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Überbetriebliches Gesundheitsmanagement im Einzelhandel Lösungen (auch) für kleine Unternehmen Impulse für Arbeit, Bildung, Gesundheit, Lebensqualität 7,50 Euro | ISSN 2198-9273 1 | 2017

Überbetriebliches Gesundheitsmanagement im Einzelhandel · eine aktive betriebliche Gesundheitsförderung, die Basis für dauerhaft gesunde und motivierte. transfær 1 | 2017 7

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Überbetriebliches Gesundheitsmanagementim Einzelhandel Lösungen (auch) für kleine Unternehmen

Impulse für Arbeit, Bildung, Gesundheit, Lebensqualität 7,50 Euro | ISSN 2198-9273 1 | 2017

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Inhalt

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Überbetriebliches Gesundheitsmanagement im EinzelhandelLösungen (auch) für kleine Unternehmen

12 „Die Gesundheit unserer Beschäftigten liegt uns sehr am Herzen.“Interview mit Claudia Branz von Branz Haus + Kücheüber die Ziele und Probleme des Gesundheitsmanagements in einem Kleinbetrieb

14 „Schnelle Hilfe“ auch für kleine Unternehmen Ein Angebot externer betrieblicher Sozialarbeit Jana Hausmann

16 DosiMirror – Individuelles Belastungs- und GesundheitsmonitoringBenjamin Schimke, Dagmar Siebecke

18 Selbstreflexion durch DosiMirror: AuswertungsbeispieleKurt-Georg Ciesinger, Benjamin Schimke

20 Gesunde Arbeit lernen E-Learning-Angebote für Gesundheitsmanagement im EinzelhandelJana Hausmann

22 Gesundheitsmanagement geht nur gemeinsam: Partizipative Ansätze bei der Gestaltung guter und gesunder Arbeit. Statements der Gewerkschaften ver.di und DGBUlrich Mathiak, Jutta Reiter, Martina Schu

Inhalt

2 Impressum, Inhaltsverzeichnis

4 Neue Ansätze der betrieblichen GesundheitsförderungChristel Bayer, Ulrich Lensing

6 Nachhaltige Angebote für die Gesundheit der Beschäftigten Das Projekt „Überbetriebliches Gesundheitsmanagement im Einzelhandel“ Jörg Schlüpmann

8 Zeitdruck, Schwerarbeit und problematische Kunden Gesundheitsbelastungen im Einzelhandel Kurt-Georg Ciesinger, Rainer Ollmann

10 Überbetriebliches Gesundheitsmanagement Der Ansatz der Handelsverbände Ostwestfalen-Lippe und Westfalen-MünsterlandThomas Kunz, Thomas Schäfer

Abbildungen: Q3 design GbR (Farbfotos Einzelhandel); Porträts: Fotoatelier Clemens Gütersloh (S.7, Schlüp-mann); Dagmar Siebecke (S. 9,19, Ciesinger); Handelsverband WM (S. 11, Schäfer); Handelsverband OWL (S. 11, Kunz); Rainer Ollmann (S.12, Branz); Hilla Südhaus (S. 14, 21, Hausmann); Felix Gemein Photography(S.17, Siebecke); PicturePeople (S.17, 19, Schimke); DGB (S. 22, 23, Reiter).

Impressumtransfær – Impulse für Arbeit, Bildung, Gesund-heit, Lebensqualität 4. Jahrgang 2017 – ISSN 2198-9273Erscheinungsort BielefeldHerausgeber: Jörg SchlüpmannVerlag: Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Assistenz OWL e.V.(a3 OWL e.V.)v.i.S.d.P.: Frank-Peter OltmannLektorat: Sabine SchollasDruck: print24.deLayout: Q3 design GbR, DortmundBezugsadresse /Kontakt:Zeitschrift præview c/o a3 OWL e.V.Herforder Straße 74, 33602 Bielefeld http://a3-owl.info, [email protected]

Diese Ausgabe der Zeitschrift transfær basiert aufErgeb nissen des Projektes „Überbetriebliches Gesund -heitsmanagement am Beispiel des Einzelhandels“ Aktenzeichen ESF-303163.

Das Projekt wird gefördert durch das Ministeriumfür Arbeit, Integration und Soziales des Landes NRWund die Europäische Union, Europäischer Sozial-fonds.

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Potenziale erkennen

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Beschäftigte. Hier setzt das Projekt „Überbe-triebliches Gesundheitsmanagement im Einzel-handel“ an. Bislang hat es in der betrieblichenGesundheitsförderung oftmals an konkretenHilfestellungen für kleine und mittlere Betriebegefehlt. Die Gesetzlichen Krankenversicherun-gen haben in rund 11.000 Betrieben bundesweitin der Prävention rund 1,3 Millionen Beschäf-tigte erreicht. Die durchschnittliche Größe derdurch die Krankenversicherungen angesproche-nen Betriebe in der Gesundheitsprävention liegtdemnach bei rund 120 Beschäftigten, wovonder Einzelhandel dann kaum profitieren kann.Dies wird auch in der Beschäftigtenbefragungdes LIA.nrw untermauert. Demnach verfügen43 % der Betriebe mit bis zu zehn Beschäftigtenüber kein einziges Angebot der betrieblichenGesundheitsförderung. Bei Unternehmen mit biszu 50 Beschäftigten sind es immer noch 30 %.

Deshalb liegen in dem branchenbezogenen An-satz mit Unterstützung der Einzelhandelsver-bände so enorme Potenziale, die auch für andereBranchen und Verbände eine gute Vorbildfunk-tion haben können. Dies waren auch maßgeb-liche Gründe, warum das Ministerium für Arbeit,Integration und Soziales dieses Projekt finanziellunterstützt. Gespannt schauen wir dabei darauf,wie sich die persönlichen Belastungen der Be-schäftigten in den 40 teilnehmenden Betriebenin der Projektlaufzeit entwickeln.

Eine besondere Klippe liegt nach Auslaufen derFörderung in der Fortführung dieses Projekts.Wenn es gelingt, das Angebot des überbetrieb-lichen Gesundheitsmanagements im Einzel han -del danach mit mehr Betrieben unter Betei li -

gung weiterer Einzelhandelsverbände fortzu-führen, dann wird damit ein wichtiges Signalin der betrieblichen Gesundheitspräventiongese tzt. Denn es wird dann zeigen, dass BGMauch in Branchen mit kleinen, oftmals inhaber-geführten Unternehmen möglich ist, die in derRegel nicht über Personalentwicklungsver ant -wortliche verfügen, die sich dieses Thema zueigen machen.

So kann ein wichtiger Baustein für die Bewäl-tigung des Fachkräftemangels gelegt werden,denn angesichts eines geringer werdenden Ar-beitskräfteangebots wird es umso wichtiger sein,die vorhandenen Mitarbeiterinnen und Mitar-beiter im Job zu halten.

Abschließend sei an dieser Stelle noch einmalauf den Branchenreport Handel der DAK ver-wiesen. Denn dort wurde auch festgestellt, dassein aktiver Arbeitsschutz in den Unternehmendie beste Grundlage für Gesundheitsförderungist. Daher muss der erste Schritt zur Vermeidungvon Gefahren und damit verbundenen Erkran-

kungen die Erarbeitung einer betrieblichen Ge-fährdungsbeurteilung sein. Seit Inkrafttretendes Arbeitsschutzgesetzes (1996) ist die Gefähr-dungsbeurteilung gesetzliche Vorschrift. Nurwer seine Gefährdungen kennt, kann etwas da-gegen unternehmen und die Sicherheit undGesund heit im Betrieb verbessern. Eine Be -triebsbefragung im Rahmen der GemeinsamenDeutschen Arbeitsschutzstrategie hat ergeben,dass nur rund jeder zweite Betrieb eine gesetz-lich vorgeschriebene Gefährdungsbeurteilungdurchführt. Diese Quote ist insbesondere beiden kleinen Unternehmen mit bis zu zehn Be-schäftigten mit rund 40 % besonders niedrig.

Daher möchten wir abschließend appellieren:Betreiben Sie einen aktiven Arbeitsschutz in denUnternehmen, der Ihnen hilft, Gefahrenpo -tenziale und Belastungen zu erkennen, die Siedurch aktives (über)betriebliches Gesundheits-management minimieren können, um so mitgesunden und motivierten Beschäftigten erfolg -reich die Herausforderungen der Zukunft zumeistern.

Neue Ansätze der betrieblichen GesundheitsförderungChristel Bayer, Ulrich Lensing

Die Autorin, der AutorChristel Bayer ist Leiterin der Abteilung III(Arbeits schutz, Arbeitsgestaltung), Ulrich Lensing Leiter des Referats III 1 (Arbeitsschutz -strukturen, Fachaufsicht, Arbeit gestaltenNRW) im Ministerium für Arbeit, Integrationund Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen.

Gesunde und motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind die Grundlage eines jeden erfolgreichen Unter-

nehmens. Angesichts des drohenden Fachkräftemangels, der nach dem IHK-Fachkräftemonitor bereits 2030 –

also schon in dreizehn Jahren – allein im Einzelhandel einem bundesweiten Engpass von 50.000 Beschäftigten

bei rund 530.000 nachgefragten Beschäftigten entspricht, wird dies eine entscheidende Aufgabe sein. Das be-

deutet, dass die Unternehmen des Einzelhandels fast jede zehnte Stelle bundesweit nicht mit dem gewünschten

Personal besetzen können. Die Hoffnung, diese Stellen mit fachfremden Personal, das dann angelernt bzw.

quali fiziert werden muss, zu besetzen, darf nicht allzu hoch gehängt werden. Denn in NRW allein werden dann

insgesamt über eine halbe Million qualifizierte Fachkräfte fehlen. Damit treten alle Wirtschaftsbranchen auch

in einen noch aktiveren Wettbewerb um gutes qualifiziertes Personal.

Christel Bayer, Ulrich Lensing

Daher ist es geboten, die Beschäftigten so langewie möglich gesund und fit im Beruf zu halten.Hier zeigen die Realität und der BranchenreportHandel der DAK Gesundheit und der Berufsge-nossenschaft Handel und Warenlogistik denHandlungsdruck deutlich auf.

æ Demnach gehen sieben von zehn Beschäftig -ten im Groß- und Einzelhandel bei der Arbeitan die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit.

æ Im Einzelhandel sind psychische Erkrankun-gen die Ursache für jeden sechsten Fehltag.

æ Rückenprobleme und andere Muskel-Skelett-Erkrankungen sind für jeden vierten Fehltagim Einzelhandel verantwortlich.

æ Die Beschäftigten im Einzelhandel sind selte -ner, aber dafür länger krankgeschrieben.

Gerade beim Blick auf psychische Belastungenist der Einzelhandel keine Ausnahme. In der re-präsentativen Beschäftigtenbefragung des Lan-desinstitutes für Arbeitsgestaltung (LIA.nrw)sind acht der zehn häufigsten genannten Be-lastungen rein psychischer Natur. Nicht jedeBelastung muss zwangsläufig in eine Krankheitführen, aber dauerhafte Überbelastungen er-höhen das Erkrankungsrisiko deutlich. Jede Er-krankung ist nicht nur für die Beschäftigteneine individuelle Belastung, sondern stellt dieUnternehmen auch vor große personelle Eng-pässe und finanzielle Ausfälle. 2015 haben imgesamten Bundesgebiet 587 Millionen Arbeits-unfähigkeitstage einen volkswirtschaftlichenVerlust an Bruttowertschöpfung von 113 Milli-arden Euro verursacht. Jeder einzelne AU-Tagkostet demnach im Schnitt 165 Euro. NachKrankheitsgruppen aufgeschlüsselt, kann fest-gestellt werden, dass die Kosten für Muskel-Skelett- und psychische Erkrankungen mit 42Milliarden Euro etwa in der Höhe des Gewerbe -steueraufkommens der Gemeinden in Deutsch-land von 45,7 Milliarden Euro liegen. Die Zahlder Arbeitsunfähigkeitstage aufgrund psy-chischer Störungen stieg zwischen 2001 und2015 in nicht einmal 15 Jahren um fast 160 %. An diesen Zahlen wird deutlich, welch enormesauch wirtschaftliches Potenzial von den Unter-nehmen hier gehoben werden kann. Denn eingut organisiertes betriebliches Gesundheitsma-nagement kann krankheitsbedingte Fehlzeitenund Krankheitskosten um bis zu 25 % senken.

