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Quelle/Publication: Ausgabe/Issue: Seite/Page: Farbe & Lack 08/2005 34 Optimale Aushärtung ist gefragt Cure Monitoring von Lacksystemen mittels dielektrischer Analyse (DEA) - auch in-situ. Stephan Knappe, Selb. Die dielektrische Analyse (DEA), die den thermoanalytischen Methoden zugeordnet wird, zeichnet sich dadurch aus, dass sie auch für sehr schnelle UV-Aushärtereaktionen einsetzbar ist. Trocknungs- und Aushärteverhalten von flüssigen Lacken und Pulverlacken lassen sich unter realen Prozessbedingungen verfolgen. Die thermokinetische Analyse der DEA-Messdaten erlaubt die Vorhersage des Aushärtegrades. Bewährte thermoanalytische Methoden bieten ein ausgezeichnetes Werkzeug zur Beschreibung des Glasübergangs von teilweise oder vollkommen ausgehärteten Lackfilmen. Auch der Aushärtevorgang selbst kann mittels DSC (Dynamische Differenz-Kalorimetrie, engl. Differential Scanning Calorimetry) und DMA (Dynamisch-mechanische Analyse) untersucht werden. Die DSC ist ideal für die Analyse der Aushärtung von Pulverlacken [1]. Damit kann das endotherme Schmelzen eines Harzes, gefolgt von der exothermen Aushärtung, einfach gemessen und die Reaktionswärme bestimmt werden. Lösemittelhaltige oder flüssige Lacke auf Wasserbasis verursachen einen großen endothermen Verdampfungseffekt in der DSC-Kurve, der die Aushärtereaktion überlagert oder verbirgt. Mit dem Zugmodus der DMA sind Messungen des Anstiegs im Elastizitätsmodul während der Aushärtung möglich, jedoch gestaltet sich das Handling zeitaufwändiger, da ein inerter Träger für den flüssigen Lack, beispielsweise Seidengewebe [2], erforderlich ist. Mit der dielektrischen Analyse (DEA) lassen sich diese Probleme und der Arbeitsaufwand minimieren. Mittels anwendungsspezifischer Kammsensoren lassen sich Fließ-, Trocknungs- und Aushärteverlauf flüssiger Lacke durch die grafische Darstellung der Ionenviskosität in Abhängigkeit von der Zeit und/oder Temperatur und Frequenz beschreiben. Der größte Vorteil der DEA-Technik jedoch ist, dass sie nicht nur auf den Labormaßstab beschränkt ist, sondern auch zur in-situ-Überwachung unter realen Prozessbedingungen [3] eingesetzt werden kann. Im Rahmen dieser Veröffentlichung werden neue Messergebnisse für die thermische und UV-Aushärtung flüssiger Lacke vorgestellt. Durch Anwendung der thermokinetischen Analyse [4] auf die DEA-Daten für die thermische Aushärtung eines Pulverlacks kann der Vernetzungsgrad vorausgesagt und der Aushärteprozess optimiert werden. Methode des Cure Monitoring mittels DEA Das Messprinzip der DEA beruht darauf, dass die Probe in direkten Kontakt mit einem dielektrischen Sensor gebracht wird. Das Prinzip und die verwendeten Geräte sind ausführlich in der Literatur [5] beschrieben. Die Anordnung der zwei Elektroden kann kammartig ausgeführt werden. Auf eine Elektrode wird eine sinusförmige Spannung aufgebracht (Eingangssignal). Die zweite Elektrode wirkt als Empfänger des resultierenden Stromes (Ausgangssignal). Während der Aushärtung eines reaktiven Harzsystems nehmen sowohl die Ionenmobilität (Ionenleitfähigkeit) als auch die Ausrichtung der Dipole im Wechselstromfeld ab. Die Änderung der dielektrischen Eigenschaften, d. h. Dielektrizitätszahl ε' (Permittivität) und Verlustfaktor ε'', werden anschließend aus der gemessenen Amplitude und Phasenänderung