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13. Jahrgang • 2/2012 • Nr. 44 (Juni) 5,50 EUR/7,50 SFr (Einzelpreis) Die christliche Zeitschriſt zum Weiterdenken www.oora.de Gemeinschaft Lass dich verbinden Guten Morgen Frau Firlefanzdirektor Mut zur Gemeinschaſt mit Menschen mit Behinderung Seite 6 Per Dating zum Erfolg Was wir von den Amis lernen können Seite 38 Geht Julia in eine Sekte? Wann eine Gemeinde sektenhaſt wird Seite 16

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Lass dich verbinden mit anderen, denn – Zitat König Salomo – eine dreifache Schnur reißt nicht leicht entzwei. Und zusammen ist man weniger allein.

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13. Jahrgang • 2/2012 • Nr. 44 (Juni)

5,50 EUR/7,50 SFr (Einzelpreis)

Die christliche Zeitschrift zum Weiterdenken

www.oora.de

Gemeinschaft Lass dich verbinden

Guten Morgen Frau Firlefanzdirektor Mut zur Gemeinschaft mit Menschen mit Behinderung Seite 6

Per Dating zum Erfolg Was wir von den Amis lernen können Seite 38

Geht Julia in eine Sekte? Wann eine Gemeinde sektenhaft wird Seite 16

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Die Künstlerin // Unser Titelbild stammt von Dominique Falla. Es stellt ihren Beitrag zur »Positi-ve Poster Competition 2011« dar, der von Designern und der breiten Öffentlichkeit gefeiert und auch außerhalb ihrer austra-lischen Heimat schnell bekannt wurde. Sie selbst sagt zu ihrem Kunstwerk: »Viel zu lange schon sehen sich Menschen als frei-stehende Individuen. Mit den vielen Nägeln wollte ich eine Menschenmasse darstellen. Die bunten Fäden stehen dafür, dass wir alle miteineinander verknüpft sind und in der Verbundenheit Geniales hervorbringen können.«Seit über 20 Jahren ist sie als Grafikdesigne-rin, Illustratorin, Künstlerin, Autorin und Dozentin tätig. Sie hat für namhafte Bands, Unternehmen und Magazine gestaltet, ein preisgekröntes Kinderbuch illustriert, ar-beitet gerade an ihrer Promotion und gibt ihre Erfahrung an Studierende an ver-schiednen Universitäten weiter. Was inspiriert die vielfältig Kreative? Sie sagt: »Menschen mit Leidenschaft für das, was sie tun. Ein Leben, das der Kreativität verpflichtet ist, ist hart. Es gibt immer wie-der Rückschläge und die Dinge laufen selten nach Plan. Mich begeistert jeder, der genug Leidenschaft und Energie aufbringt, um an seinen Zielen dran zu bleiben, auch wenn sich Hindernisse vor einem aufbauen, au-ßerdem Leute, die nicht nach den Vorgaben anderer gehen, sondern sich ihren eignen Weg bahnen, Menschen, die Energie in et-was stecken, das auch Scheitern kann.« (aus: Raw Ink Magazine 2/2012) ///

Text: Johanna Weiß

Mehr über Dominique und ihre Arbeit: www.dominiquefalla.com

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Das Team von links nach rechts: Michael, Jörg, Anne, Matthias, Johanna, Daniel

// Da war es plötzlich – ein Fünkchen unbequemer Selbsterkenntnis, das mitten in einem abendlichen Gespräch aufblitzte. »Mehrere Menschen bedeuten automa-tisch Konflikt«, hatte ich – Matthias – gesagt, »besser, nicht zu sehr an anderen hängen, denn früher oder später geht es doch auseinander.« Ich war erschrocken: War ich wirklich so ein Beziehungspessimist geworden?Möglichkeiten zur Gemeinschaft gibt es viele: sei es Familie oder Freunde, Sport-verein oder Hauskreis. Die gemeinsame Zeit und die vielen besonderen Erlebnisse mit unseren Mitmenschen und Freunden prägen und beleben uns. Doch leider scheint es oft unvermeidlich, dass sich nach einiger Zeit Lager bilden und sich die-se miteinander verfeinden, dass Einzelne zugunsten der Allgemeinheit verheizt werden und Menschen, die gerade noch hingebungsvoll für ein gemeinsames Ziel arbeiten, einander wenig später mit Intrigen und Verbitterung bekämpfen. Spal-tungen, Zerwürfnisse und Enttäuschungen scheinen gerade auch im christlichen Umfeld an der Tagesordnung zu sein. Da erscheint die Frage berechtigt, ob diese Idee von Gemeinschaft überhaupt dauerhaft Bestand haben kann.Andererseits – die innige Dreierfreundschaft Gottes hält schon eine ganze Ewig-keit. Und wenn die drei in ihrer Gemeinschaftsbegeisterung den Menschen schaffen, ihm Sehnsucht nach Beziehung geben und ihn dann auch noch in diese sonderbare »Gemeinschaft der Heiligen« hineinschubsen, ist das sicher nicht nur ein schlechter Scherz. Es lässt vielmehr die Vermutung zu, dass der Ursprung und die Bestimmung von Gemeinschaft etwas mit den elementaren göttlichen Wesenszügen zu tun hat, ja, dass Gemeinschaft so etwas wie Gottes Lieblingsbeschäftigung ist.Wie schlägt man die Brücke zwischen erlebter Unvollkommenheit und göttlicher Idee? Jedenfalls nicht mit Pessimismus. Besser mit Mut zum Risiko, Experimen-tierfreude und Entspanntheit. Es ist ein Weg und eine Suche. Für diese Suche wol-len wir dir in diesem Heft einige Impulse geben.