Daher ist der Arbeitsschutz, unterstützt durcheine aktive betriebliche Gesundheitsförderung,die Basis für dauerhaft gesunde und motivierte

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Gesunde Beschäftigung

Nachhaltige Angebote für die Gesundheit der BeschäftigtenDas Projekt „Überbetriebliches Gesundheits management im Einzelhandel“ Jörg Schlüpmann

Während viele größere Unternehmen bereits seit Längerem einaktives BGM betreiben, sind die Versuche, bewährte Konzepteaus Großunternehmen in kleinere Betriebe zu übersetzen, weit-gehend gescheitert. Der zentrale Grund dafür liegt vor allemin den fehlenden finanziellen und zeitlichen Ressourcen fürdie Übernahme einer weiteren „Managementfunktion BGM“neben dem Alltagsgeschäft der ohnehin überlasteten Leitungs-kräfte in kleineren Unternehmen.

Dabei ist die Gesundheit der Beschäftigten gerade in Branchengefährdet, die durch kleinbetriebliche Strukturen geprägt sind.So ist etwa im Einzelhandel in den letzten Jahren eine erheb-liche Zunahme der krankheitsbedingten Ausfallzeiten festzu-stellen: Während im Jahr 2006 die durchschnittliche Zahl derArbeitsunfähigkeitstage (AU-Tage) pro Mitarbeiter/-in mit 11,0Tagen um 0,5 unter dem Bundesdurchschnitt lag, ist seit 2007ein stetiger Anstieg zu erkennen. In den Jahren 2012 und 2013lagen die AU-Tage schon bei 12,7 bzw. 13,2% (in 2011 sogarbei 14,1%). Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems undpsychische Störungen mit ihren besonders hohen Ausfallzeitendominieren dabei das Krankheitsgeschehen. Bei den weiblichenBeschäftigten sind „Verkäuferinnen“ die Berufsgruppe mit denmeisten Arbeitsunfällen.

Das in der vorliegenden Ausgabe der Zeitschrift transfær vor-gestellte Projekt „Überbetriebliches Gesundheitsmanagementim Einzelhandel“ beschäftigt sich genau mit dieser Thematik:Wie kann es gelingen, auch in kleinbetrieblichen Strukturenein funktionierendes, kosteneffizientes und nachhaltiges Ge-sundheitsmanagement aufzubauen? Ein Gesundheitsmanage-ment, das sich nicht nur in Yogakursen und Ernährungsberatungerschöpft, sondern das Verhalten und Verhältnis berücksichtigtund dabei auch von kleineren Unternehmen langfristig finan-zierbar ist.

Die IdeeDie grundlegende Idee des Projektes ist es,nicht ein weiteres Mal erfolglos zu versuchen,Gesundheitsmanagement innerhalb der klei-neren Unternehmen zu etablieren, sonderndie Managementfunktion des BGM außerhalbdes Betriebes zu installieren, ähnlich einer ex-ternen Buchhaltung. Der Schlüsselbegriff füreine solche Lösung ist also „überbetrieblichesGesundheitsmanagement“. ÜberbetrieblichesGesundheitsmanagement ist, analog z.B. zurüberbetrieblichen Ausbildung, ein strategi-sches Konzept, das als Angebot einer umfas-senden Dienstleistungspalette mit dem Fokus„Gesundheit“ kleine Unternehmen bei ihrenBemühungen um eine zukunftsfähige Ent-wicklung unterstützen soll.

Das Ziel des Projektes ist es, ein solches Modelleines überbetrieblichen Gesundheitsmanage-ments als marktfähige Dienstleistung für kleineund Kleinstunternehmen in der Einzelhandels-branche zu entwickeln, prototypisch zu erpro-ben und nach Projektende als Dienstleistungder regionalen Einzelhandelsverbände nachhal-tig zu etablieren.Das Projekt wird in Zusammenarbeit zwischender Deutschen Angestellten Akademie DAA Ost-westfalen-Lippe als Konsortialführer und dergaus gmbh medien bildung politikberatung alsEntwicklungspartner bearbeitet. Praxispartnerdes Projektes sind zwei große Verbände des Ein-zelhandels in NRW, die Handelsverbände Nord-rhein-Westfalen e.V. Westfalen-Münsterland

und Ostwestfalen-Lippe mit zusammen mehrals 3.000 Mitgliedsbetrieben. Sie stehen für dieVerankerung in der Branche und die Nachhal-tigkeit des Angebots. Begleitet wird das Projektdurch die Einzelgewerkschaft ver.di und denDeutschen Gewerkschaftsbund, die sicherstellen,dass die Perspektive der Beschäftigten in denModellregionen Ostwestfalen-Lippe, Münster-land und Westfalen berücksichtigt wird.

Das Angebot Im Projekt wurde ein innovatives Leistungsan-gebot einer externen BGM-Unterstützung ent-wickelt. Ziel war es dabei, kosteneffiziente An-gebote zu definieren, die sich auch kleinereGeschäfte tatsächlich langfristig leisten könnenund die eine unmittelbare Hilfestellung für kon-krete betriebliche (und individuelle) Problem -lagen versprechen. Das Angebot besteht ausdrei zentralen Bausteinen:

DosiMirror ist ein sehr einfach zu handhabendesSelbstbeobachtungsinstrument zum Thema„Stress in der Arbeit und im Alltag“. Die teil-nehmenden Beschäftigten beantworten übereinen mehrwöchigen Zeitraum täglich Fragenzu ihren Belastungen und ihrer Gesundheit. Sokönnen Zusammenhänge zwischen der Arbeit,den privaten Belastungen und dem Gesund-heitsempfinden hergestellt werden. Die Ergeb-nisse sind die Grundlage für die Erstellung undUmsetzung eines für den Betrieb bzw. Beschäf-tigten maßgeschneiderten Präventionsplans.

Die „Schnelle Hilfe“ ist eine Telefonhotline inKombination mit einer persönlichen Beratungzu allen Fragen und Problemen, die mit belas-tenden Lebenssituationen zusammenhängen.Die Beschäftigten erhalten hier unter strengsterAnonymität eine „schnelle Hilfe“ zu ihren ganzindividuellen Problemen, aber auch zu den Fra-

gen, die sich aus der Selbstbeobachtung durchDosiMirror ergeben können. Die externe Mitar-beiterberatung bietet einen vertraulichen Be-ratungsservice für Beschäftigte und Leitungs-kräfte bei persönlichen, beruflichen undgesundheitlichen Fragestellungen.

Gesundheit will auch gelernt sein, hierzu wer-den Mikro-Trainingsprogramme eingesetzt.Diese sind sehr kurze und effiziente arbeits-platzorientierte Lerneinheiten zur Verbesserungder Arbeitsorganisation und zur Unterstützunggesunden Arbeitens für Leitungskräfte und Be-schäftigte. Die zentralen Themen sind dabei „Ar-beiten im Team“, „Richtig führen“, „Stressma-nagement“ und „Kundenkommunikation“. DieLerneinheiten werden webbasiert angeboten,sodass sie arbeitsbegleitend eingesetzt werdenkönnen, und durch einen Coach moderiert undausgewertet.

Der ModellversuchIm Jahr 2017 werden diese Angebote in einemModelversuch mit 40 Einzelhandelsgeschäftendurchgeführt. Ziel ist es, zu überprüfen, ob dieAngebote die Problemlage der Praxis treffen,ob sie intuitiv und zielführend sind und ob sietatsächlich in verschiedenen betrieblichen Kon-texten und unterschiedlichen Betriebsgrößeneingesetzt werden können.

An dem Modellversuch sind überwiegend kleineund kleinste Unternehmen beteiligt, nur wenigemittlere und große. Die größeren Unternehmennehmen im Einzelfall mit einzelnen Filialen/Ab-teilungen teil. Im Modellversuch wird somit derEinsatz bei den wichtigsten Betriebsformen desEinzelhandels erprobt.

Der praktische Einsatz und die Ergebnisse derUnterstützungsleistungen für den Betrieb undauch für den einzelnen Beschäftigten werdenim Rahmen eines Monitorings bewertet und dieAngebote auf dieser Basis weiterentwickelt undverfeinert.

Erste Erfahrungen Die Rückmeldung in der Branche auf eine ersteInformation der Verbände ist fast überwälti-gend: Bereits nach einer Woche war die Hälfteder „Plätze“ für den Modellversuch besetzt. Of-fensichtlich ist das Thema Gesundheit tatsäch-lich in der Praxis des Einzelhandels angekom-men – und dies nicht nur bei den größeren,sondern auch bei den vielen kleinen Geschäften.Der Modellversuch muss nun zeigen, ob es tat-sächlich gelingen kann, ein skalierbares Leis-tungsangebot zu entwickeln, das in der Basis-version für alle Betriebe finanzierbar undtrotzdem effektiv und hilfreich ist.

Der AutorJörg Schlüpmann ist stellvertretender Zweig-stellenleiter der Deutschen Angestellten-Akade mie GmbH DAA Ostwestfalen-Lippe undAbteilungsleiter Entwicklung und Marketingdes Zweigstellenverbundes Westfalen. Er ist Gesamtkoordinator des Projektes „Überbetriebliches Gesundheitsmanagementim Einzelhandel“.

Das Projekt „Überbetriebliches Gesundheits-management am Beispiel des Einzelhandels“,Aktenzeichen ESF-303163, wird gefördertdurch das Ministerium für Arbeit, Integrationund Soziales des Landes NRW und die Euro-päische Union, Europäischer Sozialfonds.

Die prinzipielle Bedeutung eines ganzheitlichen, strukturierten und nachhaltigen betrieblichen

Gesundheitsmanagements (BGM) ist heutzutage nicht nur in Gesundheits-Fachkreisen unbestritten.

Der mit dem demografischen Wandel verbundene Fachkräftemangel wird nun auf der betrieblichen

Ebene spürbar und die Gesundheit der Beschäftigten wandelt sich vom „akademischen Zukunfts -

thema“ zur betriebswirtschaftlich relevanten Größe im Unternehmen.

Jörg Schlüpmann

Fokus Gesundheit

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Unterstützungsbedarf 9transfær 1 | 2017

Belastungen

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Zeitdruck, Schwerarbeit und problematische KundenGesundheitsbelastungen im Einzelhandel Kurt-Georg Ciesinger, Rainer Ollmann

Aufgrund der finanziellen und personellen Res-sourcenbeschränkungen der kleinen Einzelhänd-ler war es besonders wichtig, diese Angebotepunktgenau auf die Bedarfe der Zielgruppe hinzu entwickeln. Dabei konnte das Projekt aufeine Blitzlichtbefragung zurückgreifen, die diegaus gmbh medien bildung politikberatung imJahr 2015 in Zusammenarbeit mit dem Handels -verband NRW Westfalen-Münsterland durch-geführt hatte. Diese Befragung zielte darauf ab,Erfahrungen und Erwartungen der Betriebe zuden Problemen, Themen und Unterstützungs-möglichkeiten beim betrieblichen Gesundheits-management bzw. der betrieblichen Gesund-heitsförderung zu bestimmen.

