr, mög-licherweise Grundlage der Aussage dann imSommerinterview kurz danach, wo Sie sagen:„Auch die Amerikaner müssen sich auf deut-schem Boden an deutsches Recht halten“?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Nein. Das war meineÜberlegung immer. Es ist nur mir, nach meinerErinnerung - - damals vorgeworfen im Wahl-kampf, warum ich oder die jetzige Bundesregie-rung so schwach sind, wo doch Herr Schröderschon weitreichende Verträge abgeschlossen hat.Und bei näherer Betrachtung war dem nicht so.Und dass mich das interessiert hat, ist ja klar.Und deshalb habe ich meine Büroleiterin gebe-ten, die Erkundungen einzuholen.

Martina Renner (DIE LINKE): Wir haben ja dasThema „Rechts-, Fach- und Dienstaufsicht“ hierjetzt in vielen Runden und durch unterschiedli-che Fragestellungen immer wieder versucht zuthematisieren. Bei alledem, wenn am Ende desTages bleibt, der Bundesnachrichtendienst hateinfach das Bundeskanzleramt vor 2013 nichtvollständig informiert, hat das Bundeskanzleramtnicht auch so etwas wie eine Holschuld? Also,hätten diese nicht all die Jahre aktiv werden müs-sen, um zu erfahren zum Beispiel, was in BadAibling passiert? Ich sage das eben vor dem Hin-tergrund: Der Bundesnachrichtendienst ist janicht irgendeine Behörde. Da geht es um ein

Haushaltsvolumen von 830 Millionen Euro; dageht es um Tausende von Mitarbeitern. Das ist janichts, wo man sagt: Das sollte uns mal bessernicht interessieren. - Wie ist dieses Prinzipheute? Wird heute tatsächlich auch so agiert,dass man sagt: „Wir fragen aktiv nach und wartennicht darauf, ob uns irgendwas mal berichtetwird“?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Also, erstens: Ganzoffensichtlich hat ja nicht nur während meinerRegierungszeit, sondern überhaupt noch nie ei-ner danach gefragt gehabt. Das kann man imRückblick, wenn man jetzt die gesamte Kenntnishat, bewerten - wie Sie das für richtig halten -und sicherlich auch unterschiedlich bewerten.Sie haben eben von 2013 gesprochen. Das Kanz-leramt hatte - Oktober, durch Herrn Pofalla -, aberdann ja umfassend erst ab 2015 davon Kenntnis.Und ich richte jetzt meinen Blick in die Zukunft.Da glaube ich, dass wir auch durch das neueBND-Gesetz und auch andere Dinge Sicherheitdarüber haben, dass die Steuerung klarer ist.

Martina Renner (DIE LINKE): Aber das ist mirjetzt noch so ein bisschen allgemein. Also, gibt estatsächlich irgendwelche greifbaren Veränderun-gen in der Arbeitsweise der Abteilung 6, von de-nen Sie uns berichten können, wo wir beruhigtsein würden, dass so etwas nicht mehr passiert,dass man eben 2015 sagt: „Was? Es gibt Selek-toren, das ist ja neu!“? - Und wir wissen heute:Das ist ein zentrales Element einer globalen Über-wachungstechnik, das die NSA nicht nur inDeutschland einsetzt, sondern in vielen anderenLändern auch. Und da kann es ja nicht sein, dassman dann 2015 sagt: Ach, das hat uns niemandgesagt.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Wenn ich recht infor-miert bin, ist das neue BND-Gesetz schon so aus-gelegt, dass das, was damals passiert ist, über-haupt nicht mehr passieren kann.

Martina Renner (DIE LINKE): Das kann nichtmehr passieren?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Jedenfalls ist dieRechtsgrundlage so ausgeführt. Und jetzt wird

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auch die Abteilung 6 ihre Schlussfolgerungen da-raus ziehen, und der BND selbst wird vor allenDingen seine Schlussfolgerungen daraus ziehen.Da bin ich ganz sicher.

Martina Renner (DIE LINKE): Na ja, auf den BNDselbst zu vertrauen, das hat bisher nicht so gutfunktioniert.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja, gut, aber wenn ichkein Vertrauen in den BND hätte, dürfte ich nichtmehr jetzt Bundeskanzlerin sein.

Martina Renner (DIE LINKE): Okay. - Mein Kol-lege, Dr. Hahn, hat, glaube ich, noch Fragen.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Das schließt nichtaus, dass weiter kontrolliert wird und die Rechts-und Fachaufsicht auch intensiv ausgeübt wird;das schließt es nicht aus. Aber jetzt dem BNDmein Misstrauen auszusprechen, das halte ich fürfalsch, und dazu gibt es auch keinen Anlass.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Ja, Frau Bundes-kanzlerin, ich will noch mal auf Edward Snow-den zurückkommen, weil da vorhin ein Zungen-schlag drin war, der, glaube ich, nicht ganz rich-tig war, und ich will Ihnen da auch die Möglich-keit geben, das noch mal zu korrigieren und viel-leicht auch hier jetzt mal eine klare Ansage zumachen. Und zwar haben Sie vorhin gesagt,wenn ich das mir richtig mitgeschrieben habe:Die Voraussetzungen für Asyl liegen nicht vor. -Das war Ihre Aussage von vorhin. Ich glaube, daist insofern ein Missverständnis, da es ja in ersterLinie - so habe ich es bisher verstanden - nichtum die Frage „Asyl oder nicht Asyl“ geht - daskönnte man auch extra diskutieren -, sondern umdie Frage, ob Herrn Snowden für eine Aussagehier freies Geleit gewährt wird, das heißt sicheresGeleit, dass er hier einreisen und aussagen kann,hier nicht festgesetzt und an die USA ausgeliefertwird. Das ist ja noch etwas anderes als Asyl. Dashat man ja in anderen Fällen auch schon ge-macht.

Und da ist meine Frage an Sie: Sind Sie bereit,als Bundeskanzlerin - Sie haben die Richtlinien-kompetenz in diesem Land - gegenüber dem Jus-tizministerium klar und deutlich zu machen,

dass diese seit Monaten, ja, seit Jahren, ausste-hende Entscheidung des Justizministeriums end-lich gefällt wird, sagen wir, bis Ende dieses Mo-nats, dass klar wird, ob Herr Snowden hier ver-haftet wird und ausgeliefert wird, oder ob dasnicht der Fall ist? Da prüft man jetzt seit überzwei Jahren, und die Legislaturperiode geht zuEnde. Man hat den Eindruck, man will dashinausschieben. Deshalb meine ganz klare Fragean Sie: Sind Sie bereit, Ihre Richtlinienkompe-tenz - nicht gegenüber der Justiz oder so, sonderngegenüber dem eigenen Ministerium - zu nutzen,dass dieser Ausschuss bis Ende des Monats dazueine klare Aussage bekommt: Wird er hier freiesGeleit bekommen, oder wird er festgenommenund ausgeliefert? Diese Frage muss doch zu be-antworten sein, auch gerade angesichts der neuenAdministration in den Vereinigten Staaten.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Das unterfällt nichtmeinem Verständnis von Richtlinienkompetenz,also nein.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Wenn eine Be-hörde, wo Sie als Kanzlerin - -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ein Ministerium.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Ein Ministerium.Auch eine Behörde, aber - -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ein Verfassungs-ministerium.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Wunderbar. Wirhaben auch ganz viele Verfassungsgrundsätze,die nicht eingehalten worden sind in den letztenJahren - durch den BND beispielsweise; sagt dieDatenschutzbeauftragte. - Ich möchte einfachwissen - und das ist ja die Frage, die -

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Das müsstedann die letzte Frage sein, wir liegen bei 9 Minu-ten und 30 Sekunden.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): - auch die Öffent-lichkeit interessiert -: Sie sind die Kanzlerin,auch für die Ministerien verantwortlich, mit derpolitischen Richtlinienkompetenz, und das Jus-

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tizministerium verweigert schlichtweg die Ar-beit. Und ich möchte von Ihnen wissen, ob Siebereit sind, gegenüber dem Justizministeriumdeutlich zu machen, dass wir einen Anspruchdarauf haben als Untersuchungsausschuss, eineEntscheidung zu bekommen.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich habe dem, wasich eben gesagt habe, nichts hinzuzufügen.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Also nein.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Okay. Herz-lichen Dank. - Dann sind wir bei der Fraktion DieLinke insoweit mit der Zeit zu Ende.

Nur eine kurze Ergänzung. Ich bitte bei Vorhaltenauch zu berücksichtigen, dass sie stimmig sind.Freies Geleit, müsste Ihnen bewusst sein, zumin-dest wenn man bei Wikipedia googelt oder in ei-nem entscheidenden Rechtskommentar zu denentsprechenden Stellen, kann nur das Gericht,was auch die Strafverfolgung betreibt - - Dasmüsste ein amerikanisches Gericht sein, HerrKollege Hahn.

Wir kommen zur Fraktion der CDU/CSU. - Diehat keine Fragen. - Dann kommen wir zur Frak-tion Bündnis 90/Die Grünen. Herr Kollege vonNotz.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Vielen Dank, Herr Vorsitzender. - Ichwollte noch mal auf diese Erklärung von HerrnPofalla am 12.08. zu sprechen kommen. War dasmit Ihnen abgestimmt, dass er sich an dem Tagausführlich erklären wird, nach dieser Sitzungdes PKGr?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Nach meiner Erinne-rung nein. Das hat er eigenständig gemacht. Ichhabe das aber jetzt auch nicht zu kritisieren. Ichsage nur, das war nicht abgestimmt, sondern esfällt in die eigenständige Verantwortung - nachmeiner Erinnerung.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Und wenn im Vorfeld Herr Heusgen undMichael Flügger agieren, dann tun die das in sei-nem oder in Ihrem Namen oder Auftrag?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Was heißt „im Vor-feld agieren“? Wie? Inwieweit? Die agieren im-mer, -

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Hoffentlich.

Zeugin Dr. Angela Merkel: - den ganzen Tag.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Genau. - Also, ich mache Ihnen mal einenstillen Aktenvorhalt. So nennen wir das hier,weil das unverständlicherweise VS-Vertraulicheingestuft ist, dieses Papier hier, vom 31. Juli2013. Das ist eine Mail - ich glaube, das darf ichsagen - von Herrn Flügger an Frau Donfried. Unddas Aktenzeichen ist Tagebuchnummer 43/14,MAT A BK-1/7c, und dann ist das die Anlage 5,und dann ist es Blatt 61. Sie können es einmal le-sen. Ich glaube, ich darf es abstrahiert zusam-menfassen, was da steht.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ich würdevorschlagen, wir geben es der Kanzlerin. Ich habeauch die Zeit angehalten.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Genau. Herr Wolff kann ja einen Blickdrauf werfen. Ich würde es nicht im Wortlaut - -aber ich würde paraphrasieren, was da - -

(Der Zeugin werdenUnterlagen vorgelegt - DieZeugin und MR Philipp

Wolff (BK) nehmenEinblick)

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Jetzt allge-mein würde das nicht die Geheimhaltung aushe-beln; aber, ich glaube, mit Zustimmung des Kanz-leramtes werden wir den Sachverhalt so darstel-len können.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Mir geht es um den dritten Absatz, der mit„On“ anfängt.

(Die Zeugin liest in den ihrvorgelegten Unterlagen)

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Ich frage jetzt mal etwas nebulös, um mich hierstreng an die Dinge zu halten. Also, ich finde, ausdem Absatz geht klar hervor, dass man auf dieseErklärung hinarbeitet am 12.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Nein.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Nein?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Wenn das mit „On“der Absatz ist, dann geht es um was ganz ande-res.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Wir müsstennur gucken, dass keiner ihn jetzt vorliest. Daswäre mir wichtig.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich sage doch nur, dageht es um was anderes. Da geht es um nichtsAktuelles.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Nichts Aktuelles? Also, die ist vom 31. Juli2013, 17.52 Uhr, diese Mail, und bezieht sich aufden 12. -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Und beginnt mit„12th August“

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): - genau - August, also auf etwas, was13 Tage später passieren wird.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Gucken Sie doch malin die dritte Zeile, um welches Jahr es da geht.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, da geht es nicht um den 12. August1968. Das wäre lustig, aber - -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Da geht es doch umdiese alten Sachen, die - -

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Nein, nein, nein.

(Heiterkeit)

- Mist.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Da geht es um Annul-lierungen, das ist ja dann auch passiert.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, aber es geht darum, dass - ich sage esjetzt einfach mal abstrahiert - dieses Statementvon Herrn Pofalla vorbereitet wird, und zwar13 Tage vor - -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ach so. Darauf wol-len Sie hinaus.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Gut. - Also, einer mei-ner Punkte in der Pressekonferenz -

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja.

Zeugin Dr. Angela Merkel: - unter den achtPunkten -

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja.

Zeugin Dr. Angela Merkel: - war, wenn ich michrecht erinnere, die Annullierung der alten Ab-kommen, die nach der deutschen Einheit nichtmehr angewandt wurden. So.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Das war was Symbolisches, würde ich sa-gen.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Richtig, aber über dieist damals sehr viel gesprochen worden. Da hatman gesagt: Sind wir immer noch nicht souve-rän? Was ist da los? Und die Amerikaner - - Also,es war nicht so - - So. Und deshalb haben wir unsbemüht, die zu annullieren. Und jetzt geht es umdie Frage: Was kann der Kanzleramtsminister beiseinem Auftritt in der PKGr-Sitzung dann ver-künden? Und da schien einer dieser Punkte,nämlich der mit dem 68er-Abkommen, eine,würde man sagen, „low-hanging fruit“, -

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Genau.

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Zeugin Dr. Angela Merkel: - und die Briten hat-ten schon reagiert. Und da hat halt Heusgen alsguter Beamter versucht, diesen Fall, wo er aufsei-ten Großbritanniens schon geklärt war, auch fürdiese PKGr-Sitzung zu erklären.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Richtig. Und das war auch erfolgreich,weil das - genau - eine sehr, sehr „lowe fruit“war. Aber es ging eben auch um die Zusage, dassauf deutschem Boden deutsches Recht eingehal-ten wurde.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Aber das steht in demAbsatz nicht drin.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Nein, das steht in der Kommunikation ins-gesamt drin. Mir geht es um den Punkt, FrauBundeskanzlerin, dass vonseiten des Bundes-kanzleramtes - nicht von Ihnen, aber von HerrnPofalla - diese Erklärung vorbereitet wurde übermehrere Wochen und dass man genau auf diesenPunkt, den 12.08., zugearbeitet hat, um an demPunkt fünf Wochen vor der Bundestagswahl dasThema abzuräumen - in Klammern: was ja auchfunktioniert hat.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Entschuldigung, aberam 19. Juli sage ich etwas. Wir bitten die Britenund die - -

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Frau Bundes-kanzlerin, Entschuldigung, dass ich Sie unterbre-che; aber Herrn Wolff würde ich gerne noch hö-ren, weil ich nicht weiß, was er sagen will dies-mal.

MR Philipp Wolff (BK): Ich muss wirklich denVorhalt auch noch mal korrigieren, weil in demAbsatz steht das einfach nicht drin. Da steht drin,dass man tatsächlich am 12. August eine Erklä-rung abgeben will - so viel können wir sicherauch offenlegen -; aber da geht es natürlich mit-nichten um die anderen Punkte, sondern es gehtgenau darum, was wir üblicherweise heute auchals Konsultationsverfahren kennen, dass ich na-türlich nicht über etwas sprechen kann, wenn ichden Partner nicht vorher informiert habe bzw.seine Haltung abgefragt habe.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Gut.

MR Philipp Wolff (BK): Mehr steht da nicht drin.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Also, der Sach-verhalt - - Herr von Notz, ich verstehe Sie jetzt so,dass Sie sozusagen nahelegen wollen, dass sichdas Kanzleramt sehr bewusst auf den 12.08. vor-bereitet hat.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Richtig.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Und das ist doch das,was ein Kanzleramtsminister, bevor er ins PKGrgeht, auch tut. Nun hat die Bundeskanzlerin am19. Juli erklärt, sie möchte gerne, dass diese Ab-kommen annulliert werden. Und dann konnteman ja davon ausgehen, dass damals, so wie dieStimmung war, man auch mal nach den achtPunkten der Bundeskanzlerin fragt und da nochnicht alle acht erfüllt waren, man sich vielleichtwenigstens Mühe gegeben hat, diesen einen, derimmerhin von einem Partner, nämlich Großbri-tannien, schon positiv beschieden war, dannauch noch positiv zu bescheiden.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Korrekt.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Und nach nichts an-derem hat sich Herr Heusgen erkundigt.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Das stimmt, und das leuchtet mir auchein. - Mir ging es um den Grundgedanken. Aberweil Herr Wolff mich jetzt so korrigiert hat, mussich Ihnen noch mal einen Aktenvorhalt machen,nämlich dann die nächste Seite. Dafür brauchenwir den Ordner. - Haben Sie den Ordner noch?Nein, Herr Wolff hat den noch. Ich glaube, das istunser Ordner, Herr Wolff.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Das ist ja unfassbar.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Und ihr habtunseren.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ein einnehmendesWesen, Herr Wolff.

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Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Und wenn man jetzt auf die nächste Seite,Blatt 62, geht, dann steht da im letzten Absatz et-was von einer „written confirmation“ und vonanderen Dingen und einer „helping hand“.

(MR Philipp Wolff (BK)begibt sich zum Platz der

Zeugin und legt ihr Unter-lagen vor - Die Zeugin und

MR Philipp Wolff (BK)lesen in den Unterlagen)

Und ich kann es jetzt nicht konkreter sagen; des-wegen sage ich es so nebulös. Aber ich finde,wenn wir schon darüber sprechen, dann mussdas irgendwie auch - - Es geht eben auch darum,es schriftlich von den Amerikanern zu bekom-men, -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja, ja.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): - dass auf deutschem Boden deutschesRecht gilt. Und die Amerikaner haben das nichtzugesichert, und zwar bis zum 12.08. nicht. UndHerr Pofalla hat es trotzdem gesagt; er hat estrotzdem gesagt, dass es eine schriftliche Bestäti-gung gebe, weil das natürlich die Tür zugemachthat. Und jetzt sagen Sie ja, Sie haben mit diesemProzess nichts zu tun gehabt, Frau Bundeskanzle-rin. Das glaube ich Ihnen auch. Aber ich frage Siejetzt mal andersrum: Zu welchem Zeitpunkt wardenn klar, dass Herr Pofalla nicht mehr Bundes-kanzleramtschef bleibt?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich habe das sehr be-dauert. Und zu einem sehr, sehr späten Zeit-punkt.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Genau. Im November, Dezember, oder?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja. Zum Ende derKoali- - Als wir die Personalien besprochenhaben.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Und das hatte nichts mit der BND/NSA-Affäre zu tun?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Absolut nicht. Nichtdass ich meinen jetzigen Kanzleramtsministernicht schätze, aber ich wäre sehr glücklich gewe-sen, Herr Pofalla hätte sich entschieden, auchweiter dort zu bleiben.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Aber was sagen Sie denn dazu, dass er ver-sucht hat, auf diplomatischem Wege eine solcheschriftliche Zusicherung zu bekommen? Er hatsie nicht bekommen, und trotzdem sagt er am12.08., dass er sie bekommen hat.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Wir reden jetzt hierüber einen Briefwechsel oder einen Mailwechselvon der Europa-Verantwortlichen im NationalenSicherheitsrat des Weißen Hauses. Und ich habeIhnen vom 7. August die Vorlage - über die habenwir viel gesprochen - - Das waren Gespräche,die - - Clapper hat wohl auch im Weißen Hausgesessen, so wie Herr Fritsche im Innenministe-rium gesessen hat - - aber ansonsten auch ganzanders in der personellen Gruppe zusammenge-setzt war. Und im Übrigen wird auf der Seite 62auch genau darauf hingewiesen, dass da eine sol-che Gruppe kommen wird - „am Beginn dernächsten Woche“ steht dann da -,

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja.

