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Prof. Dr. Dr. h.c. Hans Kaminski
Institut für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
Ökonomische Bildung für mündige Konsumenten – ein ausreichender Ersatz für
Verbraucherschutzmaßnahmen?
15. Norddeutscher Bankentag Lüneburg, 1. Juli 2015
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1. Ökonomische Bildung/Verbraucherbildung/Finanzielle Bildung im deutschen Schulsystem – zur Situation – wie kann man damit mündig werden?
1.1 Das Etablierungsproblem 1.2 Das Qualifikationsproblem 2. Herausforderung Verbraucherbildung einschließlich Finanzieller
Allgemeinbildung 3. Verbraucherpolitik, Leitbilder und Verbraucherverhalten 4. Zusammenfassende Bemerkungen
Gliederung
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• Was ist ökonomische Bildung? • Status in der BRD • Verhältnis Verbraucherbildung/Finanzielle Allgemeinbildung und
ökonomische Bildung
1. Status: Ökonomische Bildung
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Wie kann man mündig werden? Ökonomische Bildung kontrovers
Ökonomische Bildung verdirbt
Kinder und fördert die weitere
Ökonomisierung des Bildungssystems!
Ökonomische Bildung ist wichtig!
Ökonomische Bildung erzieht
zum seelenlosen , blutleeren „homo
oeconomicus“!
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Wirtschaftsunterricht ist als Prozess zu verstehen, in dem theoretisches Wissen aufgebaut und in Handlungsbezüge eingebettet wird. Viele gute Einzelinitiativen müssen in ein Konzept ökonomischer Allgemeinbildung eingeordnet werden. Damit wird vermieden, dass sich Ökonomieunterricht in der schlichten und willkürlichen Addition von ökonomischen Episoden ohne Erkenntnisgewinn und Lernfortschritt erschöpft.
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Was ist ökonomische Bildung? Ökonomische Bildung ist Allgemeinbildung
Der mündige Verbraucher
Der mündige Erwerbstätige
Der mündige Wirtschaftsbürger
Leitbilder der ökonomischen Bildung als Lebensbezugsorientierung
Bildungsziele ökonomischer Bildung (1) Bewältigung ökonomisch geprägter Lebenssituationen in unserer Wirtschaftsordnung und Befähigung zur (2) gesellschaftlichen Teilhabe und Mitgestaltung und Beiträge zur (3) Persönlichkeitsentwicklung von Individuen
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Konsumausgaben
Löhne und Gewinne
Sparen
Steuern
Lohnzahlungen des Staates
Transferzahlungen Staatlicher Konsum
Subventionen
Steuern
Import Export
Forderungen ans Ausland
Unternehmen
Vermögens- änderungs-
konto
Staat
Ausland Verbindlichkeiten
Private Haushalte
Wirtschaftsordnung
Ökonomische Bildung nicht im luftleeren Raum, sondern im Kontext der jeweils aktuellen Herausforderungen einer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung
Wirtschaftsordnung W
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Die jeweils aktuell realisierte Wirtschaftsordnung eines Landes, wie sie sich dem Bürger in der Bewältigung von Lebenssituationen darbietet, ist eine erste Kontextbedingung für die Einordnung und Analyse aktueller wirtschaftlicher Phänomene. Private Haushalte, Unternehmen und Staat sind die wesentlichen Akteure einer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung eines Landes. Als gleichartige Wirtschaftseinheiten werden sie zu Sektoren zusammengefasst. Zum Sektor Ausland zählen alle Wirtschaftseinheiten, die ihren Sitz außerhalb der Bundesrepublik Deutschland haben. Es geht nicht nur um das Verständnis der Funktionen eines Sektors, sondern auch um das Verständnis der wirtschaftlichen Verknüpfungen mit den anderen Sektoren im Wirtschaftskreislauf einer offenen Volkswirtschaft (Mikro- und Makroebene). Das Vermögensänderungskonto stellt keinen Akteur dar, sondern ein in der Modellvorstellung vorhandenes Konto. Es zeigt die Quellen der Vermögensbildung und Vermögensverwendung in einer Volkswirtschaft.