Die zentralen Fragen dieses Blitzlichts waren:Wie präsent ist das Thema BGM bei den Betrie-ben? Welche Themen sind für die Geschäftewichtig? Von wem werden die Betriebe bereitsberaten? An der Befragung nahmen 40 Betriebeteil, je ca. ein Drittel Kleinstbetriebe (wenigerals zehn Beschäftigte), kleine Betriebe (bis 49Beschäftigte) und Mittel- und Großbetriebe (da-von waren zwei Drittel Filialbetriebe). Befragtwurden die Inhaber, Geschäfts- und Personal-leitungen bzw., wenn vorhanden, Verantwort-liche für das betriebliche Gesundheitsmanage-ment. Aus der Fülle der Ergebnisse sollen hierdiejenigen vorgestellt werden, die die Bedarfs-lage und die bisherigen Erfahrungen gerade derkleineren Unternehmen hinsichtlich betriebli-cher Gesundheitsförderung beschreiben.

Erfahrungen mit betrieblicher Gesundheitsförderung?Die befragten Unternehmen sind bislang nurpunktuell mit dem Themenbereich Gesundheits-förderung in Berührung gekommen. Dabei zeigtsich ein starker Größeneffekt: 43% der mittlerenund großen Betriebe gaben an, in den letztenzwei Jahren Maßnahmen der Gesundheitsför-derung in ihren Betrieben angeboten zu haben.

Bei den kleinen waren es erwartungsgemäß mit25% deutlich weniger. Interessanterweise liegenhier die Kleinstbetriebe mit 29% sogar ein we -nig höher.

Dabei erhalten vor allem die kleineren Betrieberelativ wenig Unterstützung durch institutio-nelle Akteure. Die Unterstützungsleistungen derKrankenkassen bei betrieblicher Gesundheits-förderung sind stark unterschiedlich verteilt:Die größeren Betriebe haben diese Leistungenzu 50% in Anspruch genommen, die kleinennur zu 9%. Von den Kleinstbetrieben hat keinerder Befragten Unterstützung der Krankenkas -sen erhalten. Ähnlich verhält es sich bei derUnterstützung durch die Berufsgenossenschaf-ten. Große Betriebe haben hier zu 58% vonUnter stützungsleistungen profitiert, kleine Be-triebe immerhin zu 50%, Kleinstbetriebe abernur zu 8%.

Die Frage, warum sich die Betriebe nicht stärkermit dem Thema Gesundheitsförderung beschäf-tigt haben, wird sehr eindeutig beantwortet:fehlende Zeit (44%), fehlende Ansprechpartner(33%), aber auch mangelndes Interesse derBeschäf tigten (22%). Eine mangelnde finan-zielle Ausstattung wird hingegen nur von 15%der Befragten als Grund genannt.

Bedarfslage der Betriebe Hochinteressant sind die Ergebnisse zu derFrage, welche Themen für die Befragten im Fo-kus stehen, wenn es um die Erhaltung der Ge-sundheit der Beschäftigten geht. Die Abbildungzeigt die Top-Ten-Unterstützungsbedarfe derbefragten Einzelhandelsunternehmen im The-menkomplex Gesundheitsförderung der Be-schäftigten.

Der Umgang mit schwierigen Kunden wird vonnahezu allen Befragten (85%) als wichtigesoder sehr wichtiges Beratungsthema genannt.

Der Kunde ist also nicht nur König, sondernauch Belastungsfaktor Nummer eins im Einzel-handel.

Bereits auf dem zweiten Platz der geäußertenUnterstützungsbedarfe stehen Fragen der Rü-ckengesundheit (80% der Befragten halten diesfür wichtig bzw. sehr wichtig), was sicherlichaus der immer noch schweren körperlichen Ar-beit im Einzelhandel resultiert. Hier sind dieProbleme bekannt, aber auf der betrieblichenEbene noch nicht gelöst. Auch zu Fragen derArbeitssicherheit (64 %) und der Ergonomie(63%) sehen die Befragten erstaunlicherweiseimmer noch einen hohen Unterstützungsbedarf. Die hohe Nachfrage nach Beratung in den Be-reichen Gesprächsführung und Stressbewälti-gung – 79% bzw. 77% der Befragten haltendiese Themen für (sehr) wichtig – reflektierendie hohen psychischen Belastungen der Arbeitim Einzelhandel, aber auch die Belastungen, dieaus den sozialen Interaktionen (mit dem Kun-den, mit Mitarbeitenden bzw. Vorgesetzten undim Team) resultieren. Psychische und sozialeBelastungen sind im Einzelhandel nach diesenErgebnissen also bereits „gleichauf“ mit denkörperlichen Belastungen.

Als (sehr) wichtig wird von mehr als zwei Drittelnder Befragten auch die interne Organisationder Arbeit und der Arbeitszeit genannt. Bedingt

durch knappe Personaldecken und ausgedehnteLadenöffnungszeiten sind diese Fragen zentralfür die Gewährleistung guter, gesundheitsför-derlicher Arbeitsbedingungen.

Erst auf Platz acht der Rangliste kommt mit62% die klassische Ernährungsberatung, derzweite Klassiker (Entspannung) rangiert mit53% gar nicht mehr unter den Top Ten. Bera-tungs- und Unterstützungsbedarfe zum ThemaPersonalführung sehen die befragten Führungs-kräfte zwar, aber nicht in vorderster Priorität.Hier wäre eine Parallelbefragung der Beschäf-tigten interessant …

Zusammenfassend kann festgehalten werden:Die zentralen Probleme im Kontext der Gesund-erhaltung der Beschäftigten im Einzelhandelliegen nicht im Bereich von Ernährung und Ent-spannung, den klassischen Themen, mit denenGesundheitsförderung in den Betrieben in derRegel startet (und sich manchmal auch darinerschöpft). Die Probleme liegen in der einzel-handelstypischen Arbeitssituation, die durchschwierige, mental und emotional belastendeKunden, nach wie vor körperlich oftmalsschwere Arbeit, hohe Arbeitsdichte und proble-matische Arbeitszeiten geprägt ist.

Diese durch die befragten Einzelhändler for-mulierte Nachfrage wird im Projekt „Überbe-

Das Projekt „Überbetriebliches Gesund heits manage ment im Einzel -

handel“ zielt darauf ab, ein tragfähiges Unterstützungsangebot für

Einzel handels unternehmen zu entwickeln, das gerade auch kleine re

und kleinste Geschäfte in die Lage versetzt, ein betriebliches Gesund-

heitsmanagement zu initiieren.

Kurt-Georg Ciesinger, Rainer Ollmann

Frage: „Welche Beratungsthemen sind ausIhrer Sicht für Sie, Ihren Betrieb, Ihre Mit-arbeiter/-innen wichtig?“ Prozentsatz derAntworten „sehr wichtig“ und „wichtig“.Mehrfachnennungen möglich.

triebliches Gesundheitsmanagement im Einzel-handel“ durch ein umfassendes Unterstützungs-angebot bedient, das sich auf alle Fragen derpsychischen Belastung, der betrieblichen Orga-nisation und der sozial-kommunikativen An-forderungen bezieht. Die Berater, die den Be-trieben und Beschäftigten hier zur Verfügungstehen, sind Experten für psychische wie auchsoziale Belastungen und können so die beschrie-bene „Wunschliste“ der Einzelhandelsbranchekompetent bedienen.

Die AutorenKurt-Georg Ciesinger und Rainer Ollmannsind Geschäftsführer der gaus gmbh – medienbildung politikberatung und entwickeln imProjekt das Dienstleistungsangebot für über-betriebliches Gesundheitsmanagement.

Umgang mit schwierigen Kunden

Rückengesundheit

Gesprächsführung

Stressbewältigung

Arbeitszeitgestaltung

Arbeitsorganisation

Arbeitssicherheit

Ergonomie

Gesunde Ernährung

Personalführung

sehr wichtig

wichtig

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Gesundheitsmanagement

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Überbetriebliches Gesundheitsmanagement Der Ansatz der Handelsverbände Ostwestfalen-Lippe und Westfalen-MünsterlandThomas Kunz, Thomas Schäfer

Diese und andere Aspekte, wie z. B. Existenz- undZukunftssorgen, Arbeitsverdichtung und -ver -änderung, private Belastungen in der Familie,Pflege von Angehörigen oder auch soziale Pro-bleme, können Unternehmer und Beschäftigtegleichermaßen betreffen, sich nachteilig aufdas Betriebsklima auswirken und gesundheitli-che Beeinträchtigungen und Personalproblemein Unternehmen auslösen. In den vorwiegendkleinen und mittelständischen Betrieben desEinzelhandels existieren jedoch kaum Strukturenfür ein umfassendes betriebliches Gesundheits-management – und das trotz steigender Ge-sundheitsprobleme.

Der Krankenstand im Einzelhandel entsprichtzwar mit 4,0% in etwa dem Durchschnitt allerVersicherten, steigt aber weiter an. Zudem wirdes immer schwieriger, zeitlich oder dauerhaftunbesetzte Stellen adäquat zu besetzen. DerEinzelhandel hat daher ein hohes Interesse da-ran, seine Beschäftigten lange gesund und mo-tiviert zu halten. Dies gilt besonders für die in-habergeführten Geschäfte, teils aber auch fürdie steigende Zahl der Filialisten in der Branche,

die trotz hoher Gesamt-Beschäftigungszahlenörtlich kleinbetriebliche Strukturen aufweisen. Umfassendere BGM-Ansätze finden sich aktuellwohl bei großen Handelskonzernen, inwieweitdiese auch ihr Filialnetz und/oder ihre Fran -chisebetriebe einbeziehen, ist aber unklar. Dieden Großteil der Branche Einzelhandel ausma-chenden KMU stehen insoweit vor großen Pro-blemen: Einerseits sind sie häufig personell undzeitlich nicht in der Lage, Gesundheitsmanage-ment oder Gesundheitsförderung in einem sys-tematischen Ansatz zu betreiben – selbst punk-tuelle Angebote zum Erhalt der Gesundheit derBeschäftigten sind neben dem drängenden All-tagsgeschäft kaum zu bewältigen. Andererseitskommt ihnen eine Unterstützung durch öffent-liche Institutionen wie Krankenkassen, Berufs-genossenschaften oder der Rentenversicherungnur selten zu. Selbst wenn über das neue Prä-ventionsgesetz mehr Mittel für betrieblichesGesundheitsmanagement zur Verfügung stehen,dürften hiervon die kleineren Unternehmennicht profitieren, weil Kleinbetriebe keine inte-ressante Zielgruppe für die institutionellen An-bieter darstellen und sie aufgrund fehlender

personeller Ressourcen diese Leistungen auchnicht aktiv einfordern können.1

Dies war auch eines der zentralen Ergebnisseder Blitzlichtbefragung bei den Mitgliedsbetrie-ben des Handelsverbandes Westfalen-Münster-land aus dem Jahr 2015, das uns dazu bewogenhat, das Projekt „Überbetriebliches Gesundheits-management“ zu initiieren. Die NRW-Handels-verbände Westfalen-Münsterland und Ostwest-falen-Lippe zielen hierbei auf die Entwicklungeiner externen Unterstützungsstruktur ab, dieeinerseits die spezifischen Problemstellungender Branche, andererseits die besonderen Res-triktionen (aber auch Chancen) in KMU berück-sichtigt. So soll ein strategisches Konzept miteiner umfassenden Dienstleistungspalette mitdem Fokus „Gesundheit“ erarbeitet werden, dasBetriebe bei ihren Bemühungen um eine zu-kunftsfähige Entwicklung unterstützt.