So stellen wir verschiedene Projekte gelebter Gemeinschaft vor (Seite 20) und berichten von den Erfahrungen bei der Gründung einer Lebensgemeinschaft (Seite 10). Doch wir gehen auch der Frage nach, wann eine Gemeinde sektenhaft zu werden droht (Seite 16) und geben augenzwinkernd eine Anleitung zur Zer-störung von Freundschaften (Seite 14).

Bei der Lektüre der Artikel wünschen wir dir viele gewinnbringende Inspirationen.

In Freundschaft,Dein oora-Redaktionsteam

Briefkastenschild

Der oora verlag besitzt kein Büro-gebäude, wie etwa DER SPIEGEL in Hamburg. Das Einzige, was wir besit-zen, ist ein Briefkasten, der bisher nur mit einem oora-Aufkleber verziert war. Leserin Christiane überreich-te uns im April ein extra gefertigtes Schild mit den Worten, dass es oora noch lange geben solle. Den Postbo-ten freut es – jetzt kann er den oora verlag schon von weitem erkennen.

[o:ra] in Israel

Die Aussprache von oora ist genau wie die von Ora. Leserin Judith in Is-rael schrieb uns, dass sie den Namen »oora« täglich höre, da ihre Nach-barin Ora (Bild oben) heißt und ihr Name genauso ausgesprochen werde wie oora. Ora ist die weibliche Form von Or, was im Alt-Hebräischen »leuchten, hell werden« bedeutet.

Anne ist Medienwissenschaftlerin

Wir freuen uns mit unserer Redakteu-rin Anne Coronel, die nach sechs Jah-ren Studium zum Abschluss gekom-men ist. Sie hat jetzt einen Master of Arts in Medienwissenschaft. Das hört sich echt nach was an, finden wir. Alles Gute für die Zukunft, Anne. (Auf dem Foto sieht man Anne inmitten ihrer Freundinnen kurz nach der Prüfung.)

Editorial

Einer mag überwältigt werden, aber zwei können widerstehen,

und eine dreifache Schnur reißt nicht leicht entzwei. Die Bibel in Prediger 4,12. Vermutlich von Salomo (965-926 v. Chr.)

im 10. Jahrhundert v. Chr. Herrscher des vereinigten Königreichs Israel

Aus dem ooraversum

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Artikel, die mit dem Lautsprecher gekennzeichnet sind, gibt es als Audioversion in iTunes und auf www.oora.de/audio.

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Schwerpunkt: Gemeinschaft

6 Guten Morgen Frau Firlefanzdirektor Mut zur Gemeinschaft mit Menschen mit Behinderung ChRiStiNE hiNtzEN

9 Gemeinschafts-Lose Inspirationen zu gemeinsamen Aktionen

10 Das Gemeinschafts-Gen Eine Entdeckungsreise für Sehnsüchtige MEChthild PUhlMaNN

13 Gemeinsam leben Lernen von der Northumbria Community daNiEl SikiNgER

14 Wie man Freundschaften ruiniert Kleines Lexikon der Gemeinschaftszerstörer kERStiN haCk

16 Geht Julia in eine Sekte? Wann eine Gemeinde sektenhaft wird haRald SoMMERFEld

19 Pseudogebote Sektenhafte Add-Ons in Freikirchen JaN g.

20 Leben teilen Drei Gemeinschaften unter der Lupe FRagEN: daNiEl hUFEiSEN

23 Was »Ekklesia« bedeutet Der Gemeinde-Begriff zur Zeit der ersten Christen MaRtiN PREiSENdaNz

24 Männer-Gruppe In einer Triade persönlich und geistlich wachsen MiChaEl ziMMERMaNN

Quergedacht

26 O mein Gott Neues aus dem Hinterhof der Geistlichkeit kolUMNE: axEl BRaNdhoRSt

29 Die Ethikfrage

30 Hingeber Vertrauen in Gottes Handeln lernen JöRg SChEllENBERgER

32 Die coole Ösi-Socke Interview mit Bayern-Spieler David Alaba iNtERviEw: david kadEl

34 I miss you, Asia Eine Graffiti-Reise durch die Philippinen tExt + FotoS: MaCE7

38 Per Dating zum Erfolg Was wir von den Amis lernen können kERStiN ENgEl

41 Wachstum provozieren Leserportrait Gerti Strauch ChRiStiNE ziMMERMaNN

42 Danke, ich kann nicht klagen Unter der Oberfläche kolUMNE: liNda ziMMERMaNN

44 Lebensretter werden Gedanken zum Organspendeausweis toBiaS SChadE

47 Buchrezensionen

48 Wie Gott mir auf dem Klo begegnete Mein Freund Gott und ich kolUMNE: MiCkEy wiESE

Inhalt

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Jasmin, 25, Ehingen an der DonauManuel, 32, Freudenstadt

Rico, 24, Tübingen

oora fragt:

Erstens für meinen Mann, zweitens für meine Familie und mei-ne Freunde und drittens für meine Gemeinde. Und seit Oktober letzen

Jahres besonders gern für mein sechs Monate altes S öhnchen, weil

er ein möglichst geliebter und heiler Mensch werden soll.

Für den Rücken der Bengalis! Als Physiotherapeutin konnte ich

für ein Jahr Leute in Bangladesh be-handeln. Jetzt suche ich Menschen,

die meine Arbeit weitermachen.

