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Optimale Lern- und Bildungschancen für Kinder und Jugendliche Aktuelle Forschungsergebnisse für die Bildungspraxis
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Inhaltsverzeichnis
Vorwort 2
Einleitung 4
Filmausschnitte zur Analyse von Unterrichtssituationen 6
Experimentieren im Physikunterricht 8
Mit digitalem Schulbuch Geschichte verstehen 10
Wie Schülerinnen und Schüler komplexe Aufgaben lösen 12
Didaktische Gestaltung von Leseunterricht 14
Hilfreiches Feedback im Musikunterricht 16
Einfachere Fragebögen für bessere Forschungsergebnisse 18
Impressum 21
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Vorwort
Deutschlands Schulsystem ist gut. Das zeigen internationale Bildungsvergleichsstudien wie PISA oder TIMSS, an denen sich Deutschland – gemeinsam gefördert von Bund und Ländern – beteiligt. Aber wir wollen und müssen noch besser werden.
Bildungsvergleichsstudien helfen, Ergebnisse von Bildungsprozessen zu verstehen und einzuordnen. Sie legen Stärken und Schwächen unseres Bildungswesens offen. Zudem liefern sie wichtige Erkenntnisse über die Kompetenzen und Einstellungen deutscher Schülerinnen und Schüler im interna tionalen Vergleich. Über das Bildungsmonitoring hinaus fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung weitere Forschung in Ankopplung an diese Studien. So können aktuelle Fragestellungen, die von zentraler bildungspolitischer Bedeutung sind, vertieft werden. Die gewonnenen Daten für die Bildungspraxis praktisch verwertbar zu machen steht im Zentrum dieser Vorhaben. So geben die Ergebnisse der sieben in diesem Heft vorgestellten Forschungsprojekte Lehrerinnen und Lehrern u. a. Aufschluss darüber, wie Unterrichtsqualität gesteigert werden kann, welche Methoden Schülerleistungen nachhaltig verbessern und wie digitale Lern und Lehrmittel den Unterricht wirksam bereichern können.
Je mehr wir darüber wissen, wie sich die Talente aller Schülerinnen und Schüler optimal entfalten können, desto besser können Schulen und andere Bildungseinrichtungen jeden einzelnen jungen Menschen in Deutschland fördern. Bund und Länder tragen damit zu mehr Bildungsgerechtigkeit bei. Allen Kindern und Jugendlichen wollen wir unabhängig von ihrer Herkunft, ihrem Geschlecht oder sozialen Status optimale Lern und Bildungs chancen ermöglichen.
Ihr Bundesministerium für Bildung und Forschung
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Einleitung Wie kann die Qualität des Unterrichts gesteigert werden? Wie können Schulen ihre Schülerinnen und Schüler darin unterstützen, ihre Potenziale optimal auszuschöpfen, und welche Chancen bieten neue Technologien und Lehrmethoden für den Lernprozess?
Zwischen 2015 und 2017 hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung auf der Basis einer Förderbekanntmachung Forschungsvorhaben gefördert, die die Bedingungsfaktoren für die Entwicklung schulischer Kompetenzen und Problembereiche in Unterricht und Schule untersucht haben. Bei der Auswahl der Projekte war die Anwendungsorientierung entscheidend: Die Forschungsergebnisse sollten konkrete Impulse liefern für die Verbesserung der Praxis in den Schulen.
In dieser Broschüre werden sieben Forschungsprojekte vorgestellt. Das Themenspektrum reicht von der filmtechnischen Analyse von Unterrichtssituationen über die Bedeutung von Schülerexperimenten in den Naturwissenschaften bis zum Einsatz digitaler Geräte im Geschichtsunterricht. Die Beispiele zeigen, wie vielfältig die Möglichkeiten für Schulen sind, um konstruktiv mit Problemen im Unterricht umzugehen und die Schülerinnen und Schüler entsprechend ihren Stärken und Neigungen zu fördern.
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Filmausschnitte zur Analyse von Unterrichtssituationen
Systematische Videobeobachtungen helfen dabei zu erforschen, wie guter Unterricht funktioniert. Selbst mithilfe kurzer Filmausschnitte (Thin Slices) ist es möglich, Unterrichtssituationen zu analysieren und zutreffend zu beurteilen. Der Unterricht lässt sich so entscheidend verbessern.