Ziel des Projektes ist es, ein Modell überbetrieb-lichen Gesundheitsmanagements als marktfähi -ge Dienstleistung für KMU im Einzelhandel zuentwickeln, prototypisch zu erproben und nach

Projektende als Dienstleistung aller regionalenHandelsverbände nachhaltig zu etablieren. Einsolches Angebot muss auf die komplexe Struk-tur von KMU des Einzelhandels eingehen undeinige zentrale Bedingungen erfüllen:

æ Das Angebot muss Betriebsinhaber/-innenvon vornherein angemessen und vertrauens-würdig und den Beschäftigten sinnvoll er-scheinen.

æ Die Unterstützung darf sich nicht auf Einzel -aktionen beschränken, sondern muss einenOrdnungsrahmen für ein Gesundheitsmana-gement geben, um nachhaltige Strukturenzu sichern.

æ Das Gesundheitsmanagement muss nahezu„von selbst“ funktionieren, ohne zusätzlicheManagementressourcen zu beanspruchen.

æ Alle Maßnahmen müssen sowohl von der Un -ternehmensführung als auch der Belegschaftaktiv mitentwickelt und getragen werden.

æ Das Angebotsspektrum darf sich nicht in ver-haltenspräventiven Maßnahmen (z. B. dieKlassiker Ernährung, Sport, Entspannung) er-schöpfen. Vielmehr müssen auch veränder-bare Arbeitsbedingungen im Rahmen einerVerhältnisprävention verbessert werden.

æ Es muss eine Palette von niederschwelligenDienstleistungen entwickelt werden, die dieBetriebe kurzfristig, punktgenau und vor al-lem günstig einkaufen können.

Ein besonderes Augenmerk gilt der Beschäfti-gungsstruktur der Branche mit ihrem hohenFrauenanteil und dem hohen Anteil von Teil-zeitbeschäftigten. Beide Beschäftigtengruppenstellen besondere Anforderungen an eine Um-setzung von BGM in kleinen Betrieben.

Als zentrale Träger eines solchen Angebots bie-ten sich die Branchenverbände an, die als be-kannte Partner für Fragen der Unternehmens-entwicklung das Vertrauen der Mitgliedsbetriebegenießen und über die notwendigen Strukturenverfügen, um ein überbetriebliches Gesund-heitsmanagement in der Fläche verbreiten zukönnen.

Zudem sind uns die Menschen vor Ort sowiederen Bedarfe und Probleme bekannt. Die Ver-bandsmitarbeiter sind regelmäßig in den Be-

trieben und haben im Laufe der Jahre viele per-sönliche Beziehungen zu Inhabern, Geschäfts-führern, Betriebsräten und vielen Beschäftigtenaufgebaut. Aus dieser Vertrauensposition herauswollen wir im Projekt Unterstützungsstrukturenaufbauen, die den Betrieben und den Beschäf-tigten tatsächlich nutzen. Das Angebot ist na-türlich grundsätzlich auch offen für Betriebe,die nicht im Verband organisiert sind.

Wir gewinnen derzeit in einem ModellversuchErfahrungen darüber, inwieweit die bisher ge-planten Angebote tatsächlich auch in kleinerenBetrieben Nutzen stiften. Wenn nötig, werdenwir die Instrumente so lange optimieren, bis siegeeignet sind, die Probleme unserer Klienteltatsächlich zu lösen.

Unser erster Aufruf an unsere Mitgliedsbetriebe,sich im Rahmen des Modellversuchs zu beteili-gen, hat ein sehr großes Echo erzeugt. Nichtnur viele kleine Unternehmen, sondern überra-schenderweise auch mehrere große Filialistenhaben ihre Mitarbeit im Modellversuch zugesi-chert und ihr Interesse an dem neuen Leis-tungsangebot selbst jenseits der Projektlaufzeitbekundet.

Wir verstehen dies als Herausforderung und se-hen uns in der Verantwortung, praxisgerechteund kosteneffiziente Angebotsstrukturen fürüberbetriebliches Gesundheitsmanagement zuentwickeln und zu erproben, die in kleinen undkleinsten Betrieben und Geschäften geeignetsind, die Gesundheit zu erhalten und zur Zu-kunftssicherung beizutragen.

Die AutorenThomas Kunz ist Hauptgeschäftsführer desHandelsverbands Ostwestfalen-Lippe e.V. mitSitz in Bielefeld.

RA Thomas Schäfer ist Hauptgeschäftsführerdes Handelsverbands Nordrhein-WestfalenWestfalen-Münsterland e.V. mit Sitz in Dort-mund und Münster.

1 Kurt-Georg Ciesinger und Rainer Ollmann stellen einige Detail -ergebnisse dieser Befragung in ihrem Beitrag „Zeitdruck,Schwerarbeit und problematische Kunden – Gesundheitsbelas -tungen im Einzelhandel“ in dieser Ausgabe der transfær vor.

Der Einzelhandel ist mit ca. 300.000 Unternehmen, gut 480 Mrd. Euro Jahresumsatz, knapp drei

Mio. Beschäftigten und etwa 160.000 Auszubildenden der drittgrößte Wirtschaftszweig in Deutsch-

land. Aber: Die Branche ist seit Langem durch massiven Wettbewerb, fortschreitende Konzentration,

Flächenexpansion und einen sinkenden Anteil am privaten Konsum geprägt. Zudem stagnieren seit

Jahren die Umsätze im Handel, wenn man den Online-Handel außer Acht lässt. Ferner forciert die

Digitalisierung den Strukturwandel im Handel und beeinflusst dessen Zukunft.

Thomas Kunz, Thomas Schäfer

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Selbstreflexion Interaktion 13transfær 1 | 2017

Interview

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„Die Gesundheit unserer Beschäftigten liegt uns sehr am Herzen.“

Was hat Sie bewogen, als Modellpartneran dem Projekt „ÜberbetrieblichesGesund heitsmanagement im Einzelhandel“teilzunehmen?Das Thema Gesundheit ist aufgrund der Verän-derungen unserer Branche und unseres Betrie-bes in den letzten Jahren bei uns immer wich-tiger geworden. Noch ist unser Team jung, aberwir wollen auch, dass wir alle noch in 20 Jahrengesund, leistungsfähig und motiviert sind. Dennich bin sicher, dass die Anforderungen an unserGeschäft und unsere Beschäftigten auch in derZukunft bestimmt nicht abnehmen werden.

Was hat sich denn für Sie und Ihr Geschäftin den letzten Jahren verändert?Wir haben natürlich mit den bekannten Pro-blemen des Facheinzelhandels zu kämpfen: DerInternethandel drückt auf die Preise, die Mallsauf der grünen Wiese ziehen die Kunden ausden Innenstädten und die großen Fachmärkterücken auch uns räumlich immer näher. Wirmüssen den Kunden ein schlüssiges Argumentbieten, warum sie gerade bei uns kaufen sollen.Deshalb haben wir unser Konzept vollständigauf sehr hochwertige Produkte und exzellenteBeratung umgestellt. Wenn man es genaunimmt, ist die Beratung unser eigentliches Pro-dukt, denn die Geräte, die wir verkaufen, be-kommt der Kunde überall. Bei uns, beim Tech-nikmarkt, der buchstäblich nur einen Fußwegentfernt ist, und auch im Internetshop.

Unser Geschäft definiert sich damit über Serviceund Beratung. Daher sind unsere Mitarbeiterunser wertvollstes Kapital. Ihre Gesundheit liegtuns sehr am Herzen.

Wie halten Sie denn Ihre Mitarbeiter fitfür diese Anforderungen?Wenn Sie „fit“ im Sinne von qualifiziert meinen,da tun wir natürlich sehr viel. Wir bilden selbstaus und wir bieten umfangreiche Weiterbildungim fachlichen Bereich an. Wir kümmern uns umunsere Beschäftigten, führen Mitarbeiterge -spräche und versuchen, ihnen Perspektiven inunserem Unternehmen zu schaffen, damit wirdie qualifizierten Leute halten können. Wir bie-ten Vollzeitstellen und beschäftigen auch keineAushilfen mehr, damit wir den fachlichen Stan-dard halten können. Das klappt auch eigentlichalles ganz gut.Wenn Sie aber „fit“ im Sinne von gesund meinen,dann tun wir sicherlich noch nicht genügend.

Warum nicht? Was hält Sie davon ab?Um es auf den Punkt zu bringen: Wir wissennicht genau, was wir tun können. Wir habenschon einmal den Anlauf gemacht, unsere Be-schäftigten zu mehr sportlichen Aktivitäten zumotivieren. Aber da ging das persönliche Inte-resse der Beschäftigten zu stark auseinander.Erwartungsgemäß haben nur diejenigen Inte-resse gezeigt, die ohnehin schon viel Sport ma-chen, aber die brauchten unsere Unterstützung

ja eigentlich nicht. Deshalb haben wir unserEngagement auch wieder eingestellt.Ehrlich gesagt haben wir als Chefs nicht so rich-tig viel Zeit, uns darum zu kümmern. Bei unsläuft ja alles zusammen, wir müssen uns umStrategien, aber auch um viel zu viele kleineDetails kümmern und das Thema Gesundheits-förderung kommt dann noch obendrauf. An dieser Stelle verspreche ich mir auch vondem Projekt einige Unterstützung und Hilfe-stellung. Denn bei allen guten Vorsätzen: Alleinwerden wir das Thema Gesundheit in unseremBetrieb nicht stemmen können.

Was wären denn aus Ihrer Sicht Gesund-heitsthemen, die für Ihren Betrieb wichtigsein können?Wir haben ja verschiedene Mitarbeitergruppenmit verschiedenen Belastungen. Unsere Mon-teure haben z.B. noch viel mit schwerer körper -licher Arbeit zu tun. Ich glaube aber, insgesamtsind die klassischen Themen Sport und Ernäh-rung bei uns nicht so spannend. Viel eher drückt uns das Thema Stress, weil wirmit immer höheren Belastungen klarkommenmüssen. Der Umgang mit Kunden ist dabei einganz besonderes Problem. Hier hat sich auch inden letzten Jahren viel verändert: Kunden sindanspruchsvoller geworden und der Anteil anschwierigen Kunden, die für unsere Mitarbeiterwirklich eine psychische Belastung darstellen,hat zugenommen. Die Kunden werden wir nichtändern können, daher müssen wir lernen, mitdem Stress, den sie auslösen, besser umzugehen.In der Summe sind daher Themen, die ich mirgut für unser Geschäft vorstellen kann: Stress-management, der Umgang mit problematischenKunden und Selbstreflexion. Das würde michselbst auch entlasten, denn als Geschäftsführe -rin und Personalleiterin muss ich schon jetzt zuoft Aufgaben einer Psychologin übernehmen.

Das heißt, psychische Belastungen stehenbei Ihnen an erster Stelle?Absolut. Noch vor wenigen Jahren hätte ich mirnicht vorstellen können, dass psychisch bedingteKrankheiten einmal ein praktisches Problem füruns werden könnten. Und dann hatten wir in

den letzten fünf Jahren zwei Ausfälle wegenpsychischer Probleme. In beiden Fällen habenwir das nicht früh genug erkannt, eigentlicherst, als es zu spät war.Das hat mir sehr zu denken gegeben. Ich hoffe,das passiert uns auch nicht noch einmal. Ichhöre aber von Kollegenbetrieben immer wieder,dass wir da kein Einzelfall sind. Psychische Pro-bleme sind wirklich auf dem Vormarsch. Daszeigen ja wohl auch die Berichte der Kranken-kassen.

