2
SEITE 8 24. MÄRZ 2017 / NR. 5 / KUNST UND AUKTIONEN AUKTIONEN Objekte für die Bewerbungsmappe Afrikanische und Ozeanische Kunst bei Lempertz in Brüssel T im Teuten, der Experte für Tribal Art bei Lempertz, ist ein Gentleman: Sehr bri- tisch, seriös, unaufgeregt, kein Marktschreier. Dazu erlaubt er sich – ebenfalls typisch britisch – gewisse Eigenheiten: Mehr noch als die afri- kanische Stammeskunst begeistert ihn nämlich die ozeanische. Die am 5. April stattfindende Auktion für Afrikanische und Ozeanische Kunst bei Lempertz in Brüssel mit 271 Lots scheint all das zu dokumentieren. Sie bietet keine Sensationen für sechs- bis siebenstellige Schätzpreise, deren Provenienzen mit aller Kraft zele- briert werden. Dafür beinhaltet sie zahlreiche solide Objekte, unter denen es aber die eine oder andere Besonderheit gibt. So fallen zunächst recht viele Stü- cke auf, die keine oder nur eine dürf- tige Provenienzangabe besitzen, da- für aber im 2009 erschienenen Buch Encyclopedia of African Art and Cul- ture von Karl-Ferdinand Schaedler publiziert sind (Schaedler ist in Deutschland eine Art Reich-Ranicki der afrikanischen Kunst – Buchau- tor, Sammler und immer wieder auch Verkäufer). Der größte Teil dieser Lots wurde 2009 auf der Auk- tion „Sammlung Dr. Karl-Ferdi- nand Schaedler“ bei Neumeister in München offeriert und damals nicht zugeschlagen – was vor allem an den sehr hohen Taxen lag. Es ist bezeich- nend für Lempertz, dass um diese Objekte jetzt kein Provenienz-Hype veranstaltet wird, dass sie dafür aber – nachvollziehbar – wesentlich güns- tiger eingestuft werden. So liegt der untere Schätzpreis von zwei Widderköpfen aus Owo / Nigeria (Lot 102) bei 10 000 Euro – und damit bei der Hälfte des Werts von 2009. Ein noch größerer Schätzpreisverfall zeigt sich beim vielleicht schönsten Objekt aus der „Schädler-Offerte“: einem Ho- cker der Ebira aus Nigeria (Lot 120), besetzt mit zwei weiblichen und drei männlichen Figuren – letztere Pfeife rauchend, ein Zeichen von Autorität. War das Werk 2009 noch auf 40 000 Euro taxiert worden, so star- tet es jetzt schon bei 8000. Neben Schaedler taucht eine wei- tere Person recht häufig im Katalog auf, nun jedoch unter dem Stich- wort „Provenienz“. Es handelt sich RÜCKBLICK Heidelberg, 17. März Florentiner Hochzeit Kunst & Kuriosa versteigerte Gemäl- de, Skulpturen und Möbel aus einer kurpfälzischen Privatsammlung. Das Toplos war die nahezu lebens- große Holzfigur der Heiligen Bar- bara des Ulmer Bildschnitzers Daniel Mauch aus der Zeit um 1515 / 20 (s. KUA 4, S. 4). Die auf 80 000 Euro geschätzte Skulptur startete bei 18 000 Euro und wurde bei 54 000 zugeschlagen. Ein um 1490 / 1500 entstandenes Tafelbild der Madonna mit Kind aus dem Umkreis des Domenico Ghirlandaio brachte 13 000 Euro (Limit 6500 Euro), ein weiteres, etwa zur selben Zeit in der Werkstatt Giovanni Bellinis gefertigt, realisierte 10 500 Euro (Limit 7500 Euro). Eine Florentiner Hochzeitstruhe (15. / 16. Jh.) stieg von 900 auf 5000 Euro, ein Sche- rentisch (Limit 600 Euro) und eine Garnitur aus acht Sedia-Speisezimmer- stühlen (Limit 1800 Euro) wurden bei jeweils 3300 Euro weitergereicht. Düsseldorf, 10. / 11. März Hundertfach gesteigert Hargesheimer hatte zwei erfolgreiche Auktionstage, auch wenn das Toplos, Jean-Léon Gérômes Ölbild „Les misères de la guerre“ (s. KUA 3, S. 4) zur Taxe von 100 000 Euro keinen Abnehmer fand. Dafür gelang es, ein weiteres Werk des 19. Jahrhunderts, eine Landschaft mit Gehöft von Wladyslaw Aleksan- der Malecki, von 2500 auf 20 000 Euro zu heben. Bei den Alten Meistern wurde „Die Anbetung der Heiligen drei Könige“ (Antwerpener Schule, um 1520 – 1550) von 20 000 auf 26 000 Euro gesteigert. Eine Napoleon III-Kommode, wohl um 1880 in Paris gefertigt, überzeugte bei den Möbeln. Angesetzt mit 2500 Euro, fiel der Hammer erst bei 19 500. Noch größer war die Über- raschung bei zwei Porzellanschalen aus Sèvres (um 1780), die das Limit von 120 Euro mit dem Zuschlag bei 12 000 Euro glatt verhundertfachten. Berlin, 14. / 15. März Zauber der Handschrift Die Toplose der Autografen-Auktion von J. A. Stargardt (s. KUA 4, S. 4) kamen wieder einmal aus dem Bereich der Musik. Ludwig van Beethoven, für gewöhnlich Star des Hauses, musste sich diesmal aber mit Platz 2 begnügen: Sein Entwurf zum Titelblatt der Diabelli-Variationen op. 120 brachte 60 000 Euro, sein Brief an Karl Holz 75 000. Highlight war erwartungsgemäß Wolfgang Amadeus Mozarts Manuskript zu KV 288, das 290 000 Euro erzielte. Abb.: Lempertz, Brüssel TAXE 3000 Armreif, Elfenbein, Sudan, evtl. Shilluk, L. 19 cm Bei der Provenienz K.J. Hewett dürften manche Sammleraugen leuchten TAXE 15 000 Sepik Figur, Papua-Neuguinea, H. 117,5 cm

