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Urologe 2014 · 53:817–822 DOI 10.1007/s00120-014-3467-7 Online publiziert: 15. Mai 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 F.C. Roos · J.W. Thüroff Urologische Klinik und Poliklinik, Universitätsmedizin, Johannes Gutenberg Universität Mainz Operation hämatogener  Metastasen Gründe dagegen Die radiologische Detektion häma- togener Metastasen ist das Ergebnis eines langen Prozesses, der die Dis- semination von Tumorzellen in an- dere Organsysteme und deren Adap- tion an fremde Mikromilieus wider- spiegelt [26]. Die hämatogene Metas- tasierungsrate der urologischen Tu- moren liegt bei 30–50% und limitiert die Prognose der betroffenen Patien- ten in Abhängigkeit der Tumorentität. Die Rolle der Metastasenchirurgie vor und nach systemischer Therapie soll in diesem Artikel diskutiert wer- den mit Darstellung von Konstellatio- nen, die die Prognose von Patienten nach Metastasenchirurgie nicht ver- bessern. Synchrone und metachrone hämatogene Metastasen Eine hämatogene Metastasierung kann metachron, auch Jahre nach der Erstthe- rapie, oder synchron zum Zeitpunkt der Diagnose mittels der bildgebenden Ver- fahren detektiert werden. Hämatogene Metastasen können auch symptomatisch auffallen, wie z. B. durch Hämoptyse oder Rückenschmerzen. D Synchrone Metastasen treten in Ab- hängigkeit tumorspezifischer Risiko- faktoren unterschiedlich häufig auf. Eine allgemeine Übersicht über die In- zidenz der hämatogenen Metastasie- rung und das mediane Überleben sind in . Tab. 1  dargestellt. Eine Ausnahme bilden hier die testikulären Keimzelltu- moren mit einer 5-Jahres-Überlebens- wahrscheinlichkeit nach multimoda- lem Therapiemanagement (Chemothe- rapie und Residualtumorresektion) von ca. 50% für die Patienten mit nicht-se- minomatösen Keimzelltumoren in der Hochrisikogruppe nach der „Internatio- nal-Germ-Cell-Colloboration-Group-“ (IGCCCG-)Klassifikation [6, 27]. Entscheidend für die Resektabilität der hämatogenen Metastasen ist die Anzahl (solitär vs. multipel), die Lokalisation (ein Organ vs. mehrere Organe) und der in- dividuelle Gesundheitszustand jedes ein- zelnen Patienten. In mehreren Studien bei Patienten mit metastasiertem Nieren- zellkarzinom konnte gezeigt werden, dass Patienten mit >3 Risikofaktoren nach den Heng-Kriterien nicht mehr von einer Me- tastasenresektion im Sinne einer Zytore- duktion profitieren [12]. Im Falle des Auftretens von metachro- nen Metastasen kann die Prognose der Patienten durch eine Metastasenresektion verbessert werden. Wichtige Prognostika- toren hierbei sind wiederum der Gesund- heitszustand des Patienten, die Lokalisa- tion und die Anzahl der Metastasen. Gründe gegen eine hämatogene Metas- tasenresektion sind i. Allg.: 1. Befall mehrerer Organsysteme und multiple Metastasen, 2. kurzes Zeitintervall bis zum Auftreten der Metastasen, 3. keine R0-Resektion der Metas tasen möglich (bedingt durch Lokalisation oder Größe), 4. Morbidität der Operation in Relation zum persönlichen Nutzen des betroffenen Patienten. Die Indikation zur Metastasenresektion sollte immer individuell gestellt werden. Im Folgenden sollen die Gründe gegen eine Operation hämatogener Metasta- sen anhand der einzelnen Tumorentitä- ten dargelegt werden. Testikuläre Keimzelltumoren Die Internationalen Leitlinien empfehlen die Resektion von Residualtumoren (retroperitonial oder viszeral) nach Che- motherapie bei Patienten mit nicht-semi- Tab. 1Inzidenz synchroner und metachroner Metastasen urologischer Tumoren verbunden  mit dem Überleben Tumorentität Inzidenz der Metastasen (%) Medianes Überleben (Monate) Synchron Metachron Urothelkarzinom [9, 21] 10–15 5–35 3–6 Prostatakarzinom [18] 32 7,1 Nierenzellkarzinom [4, 14] 20 30 ~10 Peniskarzinom [10] 2–7 2–7 3–10 817 Der Urologe 6 · 2014| Leitthema