berechnet. In der Praxis hat sich die Darstellung der sogenannten Ionenviskosität (der reziproke Wert der Ionenleitfähigkeit) bewährt, die mit der dynamischen Viskosität η - mit einem Rheometer gemessen - korreliert. Drei Applikationen dienen als Untersuchungsgrundlage Es wurden drei Versuche durchgeführt. Im ersten wurde ein flüssiger Acrylatlack mittels einer Rakel auf den kammartigen Sensor aufgetragen, um eine nasse Lackschichtdicke von 80 μm zu erreichen. Anschließend wurde der Lack mit UV-Licht in einem industriellen Durchlaufgerät mit konventionellen Lampen ausgehärtet. Zur Überwachung dieser schnellen Aushärtung wurde ein DEA-Gerät mit hoher Datenerfassungsrate im Millisekunden-Bereich bei einer Frequenz von 10 kHz eingesetzt. Im zweiten Versuch wurden zwei Varianten eines flüssigen 1-Komponenten-Poly- urethan-Klarlacks auf die Sensoren mittels einer Rakel aufgebracht (nasse Schichtdicke von 90 μm). Für das 2-stufige Temperaturprogramm wurde ein Laborofen verwendet. Dann wurden isotherme Haltezeiten für 7 min bei 80 °C und 23 min bei 160 °C programmiert. Die Heizrate zwischen den zwei isothermen Haltezeiten betrug bei jeder Messung 30 K/min. Es wurden Multifrequenz-Scans mit 1, 10, 100 und 1.000 Hz durchgeführt. Zur weiteren Diskussion der Ergebnisse wurden die 1.000 Hz-Kurven ausgewertet. Bei der dritten Versuchsreihe wurde ein Pulverlack gleichmäßig elektrostatisch (Spritzpistole) auf die Sensoren aufgebracht, in einen Laborofen eingesetzt und für 60 min bei drei verschiedenen isothermen Temperaturen von 140, 150 und 160 °C ausgehärtet. Die Dicke der Lackschicht betrug etwa 100 μm; die verwendeten Messfrequenzen des 1-kanaligen Gerätes waren 1, 10, 100, 1.000 und 10.000 Hz. Für die kinetische Analyse mit der "Thermokinetics" Software wurden die Ionenviskositätskurven bei 10 Hz herangezogen. DEA-Messdaten belegen unterschiedliches Aushärteverhalten In Abb. 1 wird die schnelle UV-Aushärtung eines flüssigen Acrylatlacks deutlich. Nach 12,3 s erreicht der Logarithmus der Ionenviskosität (reziproker Wert der Ionenleitfähigkeit, blaue Quadrate) aufgrund der leichten Temperaturerhöhung seinen minimalen Wert. Dies bewirkt eine gute Benetzung des Lacks auf dem Substrat. Danach beginnt die Aushärtung mit einem steilen Anstieg der Ionenviskosität innerhalb von nur 1,1 s über eine Größenordnung von etwa 4,7·10 6 cm auf 2,3·10 7 cm. Der entsprechende Temperaturanstieg (rote Kreuze) der exothermen Aushärtung von 29 °C bis 50 °C erfolgt zeitverzögert. Wie in Abb. 2 deutlich wird, zeigen die zwei PUR-Klarlacke, gemessen bei 1 Hz, ein unterschiedliches Trocknungs- und Aushärteverhalten bei gleichem Temperaturprogramm. Keine der Proben ist nach 20 min bei 160 °C vollkommen ausgehärtet, was an den noch ansteigenden Ionenviskositätskurven zu erkennen ist. Lack 1 (rote Kurve, gefüllte Dreiecke) zeigt eine höhere Reaktivität (höhere Steigung) und einen früheren Aushärtebeginn als Lack 2 (blaue Kurve). Dies ist auf das in Lack 1 verwendete Katalysator/Beschleunigungssystem zurückzuführen. Zusätzlich erreicht Lack 1 höhere Ionenviskositätswerte als Lack 2. Ein höheres Niveau der Ionenviskosität führt im Allgemeinen zu einer höheren Netzwerkdichte, was mittels mechanischer Prüfung von Härte, Festigkeit oder Steifigkeit Vincentz Network +++ Schiffgraben 43 +++ D-30175 Hannover +++ Tel.:+49(511)9910-000