Das Projekt „Die ThinSlicesTechnik zur Unterrichtsuntersuchung“ hat untersucht, ob der erste Eindruck einer Unterrichtssituation in der Klassenstufe 8 zu zuverlässigen Urteilen führt. Die Forscherinnen und Forscher wollten herausfinden, ob die Einschätzungen mit Ergebnissen übereinstimmen, die auf ausführlicheren Analysen von Filmaufnahmen und Schüleraussagen beruhen. Außerdem ging es um die Frage, wie Lehrerinnen und Lehrer mit Fehlern der Schülerinnen und Schüler im Unterricht umgehen und wie sich dieser Umgang auf die Motivations und Leistungsentwicklung der Lernenden auswirkt.
7 FILMAUSSCHNITTE ZUR ANALYSE VON UNTERRICHTSSITUATIONEN
Um die Forschungsfragen zu beantworten, hat das Forscherteam Daten aus internationalen Leistungsstudien wie DESI und TIMSS analysiert. Es wertete die im Rahmen der Studien aufgenommenen Unterrichtsvideos aus und griff dabei auf die ThinSlicesTechnik zurück. In zwei Vorstudien wurden zunächst die Erhebungsbedingungen untersucht. Die Länge der Videosequenzen wurde ebenso variiert wie die Anzahl der Ausschnitte pro Unterrichtseinheit. In der zweiten Studie wurde erforscht, wie spezifisch die in den Videoausschnitten enthaltene Information für den zu beurteilenden Umgang mit Fehlern war.
Die Forscherinnen und Forscher fanden heraus, dass sich die Analyse längerer Videoausschnitte und die gezielte Auswahl von Unterrichtssituationen nicht positiv auf die Genauigkeit der Urteile auswirken. Die Hauptstudie nutzte daher jeweils drei zehnsekündige Filmausschnitte, die zufällig aus jedem Drittel der Unterrichtsstunde gezogen wurden. 30 studentische Beobachterinnen und Beobachter untersuchten insgesamt 201 Unterrichtsvideos der Klassenstufe 8, um die Qualität des Unterrichts und den Umgang mit Fehlern zu bewerten.
Die Studie hat ergeben, dass sich die Beurteilung der Unterrichtsqualität und des Fehlerumgangs aufgrund des ersten Eindrucks mit anderen Unterrichtsbeschreibungen deckt. Die Einschätzungen durch die Studierenden stimmten in hohem Maß überein und ähnelten solchen Urteilen, die geschulte Beobachterinnen und Beobachter auf der Grundlage eines vollständigen Unterrichtsvideos trafen. Ein weiteres Ergebnis der Untersuchungen war, dass Klassen sich deutlich darin unterscheiden, wie im Unterricht mit Fehlern umgegangen wird. Ein lernförderlicher Umgang mit Fehlern führt zu einer Steigerung der Klassenmotivation. Die Art und Weise, wie die Lehrerinnen und Lehrer mit Fehlern umgehen, hängt dabei nur in geringfügigem Maße vom Leistungsniveau und der Leistungsveränderung der Klasse ab.
Thin Slices eignen sich zur Einschätzung von Unterrichtsmerkmalen, wie zum Beispiel dem Umgang mit Fehlern. Damit können Forscherinnen und Forscher den Erhebungsaufwand bei Unterrichtsanalysen zukünftig deutlich reduzieren. Darüber hinaus belegen die Ergebnisse, wie wichtig der konstruktive Umgang mit Fehlern im Unterricht vor allem für die Motivation der Schülerinnen und Schüler ist.
PROJEKTVERANTWORTLICHE
Prof. Dr. Mareike Kunter, Goethe-Universität Frankfurt am Main
Dr. Susanne Kuger und Prof. Dr. Eckhard Klieme, Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF)
Verbundvorhaben „Die Thin-Slices-Technik zur Unterrichtsuntersuchung: Eine Re-Analyse von Large-Scale-Daten zum konstruktiven Umgang mit Fehlern“
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Experimentieren im Physikunterricht
Selbstständiges Experimentieren im Physikunterricht ist von großer Bedeutung: Es erhöht nicht nur das Interesse der Schülerinnen und Schüler am Fach, sondern trägt auch dazu bei, dass sie ihr Fachwissen steigern.
