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Rechtsprechung bbl 2010, Heft 3 Juni 115 © Springer-Verlag 2010 Nutzungsänderung; Aufstellen von Fitnessgeräten DOI 10.1007/s00738-010-0860-5 § 19 Z 2 stmk BauG 1995 Die Nutzung von Büroräumlichkeiten als Trai- ningsraum für Fitness- und Wellnesszwecke stellt eine baubewilligungspflichtige Nutzungsände- rung (hier: wegen der Bodenbelastung bei Auf- stellen von mehreren Fitnessgeräten) dar. VwGH 17.12.2009, 2009/06/0211 <80> Aus der Begründung: Auch wenn man, wie behauptet, davon ausgeht, dass diese Geräte keine Vibrationen auf die Bodenplatte und damit auch nicht auf den Fußbo- den übertragen, ist aber zu bedenken, dass, wenn auch allenfalls ein solches Gerät (samt dem benützenden Menschen) aus dem Blickwinkel der gewichtsmäßigen Belastung des Fußbodens statisch unbedenklich er- schiene, das bei einer räumlichen Konzentration der Geräte nicht mehr der Fall sein muss. Aus den vom Bf vorgelegten Lichtbildern ist ersichtlich, dass in einem Raum jedenfalls vier dieser Geräte nah beisammen auf- gestellt sind. Bei einem Einzelgewicht eines Gerätes von 158 kg ergibt sich einschließlich des Gewichtes eines benützenden Menschen von (angenommen) rund 80 kg ein Gesamtgewicht von 238 kg, für die vier Geräte ne- beneinander somit ein Gesamtgewicht von 952 kg, also von rund einer Tonne. Bei einer solchen Bodenbelas- tung in einem räumlich relativ kleinen Bereich kann nicht gesagt werden, dass dies keinen Einfluss auf die Festigkeit des Gebäudes (iSd § 19 Z 2 Stmk BauG) ha- ben könnte. (Abweisung) Bauplatzeignung; Hochwassergefahr; aufsichtsbe- hördliche Nichtigerklärung von Baubescheiden DOI 10.1007/s00738-010-0861-4 § 5 Abs 1 stmk BauG 1995; § 4 Abs 1 Z 1 V über ein Programm zur hochwassersicheren Entwick- lung der Siedlungsräume; § 13 Abs 1 und 2 stmk ROG 1974; § 101 Abs 1 stmk GemO iVm § 68 Abs 3 und 4 AVG Die Erteilung einer Baubewilligung im Hochwas- serabflussgebiet des HQ 100 ist mit Nichtigkeit bedroht. Die (Gemeinde-) Aufsichtsbehörde ist ermäch- tigt, neben dem (in der „Sache“ beschränkten) Berufungsbescheid auch die erstinstanzliche Baubewilligung nichtig zu erklären. VwGH 17.12.2009, 2009/06/0212 <81> Aus der Begründung: Zu prüfen ist aber, ob auch die Voraussetzungen für die Nichtigerklärung des Beschei- des des Bgm gegeben waren, weil § 101 Abs 1 GemO auf die Nichtigerklärung rechtskräſtiger Bescheide ab- stellt. Der VwGH teilt die Auffassung der bel Beh, dass bei der Ausgangslage des Beschwerdefalles auch die Nich- tigerklärung der erstinstanzlichen Baubewilligung rechtens war, um die Möglichkeit einer neuerlichen Entscheidung in erster Instanz unter Berücksichtigung der Bauplatzeignung zu eröffnen. (Abweisung) Verkehrsflächen; Aufschließung; Grundabtretungs- verpflichtung DOI 10.1007/s00738-010-0862-3 § 14 Abs 1 stmk BauG 1995 Die Grundabtretungsverpflichtung darf trotz des Wortes „anlässlich“ nicht nur in einem ganz en- gen zeitlichen Konnex zur Erteilung der Baube- willigung oder der Genehmigung der Baufreistel- lung ausgesprochen werden. VwGH 20.1.2010, 2006/06/0048 <82> Tirol Vordach; untergeordnete Bauteile; Mindestabstände DOI 10.1007/s00738-010-0863-2 § 6 Abs 2 lit a und Abs 4 tir BauO 2001 Bei der Frage, ob ein Bauteil als „untergeordnet“ zu qualifizieren ist, muss auch auf das Verhältnis zum restlichen Bauwerk Bedacht genommen werden. VwGH 17.12.2009, 2006/06/0112 <83> Aus der Begründung: Strittig ist im Beschwerdefall, ob es sich bei den angesprochenen Terrassen (Balkonen) und dem darüber liegenden „Vordach“ um untergeord- nete Bauteile iSd § 6 Abs 4 iVm Abs 2 lit a TBO 2001 handelt, die demnach bis zu 1,50 m über die Baugrenz- linie ragen dürfen. Das haben die Beh des Verwaltungs- verfahrens bejaht. Die Bf bestreiten dies weiterhin. Richtig ist, dass „offene Balkone“ und „Vordächer“ namentlich in § 2 Abs 16 TBO 2001 genannt sind. Der VwGH hat aber bereits in seinem Erk v 5.12.2000, 99/06/0089, ausgeführt, dass Lauben- und Erschlie- ßungsgänge (darum ging es damals), mögen sie auch an drei Seiten offen sein, nicht allein deshalb, also ohne Rücksicht auf ihre Dimensionierung im Verhältnis zum restlichen Bauwerk, als „untergeordneter Bauteil“ (da- mals iSd § 2 Abs 16 TBO 1998) anzusehen seien. Der VwGH ist auch in seinen zwischenzeitig (nach Erlas- sung des angefochtenen Bescheides) ergangenen Erk v 24.2.2009, 2005/06/0362, und v 31.3.2009, 2005/06/0064, bei dieser Auffassung verblieben und hat klargestellt, dass bei der Frage, ob ein Bauteil als „untergeordnet“ zu qualifizieren ist, auch auf das Verhältnis zum restli- chen Bauwerk Bedacht zu nehmen ist.