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Optimale Aushärtung ist gefragt

Cure Monitoring von Lacksystemen mittelsdielektrischer Analyse (DEA) - auch in-situ.Stephan Knappe, Selb.Die dielektrische Analyse (DEA), die denthermoanalytischen Methoden zugeordnet wird, zeichnetsich dadurch aus, dass sie auch für sehr schnelleUV-Aushärtereaktionen einsetzbar ist. Trocknungs- undAushärteverhalten von flüssigen Lacken und Pulverlackenlassen sich unter realen Prozessbedingungen verfolgen. Diethermokinetische Analyse der DEA-Messdaten erlaubt dieVorhersage des Aushärtegrades.Bewährte thermoanalytische Methoden bieten einausgezeichnetes Werkzeug zur Beschreibung desGlasübergangs von teilweise oder vollkommenausgehärteten Lackfilmen. Auch der Aushärtevorgang selbstkann mittels DSC (Dynamische Differenz-Kalorimetrie, engl.Differential Scanning Calorimetry) und DMA(Dynamisch-mechanische Analyse) untersucht werden. DieDSC ist ideal für die Analyse der Aushärtung vonPulverlacken [1]. Damit kann das endotherme Schmelzeneines Harzes, gefolgt von der exothermen Aushärtung,einfach gemessen und die Reaktionswärme bestimmtwerden.Lösemittelhaltige oder flüssige Lacke auf Wasserbasisverursachen einen großen endothermenVerdampfungseffekt in der DSC-Kurve, der dieAushärtereaktion überlagert oder verbirgt. Mit demZugmodus der DMA sind Messungen des Anstiegs imElastizitätsmodul während der Aushärtung möglich, jedochgestaltet sich das Handling zeitaufwändiger, da ein inerterTräger für den flüssigen Lack, beispielsweiseSeidengewebe [2], erforderlich ist. Mit der dielektrischenAnalyse (DEA) lassen sich diese Probleme und derArbeitsaufwand minimieren. Mittels anwendungsspezifischerKammsensoren lassen sich Fließ-, Trocknungs- undAushärteverlauf flüssiger Lacke durch die grafischeDarstellung der Ionenviskosität in Abhängigkeit von der Zeitund/oder Temperatur und Frequenz beschreiben. Dergrößte Vorteil der DEA-Technik jedoch ist, dass sie nicht nurauf den Labormaßstab beschränkt ist, sondern auch zurin-situ-Überwachung unter realen Prozessbedingungen [3]eingesetzt werden kann.Im Rahmen dieser Veröffentlichung werden neueMessergebnisse für die thermische und UV-Aushärtungflüssiger Lacke vorgestellt. Durch Anwendung derthermokinetischen Analyse [4] auf die DEA-Daten für diethermische Aushärtung eines Pulverlacks kann derVernetzungsgrad vorausgesagt und der Aushärteprozessoptimiert werden.

Methode des Cure Monitoring mittels DEADas Messprinzip der DEA beruht darauf, dass die Probe indirekten Kontakt mit einem dielektrischen Sensor gebrachtwird. Das Prinzip und die verwendeten Geräte sindausführlich in der Literatur [5] beschrieben. Die Anordnungder zwei Elektroden kann kammartig ausgeführt werden. Aufeine Elektrode wird eine sinusförmige Spannungaufgebracht (Eingangssignal). Die zweite Elektrode wirkt alsEmpfänger des resultierenden Stromes (Ausgangssignal).Während der Aushärtung eines reaktiven Harzsystemsnehmen sowohl die Ionenmobilität (Ionenleitfähigkeit) alsauch die Ausrichtung der Dipole im Wechselstromfeld ab.Die Änderung der dielektrischen Eigenschaften, d. h.Dielektrizitätszahl ε' (Permittivität) und Verlustfaktor ε'',werden anschließend aus der gemessenen Amplitude und

Phasenänderung berechnet. In der Praxis hat sich dieDarstellung der sogenannten Ionenviskosität (der reziprokeWert der Ionenleitfähigkeit) bewährt, die mit derdynamischen Viskosität η - mit einem Rheometer gemessen- korreliert.