Wirtschaftsordnung als Rahmen
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… weder isolierte Mini-VWL und Mini-BWL, sondern ökonomische Bildung hat sich auf Lebenssituationen des Schülers zu beziehen und die Rollen als Verbraucher, künftiger Erwerbstätiger, Wirtschaftsbürger, Versicherungsnehmer, Berufswähler, … „aufzuklären“ im Rahmen unserer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung. Das Verständnis gesamtwirtschaftlicher Abläufe und Zusammenhänge ist für die Entwicklung und Begründung eigener Interessen von Bedeutung. Zwei Beispiele: • Was bedeutet eine Anhebung der Mehrwertsteuer? • Wen trifft eine Anhebung der Kreditzinsen?
Ökonomische Bildung ist deshalb …
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Definition mit breiter Akzeptanz
Ökonomische Bildung wird verstanden als die Gesamtheit aller erzieherischen Bemühungen in allgemeinbildenden Schulen, Kinder und Jugendliche von Jahrgang 1 bis 12 mit solchen
• Kompetenzen (Kenntnissen, Fähigkeiten, Fertigkeiten, Verhaltensbereitschaften und Einstellungen) auszustatten, die sie befähigen, sich mit den • ökonomischen Bedingungen ihrer Existenz und den sozialen, politischen, rechtlichen, technischen, ökologischen und ethischen Dimensionen • auf privater, betrieblicher, volkswirtschaftlicher und weltwirtschaftlicher Ebene auseinanderzusetzen.
Ziel soll sein, sie zur Bewältigung und Gestaltung gegenwärtiger und zukünftiger Lebenssituationen zu befähigen.
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Realisierung? Didaktischer Provinzialismus: die norddeutschen Bundesländer
Jedes Bundesland pflegt seine eigene „Lehrplankultur“.
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Der deutsche Kulturföderalismus führt zu einer Vielzahl unterschiedlicher „Konzeptionen“ ökonomischer Bildung. Aber: In Deutschland gibt es 16 Bundesänder x 4 Schulformen 64-Felder-Matrix (mit unterschiedlichen Konzeptionen ökonomischer Bildung)
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Schulfach Wirtschaft
Verbraucherbildung
Finanzielle Allgemeinbildung
Entrepreneurship Education
Berufsorientierung
Wirtschaftsbürgerkunde
…
Sozialkunde
Politik
Weltkunde
Gemeinschaftskunde
Wirtschaft/ Arbeit/ Technik
Tendenz zur Spezialisierung in der ökonomischen Bildung
Tendenz zu Marginalisierung der ökonomischen Bildung
Bildungspolitische Problematik: Ök. Bildung zwischen Marginalisierung und Spezialisierung – ein bildungspolitisches Problem
Einerseits und andererseits
Fach Alltagswissen … (30.06.2015)
Mensch und Umwelt Budget Literacy
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Bildungspolitische Problematik:
Marginalisierung: Problem ist, nur geringe Unterrichtsanteile beziehen sich auf ökonomische Bildung. Es besteht die Gefahr, dass relevante Inhaltsbereiche und die ökonomische Perspektive unberücksichtigt bleiben. Spezialisierung: Problem ist, es mangelt an systematischer Integration in strukturelle ökonomische Zusammenhänge und es werden inhaltliche Dimensionen der ökonomischen Bildung selektiert, mit einem eigenen bildungspolitischen Corpus versehen und damit separiert.
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Man ist nicht für Fächer, weil man damit einem bornierten Fachdenken aufsitzt oder einem kruden Ökonomismus frönt. Fächer sind in allen Schulsystemen dieser Welt die Existenzbedingung und die zentrale Absicherungsform einer inhaltlichen Aufgabe und damit eine Grundlage für die Förderung von anspruchsvollen Lernmöglichkeiten (vgl. Terhart). Interdisziplinarität hat schon zur logischen Voraussetzung Disziplinarität.