Nutzungsänderung; Aufstellen von Fitnessgeräten

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Rechtsprechungbbl2010, Heft 3Juni 115

© Springer-Verlag 2010

Nutzungsänderung; Aufstellen von Fitnessgeräten

DOI 10.1007/s00738-010-0860-5

§ 19 Z 2 stmk BauG 1995

Die Nutzung von Büroräumlichkeiten als Trai-ningsraum für Fitness- und Wellnesszwecke stellt eine baubewilligungspflichtige Nutzungsände-rung (hier: wegen der Bodenbelastung bei Auf-stellen von mehreren Fitnessgeräten) dar.

VwGH 17.12.2009, 2009/06/0211 <80>

Aus der Begründung: Auch wenn man, wie behauptet, davon ausgeht, dass diese Geräte keine Vibrationen auf die Bodenplatte und damit auch nicht auf den Fußbo-den übertragen, ist aber zu bedenken, dass, wenn auch allenfalls ein solches Gerät (samt dem benützenden Menschen) aus dem Blickwinkel der gewichtsmäßigen Belastung des Fußbodens statisch unbedenklich er-schiene, das bei einer räumlichen Konzentration der Geräte nicht mehr der Fall sein muss. Aus den vom Bf vorgelegten Lichtbildern ist ersichtlich, dass in einem Raum jedenfalls vier dieser Geräte nah beisammen auf-gestellt sind. Bei einem Einzelgewicht eines Gerätes von 158 kg ergibt sich einschließlich des Gewichtes eines benützenden Menschen von (angenommen) rund 80 kg ein Gesamtgewicht von 238 kg, für die vier Geräte ne-beneinander somit ein Gesamtgewicht von 952 kg, also von rund einer Tonne. Bei einer solchen Bodenbelas-tung in einem räumlich relativ kleinen Bereich kann nicht gesagt werden, dass dies keinen Einfluss auf die Festigkeit des Gebäudes (iSd § 19 Z 2 Stmk BauG) ha-ben könnte. (Abweisung)

Bauplatzeignung; Hochwassergefahr; aufsichtsbe-hördliche Nichtigerklärung von Baubescheiden

DOI 10.1007/s00738-010-0861-4

§ 5 Abs 1 stmk BauG 1995; § 4 Abs 1 Z 1 V über ein Programm zur hochwassersicheren Entwick-lung der Siedlungsräume; § 13 Abs 1 und 2 stmk ROG 1974; § 101 Abs 1 stmk GemO iVm § 68 Abs 3 und 4 AVG

Die Erteilung einer Baubewilligung im Hochwas-serabflussgebiet des HQ 100 ist mit Nichtigkeit bedroht.

