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Der KardiologeKonsensuspapiere
Kardiologe 2020 · 14:267–293https://doi.org/10.1007/s12181-020-00395-zOnline publiziert: 13. Mai 2020© Deutsche Gesellschaft für Kardiologie -Herz- und Kreislaufforschung e.V. Published bySpringer Medizin Verlag GmbH, ein Teil vonSpringer Nature - all rights reserved 2020
Tienush Rassaf1 · Matthias Totzeck1 · Johannes Backs2 · Carsten Bokemeyer3 ·Michael Hallek4 · Denise Hilfiker-Kleiner5 · Andreas Hochhaus6 · Diana Lüftner7 ·Oliver J. Müller8 · Ulrich Neudorf9 · Roman Pfister10 · Stephan von Haehling11 ·Lorenz H. Lehmann12 · Johann Bauersachs5 für die Kommission für KlinischeKardiovaskuläre Medizin der DGK1 Klinik für Kardiologie und Angiologie, WestdeutschesHerz- und Gefäßzentrum, UniversitätsklinikumEssen, Essen, Deutschland; 2 Institut für Experimentelle Kardiologie, UniversitätsklinikumHeidelberg,Heidelberg, Deutschland; 3 II. Medizinische Klinik (Onkologie, Hämatologie, Knochenmarktransplantationmit Abteilung für Pneumologie), Zentrum für Onkologie, UniversitätsklinikumHamburg-Eppendorf,Hamburg, Deutschland; 4 Klinik I für Innere Medizin, Centrum für Integrierte Onkologie (CIO) ABCD,UniversitätsklinikumKöln, Köln, Deutschland; 5 Klinik für Kardiologie und Angiologie, MedizinischeHochschule Hannover, Hannover, Deutschland; 6 Klinik für Innere Medizin II, Abteilung Hämatologie undInternistische Onkologie, Universitätsklinikum Jena, Jena, Deutschland; 7 Klinik für Hämatologie,Onkologie und Tumorimmunologie, Charité Universitätsmedizin Berlin, Humboldt-Universität, Berlin,Deutschland; 8 Klinik für Innere Medizin III mit den Schwerpunkten Kardiologie, Angiologie undinternistische Intensivmedizin, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Universität Kiel, Kiel,Deutschland; 9 Klinik für Kinderheilkunde III, WestdeutschesHerz- und Gefäßzentrum Essen,Universitätsklinikum Essen, Essen, Deutschland; 10 Klinik III für Innere Medizin – Allgemeine undinterventionelle Kardiologie, Elektrophysiologie, Angiologie, Pneumologie und internistischeIntensivmedizin, UniversitätsklinikumKöln, Köln, Deutschland; 11 Klinik für Kardiologie und Pneumologie,HerzzentrumGöttingen, Universitätsmedizin Göttingen, und Deutsches Zentrum für Herz- undKreislaufforschung Standort Göttingen, Göttingen, Deutschland; 12 Klinik für Kardiologie, Angiologie,Pneumologie, Sektion Kardio-Onkologie, UniversitätsklinikumHeidelberg, Heidelberg, Deutschland
Onkologische KardiologieKonsensuspapier der DeutschenGesellschaft für Kardiologie – Herz- undKreislaufforschung, der DeutschenGesellschaft für Pädiatrische Kardiologieund Angeborene Herzfehler und derDeutschen Gesellschaft für Hämatologie undMedizinische Onkologie
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit undVerständlichkeit der Texte wird in Springer-Publikationen in der Regel das generischeMaskulinum als geschlechtsneutrale Formverwendet. Diese Form impliziert immer alleGeschlechter.
Dieses Konsensuspapier wird simultan indeutscher Sprache in Der Kardiologe (https://doi.org/10.1007/s12181-020-00395-z) undin englischer Sprache in Clinical Research inCardiology (https://doi.org/10.1007/s00392-020-01636-7)publiziert.
Lorenz Lehmann und Johann Bauersachshaben zu gleichen Teilen zum Manuskriptbeigetragen.
Kardiovaskuläre Risikofaktorenund Erkrankungen –Risikoassessment vorTumortherapie
Viele onkologische Patienten habenvorbestehende Risikofaktoren oder kar-diovaskuläre Erkrankungen, die durchdie Krebserkrankung und insbesonde-re deren Behandlung zu einem wei-ten Spektrum an Komplikationen imHerz-Kreislauf-System führen können.Daneben wurde auch die Rolle einergenetischen Prädisposition für das Auf-treten von Nebenwirkungen erkanntsowie der Einfluss weiterer von derKrebserkrankung selbst ausgehender
und bisher unzureichend charakteri-sierter Faktoren (. Abb. 1; [11, 57, 99,149]). Kardiovaskuläre Folgen reichenvon diskreten elektrokardiographischen,laborchemischen oder in der Bildge-bung aufgefallenen Veränderungen überdas Auftreten von thrombembolischen,ischämischen oder rhythmologischenEreignissen bis hin zur linksventrikulä-ren (LV) Funktionseinschränkung undmanifesten Herzinsuffizienz [140, 149].Daher ist die Erfassung von kardiovas-kulären Begleiterkrankungen durch diesorgfältige Erhebung der Anamnese so-wie der Ausgangsbefunde vor onkologi-schen Therapieverfahren unverzichtbar.Neben der körperlichen Untersuchung
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https://doi.org/10.1007/s12181-020-00395-zhttp://crossmark.crossref.org/dialog/?doi=10.1007/s12181-020-00395-z&domain=pdfhttps://doi.org/10.1007/s12181-020-00395-zhttps://doi.org/10.1007/s12181-020-00395-zhttps://doi.org/10.1007/s00392-020-01636-7https://doi.org/10.1007/s00392-020-01636-7
Konsensuspapiere
Abb. 19 Zusammenspielvon genetischer Prädispo-sition, klassischen Risiko-faktoren und kardiovasku-lären Vorerkrankungen fürdie Entwicklung oder Pro-gression einer kardiovasku-lären Erkrankung als Folgeeiner Krebstherapie („2ndHit“) oder der Krebserkran-kung selbst. KHK koronareHerzerkrankung,pAVKperi-phere arterielle Verschluss-krankheit, LV linksventriku-lär
spielen das Elektrokardiogramm (EKG)und Echokardiogramm einschließlichqualitativer und quantitativer Einschät-zung der LV-Ejektionsfraktion (LVEF)eine zentrale Rolle, zunehmend auchdie kardiale Magnetresonanztomogra-phie (MRT). Bei subklinischen odermanifesten Auffälligkeiten kann ggf. ei-ne alternative, weniger kardiotoxischeTherapie gewählt werden, oder engma-schige Kontrollen erfolgen zur frühzei-tigen Erkennung von Veränderungenim Herz-Kreislauf-System unter derKrebstherapie, was beispielsweise einekardioprotektive Therapie ermöglicht.
Im Folgenden soll auf die Bedeutungklassischer Risikofaktoren, kardiovas-kulärer Vor- bzw. Begleiterkrankungensowie vorausgegangener Krebstherapieneingegangen werden.
Klassische Risikofaktoren
Kardiovaskuläre Erkrankungen undKrebserkrankungen teilen sich nicht nurgemeinsame Mechanismen wie chro-nische Inflammation, sondern auchgemeinsame Risikofaktoren [47, 90]. Sogelten Diabetes mellitus, Adipositas undHypercholesterinämie als Risikofaktorenfür Brustkrebs und sind mit vermehr-
ten kardiovaskulären Nebenwirkungenassoziiert [67, 101]. Auch wenn die ineiner retrospektiven Studie bei Brust-krebspatientinnen gezeigte reduzierteKardiotoxizität unter Statintherapie derBestätigung in prospektiven Studien be-darf [17], halten wir die Behandlungeiner Hypercholesterinämie für sinnvoll.Analog sollte auch ein Diabetes mellitusleitliniengerecht behandelt werden. Met-formin sollte möglichst Teil derTherapiesein, da epidemiologische Studien einereduzierte Krebsrate bei Diabetikern un-ter Metformin-Therapie nahelegen [44].Rauchen als klassischer Risikofaktorvon Krebserkrankungen ist ebenso mitvermehrter Atherosklerose bzw. koro-narer Herzerkrankung (KHK) assoziiert[90] und sollte besonderes Augenmerkerfahren. Allerdings bleibt auch nichtabschließend geklärt, welche Bedeutungeine bestehende KHK für akute koro-nare Ereignisse unter Substanzen wie5-Fluorouracil (5-FU) besitzt [1, 121].
Weniger bekannt ist, dass auch Blut-hochdruck mit einer erhöhten Krebsratezumindest bei Männern einhergeht undin beiden Geschlechtern mit einer ge-steigerten Mortalität an Krebs [132].Interessanterweise waren Inhibitorendes Renin-Angiotensin-Aldosteron-Sys-
tems bei Krebserkrankten mit geringererMetastasierung und verbessertem Über-leben assoziiert [135]. Bereits vor Beginneiner Krebstherapie wie auch im Verlaufsollte daher eine arterielle Hypertonieidentifiziert und behandelt werden.
Die Bedeutung der gemeinsamen Ri-sikofaktoren zeigt sich auchbei Patientenmit geplanterAnthrazyklin-Therapie, beidenen ein erhöhtes Risiko zur Entwick-lung einer Herzinsuffizienz bei vorbe-stehenden Risikofaktoren wie Rauchen,arterieller Hypertonie, Diabetes mellitusund Dyslipoproteinämie besteht [5]. Beimehr als 2 Risikofaktoren scheint das Ri-siko deutlich erhöht zu sein [5–7]. Eingesteigertes kardiovaskuläres Risiko un-ter klassischen kardialen Risikofaktorenbesteht auch für Patienten mit Stamm-zelltransplantation [24] oder unter be-stimmten Tyrosinkinaseinhibitoren wiePonatinib oderNilotinib, für dieHinwei-se auf den prognostischen Nutzen einerRisikofaktorenkontrolle bestehen [18].
Kardiovaskuläre Vor- bzw.Begleiterkrankungen
Die Identifikation kardiovaskulärer Vor-und Begleiterkrankungen ist zentralfür die Risikoeinschätzung. Neben der
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Anamnese hilft die körperliche Untersu-chung, nicht nur eine Herzinsuffizienzzu identifizieren, sondern auch athero-sklerotisch bedingte Veränderungen wieeine periphere arterielle Verschlusser-krankung, die z.B. durch manche Ki-naseinhibitoren verkompliziert werdenkann [88].
Wichtiger Bestandteil der kardia-len Risikoerfassung ist das Erkennenvon EKG-Veränderungen sowie vonaktuellen bzw. früheren Herzrhythmus-störungen. Im 12-Kanal-EKG könnenbestimmte Medikamente potenziell ge-fährliche Verlängerungen der frequenz-korrigierten QT-Zeit (QTc) hervorrufen.Zwar stellen potenziell lebensbedrohli-che Arrhythmien mit vorangehenderQTc-Intervall-Verlängerung (u. a. Torsa-de de pointes [TdP]) auch in Risikokon-stellationen seltene Ereignisse dar, es istdennoch sinnvoll, vor einemEinsatz die-ser QTc verlängernden Substanzen einenQTc-Ausgangswert zu erheben. Im Fal-le eines familiären Long-QT-Syndroms(LQTS) sollte von QTc verlängerndenSubstanzen Abstand genommen wer-den. Außerhalb von familiärem LQTSsind bestehende QTc-Verlängerungendurch eine Vormedikation insbesonderedann problematisch, wenn sie nebender bei Kinaseinhibitoren häufigen QTc-Verlängerung auch zu dokumentiertemAuftreten von TdP führen können wieggf. z.B. bei Vandetanib. Allerdings istsicherlich eine Abwägung der Gesamt-risikokonstellation des Patienten sowieindividueller QTc-Verlängerungen not-wendig (www.crediblemeds.org) [89].