Deshalb zentrales Problem: Ökonomische Bildung: Fach oder Prinzip?
Behauptung: Jede als verpflichtend interpretierte inhaltliche Dimension, die im Schulsystem als querliegendes Prinzip etabliert werden soll, wird zum Staatsbegräbnis 1. Klasse.
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Fächer sind kein Glaubensbekenntnis, sondern sind bildungspolitisch existentiell für die Etablierung einer Inhaltsaufgabe im allgemein bildenden Schulsystem, d. h. auch für die finanzielle Allgemeinbildung als Teil der ökonomischen Bildung.
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Schulen können nicht zu verkappten Verbraucherzentralen umfunktioniert werden, sondern sind Stätten der Allgemeinbildung. Sie sind nicht zuständig für Klientel-Bildung, wie wertvoll dies gesamtgesellschaftlich auch eingeschätzt werden mag.
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1.2 Besonders dringend: Das Qualifikations-problem, ohne gute Lehrer keine gute Schule
Konzeptionen unterrichten sich nicht von alleine.
Berufsorien- tierung
kein Fach kein Studiengang kein solides Professionswissen
Keine Forschung Keine didaktische Weiterentwicklung
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Beispiel Niedersachsen:
An allgemeinbildenden Schulen
in Niedersachsen haben lediglich
0,8 % aller hauptamtlichen
Lehrkräfte eine Facultas für
ökonomische Bildung, so
dass die Regel gilt:
Es wird fachfremd
unterrichtet.
Zentrale Herausforderung: Lehrerqualifikation
Quelle: Niedersächsisches Kultusministerium (2013) Statistikbroschüre: „Die niedersächsischen allgemein bildenden Schulen in Zahlen“, Schuljahr 2013/2014, S. 56, http://www.mk.niedersachsen.de
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Fachlich gut ausgebildete Lehrkräfte sind der ‚Flaschenhals‘ für eine bildungswirksame Partnerschaft zwischen Schule und Wirtschaft. Wer selbst nur über wenig ökonomische und wirtschaftsdidaktische Kenntnisse verfügt, ist der wirtschaftlichen Kompetenz eines Praxispartners in gewisser Weise ausgeliefert und muss in hohem Maße Vertrauen schenken. Hier liegt ein grundlegendes Problem. Wer fachfremd unterrichtet oder im Rahmen des Studiums nur wenig ökonomische Anteile studiert hat, der kann Aussagen einer Expertin/eines Experten aus der Praxis weder fachlich einordnen noch kritisch reflektieren. Die Einbettung eines Praxiskontaktes in übergeordnete Sach- und Sinnzusammenhänge können nur solche Lehrkräfte leisten, die über hinreichende fachliche und fachdidaktische Kenntnisse verfügen.
Qualifikation und Praxiskontakte
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Public Private Partnership-Problematik Unterrichtsmaterialen-Problematik Spenden „Kampf um Köpfe“ Ideologisierung
Praxiskontakte für systematische Zusammenarbeit von Schule Wirtschaft
Wirtschaft als Förderer: Corporate Social Responsibility
Wirtschaft als Lernort: Praxiskontakte
MINT Berufs-orientierung
Ökonomische Bildung …
Lehr- kräfte Schüler
Schul- leiter
z. B.
Z. B. fachliche und methodische Folgeprobleme bei Praxiskontakten
Beispiel:
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Gefährliche methodische Fehlentwicklungen! Platter Praxisbegriff
Praktische Tätigkeit ist wichtig, allein reicht sie nicht aus.
„Ein Schüler erhält keinen Begriff vom kategorischen Imperativ, wenn er ein Portrait von Kant abzeichnet.“
(G. Kerschensteiner, 1854-1932)
Reine Gschaftlhuberei hat noch nichts mit Lernen zu tun!