Wie intensiv müssen sich Schülerinnen und Schüler an Experimenten im Unterricht beteiligen, damit Motivation und Lernerfolg zunehmen? Welchen Einfluss haben unterschiedliche Formen des Experimentierens auf den Lernfortschritt? Wie können Lehrkräfte das Verständnis naturwissenschaftlicher Prozesse und das Interesse der Schülerinnen und Schüler am Physikunterricht fördern? Diesen Fragen sind Forscherinnen und Forscher der Universität Frankfurt nachgegangen.
Im ersten Schritt entwickelte das Forscherteam mehrere Unterrichtsreihen zum Thema Geometrische Optik. Diese unterschieden sich in der Möglichkeit der Schülerinnen und Schüler, sich am Unterricht zu beteiligen, und in den Anweisungen, die sie zuvor erhalten hatten.
9 EXPERIMENTIEREN IM PHYSIKUNTERRICHT
Folgende Formen des Experimentalunterrichts hat das Forscherteam untersucht: • Demonstrationsexperimente, die von der Lehrkraft vorgeführt wurden und in
denen die Schülerinnen und Schüler nur zuschauen durften, • Experimente, die von den Schülerinnen und Schülern nach genauer Anleitung
durchgeführt wurden, und • Experimente, die von den Schülerinnen und Schülern nach einer vorgegebenen
Fragestellung durchgeführt wurden und dabei viel Freiraum zur Lösungsfindung boten.
An der Studie nahmen 57 Lehrkräfte teil. Sie erhielten zuerst eine Fortbildung zu den Unterrichtsreihen und Experimenten. Der anschließende Experimentalunterricht dauerte sechs Schulstunden. Um zu erfassen, wie sich das Fachwissen und das Interesse am Fach Physik verändern, mussten die Schülerinnen und Schüler Wissenstests absolvieren und Fragebögen beantworten. Die Erhebungen wurden einmal vor und zu zwei Zeitpunkten nach der Unterrichtsreihe durchgeführt. Das Forscherteam befragte auch die Lehrkräfte selbst, um ihre Einstellungen zum Schulfach und Wissenschaftsbereich Physik zu erfahren.
Die Forscherinnen und Forscher fanden heraus, dass die Schülerinnen und Schüler ihr Fachwissen bei allen drei Formen des Experimentalunterrichts deutlich steigern konnten. Je länger die Unterrichtsreihe zurückliegt, desto unterschiedlicher sind allerdings die Wissenszuwächse: Die Schülerinnen und Schüler, die selbstständig experimentiert hatten, zeigten zum spätesten Messzeitpunkt die höchste Wissensleistung. Diejenigen Schülerinnen und Schüler, die das Experiment lediglich von der Lehrkraft vorgeführt bekamen, schnitten am schlechtesten ab. Offensichtlich wirken sich aktive Schülerexperimente positiv auf den langfristigen Wissenserwerb aus. Außerdem tragen sie dazu bei, dass das Interesse am Fach zunimmt. Letzteres trifft vor allem auf Mädchen zu.
Die Ergebnisse unterstreichen, wie wichtig Schülerexperimente im Physikunterricht sind. Die Schülerinnen und Schüler können dadurch ihre Kompetenzen maßgeblich weiterentwickeln und ihr Interesse an naturwissenschaftlichen Themen langfristig steigern.
PROJEKTVERANTWORTLICHE
Prof. Dr. Roger Erb und Prof. Dr. Holger Horz, Goethe-Universität Frankfurt am Main
Einzelvorhaben „Kompetenzmessung und Kompetenzförderung in leistungsheterogenen Lerngruppen im experimentierbasierten Physikunterricht“
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Mit digitalem Schulbuch Geschichte verstehen
Wie nutzen Lehrerinnen und Lehrer elektronische Angebote im Unterricht? Wie erfolgreich ist der Einsatz digitaler Medien? Die Forschung liefert auf diese Fragen bislang keine zufriedenstellenden Antworten, da sie sich in der Regel nur auf Selbstberichte von Lehrkräften oder Schülerinnen und Schülern stützen kann. Neue Erkenntnisse verspricht die Analyse von Daten, die bei der Nutzung digitaler Geräte entstehen.