Objekte für die Bewerbungsmappe - About Africa · 2017-04-05 · Objekte für die Bewerbungsmappe Afrikanische und Ozeanische Kunst bei Lempertz in Brüssel T im Teuten, der Experte

  • Upload
    others

  • View
    5

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Objekte für die Bewerbungsmappe - About Africa · 2017-04-05 · Objekte für die Bewerbungsmappe Afrikanische und Ozeanische Kunst bei Lempertz in Brüssel T im Teuten, der Experte

SEITE 8 24. MÄRZ 2017 / NR. 5 / KUNST UND AUKTIONEN

AUKTIONEN

Objekte für die BewerbungsmappeAfrikanische und Ozeanische Kunst bei Lempertz in Brüssel

T im Teuten, der Experte für Tribal Art bei Lempertz, ist ein Gentleman: Sehr bri-

tisch, seriös, unaufgeregt, kein Marktschreier. Dazu erlaubt er sich – ebenfalls typisch britisch – gewisse Eigenheiten: Mehr noch als die afri-kanische Stammeskunst begeistert ihn nämlich die ozeanische.

Die am 5. April stattfindende Auktion für Afrikanische und Ozeanische Kunst bei Lempertz in Brüssel mit 271 Lots scheint all

das zu dokumentieren. Sie bietet keine Sensationen für sechs- bis siebenstellige Schätzpreise, deren Provenienzen mit aller Kraft zele-briert werden. Dafür beinhaltet sie zahlreiche solide Objekte, unter denen es aber die eine oder andere Besonderheit gibt.

So fallen zunächst recht viele Stü-cke auf, die keine oder nur eine dürf-tige Provenienzangabe besitzen, da-für aber im 2009 erschienenen Buch Encyclopedia of African Art and Cul-ture von Karl-Ferdinand Schaedler publiziert sind (Schaedler ist in Deutschland eine Art Reich-Ranicki der afrikanischen Kunst – Buchau-

tor, Sammler und immer wieder auch Verkäufer). Der größte Teil dieser Lots wurde 2009 auf der Auk-tion „Sammlung Dr. Karl-Ferdi-nand Schaedler“ bei Neumeister in München offeriert und damals nicht zugeschlagen – was vor allem an den sehr hohen Taxen lag. Es ist bezeich-nend für Lempertz, dass um diese Objekte jetzt kein Provenienz-Hype veranstaltet wird, dass sie dafür aber – nachvollziehbar – wesentlich güns-tiger eingestuft werden.