Meinen Sie, dass die Angebote des ProjektesIhnen dabei helfen können?Auf alle Fälle. Die Angebote sind schon ziemlichgenau auf die Problemlage im Einzelhandelzuge schnitten und scheinen auch in kleinenUnternehmen praktikabel zu sein. Wir sind aufjeden Fall optimistisch und gespannt.

Was sollen Ihre Schwerpunkte im Projekt sein?Ich würde mal sagen: Die „weichen Themen“sind wichtig. Ich würde sehr gern daran arbei-ten, unsere Beschäftigten darin zu schulen,selbstreflexiv und achtsam zu werden, damitsie mit dem Stress besser umgehen können.Dazu kann ich mir gut vorstellen, das Selbst-monitoring DosiMirror einzusetzen, denn daszielt ja darauf ab, mehr über sich selbst zu ler-nen. Wir als Führungskräfte können das auchgut gebrauchen, um uns einmal darüber be-wusst zu werden, was uns Stress macht undwie wir darauf reagieren. Dafür scheint mir dasein gutes Instrument zu sein.Die „Schnelle Hilfe“ würden wir auch gern nut-zen. Hätten wir eine solche Hotline für alle Pro-bleme unserer Beschäftigten schon damals ge-habt, hätte man vielleicht den psychischerkrankten Beschäftigten, von denen ich ebengesprochen habe, früher helfen können und eswäre gar nicht zu einem Ausfall gekommen.Und das Lernmodul Kundenkommunikationwerden wir sicherlich in Anspruch nehmen. Daskönnen wir alle gar nicht oft genug trainieren.Wovon ich mir aber auch sehr viel verspreche,ist der Austausch mit Kollegen: Vielleicht hat jaeiner schon mal die gleichen Probleme gehabt

wie wir oder ähnliche Maßnahmen durchge-führt, die wir jetzt auch planen. Davon könntenwir sehr profitieren. Mein Ziel ist es, dass jeder von uns, Beschäftigteund Leitung, sicherer und gefestigter im Um-gang mit Stress wird. Das würde uns allen sehrhelfen.

Vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolgbei Ihrem Gesundheitsvorhaben.

Claudia Branz ist, gemeinsam mit ihrem Bruder Thomas Branz, Inhaberin des Einzel-handelsgeschäfts Branz Haus + Küche, einem unabhängigen, traditionsbewusstenFamilienunternehmen, in vierter Generation,in Dortmund. Das Unternehmen hat sich auf langlebige,umweltfreundliche und intelligente Produktespezialisiert, die einfach zu bedienen, perfektin ihrer Funktion und nachhaltig sind. DieUnter nehmensphilosophie richtet sich abernicht nur auf die Qualität der Produkte, sondern auch auf die Qualität der täglichenArbeit und die menschliche Verbundenheit der beschäftigten Mitarbeiter/-innen.Branz Haus + Küche ist eines der 40 Modell-unternehmen im Projekt „ÜberbetrieblichesGesundheitsmanagement im Einzelhandel“.

Das Gespräch führten Kurt-Georg Ciesingerund Rainer Ollmann.

Claudia Branz

Interview mit Claudia Branzvon Branz Haus + Küche über die Ziele und Probleme des Gesundheitsmanagementsin einem Kleinbetrieb

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Betriebliche Sozialarbeit

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„Schnelle Hilfe“ auch für kleine UnternehmenEin Angebot externer betrieblicher Sozialarbeit Jana Hausmann

Den Kopf voller Sorgen und dann gut arbeiten? Das geht nicht immergut. Die Anforderungen und Belastungen der Arbeitswelt und des Alltagshaben in den letzten Jahren merklich zugenommen – die Auswirkungenauf Beschäftigte sind spürbar und inzwischen in aller Munde. Krank-heitsbedingt verlassen Fachkräfte das Unternehmen. Dadurch entstehenUnternehmen erhebliche Schäden, zum Beispiel durch sinkende Leis-tungsfähigkeit, steigende Fehlerquoten, (lang andauernde) Fehlzeiten,Unfälle oder Spannungen im Betriebsklima.

Berufliche Belastungen wie ein hohes Arbeitspensum, Zeitdruck, schwie-rige Kunden, Konflik te im Team oder mit Vorgesetzten, aber auch Ent-wicklungen und Veränderungen im Unternehmen werden oft gedanklichmit nach Hause genommen. Und private Probleme in der Familie, Tren-nungen, Probleme in der Erziehung und Krankheit nahestehender Men-schen werden umgekehrt mit zur Arbeit genommen. In der Regel hältniemand solchen Belastungen lange stand.

Um diesen Umständen Rechnung zu tragen, werden im Projekt „Über-betriebliches Gesundheitsmanagement im Einzelhandel“ Dienstleistungenim Bereich der externen Mitarbeiterberatung/Sozialberatung entwickeltund erprobt. Dieser BGM-Baustein wird als „Schnelle Hilfe“ bezeichnet:Dazu gehört eine Telefonhotline in Kombination mit einer persönlichenBeratung zu allen Fragen und Problemen, die mit belastenden Lebenssi-tuationen zusammenhängen. Für den operativen Umsetzungszeitraum

Über eine zu Kernzeiten erreichbare Informati-ons- und Beratungshotline können Beschäftigteihr Anliegen formulieren und kurzfristige Bera-tungstermine vereinbaren. Im Erstberatungsge-spräch beginnt der Prozess der Kurzzeitberatungmit Lotsenfunktion. Die qualifizierten und er-fahrenen Beraterinnen und Berater arbeiten lö-sungsfokussiert. Nach Identifizierung der be-lastenden Faktoren aus dem beruflichen (z.B.Konflikte, Mobbing, Überbelastungen) wie pri-vaten Lebensbereich (z.B. Erziehung, Partner-schaft, Sucht) wird gemeinsam mit den Klientenan einer Lösung oder der Herbeiführung einerLösung gearbeitet. Es können zur Klärung undProblembewältigung weitere Folgegesprächevereinbart werden.

Bei einem weitergehenden oder speziellen Be-ratungsbedarf erfolgt eine schnelle Vermittlungin das öffentliche Beratungs- und das medizi-nische Versorgungssystem. Zeigt die Beratung,dass eine Vermittlung in Fachberatungsdienste(Schulden, Familie, Sucht u.v.m.) notwendig ist,begleiten die Berater/-innen der „SchnellenHilfe“ den Übergang und stehen den Beschäf-tigen während des Prozesses weiterhin als An-sprechpartner zur Verfügung. Stellt sich bei derBeratung heraus, dass gesundheitliche Be -einträchtigungen, psychisch oder physisch, ur-sächlich oder aus der Belastung erwachsen sind,kann die „Schnelle Hilfe“ zur Abklärung desSachverhalts an Spezialisten vermitteln, die eineDiagnose erstellen und den Beschäftigten/dieBeschäftigte bei der schnellen Überleitung insmedizinische Hilfesystem aktiv begleiten. ZurAbklärung wird der WAI (Workability Index) alsstandardisiertes Instrumentarium verwendet.

Zielsetzung des bewährten und praxistauglichenBGM-Bausteins ist der Erhalt bzw. die Wieder-herstellung der Leistungsfähigkeit von Beschäf-tigten und Führungskräften. Ein besonderes Au-genmerk liegt dabei auf der Stärkung der Acht-samkeit und Widerstandskraft. Die „SchnelleHilfe“ unterstützt Beschäftigte präventiv oderkurativ bei der (Wieder-)Herstellung oder Ent-wicklung ihrer Handlungsfähigkeit und Pro-blemlösungskompetenzen. Arbeitsbewältigungs -coaching (abc-Coaching®), Achtsamkeits- undResilienz-Trainings sind die angewandten Me-thoden.

Für den Arbeitgeber ergeben sich durch die Nut-zung zahlreiche Vorteile:1. Die „Schnelle Hilfe“ bietet ein kontinuierliches

Präventionsangebot zur frühzeitigen Bear-beitung von Belastungen für die Beschäftig-ten aller Hierarchiestufen ohne erhöhten per-sonellen Aufwand für das Unternehmen.

2. Dem Arbeitgeber steht somit ein externesund vertrauliches Angebot zur Verfügung,was die Akzeptanz und die Inanspruchnahmebei den Beschäftigten erhöht. Gleichzeitigist es ein niedrigschwelliges Angebot, dasdurch einfache, schnelle und frühzeitige Hilfeunkompliziert genutzt werden kann.

3. Durch regelmäßig ausgestellte anonymisierteReportings können die Unternehmen mög-liche Schwerpunkte und betriebsspezifischeBelastungen erkennen.

4. Die Unternehmen kommen in besondererForm ihrer Fürsorgepflicht nach und ver-zeichnen zusätzlich einen Imagegewinn, dersich nachhaltig auf das Employer Brandingauswirkt.

5. Nicht zuletzt ergeben sich auch positivebetriebs wirtschaftliche Effekte. Wenn die„Schnelle Hilfe“ präventiv angewendet, dasheißt, wenn gehandelt wird, bevor Beschäf-tigte ausfallen, erreichen die Betriebe einhöhe res Leistungsvermögen ihrer Beschäf-tigten und es ergeben sich weniger Folgenvon Präsentismus.

FazitIm Rahmen der „Schnellen Hilfe“ können Be-schäftigte in problematischen Lebenssituationenund bei hohen Belastungen persönlich beratenund bei Bedarf in sehr kurzer Zeit in eine eng-maschige individuelle Betreuung durch entspre-chende Spezialisten (Fachberatungsstellen, me-dizinische und psychologische Angebote usw.)übergeleitet werden, um so die Gesundheit derBeschäftigten zu erhalten und längere krank-heitsbedingte Ausfallzeiten, die für Kleinst- undKleinbetriebe bedrohlich sein können, zu ver-meiden.

Die AutorinJana Hausmann ist Diplom-Pädagogin undFachberaterin für Betriebliches Gesundheits-management. Sie ist pädagogische Mitar -beiterin der DAA und stellvertretende Projekt-leiterin des Projektes „ÜberbetrieblichesGesundheitsmanagement im Einzelhandel“.

Durch Stress und psychische Belastungen verursachte

Arbeits unfähigkeitstage haben in den letzten Jahren

überproportional zugenommen und jede zweite Früh -

verrentung ist inzwischen psychisch bedingt. Die beruf -

lichen wie auch privaten Sorgen und Nöte zum Thema

zu machen, ist meist der erste Schritt, dieser Entwicklung

auf individueller Ebene entgegenzuwirken. Jana Hausmann

PersönlicheBeratung

wird ein Anbieter beauftragt, der den BGM-Baustein der „SchnellenHilfe“ in den Modellbetrieben bedarfsgerecht umsetzt. Der Anbieter über-nimmt dabei die Beratung von Beschäftigten bei persönlichen und ar-beitsbezogenen Fragen sowie die Vermittlung in kompetente Beratungs-einrichtungen.

Kurzdarstellung des beauftragen DienstleistungsangebotesDas Angebot der „Schnellen Hilfe“ soll die Beschäftigten insbesonderekleiner und mittlerer Unternehmen dabei begleiten und unterstützen,ihre kleineren und größeren Sorgen anzugehen und in den Griff zu be-kommen, und steht den Beschäftigten bei arbeitsbezogenen, gesund-heitlichen, aber auch persönlichen oder familiären Fragen als Ansprech-partnerstruktur zur Verfügung.