Im EKG können darüber hinaus Hin-weise auf eine Myokardischämie gefun-den werden, die insbesondere im Hin-blick auf eine kardiale Ischämie auslösen-de Medikamente wie 5-FU eine weiterekardiale Diagnostik nahelegen. Zudemist bei aktuellen oder anamnestischenHinweisen auf Vorhofflimmern eine An-tikoagulation in vielen Fällen indiziert,welchewiederumdurcheinerhöhtesBlu-tungsrisiko eine Krebstherapie kompli-zieren kann. Umgekehrt sollte eine An-tikoagulation bei Vorhofflimmern nichtunnötig vorenthalten werden [80]. ImGegensatz zur venösen Thromboembo-lie konnte ein Zusammenhang zwischenKrebserkrankungunderhöhtemzerebra-
Zusammenfassung · Abstract
Kardiologe 2020 · 14:267–293 https://doi.org/10.1007/s12181-020-00395-z© Deutsche Gesellschaft für Kardiologie - Herz- und Kreislaufforschung e.V. Published by SpringerMedizin Verlag GmbH, ein Teil von Springer Nature - all rights reserved 2020
T. Rassaf · M. Totzeck · J. Backs · C. Bokemeyer · M. Hallek · D. Hilfiker-Kleiner · A. Hochhaus ·D. Lüftner · O. J. Müller · U. Neudorf · R. Pfister · S. von Haehling · L. H. Lehmann · J. Bauersachsfür die Kommission für Klinische Kardiovaskuläre Medizin der DGK
Onkologische Kardiologie. Konsensuspapier der DeutschenGesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung, derDeutschen Gesellschaft für Pädiatrische Kardiologie undAngeborene Herzfehler und der Deutschen Gesellschaft fürHämatologie undMedizinische Onkologie
ZusammenfassungAkut- und Langzeitnebenwirkungen dermodernen, multimodalen Tumortherapiebeeinträchtigen signifikant Lebensqualitätund Überleben von Patientenmit Maligno-men. Zu den wesentlichen Komponentendieser Therapie zählen Strahlen-, dieklassische (konventionelle) Chemo-, Immun-sowie die sog. zielgerichteten Therapien.Zu etablierten Tumortherapiestrategienkommen bis zu 30 Neuzulassungen proJahr mit nur unvollständig charakterisiertenNebenwirkungsprofilen. Dieses Konsensus-papier adressiert die Risikofaktoren für eine
mögliche adverse Reaktion unter Tumor-therapie und führt im Weiteren spezifischeNebenwirkungsprofile für die verschiedenenTherapiegruppen auf. Schwerpunktmäßigwird auf neuartige Therapeutika eingegangenund Empfehlungen zur Behandlungspezifischer Patientengruppenaufgeführt.
SchlüsselwörterOnkologische Kardiologie · Kardiotoxizität ·Survivorship Programme · Krebstherapie ·Chemotherapie
Onco-Cardiology. Consensus Paper of the German Cardiac Society,the German Society for Pediatric Cardiology and Congenital HeartDefects and the German Society for Hematology andMedicalOncology
AbstractAcute and chronic side effects of modern,multimodal treatment of advanced cancerssignificantly impact the quality of life andsurvival in patients with malignant diseases.The essential components of these treatmentmodalities include radiotherapy, classical(conventional) chemotherapy, immunothe-rapy and the so-called molecular targetedtherapies. In addition to the establishedtreatment strategies up to 30 newly approveddrugs enter the market each year, withonly incompletely characterized side effect
profiles. This consensus paper addresses therisk factors for potential adverse reactionsunder tumor treatment and furthermore listsspecific side effect profiles for the varioustreatment groups. Novel cancer therapiesare discussed and recommendations forthe treatment of specific patient groups arepresented.
KeywordsCardio-oncology · Cardiotoxicity · Survivorshipprograms · Cancer therapy · Chemotherapy
lem Ischämierisiko bei Vorhofflimmernnicht sicher nachgewiesen werden.
Bei Risikopatienten für kardiovasku-läre Komplikationen sollte eine Echo-kardiographie durchgeführt werden, dasie nicht nur eine subklinisch einge-schränkte LV-Pumpfunktion erfassenkann, sondern auch eine Beurteilungdes Perikards, der Klappen und eineAbschätzung des pulmonalarteriellenDruckes als Ausgangswert für Verlaufs-
kontrollen ermöglicht. Unklar ist derprädiktive Wert einer eingeschränktenLVEF für Stammzelltransplantationen.Bei geplanter Stammzelltransplantationgeht die LVEF
Konsensuspapiere
Bei anderen onkologischen Erkran-kungen/Therapien, nimmt die einge-schränkte LVEF aber einen prädiktivenWert ein [26]. Dies gilt auch für dieLVEF vor Behandlung mit HER2-In-hibitoren/Antikörpern (nach erfolgterAnthrazyklin-Therapie) [50]. Aufgrundder aktuellen Empfehlung der AmericanSociety of Clinical Oncology (ASCO)sowie der Europäischen Gesellschaftfür Kardiologie (European Society ofCardiology, ESC) ist daher ein Patientmit einer LVEF von kleiner 50–55% alsRisikopatient einzustufen [5, 149].
Kardiotoxisches Risiko durchonkologische Vorbehandlung
Viele onkologische Patienten durchlau-fen mehrere potenziell kardiotoxischeTherapien. Dies kann im Rahmen ih-rer zugrunde liegenden onkologischenErkrankung erfolgen (Progress oderWiederauftreten) oder bei einer onko-logischen Zweiterkrankung. Die statt-gehabten onkologischen Therapien sinddaher bezüglich einer potenziellen kar-diotoxischen onkologischenTherapie alsunabhängiger Risikofaktor anzusehen.Dies gilt insbesondere für Anthrazykli-ne bzw. eine stattgehabte Bestrahlung[4]. Eine intensivierte Nachbetreuungonkologischer Patienten ist insbeson-dere bei einer Bestrahlung von >30Gy,einer Anthrazyklin-Therapie mit mehrals 250mg/m2 Körperoberfläche odernach einer Kombinationstherapie not-wendig. Somit zählen Patienten vor einererneuten geplanten Radio- oder Che-motherapie zu einem Risikokollektivund bedürfen einer genauen kardialenAbklärung und Betreuung.
Es ist zu erwarten, dass die Bedeutungneuer bildgebender Verfahren („strainrate“ imEchokardiogramm,kontrastmit-telfreiesMRT,nuklearmedizinischeBild-gebung) sowie genetischer Faktoren undBiomarker zunehmen wird. Die bishe-rigen Hinweise auf genetische Faktorenerstrecken sich überwiegend auf die An-thrazyklin-Toxizität [11, 57] und habennoch keinen Eingang in die klinischeRoutine gefunden. Auch die Bedeutungvon tumorbedingten kardiodepressori-schen Faktoren, die über die Änderun-gen des Lebensstils von Krebspatienten
hinausgehen (z.B. Inaktivität), oder Risi-kofaktoren wie die klonale Hämatopoesesind noch unklar.
Schlussfolgerungen:4 Vor geplanter onkologischer Therapie
sind kardiale Risikofaktoren sowie dieHistorie potenziell kardiotoxischerTherapien entscheidend für dieindividuelle Einschätzung.
Drei spezifische Patientengruppen be-dürfen einer engen kardiologischenMitbetreuung unter onkologischerTherapie:4 Patienten mit kardiovaskulären Ri-
sikofaktoren. Sie haben ein erhöhtesRisiko für kardiovaskuläre Neben-wirkungen einer Krebstherapie.
4 Patienten mit einer stattgehabtensystemischen Therapie bzw. Ra-diotherapie des Thorax gehörenebenfalls zu einem Hochrisikokol-lektiv für die Entwicklung einerKardiotoxizität.
4 Patienten mit einer geplanten The-rapie mit einem deutlich erhöhtenRisiko für eine Kardiotoxizitätbenötigen eine genaue kardialeBasisuntersuchung, um eine Ver-laufsbeurteilung zu ermöglichen.
Strahlentherapie
Die Strahlentherapie ist einwichtiger Be-standteil eines multimodalen Therapie-konzepts vieler Krebserkrankungen. Siewird zur lokalen Tumorkontrolle und alsTherapie von Metastasen mit palliativerZielsetzung sowie mit kurativer Zielset-zung als neoadjuvante, adjuvante oderals definitive Therapie bei lokalisiertenKrebserkrankungen eingesetzt. Bei 35%aller Patienten mit Krebserkrankung er-folgt innerhalb eines Jahres nach Dia-gnosestellung eine Strahlentherapie [87,141]. Eine kardiale Strahlenexpositionkannv. a.durchBestrahlungeinesmedia-stinalen Lymphoms, eines zentral loka-lisierten Bronchialkarzinoms oder eineslinksseitigenMammakarzinomserfolgen[9, 141, 149].
Strahlentherapieassoziierte, kardio-vaskuläre Komplikationen können sichakut, jedoch auch chronisch im Verlaufvon über 20 Jahren nach Strahlenex-position manifestieren. Die strahlen-
therapieassoziierte Perikarditis ist eineakute Komplikation nach Strahlenthe-rapie [141]. Die akute Verlaufsform galtals die häufigste kardiale Komplikationnach Strahlentherapie, jedoch hat dieInzidenz durch eine Verminderung derkardialen Einzeldosis und durch tech-nische Verbesserungen abgenommen[49]. Sie ist charakterisiert durch eineausgeprägte perikardiale Immunzellin-filtrationund zeigt häufig eine exsudativeVerlaufsform. Die chronische, strahlen-therapieassoziierte Perikarditis kann sichdurchvariablesAuftreten zeigenund tritterst verzögert nach Strahlentherapie auf.Ungefähr 20% der Patienten mit einerchronischen Perikarditis entwickeln eineklinisch-relevante Konstriktion des Her-zens. Die kumulative kardiale Strahlen-dosis gilt als Hauptrisikofaktor; bei einerDosis von 40Gy liegt die Inzidenz einermanifesten Perikarditis bei 5% inner-halb von 5 Jahren nach Strahlentherapie[29, 141]. Nach Strahlenchemothera-pie konnte in 31,4% ein Perikardergussinnerhalb eines Jahres nachgewiesenwerden. Die Diagnostik umfasst vorallem Echokardiographie und Herzka-theteruntersuchung. Bei konstriktiverPerikarditis ist die komplette Perikar-dektomie Therapie der Wahl [141].
Die KHK, kalzifizierende Herzklap-penerkrankungen und myokardiale Fi-brose mit diastolischer sowie seltenersystolischer Dysfunktion sind typischechronische, strahlentherapieassoziierteKomplikationen [141, 149]. Risikofak-toren sind die kumulative Strahlendosis,eine begleitende Anthrazyklin-Chemo-therapie, ein hohes kardiovaskuläresRisikoprofil und bestehende kardiovas-kuläre Vorerkrankungen [58, 60, 141,149]. Patienten nach überlebter Krebser-krankung in der Kindheit stellen einebesondere Risikogruppe dar. Das rela-tive Risiko für eine schwere kardialeErkrankung im Alter von 40 Jahren liegtbei einer kardialen Strahlendosis von1–5Gy bei 1,9 und steigt bei >15Gy auf19,5–75,2 [53].
Die KHK ist die häufigste strah-lentherapieassoziierte, kardiovaskuläreKomplikation nach Mammakarzinom.Ein erhöhtes Risiko für die Entwicklungeiner KHK besteht zudem nach mehr als20 Jahren nach Bestrahlung [32, 138].
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K
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Mediastinale Bestrahlung
35 Gy (Kindesalter) >30 Gy (Erwachsene)
30Gy nimmtdas relative Risiko exponentiell zu undbeträgt bei >40Gy 24,3% [30, 138]. BeiLangzeitüberlebenden nach thorakalerBestrahlung mit oder ohne begleitende
Chemotherapie waren Herzklappen-erkrankungen nach der Entwicklungeiner Herzinsuffizienz die zweithäufigsteKomplikation [53]. Erste Langzeitda-ten zeigen eine Assoziation zwischeneiner verringerten thorakalen Strahlen-dosis und der Reduktion der kardialenMortalität [141].
Management von Patienten nachBestrahlungstherapie
Die Diagnose und Behandlung vonkardiovaskulären Komplikationen nachStrahlentherapie ist durch verschiedeneFaktoren erschwert; eine strahlenthe-rapieassoziierte KHK kann durch einestrahlungsbedingte Neuropathie eineatypische oder verminderte Symptoma-tik zeigen [73]. Aufgrund proximalerLäsionen, mediastinaler Verwachsungenund der zugrunde liegenden Tumor-erkrankung ist die Komplikationsrateeiner interventionellen und insbesonde-re einer operativen Versorgung erhöht.Die frühzeitige Diagnostik undTherapieeiner strahlentherapieassoziierten kar-
diovaskulären Schädigung sind dahervon besonderer Relevanz.
Bereits vor Einleitung einer thoraka-len Strahlentherapie sollte bei Patientenmit erhöhtem kardiovaskulärem Risiko-profil oder begleitender, kardiotoxischerChemotherapie (insbesondere Anthra-zykline) eine Risikobeurteilung erfolgen.So können vor Einleitung einer Strahlen-therapie eine weiterführende Diagnostiksowie eine interdisziplinäre, risikoadap-tierte Therapieplanung erfolgen [144].