Für mich beginnt der Einsatz für andere im Gebet. Hört sich vielleicht fromm an, ist aber so. Ein Beispiel:

Ich sehe seit zwei Jahren die Notwen-digkeit, für eine junge Frau zu beten

und was soll ich sagen? Es tut sich was in ihrem Leben.

Schaffhausenstraße, das ist der Ort, für den und für dessen Menschen ich mich seit ein paar Monaten be-

sonders einsetze. Zum Beispiel gebe ich dort Migrantenkindern Haus-aufgabenhilfe. Es ist mir wichtig,

ihnen ein Freund zu sein und ihnen Unterstützung zu geben.

Stefanie, 26, Dinkelsbühl

Für wen setzt du dich ein?

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oora fragt | Gemeinschaft

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Unser gemeinsames Jahr hat aus einem Haufen Fremder eine Gruppe von Geschwistern gemacht.

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Gemeinschaft | Das Gemeinschafts-Gen

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Eine enorm positive Erfahrung gemeinschaftlichen Lebens hatte Mechthild infiziert. Als sie dann eine »richtige« Lebensgemeinschaft gründen wollte, stellte sich das als weniger einfach heraus als gedacht.

// Es war ganz schön frisch für einen Tag im Hochsommer. Ich saß am Strand und grübelte, wie ich mein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) am besten anfange. Ein Jahr, in dem ich gut 500 Kilometer von zu Hause entfernt mit elf wildfremden Menschen zusammen-leben und arbeiten sollte. Tja, und dann dieser Typ neben mir. Ei-ner meiner neuen Teamkollegen löcherte mich mit Fragen. Was ich über Gott denke, wollte er wissen, was ich von dem Jahr er-warte und was ich – ganz nebenbei – von Gemeinschaft halte. Dieser Tag liegt jetzt sieben Jahre zurück und seitdem bin ich ein Fan von Gemeinschaft. Viele Male hat mich ein gemeinsa-mes Leben seitdem beschenkt, inspiriert und getragen. Wenn du allerdings einen Sieben-Punkte-Plan zum Thema »Wie baue ich mir erfolgreich eine Lebensgemeinschaft?« erwartest, muss ich dich enttäuschen. Ich habe auch erlebt, wie Gemeinschaft zer-brechen kann und bin um ein paar Verletzungen nicht herum gekommen. Von einigen Lektionen auf meiner Reise möchte ich gerne berichten.

Was ich unter »Gemeinschaft« versteheEine Gemeinschaft ist eine Gruppe von Christen, die sich ver-pflichtet haben, ihr Leben offen und ehrlich zu teilen. Die Ent-scheidungen der Gruppe stellen sie teilweise über ihre Freiheit als Individuum. Darüber hinaus bilden meist ethische, morali-sche und theologische Grundsätze den Rahmen für ihr gemein-sames Leben. Gemeinschaften können auf eine bestimmte Zeit begrenzt oder auf Lebenszeit angelegt sein. Soweit die Theorie. Bleibt noch die Frage, warum Menschen sich auf etwas so offen-sichtlich Verrücktes einlassen?»Dieser Gemeinschaftskram ist doch nur Ablenkung. Du hast einfach Angst, allein zu sein«, lautete die Diagnose einer Freun-din, als ich begeistert von meinen ersten FSJ-Wochen berichte-te. Hätte sie Recht, wäre Gemeinschaft eine Erfindung von uns Menschen, weil wir es allein mit uns nicht aushalten. Ich bin al-lerdings überzeugt, dass Gemeinschaft ein göttliches Prinzip ist. Denn Gott selbst ist Gemeinschaft. In der Schöpfungsgeschich-te sagt er: »Kommt, lasst uns Menschen machen nach unserem Bild, uns ähnlich« (1. Mose 1,26). Hinter diesem »uns« stecken Gott als Vater, Sohn und Heiliger Geist. Die Dreieinigkeit ist also so etwas wie der Prototyp von Gemeinschaft. Deshalb glau-

be ich, dass wir, die wir nach Gottes Bild geschaffen sind, ein göttliches »Gemeinschafts-Gen« haben.Skeptische Kommentare zu meiner Begeisterung für Gemein-schaft waren insgesamt eher selten. Viel öfter spiegelten mir Menschen, wie anziehend und faszinierend sie unsere Gemein-schaft erlebten. Wir, das FSJ-Team, hatten selbst das Gefühl, dass unsere Gemeinschaft etwas Besonderes war – ohne, dass wir je etwas dafür getan hätten. Ich glaube, dass dieses Phänomen der Umkehrschluss aus dem göttlichen »Gemeinschafts-Gen« ist, das wir in uns tragen: Wenn wir beginnen, Gemeinschaft zu ha-ben, leben wir einen Charakterzug Gottes aus. Wenn eine Ge-meinschaft entsteht, offenbart sich darin etwas Göttliches.