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Stellen Sie sich vor, Sie sind herzkrank und liegen auf dem Operationstisch und erfahren, dass der sie behandelnde Arzt nur das Vorphysikum absolviert, ein Praktikum bei den Johannitern gemacht hat und er seine Doktorarbeit über die wesentlichen Faktoren der Pest im Mittelalter unter besonderer Berücksichtigung der soziologischen Perspektive geschrieben hat.
Solide Qualifikation erforderlich
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– Aber: es sind nicht nur ökonomische Kompetenzen erforderlich • kaum finanzielle Aktionen, die nicht rechtliche Implikationen haben • kaum solide ökonomische Qualifikationen, noch weniger sind juristische
Kompetenzen vorhanden
Qualifikation – juristische Dimension
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„Ich bin fast 18 und hab keine Ahnung von Steuern, Miete oder Versicherungen. Aber ich kann 'ne Gedichtsanalyse schreiben. In vier Sprachen“ Naina (@nainablabla) 10. Januar 2015
2. Herausforderung: Verbraucherbildung einschließlich finanzieller Allgemeinbildung
„Es muss in der Schule um grundlegende ökonomische Kompetenzen gehen, damit man sich eine Meinung bilden kann, nicht über den Tisch gezogen wird und eigene Interessen durchsetzen kann. Wenn ich zum Beispiel das „magische Dreieck“ der Geldanlage kenne, dann weiß ich, dass ich eine möglichst hohe Rendite, eine möglichst große Sicherheit und eine hohe Liquidität nicht auf einmal haben kann. Dann weiß ich auch, dass ein solches Versprechen unredlich ist.“ „Ökonomische Bildung steigert die Kritikfähigkeit.“ Prof. Dr. Dirk Loerwald, Lehrstuhlinhaber für Ökonomische Bildung an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, im Interview mit der FAZ, 30.06.2015
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Neue Situation: Partikular- nicht Gesamtinteressen
Insbesondere Verbraucherorganisationen und –institutionen, Hausfrauenverbände und andere streiten auf allen verbandspolitischen Ebenen für ein eigenes Fach Verbraucherbildung, ohne allerdings die curriculare Situation in den einzelnen Bundesländern einzubeziehen.
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Themen und Handlungsfelder der Verbraucherbildung laut KMK-Empfehlung
Finanzen, Marktgeschehen und Verbraucherrecht, z. B.: • Bewusster Umgang mit Geld • Finanzprodukte, Geldanlagen, Kreditreformen • Private Absicherung und Altersvorsorge • Werbung und Konsum
Medien und Informationen, z. B.: • Informationsbeschaffung und – bewertung • Datenschutz und Urheberrechte • Mediennutzung
Ernährung und Gesundheit, z. B.: • Gesunde Lebensführung • Nahrungsmittelkette vom Anbau bis zum Konsum • Qualitäten von Lebensmitteln und ihre Kennzeichnung • Wertschätzung von Lebensmitteln/Vermeidung von Leb. verschwendung
Nachhaltiger Konsum, z. B.: • Fairer Handel und Produktkennzeichnung • Klima, Energie und Ressourcen • Mobilität und Wohnen • Lebensstile • Globalisierung
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Bei dem breiten Anforderungsprofil: Wer bildet aus? (Welche Professuren mit welchen Denominationen?) Wer unterrichtet? (Ökonomielehrer, Hauswirtschaftslehrer, Technik-Lehrkräfte) Welche Hochschulen?
Ausbildung? Elaborierter Dilettantismus!!