Zur Überwachung von strahlenthera-pieassoziierten, kardiovaskulären Kom-plikationen sollte ab 5 Jahren nachStrahlenexposition in einem Intervallvon 2 bis 5 Jahren in Abhängigkeit desindividuellen Risikos eine onkokardio-logische Verlaufsbeurteilung inklusiveEKG und Echokardiographie erfolgen[21, 73, 141]. Nach Bestrahlung im Kin-desalter von ≥35Gy, einer Strahlendosis>30Gy oder begleitender Anthrazyklin-Therapie sollte bereits frühzeitig (Kinder2 Jahre, Erwachsene 1 Jahr nachBestrah-lung) eine kardiale Beurteilung erfolgen(. Abb. 2; [4]). Die Basisdiagnostik kanndurch eine Strain-Analyse oder eine kar-diale MRT bei eingeschränkter Qualitätder Echokardiographie ergänzt werden[8]. Eine nichtinvasive KHK-Diagnostikkann 10 Jahre nach Strahlenexposi-tion mittels Koronar-CT (Computer-tomographie) oder Evaluation einerbelastungsinduzierbaren, myokardialenIschämie erfolgen [21].
Klassische Chemotherapie
Die klassische, zytotoxische Chemothe-rapie kann zu einem breiten Spektrumvon kardiovaskulären Nebenwirkun-gen führen. Insbesondere die Gruppeder Anthrazykline (Doxorubicin, Epi-rubicin, Daunorubicin, Idarubicin, Mi-toxantron) ist mit einem erheblichenRisiko für eine myokardiale Schädigungvergesellschaftet. Anthrazykline sindweit verbreitet für die Therapie aku-ter Leukämien, des Mammakarzinomsund des malignen Lymphoms. Einemyokardiale Schädigung wird durchreaktive Sauerstoffspezies (ROS), Hem-mung der Topoisomerase IIβ und eineWechselwirkung mit Kalziumkanälenverursacht. Diese Veränderungen kön-
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nen eine LV-Dysfunktion verursachen,welche zu einer manifesten Herzinsuffi-zienz als unabhängigem Prädiktor einergesteigertenMortalität führen kann. DasRisiko einer Anthrazyklin-assoziiertenKardiotoxizität ist abhängig von der ku-mulativen Dosis, der Höchstmenge vonEinzeldosen sowie den Risikofaktorendes Patienten und wird gesteigert durcheine begleitende thorakale Bestrahlungoder HER2-Inhibitortherapie [141]. DasRisiko für eine LV-Dysfunktion liegtbei einer Therapie mit Doxorubicin400mg/m2 Kumulativdosis bei 5% undist bei einer kumulativen Dosis von550mg/m2 bereits auf 26% gesteigert[149]. Am besten untersucht ist Doxoru-bicin als unverzichtbarer Standard in derChemotherapie des Mammakarzinoms(AC=AdriamycinR + Cyclophosphamid)sowie hochmaligner Lymphome (CHOP= Cyclophosphamid, Vincristin, Doxo-rubicin undVincristin). Mit Einzeldosenvon üblicherweise 50–60mg/m2 und 4bis 6 Zyklen im Rahmen einer adju-vanten bzw. kurativen Chemotherapiewird Doxorubicin bis an die Grenzdosisvon 400mg/m2 ausgereizt. Bis zu diesemLimit gilt die 5- bis 10-Jahres-Inzidenzvon Kardiomyopathien als geringfügigmit einer Wahrscheinlichkeit bis ma-ximal 5%. Bei Überschreitung dieserGrenzdosis steigt die Zahl von Patien-ten, die eine LV-Dysfunktion entwickelnexponentiell an, sodass Re-Expositionenvermieden und allenfalls auf liposomaleAnthrazykline zurückgegriffen werdensollte.
Nach Beurteilung des individuellenRisikos für die Entstehung einer An-thrazyklin-assoziierten Kardiotoxizitäterfolgt die Überwachung anhand kli-nischer Verlaufskontrollen, EKG undEchokardiographie ggf. mit 3-D-LVEFund Strain-Analyse [141]. Die Bestim-mung des kardialen Troponins kurznach Therapieapplikation hat eine guteprädiktive Wertigkeit [92]. Bei Patientenmit hohemRisiko für eineAnthrazyklin-assoziierte Kardiotoxizität, Patienten miteiner Troponinerhöhung unter Therapieund Patienten mit bereits eingetrete-ner LV-Dysfunktion kann die Therapiemit einem Angiotensin-Converting-En-zyme(ACE)-Inhibitor/Angiotensin-II-Rezeptor-Subtyp-1(AT1)-Rezeptoranta-
gonist und/oder einem β-Blocker zurPrävention oder Therapie eingesetztwerden. Zur Reduktion der Kardioto-xizität durch Anthrazykline eignen sicheine Therapie mit dem EisenchelatorDexrazoxan, die Verabreichung einer al-ternativen Anthrazyklin-Formulierung(pegylierte und/oder liposomale An-thrazykline) oder die Umstellung aufein nicht-Anthrazyklin-haltiges Thera-piekonzept [21, 141].
Alkylanzien (Cyclophosphamid,Ifosfamid) werden für die Therapievon malignen hämatologischen Neo-plasien, soliden Tumoren und Auto-immunerkrankungen eingesetzt, undsind insbesondere bei hoher Dosierungvor Knochenmarktransplantation mitkardiovaskulären Komplikationen ver-gesellschaftet. Eine Cyclophosphamid-assoziierte Herzinsuffizienz (Inzidenz5–19%) entsteht typischerweise binnenweniger Tage nach Therapieapplikati-on. Als Pathomechanismus werden eineLipidperoxidation, eine mitochondrialeDysfunktion sowie die Generierung vonROS vermutet. Eine präventive Therapiemit ACE-Inhibitoren/AT1-Rezeptoran-tagonisten und/oder einem β-Blockerwurde für Alkylanzien bisher nicht aus-reichend untersucht. Cyclophosphamidwird in Dosierungen zwischen 600 und2000mg/m2 eingesetzt und gilt als rela-tiv unproblematisch, bei höheren Dosenkann es zur oben genannten kardialenSchädigung kommen.
Fluoropyrimidine (5-FU) könnendurch eine Vasospasmus induzierendeWirkung an Koronararterien zu tran-sienter Angina pectoris bis hin zumakuten Myokardinfarkt führen. Ein Va-sospasmus tritt typischerweise in derfrühenTherapiephase auf. Das Risiko istabhängig von der Applikationsart, derDosis sowie der individuellen Prädispo-sition und kann bis zu 10% betragen.Kalziumantagonisten und Nitrate wur-den erfolgreich für die Therapie eineskoronararteriellen Vasospasmus durchFluoropyrimidine angewendet [21, 92,141]. Platinderivate (Cisplatin, Carbo-platin),welche beispielsweise fürdieThe-rapie des kolorektalen Karzinoms undvon Hodentumoren verwendet werden,können durch eine prokoagulatorischeWirkung und die Induktion einer endo-
thelialen Dysfunktion durch arterielleThrombosen/Thrombembolien ebenfallseine myokardiale Ischämie verursachen.Darüber hinaus ist bei Patienten nachplatinhaltiger Chemotherapie das RisikofürdieEntwicklungeinerKHKinnerhalbvon 20 Jahren gesteigert [149].
Immuncheckpoint-Inhibitor-induzierte Myokarditis
Immuncheckpoint-Inhibitoren (ICIs)wurden 2018 in mehr als 2250 aktivenklinischen Studien zur Behandlung ma-ligner Erkrankungen eingesetzt. Dieseneue Gruppe von Medikamenten isthäufig mit autoimmunvermittelten Ne-benwirkungenassoziiert. Limitierend füreine weiterführende Therapie ist die ICI-induzierte Myokarditis [39, 85, 96, 97,120]. Mit 43–46% hat die ICI-induzierteMyokarditis zudem eine hohe Mortalitätund tritt je nach Medikament mit einerHäufigkeit von 1–2% auf [85]. Unklarist, wie Hochrisikopatienten identifiziertwerden können [16].
Klinische Symptomatik
Die klinische Manifestation reicht voneinem isolierten Anstieg kardialer Bio-marker (Troponinanstieg, NT-proBNP-Anstieg [N-terminal-pro hormone brainnatriuretic peptide]) über Arrhythmienund sekundäre Anzeichen einer Herz-insuffizienz bis hin zu fatalen Ereignis-sen [85]. Typische oder atypischeAnginapectoris tritt bei bis zu 37%der Patientenauf [85], eine myokardiale Ischämie istdie wichtigste Differenzialdiagnose.
Hauptmerkmale der ICI-Myokarditis
Die meisten Fälle (bis zu 81%) von ICI-induzierter Myokarditis treten in denersten 3 Monaten nach Initialisierungder Behandlung auf [85]. Bisher sind nurwenige spezifische Risikofaktoren für ei-ne ICI-induzierte Myokarditis bekannt;wichtigster unabhängiger Risikofaktorist die Kombinationstherapie verschie-dener ICIs (CTLA-4-Inhibitor [cytotoxicT-lymphocyte-associated Protein 4 in-hibitor]+ PD-1-Inhibitor [programmedcell death protein 1 inhibitor]) [85]. Pati-
Der Kardiologe 4 · 2020 273
Konsensuspapiere
Geplanter Immuncheckpoint-
Inhibitor
Kardiale Biomarker Troponin
Ausschluss Arrhythmien 24-h-EKG
Kardiale Funktion cMRT oder Echo
Vor T
hera
pie
Keine pathologischen Befunde
Biomarker TroponinCK
EKG
Pathologischer Anstieg
Klinische Symptome
Therapiestopp
2 Wochen 4 Wochen
alle 12 Wochen
Abb. 39 Übersicht überdie empfohlenen Basis-undVerlaufsuntersuchun-gen bei einer Therapiemit einem Immuncheck-point-Inhibitor. Die par-allele Bestimmung vonTroponin undKreatinin-kinase (CK) ist aufgrundderoft begleitendenMyositissinnvoll. EKG Elektrokardio-gramm,cMRTkardialeMag-netresonanztomographie,Echo Echokardiographie
enten mit Thymom scheinen zudem einerhöhtes Risiko für eine ICI-induzierteMyokarditis zu haben.
Myositis (23–30%), eine Myasthenie-ähnliche Symptomatik, Diplopie (biszu 6%) oder eine Einschränkung derZwerchfellfunktion treten bei Patien-ten mit ICI-induzierter Myokarditis auf[63, 85, 97, 120]. Bei Patienten mitICI-assoziierter Myasthenie kann eineMyokarditis in 3–10% [136] oder eineMyositis in 10–15% nachgewiesen wer-den [3]. Patienten mit konkomitantenMyastheniesymptomenundMyokarditishaben eine hohe Sterblichkeitsrate [136].
EKG-Veränderungen
EKG-Veränderungen sind bei ICI-indu-zierter Myokarditis häufig. Sie reichenvon ST-Hebungen über ventrikuläre Ar-rhythmien und Überleitungsstörungenbis hin zu kompletten Blockbildern. Einabnormales EKG kann bei den meistenPatienten gefunden werden und scheint
eines der sicherstenAnzeichen einer ICI-induziertenMyokarditis zu sein [39, 85].ArrhythmiensindebenfallsstarkmitICI-induzierterMyokarditisassoziiertundoftursächlich für fatale Verläufe [39, 64, 85,119, 120]. Berichtet wurden Vorhofflat-tern, höhergradigeAV-Blöcke, Kammer-flimmern und Asystolie [96]. Bei Auftre-ten von EKG-Veränderungen unter ICImuss eine weiterführende Diagnostik in-klusive kardialer Biomarker initiiert wer-den (. Abb. 3) und ein EKG-Monitoringerwogen werden.
Biomarker
Bei mehr als 90% der Patienten mitICI-induzierter Myokarditis liegt eineTroponin-Erhöhung vor [96]. Bishergibt es keine eindeutige Grenze für dieDiagnose einer ICI-induzierten Myo-karditis, höhere Werte waren jedochmit einer höheren Inzidenz tödlicherEreignisse verbunden [85]. Basierendauf den ESC-Guidelines zur Diagnostik
und Therapie des STEMI/NSTEMI (ST-Elevationsmyokardinfarkt/Non-ST-Ele-vationsmyokardinfarkt) muss zunächsteine ischämischeGenese bzw. eine ande-re mögliche Ursache für eine Troponin-Erhöhung ausgeschlossen werden [2].NT-proBNP ist als Prognosemarker beiPatienten mit Herzinsuffizienz etabliert.Insbesondere bei Patienten mit starkverminderter LVEF und ICI-induzier-ter Myokarditis kann NT-proBNP alswertvoller Follow-up-Parameter dienen.
Kardiale Bildgebung
Eine verringerte LVEF ist nur bei ca. 50%der Patienten mit Myokarditis unter ICIzu beobachten [39, 85]. Eine reduzierteLVEF wirkt sich jedoch negativ auf das„Outcome“ aus und ist mit teils erheb-lichen Komplikationen verbunden. UmVeränderungen im Verlauf beurteilen zukönnen, sollte vor Einleitung einer ICI-Therapie eine Echokardiographie erfol-gen.