Zeugin Dr. Angela Merkel: - und dann wird dasZiel der Gruppe so und so sein. Und dann sind jahier ganz verschiedene - -

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ich bin so einbisschen in Sorge, dass wir aus den eingestuftenDingen jetzt doch vortragen.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, ich nicht.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Wenn es jetzttotal relevant ist, dann müssten wir eine einge-stufte Sitzung machen, dann müssten wir diesenPunkt in nichtöffentlicher Sitzung ansprechen.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Mein außenpoliti-scher Berater bittet, dass die Gespräche, die dann

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nächste Woche stattfinden, positiv begleitet wer-den. Das gehört doch zu den Selbstverständlich-keiten. Dann zählt er die einzelnen Themen auf.Zu dem Thema 1, dieses alte Abkommen, was janun wirklich echt nicht so geheimnisvoll ist,weil ich es selbst erwähnt habe, haben wir jadann irgendwann - ich weiß nicht, ob schon am12. August im PKGr oder später - eine Annullie-rung durch die Vereinigten Staaten bekommen.

Und dann die Woche nach dem 31., am 7., warendiese von Herrn Heusgen schon avisierten Exper-ten da. Und von dieser Runde kriege ich dann dieMitteilung, die wir jetzt hier schon vielfach ge-macht haben, „eine Zusicherung abzugeben, dassauf deutschem Boden jederzeit deutsches Rechtrespektiert wurde“. Das konnte aber Herr Heus-gen am 31. - - Da hat er ja gar nichts davon ge-wusst, er hat nur gesagt: „Die kommen“, und:„Redet mit denen konstruktiv!“

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Genau. Aber das war halt falsch.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ich habe dieUhr mal angehalten. Vielleicht kann HerrWolff - -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ob es falsch war odernicht, er hat es halt gemacht, und das war in mei-nem Interesse.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Herr Wolff.

MR Philipp Wolff (BK): Ich will nur anmerken,dass es natürlich ein Dokument gibt, dass sichdann auch darauf bezieht, und zwar ist dasMAT A BK-1/2j, Blatt 18. Das ist die entspre-chende Zusicherung der US-Seite. Da kann manüber einen anderen, sprachlichen Punkt dannstreiten. Da tun wir uns wahrscheinlich auchleichter, weil das ist nicht eingestuft.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ich würdemal folgenden Vorschlag machen - auch im Sinnejetzt der Opposition -: Wenn dieses Dokumentnicht eingestuft ist, wenn wir es uns in der Ge-samtschau anschauen wollen und wenn die Frak-tionen die gravierende Wichtigkeit dieses Punk-tes erkennen, dann müssen wir es in Gänze in

nichtöffentlicher Sitzung machen, wenn das einkriegsentscheidender Punkt ist.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Also, ich glaube, die Frau Bundeskanzle-rin und ich sind uns -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Wir sind uns eigent-lich einig.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): - einig über den Inhalt, und wir haben dasjetzt so gut geklärt miteinander. Aber vielenDank, Herr Vorsitzender.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Jetzt wäre nur nochinteressant, was Herr Wolff da noch zu bietenhat.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Genau. Das sollten wir uns jetzt noch an-gucken; aber das können wir ja öffentlich tun.

(MR Philipp Wolff (BK)begibt sich zum Platz der

Zeugin und legt ihrUnterlagen vor)

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Okay.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Interessiert michjetzt.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Bis wir dieses Dokument finden, was dajetzt verhandelt wird - -

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ihr seidschon deutlich über der Zeit.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ach so. Ja, gut. Es sind ja viele Runden,die wir noch haben.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Wir haben jaauch Stenografen bis weit nach Mitternachtheute.

(Die Zeugin undMR Philipp Wolff (BK)

lesen in den Unterlagen)

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Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): So. Wo steht jetzt die schriftliche Zusiche-rung?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Wir haben ja erst dasDokument schon mal beim Wickel gehabt, wodann - -

NSA is not doing anything toharm German interests.

… NSA currently abides - and hasalways abided - by any and allagreements it has entered intowith the German government, asrepresented by the German intelli-gence services.

…Any joint operation conductedby NSA and the German intelli-gence services has been in accord-ance with German and U.S. law.

Das ist das, wo - -

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Aber halt!

Zeugin Dr. Angela Merkel: Daraus hat einer vonIhnen - ich weiß nicht mehr, wer es war, ob HerrFlisek oder Sie - geschlussfolgert: „Tja, die ge-meinsamen Operationen, ja; aber wenn sie al-leine agieren, dann nein“, oder: „Das ist damitnicht abgedeckt.“ So.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Das sind gar nicht - - weder ChristianFliseks noch meine Gedanken, sondern das hatuns Herr Altmaier hier so das letzte Mal gesagt.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Oder das. Ist jaauch - -

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Und das hat mir hochgradig eingeleuchtet,dass er gesagt hat, diese Betonung auf „joint“, daslege irgendwie nahe, dass, wenn sie alleine un-terwegs sind, sie sich eben nicht an deutschesRecht halten. Und deswegen ist es ja eben zu die-ser - -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Das legt es noch nichtnahe. Es waren aber mit diesem Dokument ja dieVerhandlungen auch noch nicht beendet.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja. - Aber eben am 12.08. nicht. Und das,was Herr Pofalla gesagt hat, nämlich dass es eineschriftliche Zusage gegeben habe, das war nach-weislich falsch. Das war nicht so. Und das wareine Irreleitung der Öffentlichkeit, von der Sieoffenbar nichts wussten, aber die eben in IhremNamen irgendwie geschehen ist. Und deswegenwundere ich mich so ein bisschen im Hinblickdarauf, wie man jetzt auf dieses Statement vonHerrn Pofalla in der Rückschau guckt. Damals hates geholfen, na klar. Aber im Nachhinein ist esdoch ein Schaden, wenn damals eben die Öffent-lichkeit nicht zutreffend informiert worden ist.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Also, ich muss ganzehrlich sagen: Jetzt müssen wir die Sachverhalteschon auseinanderhalten. Ich habe von demStatement von Herrn Pofalla im Zusammenhangmit der erstmaligen Erwähnung des Wortes „No-Spy-Abkommen“ gesprochen. Darüber haben wirlange Zeit gesprochen, ob das gerechtfertigt istoder nicht gerechtfertigt. Und dann haben Sie ge-sagt, dass Herr Pofalla eine lange Erklärung abge-geben hat, über die Sie sich sehr gewundert ha-ben und in der dies und jenes und noch wasstand, und ob ich die kannte und ob ich daranmitgewirkt usw. usf. habe. - So ist jedenfallsmeine Erinnerung aus unseren jüngsten Diskus-sionen hier.

Und jetzt sprechen wir über einen ganz anderenTeil der Erklärung von Herrn Pofalla. Und ich be-ziehe mich einzig und allein in meiner Beurtei-lung der Frage auf die Vorlage vom 07.08., in derHerr Heiß sagt - was Sie auch infrage stellen; ichbeziehe mich aber trotzdem auf das, was HerrHeiß sagt, weil es mein Bezugspunkt ist - -

eine Zusicherung abzugeben, dassauf deutschem Boden jederzeitdeutsches Recht respektiert werdeund keine gegenseitige Spionagestattfinde, möchte insoweit abereine beidseitige Erklärung erzie-len. Hier käme ein „Agreement“in Frage, in dem beide Seiten …

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entsprechende Zusicherungen ma-chen.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: So. Und ander Stelle müssten wir dann jetzt in der nächstenRunde weiterfragen.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): So machen wir es.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Wir kommenjetzt zur Fraktion der SPD. Herr Kollege Flisek.

Christian Flisek (SPD): Danke, Herr Vorsitzen-der. - Frau Bundeskanzlerin, Sie haben ja auchmehrfach heute betont, dass Sie volles Vertrauengegenüber Ihren Mitarbeitern im Kanzleramt ha-ben, die sich mit den Fragen der Geheimdienst-aufsicht befassen. Jetzt haben Sie Ihren berühm-ten Satz nicht erst im Oktober gesagt, Sie habenihn schon bei der Sommerpressekonferenz ge-sagt.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Da nicht. Am 3. und4. Juli.

Christian Flisek (SPD): Genau. Sie haben ihnmehrfach - vielleicht auch abgewandelt - dazwi-schen wiederholt. Und dann zeigen sich dieseAbläufe, die wir, ich denke mal, doch jetzt auchherausgearbeitet haben. Und vor allen Dingen, eszeigt sich, dass Sie über ganz wesentliche Dinge,die passieren in diesem Kontext und die einenBezug haben zu dieser politischen Überzeugung,nicht informiert werden, dass Sie erst im März2015 überhaupt erstmals über diese ganze Trag-weite vielleicht, was ein Selektor ist, dass Siedarüber informiert werden. Haben Sie sich aus-reichend über diesen Zeitraum hinweg informiertgefühlt? Oder würden Sie sagen: „Nein, da hättesehr deutlich ein viel besserer Informationsflussauch in meine Richtung laufen müssen“?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich habe ja erst schonin meinen Antworten zu ähnlichen Fragen ge-sagt, dass ich es bei Herrn Pofalla, was den Okto-ber 2013 anbelangt, für eine Ermessensentschei-dung halte, und insofern fühle ich mich ausrei-chend informiert. Und dennoch haben wir jaauch schon darüber gesprochen, dass für die

Zukunft sicherlich manche Dinge anders laufenmüssen. Aber da sehe ich vor allen Dingen denPunkt, dass dann die Dinge, die angeordnet wer-den, auch befolgt werden.

Christian Flisek (SPD): Also, Sie sehen doch ei-nen Handlungsbedarf dort, dass in Zukunft viel-leicht das Ermessen zumindest - - dass es so waswie Leitlinien für die Frage gibt, wie das Ermes-sen auszuüben ist.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Also, ich sehe keineNotwendigkeit, Leitlinien über die Frage zu ma-chen, wann ein Verantwortlicher für die Rechts-und Fachaufsicht des BND der BundeskanzlerinBericht zu erstatten hat. Und ansonsten hat manja schon vielfache Änderungen unternommen,und vielleicht werden Sie uns noch welche nahe-legen, die wir dann - wie ich es erst schon sagte -wohlwollend natürlich betrachten werden.

Christian Flisek (SPD): Es gibt einen ziemlichgroßen Dissens zwischen dem ehemaligen Präsi-denten des BND, Herr Schindler, und dem dama-ligen Chef des Kanzleramtes, Herr Pofalla, undauch dem immer noch aktuellen Abteilungslei-ter 6 im Kanzleramt über den Umfang, wie imOktober 2013 informiert worden ist. Herr Schind-ler hat hier gesagt, es wurde von ihm ein umfas-sender Überblick über die Problematik gegeben,auch über die Dimensionen. Das wird von beidenMitarbeitern, von Herrn Pofalla und Herrn Heiß,bestritten. Wir haben Akten des BND, Sprechzet-tel für dieses Treffen, die eher die Auffassungvon Herrn Schindler stützen, weil dort sehr de-tailliert, wenn auch prägnant und kurz, aber sehrdetailliert die Reichweite dargestellt wird. Dasspricht dafür, dass die Auffassung von HerrnSchindler zutrifft. Ist diese Thematik an Sie malherangetragen worden?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Nein. Jetzt von Ihnen.

Christian Flisek (SPD): Das hören Sie zum erstenMal jetzt?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja. - Hat Herr Schind-ler dann auch was dazu gesagt, dass er dann dieSachen nicht umgesetzt hat und so viel noch2015 gelöscht werden musste? Aber das ist jetzt

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nicht meine Aufgabe. Ich bin damit nicht befasstworden.

Christian Flisek (SPD): Herr Schindler wardann - - Nachdem die Weisung da war, hat er ge-sagt: „Das haben wir gelöscht“, und dann war eserledigt. - Es ist dann aber im März 2015 nochmal eben virulent geworden.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Oktober vor allenDingen.

Christian Flisek (SPD): Na ja, es war dann derBesuch von Herrn Altmaier im März 2015 vor al-len Dingen, sage ich mal, der ausschlaggebendePunkt, -

Zeugin Dr. Angela Merkel: So gesehen ja.

Christian Flisek (SPD): - wo ich davon ausgehe,dass dann zumindest - auch wenn die Öffentlich-keit das noch nicht gleich erfahren hat und auchwir noch nicht alles gleich erfahren haben - aberim Kanzleramt die neue Problematik auch be-kannt war. Warum hat man eigentlich dann,wenn man diesen Sachstand aus Sicht des Kanz-leramtes sieht, Herrn Schindler nicht eigentlichsofort entlassen? Das hat ja immerhin gedauertbis zum 27.04.2016, also über ein Jahr.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Also, ich respektiereden Zeitpunkt, zu dem der Chef des Kanzleramtsmir den Vorschlag gemacht hat, einen neuenChef des BND zu berufen. Und über die FrageGründe oder Nichtgründe kann man - - haben wirja schon geredet hier. Und mehr habe ich dazunicht zu sagen.

Christian Flisek (SPD): Gut. Also, das bedeutet,Sie sagen an dieser Stelle, ein Problem könnte esaus dieser Verzögerung von über einem Jahr biszur Entlassung - - Das halten Sie für einen norma-len Vorgang.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja.

Christian Flisek (SPD): Okay.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Manchmal müssenDinge auch erst zu Ende abgearbeitet werden.

Aber wie gesagt: Die Gründe wurden nicht ge-nannt, und ich glaube, es war der richtige Zeit-punkt für einen Neuanfang vom BND.

Christian Flisek (SPD): Ich fasse noch mal zu-sammen: Bei der gesamten Frage - unabhängigjetzt von den Gründen - „Ablösung von HerrnSchindler“, da haben Sie nicht wirklich aktivmitgewirkt. Das heißt, das war ein Vorschlag Ih-res damaligen Chefs des Bundeskanzleramtes,Stichwort: Wir wollen eine Neuausrichtung ma-chen, und deswegen wollen wir neues Personal. -Und deswegen gab es dann die Ablösung.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Es gab den Vorschlagdes Chefs des Kanzleramtes, der Ihnen dazu ja of-fensichtlich auch Rede und Antwort gestandenhat, einen neuen Präsidenten zu benennen. Undvon meiner Seite hat mir eingeleuchtet, dass eineneue Persönlichkeit nach dieser Zeit gut seinkann.

Christian Flisek (SPD): Frau Bundeskanzlerin,Sie haben in der Sommerpressekonferenz nichtnur damals Ausspähen unter Freunden gingenicht, gesagt. Sie haben auch, ich darf jetzt malzitieren, gesagt:

… die Bürgerinnen und Bürgersind zweifelsohne zurzeit verunsi-chert, und sie müssen sich daraufverlassen können, dass die klarestaatliche Kontrolle, die es in un-serem Land über die Aktivitätender Geheimdienste gibt, auch tat-sächlich wirkungsvoll greift, undzwar genau so, wie Recht und Ge-setz unseres Landes das vorsehen…

Zeugin Dr. Angela Merkel: Richtig.

Christian Flisek (SPD): Was haben Sie seitdemkonkret getan, um die Defizite, die wir hier fest-gestellt haben, im Rahmen der Kontrolle, derstaatlichen Kontrolle, wozu auch die Fachauf-sicht und die Rechtsaufsicht gehören, zu verbes-sern, damit genau dieses Vertrauen der Bürgerin-nen und Bürger gerechtfertigt ist?

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Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich habe den Kanzler-amtsminister, wer auch immer es war, unterstütztdarin, möglichst weitgehende Aufklärung hervor-zurufen. Ich habe über all die Stufen berichtet.Wir haben dann, wie gesagt, auch die Rechts-grundlage erneuert. Das ist inzwischen parlamen-tarisch bereits - - oder steht schon im Gesetzblatt,wenn ich recht informiert bin. Und - -

Christian Flisek (SPD): Darf ich kurz einhaken,Frau Bundeskanzlerin, gestatten Sie?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja.

Christian Flisek (SPD): Die Initiative zu dieserBND-Reform, zumindest nach meinem Verständ-nis, ging aus von der Arbeit dieses Ausschusses.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Okay.

Christian Flisek (SPD): Also, insofern würdeich - - Ich möchte mich nicht darüber streiten,wer sich sozusagen hier was ans Revers heftendarf; aber ohne die Arbeit des Ausschusses wärees vermutlich nicht zu dieser BND-Reform ge-kommen.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich habe doch schonmehrfach gesagt, dass ohne die Arbeit des Aus-schusses vielleicht auch nicht jeder Selektor ein-zeln betrachtet worden wäre. Und insofern kön-nen wir aber feststellen, dass das Bundeskanzler-amt und die gesamte Bundesregierung die Arbeitdieses Ausschusses dahin gehend so ernst ge-nommen haben, dass wir noch vor Abschluss derArbeiten bereits Schlussfolgerungen gezogen ha-ben. Wir haben über die Neubesetzung des BNDgesprochen. Und das sind ja Erneuerungen. Undüber die Veränderungen, die innerhalb auch derAbläufe des BND stattfinden, werden Sie sicher-lich auch andere Zeugen befragt haben; damithabe ich mich nicht im Detail befasst. Ich glaube,jedenfalls sagen zu können, dass wir heute einenanderen Stand haben, als wir ihn vor drei odervier Jahren hatten.

Christian Flisek (SPD): Haben Sie denn zu demZeitpunkt, als Sie das gesagt haben, geglaubt,dass es Defizite in der Aufsicht über die Geheim-dienste gibt?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Nein.

Christian Flisek (SPD): Also, Sie waren der Über-zeugung zu diesem Zeitpunkt, dass alles gutfunktioniert, also dass die staatliche Kontrolle, sowie Sie es gesagt haben, auch tatsächlich wir-kungsvoll in jeder Hinsicht greift.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja. Wir hatten dieSnowden-Erkenntnisse, wie gesagt - oder nichtErkenntnisse, sondern die Presseberichte da-rüber -, wir wussten, dass wir denen nachgehenmussten; aber es gab für mich keinen Ansatz-punkt, davon auszugehen, dass hier Kontrollenicht ausreichend funktioniert; sonst hätte ich jaaktiv werden müssen.

Christian Flisek (SPD): Wir haben uns ja in unse-rer Arbeit hier auch sehr intensiv zum Teil malmit der G 10-Kommission befasst, die ja bei derstrategischen Fernmeldeaufklärung, soweit siedann eben im G-10-Gesetz geregelt ist, auch zu-ständig ist, entsprechende Anordnungen zu tref-fen. Ich habe damals ein Stück weit den Eindruckgehabt, dass in Reihen der G 10-Kommission dersehr dramatische technologisch bedingte Wech-sel von der klassischen früheren leitungsvermit-telten Kommunikation, so wie wir das noch ausTelefoniezeiten kannten, hin zur internetbasier-ten, paketvermittelten Kommunikation nichtwirklich nachvollzogen wurde.