Die „Schnelle Hilfe“ bietet kompetente Beratung zu folgenden Anliegenund Fragestellungen:æ Arbeitsplatz (z.B. Belastung/Überforderung, Veränderungen, Kon-

flikte /Mobbing),æ psychosoziale Problemstellungen (z.B. Stress /Erschöpfung, Therapie-

platzsuche),æ Familie und soziales Umfeld (z.B. Pflege von Angehörigen, Ehe/Part-

nerschaft, Familie, Kinder und Erziehung),æ finanzielle Angelegenheiten/Schulden,æ Sucht und Abhängigkeit.

Ablauf der Mitarbeiterberatung

1. Hotline InfoLinetelefonische Erstberatung Mo + Mi 8.00 –16.00 Uhr

Di + Do 8.00 –18.00 Uhr

2. Persönliches Erstgespräch/Anamnese 60 bis 90 Minutenexterne Beratungsräume

3. Lösungsorientierte Kurzzeitberatung ein bis drei Gespräche

4. Überleitung in bestehende bei BedarfBetreuungsstrukturenæ regionale Fachberatungsstellenæ medizinische u. psychologische Angebote

5. Evaluierungsgespräch Überprüfung nach drei Monaten

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DosiMirror

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DosiMirror – Individuelles Belastungs- und GesundheitsmonitoringBenjamin Schimke, Dagmar Siebecke

Dabei handelt es sich jedoch – wie so häufigbei quantitativ-empirischen Forschungsergeb-nissen – um Durchschnittseffekte in großen Be-völkerungsgruppen. Inwiefern diese oder auchandere (Kausal-)Zusammenhänge zwischen Be-

lastung in der Arbeit und beispielsweise ge-sundheitlichen Beschwerden auf jede einzelneErwerbstätige und jeden einzelnen Erwerbstä-tigen zutreffen, ist unklar und auch nicht Zielsolcher Forschungsansätze. Im Sinne einer in-

dividuell gesundheitsförderlichen Arbeitsweiseoder zumindest zur Sensibilisierung sind dieseallgemeinen Ergebnisse aber bestenfalls grobestatistische Richtwerte. Wer sich mit seinen Ar-beitskolleginnen und -kollegen unterhält, stelltvermutlich fest, dass Tätigkeiten, die einemselbst Schwierigkeiten bereiten oder zu erhöh-tem Beanspruchungsempfinden führen, von an-deren als unproblematisch eingeschätzt werdenoder möglicherweise sogar Ressourcen aktivie-ren, wie z.B. das Sprechen vor einer größerenGruppe von Menschen.

Erst die Beobachtung individueller Belastungs-und Beschwerdeverläufe als Längsschnittbe-trachtung ermöglicht ein ausreichendes Ver-ständnis über persönliche Zusammenhänge undin einem nächsten Schritt eine zielgerichteteVeränderung der Umstände und/oder eine ge-eignete individuelle Prävention. Ein entspre-chendes Instrument zur Messung dieser indivi-duellen Zusammenhänge muss im besten Fallein niedrigschwelliges und leicht verständlichesAngebot sein, da die meisten Erwerbstätigenwenig mit Arbeits- und Gesundheitswissen-schaft zu tun haben dürften und keinen Coachoder Experten zur Hand haben, der sie bei derInterpretation unterstützt. Zudem sollte sicher-gestellt sein, dass die Anwender/-innen einessolchen Angebots einen direkten Nutzen fürsich sehen, um die Motivation, sich selbst übereinen gewissen Zeitraum zu beobachten, zu er-halten. Ein solches Instrument existierte – nachKenntnisstand der Autoren – bis zum heutigenTag nicht.

Das DosiMirror schließt diese elementare Lücke.Es basiert auf langjährigen Vorarbeiten der gausgmbh, wurde weiterentwickelt und nun im Mo-dellprojekt: „Überbetriebliches Gesundheitsma-

nagement im Einzelhandel“ eingesetzt. Dosi-Mirror wurde in Analogie zum StrahlenschutzDosimeter – welches z.B. Arbeiter in Atomkraft-werken zur Messung der Strahlenbelastung überdie Zeit hinweg tragen – entwickelt und dientder Messung von kumulativen Belastungen inArbeit und Privatleben. Der Namensteil Mirrorbezieht sich darauf, dass den Teilnehmerinnenund Teilnehmern mit dem Instrument ein Spie-gel zur Selbstreflexion angeboten wird: Die ge-messenen Daten werden aufbereitet, in leichtzugänglichen Grafiken weiterverarbeitet undder Benutzerin bzw. dem Benutzer in Echtzeitmit einer Interpretationshilfe zurückgespiegelt.Die Idee hinter dieser Verfahrensweise ist gleich-zeitig einfach und – das haben die ersten Test -einsätze von DosiMirror erwiesen – sehr prak-tikabel. Die bisherigen Anwender/-innen habensich selbst über einige Wochen lang mithilfedes Tools beobachtet, täglich sehr diszipliniertAngaben gemacht und dadurch spannende Ein-blicke in die Zusammenhänge zwischen ihremArbeitsalltag und ihrem Befinden gewonnen.

Damit die tägliche Datenerfassung in einemüberschaubaren Rahmen und praktikabel bleibt,ist DosiMirror auf 20 Fragen begrenzt. Diese 20Items – zu beantworten auf zehnstufigen Ant-wortskalen – verteilen sich auf insgesamt vierThemenbereiche. Dabei bilden die Erfassung vonBelastungen (im umgangssprachlichen Sinne)in der Arbeit wie bspw. Zeitdruck, Arbeitsmengeoder Konflikte, Ressourcen (z.B. Entspannung,sportliche Aktivität oder auch Wertschätzungder Arbeit) sowie persönliches Befinden (bspw.Arbeitszufriedenheit, Stressempfinden oder Spaßbei der Arbeit) und Beschwerden (z.B. Rücken-,Kopfschmerzen oder auch Herz-Kreislaufpro-bleme) den Rahmen der Erhebung.

Zu jedem der vier Themenbereiche hält die gausgmbh ein breites Portfolio an Fragen bereit, diein Zusammenarbeit mit den Beschäftigten desAnwendungsbetriebes ausgewählt werden;schließlich sind sie diejenigen, die sich selbstmithilfe des Tools beobachten sollen. Daher istes naheliegend, die Anwender/-innen selbst aus-wählen zu lassen, welche Merkmale sie inner-halb des viergliedrigen Rahmens von DosiMirrorfür relevant halten bzw. welche dieser Fragenihren (Arbeits-)Alltag am besten widerspiegeln.

Sind die 20 Merkmale ausgewählt, kann die Er-hebungsphase starten.

Jeder Anwender bzw. jede Anwenderin erhälthierfür eine persönliche DosiMirror-Einzelplatz-version. Die Teilnahme erfordert lediglich einenComputer und eine Excel-Version ab 2007. DieBearbeitung erfolgt anschließend auf der loka-len Festplatte. Der Schutz der eigenen Datenobliegt somit jedem einzelnen Nutzer und kannüber eine Passworteingabe erreicht werden. DieTeilnehmer/-innen werden dazu angehalten, anjedem Werktag Angaben zu allen 20 Fragen zumachen. Damit ergeben sich über einen Erhe-bungszeitraum von einigen Wochen individuelleDatenverläufe mit immensem Informations -gehalt.

Diese Längsschnittdaten werden von dem Toolin Echtzeit und automatisiert in zweifacherForm und nach jeder einzelnen Dateneingabeaufbereitet. Grafische Verlaufsdarstellungen hel-fen dabei, Muster und Strukturen über den Zeit-raum der Erhebung zu identifizieren. Hierzu einkurzes Beispiel: Möglicherweise nimmt der emp-fundene Zeitdruck einer Anwenderin immerzum Ende einer Arbeitswoche zu. Für den Freitagnimmt sie daher deutlich schlechtere Bewer-tungen vor, die sich mithilfe der Verlaufsdarstel -lung in Form von Belastungsspitzen visualisierenlassen. Die erste Erkenntnis ist demzufolge einsich wiederholendes Muster. In der Analysesollte darüber hinaus ausgewertet werden, obsich Gesundheits- und Erlebensparameter pa-rallel dazu negativ verhalten. Zu befürchten istbeispielsweise, dass sich die Anspannung amletzten Werktag negativ auf die Erholungsphasedes Wochenendes auswirkt.

Diese Zusammenhangsanalysen werden eben-falls automatisch von DosiMirror vorgenommen.Jede Datenreihe eines jeden Merkmals der Di-mensionen Belastungen und Ressourcen wirdzusammen mit jedem einzelnen Item aus denBereichen Befinden und Beschwerden analysiertund in zweifacher Form ausgewertet. Erstensberechnet DosiMirror die statistischen Zusam-menhänge zwischen den individuellen Verlaufs-daten und gibt die jeweils stärksten (positivenund negativen) Korrelationen für die Nutzerin/den Nutzer aus. Zweitens ist mit dieser Ausgabe

Der Großteil der erwachsenen deutschen Bevölkerung verbringt nach wie vor eine Vielzahl

wacher Stunden mit der täglichen Erwerbsarbeit. Dabei sind die Arbeitnehmer/-innen, aber

auch Selbstständige, zunehmend durch Zeit- und Leistungsdruck belastet. Die Kumulation

dieser Belastungen kann mittel- und langfristig zu verminderter Leistungsfähigkeit und auch

zu gesundheitlichen Beschwerden führen. Die Erkenntnisse zu diesen Zusammenhängen sind

nicht nur in der arbeitswissenschaftlichen Forschung bekannt, sondern haben ebenso Einzug

in das Alltagswissen gehalten.

Benjamin Schimke, Dagmar Siebecke

BelastungRessourcen

eine gemeinsame Verlaufsdarstellung der beidenzusammenhängenden Parameter verbunden,sodass die Interpretation auch ohne statistischeKenntnisse intuitiv gelingt. Liegt ein Zusam-menhang zwischen den Belastungsspitzen amEnde einer Arbeitswoche und der Erholungs-phase des Wochenendes vor, dann wird Dosi-Mirror eine entsprechend hohe negative Korre-lation anzeigen. Dieses Ergebnis könnte dieTeilnehmerin nutzen, um Vorschläge dafür zuerarbeiten, den „Wochenendstress“ durch eineveränderte Organisation der Arbeit zu minimie-ren, und diese Vorschläge anschließend den Ver-antwortlichen im Betrieb in geeigneter Formunterbreiten.

Neben der individuellen Unterstützung von Be-schäftigten sind für DosiMirror aber auch zahl-reiche weitere Einsatzbereiche denkbar. Aufbetrieb licher Ebene kann es ebenso das Gesund-heitsmanagement unterstützen oder aber alsEvaluationsinstrument für betriebliche und/oderpersönliche Veränderungsmaßnahmen genutztwerden.

Der Autor, die AutorinBenjamin Schimke, M.A., ist wissenschaft -licher Mitarbeiter der gaus gmbh – medienbildung politikberatung. Er ist seit einigenJahren für die quantitativen Erhebungen dergaus gmbh und deren statistische Auswer-tung zuständig.

Dr. Dagmar Siebecke, Dipl.-Psych. Dipl.-Arb.wiss., ist wissenschaftliche Mitarbeiterin der gaus gmbh und Inhaberin des Burnon-Zentrums Düsseldorf für Burnout-Prävention,-Beratung und -Coaching.