274 Der Kardiologe 4 · 2020
Tab. 1 Diagnostische Kriterien für die ICI-induzierteMyokarditis. (NachHu et al. [59])Histopathologie cMRT Echokardiogrammmit neuenWBS Erhöhte kardiale Biomarker
im Vergleich zu Vorwerten
Gesichert Pathologischer Be-fund aussagekräftig
cMRT+M-Syndrom+erhöhte kardiale Biomarker oderEKG-Veränderungen
WBS+M-Syndrom+erhöhte kardiale Biomarker+EKG-Veränderungen+Abwesenheit von stenosierender koro-narer Herzerkrankung
–
Wahr-schein-lich
– cMRTohneM-Syndromohne erhöhte kardiale Biomarkerohne EKG-Veränderungen
WBS+M-Syndrom+Erhöhte kardiale BiomarkeroderEKG-Veränderungen
–
– Nicht eindeutiger cMRT-Befund+M-Syndromodererhöhte kardiale BiomarkeroderEKG-Veränderungen
– –
Möglich – Nicht eindeutiger cMRT-BefundohneM-Syndromohne erhöhte kardiale Biomarkerohne EKG-Veränderungen
WBS+M-SyndromoderEKG-Veränderungen
Erhöhte kardiale Biomarker+M-SyndromoderEKG-Veränderungen
M-SyndromMyasthenie-ähnliches Syndrom, cMRT „cardiacmagnetic resonance tomography“,EKG Elektrokardiogramm,WBSWandbewegungsstörungen
Das kardiale MRT kann den Ver-dacht auf ICI-induzierte Myokarditisdurch nicht-ischämisch bedingtes LateGadolininum Enhancement (LGE) un-termauern. LGE kann bei Patienten mitICI-induzierter Myokarditis in 26–36%nachgewiesen werden [85]. Neben LGEliefert das cMRT die LVEF und soll-te nach Möglichkeit bei Patienten mitVerdacht auf ICI-induzierte Myokar-ditis zusätzlich zur Echokardiographiedurchgeführt werden.
Diagnostik bei Verdacht auf eineICI-induzierte Myokarditis
Die Diagnostik umfasst standardmäßigkardiale Biomarker, ein EKG und eineEchokardiographieundbeifortbestehen-dem Verdacht ein kardiales MRT. Ei-ne begleitende Myastheniesymptomatiksollte zudem evaluiert werden. Zudemmuss eine signifikante Koronarobstruk-tion ausgeschlossen werden. Die Myo-kardbiopsie stellt den Goldstandard derDiagnostik einer Myokarditis dar und
sollte im Verdachtsfall angestrebt wer-den. Im Falle der ICI ist eine lympho-zytäre Infiltration typisch [64]. Zur wei-teren Risikostratifizierung sollte ein 24-h-EKG initialisiert werden [84]. Die ak-tuellen Kriterien zur Diagnostik sind in. Tab. 1 zusammengefasst.
Ergänzende Diagnostik
Anti-Acetylcholin-Rezeptor-Antikörpersollten bei Patienten mit Myasthenie-syndrom bestimmt werden, um weiteretherapeutische Strategien (z.B. Plas-mapherese, Pyridostigmin-Therapie) inBetracht zu ziehen. Zusätzliche Untersu-chungen (peripheres CD4/CD8-Verhält-nis, 18F-Fluordesoxyglucose-Positro-nen-Emissions-Tomographie (FDG-PET)/CT-Scan) können im individu-ellen Fall eine diagnostische Stütze bil-den. Eine Skelettmuskelbiopsie solltebei Patienten mit einem Anstieg derCK bzw. klinischen Anzeichen einerMyositis und Verdacht auf eine ICI-induzierte Myokarditis in Betracht gezo-
genwerden, wenn keineMyokardbiopsiedurchführbar ist.
Auch bei guter LVEF oder Vorliegeneiner signifikanten KHK sollte bei Ver-dachtaufeineICI-induzierteMyokarditiseineMyokardbiopsie inBetrachtgezogenwerden [39, 85]. Insbesondere Patien-ten mit klinischer Symptomatik, erhöh-ter CK, EKG-Veränderungen, malignenArrhythmien, nicht typischem LGE imcMRT oder einer reduzierten LVEF, diedurch eine KHK nicht ausreichend er-klärt ist, benötigen eineMyokardbiopsie.
Grundlagen der Therapie der ICI-induzierten Myokarditis
Die eigentliche Therapie der ICI-indu-zierten Myokarditis beruht zunächst aufeiner gewichtsadaptierten Steroidgabesowie einer supportiven Therapie [59]mit 1–2mg/kg Prednisolon i.v. oder oralbzw. 500–1000mg Methylprednisoloni.v. bei schlechtem Ansprechen [13]. EinAusschleichenkann über 4 bis 6Wochenerfolgen [84]. Bei fehlendem Anspre-
Der Kardiologe 4 · 2020 275
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Konsensuspapiere
Tab. 2 Zielstruktur undHalbwertszeit der Immuncheckpoint-Inhibitoren. (Mod. nach [20])
Zielstruktur Halbwertszeit (in d)
Ipilimumab CTLA-4 15
Atezolizumab PD-L1 27
Avelumab 6,1
Durvalumab 21
Nivolumab PD-1 25
Pembrolizumab 27,3
Cemiplimab 19
CTLA-4 „cytotoxic t-lymphocyte-associated-protein 4“, PD-L1 „programmed cell death-1 ligand 1“,PD-1 „programmed cell death-1“
chen, Auftreten von Komplikationen(höhergradige Arrhythmien, hämody-namische Instabilität oder Verschlech-terung der LVEF) ist eine zusätzlicheImmunsuppression bzw. eine Plasma-pherese, auch aufgrund der teils lan-gen Halbwertszeiten der Medikamente(. Tab. 2) anzuraten. Als zusätzliche im-munsuppressiveTherapie werden aktuellTacrolimus, Infliximab oder Mycophe-nolat vorgeschlagen [59]. Spezielle Fällenmit einem hohen Risiko (hämodynami-sche Instabilität, vermehrtes Auftretenvon Arrhythmien) könnten zudem voneiner gezielten Antikörperbehandlungmit Abatacept, einem CTLA-4-Fusi-onsprotein, profitieren [119]. Aufgrundder mangelnden Studienlage muss inschweren Fällen eine individuelle Stra-tegie etabliert werden. Diese Patientensollten aufgrund ihrer hohen Mortalitätunbedingt intensivmedizinisch versorgtwerden. Bis zum sicheren Ausheilender Myokarditis sollte keine weitereTherapie mit einem ICI erfolgen. Einemanifeste Herzinsuffizienz sollte analogden aktuellen Herzinsuffizienzleitlinienbehandelt werden.
Basisdiagnostik und Monitoringvon Patientenmit ICI-Therapie
Es gibt noch keine sichere Festlegung,welche Diagnostik vor Initialisierung ei-ner ICI-Therapie zwingend erforderlichist. Aufgrund der Schwere der mögli-chenMyokarditis empfehlenwir eine Be-stimmung der kardialen Biomarker, dieDurchführung einer Echokardiographiesowie einEKG,umVergleichsbefunde imFalle desVerdachts einer ICI-induziertenMyokarditis zu haben (. Abb. 3).
Während der Therapie empfiehlt sichneben der regelmäßigen Anamneseer-hebung hinsichtlich kardialer Symptomeein EKG-Monitoring v. a. innerhalb derersten12Wochenaufgrunddes indiesemZeitraumgehäuftenAuftretens. Bei klini-scher Symptomatik oder pathologischenBefunden sollte umgehend bei Verdachtauf eine ICI-induzierte Myokarditis eineweiterführende Diagnostik erfolgen.
Zielgerichtete Therapien:klassische Antikörperund Small-molecule-Tyrosinkinaseinhibitoren
Zielgerichtete Therapeutika revolutio-nieren die Onkologie aufgrund ihrerhohen antitumorösen Effektivität beideutlich niedriger unspezifischer Zyto-toxizität. Trotzdem können auch zielge-richtete onkologische Therapeutika zuNebenwirkungen führen, insbesonde-re, wenn andere Signalwege, sog. „off-targets“, beeinflusst werden. Dies istbedeutsam gerade bei schlecht regene-rierenden Organen und Zelltypen wieHerz und Blutgefäße. KardiovaskuläreNebenwirkungen aktueller zielgerich-teter onkologischer Therapeutika, dieentsprechend der Fachinformation alshäufig oder sehr häufig aufgeführt wer-den, zeigt . Tab. 3.
Tyrosinkinaseinhibitoren mitmultiplen Ansatzpunkten
Die bei vielen Wirkstoffen beobachteteBlutdruckerhöhung ist mit der On-tar-get-Wirkung auf den VEGFR-Signalweggut erklärt. Inwieweit zusätzliche Effekteauf die Gefäßstruktur/Gefäßsteifigkeit
eine Rolle spielen, die z.B. für Sorafenibund Sunitinib beschrieben wurden, istunklar. Viele Tyrosinkinaseinhibitorenhaben durch unspezifische Bindung andie ATP-Bindungsstelle anderer Kina-sen multiple, sogenannte Off-target-Effekte. Einige der inhibierten Signal-wege wie RAF1 und KIT regulierenÜberleben und Reparaturmechanismenin Herzmuskelzellen, kardiotoxischeWirkungen wurden sowohl in kulti-vierten Herzmuskelzellen wie auch inTierexperimenten nachgewiesen [133].Die Angaben zum Auftreten einer LV-Dysfunktion unter Sorafenib und Su-nitinib schwanken zwischen 1 und 9%[52, 100, 102]. Der ausgeprägteste Ef-fekt unter den Tyrosinkinaseinhibitorenauf die Verlängerung der QTc ist fürVandetanib beschrieben mit dosisab-hängigen Raten von 3–12% [45]. Einstatistischer Zusammenhang der QTc-Verlängerung mit insgesamt sehr seltenaufgetretenen, malignen Arrhythmienkonnte unter Studienbedingungen nichtbeobachtet werden. Allerdings werdenin der Routineanwendung in 24–74%Medikamente mit Interaktionspotenzialüber den Cytochrom-P450 3A4-Meta-bolismus verschrieben, was zu erhöhtemToxizitätspotenzial führen kann. FürVandetanib wurde in vitro eine direkteBindung an kardiomyozytäre hERG-Kaliumkanäle und eine Inhibition vonKalium- und Natriumströmen gezeigt,wasmiteinerattenuiertenDepolarisationund einer Verzögerung des Aktionspo-tenzials einherging [75].