Um den Einsatz digitaler Medien im Unterricht zu untersuchen, hat ein Forscherteam mit Schulen der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens zusammengearbeitet. An diesen Schulen wird seit dem Schuljahr 2013/14 in der gymnasialen Oberstufe das „mBook Geschichte“ eingesetzt. Das multimediale Schulbuch ist auf den Lehrplan abgestimmt und steht allen Schulen in der Deutschsprachigen Gemeinschaft online zur Verfügung. Die Schülerinnen und Schüler nutzen das mBook auf Tablets, die für alle Klassen angeschafft wurden. Die Forscherinnen und Forscher haben die Daten
11 MIT DIGITALEM SCHULBUCH GESCHICHTE VERSTEHEN
ausgewertet, die bei dieser Nutzung entstehen – zum Beispiel die Lesedauer oder Textmarkierungen –, und überprüfen die Leistungsentwicklung der Lernenden in einer Langzeitstudie.
Die Studie hat ergeben, dass Konzept und Inhalte zwar auf große Zustimmung stoßen. Die meisten Lehrkräfte nutzen das mBook zum Beispiel bei der Unterrichtsvorbereitung und setzen Materialien und Fragestellungen in analoger Form ein. Allerdings ist der Anteil derjenigen, die ihren Unterricht auf digitales Lernen umgestellt haben, auch nach drei bis vier Jahren relativ gering: Nur jede zweite Lehrkraft hat das mBook als zentrales Medium in den Unterricht integriert.
Die Forscherinnen und Forscher haben bei den Schülerinnen und Schülern deutliche Leistungszuwächse im Verlauf der gymnasialen Oberstufe festgestellt. Um diese genauer beschreiben zu können, werden sie weitere Auswertungen vornehmen und versuchen, auch Aspekte der qualitativen und quantitativen Nutzung des mBooks einzubeziehen.
PROJEKTVERANTWORTLICHE
Prof. Dr. Waltraud Schreiber, Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt
Prof. Dr. Ulrich Trautwein, Eberhard Karls Universität Tübingen
Prof. Dr. Ulf Brefeld, Leuphana Universität Lüneburg
Verbundvorhaben „Erklärung der Kompetenzentwicklung im Fach Geschichte mithilfe von Indikatoren zur Quantität und Qualität der Nutzung eines elektronischen Schulbuchs“
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Wie Schülerinnen und Schüler komplexe Aufgaben lösen
Warum fällt es manchen Schülerinnen und Schülern schwer, digitale Texte zu verstehen? Und wie kann man sie dabei unterstützen, komplexe Aufgaben zu lösen? Ein Frankfurter Forscherteam hat zur Beantwortung dieser Fragen Daten aus der PISA-Studie 2012 analysiert und darauf aufbauend ein Rückmeldesystem entwickelt, das Kindern bei der Aufgabenbearbeitung behilflich ist.
Gesellschaftliche Teilhabe setzt heute voraus, dass man digitale Texte versteht und imstande ist, komplexe Aufgaben zu lösen. Viele Schülerinnen und Schüler verfügen hier jedoch nur über grundlegende Fähigkeiten. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben Daten gesammelt, um zu untersuchen, vor welchen Schwierigkeiten Schülerinnen und Schüler beim Lösen komplexer Probleme und beim Lesen digitaler Texte stehen. Mithilfe dieser Daten wollten sie Ansätze zur Förderung dieser Kompetenzen finden.
13 WIE SCHÜLERINNEN UND SCHÜLER KOMPLEXE AUFGABEN LÖSEN
Für ihre Analysen nutzten die Forscherinnen und Forscher Prozessdaten der PISAUntersuchung 2012. Dafür hatten 15jährige Schülerinnen und Schüler aus verschiedenen Ländern Aufgaben zum Lesen digitaler Texte und zum komplexen Problemlösen bearbeitet. Aus den Prozessdaten konnte das Forscherteam jeden Bearbeitungsschritt und die genaue zeitliche Abfolge des Lösungsprozesses nachvollziehen. Zuerst haben die Forscherinnen und Forscher anhand der Daten Erkenntnisse über Schwierigkeiten beim Lösen der PISAAufgaben gewonnen. In einem zweiten Schritt suchten sie nach den Ursachen für die Leistungsunterschiede.
