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81 Mittheilung aus dem Universitatslaboratorium zu Lund. Orgiinische Polysulfide ; voii Uror Holniberg. (Eingelsufen am 27. November 1907.) .- Wahrend organische Sulfhydrate, Sulfide und Disulfide leicht darzustellen sind und daher auch seit Langem vielfach untersucht worden sind, ist unsere Kenntniss der hoheren Poly- sulfide noch sehr gering. Es fehlt freilich in der Literatur nicht an Angaben sowohl tiber Darstellungsmethoden , wie auch iiber Eigenschaften einzelner Tri- und Tetrasulfide, aber diese Angaben sind sehr knapp und nicht selten scheinen sie auch unzuverlassig zu sein. Ich habe daher den Gegenstand einer neuen Bearbeitung unterworfen und es ist mir auch ge- lungen, die betreKenden Reactionen mit unserer gegenwiirtigen Kenntniss von Alltalipolysulfiden und Schwefelchloriden in Ueber- einstimmung zu bringen, sowie auch eine Methode zur Dar- stellung der friiher sehr schwer zuganglichen Trisulfide aufzu- tinden. In sehr hohem Grade wird die Untersuchung der Al- kylpolysulfide dadurch erschwert , dass dicse im Allgemeinea nicht krystallisircn und aucli bei massigem Vacuum nicht fltichtig sind. Da weiter die Eigenschaften sich ziemlich unbedeutend mit dem Schwefelgehalt andern, so ist die Darstellung reiner Substanzen oft sehr miihsam und mit grossem Verlust an Ma- terial yerbunden. Im Uebrigen macht auch der iible Gerucll Aanalen der Cliemie 360 Rd. c,

Organische Polysulfide

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Page 1: Organische Polysulfide

81

Mittheilung aus dem Universitatslaboratorium zu Lund.

Orgiinische Polysulfide ; voii Uror Holniberg.

(Eingelsufen am 27. November 1907.)

.-

Wahrend organische Sulfhydrate, Sulfide und Disulfide leicht darzustellen sind und daher auch seit Langem vielfach untersucht worden sind, ist unsere Kenntniss der hoheren Poly- sulfide noch sehr gering. Es fehlt freilich in der Literatur nicht an Angaben sowohl tiber Darstellungsmethoden , wie auch iiber Eigenschaften einzelner Tri- und Tetrasulfide, aber diese Angaben sind sehr knapp und nicht selten scheinen sie auch unzuverlassig zu sein. Ich habe daher den Gegenstand einer neuen Bearbeitung unterworfen und es ist mir auch ge- lungen, die betreKenden Reactionen mit unserer gegenwiirtigen Kenntniss von Alltalipolysulfiden und Schwefelchloriden in Ueber- einstimmung zu bringen, sowie auch eine Methode zur Dar- stellung der friiher sehr schwer zuganglichen Trisulfide aufzu- tinden. In sehr hohem Grade wird die Untersuchung der Al- kylpolysulfide dadurch erschwert , dass dicse im Allgemeinea nicht krystallisircn und aucli bei massigem Vacuum nicht fltichtig sind. Da weiter die Eigenschaften sich ziemlich unbedeutend mit dem Schwefelgehalt andern, so ist die Darstellung reiner Substanzen oft sehr miihsam und mit grossem Verlust an Ma- terial yerbunden. Im Uebrigen macht auch der iible Gerucll

Aanalen der Cliemie 360 Rd. c,

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82 Ho 1 m b erg , Oqanische Po'olysulfidc.

der meijtcn hierlier gehorigen Stoffc die Arbeit sehr un- angenehm.