Die (Gemeinde-) Aufsichtsbehörde ist ermäch-tigt, neben dem (in der „Sache“ beschränkten) Berufungsbescheid auch die erstinstanzliche Baubewilligung nichtig zu erklären.

VwGH 17.12.2009, 2009/06/0212 <81>

Aus der Begründung: Zu prüfen ist aber, ob auch die Voraussetzungen für die Nichtigerklärung des Beschei-des des Bgm gegeben waren, weil § 101 Abs 1 GemO auf die Nichtigerklärung rechtskräftiger Bescheide ab-stellt.

Der VwGH teilt die Auffassung der bel Beh, dass bei der Ausgangslage des Beschwerdefalles auch die Nich-tigerklärung der erstinstanzlichen Baubewilligung rechtens war, um die Möglichkeit einer neuerlichen Entscheidung in erster Instanz unter Berücksichtigung der Bauplatzeignung zu eröffnen. (Abweisung)

Verkehrsflächen; Aufschließung; Grundabtretungs-verpflichtung

DOI 10.1007/s00738-010-0862-3

§ 14 Abs 1 stmk BauG 1995

Die Grundabtretungsverpflichtung darf trotz des Wortes „anlässlich“ nicht nur in einem ganz en-gen zeitlichen Konnex zur Erteilung der Baube-willigung oder der Genehmigung der Baufreistel-lung ausgesprochen werden.

VwGH 20.1.2010, 2006/06/0048 <82>

Tirol

Vordach; untergeordnete Bauteile; Mindestabstände

DOI 10.1007/s00738-010-0863-2

§ 6 Abs 2 lit a und Abs 4 tir BauO 2001

Bei der Frage, ob ein Bauteil als „untergeordnet“ zu qualifizieren ist, muss auch auf das Verhältnis zum restlichen Bauwerk Bedacht genommen werden.

VwGH 17.12.2009, 2006/06/0112 <83>

Aus der Begründung: Strittig ist im Beschwerdefall, ob es sich bei den angesprochenen Terrassen (Balkonen) und dem darüber liegenden „Vordach“ um untergeord-nete Bauteile iSd § 6 Abs 4 iVm Abs 2 lit a TBO 2001 handelt, die demnach bis zu 1,50 m über die Baugrenz-linie ragen dürfen. Das haben die Beh des Verwaltungs-verfahrens bejaht. Die Bf bestreiten dies weiterhin.

Richtig ist, dass „offene Balkone“ und „Vordächer“ namentlich in § 2 Abs 16 TBO 2001 genannt sind. Der VwGH hat aber bereits in seinem Erk v 5.12.2000, 99/06/0089, ausgeführt, dass Lauben- und Erschlie-ßungsgänge (darum ging es damals), mögen sie auch an drei Seiten offen sein, nicht allein deshalb, also ohne Rücksicht auf ihre Dimensionierung im Verhältnis zum restlichen Bauwerk, als „untergeordneter Bauteil“ (da-mals iSd § 2 Abs 16 TBO 1998) anzusehen seien. Der VwGH ist auch in seinen zwischenzeitig (nach Erlas-sung des angefochtenen Bescheides) ergangenen Erk v 24.2.2009, 2005/06/0362, und v 31.3.2009, 2005/06/0064, bei dieser Auffassung verblieben und hat klargestellt, dass bei der Frage, ob ein Bauteil als „untergeordnet“ zu qualifizieren ist, auch auf das Verhältnis zum restli-chen Bauwerk Bedacht zu nehmen ist.