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DosiMirror

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Selbstreflexion durch DosiMirror: AuswertungsbeispieleKurt-Georg Ciesinger, Benjamin Schimke

Das Vorgehen bei der Nutzung von DosiMirror in einem Betrieb umfasst fol-gende Schritte:1

1. In einem moderierten Dialog werden die 20 (vier mal fünf) Fragen konsen-sual ausgewählt.

2. Die Beschäftigten füllen DosiMirror über einen Zeitraum von mindestenssechs Wochen täglich aus.

3. Ein Coach der „Schnellen Hilfe“ steht begleitend für vertiefende Auswer-tungen für jeden Teilnehmer zur Verfügung.

4. Die Daten aller Beschäftigten werden mit Zustimmung der Teilnehmer zu-sammengeführt und auf Unternehmensebene ausgewertet.

5. Die Ergebnisse auf Betriebsebene werden vorgestellt und in einem partizi-pativen Prozess in einen Handlungsplan für das Unternehmen überführt.

Nach ca. einer Woche kontinuierlicher Eingabe können die ersten Auswer-tungen abgerufen werden, sodass der Benutzer sich auch ohne Hilfe eines„Fachmanns“ selbst ein Bild über seine individuelle Belastungssituation undmögliche Gesundheitsauswirkungen machen kann. DosiMirror bietet hierzueine integrierte automatisierte Auswertungsfunktion an. Die Auswertung er-folgt einerseits auf der Ebene der einzelnen Fragen und andererseits durchKombination (Korrelation) von verschiedenen Fragen.

Verfolgung einzelner WerteDie einzelnen erfragten Parameter können im Zeitablauf dargestellt werdenund liefern so bereits erste Ergebnisse. Dabei können bestimmte Muster iden-tifiziert und als Basis für die Interpretation und die Entwicklung von Ansatz-punkten für Interventionen herangezogen werden: Sind die Werte konstantnegativ? Gibt es Trends (nach oben oder unten)? Gibt es Trendumkehrungen?Gibt es Einzelwerte, die von der Normallinie abweichen? Gibt es wiederkeh-rende Zyklen (z.B. im Wochenrhythmus)?

Das in Abbildung 1 vorgestellte (reale) Beispiel zeigt hoch differenzierte Da-teneingaben für die Frage nach den täglichen Arbeitsunterbrechungen. DieWerte streuen sehr stark, die gesamte Skala wird genutzt.

Erkennbar ist der Wechsel zwischen einzelnen Tagen mit wenigen Störungenund Tagen mit weitaus häufigeren Störungen. Zu fragen ist hier beispielsweise:Welche Art der Störung liegt an den besonders belasteten Tagen vor? Wassind die störenden Einflüsse? Worin sind sie begründet? Diese Fragen könnenfür jeden der als besonders störungsintensiv identifizierten Tage gestellt undbeantwortet werden. Hierdurch ergibt sich eine sehr differenzierte „Störungs-diagnose“. Umgekehrt ist zu analysieren, wie die identifizierten störungsfreienTage verlaufen. Was ist an diesen Tagen anders? Liegt es an Personen oder

organisatorischen Abläufen? Zudem kann über-prüft werden, ob es Wochentage mit besondershohem Störungspotenzial gibt.

Diese „Kurvendiskussion“ des Verlaufes kanndurch den Teilnehmer selbst durchgeführt wer-den oder aber im Zusammenspiel mit einemCoach, der die entsprechenden Fragen stellt.Ziel ist es, durch eine genaue Analyse der Ursa-chen Lösungsstrategien und Handlungsoptio-nen zur Verbesserung zu erarbeiten. Die Beraterder „Schnellen Hilfe“ (vgl. den Artikel von JanaHausmann in diesem Heft) sind dafür geschult,DosiMirror-Anwender entsprechend zu coachen.

Korrelation verschiedener ParameterZur Identifikation der Zusammenhänge zwi-schen den Parametern werden Korrelationenzwischen den Belastungen und Ressourcen aufder einen und Erleben und Gesundheit auf deranderen Seite berechnet. Für die höchsten Kor-relationen, d.h. für die stärksten Zusammen-hänge, stellt DosiMirror automatisch die Ver-läufe der Parameter grafisch gegenüber.2

Abbildung 2 zeigt beispielhaft eine deutlichenegative Korrelation: Wenn die Arbeitsorgani-sation gut ist, ist das Stressempfinden gering,wenn sie schlecht ist, ist das Stressempfindenhoch. Die Verläufe der beiden Kurven sind na-hezu spiegelbildlich. Der empfundene Stresshängt hier also sehr deutlich von der Arbeits-organisation ab. Wie die Arbeitsorganisationverbesserbar ist, lässt sich ebenfalls durch dieAnalyse von DosiMirror ableiten, denn es sindgenaue Zeiträume definierbar, in denen die Or-ganisation als gut oder als schlecht empfundenwurde. Recherchiert man, wie die Organisationan „guten“ und an „schlechten“ Tagen gestaltetist, so kann man unmittelbar stressreduzierendeKonzepte ableiten.

Betriebliche AuswertungsmöglichkeitenAuf Ebene der Betriebe können die Daten derBeschäftigten (selbstverständlich unter strengerEinhaltung von Freiwilligkeit und Datenschutz)zusammengeführt werden. Somit sind die glei-chen Auswertungen wie oben beschrieben (Ver-laufsdarstellungen und Korrelationen) auch fürden Gesamtdatensatz eines Betriebes berechen-bar. Dies bietet sich an, wenn es z.B. gemein-

same „Problemlagen“ gibt (wie etwa häufigeArbeitsunterbrechungen). Sind die Belastungs-schwerpunkte der Beschäftigten zu heterogen,etwa bei Verkaufs- versus Verwaltungsarbeit,so bietet es sich an, die betriebliche Auswertungfür einzelne Betriebseinheiten zu machen –selbstverständlich unter strenger Beachtung desDatenschutzes.

Das Vorgehen von DosiMirror ist einfach undressourcenschonend und liefert dabei interes-sante Ergebnisse sowohl auf der individuellenals auch auf der betrieblichen Ebene. Die Ein-gabe dauert nach einigen „Übungstagen“ nurzwei Minuten am Tag; ein Aufwand, den jederBetrieb problemlos in die Gesundheit der Be-schäftigen investieren kann. In Kombination mitder „Schnellen Hilfe“ stellt DosiMirror ein Sys-tem dar, das in idealer Weise Verhaltens- undVerhältnisprävention verbindet.

Die Autoren Benjamin Schimke, M.A., ist wissenschaftlicherMitarbeiter der gaus gmbh – medien bildungpolitikberatung. Kurt-Georg Ciesinger ist Geschäftsführer dergaus gmbh.

1 Nicht jeder Schritt muss durchlaufen werden: So kann aufvorgefertigte Fragebögen zurückgegriffen werden (hierdurchentfällt Schritt 1) und eine Auswertung auf Betriebsebene istnicht notwendig (so entfallen die Schritte 4 und 5). Auch dasCoaching ist selbstverständlich optional.

2 In der grafischen Darstellung werden der Übersichtlichkeithalber geglättete Verläufe dargestellt (gleitendes Mittel übersieben Perioden, d.h. eine Woche). Daher beginnt die Verlaufs-darstellung erst am siebten Tag der Zeitreihe.

DosiMirror ist ein softwaregestütztes System zur individuellen Verfolgung gesundheitsrele-

vanter Daten, das auch in Kleinbetrieben und bei Einzel anwendern genutzt werden kann.

Basis ist ein System von 20 Fragen, das vier Bereiche adressiert: Belastungen (z.B. Arbeits-

unterbrechungen), Ressourcen (z.B. Entspannung), Erleben (z.B. Stressempfinden) und

körper liche und psychische Beschwerden.

Kurt-Georg Ciesinger, Benjamin Schimke

Abb.1: Verlaufsdarstellung zu den Arbeitsunterbrechungen. Frage: Wie oft wurden Sie heute in Ihrer Arbeit unterbrochen? Skala: 1 (sehr selten) bis 10 (sehr oft). Fehlende Werte an arbeitsfreien Tagen.

Abb. 2: Zusammenhang zwischen Arbeitsorganisation und Stressempfinden,Siebentages-Durchschnitt (r=.-.516)

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E-Learning

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Gesunde Arbeit lernenE-Learning-Angebote für Gesundheitsmanagement im EinzelhandelJana Hausmann

Auch die vor allem kleinen Filialen und Geschäfte der Modellunterneh-men des Projektes „Überbetriebliches Gesundheitsmanagement im Ein-zelhandel“ berichteten von diesen Zusammenhängen und gaben Anlasszu dem Rückschluss, dass für diesen Bereich der Personalentwicklungexterne Unterstützung benötigt wird, vor allem durch neu ausgerichteteLern- und Coachingprogramme. So wurden onlinebasierte Lernpro-gramme ausgewählt, welche innerhalb der operativen Projektphase inden Modell unternehmen erprobt werden. Die Erkenntnisse werden indie Weiterentwicklung von Angeboten im Bereich gesundheitsgerechtenArbeitsverhaltens für die Branche eingehen. Die Lernprogramme bildendaher einen zukunftsorientierten BGM-Baustein im Rahmen des Mo-dellprojektes.

Im Projekt „Überbetriebliches Gesundheitsmanagement im Einzelhandel“werden aktuell vier Trainingsprogramme zur Unterstützung gesundenArbeitens eingesetzt. Je nach betriebsspezifischem Bedarf können folgen -de Lernprogramme von den Modellunternehmen genutzt werden.

Zum Ablauf – So funktionieren die Lern-und Trainingsprogramme:Die Trainingsprogramme bestehen aus jeweilsfünf Lerneinheiten. Diese speisen sich aus einemkurzen schriftlichen Input (in Form von Lehr-briefen), und zu vielen Lerneinheiten steht zu-sätzlich ein kleiner Lernfilm zur Verfügung. An-schließend erhalten die Teilnehmer/-innen einePraxiswochenaufgabe, die direkt im Arbeitsalltagumgesetzt werden soll. Die Umsetzung dieserAufgabe erfordert es, alte Verhaltensweisen zureflektieren und neue auszuprobieren. So ent-steht im besten Fall ein direkter Lerneffekt.

Der Lerntransfer der Verhaltensweise wird un-terstützt, indem die Teilnehmenden dem Trainerihre Erfahrungen in der Umsetzung der Wo-chenaufgabe schildern und somit schriftlich re-flektieren. Der Trainer gibt daraufhin weitereAnregungen für Verbesserungen oder unter-stützt den Prozess bei auftretenden Hindernis-sen durch vertiefende Fragestellungen und An-weisungen. Er motiviert die Teilnehmer/-innen,die gemachten Lernerfahrungen auch weiterhinanzuwenden und setzt Impulse zu einer kon-kreten Verhaltensänderung. Wird z.B. in einerLerneinheit des Stressmanagement-Programmsder Umgang mit „Multitaskingsituationen“ the-matisiert, besteht die Umsetzung der Wochen-aufgabe darin, die Anregungen und empfoh -lenen Strategien aus der Lerneinheit gleich ineiner Alltagssituation anzuwenden.

Der Trainer bleibt während des gesamten Lern-prozesses Ansprechpartner, von der Einfüh-rungsveranstaltung bis hin zum Abschlussim-pulsseminar. Er übernimmt die konstante Be-gleitung der Lerngruppe, so erhält jede/r Teil-nehmende pro Woche ihre/seine Lernaufgabeund bekommt direkt vom Trainer eine indivi-duelle Rückmeldung zu den geschilderten Er-

fahrungen. In den Abschlussimpulsseminarenkönnen die Lerneinheiten in Kleingruppen vorOrt vertieft und durch Praxismethoden ergänztwerden.

