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journal club 12 In|Fo|Neurologie & Psychiatrie 2012; Vol. 14, Nr. 11 Ergebnisse der OFAMS-Studie bei Multipler Sklerose Omega-3-Fettsäuren wirkungslos Fragestellung: Kann mit der Gabe von Omega-3-Fettsäuren die Erkrankungsaktivität bei Patienten mit Multiple Sklerose (MS) reduziert werden? Hintergrund: Die vermutliche Beeinflussbarkeit von Erkran- kungen, insbesondere Autoimmunerkrankungen durch Nah- rungsmittel bleibt ein für viele Patienten wichtiges ema. In populär wissenschaſtlichen Ratgebern wird immer wieder auf Omega-3-Fettsäure-haltige Nahrung verwiesen, da in einzelnen Fallberichten eine „immunmodulierende“ Beeinflussung ver- schiedener Erkrankungen, insbesondere autoimmunologischer Erkrankungen und der MS postuliert wurde. Patienten und Methodik: Eingeschlossen wurden Patienten mit einer aktiven schubförmigen MS im Alter zwischen 18 und 55 Jahren mit einem EDSS-Score von 0–5,0. Insgesamt wurden 90 Patienten randomisiert und entweder mit Omega-3-Fettsäuren oder Placebo behandelt. Nach sechs Monaten wurden alle Pati- enten zusätzlich mit subkutanem Interferon-beta 1a (Rebif 44) dreimal pro Woche für weitere 18 Monate behandelt. Primäre Outcome-Kriterien waren die kumulative Zahl der neuen T1- gewichteten gadoliniumanreichernden (Gd + ) Herde innerhalb der ersten sechs Monate und die Zahl der neuen T1-gewichteten hypointensen Herde nach 24 Monaten. Während der Studie wurde jedoch entschieden, den zweiten Teil des primären Out- come-Kriteriums zu einem sekundären Outcome-Kriterium zu wandeln. Weitere sekundäre Outcome-Kriterien waren die kombinierte Gesamtaktivität (definiert als jede T1-gewichtete anreichernde Läsion und jede neue oder vergrößernde T2-Lä- sion in den ersten sechs Monaten und während der gesamten Studienzeit sowie die Zahl der Schübe während der ersten sechs Monate sowie der gesamten Untersuchungszeit). Ergebnisse: Die demografischen Charakteristika waren in bei- den Gruppen vergleichbar. In den ersten sechs Behandlungsmo- naten zeigten sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Gruppen ( Abb. 1). Auch nach 24 Monaten und der additiven Interferongabe ergaben sich für kein Outcome-Krite- rium Abweichungen zwischen den beiden Gruppen. Im Hin- blick auf die klinischen Parameter gab es ebenfalls keine Diffe- renzen hinsichtlich der Zahl der erlittenen Schübe oder der Än- derungen im EDSS-Score über den Zeitraum von sechs oder vierundzwanzig Monaten. Ebenso blieb die Zahl der berichte- ten Nebenwirkungen in beiden Gruppen identisch. Schlussfolgerungen: Die Behandlung von Patienten mit schub- förmiger MS mit Omega-3-Fettsäuren zeigt keinen Einfluss auf kernspintomografische Para- meter im Zeitraum von sechs Monaten. Bei MS-Patienten, die mit Interferon behandelt werden, haben Omega-3-Fett- säuren keinen additiven Ef- fekt. Torkildsen O, Wergeland S, Bakke S et al. Omega-3-fatty acid treatment in multiple sclerosis (OFAMS Study). Arch Neurol 2012; 69: 1044 – 51 −Kommentar von Prof. Volker Limmroth Ende der Diskussion Eine Nahrungsergänzung mit Omega-3-Fettsäuren erscheint trotz umfangreicher populärwissenschaftlicher Literatur un- wirksam. Auch wenn diese Studie nur mit 92 beziehungswei- se 46 Patienten in jeder Behandlungsgruppe durchgeführt wurde, handelt es sich um eine wichtige Studie. Die inzwischen umfangreiche Literatur zur Nahrungsergänzung bei Autoim- munerkrankungen, insbesondere bei der MS sorgt bei Patien- ten immer wieder für große Unsicherheit. Auf populär wissen- schaftlicher Basis wird ferner häufig der Eindruck vermittelt, dass allein durch die Änderung der Ernährung eine deutliche Reduktion der Erkrankungsaktivität oder gar Heilung möglich sei. Dies zwingt Neurologen immer wieder in lange Diskussio- nen über das Für und Wider von Nahrungsergänzungsmitteln mit verunsicherten Patienten. Die Studie wird nun hoffentlich dazu beitragen, für Patienten mehr Sicherheit im Hinblick auf das wichtige Thema Ernährung zu schaffen und wird vielen Kollegen helfen, langwierige Diskussionen über die richtige Ernährung mit Hinweis auf diese Studie abzukürzen. Kumulative Anzahl neuer Läsionen Zeit (Monate) Interferon-beta 1a Omega-3-Fettsäuren Placebo 11 10 9 8 7 6 5 4 3 2 1 0 0 2 1 3 4 5 6 7 8 1 In der Omega-III-Fettsäuren-Gruppe traten sogar mehr neue Gd + -Herde auf, der Unterschied war jedoch nicht signifikant. Prof. Dr. med. Volker Limmroth, Köln Chefarzt der Klinik für Neurologie und Palliativmedizin Köln-Merheim E-Mail: [email protected] © Arch Neurol 2012; 69: 1044–51

Omega-3-Fettsäuren wirkungslos

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journal club

12 In|Fo|Neurologie & Psychiatrie 2012; Vol. 14, Nr. 11

Ergebnisse der OFAMS-Studie bei Multipler Sklerose

Omega-3-Fettsäuren wirkungslosFragestellung: Kann mit der Gabe von Omega-3-Fettsäuren die Erkrankungsaktivität bei Patienten mit Multiple Sklerose (MS) reduziert werden?