Operation hämatogener Metastasen; Resecting hematogenous metastases;

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Page 1: Operation hämatogener Metastasen; Resecting hematogenous metastases;

Urologe 2014 · 53:817–822DOI 10.1007/s00120-014-3467-7Online publiziert: 15. Mai 2014© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

F.C. Roos · J.W. ThüroffUrologische Klinik und Poliklinik, Universitätsmedizin, Johannes Gutenberg Universität Mainz

Operation hämatogener MetastasenGründe dagegen

Die radiologische Detektion häma-togener Metastasen ist das Ergebnis eines langen Prozesses, der die Dis-semination von Tumorzellen in an-dere Organsysteme und deren Adap-tion an fremde Mikromilieus wider-spiegelt [26]. Die hämatogene Metas-tasierungsrate der urologischen Tu-moren liegt bei 30–50% und limitiert die Prognose der betroffenen Patien-ten in Abhängigkeit der Tumorentität. Die Rolle der Metastasenchirurgie vor und nach systemischer Therapie soll in diesem Artikel diskutiert wer-den mit Darstellung von Konstellatio-nen, die die Prognose von Patienten nach Metastasenchirurgie nicht ver-bessern.

Synchrone und metachrone hämatogene Metastasen

Eine hämatogene Metastasierung kann metachron, auch Jahre nach der Erstthe-rapie, oder synchron zum Zeitpunkt der Diagnose mittels der bildgebenden Ver-fahren detektiert werden. Hämatogene Metastasen können auch symptomatisch auffallen, wie z. B. durch Hämoptyse oder Rückenschmerzen.

D Synchrone Metastasen treten in Ab-hängigkeit tumorspezifischer Risiko-faktoren unterschiedlich häufig auf.

Eine allgemeine Übersicht über die In-zidenz der hämatogenen Metastasie-rung und das mediane Überleben sind

in . Tab. 1 dargestellt. Eine Ausnahme bilden hier die testikulären Keimzelltu-moren mit einer 5-Jahres-Überlebens-wahrscheinlichkeit nach multimoda-lem Therapiemanagement (Chemothe-rapie und Residualtumorresektion) von ca. 50% für die Patienten mit nicht-se-minomatösen Keimzelltumoren in der Hochrisikogruppe nach der „Internatio-nal-Germ-Cell-Colloboration-Group-“ (IGCCCG-)Klassifikation [6, 27].

Entscheidend für die Resektabilität der hämatogenen Metastasen ist die Anzahl (solitär vs. multipel), die Lokalisation (ein Organ vs. mehrere Organe) und der in-dividuelle Gesundheitszustand jedes ein-zelnen Patienten. In mehreren Studien bei Patienten mit metastasiertem Nieren-zellkarzinom konnte gezeigt werden, dass Patienten mit >3 Risikofaktoren nach den Heng-Kriterien nicht mehr von einer Me-tastasenresektion im Sinne einer Zytore-duktion profitieren [12].

Im Falle des Auftretens von metachro-nen Metastasen kann die Prognose der Patienten durch eine Metastasenresektion verbessert werden. Wichtige Prognostika-toren hierbei sind wiederum der Gesund-

heitszustand des Patienten, die Lokalisa-tion und die Anzahl der Metastasen.

Gründe gegen eine hämatogene Metas-tasenresektion sind i. Allg.:1. Befall mehrerer Organsysteme

und multiple Metastasen,2. kurzes Zeitintervall bis zum

Auftreten der Metastasen,3. keine R0-Resektion der Metas

tasen möglich (bedingt durch Lokalisation oder Größe),

4. Morbidität der Operation in Relation zum persönlichen Nutzen des betroffenen Patienten.

Die Indikation zur Metastasenresektion sollte immer individuell gestellt werden. Im Folgenden sollen die Gründe gegen eine Operation hämatogener Metasta-sen anhand der einzelnen Tumorentitä-ten dargelegt werden.