Drei Applikationen dienen als UntersuchungsgrundlageEs wurden drei Versuche durchgeführt. Im ersten wurde einflüssiger Acrylatlack mittels einer Rakel auf denkammartigen Sensor aufgetragen, um eine nasseLackschichtdicke von 80 µm zu erreichen. Anschließendwurde der Lack mit UV-Licht in einem industriellenDurchlaufgerät mit konventionellen Lampen ausgehärtet.Zur Überwachung dieser schnellen Aushärtung wurde einDEA-Gerät mit hoher Datenerfassungsrate imMillisekunden-Bereich bei einer Frequenz von 10 kHzeingesetzt.Im zweiten Versuch wurden zwei Varianten eines flüssigen1-Komponenten-Poly- urethan-Klarlacks auf die Sensorenmittels einer Rakel aufgebracht (nasse Schichtdicke von 90µm). Für das 2-stufige Temperaturprogramm wurde einLaborofen verwendet. Dann wurden isotherme Haltezeitenfür 7 min bei 80 °C und 23 min bei 160 °C programmiert. DieHeizrate zwischen den zwei isothermen Haltezeiten betrugbei jeder Messung 30 K/min. Es wurdenMultifrequenz-Scans mit 1, 10, 100 und 1.000 Hzdurchgeführt. Zur weiteren Diskussion der Ergebnissewurden die 1.000 Hz-Kurven ausgewertet.Bei der dritten Versuchsreihe wurde ein Pulverlackgleichmäßig elektrostatisch (Spritzpistole) auf die Sensorenaufgebracht, in einen Laborofen eingesetzt und für 60 minbei drei verschiedenen isothermen Temperaturen von 140,150 und 160 °C ausgehärtet. Die Dicke der Lackschichtbetrug etwa 100 µm; die verwendeten Messfrequenzen des1-kanaligen Gerätes waren 1, 10, 100, 1.000 und 10.000Hz. Für die kinetische Analyse mit der "Thermokinetics"Software wurden die Ionenviskositätskurven bei 10 Hzherangezogen.

DEA-Messdaten belegen unterschiedlichesAushärteverhaltenIn Abb. 1 wird die schnelle UV-Aushärtung eines flüssigenAcrylatlacks deutlich. Nach 12,3 s erreicht der Logarithmusder Ionenviskosität (reziproker Wert der Ionenleitfähigkeit,blaue Quadrate) aufgrund der leichten Temperaturerhöhungseinen minimalen Wert. Dies bewirkt eine gute Benetzungdes Lacks auf dem Substrat. Danach beginnt dieAushärtung mit einem steilen Anstieg der Ionenviskositätinnerhalb von nur 1,1 s über eine Größenordnung von etwa4,7·106 Ωcm auf 2,3·107 Ωcm. Der entsprechendeTemperaturanstieg (rote Kreuze) der exothermenAushärtung von 29 °C bis 50 °C erfolgt zeitverzögert.Wie in Abb. 2 deutlich wird, zeigen die zwei PUR-Klarlacke,gemessen bei 1 Hz, ein unterschiedliches Trocknungs- undAushärteverhalten bei gleichem Temperaturprogramm.Keine der Proben ist nach 20 min bei 160 °C vollkommenausgehärtet, was an den noch ansteigendenIonenviskositätskurven zu erkennen ist. Lack 1 (rote Kurve,gefüllte Dreiecke) zeigt eine höhere Reaktivität (höhereSteigung) und einen früheren Aushärtebeginn als Lack 2(blaue Kurve). Dies ist auf das in Lack 1 verwendeteKatalysator/Beschleunigungssystem zurückzuführen.Zusätzlich erreicht Lack 1 höhere Ionenviskositätswerte alsLack 2. Ein höheres Niveau der Ionenviskosität führt imAllgemeinen zu einer höheren Netzwerkdichte, was mittelsmechanischer Prüfung von Härte, Festigkeit oder Steifigkeit