Hintergrund: Die vermutliche Beeinflussbarkeit von Erkran-kungen, insbesondere Autoimmunerkrankungen durch Nah-rungsmittel bleibt ein für viele Patienten wichtiges Thema. In populär wissenschaftlichen Ratgebern wird immer wieder auf Omega-3-Fettsäure-haltige Nahrung verwiesen, da in einzelnen Fallberichten eine „immunmodulierende“ Beeinflussung ver-schiedener Erkrankungen, insbesondere autoimmunologischer Erkrankungen und der MS postuliert wurde.

Patienten und Methodik: Eingeschlossen wurden Patienten mit einer aktiven schubförmigen MS im Alter zwischen 18 und 55 Jahren mit einem EDSS-Score von 0–5,0. Insgesamt wurden 90 Patienten randomisiert und entweder mit Omega-3-Fettsäuren oder Placebo behandelt. Nach sechs Monaten wurden alle Pati-enten zusätzlich mit subkutanem Interferon-beta 1a (Rebif 44) dreimal pro Woche für weitere 18 Monate behandelt. Primäre Outcome-Kriterien waren die kumulative Zahl der neuen T1-gewichteten gadoliniumanreichernden (Gd+) Herde innerhalb der ersten sechs Monate und die Zahl der neuen T1-gewichteten hypointensen Herde nach 24 Monaten. Während der Studie wurde jedoch entschieden, den zweiten Teil des primären Out-come-Kriteriums zu einem sekundären Outcome-Kriterium zu wandeln. Weitere sekundäre Outcome-Kriterien waren die kombinierte Gesamtaktivität (definiert als jede T1-gewichtete anreichernde Läsion und jede neue oder vergrößernde T2-Lä-sion in den ersten sechs Monaten und während der gesamten Studienzeit sowie die Zahl der Schübe während der ersten sechs Monate sowie der gesamten Untersuchungszeit).

Ergebnisse: Die demografischen Charakteristika waren in bei-den Gruppen vergleichbar. In den ersten sechs Behandlungsmo-naten zeigten sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Gruppen (►Abb. 1). Auch nach 24 Monaten und der additiven Interferongabe ergaben sich für kein Outcome-Krite-rium Abweichungen zwischen den beiden Gruppen. Im Hin-blick auf die klinischen Parameter gab es ebenfalls keine Diffe-renzen hinsichtlich der Zahl der erlittenen Schübe oder der Än-derungen im EDSS-Score über den Zeitraum von sechs oder vierundzwanzig Monaten. Ebenso blieb die Zahl der berichte-ten Nebenwirkungen in beiden Gruppen identisch.

Schlussfolgerungen: Die Behandlung von Patienten mit schub-förmiger MS mit Omega-3-Fettsäuren zeigt keinen Einfluss auf

kernspintomografische Para-meter im Zeitraum von sechs Monaten. Bei MS-Pa tienten, die mit Interferon behandelt werden, haben Omega-3-Fett-säuren keinen additiven Ef-fekt.

Torkildsen O, Wergeland S, Bakke S et al. Omega-3-fatty acid treatment in multiple sclerosis (OFAMS Study). Arch Neurol 2012; 69: 1044–51

−Kommentar von Prof. Volker Limmroth

Ende der DiskussionEine Nahrungsergänzung mit Omega-3-Fettsäuren erscheint trotz umfangreicher populärwissenschaftlicher Literatur un-wirksam. Auch wenn diese Studie nur mit 92 beziehungswei-se 46 Patienten in jeder Behandlungsgruppe durchgeführt wurde, handelt es sich um eine wichtige Studie. Die inzwischen umfangreiche Literatur zur Nahrungsergänzung bei Autoim-munerkrankungen, insbesondere bei der MS sorgt bei Patien-ten immer wieder für große Unsicherheit. Auf populär wissen-schaftlicher Basis wird ferner häufig der Eindruck vermittelt, dass allein durch die Änderung der Ernährung eine deutliche Reduktion der Erkrankungsaktivität oder gar Heilung möglich sei. Dies zwingt Neurologen immer wieder in lange Diskussio-nen über das Für und Wider von Nahrungsergänzungsmitteln mit verunsicherten Patienten. Die Studie wird nun hoffentlich dazu beitragen, für Patienten mehr Sicherheit im Hinblick auf das wichtige Thema Ernährung zu schaffen und wird vielen Kollegen helfen, langwierige Diskussionen über die richtige Ernährung mit Hinweis auf diese Studie abzukürzen.

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1In der Omega-III-Fettsäuren-Gruppe traten sogar mehr neue Gd+-Herde auf, der Unterschied war jedoch nicht signifikant.

Prof. Dr. med. Volker Limmroth, Köln

Chefarzt der Klinik für Neurologie und Palliativmedizin Köln-Merheim E-Mail: [email protected]

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