BCR-ABL-Inhibitoren
Zu den ersten Kinaseinhibitoren über-hauptgehört Imatinib,das selektiv aufdieBCR-ABL-Translokation wirkt, welcheals Fusionskonstrukt die treibende Kraftbei chronischer myeloischer Leukämieist. Relevante Häufungen kardiovasku-lärer Nebenwirkungen wurden unterImatinib kaum beschrieben. Die BCR-ABL-Inhibitoren der folgenden Genera-tionen sind deutlich effizienter, zeigtenaber eine Reihe von kardiovaskulä-ren Nebenwirkungen. Unter Dasatinibwurde bei 3% der Patienten eine pul-monalarterielle Hypertonie beobachtet[51], die bei ca. zwei Drittel der Pa-
278 Der Kardiologe 4 · 2020
Tab. 3 Onkologische Indikation, kardiovaskuläre Nebenwirkungen und Therapiemonitoringanach Fachinformation: (sehr häufig >10%, häufig1–10%)
Indikation Peri-/myokardialeErkrankungen
Arrhythmien Vaskuläre Er-krankungen
Monitoring
Small-molecule-Tyrosinkinaseinhibitoren
BCR-ABL
Imatinib (PDGFR, KIT) CML, ALL, gastrointestinale Stromatu-moren, chronische eosinophile Leukä-mie
– – – –
Dasatinib (SRC) CML, ALL HI, Perikarderguss QTc-Verlängerung HTN, PAH EKG
Nilotinib (KIT, PDGFR) CML – QTc-Verlängerung, VHF,AV-Block
ATE, HTN Lipide, Ba-sis-EKG
Bosutinib (SRC) CML Perikarderguss QTc-Verlängerung HTN Basis-EKG
Ponatinib (VEGFR,PDGFR, SRC)
CML, ALL HI, Perikarderguss VHF HTN, VTE, ATE RR
BRAF
Vemurafenib Melanom, Haarzellleukämie,multiplesMyelom
– QTc-Verlängerung Vaskulitis EKG, Elyte
Dabrafenib Melanom, NSCLC LV-Dysfunktion – HTN –
Encorafenib Melanom LV-Dysfunktion SVT HTN, VTE TTE, EKG,Elyte
MEK
Trametinib Melanom, NSCLC LV-Dysfunktion Bradykardie HTN TTE, RR
Cobimetinib Melanom LV-Dysfunktion – HTN TTE
Binimetinib Melanom LV-Dysfunktion – HTN, VTE RR, TTE
ALKMET
Crizotinib NCSLC HI Bradykardie, QTc-Ver-längerung
– EKG, Elyte,RR
Alectinib NSCLC – Bradykardie – –
Brigatinib NSCLC – Tachykardie, Bradykar-die, QTc-Verlängerung
HTN HF/RR
Ceritinib NSCLC Perikarditis Bradykardie, QTc-Verlän-gerung
– EKG
Bruton
Ibrutinib CLL, Mantelzelllymphom,Morbus Wal-denström
– VHF, ventrikuläre Ta-chyarrhythmien
– EKG
Acalabrutinib Lymphoplasmozytisches Lymphom,Mantelzelllymphom,CLL
– – – –
EGFR
Erlotinib NSCLC, Pankreaskarzinom – – – –
Gefitinib NSCLC – – – –
Lapatinib (HER2) Mamma-Ca LV-Dysfunktion – – TTE, EKG
Afatinib NSCLC – – – –
Osimertinib NSCLC – – – –
Neratinib (HER2) Mamma-Ca – – – –
Multi-Target
Sorafenib(RAF-1/B-RAF, VEGFR2,PDGFR)
HCC, RCC, follikuläres SD-Karzinom HI – MI,HTN RR
Sunitinib (VEGFR,PDGFR, KIT)
GIST, RCC, neuroendokriner Pankreastu-mor
LV-Dysfunktion – Ischämie,HTN,VTE
RR
Pazopanib (VEGFR,PDGFR, KIT)
RCC, Weichteilsarkom LV-Dysfunktion – HTN, VTE RR, EKG,Elyte
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Konsensuspapiere
Tab. 3 (Fortsetzung)
Indikation Peri-/myokardialeErkrankungen
Arrhythmien Vaskuläre Er-krankungen
Monitoring
Vandetanib (VEGFR,EGFR)
Medulläres SD-Karzinom – QTc-Verlängerung HTN EKG, Elyte,RR
Lenvatinib (VEGF, FGFR,PDGF, KIT, RET)
RCC, HCC, follikuläres SD-Karzinom HI QTc-Verlängerung HTN, MI, VTE RR, EKG,Elyte
Regorafenib (VEGFR) Kolorektal, GIST, HCC – – HTN RR
Axitinib (VEGFR) RCC HI – HTN, VTE, MI RR
Nintedanib (VEGFR,FGFR, PDGFR)
NSCLC – – – –
Cabozantinib (VEGFR,MET, RET)
RCC, HCC, medulläres SD-Karzinom – – HTN, VTE, ATE RR, EKG,Elyte
Antikörper
HER2
Pertuzumab Mamma-Ca LV-Dysfunktion – – TTE, Tropo-nin
Trastuzumab Mamma-Ca, Magen-Ca LV-Dysfunktion/HI – – EKG, TTE,Troponin
Ado-TrastuzumabEmtansin
Mamma-Ca LV-Dysfunktion – – TTE, Tropo-nin
VEGF
Bevacizumab Kolon-Ca, Mamma-Ca, NSCLC, RCC,Ovar-Ca, Zervix-Ca
HI SVT HTN, VTE, ATE RR
Ramucirumab Magen, Kolorektal, NSCLC – – HTN RR
Aflibercept Kolorektal – – HTN, VTE, ATE RR, TTE
EGFR
Panitumumab Kolorektal – Tachykardie VTE, HTN –
Cetuximab Kolorektal, Plattenepithel-Ca Larynx/Pharynx
– – – –
Necitumumab Plattenepithel-Ca,NCSLC – – VTE, ATE –
EGFR epidermaler Wachstumsfaktorrezeptor, Elyte Elektrolyte mit Effekt auf Erregungsausbreitung wie Kalium, Magnesium, Kalzium, HER humaner epi-dermaler Wachstumsfaktorrezeptor, HF Herzfrequenz, VEGFR vaskulärer endothelialer Wachstumsfaktorrezeptor, PDGFR „platelet derived growth factorreceptor“, Ca Karzinom, NSCLC nichtkleinzelliges Bronchialkarzinom, CML chronisch myeloische Leukämie, ALL akute lymphatische Leukämie, HCC hepa-tozelluläres Karzinom, RCC Nierenzellkarzinom, SD Schilddrüse, GIST gastrointestinaler Stromazelltumor, HI Herzinsuffizienz, HTN Hypertonie, VTE venösethrombembolische Erkrankung, ATE arterielle thrombembolische Erkrankung, MI Myokardinfarkt, PAH pulmonalarterielle Hypertonie, RR Blutdruck,TTE Ejektionsfraktion mittels transthorakaler Echokardiographie, VHF Vorhofflimmern, SVT supraventrikuläre Tachykardie, Src Sarcoma Proto-OncogeneTyrosine-Protein Kinase, KIT „stem cell factor rezeptor“, BRAF „rapidly accelerated fibrosarcoma isoform B“,MEK „mitogen-activated protein kinase“,ALK Ana-plastic Lymphoma Kinase, CLL chronische lymphatische Leukämie, EKG Elektrokardiogramm, RAF „rapidly accelerated fibrosarcoma“, RET Tyrosine KinaseRezeptor RET,MET Tyrosine Kinase Rezeptor METaBezieht sich nur auf in der Fachinformation explizit für alle Patienten empfohlene instrumentelle Monitoringuntersuchungen
tienten nach Absetzen reversibel ist,aber auch dauerhafte und klinisch fa-tale Verläufe verursachen kann [124].Ursächlich scheinen Off-target-Effektevon Dasatinib an SRC-Kinasen, die dieProliferation von glatten Gefäßmuskel-zellen und Vasokonstriktion regulieren.Zusätzlich werden endothelschädigen-de Effekte über ROS diskutiert [51].Therapeutika zur Behandlung der pul-monalarteriellen Hypertonie scheinenauch bei Dasatinib-induzierten Fällenzu wirken [145]. Nilotinib zeigt dosis-
und zeitabhängig arterielle Gefäßver-schlüsse in über 10% bei 6-jährigerBehandlung [71]. Die molekularen Me-chanismen sind weitestgehend unklar.Aufgrund ungünstiger metabolischerEffekte mit Hyperglykämie und Hyper-lipidämie und sekundär akzelerierterAtherosklerose werden eine Kontrolleder Fettstoffwechselparameter vor The-rapie, und nach 3, 6 und alle 12 Monatesowie eine Kontrolle der Blutglukoseempfohlen. Bei anderen Patienten tretendie Veränderungen rasch ein und könn-
ten durch experimentell nachweisbaredirekte apoptotische und proatherogeneEffekte auf vaskuläre Endothelzellen er-klärbar sein. Klassische kardiovaskuläreRisikofaktoren erhöhen das Risiko vas-kulärer Nebenwirkungen, und etabliertekardiologische Risikoscores wie SCOREkönnen auch bei Patienten mit Nilotinibdas Risiko für vaskuläre Ereignisse ab-schätzen [114]. Ponatinib als Inhibitorder 3. Generation und Multikinaseinhi-bitor hat dosisabhängig neben VEGFR-Inhibition-vermittelter Hypertension
280 Der Kardiologe 4 · 2020
v. a. ein erhöhtes Risiko für vaskulärethrombembolische Komplikationen mitschweren arteriellen thrombotischenEreignissen bei über 20% der Patien-ten [27]. Ponatinib erzeugt experimen-tell Mikroangiopathien [72] und einenprothrombogenen Zustand über die Ak-tivierung inflammatorischer Mediatorenwie TNF-α, Interferon-γ, Interleukin-6und P-Selectin [54]. Wichtig ist, dassgerade für schwer therapierbare Formender akuten lymphatischen Leukämieauch Kombinationstherapien empfohlenwerden. Zum Beispiel erhöht sich dieEffizienz von Dasatinib, wenn es mitM199 (Venetoclax), einem selektivenInhibitor des B-cell-lymphoma 2(BCL-2)-Proteins [79] oder noch zusätzlichmitDexamethason [122] kombiniert wird.Analysen zur Wirkung solcher Kombi-nationstherapien auf das kardiovaskuläreSystem sind dringend notwendig.
BRAF- und MEK-Inhibitoren
Die Hemmung des Ras-Raf-MEK1-ERK1/2-Signalwegs kann zu einer Ein-schränkung der LV-Funktion, zu Blut-druckanstieg und zu einer Verlängerungder QTc führen. Vor allem unter einerKombinationstherapie mit BRAF- undMEK-Inhibitor sind der Abfall der LVEFund das Auftreten von Hypertonie häu-figer mit 8,1% vs. 2% und 19,5% vs.14% verglichen mit BRAF-Monothe-rapie [93]. Für Cobimetinib wird einMonitoring der LVEF nach 1 Monatund dann 3-monatig empfohlen und beiAbfall der LVEF (
Konsensuspapiere
synchrone Anthrazyklin-Therapie odereinevorbestehendeeingeschränkteLVEF[104]. Die Erholungsrate der Trastuzu-mab-assoziierten LV-Dysfunktion liegtbei ca. 80% [148].
Für Trastuzumab und ähnlich für dieanderen ERB2-Inhibitoren werden eineklinische Evaluation, EKG und eine Be-stimmung der LVEF vor und alle 3 Mo-nate unter Therapie sowie alle 6 Monatebis 2 Jahre nach Therapieende empfoh-len. Bei einem Abfall der LVEF von 10%oder mehr auf unterhalb von 50% wer-den eine Pausierung der Therapie undReevaluation nach 3 Wochen empfoh-len. Dies deckt sich weitestgehend mitdem aktuellen Positionspapier der ESC,in dem allerdings bei einem Abfall derLVEF auf Werte zwischen 45 und 49%noch eine Therapiefortführung unter ei-ner Gabe von ACE-Hemmern als mög-lich erachtet wird. Letzteres wird unter-stützt durch eine aktuelle Beobachtungs-studie, in der eine Therapie mit Tras-tuzumab oder Pertuzumab bei Patien-tinnen mit Mammakarzinom und leich-ter, asymptomatischer linksventrikulärerDysfunktion (LVEF40–49%)unter einerVorbehandlung mit ACE-Hemmer undβ-Blocker und kardiologischer Kontrol-le in 90% der Patienten ohne kardiovas-kuläre Ereignisse durchgeführt werdenkonnte [83]. Die klinische und medizin-ökonomische Effektivität eines Monito-rings überhaupt und bestimmter Moni-toringintervalle wurde bisher nicht pros-pektiv evaluiert.
Eine primärpräventive, kardioprotek-tiveTherapie wird aktuell kontrovers dis-kutiert [10] und im europäischen Po-sitionspapier für nicht näher definier-te Hochrisikopatienten empfohlen. Diegrößte randomisierte Studie an 468 Pa-tienten mit Trastuzumab-Therapie fandeinen signifikanten Vorteil einer präven-tiven ACE-Hemmer- und β-Blocker-Be-handlung im Vergleich zu Plazebo nurbei Patienten, die zusätzlich mit Anthra-zyklinen behandelt wurden [50].
Tritt eine Herzinsuffizienz mit LV-Dysfunktion unter Trastuzumab auf,wird eine Behandlung entsprechend denkardiologischen Leitlinien für Herzin-suffizienz empfohlen.
VEGFR-Inhibitoren
Eine Inhibition des Signaltransdukti-onswegs des vaskulären endothelialenWachstumsfaktorrezeptors (VEGFR)wirkt über Angiogenesehemmung anti-tumorös und kann antikörpervermitteltauf Basis des Wachstumsfaktors oderdes Rezeptors erfolgen oder über Inhi-bition nachgeschalteter Tyrosinkinasen.Die bedeutendste kardiovaskuläre Ne-benwirkung aller VEGFR-Inhibitorenist die Blutdrucksteigerung. Bei bis zu80% der behandelten Patienten wirdeine Hypertonie beobachtet, die do-sisabhängig und meist nach Absetzender Therapie reversibel ist. Wenngleichder Blutdruckanstieg mit der antitu-morösen Therapieeffektivität korreliert,beeinträchtigt umgekehrt eine medika-mentöse Senkung des Blutdrucks nichtdie Therapiewirkung auf den Tumor.Die Blutdrucksteigerung wird über eineHemmung vasodilatierender Faktorenwie Stickstoffmonoxid und Prostaglan-dinen und eine Steigerung von vasokon-striktorischen Faktoren wie Endothelinsowie über eine Reduktion der Kapillar-gefäßdichte vermittelt [37]. Aufgrundder raschen Blutdrucksteigerung nachTherapiebeginnmit VEGFR-Inhibitorenund fehlender Adaptationsmechanis-men ist sekundär das Risiko für vas-kuläre Ereignisse wie Schlaganfall oderMyokardinfarkt erhöht. LV-Funktions-störungen und Herzinsuffizienz tratenin randomisierten Studien mit VEGFR-Inhibitoren in 2,4% auf [46], wobei dieRate in der klinischen Routine höherzu sein scheint [102]. Neben direktenkardiotoxischen Effekten der VEGF-In-hibitoren begünstigt die Hypertensiondie Ausbildung der LV-Dysfunktion, diezumindest zum Teil reversibel zu seinscheint. Der QTc verlängernde Effekt va-riiert sehr stark zwischen den VEGFR-Inhibitoren und scheint auf direktenEffekten auf myokardiale Kaliumkanälezu beruhen [65].