Was sagen Sie jemandem, der jetzt mal unterstel-len würde, dass das vielleicht nicht nur in derG 10-Kommission der Fall ist, dass wir sozusagenin den 2010er-Jahren eine technische Entwick-lung hatten, die auch im Bundeskanzleramt nichtnachvollzogen wurde, insofern als dass man viel-leicht sich nicht wirklich mal auseinandergesetzthat mit dem, was SIGINT in Zeiten von Internet-kommunikation bedeutet? Würden Sie sagen:„Das ist ein unzutreffender Vorwurf“?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich würde ganz allge-mein sagen, dass wir alle miteinander in der poli-tischen Rechtsetzung im Augenblick alle Händevoll zu tun haben - um es mal positiv zu bewer-ten -, die jeweiligen technischen Entwicklungensofort immer nachzuvollziehen. Das habe ich hierim Übrigen auch in meinem Statement gesagt. In

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diesem Sinne habe ich das dann ja auch, wassozusagen dann auch satirischen - oder wie mandas nennt -, ironischen Betrachtungen anheimge-stellt wurde, im Internet von „Neuland“ gespro-chen, gerade auch angesichts immer neuer tech-nischer Entwicklungen, mit denen unser Rechts-rahmen nicht immer und schon gar nicht immersofort so Schritt halten kann, wie wir es wün-schen, sodass wir also tatsächlich Neuland betre-ten.

Und hier gibt es auf vielen Ebenen Handlungs-bedarf. Und ich glaube, da sind wir inzwischenauch den Möglichkeiten und den technischenMöglichkeiten näher. Das könnte ich aber auchauf andere Teile, von E-Government bis zu ande-ren Fragen, durchaus fortführen; also das ist jetztnicht nur eine reine Spezialität nur der nachrich-tendienstlichen Arbeit. Deshalb geht es bei denHaushaltsmitteln, die bewilligt werden, auchnicht nur um Personalverstärkung, sondern esgeht auch um die Frage von technischer Ausstat-tung. Und deshalb geht es auch bei der Frage un-serer gesetzlichen Tätigkeit darum, dass unsereSicherheitsbehörden insgesamt in der Lage sind,mit den technischen Möglichkeiten zum Beispielauch von Terroristen überhaupt mitzuhalten. Eintäglicher politischer Streit.

Christian Flisek (SPD): Das ist richtig. Und dasbetrifft zuvorderst die Sicherheitsbehörden.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Auch die Polizei, ja.

Christian Flisek (SPD): Hat sich denn ein wenigauch, ich sage mal, die Personalsituation in derAbteilung 6 geändert? Hat man in der Abtei-lung 6 Menschen jetzt beschäftigt, die vielleichtnicht nur Juristen sind, sondern die Technikersind, Informationstechnologie verstehen, die sichein Bild machen können von SIGINT, damit sieeben auch auf technischer Augenhöhe mit denDiensten kommunizieren können und, ich sagemal, ein Stück weit nicht immer nur das glaubenmüssen, was eventuell dort vorgelegt wird?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich gehe davon aus.Ich habe jetzt die Berufsbilder der Mitarbeiter derAbteilung 6 mir im Vorfeld nicht angeschaut,

habe sie auch nicht abgefragt auf ihre techni-schen Fähigkeiten. Ich sage noch mal: Wir kön-nen nicht die Abteilung 6 zu einem zweiten BNDmachen, sondern wir müssen dann schon auchauf die Mechanismen innerhalb des BND ver-trauen.

Christian Flisek (SPD): Die Abteilung 6 - ich un-terstelle das mal - steht ja vor einer ähnlichenProblematik wie die parlamentarische Kontrolleauch. Das ist ja auch einer der Hauptkritikpunktegegenüber der Arbeit, ich sage mal, des PKGr inder Öffentlichkeit, dass man sagt, das PKGr warin der Vergangenheit viel zu reaktiv: Wenn ir-gendwas hochploppte in der Öffentlichkeit, danngab es eine Sitzung, man hat Fragen gestellt. DieEntwicklung hin zu einer proaktiven, strukturel-len Kontrolle der Dienste ist jetzt gestärkt wordenim PKGr durch den ständigen Bevollmächtigten.Auf der anderen Seite aber auch die Frage: Wastut sich im Kanzleramt, damit die Abteilung 6auch in der Lage ist, vielleicht nicht nur reaktivim Sinne von Herrn Heiß - wir machen nur dannwas, wenn es angefragt wird und wenn wir einenAnlass dazu haben - - sondern dass man stärkerproaktiv, strukturell diese Dienste auch kontrol-lieren kann? Weil das wäre effizient im Sinne Ih-res Zitats anlässlich der Sommerpressekonferenz.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Erstens gehe ich da-von aus, dass ich gute Mitarbeiter und auch aufder Höhe der Zeit befindliche Mitarbeiter in derAbteilung 6 habe. Und zweitens gehe ich davonaus, dass der BND nicht eine Institution ist, diesozusagen ohne Kontrolle sich von morgens bisabends vornimmt, sich nicht an Recht und Gesetzzu halten. Da sind Dinge vorgefallen, die auftechnische und institutionelle Defizite hinwei-sen, wie ich es ja schon gesagt habe, was ja auchals starke Sprache empfunden wurde. Aber daranist ja jetzt auch gearbeitet worden. Es gibt eineneue Führungspersönlichkeit für den BND. Aberich möchte auch nicht so einen Generalverdacht:Wenn man die nicht von morgens bis abends - -sozusagen hinter jeden noch einen stellt, dannmachen die nur was, was gegen Recht und Gesetzist. - Das glaube ich nicht. Und ich habe sogar ge-hört, dass die rechtliche Klarstellung der Arbeitaus dem BND auch sehr gewünscht wurde. Undda habe ich keinen Zweifel daran, dass das so ist.

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Christian Flisek (SPD): Ich teile die letzte Ein-schätzung insoweit, aber möchte nur ergänzen:Also natürlich ist man auch beim BND nichtsozusagen im systematischen Rechtsbruch unter-wegs. Das würde ich auch so einschätzen. Manist jedoch - das haben wir auch gelernt in derAusschussarbeit - sehr kreativ in der Auslegungund Anwendung des deutschen Rechts. Also, dieStichworte „Weltalltheorie“ oder „Weltraumtheo-rie“ oder auch „Theorie des virtuellen Auslands“für den damaligen Zugriffspunkt in Frankfurt, diesind ja vielleicht auch aus der Presse bekannt.Also, wir haben schon auch gelernt, dass in Sa-chen Auslegung der bestehenden Rechtslage imBND eine hohe Kreativität an den Tag gelegtwird, die im Übrigen auch vom Kanzleramt mitRückendeckung dann geteilt wurde und wo manschon schauen muss, dass das nicht allzu oft al-leine läuft ohne stärkere Beobachtung.

Die Kollegin Mittag macht an dieser Stelle malweiter.

Susanne Mittag (SPD): Ich habe eigentlich nurnoch eine ergänzende Frage. - Sie haben sich janun auf Informationen verlassen, die zugetragenwurden, nicht?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Das ist mein Schick-sal.

Susanne Mittag (SPD): Das ist Ihr Schicksal. Unddann können Sie nur hoffen und beten, dass Sieauch alle Informationen kriegen. Ist es denn malzwischendurch aufgefallen, dass ja eine riesigeInformationslücke eigentlich da gewesen ist vonüber einem Jahr - also, der Untersuchungsaus-schuss läuft, es gibt viele Presseberichterstat-tungen - und dass Ihnen offensichtlich ja relativwenig Informationen in diesem Rahmen zugetra-gen werden? Ich weiß, Sie haben ganz viel zutun; das mag auch sein. Aber das ist ja ein relativaußergewöhnlicher, sagen wir mal, Vorfall, dersich über die ganze Zeit - wir haben unseren Un-tersuchungsausschuss ja jetzt schon drei Jahre - -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Welchen Zeitraummeinen Sie jetzt genau?

Susanne Mittag (SPD): Im Prinzip rückwirkendvom Frühjahr 15. Und die Hauptinformationenwaren ja 13 bis Ende 13. So dazwischen. Das warja offensichtlich relativ wenig Information überdas, sagen wir mal, was hier im Ausschuss anErkenntnisgewinn dazugekommen ist. Sind Siedenn in irgendeiner Weise zwischendurch überdiese neueren Erkenntnisse, sagen wir mal, infor-miert worden? Denn da hätte man doch schon er-kennen können, dass es vielleicht doch nicht soläuft, wie informell Ihnen angetragen worden ist.Also, der Erkenntnisgewinn hat ja enorm zuge-nommen in den letzten drei Jahren; das mussman ja schon sagen.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Also, der Ausschusswurde eingesetzt im Frühjahr - März, oder was -2014. Bis dahin hatte ich ja dann verschiedensteInformationen, insbesondere dann, nachdem wirja sozusagen die Sache mit dem Abkommen - -7. August - - Dann wurde weiter verhandelt.Dann kam im Oktober die Sache mit dem Handy.Dann hatten wir das. Dann kamen der 14. Januarund der 15. Januar, wo ich wieder über denStand der Verhandlungen informiert wurde.Dann kam die Regierungserklärung. Dann kamder Besuch bei Obama, wo wir die Sache mitdem No-Spy-Abkommen als im Augenblick nichterfolgversprechend eingestuft hatten, am30. April. Dann vergingen nur wenige Monate.Dann war der 3. Juli, an dem mich der Chef desKanzleramtes - - Also ein Vierteljahr, nachdemSie Ihre Arbeit begonnen hatten, hat mich derChef des Kanzleramtes informiert, dass derSpion - Markus R. oder wie Sie den immer nen-nen -

Susanne Mittag (SPD): Der Spion, ja.

Zeugin Dr. Angela Merkel: - aufgedeckt wurde.Dann hatte man damit zu tun. Dann gab es eineLücke - in der Tat - vom 13. Juli 2014 bis März2015 Da wurde ich dann darüber informiert, dass

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die BND-Selektoren3 waren. Dann haben wirdazu Erklärungen abgegeben. Dann wurde HerrGraulich eingesetzt; der hat dann im Oktoberseinen Bericht gemacht. Kurz davor habe ichdann gehört, dass der BND eigene Selektorengesteuert hat. Also, ich hatte nicht den Eindruck,dass ich irgendwie langzeitmäßig mit den ganzenDingen nichts zu tun hatte. Plus der Dinge, dieman natürlich auch in der Zeitung gelesen hat.

(Dr. André Hahn (DIELINKE): Ganz viele

technische Defizite!)

Susanne Mittag (SPD): So gesehen im Nachgang -Sie haben sich ja noch mal informiert und jedeMenge Informationen noch dazubekommen -:Fühlen Sie sich auch im Nachgang ausreichendüber den Zeitraum informiert?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja. Ich habe ja gesagt:Alle wichtigen Dinge, die wir hier diskutieren,sind auch in meinem Informationsstrang vorge-kommen. Es gibt über die eine Frage, die ich alsErmessensentscheidung beziffere oder bezeich-ne - nämlich über die Frage: Pofalla, Oktober2013 -, die Anfrage: War das Ermessen richtigoder falsch? - Ich habe gesagt, dass ich das für imRahmen des Ermessens halte. Und ansonsten binich über alle wichtigen Punkte informiert wor-den.

Susanne Mittag (SPD): Danke.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ganz herzli-chen Dank. - Wir kommen zur nächsten Frage-runde. In dieser Fragerunde beginnt auch wiederdie Fraktion Die Linke. Und Herr Kollege Hahnbeginnt.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Ja, vielen Dank,Herr Vorsitzender. - Ich möchte noch mal mit ei-ner Sache fortsetzen, wo ich Sie vorhin zuletztnach gefragt habe, was Herrn Snowden angeht.Sie haben gesagt, Sie sehen - wenn ich Sie richtigverstanden habe - keine Veranlassung, von Ihrer

3 Änderung der Zeugin: ändern von: „…dass dieBND-Selektoren waren.“ in „dass es die NSA-Selektoren waren.“

Richtlinienkompetenz irgendwie Gebrauch zumachen. Da möchte ich Sie fragen: Wie findenSie es denn, wie bewerten Sie es denn, wenneines Ihrer Ministerien über zwei Jahre hinwegnicht imstande ist, zu sagen, ob Herr Snowdenausgeliefert werden würde an die VereinigtenStaaten oder nicht?

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Dazu meldetsich Herr Wolff.

MR Philipp Wolff (BK): Also, wir bewegen unswirklich gänzlich außerhalb des Untersuchungs-gegenstandes, Herr Hahn. Sie können die Frage jagerne stellen; aber ich weise jedes Mal daraufhin - -

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Das machenwir dann in einer Beratungssitzung würde ichvorschlagen. - Herr Kollege Hahn.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Nein, ist ja keineBeratungssitzung. Ich habe die Kanzlerin gefragt,wie sie diesen - -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich möchte - da ichschon sehr generös war in den Antworten aufden Sachverhalt, der gar kein Untersuchungs-gegenstand ist - meinen bisher getroffenen Aus-führungen nichts hinzusetzen.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Er behindert aberunsere Arbeit erheblich.

(Zurufe von Abgeordnetender CDU/CSU-Fraktion)

Zeugin Dr. Angela Merkel: Wie bitte?

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Er behindert aberunsere Arbeit erheblich. Ich weiß, dass das unbe-quem ist, aber Sie sitzen -

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Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich bin doch ganzentspannt. Sie können mich das auch weiter fra-gen.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): - als Regierungs-chefin hier und sagen: Ich sage dazu nichts. - Unsbewegt das und die Öffentlichkeit auch.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Schauen Sie, wir wol-len doch friedlich miteinander umgehen. Obwohles nicht zum Untersuchungsgegenstand gehört,habe ich mit Herrn Ströbele heute schon ausführ-lich über Herrn Snowden gesprochen, habe ichmit Ihnen ausführlich über Herrn Snowden ge-sprochen: Wenn Sie nun aber immer wieder diegleiche Frage stellen, ob ich nicht endlich vonmeiner Richtlinienkompetenz Gebrauch machenmöchte und ob dies und jenes, dann sage ich ein-fach, dass ich mich dazu geäußert habe, dass ichdavon nicht Gebrauch machen möchte und dassdas doch eine Antwort für Sie ist. Und jetzt kön-nen Sie sagen - - Jetzt können Sie auch wirklichdarüber Ihr Unverständnis äußern. Ich wolltedoch nur sagen, dass ich dazu jetzt mehr nichtsage.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Dann haben Sieeben auf eine Frage von Herrn Flisek gesagt: „Wirkönnen die Abteilung 6 nicht zu einem zweitenBND machen“, wenn ich mir das richtig mitge-schrieben habe. Da will ich Sie mal fragen: Ist siedas nicht in gewisser Weise schon, wenn mansich die Zusammensetzung der Mitarbeiter an-sieht?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja, ich war auchschon mal Frauen- und Jugendministerin.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Ja, aber Sie warennicht beim BND. Ich meine, wenn ich das richtigsehe - - zumindest weiß ich das nicht, aber - -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Da kommt schon wie-der - - Wissen Sie, ich glaube, wir werden nur ei-nen guten Nachrichtendienst haben, wenn wirdie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort, diewahrlich keine einfache Tätigkeit ausüben, ge-nauso mit Respekt behandeln bis zum Beweis da-von, dass etwas nicht richtig gelaufen ist, wie je-den anderen Mitarbeiter im öffentlichen Dienst.

Das möchte ich tun. Und deshalb ist für mich je-mand, der die Dienst- und Fachaufsicht ausübtund in der Abteilung 6 dies tut, nicht per se ver-dächtiger als jemand, der aus der Abteilung 2vielleicht in die Abteilung 6 wechselt oder deraus dem Innenministerium kommt.

Und wir haben immer wieder den Sachverhalt,über den man sehr lange sprechen kann: Kannman besser etwas überwachen, wenn man vonder Sache schon mal Ahnung hat? Oder kannman etwas besonders gut überwachen, wenn mandavon überhaupt noch nie was von gehört hat? -Und wechselseitig kann man jedes Mal das zumVorwurf machen und sagen: „Pass mal auf, dakontrollieren die, die früher da waren, sichselbst“, oder ich sage: „Da holt ihr lauter Leuterein, die haben doch von Tuten und Blasen keineAhnung.“ Und da geht es darum, nach meinerAuffassung, auch in allen Bereichen der Verwal-tung, die ich zu verantworten hatte, dass man dierichtige Mischung findet. Wenn keiner mehr Ah-nung hat von dem, was er regeln soll, dann wirddie Regelung auch nicht besonders toll.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Also, wenn keinerAhnung hat - - Da haben Sie sicherlich Recht,dass man das auch durchaus überlegen kann indem einen oder anderen Fall. Wenn ich es richtigsehe, sind ja fast alle Mitarbeiter, die dort tätigsind, vorher beim BND gewesen. Es wechselnauch wieder welche zurück vom Kanzleramt inden BND. Und das ist unser Problem. Es geht janicht um Verdächtigung. Es sind ja genug Fehlergemacht worden beim BND, wie wir wissen. Undda ist die Frage: Ist im Kanzleramt die Bereit-schaft da, diese Fehler auch aufzudecken undentsprechend zu korrigieren? Wenn man sich un-tereinander gut kennt, wenn man befreundet ist,wenn man zusammen ausgeht - das sind alles Sa-chen, die ja inzwischen auch nicht mehr bestrit-ten werden -, da ist für mich die Frage: Kann mandann eine wirksame Kontrolle machen, wenn esFreundschaften, Verzwickungen, Verwicklungengibt zwischen Kanzleramt und BND?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Also, dass Arbeitskol-legen befreundet miteinander sind und manch-mal miteinander ausgehen, das ist nicht nur beimBND und der Abteilung 6 so.

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Dr. André Hahn (DIE LINKE): Und dann glaubenSie, es ist eine wirkungsvolle Kontrolle in diesemsensiblen Bereich nicht gefährdet?

Zeugin Dr. Angela Merkel: An anderer Stellenennt man das eine gute kollektive Atmosphäre.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Und die Kontrollewird dadurch nicht beeinträchtigt?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich glaube, dass einBeamter - - Die Beamten sind auf bestimmte Prin-zipien verpflichtet. Und ich gehe davon aus - undhabe allen Grund aus meiner gesamten politi-schen Erfahrung dazu, im Regelfall auch davonauszugehen -, dass man sich an diese Prinzipienhält.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Ist denn eigentlichdas Kabinett mal mit der Frage der BND-eigenenSteuerung oder der Selektoren befasst worden?Ich weiß nicht, ich kenne die Abläufe nicht. Des-halb frage ich Sie das. Gibt es da eine Unterrich-tung des Kabinetts? Trägt dort der Chef Bundes-kanzleramt vor oder auch der BND-Präsident,wenn ein solch sensibles Thema in der Öffent-lichkeit ist und Sie, wie Sie das ja gesagt haben,im März 2015 davon erfahren? Wie werden dieMinister, wie wird die Regierung darüber unter-richtet?

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Herr Wolffhat dazu auch eine Wortmeldung.

MR Philipp Wolff (BK): Ich weise Sie nur daraufhin, dass die Kabinettsbefassungen in concretozum Kernbereich der Exekutive gehören und des-wegen insofern auch keine Aussage getätigt wer-den kann.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Ich habe im Mo-ment gefragt, ob das Kabinett damit befasst war.Das ist doch nur - -

MR Philipp Wolff (BK): Doch. Genau das habenSie gefragt.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Na ja, wenn die Kabi-nettsentscheidungen in die Exekutive fallen - -Ich habe aber schon einen Hinweis gegeben, die

Graulich-Entscheidung zum Beispiel haben wirhaben wir im Kabinett gefällt. Über Weiteresmöchte ich nicht in der Frage reden.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Gut, dann nehmenwir nicht das Kabinett. Gab es andere Runden,die zusammen - -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja. Das wird ja immerarkaniger.