Verwöhnt durch hilfreiche StrukturenIch gebe zu, dass Gott mich und meine Mit-FSJler in Sachen Gemeinschaft damals verwöhnt hat. Uns sind viele Dinge sehr leicht gefallen, weil wir Rahmenbedingungen hatten, die für jede Gemeinschaft wichtig sind. Ohne Verbindlichkeiten und Versprechen kann gemeinsames Leben nicht funktionieren. Mit unserem Arbeitsvertrag hatten wir bestimmte Regeln un-terschrieben, die unsere Gemeinschaft förderten: an Seminaren teilnehmen, zum wöchentlichen Gebetstreffen kommen und den Hauskreis besuchen. Gemeinschaft lebt von gemeinsam verbrachter Zeit. Dank ei-nes katastrophalen Handynetzes und einer schlechten Inter-netverbindung gab es wenig, was uns davon ablenken konn-te, die anderen intensiv kennenzulernen. So wurde aus einem Haufen Fremder eine Gruppe von Geschwistern. Dafür gab es noch einen weiteren Grund: Ehrlichkeit und Offenheit sind eine Voraussetzung für das Entstehen von Gemeinschaft. So kurz nach dem Abitur oder der Ausbildung fragte sich jeder von uns, wie sein Leben weitergehen sollte. Wir haben uns in unseren Gesprächen das Recht eingeräumt, auch die negativen Seiten anzusprechen. Vor allem waren wir in einer Umgebung, wo gemeinsame Zeiten mit Gott große Bedeutung hatten. Genau das brauchen Gemein-schaften ganz besonders – das ständige Streben der Einzelnen und

Ich habe auch erlebt, wie Gemeinschaft zerbrechen kann.

Das Gemeinschafts-Gen Eine Entdeckungsreise für Sehnsüchtige

text: Mechthild Puhlmann audioversion unter www.oora.de/audio

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Das Gemeinschafts-Gen | Gemeinschaft

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der ganzen Gruppe nach Gott. Im Nachhinein glaube ich, dass es diese gemeinsame Sehnsucht war, die dafür sorgte, dass wir einen weiteren wichtigen Schritt gemacht haben: Eine Gemeinschaft gibt ihren Segen weiter. Gegen Ende unseres FSJ-Jahres haben wir gemeinsam überlegt, was wir mit all dem Guten anfangen sollen, dass Gott uns geschenkt hatte. Wir wollten etwas für andere tun. So haben wir Verschiedenes ausprobiert – vom Singen im Senio-renheim bis zur Umsetzung einer Teenie-Freizeit.

Selbstgründung und BruchlandungDie Sehnsucht nach gemeinsamem Leben hat mich auch nach diesem Jahr nicht losgelassen. Ich wollte endlich »richtig« losle-gen, eine »richtige« Gemeinschaft gründen. In meiner Gemein-de habe ich Gleichgesinnte gefunden. Über mehrere Monate hinweg haben wir uns regelmäßig getroffen, über gemeinsames Leben nachgedacht, um Gottes Führung gebeten, verschiedene Gemeinschaftsformen diskutiert und andere Gemeinschaften um Rat gefragt. Aber Gemeinschaft aus Büchern und Gesprä-chen zu lernen, ist eher schwierig. Deshalb haben wir beschlos-sen, den nächsten Schritt zu wagen: Für ein Jahr sind die meis-ten von uns in eine WG gezogen. Wir haben uns regelmäßig Zeit füreinander genommen. Wir haben uns auf Offenheit und Ehrlichkeit verständigt. Wir haben gebetet und andere für uns beten lassen. Und wir haben versucht, ein Projekt zu finden, an dem wir gemeinsam arbeiten. Das perfekte Rezept für Gemein-schaft? Aus diesem einjährigen Projekt ist tatsächlich eine Lebens-gemeinschaft geworden. Eine Lebensgemeinschaft, zu der ich nicht mehr gehöre. Wir sind in ein paar Fallen getappt, die da-für gesorgt haben, dass unsere Gemeinschaft nach und nach auseinander gefallen ist. Die erste Falle, so würde ich sagen, war die der Selbstverständlichkeiten. Am Anfang dieses Arti-kels habe ich gesagt, dass man gemeinsame ethische, moralische und theologische Grundsätze braucht. In meiner Gemeinschaft haben wir wenig über unsere Grundsätze gesprochen. Vielleicht war es die Tatsache, dass wir aus derselben Gemeinde kamen, die dazu führte, dass wir dachten: Die anderen sehen das be-stimmt genauso wie ich. Entsprechend groß und unangenehm war die Überraschung, als ich feststellen musste, dass meine Grundsätze beispielsweise in Bezug auf Partnerschaft von den anderen nicht oder nur schwer akzeptiert wurden.

Eine zweite Falle war in meinen Augen die Exklusivität. Sicher brauchen Gemeinschaften viel Raum für sich. Bei uns hat sich daraus allerdings die Tendenz entwickelt, andere auszuschlie-ßen, die nicht wie wir glaubten oder lebten. Zu einem unserer Treffen habe ich meinen Freund mitgebracht. Er hat keinen ty-pisch christlichen Hintergrund und war auf seinem Weg mit Gott noch ganz am Anfang. Aber ich habe mir gewünscht, dass er diese Gruppe, die so wichtig für mich war, kennen- und schätzen lernen kann. Den anderen in meiner Lebensgemein-schaft fiel es aber sehr schwer, ihn in unsere gemeinsame Zeit einzubeziehen, so wie ich es mir gewünscht hätte. Unausgesprochene Selbstverständlichkeiten und exklusive Se-lektion – das waren für mich die beiden wichtigsten Gründe, weshalb ich die Lebensgemeinschaft verlassen und beschlossen habe, die Gemeinschafts-Idee noch einmal mit genügend Ab-stand zu überdenken.