Die Untersuchung ergab, dass Schülerinnen und Schülern die Bearbeitung komplexer Aufgaben vor allem dann schwerfällt, wenn sie die interaktiven Möglichkeiten bei der Bearbeitung der Aufgaben wenig nutzen. Genauso wichtig ist es, wie sie sich die Bearbeitungszeit beim Lösen der Aufgaben einteilen. Auffällig ist, dass sich Jungen und Mädchen in ihrem Bearbeitungsverhalten unterscheiden: Die Forscherinnen und Forscher erklären sich die besseren Leistungen der Jungen damit, dass diese deutlich mehr mit den Aufgaben interagieren.
Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse hat das Forscherteam zwei Prototypen für eine begleitende Leistungsmessung entwickelt und computerbasiert in den Unterricht eingeführt. Die Prototypen geben den Schülerinnen und Schülern unmittelbar Rückmeldung zu ihrem Vorgehen bei der Aufgabenbearbeitung und unterstützen sie im Lösungsprozess. Dadurch erhöht sich schrittweise die Kompetenz der Lernenden.
PROJEKTVERANTWORTLICHE
Prof. Dr. Johannes Naumann, Goethe-Universität Frankfurt am Main
Prof. Dr. Frank Goldhammer, Deutsches Institut für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF)
Prof. Dr. Samuel Greiff, Université du Luxembourg
Verbundvorhaben „Prozessindikatoren: Von der Erklärung des Aufgabenerfolgs zum Formativen Assessment (Profan)“
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Didaktische Gestaltung von Leseunterricht
Lesekompetenz ist die Voraussetzung dafür, um am gesellschaftlichen und kulturellen Leben teilzuhaben. Die Grundlagen dafür werden in der Grundschule geschaffen. Um Kindern das Lesenlernen zu erleichtern, ist es wichtig, sie früh in verwandten Bereichen wie Rechtschreibung und Wortschatz zu fördern.
Im Fokus der Forscherinnen und Forscher standen die lesespezifischen Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern der 4. Jahrgangsstufe. Dabei ging es auch um die Frage, wie Lehrerinnen und Lehrer den Unterricht didaktisch gestalten und wie sich diese Gestaltung auf den Erwerb der Lesekompetenz der Kinder auswirkt.
Insgesamt haben 59 Grundschulklassen mit 743 Schülerinnen und Schülern sowie deren Deutschlehrkräfte an der Untersuchung teilgenommen. Bei der ersten Erhebung machten die Lehrkräfte Angaben über die Kompetenzen ihrer Schülerinnen und Schüler. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler führten computerbasierte Tests durch, um den Wortschatz und die Lesekompetenz der Schülerinnen
15 DIDAKTISCHE GESTALTUNG VON LESEUNTERRICHT
und Schüler zu messen. Anschließend nahmen Lehrkräfte einmal wöchentlich an einer computerbasierten Erfassung ihres Unterrichts teil, bei der sie Angaben zum Methoden und Materialeinsatz machten. Die Lehrkräfte fertigten jeweils für zwei Deutschstunden pro Woche ausführliche Stundenprotokolle an, in denen sie Ablauf und Inhalt der Stunde dokumentierten.
Zum Abschluss testete das Forscherteam die Schülerinnen und Schüler erneut und befragte die Lehrerinnen und Lehrer. Mit diesem Vorgehen können die Forscherinnen und Forscher Kompetenzdaten, die in großen Bildungsvergleichsstudien erhoben werden, mit sehr detaillierten Informationen über den Unterricht über einen längeren Zeitraum in Verbindung bringen. Dadurch sind Aussagen darüber möglich, wie sich die Unterrichtsgestaltung auf den Erwerb von Kompetenzen auswirkt.
Die an der Studie beteiligten Lehrkräfte konzentrieren sich in ihrem Unterricht vor allem auf den Schriftspracherwerb, also auf die Förderung des Leseverstehens und der Rechtschreibung der Schülerinnen und Schüler. Der Umgang mit Medien ist für die Lehrkräfte weniger zentral. Entsprechend selten nutzen sie im Unterricht das Internet oder das Smartboard. In mehr als der Hälfte der Unterrichtsstunden haben die Kinder Aufgaben in Stillarbeit gelöst und die Lehrkräfte neue Inhalte mit den Schülerinnen und Schülern gemeinsam erarbeitet. Auch das PeerLearning – das Lernen durch Impulse Gleichaltriger – ist eine häufig gewählte Methode.