So liegt der untere Schätzpreis von zwei Widderköpfen aus Owo / Nigeria (Lot 102) bei 10 000 Euro – und damit bei der Hälfte des Werts von 2009. Ein noch größerer Schätzpreisverfall zeigt sich beim vielleicht schönsten Objekt aus der „Schädler-Offerte“: einem Ho-cker der Ebira aus Nigeria (Lot 120), besetzt mit zwei weiblichen und drei männlichen Figuren – letztere Pfeife rauchend, ein Zeichen von Autorität. War das Werk 2009 noch auf 40 000 Euro taxiert worden, so star-tet es jetzt schon bei 8000.

Neben Schaedler taucht eine wei-tere Person recht häufig im Katalog auf, nun jedoch unter dem Stich-wort „Provenienz“. Es handelt sich

R Ü C K B L I C K

Heidelberg, 17. März

Florentiner HochzeitKunst & Kuriosa versteigerte Gemäl-de, Skulpturen und Möbel aus einer kurpfälzischen Privatsammlung. Das Toplos war die nahezu lebens-große Holzfigur der Heiligen Bar-bara des Ulmer Bildschnitzers Daniel Mauch aus der Zeit um 1515 / 20 (s. KUA 4, S. 4). Die auf 80 000 Euro geschätzte Skulptur startete bei 18 000 Euro und wurde bei 54 000 zugeschlagen. Ein um 1490 / 1500 entstandenes Tafelbild der Madonna mit Kind aus dem Umkreis des Domenico Ghirlandaio brachte 13 000 Euro (Limit 6500 Euro), ein weiteres, etwa zur selben Zeit in der Werkstatt Giovanni Bellinis gefertigt, realisierte 10 500 Euro (Limit 7500 Euro). Eine Florentiner Hochzeitstruhe (15. / 16. Jh.) stieg von 900 auf 5000 Euro, ein Sche-rentisch (Limit 600 Euro) und eine Garnitur aus acht Sedia-Speisezimmer-stühlen (Limit 1800 Euro) wurden bei jeweils 3300 Euro weitergereicht.

Düsseldorf, 10. / 11. März

Hundertfach gesteigertHargesheimer hatte zwei erfolgreiche Auktionstage, auch wenn das Toplos, Jean-Léon Gérômes Ölbild „Les misères de la guerre“ (s. KUA 3, S. 4) zur Taxe von 100 000 Euro keinen Abnehmer fand. Dafür gelang es, ein weiteres Werk des 19. Jahrhunderts, eine Landschaft mit Gehöft von Wladyslaw Aleksan-der Malecki, von 2500 auf 20 000 Euro zu heben. Bei den Alten Meistern wurde „Die Anbetung der Heiligen drei Könige“ (Antwerpener Schule, um 1520 – 1550) von 20 000 auf 26 000 Euro ge steigert. Eine Napoleon III-Kommode, wohl um 1880 in Paris gefertigt, überzeugte bei den Möbeln. Angesetzt mit 2500 Euro, fiel der Hammer erst bei 19 500. Noch größer war die Über-raschung bei zwei Porzellanschalen aus Sèvres (um 1780), die das Limit von 120 Euro mit dem Zuschlag bei 12 000 Euro glatt verhundertfachten.

Berlin, 14. / 15. März

Zauber der HandschriftDie Toplose der Autografen-Auktion von J. A. Stargardt (s. KUA 4, S. 4)kamen wieder einmal aus dem Bereich der Musik. Ludwig van Beethoven, für gewöhnlich Star des Hauses, musste sich diesmal aber mit Platz 2 begnügen: Sein Entwurf zum Titelblatt der Diabelli-Variationen op. 120 brachte 60 000 Euro, sein Brief an Karl Holz 75 000. Highlight war erwartungsgemäß Wolfgang Amadeus Mozarts Manuskript zu KV 288, das 290 000 Euro erzielte. Ab

b.: L

empe

rtz, B

rüss

el

TAXE 3000 € Armreif, Elfenbein, Sudan, evtl. Shilluk, L. 19 cm

Bei der Provenienz K.!J. Hewett dürften manche Sammleraugen leuchten

TAXE 15 000 € Sepik Figur, Papua-Neuguinea, H. 117,5 cm

Page 2: Objekte für die Bewerbungsmappe - About Africa · 2017-04-05 · Objekte für die Bewerbungsmappe Afrikanische und Ozeanische Kunst bei Lempertz in Brüssel T im Teuten, der Experte

24. MÄRZ 2017 / NR. 5 / KUNST UND AUKTIONEN

um einen Namen, der wohl vor al-lem die Augen älterer Sammler leuchten lässt: Kenneth John He-wett. Der 1994 verstorbene Hewett war von den Fünfzigern bis in die Achtzigerjahre hinein einer der gro-ßen Londoner Händler für Tribal Art. Er bereicherte nicht nur die Kollektionen von Museen und pri-vaten Sammlern, sondern war auch maßgeblich am Aufstieg von Sothe-by’s auf diesem Gebiet beteiligt.