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Die Interessenlage eines Verbrauchers lässt sich nicht angemessen erfassen, wenn nicht gleichzeitig die Interessenlage eines Unternehmens und des Staates in die Analyse einbezogen wird. Nur aus einer gleichzeitigen Betrachtung können fundierte Einsichten gewonnen und verbraucherpolitische Entscheidungsebenen identifiziert werden. Die Rolle, die der Jugendliche im Wirtschaftsgeschehen einnehmen wird, ist eben nicht nur die Verbraucherrolle, sondern auch die des Erwerbstätigen, Unternehmers oder Steuerzahlers. Andernfalls findet Verbraucherbildung unter der „Käseglocke“ statt. Man beschneidet die Erkenntnismöglichkeiten einer kritischen Auseinandersetzung, weil das Feld der jeweiligen Akteure im Verhältnis zueinander voneinander getrennt wird.
Gefahr: Verbraucherbildung unter der „Käseglocke“
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Konsumausgaben
Löhne und Gewinne
Sparen
Steuern
Lohnzahlungen des Staates
Transferzahlungen Staatlicher Konsum
Subventionen
Steuern
Import Export
Forderungen ans Ausland
Vermögens- änderungs-
konto
Staat
Verbindlichkeiten
Private Haushalte Unternehmen
Ausland
Spezialbildung …
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Konsumausgaben
Löhne und Gewinne
Sparen
Steuern
Lohnzahlungen des Staates
Transferzahlungen Staatlicher Konsum
Subventionen
Steuern
Import Export
Forderungen ans Ausland
Vermögens- änderungs-
konto
Staat
Ausland Verbindlichkeiten
Private Haushalte
• Arbeitnehmerhaushalte • Unternehmerhaushalte
Unternehmen
Verbraucherbildung unter der Käseglocke
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Die Verbraucherperspektive ist nur im Lichte auch der staatl. u. unternehmerischen Perspektive zu erfassen – vgl. hierzu: Kinder und ihre Funktionen im Wirtschaftsprozess
Einkommensverwendung von Kindern und Jugendlichen
Vier Funktionen sind zu beachten a) Kinder als Wirtschaftsfaktor b) Kinder als Beeinflusser (Peergroups, Familien,
Referenzgruppen) c) Kinder als Beeinflusste (Peergroups, Referenzgruppen d) Integration der Kinder in Konsum und Gesellschaft
(Sozialisation, Werte, Einstellungen)
Einkommensentstehung von Kindern und Jugendlichen
Taschengeld, eigener Verdienst, Geldgeschenke o. ä.
Staat • Als Produzent von Normen, Regelungen, Verboten, Gesetzen, zum Beispiel Jugendschutz, Verbraucherschutz, Werbeverbote • Geschäftsfähigkeit (§ 110 BGB)
Unternehmen • Produkte für Kinder • Dienstleistungen für Kinder • PR und Werbung für Kinder
Märkte und Sachgüter, Dienstleistungen und Kapital für Kinder und Erwachsene
Haushalte
Erwachsene Kinder
als Mitglieder der Haushalte
Regelungen, Rechtsordnung, Schutzbestimmungen
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Inhaltsaspekte der finanziellen Bildung im Rahmen der ökonomischen Bildung
Ausland • Internationale Finanz- beziehungen • Finanzkrisen und deren Folgen • …
Staat • Geldpolitik • Vorgabe der rechtlichen Rahmenbedingungen (z. B. Verbraucherschutz) • Fiskalpolitik • Finanzmarktregulierung • Soziale Sicherung • …
Unternehmen • Aufgaben und Ziele von Finanzdienstleistern • Entlohnung der Mitarbeiter von Finanzdienstleistern • Giralgeldschöpfung • Anreizsysteme im Vertrieb • …
Privater Haushalt • Umgang mit Krediten • Umgang mit Lebensrisiken • Vermögensbildung/ Altersvorsorge • Geldmanagement • …
Wirtschaftsordnung als permanente ordnungspolitische Gestaltungsaufgabe
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Zentrale Aspekte der Finanziellen Allgemeinbildung
Kaminski, H./Eggert, K. (2008): Konzeption für die ökonomische Bildung als Allgemeinbildung von der Primarstufe bis zur Sekundarstufe II, Berlin, S. 36
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Ergebnisse der Verbraucherverhaltensforschung: 1. Wissen ist nicht gleich Verhalten. 2. Verbraucher lassen sich nicht selten von Stimmungen, Situationen, Eindrücken,
Emotionen, sozialem Umfeld etc. beeinflussen. Verbraucher handeln unter Zeitdruck, sind nur bedingt interessiert und vertrauen
oft blind. 3. Durch selektive Wahrnehmung kann der Bestätigungsirrtum entstehen
(confirmation bias). Informationen werden vernachlässigt oder bewusst in eine Richtung interpretiert, um eine Bestätigung für eine Entscheidung zu bekommen, die bereits getroffen wurde oder noch zu treffen ist.