Vor Beginn einer VEGFR-Inhibitor-Behandlung sollte im Rahmen der kar-diovaskulären Basiserhebung besondersauf eine optimale Blutdruckeinstellunggeachtet werden. Als mögliches Moni-toringregime wurden von dem NationalCancer Institute Blutdruckkontrollen
während des ersten Zyklus wöchentlichund im Anschluss alle 2 bis 3 Wochenvorgeschlagen[129].DieBehandlungderHypertonie erfolgt grundsätzlich gemäßden entsprechenden kardiologischenLeitlinienempfehlungen. Aufgrund vonInteraktionen der meisten VEGFR-Inhi-bitoren mit Zytochrom P450 3A4 solltenDihydropyridin-Kalziumantagonistenvermieden werden. Diuretika haben dasRisiko eines Elektrolytverlustes, was ei-ne QTc-Verlängerung begünstigen kann,und sind deshalb nurmit Vorsicht einzu-setzen. Mittel der erstenWahl sind ACE-Hemmer/AT1-Inhibitoren, β-Blockerund Nicht-Dihydropyridin-Kalziuman-tagonisten. Bei Behandlungsregimenmittherapiefreien Intervallen muss auf eineReboundhypotension geachtet werdenund die antihypertensive Therapie ggf.angepasst werden. Evidenz bezüglicheines routinemäßigen Screenings aufLV-Dysfunktion gibt es bislang nicht.Eine konkrete Monitoringempfehlungder QTc besteht nach Fachinformationbislang nur für Vandetanib, wo ein Aus-gangs-EKG und EKG- und Elektrolyt-kontrollen nach 1, 3, 6 und 12 Wochensowie dann alle 3 Monate empfohlenwerden. Eine Ausgangs QTc von mehrals 480ms ist eine Kontraindikation fürVandetanib.
Neue hämatologischeTherapien
Zu den neueren hämatologischenThera-pien zählen immunmodulatorische Me-dikamente,Antikörpertherapien (CD38-Antikörper, CD20-Antikörper, CD79b-Antikörper, CD30-Antikörper, Slam-F7-Antikörper, CD22-Antikörper, CD3/19-Antikörper) sowie Hedgehog-Signal-weginhibitoren und PI3K-Inhibitoren(. Tab. 4). Der folgende Abschnitt fokus-siert auf hämatologische Medikamenteaus den Gruppen der Proteasominhibi-toren, der Histon-Deacetylase(HDAC)-Inhibitoren sowie der immunmodulato-rischen Medikamente, da diesbezüglichspezifische kardiale Nebenwirkungenberichtet wurden und ein Hinweis zurDiagnostik und Therapie gegeben wer-den kann. Bei den anderen neuerenhämatologischen Therapien müssenumfangreichere Analysen abgewartet
282 Der Kardiologe 4 · 2020
Tab. 4 Überblick über neue hämatologischeMedikamente, Indikation sowie aus klinischer/kardiologischer Perspektive die häufigste potenzielle kardiale Nebenwirkung
Wirkstoff-gruppe
Wirkstoff Aktuelle Zulassunga Potenzielle kardiale Nebenwir-kungen
Proteasom-inhibitoren
Bortezomib MultiplesMyelom Herzinsuffizienz
Carfilzomib MultiplesMyelom Herzinsuffizienz
HDAC-Inhibi-toren
Vorinostat Kutanes T-Zell-Lym-phom, multiplesMye-lom
QTc-Verlängerung
Panobinostat MultiplesMyelom QTc-Verlängerung
Romidepsin – QTc-Verlängerung
Immunmodula-torischeMedikamente
Lenalidomid MultiplesMyelom Arterielle/venöse Thrombosen,arterielle Hypertonie, Herzinsuffi-zienz
Pomalidomid MultiplesMyelom Arterielle/venöse Thrombosen
HDAC Histon-DeacetylasenaGemäß EMA (Europäische Arzneimittelagentur), Zulassung teils erst als Möglichkeit in der Zweit-oder Drittlinientherapie
werden, bevor eine Beurteilung poten-ziell kardiotoxischer Effekte erfolgenkann.
Proteasominhibitoren
Neben reversiblen Inhibitoren des Pro-teasoms (beispielsweise das Bortezo-mib) wurden irreversible Inhibitorenmit deutlich verlängerter und verbesser-ter Wirkung am Proteasom entwickelt(beispielsweise Carfilzomib) [55]. Car-filzomib hat sich als eine Option inder Zweitlinientherapie des multiplenMyeloms etabliert [36, 131]. In den Zu-lassungs- und Toxizitätsstudien zeigendie irreversiblen Inhibitoren schon nachkurzer Zeit eine fast komplette Inhibitionder Proteasomaktivität in Kardiomyozy-ten. Zudem wurde bei allen getestetenDosierungen im präklinischen Modelleine Inflammation im Herzen histo-logisch nachgewiesen. Eine Reduktionder LVEF wurde bereits im Rahmenpräklinischer Studien berichtet [103].
Klinische DatenlageIrreversible Proteasominhibition ist miteiner erhöhten Rate von kardiovaskulä-renEreignissen, insbesondereHerzinsuf-fizienz verbunden. In der bisher größtenklinischen Studie traten bei 22% derPatienten kardiale Nebenwirkungen auf(Arrhythmien, meist Vorhofflimmern[13,3%]; Herzinsuffizienz [7,2%]; be-handlungsassoziierte Kardiomyopathie[2%]; myokardiale Ischämien [3%])
[125]. In Metaanalysen der klinischenPhase-I- bis -III-Studien werden arteri-elle Hypertonie (5,9%), Dyspnoe (4,5%)und das Auftreten einer Herzinsuffizienzmit Grad 3 oder höher (4,4%) berichtet.In den retrospektiven Untersuchungenergab sich kein sicherer Einfluss auf dieMortalität [22]. Bei isolierter Betrach-tung von Patienten mit kardiovaskulärenEreignissenunterBortezomib- oderCar-filzomib-Therapie waren die klassischenkardiovaskulären Risikofaktoren nichtmit einer erhöhten Rate von Ereignissenvergesellschaftet, sodass bisher keinesichere Risikostratifizierung möglichscheint.
Prospektiv muss man mit einem Auf-treten kardiovaskulärer Ereignisse vonca. 65% rechnen (55% Grad 3 oder hö-her) [26]. InderGruppederCarfilzomib-behandelten Patienten zeigten sich bei41% Symptome einer Herzinsuffizienz,bei 20% Grad 3 oder 4 [26].
Ungefähr 86% der kardialen Neben-wirkungen traten während der ersten3 Monate der Therapie auf, was sichauch mit den Ergebnissen der übrigenklinischen Studien deckt. NT-proBNPbzw. BNP-Erhöhungen (über ein Levelvon 125pg/ml bzw. 100pg/ml) warenein prognostischer Marker für das Auf-treten von Ereignissen. StattgehabteBestrahlung oder eine vorangegange-ne Anthrazyklin-Therapie erhöhen dasRisiko für kardiovaskuläre Ereignisse,eine sichere Risikostratifizierung mittels
NT-proBNP oder Echokardiographieerscheint aber nicht möglich [31, 118].
Empfehlung zur KardiotoxizitätPatientenmit eingeschränkterLVEFoderVorhofflimmern sollten engmaschig be-treutwerden.KardialeBiomarker (insbe-sondereTroponin)habenwahrscheinlicheinen prädiktiven Wert, erhöhte Wertesollten ebenfalls eine engmaschigere Be-treuung zur Folge haben [91]. Eine Beur-teilung erfolgt gemäß denEmpfehlungenzur Diagnostik und Therapie der Herz-insuffizienz der ESC [111].
Insbesondere während der ersten3 Monate scheinen sich kardiovaskulä-re Nebenwirkungen zu manifestieren,sodass Patienten mit erhöhtem Risiko(kardiale Vorerkrankung, umfangreichestattgehabte onkologische Therapien)innerhalb der ersten 3 Monate nach In-itialisierungeinerTherapiekardiologischbetreut werden sollten.
Vorgehensweise bei vermuteterKardiotoxizitätBei Verdacht auf eine Carfilzomib-asso-ziierteReduktionderLVEFsolltedieThe-rapie zunächst unterbrochenwerdenundeineHerzinsuffizienztherapie gemäßdenLeitlinien der ESC initialisiert werden[111].
Im weiteren Verlauf kann unter einerstrengenKontrollederkardialenBiomar-ker und der LVEF eine erneute Therapiemittels Carfilzomib, ggf. in reduzierterDosierung versucht werden [111].
Histondeazetylasen(HDAC)-Inhibitoren
HDAC-Inhibitoren wirken durch Bin-dung und Inhibition der Deazetylase-Domäne von Histon-modifizierendenProteinen. Die aktuell zugelassenen Me-dikamente gehören zu den Pan-Inhi-bitoren und sind a. e. unspezifischeInhibitoren mit geringer Affinität zubestimmten HDACs. Die pharmako-logische Inhibition der HDACs führtaber nicht nur zu einer Modifikation desEpigenoms, vielmehr gibt es zahlreichenichtnukleäre Zielproteine der HDACs,sodass die Wirkung nicht ausschließlichauf eine transkriptionelle Modifikationbeschränkt ist. Unter den zahlreichen
Der Kardiologe 4 · 2020 283
Konsensuspapiere
HDAC-Inhibitoren sind bisher nur we-nige zur klinischenAnwendung in onko-logischenTherapien zugelassen. Vorino-stat ist zur Behandlung des refraktärenund fortgeschrittenen kutanen T-Zell-Lymphoms zugelassen, Panobinostat zurBehandlungdes refraktärenund/oder re-zidivierenden multiplen Myeloms nachmindestens 2 vorausgegangenen Thera-pien.
In den initialen klinischen Studienmit HDAC-Inhibitoren gab es Berichtevon supraventrikulären Arrhythmien[123, 134]. Veränderungen der LVEFoder erhöhte kardiale Biomarker zeigtensich nicht.
Aufgrundder vorliegendenDaten ste-hen bei HDAC-Inhibitoren die poten-ziellen proarrhythmogenen Effekte imVordergrund. Zu den frühen ZeichenvonEKG-VeränderungengehörenT-Ne-gativierung sowie QTc-Verlängerungen[134]. Bei Letzteren sollte unter derThe-rapie eine Normalisierung bis zur Wei-terführung abgewartet werden sowie ei-ne Kontrolle der Elektrolytwerte erfol-gen. Eine Komedikation mit potenziellQTc verlängernden Medikamenten soll-te vermiedenwerden.PräklinischeDatenweisen bezüglich kardialer Fibrose undbezüglich der linksventrikulären Pump-funktion auf potenziell kardioprotektiveMechanismen hin [76].
ImmunmodulatorischeMedikamente
Die Klasse der immunmodulatorischenMedikamente wirken über mehrere mo-lekulare Mechanismen (Stimulation vonT-Zellen, Hemmung der Proliferationhämatopoetische Zellen, Antiangioge-nese) an Tumorzellen. Eine Hochre-gulation von TNF-α wird neben einerveränderten Ausschüttung endothelialerBotenstoffe mit einer erhöhten NeigungzuThrombosen in Verbindung gebracht.Die beiden am häufigsten eingesetztenWirkstoffe sind Lenalidomid und Poma-lidomid, sie leiten sich strukturell vonThalidomid ab.