DennochMittlerweile weiß ich aber, dass ich von diesem Lebensprinzip weiterhin überzeugt bin. Irgendwann möchte ich wieder mit anderen in einer Lebensgemeinschaft leben. Jedem, der sich da-nach sehnt, kann ich nur empfehlen, es einfach auszuprobieren. Du wirst sicher auch Fehler machen. Aber zu erleben, wie Gott in einer Gemeinschaft spürbar wird, ist jedes kritische Gespräch und jeden persönlichen Kampf wert. ///

Aus diesem einjährigen Projekt ist tatsächlich eine Lebensgemeinschaft geworden. Eine Lebensgemeinschaft, zu der ich nicht mehr gehöre.

Mechthild Puhlmann (27) ist studierte Hörfunk-Journalistin und leiht oora- audio ihre Stimme. Sie lebt mit ihrem Verlobten in der schönen Hansestadt Bremen und macht dort ein Volontariat als PR-Beraterin. Mit ihren ehemaligen FSJ-Kollegen trifft sie sich noch immer einmal im Jahr, um über Gemeinschaft nachzudenken.

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Gemeinschaft | Das Gemeinschafts-Gen

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// Wir haben unsere Sachen in Kisten ge-packt, irgendwo untergestellt, den Job ge-kündigt, unseren Blumen und Freunden »Tschüss« gesagt und sind losgefahren. Seit einigen Monaten leben wir nun in Nordostengland in einem Gemeinschafts-haus der Northumbria Community, einer sogenannten »New Monastic Communi-ty«. Auf unserer bereits 10-jährigen Rei-se wollen wir, meine Frau Katrin und ich, nun gerne von dem 30-jährigen Erfah-rungsschatz der Community lernen, wie das geht – Gemeinschaft leben.Dass wir hier überhaupt im vollen Sinne Teil der Hausgemeinschaft sein dürfen, nicht nur mit Gast-Status oder als Mitle-ben-auf-Zeit, hat uns überrascht. Schließ-lich sind wir keine Mitglieder der Com-munity, hier »Companions« genannt. Man will ohne Mauern leben. »Gemein-schaft ist, wer gerade da ist.« sagen sie, egal ob Tagesgast oder Companion, un-abhängig von moralischen Standards, kirchlicher Zugehörigkeit oder theologi-schen Dogmen. Ein einfacher Glaube an den dreieinigen Gott vereint. Verbinden-der als gemeinsame Antworten sind oh-nehin ihre gemeinsamen Fragen und das Gespräch über sie: Wer ist dieser Gott, den wir suchen? Und wie sollen wir dann leben? Wie können wir Gottes Lied in dieser uns oft fremden Welt anstimmen? »Wir sind hier nur für eine Zeit lang.« sa-gen sie, »Wir gehen eine Wegstrecke mit-

einander und trennen uns vielleicht auch wieder.« Die Community stellt sich so in die Tradition des keltischen Mönchtums. Man vergleicht den Glauben mit einer Pilgerreise, einem Abenteuer, mit dem Loslassen und Sich-immer-wieder-Auf-machen. Wandel ist vorprogrammiert. Stabilität findet sich nur in Jesus, der mit- und vorausgeht.Hergekommen sind wir eigentlich we-gen der Gemeinschaft. Wir haben aber schnell festgestellt, dass es der Commu-nity um viel mehr geht, um einen gan-zen Lebensstil: Sie wollen sich für Men-schen und für Gott verfügbar, sogar verletzlich machen. Verfügbarkeit und Verletzlichkeit – das ist ihre Lebensre-gel, das ist, wozu sie sich verpflichten. Was das für jeden bedeutet, muss indi-viduell herausgefunden werden. Häu-fig wird das im Kleinen konkret, meist ohne dem Leben-unter-einem-Dach. Die Companions öffnen einfach ihre Wohnungen, empfangen Gäste, pflegen Stillezeiten und einen Gebetsrhythmus. Gastfreundschaft und Gebet. So hat vor dreißig Jahren alles angefangen und so

beginnt für viele Companions die Reise noch heute.In der Northumbria Community entdecke ich eine geerdete und lebbare Form der Gemeinschaft. Viel weniger verträumt, als ich das von mir und vielen Menschen meiner Generation in Deutschland kenne, aber genauso herausfordernd und idealis-tisch. Es geht um Menschen und um Gott – um nicht weniger. Gleichzeitig wird weniger Wirbel um den großen Gemein-schafts-Traum, die erhoffte Wohngemein-schaft oder die perfekten Gemeinschafts-räume gemacht. Gemeinschaft beginnt mit Gebet und Gastfreundschaft, mit Ver-fügbarkeit und Verletzlichkeit. ///

Gemeinsam leben Lernen von der Northumbria Community

Text: Daniel Sikinger

Stille und Rhythmus – Gemeinschaft wird im Gebet erlebt.

Die Companions öffnen einfach ihre Wohnungen, empfangen Gäste, pflegen Stillezeiten und einen Gebetsrhythmus.

Daniel und seine Frau Katrin vor dem Gemeinschaftshaus der Northumbria Community in Nordostengland.

Daniel Sikinger (31), Pädagoge und Theologe, seit zehn Jahren vom Leben in Gemeinschaft an-gezogen, war drei Jahre Teil einer Hausgemein-schaft bei Stuttgart. Er wohnt und arbeitet nun in »Nether Springs«, einem New Monastic Cen-tre der Northumbria Community bei Newcastle, England: www.northumbriacommunity.org

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Gemeinsam leben | Gemeinschaft

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Quergedacht | Per Dating zum Erfolg

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Christen sind entweder seit jungen Jahren verheiratet oder ewig Single. Warum eigentlich? Bei ihrer Unter-suchung stößt unsere Autorin auf die amerikanische Datingkultur und fragwürdige Glaubenssätze zum Thema Partnersuche.