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nachgewiesen werden kann.Wichtig ist eine vergleichbare Dicke der nassen Lackschicht- besonders im Hinblick auf die Verdampfung desLösemittels während der Trocknungsphase. DieVerwendung einer Rakel wird deshalb empfohlen. Fürdünnere Beschichtungen werden die Micron-Sensoren (MS)für eine bessere Anpassung an das Eindringfeld bevorzugt.In Abb. 3 ist beispielhaft das DEA-Mess- ergebnis für dieAushärtung des Hybrid-Pulverlacks bei 160 °C mitLogarithmus der Ionenviskosität (blaue Kurven) undLogarithmus des Verlustfaktors (grüne Kurven) bei 1, 10,100, 1.000 und 10.000 Hz dargestellt. Da die Temperaturansteigt, wird zunächst das beste Fließverhalten (minimaleViskosität für eine optimale Benetzung) erreicht, wasbevorzugt durch Anwendung von höheren Messfrequenzenermittelt werden kann (beispielsweise 1 kHz oder 10 kHz).Nach diesem Minimum steigt die Ionenviskosität um mehrals eine Größenordnung (107,1 Ωcm auf 108,3 Ωcm) an underreicht nach etwa 50 Minuten einen horizontalen Verlauf.Am Ende der Aushärtung erreicht die Ionenviskositätschließlich ihr höchstes Niveau. Generell sollten gegenEnde der Aushärtung niedrigere Messfrequenzen gewähltwerden (beispielsweise 1 Hz oder 10 Hz), bei denen dieIonen dem Wechselstrom noch folgen können.

Thermokinetische Analyse für Vorhersagen zumoptimalen AushärtegradAbb. 4 zeigt als direkten Kurvenvergleich den Logarithmusder Ionenviskosität für drei verschiedeneIsotherm-Temperaturen von 140 °C (grüne Kurve), 150 °C(blaue Kurve) und 160 °C (rote Kurve) - jeweils bei einerMessfrequenz von 10 Hz. Es ist klar ersichtlich, dass dieIonenviskosität mit steigender Aushärtetemperaturniedrigere Werte aufweist. Dies trifft sowohl für denminimalen Wert zu, der maßgeblich für den bestenLackverlauf ist, sowie für den Endwert der gesamtenAushärtung.Mit Hilfe der nichtlinearen Regressionsrechnung in derSoftware konnte ein 2-stufiges Modell für eineKonkurrenzreaktion (durchgezogene Linien) gefundenwerden, das perfekt mit den DEA-Daten (Symbole)übereinstimmt. Es wurde ein Korrelationskoeffizient von0,9988 erreicht.Hier wird formalkinetisch davon ausgegangen, dass Edukt Aeinerseits in Produkt B (unter autokatalytischem Effekt vonB), aber andererseits auch in Produkt C übergeht. Dieseindividuellen Reaktionsschritte können nicht direkt einerchemischen Reaktionsstufe (Reaktionsgleichung)zugeordnet werden.Die einzelnen Parameter sowie die statistischen Werte fürdie thermokinetische Analyse sind in Tab. 1zusammengestellt.Im Gegensatz zu flüssigen Lacken - wie bereits in [3]diskutiert - wird bei Pulverlacken im Allgemeinen einmaximaler Vernetzungsgrad angestrebt. Dieser istausschlaggebend für gute mechanische Eigenschaften (z.B.Härte und Kratzfestigkeit), eine hoheTemperaturbeständigkeit (hoheGlasumwandlungstemperatur) und eine bessereBeständigkeit der Beschichtung gegen Korrosion undWitterungseinflüsse.Die verwendete Software beschreibt nicht nur diekinetischen Parameter, sondern ermöglicht auchVorhersagen zum Aushärtegrad. Nachdem ein passendeskinetisches Reaktionsmodell für eine ausführlicheBeschreibung des Aushärteverhaltens gefunden wurde,kann die Umwandlungsrate (dem Aushärtegradentsprechend) für verschiedene Temperaturen inAbhängigkeit von der Zeit berechnet werden (Abb. 5).