In den größeren Studien zeigen sichv. a. eine Häufung thrombembolischerEreignisse sowie Überleitungsstörungen[42, 66].Die genaueHäufigkeit derEreig-nisse unter Therapie mit immunmodu-
latorischen Medikamente ist unklar undschwankt je nach Berichten der klini-schen Studien stark [74]. Das Auftreteneiner Thrombose oder eines thrombem-bolischen Ereignisses muss als möglicheNebenwirkungbei bis zu23%derPatien-ten erwartet werden, insbesondere unterKotherapie mit Erythropoietin [35, 66].Von einer Herzinsuffizienz wird bei biszu 4%, von einer arteriellen Hypertoniebei bis zu 6,9% der Patienten berich-tet [74]. Im Vergleich zur Behandlungmit Bortezomib zeigt sich bei Patien-ten mit multiplem Myelom und Lena-lidomid-Therapie allerdings keine weite-re Steigerung kardiovaskulärer Ereignis-se [115]. Neben den thrombembolischenEreignissen werden gehäuft Sinusbrady-kardien sowie Vorhofflimmern berichtet[40]. Sinusbradykardien treten unabhän-gig von sonstigen EKG-Veränderungenbzw. Verlängerungen der Überleitungs-zeiten auf. Gegebenenfalls sollte eine zu-sätzliche bradykardisierendeMedikationreduziertbzw.nurnacherneuterKontrol-le der Herzfrequenz initialisiert werden.
Aufgrund der deutlichen Häufungthrombembolischer Komplikationen ei-ner immunmodulatorischen Therapie(Thalidomid und Lenalidomid) wirddie prophylaktische Gabe von Throm-bozytenaggregationshemmern (Aspirin100mg) bei Patienten ohne Risikofakto-ren für eine Thrombose und eine Gabevon Heparin bzw. Marcumar bei zusätz-lichem Thromboserisiko, vom Europäi-schen Myelom-Netzwerk sowie von derEuropäischen Gesellschaft für medizini-sche Onkologie (ESMO) empfohlen [95,139]. Die Entscheidung über die Maß-nahme sollte individuell angepasst sein(mögliche Kontraindikationen für eineAntikoagulation bzw. Thrombozyten-aggregationshemmung). Die Patientensind zudem anzuweisen, auf klinischeSymptome einer möglichen Thrombo-se zu achten und thromboseförderndesVerhalten einzuschränken (z.B. Rau-chen). Unter der zusätzlichen Gabe vonErythropoietin ist das Thromboserisikoweiter erhöht.
CAR-T-Zelltherapien
Auch bei den neu etablierten CAR-T-Zelltherapien scheint ein fokussier-
tes kardiales Monitoring indiziert zusein. Obwohl bislang keine Daten ausgrößeren multizentrischen Erhebungenzur Verfügung stehen und die Inzidenzkardialer Nebenwirkungen im Rahmendieses Therapieansatzes noch nicht nä-her definiert ist, berichten einzelne on-kokardiologische Arbeitsgruppen überkardiale Nebenwirkungen als möglichenOn-target/off-tumor-Effekt der CAR-T-Zelltherapie.
In Analogie zu den bekannten Ne-benwirkungenwie „cytokine release syn-drome“ (CRS) oder „immune effectorcell-associated neurotoxicity syndrome“(ICANS)solltedieEntwicklungeinesbis-lang nicht beschriebenen „immune ef-fector cell-associated cardiotoxicity syn-drome“ (OCACS) in das potenzielle Ne-benwirkungsspektrum einbezogen wer-den.
Krebserkrankungen im Kindes-und Jugendalter und ihreSpätfolgen
Grundlagen
Onkologische Erkrankungen treten miteiner Inzidenz von 16,8 pro 100.000 beiKindern und Jugendlichen unter 15 Jah-ren auf. Das bedeutet in Deutschland1800 bis 2000Neuerkrankungen pro Jahrin dieser Altersgruppe. Die akuten Leu-kämien sind mit 34% die häufigste Er-krankung, gefolgt von Hirntumoren mit22% und Lymphomen mit 12%.
Durch die Erfolge in derOptimierungder Therapie überleben 83% der pädi-atrischen Patienten mindestens 10 Jah-re und erreichen das Erwachsenenalter.Damit erhöht sich die Zahl der Lang-zeitüberlebenden um ca. 1500 Patientenjährlich. Derzeit leben in Deutschlandmehr als 30.000 erwachsene Menschennach durchgemachter onkologischer Er-krankung im Kindesalter.
Bei 60–70% der ehemaligen jugend-lichen Patienten werden Spätfolgen be-richtet [105]. Dies sind Kardiomyopathi-en, aber auchHörverluste, eingeschränk-te Nierenfunktion, endokrine Störungenund Infertilität, Zweitmalignome, neu-ropsychologische Störungen. Außer derSorgeumeineerneuteTumorerkrankungspielt die Kardiotoxizität für die Progno-
284 Der Kardiologe 4 · 2020
se eine wichtige Rolle. Die wahrschein-lichste, weil häufigste kardiale Noxe istdabei die Anthrazyklin-Gabe. Bestrah-lung mit demThorax im Strahlenfeld istebenso von erheblicher Bedeutung. Etwa60% der Patienten mit einer onkologi-schen Erkrankung erhalten Anthrazykli-ne und/oder Bestrahlung. Auch neuereMedikamente wie Tyrosinkinaseinhibi-toren kommen in der Pädiatrie in denFokus der Therapie und werden damitKandidaten für Nebenwirkungen.
Die Besonderheiten der pädiatrischenPopulation sind für dieNachsorge imEr-wachsenenalter vonBedeutung. ImESC-Statement [149] wird diese Gruppe an2 Stellen erwähnt: Zum einen erfolgt dieEinordnung in die Gruppe mit erhöh-temRisikofürkardiovaskuläreProbleme,zum anderen wird die Notwendigkeit ei-ner lebenslangen Nachsorge konstatiert,da das erhöhte kardiovaskuläre Risikomindestens 45 Jahre nach Behandlungder onkologischen Erkrankung besteht[94].
Kardiovaskuläre Belastungnach Therapie im Kindes- undJugendalter
Folgeprobleme bei onkologischer Er-krankung im Kindesalter sind krank-heits- und therapiebedingt zu erwarten.Hauptrisiken für das Herz stellen dieTherapie mit Anthrazyklinen und/oderthorakale Bestrahlung dar. Anthrazykli-ne werden unter anderem bei akutenLeukämien, Lymphomen und Knochen-tumoren eingesetzt [81].
Als Risikofaktoren für Kardiotoxizi-tät durch Anthrazykline im Kindesalterwerden genannt:4 hohe kumulative Anthrazyklin-
Dosis,4 hohe Einzeldosis,4 Bolusgabe4 kardiale Vorerkrankungen,4 zusätzliche Bestrahlung,4 junges Alter.
Die Herzinsuffizienz als Spätfolge istdabei in der Regel mit einer schlechtenPrognose verbunden und für die Hälfteder frühzeitigenTodesfälle vonPatientenmit pädiatrischen Tumorerkrankungenverantwortlich [19]. Sicher gibt es auch
individuelle, genetisch determinierteToleranz für chemotherapeutisch ein-gesetzte Medikamente. Varianten imGen CUGBP Elav-like family member 4(CELF4) prädisponieren beispielswei-se für einen kardialen Schaden nachAnthrazyklin-haltiger Chemotherapie.Versuche an humanen Kardiomyozyten,welche aus induzierten pluripotentenStammzellen (iPSC-CM) verschiedenerPatienten gewonnen wurden, zeigten au-ßerdem, dass individuelle Unterschiedein Bezug auf die Chemotherapeuti-katoleranz in iPSC-CM experimentellreproduziert werden konnten [15]. ZurBeurteilung des persönlichen Risikoseinzelner Patienten für kardiotoxischeSpätfolgen einer onkologischen Behand-lung müssen auch individuelle Unter-schiede in der Lebensweise, respektiveindividuelle Lebensereignisse berück-sichtigt werden [23].
Es gibt Hinweise darauf, dass eineSchwangerschaftnacheinermalignenEr-krankunginderKindheitundstattgehab-ter Chemotherapie tatsächlich ein Risikofür die peripartale Kardiomyopathie dar-stellen könnte [109, 116].
Unterschiede gibt es in der Häufig-keit und Art der kardiologischen Un-tersuchung und Nachsorge. Van der Palet al. [143] untersuchten 525 Personenaus einer Gruppe von 601 Langzeitüber-lebenden nach einem festen Protokoll.DieechokardiographischeUntersuchungbestand imWesentlichenauseinemStan-dard-M-Mode. Sie fanden bei 27% einesubklinische Dysfunktion, definiert alseine LVEF
Konsensuspapiere
Tab. 5 Kardiale Kontrollenbei ehemals krebskrankenKindernund Jugendlichen inAbhängigkeit vonder vorausgegangenenTherapie. (Nach [4, 24])
Risikogruppe EKG und Echokardiographie Kardiovaskuläre Risikofak-toren
Hoch Doxo ≥250mg/m2 Nach TherapieabschlussOptional: 12 Monate nach Therapieende24 Monate nach Therapieende5 Jahre nach TherapieendeAlle 5 JahreBei Symptomatik jederzeit
Blutdruckmindestens jährlichLipidprofil und HbA1cmindestens alle 3 Jahre,insbesondere nach RTxModifizierbare Risikofaktoreneinstellen:NikotinGewicht, BMI, WHRAufklärung über individuellesRisikoprofilPatientenedukationzuLebensstil
RTx ≥35Gy
Doxo
Tab. 6 Kardiovaskuläre Kontrollen bei asymptomatischenÜberlebenden nach Krebstherapie imErwachsenenalter. (Mod. nach [5, 19, 110])Risikogruppe +Zusätzliche Risikofaktoren Untersuchungen Kardiovaskuläre Risikofaktoren
Doxorubicin≥250mg/m2
– EKG und EchokardiographieNach Therapieabschluss6, 12, 24 Monate nachTherapieende5 Jahre nach TherapieendeAb dem 5. Jahr alle 5 JahreBei Symptomatik jederzeit
Blutdruckmindestens jährlichLipidprofil und HbA1c jährlichModifizierbare Risikofaktoren einstellen:NikotinGewicht, BMI, WHRAufklärung über individuelles RisikoprofilPatientenedukationzu Lebensstil
Doxorubicin
Konsensuspapiere
Tab. 7 Empfehlungzur ImplementierungeineronkokardiologischenStrukturaufderBasis des aktuellenBerichtesderArbeitsgruppeCardio-oncolo-gy der EuropäischenGesellschaft für Kardiologie (ESC) [69]
Basisstruktur/Grundversorger Fortgeschrittene Patientenver-sorgung/Maximalversorgung
Spezialisierte Zentren
Patientenaufkommen 10 Patienten/Woche >20 Patienten/Woche
Krankenhausstruktur Kardiologische AbteilungOnkologische AbteilungAllgemeine Intensivstation
Kardiologische AbteilungKlinik für Hämatologie/Onkologie/StrahlentherapieHämatologische Abteilung
Abteilungenwie bei Maximalversor-gerHerzinsuffizienzprogrammKardiologische Intensivstation
Multidisziplinäre Teams
Organisation Basis-Onkokardiologieteamoderspezialisierter KardiologeAllgemeine kardiologische Versor-gung
Onkokardiologieteam OnkokardiologieteamKardiales RehabilitationszentrumHeart-failure-UnitKlappenteamForschungsschwerpunkt
Onkokardiologische Ambulanz Empfohlen Vorhanden Vorhanden
24/7 Empfohlen Vorhanden für stationäre Patienten Vorhanden für stationäre Patienten
Strukturierte klinische Vorge-hensweisen
Vorhanden Vorhanden Vorhanden
Krebsnachsorgeprogramm – Vorhanden Vorhanden
StrukturierteWeiterbildung – Implementiert für Personal Implementiert für Personal undPatienten
Technische Voraussetzungen
Standardechokardiographie Vorhanden Vorhanden Vorhanden
Strain/3-D-Strain Nicht zwingend Vorhanden Vorhanden
cMRT, CT Nicht zwingend Vorhanden Vorhanden
Laboruntersuchungen (kardialeBiomarker)
Vorhanden Vorhanden Vorhanden/Genetik/neue Biomarker
Prozeduren
Herzkatheter/elektrophysiologische Untersu-chungen/Herzchirurgie/kardialeDevice-Therapie
Verbundmit größeren, regionalenOnkokardiologien
Vorhanden + Versorgung von Patientenmitterminaler Herzinsuffizienz
Datenüberarbeitung
Datenbanken und Forschungs-programm
Nicht zwingend Sehr empfohlen Implementierter onkokardiologischerForschungsschwerpunkt
cMRT kardiale Magnetresonanztomographie, CT Computertomographie
Onkologische Kardiologie-Teams
Struktur
Die Empfehlungen zur Struktur und zumAufbau einer spezifischenonkokardiolo-gischen Gruppe basieren auf den publi-zierten Daten aus onkokardiologischenEinrichtungen und den aktuellen Emp-fehlungen der ESC [41, 69, 108]. Einge-bettet ist das onkokardiologische Teamin die lokal vorgehaltene kardiologischeStruktur und bedient sich deren kar-diologischer Diagnostik. Die Größe undZusammensetzung der onkokardiologi-schen Teams richtet sich zudem nachden regionalen Bedürfnissen. Entschei-
dend sind zum einen die Standortgrößemit dem zu erwartenden Patientenauf-kommen, zum anderen die etabliertenSchwerpunkte der hämatologischen bzw.onkologischen Krankenversorgung, dieeiner entsprechendenAnpassungderon-kokardiologischen Versorgung bedürfen(. Tab. 7; [28, 69, 108]).