// »Kann mir irgendjemand sagen, warum ich allein bin, wenn es doch für jeden Menschen einen Seelenverwandten gibt?« fragt Na-tasha Bedingfield in ihrem Song Soulmate und spricht damit vielen Menschen aus dem Herzen. So auch Hannah. Hannah, eine 27-jäh-rige Studentin aus Berlin, ist Single. Schon immer. »Gibt’s nicht!« würde der Durchschnittsdeutsche beim Anblick der hübschen jun-gen Frau sagen. »Eine von Vielen!« würde der durchschnittsdeut-sche Christ sagen. Die Welt steht ihr offen, doch mit ihr und den Männern funktioniert es nicht so richtig. So fragt sich Hannah, wie sie die Suche nach ihrer besseren Hälfte angehen kann. Was geschieht zwischen dem ersten aufeinander aufmerksam werden, dem besseren Kennenlernen und dem Zusammenkommen?

Die Amis haben da was im AngebotIn Amerika ist Dating der Vorlauf zu einer Beziehung. Den Deut-schen fehlt eine solche Phase. Darum lohnt sich der Blick über den Tellerrand – oder besser gesagt, den großen Teich. Dating ist in den USA eine Zeit der Verabredungen zweier Menschen. Diese Zeit des Beschnupperns wird sehr offen gehandhabt. Die Ansprüche aneinander bleiben niedrig. Die gegenseitigen Ver-pflichtungen sind kurzfristiger Natur. Dating ist lediglich die Erwägung einer romantischen Beziehung. Dabei ist es völlig ak-zeptabel, mehrere Eisen im Feuer zu haben. Hierzulande bleibt diese Phase namenlos. Die Übergänge zwischen Kennenlernen, Anfreunden und Abchecken sind in Deutschland fließend. Man lernt sich durch Gemeinden, Vereine, Schule, Uni oder die Ar-beit kennen. Viele Bekanntschaften bleiben auf dem Level eines Freundes oder einer Freundin, sie sind kein Date.

Amerikanischer BeziehungskniggeKönnte nun die amerikanische Form des Datings Dauersingles wie Hannah helfen? Für Amerikaner gibt es eine Art Beziehungs-knigge. Das geht einher mit einem Rollenverständnis vom Mann als Initiator und der Frau als der aktiv Reagierenden: Nach dem Unterricht oder auf dem Weg aus dem Büro ergreift der Mann die Initiative und spricht die Frau an, die er besser kennenlernen möchte. Es folgt die Einladung zu einer Verabredung. Der Mann trägt die Spendierhosen, zahlt den Ausflug zum Museum, den Kinobesuch oder den abendlichen Stop beim Italiener. In Gesprä-

chen werden dann die eigenen Lebensvorstellungen mit denen des Gegenübers verglichen. Diskussionen auf Augenhöhe sind ausschlaggebend und ein hoher Bildungsgrad ist wichtig. Priori-tät haben das Ausprobieren und am Ende gut dazustehen. Deutschen hingegen muss ihr Gegenüber sympathisch sein. Auf gleicher Wellenlänge zu sein gibt hier Pluspunkte. The-men wie gemeinsame Interessen, Werte und Lebensträume werden ganz natürlich geteilt. Der Blick in die gleiche Rich-tung ist entscheidend. Melanie und Bernd sind ein typisches Beispiel einer deutschen Freundschaft. Sie schreiben sich viel, besuchen sich am Wochenen-de, teilen das normale Leben. Statt aufgetakelt auszugehen, meis-terten sie ihre Alltäglichkeiten zusammen: Kochen, Wandern, Fa-milienbesuche, Freundeskreisaktionen. Melanie erklärt, dass es nie ein Gespräch darüber gab, ob sie letztendlich in einer Bezie-hung seien: »Es gab einen Kuss« – und damit war alles gesagt. So einen Moment der Festlegung auf den anderen als »festen Freund/feste Freundin« gibt es auch in der amerikanischen Kul-tur. Die Art und Weise, wie aus einer Bekanntschaft eine Be-ziehung wird, könnte allerdings unterschiedlicher kaum sein. ›The Talk‹, ein klärendes Gespräch, lässt die Bekanntschaft unter US-Amerikanern exklusiv werden. Der Mann fragt, ob sie be-reit ist, sein ›Girlfriend‹ zu sein. John bringt das gegenüber Lai-ney am Ende des Spaziergangs zur Sprache: »Hey, ich mag dich sehr! Wie denkst du über uns?« Darauf antwortet Lainey: »Ja, ich habe auch Interesse an dir.«

Die klaren Geschlechterrollen in den USA mögen dem einen pein-lich und verstaubt vorkommen, manch anderer würde sie sich jedoch auch hierzulande wünschen. Der Dating-Testlauf vor der Beziehung bietet Sicherheit auf diesem ohnehin komplizierten und mit viel Unsicherheit behafteten Gebiet. Ein großer Vorteil der amerikanischen Dating-Politik liegt im Ausprobieren ohne Verpflichtungen. Ein »wieder-auflösen« einer Datingbeziehung ist ohne großen Gesichtsverlust möglich. Die Amerikaner raten: Dating sollte in erster Linie entspannt sein. Wage es einfach mal!