Im Bereich Lesekompetenz hat das Forscherteam herausgefunden: Kindern, die Probleme mit der Schreibweise, Aussprache oder Bedeutung einzelner Wörter haben, fällt es auch schwer, ganze Sätze zu verstehen. Somit kann man Schwächen in der Lesekompetenz auf grundlegende Teilprozesse des Lesens zurückführen, wie zum Beispiel auf Rechtschreibung und Wortschatz. Deshalb ist es besonders wichtig, dass Lehrerinnen und Lehrer diese Teilprozesse bei Kindern und Jugendlichen zielgerichtet fördern.
PROJEKTVERANTWORTLICHE
PD Dr. Sascha Schroeder, Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e. V. (MPG)
Prof. Dr. Dirk Richter und Prof. Dr. Katrin Böhme, Universität Potsdam
Verbundvorhaben „Effekte des Leseunterrichts auf kognitive Teilprozesse des Lesens – Eine computergestützte Untersuchung in der Grundschule“
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Hilfreiches Feedback im Musikunterricht
Eine zentrale Aufgabe von Lehrerinnen und Lehrern besteht darin, die Kompetenzen ihrer Schülerinnen und Schüler zuverlässig zu erfassen. In musischen Fächern ist das besonders schwierig. Neue Möglichkeiten bieten elektronische Rückmeldesysteme, mit denen Lehrkräfte im Fach Musik schnell einen Überblick über den Lernstand der Kinder erhalten, um sie zielgerichtet unterstützen zu können.
Kann man „Leistung“ in einem musischen Fach messen, und welche Rolle spielen digitale Endgeräte dabei? Wie müssen die Ergebnisse aufbereitet werden, damit sie zur Verbesserung des Unterrichts und des individuellen Lernfortschritts beitragen? Können mit einem solchen Rückmeldesystem Defizite von Schülerinnen und Schülern ausgeglichen und Talente gefördert werden?
17 HILFREICHES FEEDBACK IM MUSIKUNTERRICHT
Diesen Fragen widmeten sich Forscherinnen und Forscher der Musikdidaktik und Informatik im Projekt „PosyMus – Potenziale von Feedbacksystemen im Musikunterricht“. Sie entwickelten einen digitalen musikalischen Test und ein elektronisches Rückmeldesystem zur Visualisierung der Ergebnisse. Um diesen Test in den Schulalltag integrieren zu können, müssen die Ergebnisse übersichtlich und informativ dargestellt werden.
Der Test wurde mit etwa 220 Schülerinnen und Schülern der Sekundarstufe I durchgeführt. Die Forscherinnen und Forscher haben dafür Aufgaben genutzt, bei denen die Lernenden zum Beispiel Musikinstrumente auf einer Tonaufnahme identifizieren mussten. Bei praktischen Aufgaben sollten die Schülerinnen und Schüler Melodien oder Rhythmen nachspielen.
Mithilfe des Rückmeldesystems stellte das Forscherteam den Lehrkräften die Testergebnisse zur Verfügung. Bei der Entwicklung dieses Tools wurden die Erfahrungen und Anmerkungen der Lehrkräfte berücksichtigt, um den Einsatz möglichst verständlich und einfach zu gestalten. Parallel haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Interviews mit den Lehrkräften geführt, um zu ermitteln, welche Erfahrungen sie mit Tests, Rückmeldungen und digitalen Medien gesammelt haben und wie ihre Einstellung dazu ist.
Das Forscherteam hat herausgefunden, dass es möglich ist, Leistungstests im Fach Musik einzuführen, sofern die Schulen über entsprechende Geräte verfügen. Die positiven Rückmeldungen der Lehrkräfte zeigen, dass ein Test und Feedbacksystem im Musikunterricht sie bei ihrer Arbeit unterstützen kann. Als besonders hilfreich empfinden Lehrkräfte das Feedback zu den musikpraktischen Aufgaben. Indem sie sich die Ergebnisse des Musiknachspielens wiederholt anhören, können sie die rhythmischen und melodischen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler besser beurteilen.
Insgesamt hilft das Projekt, die Schnittstelle zwischen Testergebnissen und Lehrerhandeln zu schließen. Durch das Rückmeldesystem können Lehrkräfte die Testergebnisse nutzen, um im Unterricht je nach Leistungsstand der Schülerinnen und Schüler gezielt auf den jeweiligen Förderbedarf einzugehen.