(Heiterkeit)

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Wie wird es? Hah-niger? Oder was haben Sie gesagt?

(Heiterkeit)

Zeugin Dr. Angela Merkel: Man könnte auch„haariger“ sagen. „Hahniger“ habe ich nicht ge-sagt.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Worauf ich hinauswill, ist Folgendes, Frau Bundeskanzlerin: Wenndie Information kommt durch den Chef Bundes-kanzleramt: „Der BND steuert Staats-, Regie-rungschefs, Botschaften, europäische Institutio-nen, internationale Organisationen, NGOs, allesMögliche noch darüber hinaus“, da werden dochalle Mitglieder der Regierung auf so etwas auchangesprochen, öffentlich. Ich möchte jetzt wis-sen, ob nicht naheliegend wäre, dass man dannsagt: Wir informieren jetzt mal - damit mansprechfähig ist -: Wer ist denn eigentlich auf die-ser Liste, wer wird denn da abgehört? - Weil ichmir vorstellen kann: Sie fahren ins Ausland, Sietreffen andere Regierungschefs oder Staatschefs,die möglicherweise auf der Liste sind oder glau-ben, dass sie drauf sind und vielleicht auch nichtsind. Ich kann mir nicht vorstellen, dass dasüberhaupt nicht zur Sprache kommt. Das heißt,konkrete Frage: Mussten Sie nicht sich informie-ren und vielleicht auch andere Minister informie-ren, wer tatsächlich auf den Listen des BNDstand und zeitweise oder über längere Zeit über-wacht worden ist?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Nein.

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Dr. André Hahn (DIE LINKE): Es hat Sie auchüberhaupt nicht interessiert?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Nein.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Hat der Außen-minister, der ja nun noch mehr im Land rum-kommt und dann kurz danach Frankreich be-sucht hat, wenn ich das richtig im Kopf habe, wodas in den Medien stand, dass auch Frankreichund möglicherweise nicht nur der Außenminis-ter, sondern noch darüber hinaus - - Auch da gibtes nach Ihrer Kenntnis keine Absprache, bevorder dort nach Frankreich fährt: Ist denn Frank-reich auch betroffen von diesen Überwachungs-maßnahmen? Stimmt das, was in der Zeitungsteht?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Dazu kann ich nichtssagen. Ich kann nur das sagen, was ich eben zumir und zu meinem Verhalten gesagt habe; aberich gehe davon aus, dass es nicht anders ist.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Und Sie wolltennicht wissen, wen der BND ausgeforscht hat vonIhren Gesprächspartnern möglicherweise?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich wollte nur sicher-stellen, dass es aufhört.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Dann würde ichgerne noch mal zu dem Thema „geheimer Krieg,Drohnenkrieg“ kommen.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Das wäredann die letzte Frage.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Ja. Die ist aber einbisschen lang.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ja, das be-fürchte ich, weil in zwei Sekunden die Zeit näm-lich um ist. Und das ist jetzt der Fall. Dannwürde ich es in der nächsten Runde machen.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Dann mache ich esin der nächsten Runde.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Genau. - Wirkommen jetzt zur Fraktion der CDU/CSU. Dort

gibt es keine Fragen derzeit. - Dann kommen wirzur Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Herr Kol-lege Ströbele.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, tut mir leid, aber ich muss doch nochmal bei Snowden nachhaken.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Das braucht Ihnendoch nicht leidzutun.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ich will Ihnen auch sagen, warum ich dieFrage stelle noch mal. Die Frage ist doch für michund wahrscheinlich viele andere auch: Könnenwir noch hoffen, dass Herr Snowden hierherkommt, oder können wir das Kapitel schließen?Oder müssen wir letztlich die Entscheidung derGerichte abwarten? Deshalb meine klare Frage anSie: Sind Sie als Bundeskanzlerin nun dafür undbereit, Herrn Snowden nach Deutschland zu ho-len zur Aussage hier und aus den anderen Grün-den, damit er nicht in Moskau weiter im Exilbleiben muss, ja oder nein? Können Sie das be-antworten?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich finde, dass ich zudem Komplex - über den eigentlichen Gegen-stand des Untersuchungsausschusses hinaus - er-schöpfend mich geäußert habe.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Dann stelle ich die Frage, wenn Sie es fürjetzt nicht beantworten wollen: Wie war dasdenn in den Jahren 2013, 2014, 2015, als Siedann auch von den Selektoren - NSA-Selektorenund BND-Selektoren - gehört haben, wo man jaauch die Schlussfolgerung ziehen konnte:„Stimmt ja alles, was der gesagt hat“, und: „Daswüssten wir alles nicht, wir wüssten nicht, wasunsere Dienste, also was unser Bundesnachrich-tendienst treibt, was die NSA treibt hier, wenn esSnowden, diese Papiere nicht gegeben hätte“?Haben Sie in dieser Zeit jemals gedacht oder viel-leicht sich sogar dafür eingesetzt, dass Snowdenhierher kommen kann aus den beiden Gründen,die ich genannt habe?

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Zeugin Dr. Angela Merkel: Nein, ich bleibe da-bei: Es sind Angebote gemacht worden seitensdes Untersuchungsausschusses - -

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Nein. Hierher kommen.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich sage doch: Fürmich waren die Angebote, die gemacht wurdenvonseiten der Mehrheit des Untersuchungs-ausschusses, solche, von denen man hätte Nut-zen ziehen können.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Nein. Der Ausschuss hat nie vorgeschla-gen, dass er hierher kommen kann.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Das weiß ich. Ichhabe aber doch gesagt, dass die Mehrheit desAusschusses andere Vorschläge gemacht hat, -

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja.

Zeugin Dr. Angela Merkel: - die Sie verworfenhaben. Das ist ja Ihr Recht.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Nein. Snowden hat gesagt, er kann undwill das nicht.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Sie haben mir erklärt,warum Herr Snowden Ihrer Meinung nach dasnicht konnte. Diese Argumente leuchten mirnicht ein. Und deshalb bin ich sozusagen auf derLinie derer, die vorgeschlagen haben, dass mananderweitig versucht, Herrn Snowden zu befra-gen.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Also ich fasse zusammen: Sie wollen ihnda hängen lassen.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Das ist Ihre Bewer-tung, an der kann ich Sie nicht hindern. Teile ichnatürlich nicht.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Gut. - Dann komme ich noch mal zu demThema, was wir auch schon ausführlich hatten,

und will Ihnen da noch mal aus der Erklärungvon Herrn Pofalla was vorhalten mit einer an-schließenden Frage. Also, das habe ich ja vorhinschon mehrfach gefragt - - „NSA hat uns schrift-lich versichert, dass sie Gesetz und Recht inDeutschland einhält.“ Da geht es dann nachherweiter, einige weitere Passagen. Ganz am Endedieses Absatzes steht dann:

Das haben wir jetzt nicht nurmündlich, sondern auch noch ein-mal schriftlich bestätigt bekom-men.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ist das jetztwieder diese Bundespressemeldung?

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Das ist die Bundesregierung mit Adler,Montag, den 12. August 2013.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Danke.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Mitschrift der Pressekonferenz, nicht vonmir, sondern von der Bundesregierung. - ReichtIhnen das?

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Da vertraueich erst mal, dass es stimmt; aber ich hätte esauch gerne gesehen, deswegen - -

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Zweifeln Sie das an? Dass ich das gefälschthabe?

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Nein. - HerrKollege Ströbele, das Dokument möchte ich haltauch vor mir liegen haben. Deswegen frage ichnach der Materialnummer oder dem Datum.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Steht keine Seitenzahl drauf.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Nein, wirhatten es doch eben auch schon. Wir finden es.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Jetzt geht das dann hinten weiter - da

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kommt dann meine Frage -, auf der dritten Seitegeht das weiter:

Deshalb glaube ich,

- Pofalla -

dass wir hier übrigens bei der Zu-sammenarbeit der Dienste die ein-malige Chance haben, einen Stan-dard zu setzen, der mindestensunter den westlichen Dienstenstilbildend sein könnte für die zu-künftige Arbeit.

Also, für die ganzen westlichen Dienste eine ganztolle Geschichte. - Und dann sagt er zum Ab-schluss:

Deshalb fasse ich zusammen:Recht und Gesetz werden inDeutschland nach Angaben derNSA und des britischen Nachrich-tendienstes eingehalten. DieGrundrechte unserer Bürgerinnenund Bürger in Deutschland wer-den gewahrt. Selbstverständlichhandeln auch unsere Nachrichten-dienste nach Recht und Gesetz.

Frau Merkel, wenn Sie sich jetzt mal vorstellen,Sie wären normale Bürgerin, also Sie sind viel-leicht Journalistin in Stralsund und Bürgerin inStralsund und nehmen hier an diesem ganzenBetrieb nicht teil, haben sich aber darüber aberempört und vielleicht auch an die Kanzlerin da-mals getwittert oder eine SMS geschrieben, dassSie das alles ganz schlimm finden, was da jetztdurch die Enthüllungen Snowdens bekannt ge-worden ist, als Journalist - und schreiben dasdann so, wie ich es jetzt vorgelesen habe - unddann als Bürgerin - und lesen das. Müssen Sienicht dann zu dem Schluss kommen: „Dann ist jaalles paletti, wir sind ja jetzt auf dem Weg sogarbeispielhaft für die westlichen Dienste was zuleisten. Also können wir die Sache abschließen,und ich kann in Ruhe CDU wählen“? Ist dasnicht ein naheliegender Schluss dann, dass manvielleicht versucht hat - - hier zu erreichen, in-dem man falsche Tatsachen mit der Autorität desChefs des Kanzleramtes in die Welt setzt? Undich muss sagen, als ich das damals gehört habe,

habe ich auch gedacht: Na ja, muss man mal gu-cken, aber hört sich ja erst mal ganz gut an. -Können Sie das nachvollziehen? Und können Siedann nicht nachvollziehen, dass man dann denVerdacht hat - weil Herr Pofalla hat das ja nichtalles zufällig gemacht, weil er nachts so was ge-träumt hat, sondern ganz bewusst da hingesetzt -,dass das irgendwie was mit Wahlkampf zu tunhat?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich sage noch mal:Herr Pofalla kam aus einer Sitzung des PKGr, woja die Dinge auch sicherlich von ihm genau sodargestellt wurden.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Das darf ich nicht sagen.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Es gab - - Er hat,wenn ich das richtig eben von Ihnen vernommenhabe, von einer Chance gesprochen. Ich finde,das ist durch meine Vorlage, die ich erhaltenhabe, vom 7. August gedeckt. Wir sind dann jetztin der Tiefe der Dinge von dem Dokument mitJoint Operations und Einhaltung des Rechts unddem, was ich am 7. August gesehen habe, dassman auch bereit ist, deutsches Recht insgesamteinzuhalten. Also, ich halte das für vertretbar,und ich sage noch mal: Unser Vorgehen wäre ge-nauso gewesen, wenn kein Wahlkampf gewesenwäre.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ach so.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Sie insinuieren daimmer, das hat man alles wegen des Wahlkampfsgemacht. Und das bestreite ich, -

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja.

Zeugin Dr. Angela Merkel: - und zwar entschie-den.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Dass man so unwahre Geschichten in dieWelt setzt - - Und jetzt komme ich an den An-hang. Aber bitte, ich will Sie nicht - -

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Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich wollte nur sagen,dass die Bewertung auch dessen, was ich am7. August gelesen habe, von einer Chance für eineinmaliges Abkommen zu sprechen - -

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Hier stehen Tatsachen: „Hat uns schrift-lich versichert“.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Zu dem zweiten Teilhatte ich dann ja eben auch schon Stellung ge-nommen; das brauche ich nicht noch mal zu wie-derholen.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja. - Jetzt kommt die nächste Anschluss-frage daran: Seit Januar 2014, also ein knappeshalbes Jahr später - das hat uns auch Herr Alt-maier hier bestätigt -, wussten die Bundesregie-rung und das Kanzleramt, nämlich in Person vonHerrn Altmaier, dass genau das Gegenteil der Fallwar: dass die US-Administration, das WeißeHaus mitgeteilt hat, ihm auch mitgeteilt hat - dasgab es sogar schriftlich -, dass sie zu einem No-Spy-Abkommen - - überhaupt nur darüber redenwollen, wenn diese Klausel „Wir halten uns anGesetz und Recht in Deutschland“ nicht drin-steht. Also, das Gegenteil war richtig. Hätten Sieda nicht - Sie jetzt auch als Person, die da enga-giert war, und Bundesregierung und Chefin desKanzleramtes - sagen müssen: „Da haben wir lei-der vor einem halben Jahr was Falsches erzählt.Jetzt haben wir von den USA gehört, das stimmtgar nicht. Daran scheitert jetzt unser tolles No-Spy-Abkommen oder unser Abkommen, weil dieAmerikaner jetzt noch mal Tacheles geredet ha-ben. Wir haben damals leider zu Unrecht be-hauptet, dass wir es von ihnen schriftlich hätten,sonst hätten wir es ihnen ja jetzt vorhalten kön-nen“?

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Das müsstedann die letzte Frage sein.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Kommt Ihnen da nicht bei so einer Ge-schichte mal irgendwie - - dass das irgendwienicht mit rechten Dingen zugeht und beanstan-denswert ist? Was das okay

Zeugin Dr. Angela Merkel: Also, ich habe Ihnenja vorgelegt oder vorgelesen, dass am 15.Januarder Staatssekretär Fritsche mit Frau Monaco tele-foniert hat.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Nicht Fritsche. Altmaier.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Warten Sie doch malab! Entschuldigung, darf ich jetzt auch nochmal. - Gut. Dann sage ich nur meine Schlussfol-gerung aus der Sache heraus. Sie wollten dochmich fragen, ob ich nicht hätte was sagen sollen.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ich habe Ihnen aber Altmaier vorgehaltenund nicht Frische.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Herr Kollege,lassen Sie die Kanzlerin doch mal umfassendantworten.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Was hat Herr Alt-maier gesagt?

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Herr Altmaier hat hier erklärt, seit Januar2104 hätte er gewusst, dass dieses Abkommenscheitert, weil die Amerikaner genau diese Klau-sel nicht drinhaben wollen.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Dazu HerrWolff, der in der Sitzung da war.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Und ich habe im Ja-nuar - -

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Frau Bundes-kanzlerin. - Herr Wolff.

MR Philipp Wolff (BK): Der Vorhalt ist einfachfalsch, dann würde ich bitte - -

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Was?

MR Philipp Wolff (BK): Die Protokollstelle. Dashat er so nicht erklärt. Ich war in der Sitzungauch anwesend. Genau so hat er es nicht erklärt

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Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Doch.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Das kann ich mirauch schwerlich vorstellen.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Besorgen Siedoch die Fundstelle. Dann machen wir das so.Dann können wir es als Vorhalt machen aus demProtokoll.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Wir brauchen unsjetzt da doch auch mit Herrn Altmaier gar nichtaufzuhalten. Die Frage geht an mich. Und ichhabe, Herr Ströbele, am 29. Januar in meiner Re-gierungserklärung gesagt, zu Beginn der Legisla-turperiode der Großen Koalition:

Die Vorstellungen sind heute weitauseinander. Viele sagen, die Ver-suche für eine solche Vereinba-rung seien von vornherein zumScheitern verurteilt, ein unrealisti-sches Unterfangen. Mag sein. MitSicherheit wird das Problem nichtschon durch eine Reise von mirgelöst und abgeschlossen sein.

Ich führe - und das mit allemNachdruck - diese Gespräche mitder Kraft unserer Argumente,nicht mehr und nicht weniger.Aber ich glaube, wir haben davongute.

Das war meine Einschätzung zum damaligenZeitpunkt. Die Positionen liegen oder die Vorstel-lungen sind weit auseinander. Ich habe also voll-kommen klargemacht, -

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, sehr gut.

Zeugin Dr. Angela Merkel: - wie das ist, undhabe da nichts hinterm Berg gehalten.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Und nach elfMinuten, Herr Kollege, müssten wir jetzt wiederzur nächsten Fraktion kommen.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Darf ich den einen Satz noch?

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Nein, jetztbei elf Minuten nicht mehr. Da sind wir schondeutlich über den zugesagten acht Minuten. -Und wir kommen jetzt zur Fraktion der SPD. Undes stellt die Fragen Herr Kollege Flisek.

Christian Flisek (SPD): Danke, Herr Vorsitzen-der. - Frau Bundeskanzlerin, ich würde Sie gernemal fragen: Aus Ihrer jetzigen Kenntnislageheraus, wäre es verantwortungsvoll, in der jetzi-gen Situation mit befreundeten Staaten - nichtnur mit den USA - ein Abkommen dergestalt zuschließen, dass man wirklich sich verpflichtetauch vonseiten der Bundesregierung - nicht von-seiten der Bundesregierung, aber vonseiten derdeutschen Dienste -, keine aktive Spionage um-fänglich mehr durchzuführen?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja. Mit bestimmtenPartnern, ja.

Christian Flisek (SPD): Das bedeutet also - -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Wenn man Vertrauenhat und Hinweise hat, dass irgendwas nicht läuft,dann kann man es ja mit dem Partner bespre-chen, und dann kann der das ja mit seinen In-landsdiensten aufklären.

Christian Flisek (SPD): Und das bedeutet amEnde aller Tage aber auch in der Konsequenz: mitdieser Tragweite und diesem Umfang.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Was heißt „mit dieserTragweite und in diesem Umfang“?

Christian Flisek (SPD): Na ja, mit dem Umfang -lassen Sie mich mal gerade vielleicht auch, FrauBundeskanzlerin, die Frage versuchen zu Endezu formulieren -, -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Entschuldigung.

Christian Flisek (SPD): - wenn man sagt: „Ichwill diese Reichweite“, dass wirklich umfassendkeine nachrichtendienstliche Tätigkeit gegensei-tig mehr ausgeübt wird. Das würde sich ja zumBeispiel eben auch auf Botschaften dieser Länderbeziehen - in welchen Ländern auch immer.Also, konkret: Nehmen wir mal an, wir würden

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morgen mit Frankreich ein solches Abkommenverhandeln, die Franzosen wären bereit, darüberzu reden - alles jetzt mal im Konjunktiv -, würdedie deutsche Regierung wirklich sagen: „Wirwürden, zum Beispiel mit einem sehr engen Ver-bündeten wie Frankreich, darauf verzichten, inZukunft französische Botschaften in durchausproblematischen Ländern, in Afrika, zu über-wachen, die Kommunikation, mit dem Ziel, auchInformationen über diese Länder zu bekommen,weil das wäre ja die Reichweite“?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ein solches Abkom-men basiert doch dann auf dem Verständnis, dassdie andere Seite, wenn es problematische Dingegibt, die auch als problematisch einschätzt unddann auch bereit ist, die abzustellen. Also, manmüsste - natürlich jetzt wieder hypothetisch - mitFrankreich besprechen, dass, wenn wir feststel-len, dass eine terroristische Aktivität in irgend-einem Land, einer französischen Botschaft statt-findet, Frankreich selber ein Interesse daranhätte, einem solchen Hinweis nachzugehen. Dasfinde ich nicht so schwierig.