Selbst komplexere Temperatur-/Zeitschritte oder -zyklenkönnen mit der verwendeten Software simuliert werden. Sokann beispielsweise der Verlauf der Aushärtung basierendauf einem praxisrelevanten Temperaturprogramm in einemindustriellen Infrarot-Ofen vorausgesagt werden. DerAnstieg des Aushärtegrades bei einer schrittweisenTemperaturerhöhung von 120 °C über 140 °C undschließlich auf 160 °C wird nach Abkühlung des Pulverlacksauf Raumtemperatur mit etwa 94 Prozent berechnet (Abb.6).

DEA und Thermokinetik als idealeWerkzeugkombinationDie dielektrische Analyse (DEA) komplementiert anderethermoanalytische Methoden, wie die DynamischeDifferenz-Kalorimetrie (DSC) und diedynamisch-mechanische Analyse (DMA). Im Gegensatz zuDSC und DMA kann die DEA für sehr schnelleUV-Aushärtereaktionen eingesetzt werden. Durch Messungder Ionenviskosität (reziproker Wert der Ionenleitfähigkeit)kann der Trocknungs- und Aushärteprozess flüssiger Lackeund Pulverlackbeschichtungen nicht nur im Labormaßstab,sondern auch unter realen, kontinuierlichenProzessbedingungen in-situ verfolgt werden.Durch eine umfassende thermokinetische Analyse derDEA-Messdaten ist es möglich, selbst komplexe Vorgängegenau zu beschreiben und Vorhersagen zum Aushärtegradbei frei wählbaren Temperatur-/Zeitprogrammen zu treffen.

Literatur[1] S. Knappe, H. Möhler, J. Opfermann, H. Walter, DSC -An advanced research tool for characterization andsimulation of powder paint curing, Vortrag beim 6. NürnbergCongress 2001 von S. Knappe, Netzsch-Gerätebau GmbH,Selb, Germany[2] S. Knappe, H. Möhler, J. Opfermann, H.Walter,Klarlacke: Dynamisch-mechanische Analyse (DMA) vonflüssigen Lacken und Lackfilmen, in: Im Visier: ThermischeAnalyse für die Lacktechnik, S. 30-37, Netzsch-GerätebauGmbH, Selb, 2001[3] S. Knappe, Characterizing Liquid Paints by UsingDielectric and Kinetic Analysis, Vortrag beim 7, NürnbergCongress 2003, Netzsch-Gerätebau GmbH, Selb, Germany[4] J. Opfermann, Kinetic analysis using multivariatenon-linear regression, Journal of Thermal Analysis andCalorimetry. 60 (2000), S. 641-658[5] S. Knappe, Vernetzung verfolgen, OptimierteLackhärtung durch dielektrische und kinetische Analyse, in:FARBE UND LACK 9/2003, S. 18 - 22

Verwendete PrüfgeräteDie "Netzsch DEA 230 Epsilon" Serie mit Signalen fürdielektrische Daten als auch für die Temperatur kann übereinen weiten Ionenleitfähigkeitsbereich inMulti-Frequenz-Sweeps von 0,001 Hz bis 100 kHzeingesetzt werden. Der dielektrische Analysator "DEA 230/2Epsilon" kann mit zwei externen Interface-Boxen fürverschiedene Leitfähigkeitsbereiche ausgestattet werden.Der 1-kanalige "DEA 230/1 Epsilon" und der 10-kanalige"DEA 230/10 Epsilon" wurden entwickelt, um fast allereaktiven Lacke und Beschichtungen untersuchen zukönnen. Aufgrund ihrer hohen Datenerfassungsraten wirdder Hochgeschwindigkeits "DEA 231/1 Epsilon" bevorzugtzur schnellen UV- oder EB-Aushärtung bei einer festenFrequenz eingesetzt.Jeder Gerätekanal kann mit verschiedenen Kammsensorenausgestattet werden, von denen jeder, abhängig vomjeweiligen Elektrodenabstand, bis zu einem unterschiedlichdefinierten Weg in die Beschichtung eindringt. Die