Testikuläre Keimzelltumoren

Die Internationalen Leitlinien empfehlen die Resektion von Residualtumoren (retro peritonial oder viszeral) nach Che-motherapie bei Patienten mit nicht-semi-

Tab. 1  Inzidenz synchroner und metachroner Metastasen urologischer Tumoren verbunden mit dem Überleben

Tumorentität Inzidenz der Metastasen (%) Medianes Überleben (Monate)

Synchron Metachron

Urothelkarzinom [9, 21] 10–15 5–35 3–6

Prostatakarzinom [18]   32 7,1

Nierenzellkarzinom [4, 14] 20 30 ~10

Peniskarzinom [10] 2–7 2–7 3–10

817Der Urologe 6 · 2014  | 

Leitthema

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nomatösen Keimzelltumoren [2]. Selbst in der Hochrisikogruppe nach der „Inter-national Germ Cell Colloboration Group“ (IGCCCG) können 50% 5-Jahres-Überle-bensraten nach multimodalem Therapie-ansatz erreicht werden [2, 6].

»  Eine Vorhersage über die Dignität des Residualtumors ist schwierig

Eine Vorhersage über die Dignität des Residualtumors ist schwierig. Verschie-dene Modelle unter Einbeziehung von Primärhistologie, Tumormarker, Residu-altumorgröße und prozentualer Angabe der Schrumpfung unter Chemotherapie können nicht zwischen Nekrose, vitalem Tumor oder reifem Teratom unterschei-den [19]. Auch Rückschlüsse auf die Dig-nität zwischen retroperitonealen und an-deren Lokalisation der Residualtumoren ist schwierig, um womöglich den Patien-ten eine große Operation (z. B. Leberteil-resektion aufgrund hepatischer Metasta-sen) ersparen zu können.

In einer großen Serie mit 189 pulmo-nalen Eingriffen fanden Schirren et al. [19] 20% diskordante histologische Befunde bei 59 Patienten, die sich einer bilateralen Resektion beider Lungen unterzogen. Ist die Indikation zur Residualtumorresek-tion in Lunge oder Mediastinum gestellt, sollte diese R0 erfolgen, da Patienten mit einer inkompletten Resektion eine mitt-lere Überlebensrate von 39,5 Monaten im Vergleich zu 87,8 Monaten der komplett resezierten aufweisen. Dementsprechend gelten eine interdisziplinär festgestellte In-operabilität oder eine in Konsultation mit dem betroffenen Patienten besproche-ne erhöhte perioperative Morbidität und Mortalität als einzige Gründe eine Resek-tion hämatogener Residuen nicht durch-zuführen.

Nierenzellkarzinom

Synchrone Metastasen treten bei ca. 20% der Patienten mit Nierenzellkarzinom auf. 55% der Metastasen sind in mehr als einem Organ zu finden. Lungenmetasta-sen machen 62–77% der Fälle aus, wäh-rend Skelettmetastasen und Lebermetas-tasen bei 18–30% der Patienten auftreten

[14]. Die Resektion hämatogener Metas-tasen hat beim Nierenzellkarzinom einen hohen Stellenwert. Mit einer komplet-ten Resektion können tumorspezifische 5-Jahres-Überlebensraten von 49,4% er-reicht werden [3]. Auch in den Leitli-nien der „European Association of Uro-logy“ (EAU) wird die Entfernung syn-chroner oder metachroner hämatogener Metastasen bei kompletter Resektabilität empfohlen [11]. In . Tab. 2 sind unter-schiedliche Prognostikatoren in Abhän-gigkeit der Metastasenlokalisation darge-stellt. Eine Unterscheidung zwischen den

Prognostikatoren synchroner und meta-chroner Metastasen ist nach aktuellen Li-teraturangaben schwierig. Staehler et al. [20] konnte anhand 68 Patienten mit Le-bermetastasen zeigen, dass Patienten nach Resektion synchroner Lebermetas tasen ein signifikant geringeres medianes Über-leben von 29 Monaten gegenüber Patien-ten hatten, die sich einer Resektion meta-chroner Metastasen unterzogen (media-nes Überleben: 155 Monate).

Die Patientenselektion zur Metasta-senresektion spielt die wesentliche Rol-le für die Prognose. In einer retrospek-

Zusammenfassung · Abstract

Urologe 2014 · 53:817–822   DOI 10.1007/s00120-014-3467-7© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