Für die Beschäftigten der Modellunternehmenergibt sich der Vorteil, dass die Lernenden dieInhalte unabhängig von Ort und Zeit direkt amArbeitsplatz umsetzen können. Der Lernansatzfördert neben der theoretischen Wissensver-mittlung den Transfer in die Praxis. Das heißt,der Fokus liegt auf der Einübung von gesund-heitsförderlichen Verhaltensweisen, und vor al-lem wird deren Verankerung im Arbeitsalltagmit Hilfe der Lerneinheiten angestoßen. Durchden methodischen Mix aus theoretischen Im-pulsen der wöchentlichen Lernbriefe, den prak-tischen Beispielen aus den Lernfilmen und derReflexion von eigenen Verhaltensroutinen durchdie Wochenaufgabe werden die Verhaltensän-derungen zielgerichtet angestoßen.

Die Rückmeldung durch den Trainer bietet dienotwendige externe Perspektive, um den Trans-fer des Gelernten nachhaltig zu sichern.

Um gesundes Arbeiten in den Filialen anzusto-ßen, werden die E-Learning-Angebote als ver-

Die Einzelhandelsbranche ist gezeichnet von Klein- und Kleinstunternehmen. Oft gibt es für strategische

Personal entwicklung und Gesundheitsansätze wenige Ressourcen. Gerade im Einzelhandel erschweren die

flexiblen Arbeitszeiten und Schichtmodelle die Teilnahme an Qualifizierungsmaßnahmen; hinzu kommt,

dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufgrund von Teilzeitbeschäftigung und/oder Mehrfachbelastung

wenig Zeit für klassische Lernformen wie „Seminare“ mit langen Freistellungszeiten aufbringen können.

Jana Hausmann

Richtig führenIn diesem speziellen Angebot für Führungskräfte werden dieTeilneh mer/-innen dabei unterstützt, die eigene Führungsarbeitzu reflektieren und grundlegende Instrumente systematischanzu wenden, wie z.B. „Ziele vereinbaren“ und „Feedback-Gespräche führen“.

Persönliches StressmanagementIm Programm „Stressmanagement“ arbeiten die Teilnehmer/-innen intensiv an ihrem persönlichen Umgang mit Belastungenund Überlastungen.

Arbeiten im Team„Arbeiten im Team“ trainiert die wichtigsten Kompetenzen füreine wertschätzende, konstruktive und effektive Zusammenarbeitim Betrieb.

KundenkommunikationDas Lernprogramm behandelt das breite Spektrum der Kunden-kommunikation von der Erstkontaktaufnahme über die freund -liche und zielführende Kundenberatung bis zum erfolgreichenAblauf von Reklamationsgesprächen.

haltensorientierter BGM-Baustein eingesetztund erprobt. Der größte zu nennende Vorteilliegt darin, dass das Verhaltenstraining direktin den Arbeitsprozess integriert wird. Die E-Learning-Angebote sind damit insbesondere fürdie Klein- und Kleinstbetriebe im Einzelhandelein praxisorientierter BGM-Baustein, da sie sichohne großen Zeit- und Organisationsaufwandumsetzen lassen.

Die AutorinJana Hausmann ist Diplom-Pädagogin undFachberaterin für Betriebliches Gesundheits-management. Sie ist pädagogische Mitar -beiterin der DAA und stellvertretende Projekt-leiterin des Projektes „ÜberbetrieblichesGesundheitsmanagement im Einzelhandel“.

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Gemeinsam stark

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Das Projekt „Überbetriebliches Gesundheitsmanage-

ment im Einzelhandel“ wird intensiv unterstützt durch

die Einzelgewerkschaft ver.di (vertreten durch die

Bezirke Dortmund und Bielefeld/Paderborn sowie

den Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB-Regionen

Dortmund-Hellweg und Ostwestfalen-Lippe).

Die Vertreter von ver.di und DGB übernehmen dabei die Aufgabe derBegleitung bei der Konzeption der Angebote und der Ausgestaltungder Modellversuche aus gewerkschaftlicher Perspektive. Dabei stelltdie intensive Mitarbeit der Gewerkschaften sicher, dass die Entwick-lungs- und Umsetzungsprozesse partizipativ gestaltet werden unddie Interessen der Beschäftigten adäquat Berücksichtigung finden.

Die Ziele und Ansprüche der Gewerkschaften bei der Umsetzung vonArbeitsschutz und Gesundheitsmanagement im Einzelhandel verdeut -lichen die Statements der beteiligten Gewerk schaftsvertreter/-innenim Projekt:

Ulrich MathiakWir benötigen eine starke Mitwirkung bei der Gestal-tung von Arbeitsplätzen und Umgebungsbedingungen,denn nach wie vor kann die Arbeit im Einzelhandelhoch belastend sein. Da geht es z.B. um die ergono-mische Gestaltung der Kassenarbeitsplätze, Lärmschutzund klimatische Bedingungen oder die Lastenhandha-bung. Hier ist in der Vergangenheit schon viel geleistetworden, aber im Einzelfall immer noch viel zu tun. Da-bei brauchen wir einen Dialog zwischen den Beschäf-tigten und den Leitungen, denn gesunde Arbeitsbe-dingungen können nur geschaffen werden, wenn dieBeschäftigten als Experten in eigener Sache einbezogenwerden. Im Projekt „Überbetriebliches Gesundheitsma -nagement im Einzelhandel“ werden wir als Gewerk-schaften gemeinsam mit den beteiligten Handelsver-bänden diesen notwendigen Dialog in den Betrieben,aber auch in der gesamten Branche unterstützen.

Jutta ReiterDie Gesundheitsverantwortung liegt bei den Unternehmen wie auch bei denBeschäftigten. Wenn die Belastungen in dem Maße steigen, wie dies in denletzten Jahren zu beobachten ist, wird die Gesundheitskompetenz immerwichtiger, um diese Verantwortung übernehmen zu können. Wir benötigendaher eine umfassende Qualifizierung zum Arbeits- und Gesundheitsschutzbereits ab der Ausbildung für alle Beschäftigten. Als Pendant dazu brauchenwir die Weiterbildung der Führungskräfte zum Arbeits- und Gesundheits-schutz und auch zu „gesunder Führung“. Denn Studien zeigen, dass das Ver-halten der Führungskräfte Belastungsfaktor Nummer eins ist – aber bei rich-tiger Führung auch die größte Gesundheitsressource im Betrieb. Dabei könnendie Führungskräfte gerade in Sachen Gesundheitsförderung auch unterstütztund entlastet werden durch qualifizierte Gesundheitsbeauftragte zu ver-schiedenen gesundheitsrelevanten Themen aus dem Kreis der Beschäftigten,mit den Ziel, „Kümmerer“ für gesunde Arbeit im Betrieb zu verankern.

Ulrich MathiakArbeitsschutz- und Gefährdungsanalysen werden leider oftmals– aus Gründen der Vereinfachung – sehr pauschal durchgeführt.Wir benötigen aber unbedingt eine größere Differenzierungder Tätigkeiten, denn diese sind gerade im Einzelhandel sehrkomplex. Vor allem aber die langfristigen Wirkungen über dieDauer des Arbeitslebens werden heute noch viel zu wenig be-achtet. Dies ist umso dramatischer, als unsere Arbeitsgesellschaftja rapide altert und wir es in naher Zukunft mit immer mehrälteren (und alten) Beschäftigten zu tun haben werden. Wennwir zukunftsfähige, gesunde Arbeitsplätze gestalten wollen,benötigen wir Mischarbeitsplätze mit planvollen Belastungs-wechseln, qualifizierte Arbeitsplatzbeschreibungen mit Bewer-tung der spezifischen Belastungen und eine Anpassung der Ar-beitsplatzanforderungen an das Lebensalter. Nur so erreichenwir, dass die Beschäftigten im Einzelhandel gesund bis zumRenteneintritt arbeiten können.

Jutta ReiterDie Gesundheit der Beschäftigten ist nicht nur ein Themafür Großunternehmen, sondern geht jeden Betrieb an. Da-her sehen wir auch jeden Betrieb in der Pflicht, ein Ar-beitsschutz- und Gesundheitsmanagement einzuführenund dies konsequent gemeinsam mit Gesundheitsexpertenund den Beschäftigten umzusetzen. Dies wird bei unter-schiedlichen Betriebsgrößen unterschiedlich zu interpre-tieren sein, aber die grundsätzliche Verantwortung müssenauch kleine Betriebe übernehmen. Da aber die kleinerenBetriebe gerade im Einzelhandel nicht von sich aus in derLage sein werden, ein tragfähiges Gesundheitsmanagementeinzuführen, begrüßen wir die Initiative der Handelsver-bände Westfalen-Münsterland und Ostwestfalen-Lippe,hier überbetriebliche Angebote zum Gesundheitsmanage-ment zu entwickeln, um gerade auch die kleinen Betriebezu unterstützen.

Martina SchuGenau wie im Bundesdurchschnitt fast aller Branchen steigen auch im Einzelhandeldie Ausfälle durch psychisch bedingte Krankheiten in den letzten Jahren an. Arbeits-verdichtung, schwierige Kunden, das Verhältnis zu den Vorgesetzten und oftmalsauch die sozialen Beziehungen im Team können stark belasten und krank machen. Esist höchste Zeit, dass wir uns auch intensiv um die Fragen der psychischen Gesund-erhaltung kümmern. Dabei müssen wir einerseits genau die Bedingungen analysieren,die die Beschäftigten psychisch belasten, und diese Bedingungen verbessern. Undwir müssen Hilfestellungen geben, wie die Beschäftigten mit den dann immer nochbestehenden Belastungen umgehen können. Von daher müssen wir – gerade bei psy-chischen Belastungen – am Verhalten und an den Verhältnissen ansetzen.

Martina SchuKleine und kleinste Betriebe machen den Großteil der Einzelhandelsbrancheaus. Auch wenn wir als Gewerkschaft selbstverständlich jedes Unternehmen inder Verantwortung sehen, etwas für die Gesundheit der Beschäftigten zu tun,so wissen wir natürlich auch, dass dies in den kleinen Geschäften, bei denender Inhaber nicht selten selbst „die Regale einräumt“, nur sehr schwer zu leistenist. Daher dürfen die kleineren Betriebe nicht von der Gesellschaft allein gelassenwerden, wenn sie ihre Gesundheitsverantwortung umsetzen wollen. Hier sindvor allem die Krankenkassen, Berufsgenossenschaften und die Rentenversiche-rung gefordert, auch die kleineren Betriebe stärker zu unterstützen. Projektewie „Überbetriebliches Gesundheitsmanagement im Einzelhandel“ sind dabeiganz wichtig, um Wege zu zeigen, wie Gesundheitsförderung auch in kleinerenBetrieben ganz praktisch funktionieren kann.

Die Autorinnen, der AutorUlrich Mathiak ist Stellvertretender Vor -sitzender des ver.di-Bezirks Dortmund.

Jutta Reiter ist Vorsitzende der DGB-RegionDortmund-Hellweg.

Martina Schu ist Bezirksgeschäftsführerindes ver.di-Bezirks Bielefeld /Paderborn.

Ulrich Mathiak, Jutta Reiter

Gesundheitsmanagement geht nur gemeinsam: Partizipative Ansätze bei der Gestaltung guter und gesunderArbeitStatements aus gewerkschaftlicher Sicht

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