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Standard-Einweg-Sensoren (IDEX - Interdigitated ElectrodeSensor) halten Temperaturen bis zu 200 °C und alsHochtemperaturversion bis zu 375 °C stand. DerElektrodenabstand beträgt 115 µm. Die Micron-Sensoren(MS) sind mit Elektrodenabständen von 1, 5 und 25 µm inverschiedenen Temperaturbereichen lieferbar.Der Elektrodenabstand der hochpräzisen IC-Sensorenbeträgt 12,5 µm. Sie sind bis zu einer Temperatur von 250°C einsetzbar. Eine integrierte thermische Diode misst dieTemperatur an der gleichen Stelle wie das dielektrischeSignal, also im direkten Kontakt mit der Lackprobe.Besonders interessant für kontinuierliche Trocknungs- undAushärteprozesse ist das "DEA 234 CurePak". Hierbeihandelt es sich um ein bis zu 4-kanaliges,batteriebetriebenes, in sich geschlossenes dielektrischesGerät zur Online-Analyse. Das Gerät sammelt Daten imMultifrequenzmodus durch Verwendung von Idex- oderMS-Sensoren. Es ist ausgelegt für Prozessentwicklung undFertigungsüberwachung von Lacken, Beschichtungen undLaminaten in Durchlauföfen. Die Elektronik wird durch einespezielle Isolationsbox vor hohen Temperaturen geschützt.

Ergebnisse auf einen Blick- Die dielektrische Analyse (DEA) bietet mehrere Vorteile:Sie kann für sehr schnelle UV-Aushärtereaktioneneingesetzt werden. Zudem lässt sich durch Online-Messungder Ionenviskosität (reziproker Wert der Ionenleitfähigkeit)der Trocknungs- und Aushärteprozess flüssiger Lacke undPulverlackbeschichtungen unter realenProzessbedingungen direkt verfolgen.- Im Gegensatz zu flüssigen Lacken wird bei Pulverlackenein maximaler Vernetzungsgrad angestrebt.- Die verwendete thermokinetische Software beschreibtnicht nur die kinetischen Parameter, sondern ermöglichtauch Vorhersagen zum Aushärtegrad bei frei wählbarenTemperatur-/Zeitprogrammen. Der Aushärteprozess kanndadurch optimiert werden.

Stephan Knappe,Netzsch-Gerätebau GmbH, Jahrgang 1960, studierteTechnische Chemie an derGeorg-Simon-Ohm-Fachhochschule in Nürnberg mit demAbschluss Dipl.-Ing. (FH). Von 1986 bis 1991 war er alsVerfahrens- und Anwendungstechniker auf demPolyurethanschaumgebiet tätig. 1991 trat er beiNetzsch-Gerätebau ein und arbeitete zunächst imApplikationslabor. Bis 2002 war er Leiter desApplikationslabors für Polymere und Produktmanager fürdiverse thermoanalytische Messsysteme. Heute ist erweltweit für die Vertriebs- und Applikationsunterstützungzuständig.Dieser Beitrag wurde auf dem 8th Nurnberg Congress"Creative Advances in Coatings Technology" am 25. und 26.April 2005 in Nürnberg präsentiert.

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Abb. 1: UV-Aushärtung eines flüssigen Acrylatlacks mit Logarithmus derIonenviskosität (blau) bei 10 kHz und Temperatur (rot).

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Abb. 2: Trocknungs- und Aushärteverhalten von flüssigem PUR-Lack 1 (rot, Dreiecke)und Lack 2 (blau) mit Logarithmus der Ionenviskosität bei gleichem

Temperaturprogramm, gemessen bei 1 kHz.

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Abb. 3: DEA-Daten für die Aushärtung eines Pulverlacks bei 160 °C bei verschiedenenFrequenzen.

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Abb. 4: Modellanpassung einer 2-stufigen Konkurrenzreaktion (Kurven) an dieDEA-Daten (Symbole) bei 10 Hz.

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Abb. 5: Vorhersage des Aushärtegrads bei verschiedenen Temperaturen.

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Abb. 6: Vorhersage des Aushärtegrads für den Pulverlack bei einem praxisrelevantenTemperatur/Zeit-Programm.

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