Christian Flisek (SPD): Wir haben halt hier ge-lernt, dass es eben ein hohes Interesse gibt,durchaus Botschaften befreundeter Staaten insolchen Ländern ins Visier zu nehmen. Und ichunterstelle mal, das passiert nicht ohne Grund.Und der Verzicht darauf hätte natürlich schoneine Tragweite.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja klar. - Aber wirsprechen jetzt ja auch hypothetisch über dieMöglichkeit, ob man solche Abkommen abschlie-ßen kann. Und das würde ja dann nicht bedeu-ten, dass man einfach wegguckt und nichts mehrmacht, sondern dass man mit dem anderen über-einstimmt, dass der dann was macht.

Christian Flisek (SPD): Mhm. - Haben Sie eigent-lich über das Abkommen selber irgendwann malmit Herrn Heusgen gesprochen?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Über das, was manNo-Spy-Abkommen nennt?

Christian Flisek (SPD): Ja, genau. Und das Agree-ment, wenn ich es - -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Mit Herrn Heusgennicht, nein.

Christian Flisek (SPD): Obwohl er derjenige ist,der sozusagen ja eher der Koordinator - ich nennedas jetzt mal so untechnisch; ich will da jetztnicht festgenagelt werden - - der das transatlanti-sche Verhältnis ja koordiniert.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja, der dann ebenauch mal sagt: Das und das wird gerade disku-tiert zwischen den Fachleuten. Kann man dasund das beschleunigen, oder - - Das kann schonalles sein. Aber der eigentliche Inhalt eines sol-chen Abkommens liegt nicht in der Zuständigkeitvon Herrn Heusgen.

Christian Flisek (SPD): Und wann ist Ihnen dannklar geworden: „Das wird nix“?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Zwischen - genauergesprochen - meiner Regierungserklärung am29. Januar und dem 30. April. Eher hin zum30. April, als wir dann gesagt haben vor meinerReise nach Washington, dass es jetzt nicht sinn-voll ist, das im Augenblick weiter zu verfolgen.

Christian Flisek (SPD): Woran lag das, dass dasdann eher im April auftauchte? Lag das daran,dass das Thema bei Ihnen sozusagen nichtwöchentlich auf dem Tisch lag?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich kriegte nichtwöchentlich Vorlagen. Aber dann war es klar,dass vor meiner USA-Reise auch kein Fortschrittgegenüber Januar erzielt wurde.

Christian Flisek (SPD): Also, die USA-Reise warquasi der Anlass, -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja, klar. Noch mal zufragen - -

Christian Flisek (SPD): - dieses Thema mal inForm eines Briefings aufzuarbeiten: Was stehtjetzt damit?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja.

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Christian Flisek (SPD): Und dazwischen ist auchnicht recht viel mehr dann passiert. Okay. - Ichwürde Sie ganz gerne mal fragen: Herr Staats-sekretär Fritsche hat hier gesagt, dass er sich anein Gespräch mit Ihnen erinnern kann, wo es umdie BND-Selektoren gegangen ist. Er hat gesagt, ersprach sonst immer mit dem jeweiligen Chef-BK;aber einmal hat er mit Ihnen ein Gespräch ge-führt, vermutlich so im Juni 2015, zum ThemaBND-Selektoren. Haben Sie daran Erinnerungen?

Zeugin Dr. Angela Merkel: NSA-Selektoren?

Christian Flisek (SPD): BND-Selektoren.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja, BND, aber - -

Christian Flisek (SPD): BND ja.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Von den BND-Selektoren beim BND habe ich überhaupt erst imOktober 2015 erfahren. Er kann dabei gewesensein, als es mal zum Beispiel um einen unabhän-gigen Sachverständigen ging, aber - - Das schließeich nicht aus.

Christian Flisek (SPD): Haben Sie damals - -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Aber jetzt kommenwir schon wieder an den Arkanbereich, wie wirunsere Meinungsbildung machen.

Christian Flisek (SPD): Gut. - Aber das war derKontext mit der Benennung der unabhängigenVertrauensperson, der sachverständigen Vertrau-ensperson?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Das könnte sein, ja.

Christian Flisek (SPD): Haben Sie selber sichüber den Inhalt des Graulich-Berichts informie-ren lassen?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Nicht im Detail.

Christian Flisek (SPD): Darf ich nachfragen, wasdas heißt: „nicht im Detail“? Heißt das eher, Siehaben das Thema auch in der Auswertung demChef BK überlassen, -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja.

Christian Flisek (SPD): - und es ist nicht Themagewesen?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Und dem PKGr, ja.

Christian Flisek (SPD): Gut, also Sie haben sichaktiv nicht mit diesen Ergebnissen des Graulich-Berichts beschäftigt?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Nein.

Christian Flisek (SPD): Ich habe eigentlich eineletzte Frage, weil wir unterhalten uns hier natür-lich sehr viel über das Thema „NSA und USA“.Wir haben aber natürlich den Auftrag, uns umdie Five Eyes insgesamt zu kümmern, also auchbeispielsweise eben um Großbritannien. Jetzt ha-ben Sie gerade so - - Aufgrund Ihrer Mimik: Istder Begriff „Five Eyes“ geläufig?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Natürlich ist mir derBegriff „Five Eyes“ aus den Zeitungen geläufig.Da ist ja viel drüber gesprochen worden.

Christian Flisek (SPD): Haben Sie in Ihren Kon-takten mit Großbritannien - - Ist das jemals einThema gewesen? Ist der Versuch unternommenworden, mit Großbritannien über ein solchesThema aktiv zu sprechen?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Über welches Themajetzt?

Christian Flisek (SPD): Über das Thema, das unshier beschäftigt, was untersuchungsgegenständ-lich ist.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja gut, die Fachleutehaben natürlich - - Wir haben ja gesprochen vondem Abkommen 68 angefangen zur Annullierungbis hin - - Ich habe von Prism und Tempora - -Über Tempora ist natürlich von den Fachleutenauch gesprochen worden. Insofern hat Großbri-tannien auch immer wieder in gewisser Weiseeine Rolle gespielt, aber für mich nicht im Detail.

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Christian Flisek (SPD): Das bedeutet, in den Kon-sultationen - beispielsweise mit Herrn Cameron -war das nie ein Thema?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Nein.

Christian Flisek (SPD): Gut, Frau Bundeskanz-lerin.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja. Nein.

Christian Flisek (SPD): Wollten Sie noch?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Nein, ich wollte nursagen, dass die britische Regierung hier noch här-tere Linien, glaube ich, hat, was sie überhauptnach außen sagt, als die doch beachtliche Breiteder Gespräche mit den Vereinigten Staaten vonAmerika.

Christian Flisek (SPD): Ja, vielleicht ergibt sich jamanchmal so die Gelegenheit -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja, ja, klar.

Christian Flisek (SPD): - bei fortgeschrittenerNacht in Sitzungen -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Genau.

Christian Flisek (SPD): - in Brüssel, dass manmal den Herrn Cameron zur Seite nimmt undfragt: Was macht ihr eigentlich?

Zeugin Dr. Angela Merkel: So unter dem Motto:Wer gemeinsam ausgeht, der erzählt sich auchimmer alles, ja.

(Heiterkeit)

Christian Flisek (SPD): Gut.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Nein, nein.

Christian Flisek (SPD): Erst mal vielen Dank.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Wir kennen unsereVerantwortung.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ganz herz-lichen Dank. - Dann kommen wir jetzt zur nächs-ten Runde schon wieder, und es beginnt dieFraktion Die Linke. Herr Kollege Hahn beginntschon wieder.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Frau Bundeskanz-lerin, ich hatte ja angekündigt, noch mal zum ge-heimen Krieg, zum Drohnenkrieg, zu kommen,weil der Bundesnachrichtendienst und auch dasBundesamt für Verfassungsschutz bestimmte Da-ten - Handynummern, Geodaten usw. - regelmä-ßig an die Amerikaner - insbesondere die NSA -geben und die Frage ja ist: Inwieweit können siezur Ortung von Menschen genutzt werden? Esgibt auch diverse Gutachten zu dieser Frage. Dageht es leider nicht immer nur um gesuchte Ter-roristen bei denjenigen, die unter die Opfer kom-men. Das britische Bureau of Investigative Jour-nalism dokumentiert seit vielen Jahren die Zah-len dieser Drohnenopfer in Pakistan, Jemen, So-malia, Afrika und zählt dabei insbesondere, wieviele zivile Opfer es gibt und wie viele Kinderdarunter waren.

Ich halte es für wichtig, bevor ich Ihnen dann dieFrage stelle, die Zahlen einfach auch mal zu nen-nen: In Pakistan starben durch Drohnen seit 2004mindestens 424 Zivilisten - manche Zahlen sagensogar die doppelte Opferzahl aus -, mindestensdarunter 172 Kinder. Im Jemen starben durchDrohnen seit 2002 mindestens 65 zivile Opfer -es geht bis 101, die Zahl von anderen Quellen -,darunter mindestens acht Kinder. In Somaliastarben durch Drohnen seit 2007 mindestens 242zivile Opfer - andere gehen von über 400 aus -,darunter wohl auch zwei Kinder. In Afghanistanstarben seit 2015 mindestens 142 - andere sagen200 - zivile Opfer, darunter mindestens 24 Kin-der. Die letzten tödlichen Drohnen flogen in dervergangenen Woche, am 9. und am 10. Februar.Es gab wahrscheinlich 18 zivile Todesopfer,schreibt die UN-Hilfsmission in Afghanistan,UNAMA. Fast alles waren Frauen und Kinder.

Insgesamt hat es also mindestens 900 zivile Opfergegeben, vermutlich aber sehr viel mehr. 200 da-von waren Kinder. Sie haben alle Namen, sie ha-ben Gesichter, und sie haben Familien. Deshalbmeine Frage: Wollen Sie als Bundeskanzlerin

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sich tatsächlich weiter hinter den hier von vielenVertretern der Bundesregierung vorgetragenenAussagen, den Textbausteinen der Bundesregie-rung, verstecken, es gebe keine Hinweise, vonRamstein aus würden keine Drohnen geflogen?

Wir haben vom Außenministerium auf eine Fragejetzt entsprechend neue Informationen auch be-kommen. Von uns hat nie jemand behauptet,dass Ramstein die Stelle ist, von der Drohnen ge-steuert werden oder wo geschossen wird. Aber esist eben die Relaisstation - auch nach Bestätigungdurch die Bundesregierung -, die für die Steue-rung zwingend notwendig ist. Wir wissen nichtgenau, was in Ramstein alles passiert; aber wirwissen, dass ohne Ramstein die Drohnen nichtihr Ziel erreichen können und umgekehrt die Sig-nale also zur Steuerung und zum Abschuss auchüber Ramstein laufen. Deshalb möchte ich Sieeinfach fragen: Wollen Sie weiter die Verantwor-tung dafür tragen, dass unter deutscher Beteili-gung in einem nie erklärten Krieg Unschuldigeumgebracht werden von deutschem Boden ausund über deutschem Boden aus?

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Dazu, glaubeich, macht es schon Sinn, Herrn Wolff jetzt zuhören. Sonst hätte ich auch was gesagt.

MR Philipp Wolff (BK): Das ist und bleibt ebenweiterhin nicht untersuchungsgegenständlich.Ich will auch einfach noch mal auf den Text ver-weisen, den Sie im Plenum auch als Fraktionmitgetragen haben, und da ist eben die Rede da-von, dass Drohnenangriffe von Deutschen aufdeutschem Staatsgebiet oder von diesem aus-gehend durchgeführt oder veranlasst werden. Dassehen wir einfach nicht. Ich will damit jetzt auchnicht in keinerlei Weise irgendwie infrage stel-len, was Sie zu Beginn Ihrer Ausführungen gesagthaben; nur will ich das einfach noch mal klarstel-len. Wir haben auch schon intensiv darüber dis-kutiert, zuletzt am Montag.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Ja, Herr Wolff, ichwill nur noch einmal ergänzen: Wir haben dieFragen auch - ich selbst - Herrn Steinmeier ge-stellt, anderen - die sind auch im Übrigen zuge-lassen worden -, und die Frage ist: Nachdem wirjetzt neue Informationen haben, die ja von der

Bundesregierung selbst gekommen sind auf eineAnfrage im Bundestag, dass man zugegeben hat,dass es Relaisstation ist und dass darüber dieSteuerung, über diesen Weg, auch erfolgt - ande-res haben wir auch nie behauptet -, möchte ichwissen: Was unternimmt die Bundesregierung,um das zu unterbinden, dass über deutschem Bo-den Drohnen gelenkt werden und Zivilisten ge-tötet werden? Das ist doch eine Frage, zu der dieBundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutsch-land eine Meinung haben muss.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja, und das ist dieMeinung, die von der Bundesregierung insgesamtgeäußert wird. Ich will hier ganz deutlich sagen,damit kein falscher Eindruck entsteht, dass ichgegen jedes zivile Opfer bin und um jedes zivileOpfer trauere. Zivile Opfer gibt es nicht nurdurch Drohnenangriffe. Die gibt es auch durchandere Angriffe - leider -, in sehr schwierigen Si-tuationen. Ansonsten kann ich der Einschätzungder Bundesregierung nichts hinzufügen.

Dr. André Hahn (DIE LINKE): Werden Sie dennvielleicht Herrn Altmaier als Ihren Kanzleramts-chef mal nach Ramstein schicken, um dort zuprüfen, was dort tatsächlich passiert? Offenkun-dig hat es ja niemand getan von der Bundesregie-rung.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich kann dem, wasich jetzt gesagt habe, nichts hinzufügen.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Vielleichtvon mir eine Anregung, weil Sie auch im PKGrsitzen. Sie könnten es doch mal auf die Tagesord-nung im PKGr nehmen. Da würde es doch hin-gehören.

Martina Renner (DIE LINKE): Wenn wir nochZeit haben, hätte ich noch einige Fragen.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ja, drei Minu-ten.

Martina Renner (DIE LINKE): Am 23.10. war dieVeröffentlichung im Spiegel, mit der berichtetwurde, dass offenbar Ihr Handy Gegenstand einerAusspähmaßnahme der NSA ist. Am nächsten

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Tag gab es vielfältige Treffen im Bundeskanzler-amt. Haben Sie selbst mal an so einer Runde teil-genommen, wo man ganz - ich sage mal - zeitnahauf diese Veröffentlichung reagiert hat?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Na, ich bin ja vomRegierungssprecher informiert worden, als diebeiden Spiegel-Journalisten bei ihm waren.

Martina Renner (DIE LINKE): Ja, das war ja da-vor.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja.

Martina Renner (DIE LINKE): Die müssen ja im-mer so eine Vorwarnzeit einhalten.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Was heißt „Vorwarn-zeit“?

Martina Renner (DIE LINKE): Na ja, Journalistenmüssen - - „Konfrontieren“ nennt man das. Diemüssen das Bundeskanzleramt mit einer Mel-dung, die kommen wird - -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich habe sofort nachdem 17. Oktober daraufhin gebeten, den Sachver-halt an die Fachebene des Bundeskanzleramtszur Prüfung und Sachaufklärung weiterzugeben.

Martina Renner (DIE LINKE): Ja. Jetzt habenwir - - Das ist, glaube ich, ein bisschen Missver-hältnis zwischen uns.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Und - -

Martina Renner (DIE LINKE): Darf ich mal kurzwas erklären? Es nützt mir nichts, wenn ichfrage: „Können Sie sich an den Tag nach derSpiegel-Veröffentlichung an Runden erinnern?“,wenn man dann in eine geschriebene Chronikguckt und sagt: „Ah, am 17. haben wir das undjenes veranlasst“. Weil es geht hier auch darum -und das ist Usus auch in Untersuchungsaus-schüssen -, das Erinnerungswissen zu erfragenvon unseren Zeugen und Zeuginnen.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Richtig. Aber das istja Erinnerungswissen aus dem Arkanbereich.

Martina Renner (DIE LINKE): Nein, das kannman nicht immer ziehen, die Karte, ja.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich ziehe sie ja aucherwiesenermaßen heute nicht immer.

Martina Renner (DIE LINKE): Nein, aber da mussman dann auch unterscheiden: abgeschlosseneVorgänge, nicht abgeschlossene Vorgänge. Wirkönnen da gerne eine verfassungsrechtliche Dis-kussion mal anschließen.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Also, ich kann michan keine einzelne Runde erinnern, und im Übri-gen, wenn ich mich erinnern könnte, würde iches jetzt nicht sagen. Aber ich kann mich auchnicht erinnern, wenn es Sie zufriedenstellt. Ichhabe das veranlasst, und ich habe dann später dieEinschätzung bekommen über den Generalbun-desanwalt.

Martina Renner (DIE LINKE): Aber außer, dassSie jetzt mal hier - -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Und dann habe ichnoch mit dem amerikanischen Präsidenten telefo-niert.

Martina Renner (DIE LINKE): Haben Sie denneigentlich mal - - oder hat Ihr Haus denn auchzugearbeitet, aktiv bei den Ermittlungen der Ge-neralbundesanwaltschaft, und hat gesagt: „Damüssen wir aber wirklich alles geben irgendwie,damit das zum Erfolg führt“?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Das normale Verfah-ren ist so: Wenn der Generalbundesanwalt etwastut, dann stellt er Fragen, und diese Fragen - -

Martina Renner (DIE LINKE): Ja, aber es gibtauch Geschädigte. Die haben auch ein Eigen-interesse, dass die Ermittlungen erfolgreich ver-laufen.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich verlasse mich davoll auf meine Beamten.

Martina Renner (DIE LINKE): Ich will trotzdemnoch mal zu dieser Frage - - Gibt es auch Abspra-chen außer: „Ich rede mit Herrn Pofalla, Herrn

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Altmaier, Herr Fritsche“? Nehmen Sie in gewis-sen Maßen auch an Besprechungen teil, wo eszum Beispiel um die Frage geht: „Jetzt sind dieseSnowden-Dokumente aufgetaucht. Was heißt dasfür uns?“, oder: „Jetzt meldet Der Spiegel, dasKanzlerinnenhandy wird abgehört“? Sind SieTeil von solchen Beratungen, oder ist das allesdarunter?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich bin - - Sie sehenja - - haben einen kleinen Einblick schon bekom-men, indem zum Beispiel ich am 27. Juni dieseVorlage bekommen hatte, Prism und Tempora.Darum hatte ich auch gebeten, dass ein solcherÜberblick erstellt wird. Oder Sie haben erstmeine Büroleiterin zitiert, wo ich eine Nachfragezu einer Presseveröffentlichung gestellt habe.Aber sehr, sehr viel erfolgt auf schriftlichemWege.

Martina Renner (DIE LINKE): Okay. Das warnämlich genau auch meine Frage, weil man be-kommt einen Vermerk mit einer Inhaltsangabe,aber in solchen Runden geht es ja auch um strate-gische Fragen: Wie gehen wir politisch mit derentstandenen Situation um, und wer entscheidetdann auch diese strategischen Fragen?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Gut, aber das ist nunwirklich die interne Meinungsbildung der Bun-desregierung, glaube ich.

Martina Renner (DIE LINKE): Ja, und wenn sieabgeschlossen ist - -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Das ist keine Karte,die ich ziehe, sondern das ist Meinungsbildung.

Martina Renner (DIE LINKE): Na ja, wenn sie ab-geschlossen ist, können wir natürlich dann auchirgendwann dazu fragen.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Na klar.