Per Dating zum Erfolg Was wir von den Amis lernen können

text: kerstin Engel

Scheinbar unterdrücken viele Singles die Sehnsucht nach einem Partner und versuchen stattdessen zwanghaft, mit Jesus zufrieden zu sein.

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Per Dating zum Erfolg | Quergedacht

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Das authentische Teilen des Alltagslebens gibt einen großen Punkt für Deutschland: Wer schon in der »Datingphase« mitten im Leben steht, kennt kein späteres schlimmes Erwachen. Den amerikanischen Showeffekt, bei dem man sich nur mit perfektem Make-Up zu Gesicht bekommt, sollte man mit Echt-Sein aufwie-gen. Die Deutschen raten: Dating sollte echt sein. Sei authentisch!

Die christliche SackgasseDa Hannah überzeugte Christin ist, kommt ein fauler Kom-promiss nur des Probierens wegen mit Männern anzubändeln, nicht in Frage. Aber genau der Fakt, dass sie Christ ist, macht es offenbar komplizierter. Wie passen Gottvertrauen und Eigenin-itiative in der Partnersuche zusammen? Zu zwei typisch »christ-lichen« Aussagen soll hier noch Stellung bezogen werden.

Aussage 1: »Ich suche nicht nach meinem Partner. Gott wird ihn mir zur richtigen Zeit über den Weg schicken.«Scheinbar unterdrücken viele Singles die Sehnsucht nach einem Partner und versuchen stattdessen zwanghaft, mit Jesus zufrieden zu sein. Der Grund dafür mag Beziehungsangst, Bequemlichkeit, Angst vor Festlegung, schräge Theologie oder einer Mischung aus allem sein. In jedem Fall lohnt sich die ernsthafte Auseinanderset-zung mit den eigenen Wünschen, anstatt Jesus obligatorisch vor-zuschieben. Passivität in Beziehungsfragen ist kein Zeichen von besonders großem Glauben. Niemand wartet darauf, dass Gott ihm das Abendessen kocht. Warum warten so viele Singles dar-auf, dass Gott ihnen den Richtigen/die Richtige ins Haus liefert? Gott legte die Sehnsucht nach Beziehung und Partnerschaft in uns hinein. Die Ehe gilt als das natürliche Mandat Gottes.

Aussage 2: »Ich will nur einen Freund/eine Freundin und den/die für den Rest meines Lebens.«Wo Amis mehrgleisig fahren und sich nur verabreden, springen Deutsche oft gleich zur festen Beziehung. Ein »Ja« zum Kennen-lernen ist aber eben nicht gleich das Hochzeits-Ja, sondern ein

Einverständnis, einfach mal die eigene Unsicherheit zu über-winden und ein Risiko einzugehen. Hierbei sei beiden Seiten ge-raten, sich das Zugeständnis der Zeit zu geben. Es sollte immer Platz im Terminplaner geben, um mit jemandem wegzugehen, den man mag. Ein Rat an die Männer: Übernehmt Verantwortung in diesem Prozess – scheut weder die Initiative, noch das klärende Ge-spräch. Traut euch! Ein Rat an die Frauen: Zeigt euch von eurer besten Seite, zeigt, dass ihr jeden Einsatz wert seid. Spielt euren Part der aktiv Reagierenden gut. Sagt auch mal Ja, wenn jemand den ersten Schritt geht. In dem ganzen Wagnis, jemanden Neues besser kennen zu ler-nen, dürfen wir wissen: Gott meint es gut mit uns. In Psalm 20 heißt es: »Er gebe dir, was dein Herz begehrt, und erfülle alles, was du vorhast! Dann wollen wir jubeln, weil er dir hilft.«Sehnsüchte werden Antworten finden, während wir vertrauens-voll losgehen. ///

Zum WeitersurfenMatt Chandler über christliches Dating: bit.ly/oora-dating

Kerstin Engel (25) lebt in Ludwigsburg und studiert »Internationale Soziale Ar-beit«. Sie liebt es, in andere Kulturen einzutauchen, lebt, arbeitet und studiert im amerikanischen und deutschen Kontext.

Niemand wartet darauf, dass Gott ihm das Abendessen kocht. Warum warten so viele Singles darauf, dass Gott ihnen den Richtigen/ die Richtige ins Haus liefert?

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Quergedacht | Per Dating zum Erfolg

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DIEEtHIKFrAGE

Dr. Andreas Franz (54) ist Studienleiter der Theologisch-Missionswissen-schaftlichen Akademie »TheMA« (www.hww-ev.de/thema) und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Pfingstlich-Charismatischer Missionen (www.apcm.de)

Du hast eine ethische Frage? Dann schicke sie an [email protected].

Dr. Andreas Franz, Ethikexperte Dieter Oesch, heilpraktiker

Unsere Tochter erlebte vor wenigen Wochen auch genau die-sen beschriebenen Fall mit unserem Enkel. Die Hebamme