Von Hewett werden bei Lempertz keine Triple-A-Objekte offeriert, sondern viele Kleinode aus Afrika, Nordamerika und Ozeanien, die deutlich den exzellenten Geschmack des Händlers (und des damaligen Käufers!) dokumentieren. Es handelt sich vor allem um alte Stücke aus Elfenbein. Die meisten Objekte lie-gen im dreistelligen Bereich. Etwas teurer, dafür aber auch eindrucks-voller, ist ein formschöner, 19 Zenti-meter großer Elfenbeinreif aus dem Sudan (Abb. S. 8, Taxe 3000 Euro).

Für Sammler mit kleinerem Geldbeutel ebenfalls interessant sind die Ibejis der Yoruba aus Nigeria, die in großer Anzahl gehandelt werden. Diese Figuren wurden beim Tod ei-nes Zwillings als Stellvertreter des Verstorbenen angefertigt, auch um den Schmerz der Mutter zu lindern. Solche Zwillingsfiguren – visuell ge-fällig, relativ günstig und mit einem leicht verständlichen ethnologi-schem Background ausgestattet – waren und sind ein beliebter Ein-stieg in die traditionelle afrikanische Kunst – gerade in Deutschland, dem Land der Ibeji-Sammler schlecht-hin. Angeboten werden über 20 Lose aus verschiedenen Quellen.

Die drei afrikanischen Objekte mit den höchsten Schätzpreisen stammen aber weder aus dem Schaedler-, noch aus dem Hewitt-Umfeld. Es handelt sich um ein Fi-gurenpaar der Dogon (Lot 40, Taxe 20 000 Euro), ein Karyatiden-Hocker der Luba (Abb., Taxe 15 000 Euro), in den Tim Teuten große Hoffnungen setzt, und eine weibliche Figur der Kusu aus dem Kongo (Lot 174, Taxe 18 000 Euro). Diese mit 72 Zentimetern Höhe imposante Arbeit hat ihre Stärken im oberen Bereich. Ihre Verwitte-rung und ihr fehlendes Bein stören hingegen kaum. Leider ist keine Provenienz angegeben. Und auch die Art der Schäden lässt Fragen offen – daher ist die Figur wohl eher ein Stück für Experten.

Die beiden in meinen Augen au-

ßergewöhnlichsten Objekte sind Kunstwerke aus Ozeanien. Bei 15 000 Euro wird eine Figur aus Pa-pua-Neuguinea offeriert, die von den Arapesh, laut Tim Teuten aber auch von den Boiken stammen könnte (Abb. S. 8). Die fragmentierte Plastik

aus früherem Besitz des bekannten Galeristen James Willis aus San Fran-cisco besticht durch ihren Ausdruck und ihre Höhe von 1,17 Metern. Es könnte sich um eine Adoranten-Fi-gur handeln, der unter anderem die nach oben gestreckten Arme fehlen.

Das Objekt mit der schönsten Ge-

schichte aber ist eine auf 4000 Euro geschätzte männliche Statue aus dem Sepik-Gebiet (Lot 271). Der Düssel-dorfer Künstler Hermann Kreidt hat den „Coverboy“ des Katalogs mit dem „HR-Giger-Kopf“ in den Vier-zigerjahren durch Tausch von einem Kommilitonen erworben. Zehn Jahre später zeichnete ihn dann Kreidts Sohn für seine Bewerbungsmappe an der Düsseldorfer Kunsthochschule – ein Beleg dafür, wie sehr das Objekt zwei Künstler-Generationen faszi-niert hat. Die damals entstandenen Zeichnungen sind Teil des Lots.

Ingo Barlovic

SEITE 9

AUKTIONENAb

b.: L

empe

rtz, B

rüss

el

Die Sepik-Statue faszinierte zwei Künstler- Generationen

TAXE 15 000 € Karyatiden-Hocker der Luba, DR Kongo, H. 38,5 cm

LEMPERTZ Brüssel, Auktion 5. April, Besichtigung Köln 24. / 25. März (Auswahl), Brüssel 31. März bis 5. April www.lempertz.com