Martina Renner (DIE LINKE): Genau.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Zu welchen Schluss-folgerungen wir gekommen sind. Das können Siefragen.

Martina Renner (DIE LINKE): Die Bestellung vonHerr Graulich ist nun abgeschlossen. Deswegenkönnten wir zu dem Bereich fragen bis morgenfrüh.

MR Philipp Wolff (BK): Nein, könnten Sie nicht -aber das sei dahingestellt -, weil es nicht untersu-chungsgegenständlich ist.

Martina Renner (DIE LINKE): Gut. - Ich habenoch eine weitere Frage.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Das wird dieletzte sein.

Martina Renner (DIE LINKE): Sie bekommenauch die Meldungen des Bundesnachrichten-dienstes, die der Bundesnachrichtendienst selbst„Produkt“ nennt. Waren unter diesen Meldungenzu Vorgängen politischer Art, wirtschaftlicherArt und Ähnliches in anderen Ländern oder zuanderen Regierungen mal Meldungen, als Sie dieauf den Tisch bekommen haben vom Bundes-nachrichtendienst, wo Sie sich gefragt haben:„Hoppla, wie kommen die denn zu dieser Er-kenntnis“?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Das bin ich ja erstsinngemäß schon mal gefragt worden. Da habeich schon gesagt: Nein. Ich nehme von Zeit zuZeit BND-Berichte natürlich zur Kenntnis, dieuns gegeben werden zu bestimmten Sachverhal-ten, aber ich habe mich nicht gefragt, wie sie nungenau erstellt werden.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: HerzlichenDank. - Wir kommen zur nächsten Fraktion, derFraktion der CDU/CSU. Frau Kollegin Warken.

Nina Warken (CDU/CSU): Vielen Dank. - Ichmuss, Frau Bundeskanzlerin, an der einen Stelledoch noch mal nachfragen, weil da, glaube ich,vorhin bei einem Vorhalt ein falscher Eindruckentstanden ist. Es geht noch mal um das Thema„No Spy“. Es geht um eine Vorlage an Sie vom14. Januar 2014 zum Stand der No-Spy-Verhand-lungen mit den USA. Das ist MAT BK-1-7b_9,Blatt 62 ff. Das wurde vorhin schon zitiert undso, wie ich es verstanden habe, von den Kollegenals Beweis dafür genommen, dass da im Prinzip

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die Verhandlungen schon gescheitert waren undes deswegen - ich drücke es mal in meinen Wor-ten aus - unredlich war, danach noch von Ver-handlungen zu sprechen. So wie ich die Vorlageverstehe, ist darin aber lediglich die Rede davon,dass die Verhandlungen an einem kritischenPunkt seien, dass eben die USA nicht bereitseien, einen völligen Ausschluss von unilateralenSIGINT-Aktivitäten der NSA innerhalb Deutsch-lands zuzugestehen.

(Dr. Konstantin von Notz(BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Halten Sie das mal

vor!)

- Bitte?

(Zuruf des Abg.Dr. Konstantin von Notz

(BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN))

- Ich habe gerade zitiert aus der Vorlage. Daskann jeder mitlesen. Ich habe die Vorlage vorhergenannt.

Zeugin Dr. Angela Merkel: 14. Januar.

Nina Warken (CDU/CSU): Das konkrete Zitat inder Vorlage ist - -

(Dr. Konstantin von Notz(BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Sag noch mal bitte

das Aktenzeichen!)

- 62 ff. aus MAT A BK-1-7b_9, Blatt 62 ff.

(Dr. Konstantin von Notz(BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-

NEN): Anlage 5!)

- Anlage 5? Es gibt keine Anlage 5.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Nein, das ist eine an-dere Vorlage. 14. Januar.

Nina Warken (CDU/CSU): Genau, 14. Januar. Inder Vorlage steht sinngemäß, die Verhandlungen

seien an einem kritischen Punkt - und dannZitat -, die USA seien

nicht bereit, den völligen Aus-schluss von unilateralen SIGINT-Aktivitäten der NSA innerhalbvon Deutschland zuzugestehen.

Der Vorwurf war ja immer, dass es in dem Ver-merk bereits eine Einsicht in das Scheitern derVerhandlungen geben würde, dass in dem Ver-merk schon vom Scheitern der Verhandlungendie Rede ist und man daraus den Schluss schonziehen könnte und dass das deswegen auch etwaim Vorfeld Ihres Besuchs in den USA im Mai2014 der Öffentlichkeit verschwiegen worden sei.

Jetzt wäre einfach meine Frage an Sie: Ich kannden Vorwurf, dass man dort schon das Scheiternherauslesen kann, jetzt so nicht herauslesen ausder Vorlage. Ich denke, kritische Punkte sind im-mer Bestandteil von Verhandlungen. StrittigePunkte sind immer Bestandteil von Verhandlun-gen. Wie verstehen Sie das?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Na ja, ich verstehedas genauso, zumal ja dann in der Vorlage nochgesagt wird, dass ein Telefonat bevorsteht mit derstellvertretenden Sicherheitsberaterin für Terro-rismus, Lisa Monaco. Dann wurde eine weitereVorlage am 15. Januar gefertigt und mit einemErgebnisvermerk genau von diesem Telefonat.Darin heißt es unter anderem - das habe ich erstzitiert -:

Frau Monaco unterstrich, dasskurzfristig … aus US-Sicht keineEinigung auf politischer Ebenemöglich sei. Gleichzeitig betontesie, dass die Verhandlungen aufEbene der Nachrichtendienstefortgesetzt werden müssten. ImLichte der Ergebnisse dieser Ver-handlungen könne dann später ge-prüft werden, inwieweit sich da-raus ausreichende Substanz fürdie Gespräche auf politischerEbene ergebe. StF stimmte zu,dass noch vor der Rede des US-Präsidenten eine Einigung auf po-litischer Ebene nicht möglich sei.

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Die war ja dann irgendwie, diese Rede, sehr bald.

Gleichzeitig betonte StF, dass ne-ben den Verhandlungen auf Ebeneder Nachrichtendienste auch -möglicherweise in einem späterenStadium - die Verhandlungen aufpolitischer Ebene fortgesetzt wer-den müssen. Dies gelte insbeson-dere mit Blick auf den bevor-stehenden Besuch der BK‘n beiPräs. Obama.

Es war also eine ganz klare Abmachung, dass zu-mindest auf Ebene der Nachrichtendienste wei-terverhandelt wird und dann entschieden wird,ob man auf die politische Ebene geht. Beideszeigt ja, dass beide Sachen noch im Rennenwaren sozusagen. Darauf fußt dann ja meine am29. Januar gehaltene Regierungserklärung, in derich sage, die Auffassungen sind weit auseinan-der. Es ist aber nicht an dem Punkt, dass ich sage:Ich gebe das jetzt auf, zumal ich meine Argu-mente richtig finde. - So jetzt von mir sinngemäßzusammengefasst.

Nina Warken (CDU/CSU): Gut.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Zum Besuch dann:Kurz vor dem Besuch haben wir einen Status ge-macht und gesagt, dass wir feststellen müssen,dass die Fortschritte nicht so waren, dass ichjetzt das weiter aufrechterhalte.

Nina Warken (CDU/CSU): Genau. Das ist auchdas, was ich dann aus der Aussage des ZeugenAltmaier herausgelesen habe, dass dann eben vorIhrem Besuch die Öffentlichkeit noch mal infor-miert worden ist, dass es sich hier eben doch an-ders darstellt. So habe ich Sie jetzt eben verstan-den.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja, weil wir dannnoch mal im Januar, Februar, März, April Zeithatten und ich dann der Meinung war, dass manjetzt mal den Status auch klar benennen muss.

Nina Warken (CDU/CSU): Vielen Dank.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: HerzlichenDank. - Dann kommen wir jetzt zu den Fragen

der nächsten Fraktion, Bündnis 90/Die Grünen.Herr Kollege von Notz.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ich will mich noch mal mit dem Oktober2013 beschäftigen. Eben wurde ja das Bekannt-werden der Überwachung Ihres Handys ange-sprochen, und ich wollte jetzt noch mal auf einenanderen Zusammenhang kommen, warum ichglaube, dass es für Herrn Pofalla insgesamt keinguter Monat war, der Oktober. Da beziehe ichmich jetzt auf das Stenografische Protokoll der126. Sitzung. Da haben wir Herrn Schindler ver-nommen. Kann jemand das Protokoll vorlegen? -Das Protokoll kommt sofort. Da geht es mir umSeite 26.

(Der Zeugin werdenUnterlagen vorgelegt)

Genau. Da geht es um eine Liste. Ich diskutiereda mit Herrn Schindler. Sonst firmiert die unterdem Namen der 700er-Liste. Ich steige da malein: 24., 25., 26., frage ich ihn, und dann sagtZeuge Schindler:

Also bestimmt nicht am Tag da-nach, sondern wahrscheinlichzwei, drei Tage später.

Ich frage ihn:

Und die sagten: „Wir haben ein- -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Warten Sie mal,wo - - Sie sind auf der Seite 26?

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, genau.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Und wo jetzt genau?

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Linke Spalte, irgendwie sechstes Kästchenoder so.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ach, hier. Jetzt habeich es, ja.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN):

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Und die sagten: „Wir haben einProblem“, oder hatten die schoneine Liste in der Hand?

Da sagt Schindler:

Das weiß ich nicht mehr. Ich weißauf jeden Fall, dass in einer Be-sprechung eine solche Liste exis-tierte, -

Dann unterbreche ich ihn:

Ja.

Und er sagt weiter in Bezug auf diese Liste:

- die ich mir dann auch angesehenhatte. Die kam auch nicht in demSinne - um das noch mal deutlichklarzustellen -: „Wir haben einProblem, weil wir etwas Ungesetz-liches machen, weil wir etwasFehlerhaftes machen“, sondern siehaben nur auf die Problematikhingewiesen, dass doch eine be-achtliche Anzahl von EU- undNATO-Zielen gesteuert wird imBundesnachrichtendienst und dasunter dem Gesichtspunkt der poli-tischen Äußerung der Kanzlerinmöglicherweise -

Dann unterbreche ich ihn:

Ein Problem ist.

Und er sagt:

- ein Problem werden könnte.

Und ich frage:

Und -

Er sagt:

Unter diesem Gesichtspunkt.

Dann unterbreche ich ihn wieder.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Wir hätten ja einDuett singen können da.

(Heiterkeit)

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Wir können es auch mit vertauschten Rol-len lesen, wenn Sie wollen. Ich mache Schindler,und Sie übernehmen meinen Part. - Dann sagtSchindler:

Nicht unter dem Gesichtspunkt:Wir tun hier etwas …(akustischunverständlich)

Dann frage ich noch mal nach:

Das habe ich verstanden. Aber ha-ben Sie dieses politische Problemgesehen?

Daraufhin sagt der Zeuge Gerhard Schindler:

Sonst hätte ich es nicht HerrnPofalla berichtet.

Und ich sage:

So. Und wie haben Sie es genauHerrn Pofalla berichtet?

Schindler sagt:

Ja, ich bin hingefahren und habees ihm gesagt.

Ich frage:

Hingefahren ins Bundeskanzler-amt.

Er sagt:

Ja.

Ich:

Wann war das?

Er sagt:

Das weiß ich eben nicht mehr.

Und dann sagt er zwei Spalten darunter:

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... wir glauben, dass es der 28.war.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Oktober dann, oderwas?

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Genau. Also, am 28. Oktober kommtSchindler ins Bundeskanzleramt und sagt wohlunter der Anwesenheit von Heiß mit dieser Listein der Hand oder zumindest im Gepäck, dassman eine beachtliche Anzahl von EU- undNATO-Zielen gesteuert hat im Bundesnachrich-tendienst. Nach dem Kanzlerinnenhandy ist daseben eine weitere sehr missliche Botschaft fürHerrn Pofalla, weil das sein Statement aus demAugust maximal zerschießt.

Um das dann zu ergänzen, mache ich Ihnen nocheinen Vorhalt. In Bezug auf den von mir vorhinschon mal angesprochenen Artikel in derWashington Post. Das ist nämlich auch im Okto-ber. Das ist jetzt MAT A BND-1-9i. Vielleicht gibtes das irgendwie noch mal. - Ich gucke es mirelektronisch an, und Sie kriegen meine Vorlage.

(Der Zeugin werdenUnterlagen vorgelegt)

Das ist wieder von dem Residenten in Washing-ton, dem BND-Residenten in Washington. Derschreibt - das ist nicht eingestuft -: „Angeblichedeutsche Abhörmaßnahme gegen US-Ziele“. Dasteht - ich zitiere -:

... unterrichtete heute, 29.10.2013,die Presseabteilung der DeutschenBotschaft über ihr zur Verfügunggestellte Informationen, dass derBND im Rahmen des Informa-tionsaustausches den US-Nach-richtendiensten unabsichtlicheine Liste von mindestens 300„Targeted US-Telefonanschlüs-sen“ darunter einige von WhiteHouse Personal übermittelt habe.Bundeskanzlerin Merkel wäre mitdieser Information konfrontiertworden als im Sommer dieses Jah-res Enthüllungen über US-Lausch-angriffe publik worden. DieWashington Post wird mit dieser

Nachricht voraussichtlich morgenin Druck gehen.

Dazu merkt der Resident an:

Die Berichterstattung von

Das ist dann geschwärzt. Das ist die Journalistin,die diesen Artikel geschrieben hat: EllenNakashima und Karen DeYoung heißen die.

Die Berichterstattung von ... in derVergangenheit macht deutlich,dass sie über exzellente Zugängezur US-IntCom und zum WeißenHaus verfügt. Ihr wurden mit anSicherheit grenzender Wahr-scheinlichkeit tatsächlich dieoben angesprochenen Informatio-nen von Seiten der Administra-tion zur Verfügung gestellt. DieResidentur bewertete diese Maß-nahme als „US-Gegenangriff“ aufdie aus Europa, nicht zuletztDeutschland, kommenden Vor-würfe.

Das ist dieser Bericht des BND-Residenten. Dermuss ja auch im Bundeskanzleramt aufgeschla-gen sein und sicherlich Herrn Pofalla auch vieleBauchschmerzen gemacht haben, weil daraneben deutlich wird, dass die deutsche Seite zu-mindest 2008 300 US-Telefonanschlüsse - unteranderem vom Weißen Haus - getargeted hat. Undauch das widerspricht der Erklärung vom 12.08.natürlich massiv.

Deswegen frage ich mich doch, Frau Merkel,ob - - Ich meine, vielleicht ist es ja nicht offenkommuniziert worden. Aber was könnte derGrund sein, warum Herr Pofalla heute nicht mehrKanzleramtschef ist?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Also, jetzt vielleichterst mal den Sprung noch mal wegnehmen.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich bin mit dieser In-formation nicht konfrontiert worden, weil - - Je-denfalls habe ich daran keine Erinnerung, aber

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auch absolut keine. Zweitens wird hier in derBefragung, die Sie jetzt mit Herrn Schindler vor-gelesen haben, im Grunde der Hergang des Sach-verhalts, über den wir ja einig sind, dass im Ok-tober usw. - - und dass das dann auch im März2015 auch Herrn Altmaier bekannt wurde unddann auch mir. Da sagt Herr Schindler, wie dasgelaufen ist. Das steht ja in keinem Widerspruchzu dem, was sonst über diesen Sachverhalt hierheute diskutiert wurde.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Na ja, Frau Bundeskanzlerin, wir redenhier über den 28. Oktober 2013.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich weiß.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Sie sagen ja nicht, dass Sie ab dem Okto-ber 2013 -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Nein.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): - davon wussten, dass der Bundesnach-richtendienst - -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Nein. Nein. Ich sagedoch nur: Hier, in diesem Stück der Befragungmit Herrn Schindler, -

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja.

Zeugin Dr. Angela Merkel: - wird doch nur nochmal das Detail dessen herausgearbeitet, washeute schon vielfach Gegenstand der Befragungwar, nämlich: „Finden Sie es richtig, dass HerrPofalla Ihnen das nicht gesagt hat? War das Er-messensspielraum, oder war das keiner mehr?“,wo ich gesagt habe, ich halte es für Ermessens-spielraum, dass er mich davon nicht informierthat.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Aber Herr Heiß war anwesend, und dasBundeskanzleramt - - Herr Schindler sagt in die-ser Aussage - da kann man ja viel draus lesenjetzt als Betrachter des Vertrauensverhältnisseszwischen Bundeskanzleramt und BND -: „Ich

habe im Oktober 2013 das Bundeskanzleramt in-formiert, und zwar Pofalla und auch Heiß“, derheute noch Abteilungsleiter 6 ist.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja, aber woher soll esdenn Herr Pofalla sonst gewusst haben, wenn esHerr Schindler ihm nicht erzählt hat? Das istdoch jedenfalls eine Möglichkeit.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Genau. Aber wie kann es sein, dass Pofallaund Heiß es wissen seit Oktober 2013 und es er-reicht Sie nicht? Es sei denn, es ist von Ihnenganz bewusst ferngehalten worden und Pofallahat das halt auf sich genommen und ist damitdann zur Deutschen Bahn gegangen, damit Siedamit nicht beschädigt werden.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Und jetzt habe ichdoch lediglich darauf hingewiesen, dass wirdiese Frage heute schon vielfach diskutiert ha-ben - auch die Bahn und das Weggehen warenauch schon mal angeklungen -, dass ich danachgefragt worden bin, wie ich das finde, und ichgesagt habe: Im Rahmen der Ermessensentschei-dung halte ich das von einer Ermessensentschei-dung gedeckt. - So.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Dass er es für sich behält und Sie nicht in-formiert?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Dass er damals dasfür sich behalten hat, aber angewiesen hat, dassdiese Praxis abgestellt wird.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ist sie aber nicht.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja gut, das ist wiedereine andere Sache. Aber so, wie er es berichtet,sollte es ja wohl abgestellt werden. So. Und jetztist dann - - Jetzt haben Sie dann ja noch was da-zugetan, -

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja.

Zeugin Dr. Angela Merkel: - nämlich diese an-dere Sache, und da habe ich jetzt mal nur zu der

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Thematik, bei der mein Name auftaucht, gesagt,dass ich mich an eine solche Konfrontation nichterinnern kann. Mehr kann ich dazu nicht sagen.

Jetzt insinuieren Sie, Herr Pofalla musste dasKanzleramt verlassen. Musste er wohl gar nicht,weil ich es ja gar nicht wusste. Also konnte es fürmich überhaupt gar kein Motiv sein. Ich glaubeaber auch nicht, dass es für Herrn Pofalla ein Mo-tiv war, nach allem, was ich damals mit ihm be-sprochen habe. Ich glaube nicht, dass ich im Rah-men des Untersuchungsausschusses über dieFrage, warum Herr Pofalla nicht mehr Kanzler-amtsminister sein musste, Auskunft geben muss.Nach meinem Kenntnisstand darf ich Ihnen nursagen, dass es mit diesen Sachverhalten nichts,aber auch gar nichts zu tun hat.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Das nehme ich zur Kenntnis. Aber ich darfauch anmerken, dass wir uns alle mal eine Mi-nute ausmalen könnten, wie es wäre, wenn HerrPofalla heute noch Kanzleramtschef wäre.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Jetzt mussich mal ganz kurz unterbrechen. Da werden jakeine Fotos von der Tribüne gemacht, nicht, HerrKollege Decker? Das war mehr so zum Lüften desHandys gedacht. Das Lüften des Handys ist si-cherlich sinnvoll bei der doch warmen Luft hierdrin. - Herr von Notz.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, ich war eigentlich so weit fertig.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Dann kom-men wir zur nächsten Fraktion. Das ist die Frak-tion der SPD, wenn einer will. - Herr KollegeFlisek.