Abstimmung der Patientenwege
Die diversen onkologischen Therapienbasieren auf unterschiedlichen zeitlichenAbfolgen,denensichdieonkokardiologi-sche Mitbetreuung anpassen muss. Diesist entsprechend den lokalen Vorbedin-gungen zu adaptieren und kann einenSchwerpunkt im ambulanten und/oder
stationären Bereich bilden. Eine Vorstel-lung von Patienten in der Onkokardiolo-gie sollte bei bestimmten Patientengrup-pen bzw. geplantenTherapien inAbstim-mung mit dem behandelnden Onkolo-gen als standardisiertes Vorgehen etab-liert werden [149].
Basisstruktur
Grundsätzlich sollte die Voraussetzungzur Anamneseerhebung, zu der Durch-führung einer körperlichen Untersu-chung sowie eines EKGs vorhandensein [69]. An bildgebender Diagnostiksollte die Durchführbarkeit einer Echo-kardiographie mit Strain-Analyse (ggf.3-D-Strain) als Basisbetreuung onkolo-
288 Der Kardiologe 4 · 2020
gischer Patienten geschaffen sein [110].Eine Labordiagnostik, insbesondere zurBestimmung kardialer Serumparameter(Troponin, BNP, NT-proBNP), sollte zurVerfügung stehen. Eine weiterführendekardiologische Diagnostik erfolgt imregionalen Verbund mit größeren Kran-kenhäusern oder spezialisierten Einrich-tungen (beispielsweise eine universitäreSektion Onkokardiologie). Apparati-ve onkokardiologische Basisversorgungbeinhaltet demnach:4 EKG,4 24-h-EKG,4 Echokardiographie ggf. 3-D-LVEF,
Strain und ggf. auch 3-D-Strain,4 Labordiagnostik einschließlich kar-
dialer Serumparameter.
Zentrumsstrukturen (Maximalver-sorger)
Eine weiterführende kardiale Diagnostikerfordert die diagnostischen und thera-peutischen Voraussetzungen, wie sie ineinem Haus der kardiologischen Maxi-malversorgung vorliegen. Hierzu gehö-ren neben den Gegebenheiten der Basis-versorgung Onkokardiologie:4 kardiales MRT,4 CT,4 Rechtsherzkatheter,4 Linksherzkatheter mit Möglich-
keit zur Koronarintervention undMyokardbiopsie,
4 PET-CT (bisher nur in Studien),4 ggf. Möglichkeiten zur diagnosti-
schen und therapeutischen elek-trophysiologischen Untersuchung(EPU),
4 Device-Therapien.
UminterdisziplinäreonkokardiologischeFragestellungen zu beantworten, bedarfes einer regelmäßigen Abstimmung mitdem behandelnden Hämatologen bzw.Onkologen. Dies kann konsiliarisch imRahmen bereits bestehender Tumor-Boards erfolgen oder unabhängig da-von, beispielsweise im Rahmen regelmä-ßig stattfindender onkokardiologischerKonferenzen.
Zur standardisierten Wiedervorstel-lung von Patienten (beispielsweise nachneoadjuvanter zytostatischer Therapieoder kurzfristig nach Initialisierung
einer Immuncheckpoint-Inhibitor-The-rapie) sollten interne Abläufe gemäßdem aktuellen Positionspapier sowiedem Positionspapier der ESC festgelegtwerden [149].
Bei spezialisierten sind ist zudem ei-ne Weiterbildung von ärztlichem undnichtärztlichem Personal (beispielsweiseals Teil eines Heart-Nurse-Kurses) sowiestrukturierte Informationsweitergabe anPatienten (beispielsweise Informations-abende) empfohlen.
Bei sehr hohemPatientenaufkommenkann ein spezifischer onkokardiologi-scher Konsildienst etabliert werden, derim Rahmen bereits erhobener kardia-ler Befunde eine beratende Funktionübernimmt.
Ausbildung
Im Curriculum „Allgemeine Kardio-logie“ sind die Punkte zur onkokar-diologischen Ausbildung im Abschnitt„Beruflich-professionelles Verhalten 12“wie folgt hinterlegt: Beratung des On-kologen hinsichtlich möglicher Ein-schränkungen der geplanten Tumor-behandlung aufgrund vorbestehenderHerzerkrankungen sowie in den theo-retischen Kenntnissen: Kenntnisse derNebenwirkungen der medikamentösen,strahlentherapeutischen und chirur-gischen Behandlung am Herzen. Alspraktische Fertigkeiten ist Level III imBereich Echokardiographie gefordert(höchste Ausbildungsstufe).
Die Ausbildung zur spezifischen on-kokardiologischen Diagnostik und The-rapie erfolgt im Rahmen der kardiologi-schen Weiterbildung und ist in wesent-lichen Teilen dort implementiert.
Eine Rotation auf eine Station mithämatologischem oder onkologischemSchwerpunkt im Rahmen der kardiolo-gischen Facharztausbildung ist für einespätere, weiterführende onkokardiolo-gische Mitbetreuung von Patienten beiSpezialisierung in onkokardiologischenSektionen/Teams wünschenswert.
Essenziell sind die Beurteilung deskardiologischen Risikoprofils für kardio-vaskuläre Erkrankungen sowie die Diag-nostik undTherapie kardialer Komplika-tionenwährend bzw. nach onkologischerTherapie.
Dies beinhaltet:4 Einschränkung der LVEF,4 KHK,4 Arrhythmien,4 arterielle Hypertonie,4 pAVK,4 pulmonalarterielle Hypertonie,4 Myokarditis,4 Perikarditis.
Die aufgelisteten Erkrankungen könnensowohl als Folge der onkologischen The-rapie als auch eines überlappenden Risi-koprofils auftreten.
Es ist zudem sinnvoll, eine Einschät-zung des spezifischen kardialen Risikosbestimmter onkologischer Therapien(beispielsweise die Diagnostik und The-rapie von Immuncheckpoint-Inhibitor-induzierter Myokarditis oder die Dia-gnostik und Therapie der pulmonalenHypertonie bei der Verwendung vonAlkylanzien) im Rahmen einer struk-turierten Weiterbildung gesondert zubehandeln [69, 106, 113, 120].
Als Teile einer strukturierten Weiter-bildung sollten zudem Basiskenntnisseauf dem Gebiet der Onkologie und Hä-matologie vermittelt werden, v. a.Grund-lagen zur Therapieentscheidung und zuTherapiemöglichkeiten sowie die genaueNomenklatur [69].
Eine Forderung nach einer speziali-sierten Weiterbildung Onkokardiologiemit verschiedenen Ausbildungszeitenund -inhalten (Level I–III) ist von derinternationalen Gesellschaft für Kar-dioonkologie und der kanadischen Ge-sellschaft für onkologische Kardiologiein einem gemeinsamen Positionspapierempfohlen worden [78]. Eine Empfeh-lung derDeutschenGesellschaft für Kar-diologiewird sichnachdeneuropäischenEmpfehlungen richten, die gegenwärtigin der ESC erarbeitet werden.
Patientenauswahl
DieAuswahlvonPatientenfüreineonko-kardiologischeMitbetreuung (s.. Tab. 8)erfolgt im Prinzip in 3 Gruppen:
Patienten vor einer geplantenonkologischen TherapieEine kardiologischeMitbetreuung onko-logischer Patienten vor einer onkologi-
Der Kardiologe 4 · 2020 289
Konsensuspapiere
Tab. 8 Patientenauswahl in derOnkokardiologie, adaptiert vom aktuellen Positionspapier der EuropäischenGesellschaft für Kardiologie (ESC) [69]
Vor onkologischer Therapie Während onkologischer Therapie Nach onkologischer Therapie
Identifizierung von Patientenmit ho-hem kardiovaskulärem Risiko
Monitoring von Patientenmit hohemkardiovaskulärem Risiko
Kardiologische Betreuung von Patienten nachpotenziell kardiotoxischer Therapie
Identifizierung von Therapienmit ho-hem kardialem Risiko
Monitoring von Patientenmit onkologi-schen Therapienmit hohem kardialemRisiko
Behandlung von Patientenmit erhöh-ten kardialen Biomarkern oder kardialerSymptomatik
Aufgabe desOnkokardiolo-gen
WeiterführendeDiagnostik bzw. Initia-lisierung einer Therapie. Beratung desOnkologen
Diagnostik und Therapie pathologischerkardialer Befunde
Initialisierung einer kardiologischen Thera-pie bzw. Einleitungweiterführender kardialerDiagnostik
schenTherapie ist notwendig bei Patien-ten mit einem hohen kardiovaskulärenRisiko oder bei einer geplanten Thera-pie, die mit einem hohen Risiko für einekardiovaskuläre Nebenwirkung verbun-den ist.
ZudenTherapienmit einemzuhohenRisiko für eine kardiovaskuläre Kompli-kation gehören:4 Anthrazykline,4 Immuncheckpoint-Inhibitoren,4 BRAF-Inhibitoren,4 Proteasominhibitoren,4 Alkylanzien,4 Bruton-Tyrosinkinase-Inhibitoren.
Basierend aufdenErgebnissen ist eine in-terdisziplinäre Besprechung der Befundezur optimierten Versorgung und ggf. Be-ratung des behandelndenOnkologen zurTherapieentscheidung notwendig.
Patienten während eineronkologischen TherapieEine onkokardiologische Mitbeurteilungwährend einer onkologischen Therapieist bei oben genannten onkologischenTherapienmit einem erhöhten Risiko füreine kardiovaskuläreNebenwirkungnot-wendig. Unabhängig davon werden Pati-enten unter einer onkologischen Thera-pie mit demAuftreten kardialer Sympto-me bzw. einer Erhöhung kardialer Bio-marker (onko)kardiologisch betreut bzw.die auftretenden kardiologischen Befun-de konsiliarisch mitbeurteilt.
Hierzu gehören auch interdisziplinäreFragestellungenzurFestlegungoderWei-terführung der onkologischen Therapiezugunsten einer optimalen onkologi-schen Versorgung. Wichtiger Aspektin diesem Patientenkollektiv ist der
Status der onkologischen Grunderkran-kung (palliativ, neoadjuvant, adjuvant).Hieraus ergeben sich auch Konsequen-zen für kardiologische Entscheidungen,die beispielsweise von der erwartetenÜberlebenszeit der Patienten abhängenund eine interdisziplinäre Abwägungmitder zur erwartenden Verbesserung derLebensqualität benötigen. In die Ent-scheidungsprozesse sind die Patienteneng einzubeziehen.
Patienten nach stattgehabteronkologischer TherapieDieDatenlagefüreineBetreuungnachei-ner stattgehabten onkologischen Thera-pie ist gering. Zudem sind die vorliegen-den Studien zum Auftreten kardiovas-kulärer Komplikationen nach einer on-kologischen Erkrankung und Therapieüberwiegend retrospektiv durchgeführtworden. Eine Empfehlung zurBetreuungdieses Patientenkollektivs basiert daherauf den aktuellen Positionspapieren derESC [149]. Generell ist es Aufgabe derOnkokardiologie, onkologische Patien-ten nach erfolgreicher Therapie über einerhöhtes kardiovaskuläres Risiko aufzu-klären [69]. Zudem sollten strukturierteNachsorgeprogramme etabliert werdenfür Patienten mit hohem Risiko (bei-spielsweise nach Bestrahlung im herz-nahen Thoraxbereich oder nach stattge-habter Anthrazyklin-Therapie).
Korrespondenzadresse
Univ.-Prof. Dr. med. Tienush RassafKlinik für Kardiologie und Angiologie,Westdeutsches Herz- und Gefäßzentrum,UniversitätsklinikumEssenHufelandstr. 55, 45147 Essen, [email protected]
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt. Den Interessenkonflikt der Au-toren finden Sie online auf derDGK-Homepageunterhttp://leitlinien.dgk.org/ bei der entsprechendenPublikation.
Für diesenBeitragwurden vondenAutoren keineStudien anMenschenoder Tierendurchgeführt.Für die aufgeführten Studiengelten die jeweils dortangegebenen ethischenRichtlinien.
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