PROJEKTVERANTWORTLICHE
Prof. Dr. Andreas Lehmann-Wermser, Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover
Prof. Dr. Andreas Breiter, Institut für Informationsmanagement Bremen GmbH
Verbundvorhaben „Potenziale von Feedbacksystemen im Musikunterricht (PosyMus)“
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Einfachere Fragebögen für bessere Forschungsergebnisse
Zur Erforschung des Unterrichts setzen Forscherinnen und Forscher oft Schülerbefragungen ein. Die Art, wie die Fragen formuliert sind, hat allerdings großen Einfluss auf das Forschungsergebnis. Sprachliche Merkmale wie die Satzlänge oder die Verwendung abstrakter Begriffe können das inhaltliche Verständnis erheblich erschweren und die Antworten beeinflussen.
Schülerbefragungen sind für die Unterrichtsforschung eine wichtige Datenquelle. Je nach Forschungsfrage liefern sie wichtige Informationen über Leistungsanforderungen, Motivation, die Klassenführung der Lehrkraft und andere Bereiche der Unterrichtsqualität. Befragungen ermöglichen einen relativ einfachen Zugang zu Unterrichtsmerkmalen, die für Forscherinnen und Forscher sonst schwer zu messen sind. Allerdings ist der Einsatz von Fragebögen nicht unproblematisch. Schwer verständliche Formulierungen führen dazu, dass Schülerinnen und Schüler Fragen unterschiedlich verstehen und demnach inkonsistent beantworten.
19 EINFACHERE FRAGEBÖGEN FÜR BESSERE FORSCHUNGSERGEBNISSE
Forscherinnen und Forscher aus Tübingen haben dieses Problem mit dem Projekt „Sprachliche Komplexitätsmerkmale von Fragebogenitems“ untersucht. In einem ersten Schritt haben sie sich mehrere Studien vorgenommen und das Sprachniveau der Fragen untersucht. Anschließend haben sie überprüft, ob eine Änderung sprachlicher Merkmale zu abweichenden Beurteilungen des Unterrichts durch die Schülerinnen und Schüler führt.
Die Ergebnisse zeigen, dass sich die in Forschung und Unterrichtspraxis eingesetzten Fragen in einer Vielzahl von Sprachmerkmalen unterscheiden, zum Beispiel in der Wort und Satzlänge, der Anzahl der Nebensätze oder im Gebrauch von Passivkonstruktionen. Diese Sprachmerkmale hängen gleichzeitig mit der Güte der Schülerbeurteilungen des Unterrichts zusammen. Wo komplexe Fragebogenelemente verwendet werden, fallen die Antworten innerhalb einer Klasse zum Beispiel unterschiedlicher aus als bei Fragen, die eindeutig formuliert sind. Für jüngere Altersstufen fand sich insgesamt eine geringe Güte der Unterrichtsbeurteilungen. Das Projektteam führt dies auf die niedrigere Lesekompetenz und andere entwicklungsbedingte Faktoren zurück.
Der Nutzwert von Schülerbeurteilungen des Unterrichts in Forschung und Praxis kann also gesteigert werden: Wenn Forschende stärker auf sprachliche Merkmale achten und schwierige Begriffe und Satzkonstruktionen vermeiden, erhöhen sie die Qualität der Forschungsergebnisse.
PROJEKTVERANTWORTLICHE
Dr. Richard Göllner, Eberhard Karls Universität Tübingen
Einzelvorhaben „Sprachliche Komplexitätsmerkmale von Fragebogenitems: Bedeutung für die psychometrische Qualität von Unterrichtsbeurteilungen aus Schülersicht und die Vorhersage des Lernerfolgs in Large-Scale-Assessments“
Impressum
HerausgeberBundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)Referat Leistungsfähigkeit des Bildungs- wesens im internationalen Vergleich11055 Berlin
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StandSeptember 2018
Text BMBF
Gestaltung und Redaktion W. Bertelsmann Verlag, Bielefeld, Christiane Zay
DruckBMBF
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Diese Publikation wird als Fachinformation des Bundesministeriums für Bildung und Forschung kostenlos herausgegeben. Sie ist nicht zum Verkauf bestimmt und darf nicht zur Wahlwerbung politischer Parteien oder Gruppen eingesetzt werden.
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www.bmbf.de