Christian Flisek (SPD): Ich glaube - -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Wenn er - - Nur, umnoch eine Antwort nachzuschieben an Herrn vonNotz. Meine Antwort, wenn er heute noch Kanz-leramtsminister wäre, was ja alles völlig hypothe-tisch ist, wäre weiter die, dass es von dem Ermes-sen gedeckt ist.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, nur - -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Was Sie daraus dannmachen würden, das ist Ihre Sache. Ich wolltenur meine Antwort sagen.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Also, ich bin der festen Überzeugung,wenn ich darauf dann noch einmal antwortendarf, dass er seit mehreren Monaten nicht mehrKanzleramtschef wäre, weil natürlich diese Des-information, die hier nun vielfach dokumentiertwird - diese Aussagen waren alle falsch -, dashätte zu politischen Konsequenzen führen müs-sen. Insofern - - Aber ich gebe Ihnen offen zu,Frau Bundeskanzlerin: Es ist eine hypothetischeFrage; denn es ist nicht so. Aber die Koinzidenzder sehr späten Klärung, dass Herr Pofalla nichtmehr Chef BK wird für die GroKo in der18. Wahlperiode, und die schlechten Nachrich-ten im Oktober 2013 -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Aber ich muss jetzt - -

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): - legen einen wahrscheinlichen Kausalver-lauf nahe.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Aber, Herr von Notz,jetzt muss ich wirklich zum Schutz der Personvon Herrn Pofalla sagen: Wir wissen doch über-haupt nicht - ich habe hier nicht die Befugnis,darüber zu sprechen -, wie lange Herr Pofallasich schon mit der Frage getragen hat, ob er nocheine weitere Legislaturperiode Kanzleramtschefsein möchte. Dass der erste Gedanke, nicht mehrKanzleramtschef sein zu wollen, im Oktober ge-kommen ist, das ist nun wirklich nicht der Wahr-heit entsprechend. Die Entscheidungen wurdensehr spät gefällt, weil Personalentscheidungenimmer erst spät gefällt wurden und ich ihn auchgerne überredet hätte, noch zu bleiben. Aber HerrPofalla hat völlig unabhängig von dieser EndeOktober auftauchenden Information sich sehrviel früher mit der Frage beschäftigt. Davon kön-nen Sie ausgehen.

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Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Okay. - Jetztsind wir bei der Fraktion der SPD. Herr KollegeFlisek.

Christian Flisek (SPD): Danke, Herr Vorsitzen-der. - Ja, ich denke, die Rolle von Herrn Pofallahaben wir jetzt ausführlich herausgearbeitet,auch durch die Befragung von ihm selber undauch durch eine Reihe von nach wie vor unge-klärten Komplexen. Der Punkt ist einfach: Ichverzweifle, sage ich ganz offen, auch als Parla-mentarier, wenn mir ein ehemaliger Chef desKanzleramts sagt, er hat einen Bericht angefor-dert, von dem alle, die irgendwie damit zu tunhaben könnten, sagen, den gibt es nicht, und deruns auch nicht vorliegt. Dann kommt sehrschnell ein Punkt, wo ich natürlich schon mir dieFrage stelle: Funktioniert das Ganze in der Per-son dort wirklich, und ist das in guten Händen?

Unser Eindruck - ich möchte auch noch mal an-schließen an das, was Herr von Notz gerade ge-fragt hat -: Zwischen Herrn Schindler und denbeiden im Kanzleramt - Heiß und Pofalla - gab esim Oktober 2013, wie ich finde, eine Art Schwar-zer-Peter-Spiel. Man hat sich das also hier auf-grund der Zeugenaussagen, die wir hier vorge-funden haben, hin- und hergeschoben, die Ver-antwortung: Wurde umfassend informiert?Wurde nicht umfassend informiert?

Egal, sage ich jetzt mal, was Herr Schindler selbergesagt hat - ich habe Ihnen ja bereits gesagt: Auf-grund der Aktenlage, die wir aus dem BND ha-ben, aufgrund seiner Vorbereitung, seinesSprechzettels für dieses Gespräch, spricht zumin-dest mal dafür, dass er genau das auch gesagt hat,was er dort aufgeschrieben fand -, ist für mich dieFrage, warum dann trotzdem nach wie vor nichtaktiver struktureller dort eingegriffen worden istund warum man nicht aktiv nachgefragt hat, wa-rum man eben nicht im BND mal gesagt hat: Wasläuft dort in diesem Bereich Signals Intelligence?Welche Rollen spielen die Selektoren?

Ich sage es mal so, Frau Bundeskanzlerin: WennSie sagen: Ich habe volles Vertrauen darin, dassdie Mitarbeiter, die sozusagen delegiert das inihrem eigenen Verantwortungsbereich wahrzu-nehmen haben - - dann einen solchen Umgang

mit dem Thema an den Tag legen, dann, sage ich,ist das keine effiziente Aufsicht. Denn wenn HerrSchindler wieder nach Hause fährt mit der Ein-stellung, wie er es hier gesagt hat: „Auftrag war:Löschen, zack, und das war’s, Thema erledigt“,und die ganzen Selektoren blubbern munter wei-ter, alle kritischen Selektoren blubbern munterweiter angesichts des politisch ja doch massivenVorwurfs, der im Raum stand, der Massenausspä-hung deutscher Bürger - -

Ich sage es Ihnen ganz offen: Ich kann mir darauskeinen Reim machen in Sachen, wie man diesesThema, dieses Problem, diese Krise vielleichtauch der eigenen Nachrichtendienste, wie mandie damals im Kanzleramt gemanagt hat, sichhinzusetzen und zu sagen: „Wir haben nur dieund die Information bekommen, das war’s - -Und dass Sie jetzt sagen: „Ich habe nur vollesVertrauen in die Mitarbeiter und glaube, dassalles hervorragend lief“, das trifft, offengesprochen, nicht den Kern. Ist es nicht derZeitpunkt, da auch mal offen zu reden, welcheFehler gemacht worden sind im späten Jahr 2013,wirklich mal eine Bestandsaufnahme, auch eineehrliche Bestandsaufnahme der Probleme, diestattgefunden haben?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Also, ich bin jetzt einbisschen verwundert. Wir sprechen doch - ichweiß nicht, seit wie vielen Stunden - über fastnichts anderes. Da sind doch auch Maßnahmeneingeleitet worden. Aber ich weiß nicht, ob ichdas jetzt zum x-ten Mal wiederholen soll.

Erster Punkt war: Die Veröffentlichungen vonHerrn Snowden hatten erst mal nichts mit denvom BND gesteuerten Selektoren zu tun. Dassdort etwas stattfand auf unserer Seite, das warnicht in meiner Vorstellungswelt, um das ganzklar zu sagen. Da können Sie heute sagen: Wiekonnte das nicht in Ihrer Vorstellungswelt sein? -Ich habe auch noch nie einen bis dahin gehört ge-habt, in dessen Vorstellungswelt es war, dass derBND befreundete Leute abhört. Das war nicht inmeiner Vorstellungswelt. Deshalb habe ich involler Überzeugung meinen Satz gesagt, und derrichtete sich an die Amerikaner und nicht an dieDeutschen. So.

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Dann habe ich zum ersten Mal davon gehört imHerbst des Jahres 2015, und seitdem ist ja aucheiniges geschehen. Das PKGr hat die Sache dannin die Hand genommen, hat die Taskforce gebil-det. Das brauche ich jetzt nicht alles wieder dar-zustellen.

Beschäftigt haben wir uns mit den amerikani-schen Fragen, und da sind ja auch umfassendeAufklärungsarbeiten gemacht worden. Dass manda nicht jeden Selektor, dessen Fachbezeichnungich bis dahin noch gar nicht kannte, einzeln un-tersucht hat, da können Sie heute fragen: Wiekonnte das sein, und warum ist das nicht bessergemacht worden? - Diese Fragen sind ja auch ge-stellt. Die haben Sie umfassend hier allen Zeugengestellt, und dann haben Sie auch Ihre Vermu-tung geäußert, dass bestimmte technische Ab-läufe oder Fortschritte nicht ausreichend verifi-ziert wurden.

Jetzt ist Ihre Bewertung doch, dass Sie das nichtgut finden und unzureichend finden, richtig, undjetzt müssen wir doch in die Zukunft schauenund gucken, dass es in Zukunft besser ist.

Christian Flisek (SPD): Frau Bundeskanzlerin,eine Frage hätte ich jetzt. Wir haben ja auchschon mal ganz kurz noch mal über diesen Vor-fall des Spions, der im Bundesnachrichtendienstenttarnt worden ist, Markus R., gesprochen imSommer 2014. Ich hatte damals den Eindruck,dass diese Information ganz schnell, sehr schnellan Sie herangetragen worden ist.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja. Und was heißtdas?

Christian Flisek (SPD): Weil Sie darauf ja auchsehr schnell reagiert haben dann in der Öffent-lichkeit.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja, die mit demHandy ist auch schnell an mich herangetragenworden.

Christian Flisek (SPD): Also, Sie bleiben dabei:Was in Sachen Geheimdienste an Sie herangetra-gen wird, das ist alles Ermessen, wie schnell daspassiert, was an Sie herangetragen wird?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich sage, dass sehrviele Dinge - - Also wenn Dinge an mich herange-tragen werden, dann werden sie meistens auchzeitnah an mich herangetragen. Ansonsten habeich gesagt, dass es in gewisser Weise ein Ermes-sen ist, was an mich herangetragen wird, ja. Dasliegt im Verantwortungsbereich des jeweiligenKanzleramtsministers.

Christian Flisek (SPD): Gut. Wir haben jetzt erstmal jetzt keine weiteren Fragen mehr.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ganz herz-lichen Dank. - Damit wären wir am Ende dersiebten Fragerunde. Ich würde vorschlagen,wenn wir jetzt weitermachen, dass alle malschauen, wer noch welche Fragen hat, weil ichtendenziell nach der zehnten Runde wieder einePause machen würde. Vielleicht kriegen wir es jahin - jede Runde dauert eine Stunde -, dass wirinnerhalb dieser Runden die Fragen, die wirnoch haben, vielleicht klären können. Sonstwürde ich eine Pause machen, bevor wir hier vonden Sesseln kippen. Ansonsten: Wer früher einePause braucht, kann das auch anzeigen. Das istdann auch in meinem Ermessen als Vorsitzender.Aber es wäre schön, wenn wir die Fragen so bün-deln, dass wir auch die Zeitkontingente halbwegsvernünftig hinkriegen.

Frau Kollegin Renner beginnt mit der achten Fra-gerunde. Die Fraktion Die Linke nämlich.

Martina Renner (DIE LINKE): Frau Bundeskanz-lerin, mir geht es noch mal um das Thema Konse-quenzen. Was für uns tatsächlich ein Problem istin den Abläufen Bundesnachrichtendienst/Bun-deskanzleramt: Seit Frühsommer 2013 stellen wiran verschiedenen Stellen immer wieder ein unddasselbe Prinzip fest: Irgendwann vor den Ver-öffentlichungen der Snowden-Dokumente fängtman in der TA an, kritische NSA-Selektoren aus-zusortieren. Darüber weiß dann aber die überge-ordnete Ebene nichts, auch nicht der Präsident.Dann wird man hektisch mit den Snowden-Ver-öffentlichungen, dann kommt eine E-Mail „Lö-schen“, und dann will Herr Schindler auch imOktober 2013 das erste Mal von dieser NSA-Se-lektoren-Problematik wissen, und das setzt sichdann immer so fort.

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Es entsteht ein Bild, als würde es, wenn es ir-gendwo brennt - - Ich sage mal, sowohl die NSA-Selektoren-Problematik wie die BND-Eigenerfas-sung, das waren schon Brände. Dann geht ir-gendwo eine Brandmauer hoch, und die Info ge-langt nicht erst mal zum Abteilungsleiter, nichtzum Präsidenten, nicht zur Abteilung 6, nichtzum Geheimdienstkoordinator, nicht zum Bun-deskanzleramtsminister, nicht zu Ihnen. Das lässtsich für viele weitere Schritte - ich könnte dasjetzt einzeln durchexerzieren - immer wieder zei-gen, dass erst mal die Information stockt. Unddann, wenn es überhaupt nicht mehr geht -manchmal Monate später, manchmal ein Jahrspäter -, wird die übergeordnete Ebene infor-miert, meistens dann, wenn man sagt: Jetzt kön-nen wir das sowieso nicht mehr begrenzen, denBrand, weil - zum Beispiel -: Es hat sich dieserUntersuchungsausschuss konstituiert. Jetztkommt dieser Mist raus. Jetzt müssen wir damitagieren. - Oder ein anderes Beispiel: Jetzt habendie diesen furchtbaren Beweisantrag gestellt. Jetztkommt die Sache raus. Jetzt können wir es nichtmehr hinter der Brandmauer halten. Jetzt müssenwir es nach oben mitteilen.

Wir können diese Geschichte ganz ausführlicherzählen. Die würde zu lange gehen, weil wirviele Daten und viele handelnde Akteure benen-nen müssten; die kennen Sie alle gar nicht, dieseHerren D. B., W. K. und Herrn Pauland usw. usf.Aber das System ist immer das gleiche und setztsich immer wieder auf einer neuen Ebene fort.Wie gesagt: Die Brandmauer wird immer erst ein-gerissen, wenn man weiß: Jetzt ist der Momentda. Wir können es nicht mehr deckeln. Es ist vor-bei. Jetzt haben die zum Beispiel das Anrecht,diese Unterlagen zu sehen oder Ähnliches. Oderjetzt hat die Presse darüber berichtet. Jetzt vor-wärts!

Von all dem, was wir am Ende dieses Untersu-chungsausschusses - der ist noch nicht zu Ende,aber wenigstens in der Beweisaufnahme - anKonsequenzen haben, ist die Änderung des BND-Gesetzes, Herr Schindler ist nicht mehr Präsi-dent, und man sagt, in Zukunft wird es besser.Aber was von diesen Maßnahmen - BND-Gesetz-Novelle, neuer Präsident - ändert was an diesembeschriebenen Prinzip, ändert etwas daran, dass

man Informationen zu Missständen so lange ge-heim hält, bis es nicht mehr geht, und dass manauch Sie immer erst zu spät oder am Ende einerlangen Kette informiert, wo schon an vielen an-deren Stellen versäumt wurde, aktiv und transpa-rent mit den Dingen so umzugehen, dass man sietatsächlich auch beheben kann?

Ich sehe von all diesen Maßnahmen, die wirheute beredet haben, nicht eine, die geeignet ist,dieses Prinzip anzugreifen. Das Prinzip wird beiden handelnden Personen, wenn die im Amtbleiben, weiterlaufen. Ich glaube, da muss nie-mand hier eine Prophetin sein: Der nächste BND-Skandal steht dann vor der Tür, weil sich an demPrinzip nichts geändert hat. Daran ändert einHerr Kahl nichts, und da ändert ein neues BND-Gesetz nichts dran. Welche Ideen haben Sie, dassdieses Prinzip der Abschottung von Informatio-nen sich tatsächlich ändert?

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ich weißnicht, ob Herr Wolff den Fatalismus durchbre-chen will, der hier aufgetreten ist.

Martina Renner (DIE LINKE): Nein, das ist enga-giert.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Er meldetesich. Deswegen.

MR Philipp Wolff (BK): Ich will nur darauf hin-weisen, dass die Fragen, Frau Renner, eigentlichüberhaupt keine Zeugenfragen sind. Es sind nochFragen, aber es sind keine Zeugenfragen. DerZeuge soll zu eigener Wahrnehmung befragtwerden, und das sind eigentlich alles Fragen zuhypothetischen Bewertungen. Da ist ein Zeugenicht geeignet, solche Fragen zu beantworten,auch wenn es die Bundeskanzlerin ist.

Martina Renner (DIE LINKE): Ich mache eineeinfache Frage daraus: Welche der von Ihnenbenannten Konsequenzen ist geeignet, die man-gelnde Fehlerkultur im Bundesnachrichtendienstund im Bundeskanzleramt zu beheben?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich glaube, dass derGesamthergang inklusive der Arbeiten des Unter-suchungsausschusses geeignet ist, die Sensibilität

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bezüglich bestimmter Dinge sehr zu erhöhen,auch bei jeder einzelnen handelnden Person.Wenn Sie davon ausgehen, dass, wenn Fehler inder Vergangenheit passiert sind, handelnde Per-sonen nicht mehr in der Lage sind, sich anderszu verhalten, dann hätten wir eine unterschied-liche Einschätzung. Deshalb spreche ich auchnicht all denen, die kontinuierlich dort sind, ab,dass sie sich vielleicht auch an einigen Stellenanders verhalten.

Im Übrigen ist die Sache, wie Sie sie jetzt darge-stellt haben, sicherlich eine Facette; aber es gibteben auch andere. Der Spion ist ja nicht durchirgendeine Veröffentlichung erkannt worden.Was das Handy anbelangt, da hat der BND nunecht gar nichts damit zu tun. Man muss unter-scheiden zwischen den NSA-Selektoren, die hät-ten untersucht werden müssen vom BND, ob sieakzeptiert werden, und der Eigenaktivität desBND, die nach jetziger Rechtslage völlig ausge-schlossen ist, nach damaliger Rechtslage viel-leicht mit weiter Interpretation jedenfalls, wieHerr Schindler sagt, noch nicht absolut als un-rechtmäßig klassifiziert werden konnte, wenn iches auch politisch für vollkommen falsch und ab-wegig halte und auch nicht gedacht hätte.

Ich sehe diese Sache nicht so fatalistisch undglaube, dass die gesamte Vorgehensweise - vonden Veröffentlichungen bis hin zu den Untersu-chungen - dazu führt, dass man mit einer ande-ren Sensibilität an die Sache geht. Man hat eineneue Rechtsgrundlage, und es gibt auch einenneuen Chef des BND.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Noch eineMinute.

Martina Renner (DIE LINKE): Ich habe keineweiteren Fragen mehr. Danke.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Okay. - DieFraktion der CDU/CSU hat auch keine weiterenFragen. Dann wären wir bei der Fraktion Bündnis90/Die Grünen. Herr Kollege Ströbele scheint dieFragen zu stellen.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, Herr Vorsitzender, ein Vorteil haben

Ihre Unterbrechungen: dass man zwischendrinnoch mal in den Unterlagen blättern kann.

Das, was ich vorhin vorgehalten habe, das Proto-koll haben wir inzwischen gefunden. Herr Alt-maier - - das Altmaier-Protokoll, Seite 83 bis 85.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ja, wir habenes Ihnen gegeben.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Sie haben es mir gegeben? Nein, nein,nein, nein. Wir haben das hier aus dem Com-puter.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Na, ist ja auch egal.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ich will jetzt nicht zwei Seiten oder dreiSeiten vorlesen, aber ein paar Sätze, die sich da-rauf beziehen, dass Herr Altmaier im Januar2014, also in dem Monat, in dem er angefangenhat bei Ihnen als Kanzleramtschef, mit dieserFrage befasst hat und eben auch Erkenntnisse ge-wonnen hat, die er uns mitgeteilt hat am letztenMontag. Da sagt er ganz unten auf der Seite 83:

Und die Gretchenfrage ist aberdoch,

- er sagt vieles, aber jetzt kommt die Gretchen-frage -

wenn sich ein Nachrichtendienstin einem anderen Land betätigt,ob er dann das Recht dieses Lan-des in jedem Falle einhält.