verabreichte dem neun Monate alten Kind sogar Globuli ohne Rücksprache mit der Mutter. Als unsere Tochter dies merkte, hat sie die Gabe der Globuli sofort unterbunden. Warum?1. Unserem Enkel hätte man genauso gut einen Schluck Wasser geben können, denn ab einer Verdünnung D23 muss nicht ein-mal mehr ein einziges Molekül des ursprünglichen Ausgangs-stoffes in dem Mittel zu finden sein. Das Verhältnis entspricht etwa einem Tropfen im Volumen des Mittelmeers.2. Da die Wirkung nicht mehr am Ausgangsstoff liegen kann, wird das Mittel nach homöopathischer Auffassung durch hun-dertfaches Schütteln »dynamisiert«. Diese eher magische Hand-lung scheint animistischen Vorstellungen zu entspringen, also ei-nem Weltbild, das die Kraft von Geistwesen nutzbar machen will.3. Eine mögliche Wirksamkeit beruht demnach entweder auf dem Placebo-Effekt oder auf Magie. Ob der Placebo-Effekt bei Babys möglich ist, weiß ich nicht. Jedoch kann die Qualität ma-gischer Handlungen von Scharlatanerie bis Spiritismus reichen. Beides wäre aus christlicher Sicht abzulehnen.Als Jesus-Nachfolger sollten wir uns auf unser Erbe besinnen. Je-sus ruft uns auf, mit Kranken zu beten. Daher möchte ich die Le-serin ermutigen, mit ihrem Kind zu beten oder in der Gemeinde für es beten zu lassen. Das ist ungefährlich und wirksamer als »dynamisierte Hochpotenzen«. Aber auch Heilpflanzen sind von Gott geschaffen und gut – ohne magische »Dynamisierung«. ///

Aus der Fragestellung wird deutlich, dass nicht nur ältere Menschen erkranken und Hilfe in der Homöopathie su-

chen, sondern auch Mütter mit Kleinkindern, die sich, beson-ders im Kindergarten, immer wieder anstecken. Da die Homöo-pathie aus meiner Sicht keine Nebenwirkungen aufweist, ist sie besonders für den kleinen Organismus zur Therapie geeig-net. Die Homöopathie ist in den tiefen Verdünnungsstufen (bis D12) als Pflanzenheilkunde anzusehen. Die Wirkungsweise der Hochpotenzen (ab D 23) ist unbekannt.Eine Untersuchung aller bisherigen Studien über die klinische Wirkung der homöopathischen Arzneimittel wurde in der Ärz-tezeitung »The Lancet« (Nr. 9081 – 1997) veröffentlicht. Das Ergebnis von 89 Studien kann als sehr positiv gewertet werden. Der Vorwurf, dass homöopathische Mittel nicht wissenschaft-lich untersucht wären, stimmt also nicht. Die Wirkungsweise der Hochpotenzen erkläre ich mir dadurch, dass sich bei der Durch-führung der Verdünnung nicht alle Moleküle gleichmäßig in der Lösungssubstanz verteilen lassen und dadurch punktuell keine Hochpotenz vorhanden ist. Die Kritik an der Zubereitung (das Verschütteln) ist als unberechtigt anzusehen, weil es dabei um die gleichmäßige Verteilung des Arzneistoffes geht. Das magi-sche Denken der Anthroposophen hat daraus »kosmische Ener-gie« gemacht. Die Homöopathie selbst hat damit nichts zu tun, sodass ich eine Ablehnung aus geistlichen Gründen nicht nach-vollziehen kann – im Gegenteil, ich empfehle die Homöopathie, in der Globuli-Form, besonders bei Kinderkrankheiten. ///

Ich bin seit einem knappen Jahr Mutter eines kleinen Jungen. Wie viele Kinder ist auch er immer mal wieder krank. In der Krabbelgruppe raten mir dann einige Mütter, ihm bestimmte Globuli zu geben. Ich bin mir nicht sicher, wie ich homöopathische Medikamente aus christlicher Sicht bewerten soll.  – Marie, per E-Mail

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Die Ethikfrage | Quergedacht

Dieter Oesch (69) ist Heilpraktiker und Vorsitzender der Vereinigung christlicher Heilpraktiker (www.vchp.de).

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Euer »Querdenken mit Jesus« und eure Kreativi-tät, die in jeder Ausgabe durchkommt, ist wirk-

lich einzigartig. Nun auch noch in Farbe – super!

Emmerich

Genial, die neue oora! Eine echte Bereicherung für den Zeitschriftenmarkt, weil

anders, frecher, herausfor-dernder – und vor allem setzt es beim Lesen etwas in Bewe-gung! Inspiration ist alles im Leben – und oora inspiriert

mich ungemein! Ich werde es vor allem in meiner Coaching-

Arbeit weiterempfehlen.David

Die christliche Zeitschrift zum Weiterdenken

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Nummer 44 • 2/2012

ISSN 2191-7892

Herausgeber: oora verlag GbR, Jörg Schellenberger und

Michael Zimmermann, Dollmannstr. 104, 91522 Ansbach

Redaktionsleitung: Jörg Schellenberger,

Michael Zimmermann ([email protected])

Redaktionsteam: Anne Coronel, Daniel Hufeisen,

Matthias Lehmann, Jörg Schellenberger, Johanna Weiß,

Michael Zimmermann

Lektorat: Ina Taggeselle

Anzeigen: Jörg Schellenberger ([email protected])

Gestaltung: Johannes Schermuly, www.ideenundmedien.de

Druck: Onlineprinters GmbH, Neustadt a. d. Aisch

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Einige Reaktionen seit der letzten oora-Ausgabe

Alles farbig – fan-tas-tisch! Move on to next level –

klasse!Gernot

Heute angekommen und schon zum Mittagessen

halb durchgelesen. Cooles Thema!

Passt gerade voll rein! Danke.

Carina

Ich stehe total auf

oora audio. Es ist super,

dass es das gibt.

Nele

Das Thema der nächsten Ausgabe, die im September 2012 erscheint:

Außenseiter oora 02/1250

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Zum 30. Todestag von

Keith Green.Anze

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