Vgl. Kroeber-Riel, W. (1975), Konsumentenverhalten Vgl. Kroeber Riel, W./Gröppel-Klein, A. (2013), Konsumentenverhalten
Feststellungen: Einige Aspekte des Verbraucherverhaltens
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Verbraucherbildung im Rahmen ökonomischer Bildung ist eine notwendige, allerdings nicht hinreichende Bedingung für angemessenes Verbraucherverhalten. (vgl. Ergebnisse Verhaltensökonomik, vgl. „Laien-Ökonomen“) Deshalb: Ohne Verbraucherpolitik ist kein angemessener Verbraucherschutz möglich.
3. Deshalb: Bildungsanstrengungen nicht ausreichend - Verbraucherpolitik zwingend ...!
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Leitbild der Verbraucherpolitik
Konsumentensouveränität Konsumentenhilflosigkeit
Der informierte und verantwortungsvolle Verbraucher
Eigenverantwortung stärken
Unterstützung liefern
Schutz sicherstellen
Leitbild der Verbraucherpolitik ist der informierte, verantwortungsvolle Verbraucher
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Verbraucherpolitische Aktionsfelder
Vgl.: Steffens, H. (2014): Verbraucherpolitik, Modul G10, „Ökonomische Bildung online“, hg. vom Institut für Ökonomische Bildung, 3. Aufl., Oldenburg, S. 19
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• Die Kategorie „Vertrauen“ ist restlos zerstört. • Damit ist der Berufsstand der „Banker“ in einer offensichtlichen „Vertrauenskrise“, die nur Schritt für Schritt in einem längeren Prozess wieder verbessert werden kann. • Dies kann m. E. nicht allein über Einzelaktivitäten von einzelnen Bankinstituten realisiert werden, sondern nur in einer gemeinsamen Kraftanstrengung.
Verantwortung des Finanzsystems
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4. Zusammenfassende Bemerkungen
1. Ökonomische Bildung (einschließlich Finanzkompetenz/Verbraucherbildung) ist Allgemeinbildung.
Daraus ergeben sich Konsequenzen: Es ist notwendig, ein bildungspolitisches Bewusstsein dafür zu entwickeln, dass die Verstärkung ökonomischer und finanzieller Kompetenzen in allen Schulformen unabdingbar ist. Diese Kompetenzen sind für die Individuen ein wichtiger Faktor für die Teilhabe in unserer Gesellschaft und ihrer weiteren Ausgestaltung. Nicht: Obst und Birnen und Pflaumen und Kirschen zusammenzählen
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2. Die institutionelle Verankerung der Verbraucherbildung im Schulsystem ist eine Dimension der Gesamtaufgabe „Ökonomische Bildung“. Sie hat auf der Basis hinreichender zeitlicher, personeller, finanzieller Ressourcen zu erfolgen. Deshalb ist die Entwicklung eines bundeslandübergreifenden Kerncurriculums zur ökonomischen Allgemeinbildung einschließlich der finanziellen Dimension erforderlich.
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3. Problem ist nicht auf individualethischer Perspektive zu lösen: Verbraucher handeln nicht ökologisch nachhaltig und sozial verantwortungsvoll, wenn dies für sie nicht von Nutzen ist.
Appelle allein verändern nichts.