Genau, sage ich auch:

Ja, genau.

sagt Ströbele. Dann geht es weiter. Da lasse ichmal einen Absatz weg, weil der etwas anderes be-trifft, SIGINT allgemein. Dann sagt Herr Altmaierals Nächstes:

Ich habe jedenfalls, als ich insKanzleramt kam, festgestellt, dassdie Amerikaner, amerikanische

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Seite nicht bereit war, diese Ga-rantie in einer solchen Weise zugeben, dass der Abschluss einessolchen Abkommens mir sinnvollerschien.

Also, da hat er festgestellt: Die wollen das garnicht. Dann sagt der Ströbele:

Das heißt, wenn ich jetzt nur IhrGedächtnis oder Ihre Meinung ab-frage, dann sagen Sie, es ist nichtsicher, dass die sich immer an Ge-setz und Recht halten.

Daraufhin sagt Herr Peter Altmaier:

Ja, ich möchte Sie - -

Da habe ich ihn dann leider unterbrochen. Ichsage:

Sonst hätten Sie ja auf dieserKlausel nicht bestanden, die dadrinsteht, weil das selbstverständ-lich ist.

Dann unterbricht er mich:

Ja.

Und so weiter. Es geht dann noch ein bisschenweiter; das will ich mir sparen. Aber da sagt HerrAltmaier ganz deutlich - - und Grundlage dessen,was Herr Altmaier gesagt hat - das arbeiten wir jaauch raus -, war ein Vermerk in den Akten, denwir nur nicht direkt vorhalten konnten, weil dasGeheim war. Aber da bezieht sich auch Herr Alt-maier drauf, ohne das ausdrücklich zu nennen,und er sagt das ausdrücklich.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Gut. Also, ich kann - -

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Da wusste also Herr Altmaier: Klapptnicht, weil die schon auch schriftlich mitgeteilthaben, dass sie dazu nicht bereit sind.

Was ich Sie vorhin gefragt habe, war ja - dieFrage wiederhole ich jetzt -: Nachdem HerrPofalla schon vier Monate, fünf Monate vorhergesagt hat: „Wir haben es sogar schriftlich von

denen“, passt das eigentlich nicht zusammen. Dahätte er doch auch mal eine Korrektur in der da-maligen Erklärung von Herrn Pofalla, dem vor-herigen Kanzleramtschef - - wäre angebracht ge-wesen. Richtig ist, dass Sie dann anschließendsagen - das haben Sie auch schon mehrfach zi-tiert -, Sie selber, für Sie ist das dann auch unge-wiss. Aber hat man keinen Grund gesehen, jetztdiese alte Erklärung von Herrn Pofalla entwederzu erklären, zu erläutern, wie es dazu gekommenist, oder aufzuheben und zu sagen: „Mea culpa,da haben wir uns vertan“ oder - ich sage immernoch -: „Weil da Wahlkampf war, haben wir einbisschen über die Stränge geschlagen, oder erheb-lich“? Ist das bei Ihnen nicht problematisiertworden? Weil Sie waren dann ja auch schonbekehrt und wussten, es sind erhebliche Zweifel.So haben Sie es jetzt mal ausgedrückt.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich habe mir dieseFrage nicht gestellt, und Herr Altmaier hat dasgeantwortet, was ihm da erschien. Ich habe ge-sagt in der Regierungserklärung - das haben Sie jajetzt auch eben gesagt -:

Die Vorstellungen sind heute weitauseinander. Viele sagen, die Ver-suche für eine solche Vereinba-rung seien von vornherein zumScheitern verurteilt ...

Darunter können Sie auch die Einschätzung vonHerrn Altmaier subsumieren. Ich führe das mitNachdruck, nicht mehr und nicht weniger, weilich nach wie vor glaube, dass wir gute Argu-mente haben, habe aber zugegeben, dass die Vor-stellungen weit auseinander gelegen haben. ÜberWeiteres habe ich mir dann keine Gedanken ge-macht, sondern ich habe das genommen, was mirAnfang Januar mitgeteilt wurde, und das ist et-was anderes, was ich am 7. August gelesen habe.Das ist richtig, ja.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, genau.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich habe zu jeder Zeitdann auch die jeweilige Einschätzung - -

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Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Aber die Zeiten unterschieden sich ja. Dawaren Sie in einer neuen Koalition mit neuemSpiel, neuem Glück, und ob Sie dieses Glück ha-ben, wussten Sie im August noch nicht.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich möchte Ihnennoch mal hier ganz eindeutig sagen: Wir habenzu jedem Zeitpunkt und unbeschadet der Frage,ob Wahl war, ob es nach der Wahl war oder vorder Bildung einer neuen Koalition, nach bestemWissen und Gewissen gearbeitet. Ich jedenfallssage das für meine Person.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja. - Jetzt habe ich noch zwei andere Fra-gen, und zwar: Haben Sie als Kanzlerin zu ir-gendeiner Zeit oder mehrfach vom Bundesnach-richtendienst Informationen bekommen - also einPapier oder wie auch immer - über Verhand-lungspartner, die zu den EU-Partnern und Freun-den gehören, also auf Regierungsebene? Sie wis-sen, dass der Vorwurf besteht, dass Sie abgehörtworden sind. Verschiedene Länder - ich will diejetzt gar nicht im Einzelnen aufzählen, weil dasimmer ein Problem ist; aber welche, die uns sehrnahestehen, vor allen Dingen auch Ihnen sehrnahestehen - sollen abgehört worden sein. HabenSie mal Früchte dieses Abhörens in irgendeinerWeise vom Bundesnachrichtendienst bekommen,oder können Sie sagen, Sie haben nie was vomBundesnachrichtendienst dazu bekommen, überMeinungen einzelner Personen oder was Sie daerwartet in der Verhandlung?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich habe erst schongesagt, dass ich aus dem Lesen von Berichten desBundesnachrichtendienstes niemals Ansätze er-kannt habe, dass das vielleicht auf unrechtmä-ßige Weise oder auf nicht von mir gedeckteWeise - Ausspionieren von Freunden, das machtman nicht - entstanden wäre. Im Übrigen - sageich mal von meiner Praxis her - existiert überbefreundete Länder wenig.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Aber es gibt welche?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Nachrichtendienste. -Ich lese sowieso sehr wenig davon. Also, ich

kann mich nicht erinnern, jemals so was gelesenzu haben.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Es geht ja jetzt nicht um irgendwas, was inParis passiert ist - es passiert viel Schlimmesauch -, sondern über Ihre Verhandlungspartner,also ganz oben oder Außenminister oder - -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Nein, nein, nein.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Nein?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Keine Erinnerung, sowas.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Da haben Sie keine Erinnerung dran. - Nuntauchte ja dieser Vorwurf auf - der stand auch inder Presse, in mehreren Zeitungen, und ist hochund runter diskutiert worden -: Wie kommen diedarauf? Schon als die NSA-Selektoren bekanntwurden, tauchte dieser Verdacht auf, dass das dadrinsteht. Wir wissen bis heute nicht, was dadrinsteht; aber wir haben es in der Zeitung gele-sen. Haben Sie zu irgendeinem Zeitpunkt dann,wenn Sie mit diesen Partnern und Freunden zu-sammengetroffen sind, das mal erwähnt, oderwurde Ihnen das vorgehalten? Ich habe Medien-berichte gelesen, dass zum Beispiel in Frankreichman sehr ungehalten darüber gewesen sein soll,als das rauskam. Ist Ihnen so was mal begegnet?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Also, ich zitiere ausGesprächen mit politischen Partnern nicht. Dasgesamte Verständnis besteht, wann immer solcheSachen im Raume stehen, dass sich die Nachrich-tendienste darüber austauschen und nicht auf derpolitischen Ebene.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja, aber es könnte ja hier - - Sie sind ja vor-hin auch schon mal gefragt worden, -

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja, könnte. Ich sage janur, wie es ist.

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Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): - dass man sagt: „Entschuldigung, wir ha-ben das jetzt abgestellt“, oder: „Unverschämtheitwar das“, oder irgendwie so ein Wort. Oder istdas überhaupt nie Thema gewesen?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Die Nachrichten-dienste sollen sich darüber unterhalten.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Bitte?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Die Dienste sollensich darüber unterhalten.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Das haben Sie gesagt?

Zeugin Dr. Angela Merkel: So was würde mandann sagen, wenn solche Fragen auftreten.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja. Sind solche aufgetreten?

Zeugin Dr. Angela Merkel: So was sagt man,wenn solche Fragen auftreten. Mehr möchte ichdarüber nicht sagen.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Aha. Gut. Daraus schließe ich: Es war so.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Was Sie schließen, istIhre Sache.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ganz kurz,Herr Kollege Ströbele. Ich frage einmal in dieRunde, ob es noch Fraktionen gibt, die jetzt Fra-gen haben. Wenn nicht, könnten Sie nämlichweiterfragen.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Oh, das ist aber sehr elegant.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Herr KollegeStröbele, ja, ich lerne ja auch dazu im Wege derSitzungen.

(Dr. Konstantin von Notz(BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-

NEN): In der letztenKurve!)

- Ja, ja, am Ende doch noch. - Herr Ströbele, Siehaben jetzt einen Lauf.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Also mache ich weiter.

(Zuruf)

- Das ist ein echter Durchbruch. Das können Sienicht beurteilen, weil Sie nicht immer hier wa-ren. Das hat es noch nie gegeben.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Man mussauch gönne könne.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja. - Jetzt kommen wir zu Ramstein nochmal. War Ihnen bekannt, dass in Deutschland derVorwurf erhoben worden ist und dass es auchAnfragen aus dem Parlament dazu gab, dassRamstein eine wesentliche Rolle spielt, also dieseUS-Niederlassung in Ramstein eine wesentlicheRolle spielt bei den Drohneneinsätzen in Afrikavor allen Dingen?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Es gibt ja die ver-schiedensten - wir haben schon darüber gespro-chen - Anfragen, -

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja.

Zeugin Dr. Angela Merkel: - und immer wiederin der Presse. In der RegPK, in der Regierungs-pressekonferenz, tauchen diese Fragen immerwieder auf, und ich habe den Antworten derBundesregierung nichts hinzufügen.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Aber Ihnen war bekannt, dass solche An-fragen da waren und Vorwürfe erhoben wordensind?

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Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja, wenn man Regie-rungspressekonferenzen und die daraus entste-henden Agenturmeldungen verfolgt, kommt mandaran so gut wie nicht vorbei.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Nun haben Abgeordnete ein Interesse da-ran, dass ihre Fragen sachgerecht und richtig be-antwortet werden, ich denke, aber auch einenAnspruch.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Klar.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Haben Sie denn mal, um dafür zu sorgen,dass diese Anfragen auch wirklich profund undauf jeden Fall richtig beantwortet werden, Sieselber jetzt, an Gesprächen teilgenommen oderdas selber zum Thema gemacht, wenn Sie mitUS-Personen - insbesondere mit dem Präsiden-ten - zusammen waren?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Nein.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Zu keinem Zeitpunkt? - Also, wir habenfestgestellt, dass im Jahr 2013 Herr Obama hierwar, auch eine Rede gehalten hat und dass er vonselber zu dem Thema - wahrscheinlich, weil erauch von Journalisten oder so dazu angesprochenworden ist - sich dazu geäußert hat, immergleichlautend - das ist wie so eine Formel -: Dashaben die Amerikaner immer gesagt dazu, dasssie keine Drohnen von Deutschland starten las-sen und auch keine Drohnen von Deutschlandsteuern. - Das war immer die Formel. Haben Siein diesem Zusammenhang mit ihm, mit HerrnObama, geredet und vielleicht nachgefragt, ob esvielleicht andere Arten von Beteiligungen deut-scher Stellen - -

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Dazu hätteich Herrn Wolff mit einer Wortmeldung.

MR Philipp Wolff (BK): Entschuldigung, HerrStröbele, aber ich muss einfach noch mal daraufhinweisen: Auch die wiederholte Fragestellungmacht es nicht untersuchungsgegenständlicher.Wir haben es vorhin diskutiert, und ich will eseinfach noch mal in den Raum stellen.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Und ich will einfachnoch mal sagen, dass ich auch auf diese Fragemit Nein antworte.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ach so. Mit Nein geantwortet.

Wissen Sie - ist Ihnen das denn bekannt? -, dassinzwischen von dem Außenministerium Ihrer Re-gierung dazu eine abweichende Auffassung - -nicht Auffassung, sondern Mitteilung der US-amerikanischen Seite - Informationen, die die dabekommen haben -, auch an das Parlament ge-langt ist.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Das wurde ja erstschon thematisiert von Herrn Hahn.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja. Also, das ist Ihnen bekannt?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich habe auch dazugesagt - und dann ist es jetzt meine letzte Aus-sage zu dem Thema heute, weil ich es damalsschon dreimal gesagt habe -, dass ich von derEinschätzung - - dass ich nichts anderes sage alsdie Einschätzung der Bundesregierung.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Ja. Und jetzt frage ich Sie als Bundeskanz-lerin: Haben Sie, nachdem Sie das zur Kenntnisbekommen haben - das hat ja auch die Bundes-regierung durch das Auswärtige Amt an das Par-lament herangetragen -, mal einen Grund gese-hen, zu intervenieren jetzt und zu sagen, Ram-stein, das soll nicht gemacht werden?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich wiederhole michjetzt nicht noch mal. Ich habe dem Komplex jetztnichts hinzuzufügen.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Gut. Herz-lichen Dank. - Herr Kollege von Notz hat nocheine Frage.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Vielen Dank, Frau Bundeskanzlerin. Viel-leicht abschließend auch sozusagen aus derWahrnehmung, die wir jetzt haben - wir habenhier die letzten drei Jahre viele Menschen befragt,

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sind auf erhebliche Kontrolldefizite bei der parla-mentarischen Kontrolle gekommen und andereDinge und haben heute gelernt, dass es auch beider Fach- und Rechtsaufsicht irgendwie struktu-relle Probleme gibt -: Haben Sie denn neben denVeränderungen, die es jetzt personeller Natur ge-geben hat, Vorschläge, wie man zukünftig solcheKontrolldefizite auch bei der Fach- und Rechts-aufsicht vermeiden kann beim Bundesnachrich-tendienst?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Schauen Sie, ich binder Meinung - um noch eine neue Facette demganzen Komplex hinzuzufügen, um den wir unsheute auch schon ausführlich gedreht haben; dashat mich auch dazu geleitet, beim 60. Grün-dungstag oder Geburtstag des BND zu sprechen -:Am besten macht man es, indem man den BNDals wichtige Institution auch gesellschaftlich ak-zeptiert und wir als Politiker dafür sorgen, dassdas nicht irgendeine Ecke ist, in der komischeSachen stattfinden, sondern dass das ein wichti-ger Teil unseres Schutzes, unseres Schutzes derBürgerinnen und Bürger ist, dass man die Men-schen dort zu Selbstbewusstsein ermuntert unddamit dann aber auch zu Transparenz und dazu,dass sie zu dem, was sie tun, stehen und es mög-lichst viel rechtliche Klarheit auch gibt. Ichglaube, Sie haben vielleicht ein Stück auf IhreArt zu dieser Einschätzung auch beigetragen, undich will das aus meiner Art als Bundeskanzlerinauch tun.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Dafür vielen Dank. Dass man jetzt denBundesnachrichtendienst zum Beispiel vom Bun-deskanzleramt wegnimmt, zum Auswärtigen Amtstellt oder so was, das sehen Sie jetzt nicht, son-dern beim Bundeskanzleramt ist das gut aufge-hoben?

Zeugin Dr. Angela Merkel: Also, wissen Sie,wenn wir jetzt sagen würden, wir wollen denBundesnachrichtendienst nicht mehr fachauf-sichtlich - -

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Dann würden Sie noch eine Tickermel-dung heute Abend kriegen.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Erstens nicht nur eineTickermeldung. Sie möchten mir nicht ausmalen,was sie sagen.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Na ja, das wäre eine deutliche Konse-quenz.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich achte - - Wenn ichhier erkläre, dass der Bundesnachrichtendiensteine wichtige Institution ist, um die Sicherheitunserer Bevölkerung zu sichern, dann ist er,glaube ich, beim Bundeskanzleramt schon ganzgut aufgehoben.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Okay. Ich will nur noch erwähnt haben,dass, wenn Sie diesen Ausschuss schon loben,wir all diese Diskussionen und diese Erkennt-nisse ohne Edward Snowden nicht gehabt hätten.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Das ist mir bekannt.

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Insofern sind wir dafür dankbar. Wir wer-den ja einen Abschlussbericht schreiben.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Sie könnten auch - -

Dr. Konstantin von Notz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Da stehen ja vielleicht noch Reformvor-schläge drin. - Herzlichen Dank.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ganz herz-lichen Dank. - Ein bisschen haben es ja auch dieAusschussmitglieder in der Hand. Vielleicht sindeinige davon demnächst im ParlamentarischenKontrollgremium und haben die Möglichkeit, dieKontrollfunktion dort auszuüben.

Ich sehe, es gibt seitens des Ausschusses keineweiteren Fragen. Dann sind wir am Ende der Be-weisaufnahme.

Frau Dr. Merkel, ich darf mich ganz herzlich beiIhnen bedanken, dass Sie so lange Rede und Ant-wort auf viele Fragen gestanden haben. Es warwohl eine der längeren Zeugenvernehmungenmit rund sieben Stunden. Ganz herzlichen Dankdafür, dass Sie uns fast ununterbrochen - mit

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einer kleinen Pause - doch alle Fragen beantwor-tet haben.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Die Sie verordnethaben.

(Heiterkeit)

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Ja. Danke,dass Sie es noch mal erwähnt haben.

Ganz herzlichen Dank. - Das Protokoll dieser Be-weisaufnahme wird Ihnen, wie ich es gesagthabe, zugestellt. Sie haben dann 14 Tage Zeit, et-waige Änderungen oder Korrekturen vorzuneh-men und uns zurückzusenden.

Das war dann auch die voraussichtlich letzte Be-weisaufnahme des 1. Untersuchungsausschussesder 18. Wahlperiode. Ich bedanke mich nicht nurbei der Kanzlerin - das habe ich gerade schon ge-macht -, bei den Kolleginnen und Kollegen, beidem Ausschusssekretariat, der Bundesregierungund allen anderen Mitarbeitern, sondern auchinsbesondere bei der Öffentlichkeit und bei den-jenigen, die doch fast jede Sitzung in den letztenrund drei Jahren besucht haben und immer sach-lich und gut Berichte erstattet haben. Unsere Ar-beit geht jetzt weiter mit dem Abschlussbericht.

Ich wünsche allen heute einen schönen Abend.Alles Gute! Sie werden sicherlich den Abschluss-bericht auch wohlwollend und gründlich zurKenntnis nehmen.

Die Sitzung ist geschlossen. Einen schönenAbend!

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ich bedanke michauch und wünsche alles Gute beim Verfassen desAbschlussberichts.

Vorsitzender Dr. Patrick Sensburg: Danke schön.Sie werden ihn von uns bekommen.

Zeugin Dr. Angela Merkel: Ja. No doubt.

(Schluss: 18.29 Uhr)

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