F.C. Roos · J.W. Thüroff

Operation hämatogener Metastasen. Gründe dagegen

ZusammenfassungDie urologischen Tumoren machen ca. 40% aller soliden Tumorentitäten aus. 30% der Pa-tienten entwickeln synchrone oder meta-chrone Organmetastasen. Die Metastasen-resektion verbessert in Abhängigkeit der Tu-morentität und -charakteristika das Überle-ben der Patienten. Die Metastasenchirurgie ist ein fester Bestandteil des multimodalen Therapiekonzepts der Patienten mit nicht-se-minomatösen Keimzelltumoren im fortge-schrittenen Stadium. Nur die chirurgische In-operabilität spricht gegen eine Metastasen-resektion. Die Resektion hämatogener Me-tastasen beim Nierenzellkarzinom gehört seit Jahrzehnten zur Standardtherapie. Die Pa-tientenselektion ist der entscheidende Faktor für einen Überlebensvorteil. Wichtige Prog-nostikatoren stellen Allgemeinzustand, Me-

tastasenanzahl, -lokalisation, und -größe dar, die zur Konsultation und Selektion der Pa-tienten beitragen. Nur bei einem Ansprechen auf eine systemische Therapie sollten Me-tastasen im individuellen Fall beim Urothel-karzinom oder Peniskarzinom entfernt wer-den. Die aktuellen Leitlinien und die Literatur sprechen gegen eine Resektion von hämato-genen Metastasen des Prostatakarzinoms. In diesem Artikel werden Gründe gegen eine Metastasenresektion in Anlehnung an ak-tuelle Leitlinien und Literaturangaben dar-gestellt.

SchlüsselwörterOrganmetastasen · Tumoren, urologische · Metastasenresektion · Prognostikatoren · Überleben

Resecting hematogenous metastases. Reasons against

AbstractUrological malignancies represent approxi-mately 40% of all solid tumors. Synchronous or metachronous organ metastases devel-op in 30% of patients. Depending on the tu-mor entity and tumor characteristics, resec-tion of metastases can improve patient sur-vival. Surgical resection of residual tumors is an integral part of the multimodal therapy concept of patients with nonseminomatous metastatic germ-cell cancer. Surgical inoper-ability is the only reason not to resect. Resec-tion of hematogenous metastases from re-nal cell carcinoma has been postulated as a standard therapy for decades. Appropriate patient selection is the key for a survival ben-efit. Prognosticators such as patient’s gener-

al condition as well as number, location, and size of metastases help to counsel and select patients accordingly. Metastases of transi-tional cell or penile carcinoma should only be resected when a response to systemic treat-ment is evident in the individual case. There is no evidence in favor of resecting organ-metastases of prostate cancer in the current guidelines and the literature. In this article, arguments against resection of metastases following the current literature and guide-lines are described.

KeywordsMetastases, visceral · Tumors, urological · Metastasectomy · Pognosis · Survival

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tiven biinstitutionalen Studie entwickel-ten Tosco et al. [23] anhand 109 Patien-ten mit metastasiertem Nierenzellkar-zinom (74,3% metachrone Metastasen) nach partieller oder radikaler Nephrekto-mie und Metastasektomie mittels ROC-Analyse („receiver operation characteris-tics“) den Leuven-Udine-Score. 5 Risiko-faktoren (primäres T-Stadium ≥3, Fuhr-man-Grad ≥3, krankheitsfreies Überleben ≤12 Monate, nicht-pulmonale Metastasen und multiple Metastasen) wurden identi-fiziert. Wenn Patienten alle 5 Risikofak-toren aufwiesen, betrug das mediane tu-morspezifische Überleben ca. 12 Monate.

Nach kompletter Resektion von Lun-genmetastasen konnten 5-Jahres-Überle-bensraten von 40–50% erreicht werden.

Eine ungünstige Prognose stellen folgen-de Risikofaktoren dar [6]:F  Zeitintervall bis zum Metastasen-

nachweis (≤2 Jahre),F  inkomplette Resektion,F  ≥6 Metastasen,F  Metastasendurchmesser >4 cm,F  Nachweis mediastinaler Lymphkno-

ten.

Die Indikation zur Metastasenchirurgie beim Nierenzellkarzinom orientiert sich an den Tumorcharakteristika und dem Allgemeinzustand des Patienten. Patien-ten mit synchron metastasiertem Nieren-zellkarzinom und >3 Risikofaktoren nach den Heng-Kriterien profitieren weder von

einer Zytoreduktion noch von einer Me-tastasektomie [12].

Urothelkarzinom

Nach radikaler Zystektomie kommt es bei ca. 30% der Patienten zu einer Metastasie-rung. 75% dieser Metastasen sind Fernme-tastasen, so dass davon ausgegangen wer-den muss, dass die meisten Patienten be-reits okkulte Mikrometastasen zum Zeit-punkt der Erstdiagnose haben. Die Cis-platin-basierte Chemotherapie kann 70% partielle oder komplette Remission errei-chen [25]. Die mittlere Überlebenszeit des chemotherapeutischen Ansprechens liegt bei ca. 14 Monaten. In . Tab. 3 sind Stu-dien dargestellt, in denen nach partieller oder kompletter Remission auf eine sys-temische Cisplatin-basierte Chemothe-rapie eine Metastasenresektion durchge-führt wurde.