• Die Annahme, Menschen gestalten ihren Arbeits-, ihren Konsumalltag permanent als „Heroen“ ist eine einfältige Annahme.
• Bei einer ökonomischen Denkweise gibt es keine Konzentration auf Handlungsgesinnungen, sondern auf Handlungsbedingungen, auf Anreizbedingungen, d. h. „nicht fehlendes Wollen, sondern fehlendes Können ist für das Ergebnis verantwortlich zu machen.“ (Ingo Pies 2000, 18) und dies hat die Verbraucherpolitik zur Kenntnis zu nehmen.
Problem: Moralapelle an Konsumenten sind hilf- und nutzlos
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4. Priorität muss es haben, die Entwicklung von breiten Kompetenzen zur ökonomischen Bildung als zentrale Aufgabe des allgemeinbildenden Schulsystems zu interpretieren. • Dies ersetzt aber nicht die Schutzfunktion des Staates, diese sollte jedoch nicht bis zum verpflichtenden Veganergericht herunter gebrochen werden. • Freiheit als Möglichkeit der individuellen Selbstbestimmung ist in marktwirtschaftlichen Systemen eine zwingende gesellschaftspolitische Warnleuchte.
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Konsequenzen: „Moderne Verbraucherpolitik sollte daher für einen Mindestschutz sorgen, auf den alle Verbraucherinnen und Verbraucher vertrauen können. Dieser Schutz ist für alle Bereiche der Daseinsvorsorge sinnvoll, die Verbraucherinnen und Verbrauchern trotz aller Bildungsanstrengungen verschlossen bleiben.“ Micklitz/Oehler/Piorkowsky u.a. 2010, 2) Quelle: Micklitz, H.-W., Oehler, A., Micklitz, H.-W., Oehler, A., Piorkowsky, M.-B., Reisch, L., Strünck, C.(2010): Der vertrauende, der verletzliche oder der verantwortungsvolle Verbraucher? Plädoyer für eine differenzierte Strategie in der Verbraucherpolitik, Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats Verbraucher- und Ernährungspolitik beim BMELV
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5. Die Lösung der Qualifikationsfrage der Lehrerschaft ist zentral. Erforderlich sind Studiengänge an den Universitäten sowie die Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften, die ökonomische Bildung unterrichten sollen.
Mittelfristig muss es um die Entwicklung einer Lehr- und Forschungsinfrastruktur an Hochschulen gehen, um diese inhaltliche Aufgabe seriös fachlich und fachdidaktisch weiter zu treiben.
6. Es muss zur konzertierten Entwicklung eines Weiterbildungssystems in Norddeutschland kommen, wobei auch an Public-private-Partnership-Modelle zu denken ist.
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Kaminski, H./Eggert, K. (2008): Konzeption für die ökonomische Bildung als Allgemeinbildung von der Primarstufe bis zur Sekundarstufe II, unter Mitarbeit von K.-J. Burkard, im Auftrag des Bundesverbandes deutscher Banken, Berlin Kaminski, H./Verstraete, C. (2014): Warum ökonomische Bildung noch keine Allgemeinbildung ist, in: bank und markt, Heft 06, 38-42 Kaminski, H./Friebel, S. (2012): Finanzielle Allgemeinbildung als Bestandteil der ökonomischen Bildung, Arbeitspapier, hg. v. Institut für Ökonomische Bildung (IÖB), Oldenburg, http://www.ioeb.de/positionspapiere Kaminski, H. (Hg.), Raker, M./Verstraete, C. (2015): Praxis Alltag und Konsum - Verbraucherbildung, Arbeitsheft, Braunschweig: Westermann
Literatur
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Kontakt
Prof. Dr. Dr. h. c. Hans Kaminski (Direktor IÖB) Institut für Ökonomische Bildung gemeinnützige GmbH Bismarckstraße 31 26121 Oldenburg Tel.: 0441/361303-13 Fax: 0441/361303-99 E-Mail: [email protected] Internet: www.ioeb.de