Die Voraussetzung für die Durchfüh-rung einer Metastasenresektion ist ein sig-nifikantes Ansprechen auf die Chemothe-rapie. In einer retrospektiven Studie von Herr et al. [7] wurden 127 von 207 Patien-ten von der Metastasenresektion ausge-schlossen, da sie kein Ansprechen auf die Chemotherapie zeigten, einen schlechten ECOG-PS aufwiesen oder die Opera-tion ablehnten. Außer dem radiologi-schen Ansprechen gibt es keine Prognos-

Tab. 3  Studien zur Metastasenresektion beim Urothelkarzinom

Metastasen- Lokalisation

Autor Zeit-raum

Patien-ten (n)

Prognostikatoren Medianes Überleben

Lunge,  Lymphknoten

Herr et al. [7]a

1984–1999

80 Kein Überlebensvorteil ohne partielles oder kom-plettes Ansprechen auf eine Chemotherapie

9 Monate bis 5 Jahre

Lymphknoten,  Lunge und Knochen und andere

Lehmann et al. [9]b

1991–2008

44 Keine Prognostikatoren definiert

27 Monate

Lunge, Lymphknoten Weichteile, Leber

Abe et al. [1]b

1989–2012

42 Solitäre Lunge und  solitäre Lymphknoten längeres Überleben

26 (11–90) Monate

aAlle Patienten erhielten eine Cisplatin-basierte Chemotherapie vor Metastasenresektion.bBei 9 Patienten (20,5%) wurde keine Chemotherapie präoperativ durchgeführt.

Tab. 2  Prognostikatoren des medianen Überlebens der Patienten mit mNZK in Abhängigkeit der Metastasenlokalisation

Metastasen-lokalisation

Autor Zeitraum Patien-ten

Therapie Prognostikatoren Medianes Über-leben (Monate)

Lunge Kudelin et al. [8] 1999–2009 116 34,5% adjuvant Univariat: ≥2 56,6±9,2

Metastasen (p=0,012)

≥70 Jahre (p=0,012)

Multivariat: Patientenalter

  Meimarakis et al. [13]

1986–2006 202 28% adjuvant Multivariat 39,7±8

R1/2 vs. R0 (HR: 3,3; p<0,001)

≥3 vs <3 Metastasen (HR: 1,5; p=0,039)

≥3 vs <3 cm (HR:1,9; p=0,01)

Leber Thelen et al. [22] 1988–2006 31 Keine Univariat 48

Primärtumor (p=0,013)

progressionsfreies Überleben (p=0,012)

R0-Resektion (p=0,008)

  Staehler et al. [20]

1995–2006 68 Keine ECOG-PS; progressionsfreies Überleben, Grading

142

Knochena Ulmar et al. [24] 1984–2005 37 40,4% nach  Metastasenresektion

Karnofsky-Index 6,4 (0–83,3)

Gehirn Nieder et al. [15] 1983–2009 35 Multimodal ECOG-PS 4,1aNur Wirbelsäulenmetastasen sind berücksichtigt. mNZK metastasiertes Nierenzellkarzinom, HR Hazard Ratio, ECOG-PS „Eastern Cooperative Oncology Group Performance Score“.

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Leitthema

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tikatoren, die zur Patientenselektion ver-wendet werden könnten [9]. Die Metas-tasenresektion beim metastasierten Uro-thelkarzinom bleibt eine individuelle Ent-scheidung innerhalb eines multimodalen Therapiekonzepts.

Prostatakarzinom

Viszerale Metastasen des Prostatakarzi-noms sind eine Domäne der systemischen Therapie mit Taxan-basierter Chemothe-rapie und/oder primärer und sekundärer Hormontherapie [5]. Daten zur Resektion hämatogener Metastasen sind nur in Fall-berichten beschrieben und spiegeln ein individuelles Behandlungskonzept wi-der. Ohlmann et al. [16] berichten in ihrer Übersichtsarbeit in Einzelfällen von einer Rezidivfreiheit zwischen 10 und 20 Mo-naten nach erfolgter Metastasenresek-tion. Derzeit spricht die aktuelle Daten-lage gegen eine Resektion viszeraler Me-tastasen.

Peniskarzinom

Viszerale Metastasen treten beim Penis-karzinom in <5% der Fälle auf [10]. Die Prognose des viszeral metastasierten Pe-niskarzinoms ist mit einem medianen Überleben von 5,5 Monaten schlecht. Ansprechraten auf multimodale systemi-sche Therapieansätze werden mit 26% beschrieben [17]. Eine chirurgische Inter-vention, um einen krankheitsfreien Sta-tus oder Palliation zu erreichen, könn-te bei Patienten im guten Allgemeinzu-stand und nach objektivem Ansprechen auf eine systemische Chemotherapie er-wogen werden [17].

Fazit für die Praxis

F  Bei nicht-seminomatösen Keimzell-tumoren bietet die Residualtumor-resektion nach Chemotherapie einen kurativen Therapieansatz. Nur eine interdisziplinär festgestellte Inope-rabilität und die Abwägung von peri operativer Morbidität/Mortali-tät und postoperativem Nutzen kön-nen gegen eine Metastasenresektion sprechen.

F  Beim metastasierten Nierenzellkar-zinom gehört die Resektion synchro-ner und metachroner Metastasen zur Standardtherapie. Patienten mit mul-tiplen Metastasen in unterschiedli-chen Organen und im schlechten All-gemeinzustand profitieren eher nicht von einer Metastasenresektion.

F  Beim metastasierten Urothelkarzi-nom ist nur im Falle eines systemi-schen Ansprechens auf eine Chemo-therapie die Resektion von Organme-tastasen im individuellen Fall zu er-wägen.

F  Beim Penis- und Prostatakarzinom spricht die momentane Evidenzlage gegen eine Resektion von Metasta-sen. Im individuellen Fall kann jedoch eine Metastasenresektion z. B. zur Palliation erwogen werden.

Korrespondenzadresse

PD Dr. F.C. RoosUrologische Klinik und Poliklinik, Universitäts-medizin, Johannes Gutenberg Universität MainzLangenbeckstraße 1, 55131 [email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt.  F.C. Roos und J.W. Thüroff geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. 

Der Beitrag enthält keine Studien an Menschen oder Tieren.

Literatur

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17.  Pettaway CA, Pagliaro L, Theodore C, Haas G (2010) Treatment of visceral, unresectable, or bulky/unre-sectable regional metastases of penile cancer. Uro-logy 76:58–65

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19.  Schirren J, Trainer S, Eberlein M et al (2012) The ro-le of residual tumor resection in the management of nonseminomatous germ cell cancer of testicu-lar origin. Thorac Cardiovasc Surg 60:405–412

20.  Staehler MD, Kruse J, Haseke N et al (2010) Liver resection for metastatic disease prolongs survi-val in renal cell carcinoma: 12-year results from a retrospective comparative analysis. World J Urol 28:543–547

21.  Stenzl A, Cowan NC, De Santis M et al (2011) Treat-ment of muscle-invasive and metastatic blad-der cancer: update of the EAU guidelines. Eur Urol 59:1009–1018

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23.  Tosco L, Van Poppel H, Frea B et al (2013) Survival and impact of clinical prognostic factors in surgi-cally treated metastatic renal cell carcinoma. Eur Urol 63:646–652

24.  Ulmar B, Catalkaya S, Naumann U et al (2006) Sur-gical treatment and evaluation of prognostic fac-tors in spinal metastases of renal cell carcinoma. Z Orthop Ihre Grenzgeb 144:58–67

821Der Urologe 6 · 2014  | 

Page 6: Operation hämatogener Metastasen; Resecting hematogenous metastases;

25.  Maase H von der, Hansen SW, Roberts JT et al (2000) Gemcitabine and cisplatin versus metho-trexate, vinblastine, doxorubicin, and cisplatin in advanced or metastatic bladder cancer: results of a large, randomized, multinational, multicenter, phase III study. J Clin Oncol 18:3068–3077

26.  Wan L, Pantel K, Kang Y (2013) Tumor metastasis: moving new biological insights into the clinic. Nat Med 19:1450–1464

27.  Winter C, Pfister D, Busch J et al (2012) Residual tu-mor size and IGCCCG risk classification predict ad-ditional vascular procedures in patients with germ cell tumors and residual tumor resection: a mul-ticenter analysis of the German Testicular Cancer Study Group. Eur Urol 61:403–409

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