1. Eilzwirkung von Schwefel auf Alkalimercaptide.

Da Alkalisulfide sehr leicht Schwefel addiren unter Bil- dung von Polysulfideu, so liegt der Gedanke nahe, dass es auch moglich sein konnte, durch Addition dieses Elementes an Alkalimercaptide Salze der allgemeinen Formel RS,Me darzu- stellen. Wie aus den folgenden Versuchen ersichtlich, ist dies aicht einmal bei gewohnlicher Temperatur der Fall, sondern der Schwefel wirkt dabei oxydirend, so dass Alkalisulfid oder -polysulfid und Alkyldisulfid neben -polysulfid gebildet werden. Dass dies bei looo der Fall ist, hat frtlher B o t t g e r l ) bei Natriumathylmercaptid gezeigt und MU1 l e r *) erhielt at16 Ae- thylrnercaptan und Schwefel bei 1500 Aethyldisulfid und Schwefel- wasserstoff, was j a eigentlich auf dasselbe hinauskommt.

Versuche mit Aethylmercaptan. 10 g Mercaptan wurden in einer Losung von 10 g Kaliumhydroxyd in 50 g Wasser gelost und dann mit 5,2 g Schwefel geschuttelt (ein Atom Schwefel auf ein Xol. Mercaptan). Der Schwefel ging sehr leicht in Losung unter sehr schwacher Wiirmeentwickelung und gleich- zeitiger Abscheidung eines farblosen Oeles. Dieses wurde ab- geschieden, getrocknet und destillirt, wobei es zum grossten Theile bei dem Siedepunkte des Aethyldisulfides, 150-1 540, iiberging. Ein kleiner Rest von nicht unzersetzt destillirbaren, holieren Sulfiden hlieb jedoch zurtick. Die wlssrige Losung enthielt Kaliumsulfid und -polysulfide, denn sie war gelbroth gefarbt uud fiihrte beim Ansauern zu Schwefelwasserstoffent- wickelnng und Abscheidung yon Schwefel. Statt mit freiem Schwefel kann man das Mercaptid auch mit Alkalipolysulfiden oxydiren. Dies gelingt bei diesem Mercaptan schon mit Ka- lium,,disulfid", das heisst mit einer Losung, die auf ein Mol. -. __ - - ..

') Diese Annalen 225, 348. Joum. f. prakt. Chem. 121 4, 39.

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H o l m b e r g , Organische Yolgsulfide. 83

Kaliurnsulfid ein Atom Schwefel gelost enthalt. Man muss doch etwas mehr als ein Mol. K2S23) auf zwei Mol. C,H,SK nehmen, urn alles Mercaptid zu oxydiren, mas sich aus der gleichzeitigen Bildung von etwas Aethylpolysulfid erklart.

Ganz analog diesem Mercaptan verhalt sich Hercapto- essigsuure (Thioglycolsaure) in alkalischer Losung.

Anders verhalt sich das Phenylmercuptun. Mol. =

11 g wurden mit 5,s g Kaliumhydroxyd und etwa 50 g Wasser in Losung gebracht und dann mit 'Ilo Atom = 3,2 g Schwefel geschtittelt. Der Schwefel giug langsam in Losung und zu gleicher Zeit wurde ein anderer, fester Stoff abgeschieden, wahrend die Losung sich intensiv rothbraun farbte. Die aus- geschiedene Substanz wurde aus Alkohol umkrystallisirt und dann durch den Schmelzp. 6 l , O o a19 Pltenyldisulfid identificirt. Die Menge desselben betrug nur 5 g, fast genau die Halfte der theoretischen Ausbeute. Der in Losung gegangene Schwefel ist sornit hinreichend zur Bildung von Kahmtetrasulfid. In Uebereinstimmung hiermit gaben Phenylmercaptidlosungen keine Ausscheidung von Disulfid weder bei Zusatz YOU Kalium,,di- su1fid"- noch von -,,trisulfid"losungen. Erst bei Verwendung von Tetrasulfid trat Oxydation ein, aber die Einwirkung war lange nicht vollstandig. Es geht hieraus hervor, dass nur Alkali- polysulfide mit ftinf oder mehr Atomen Schwefel das Phenyl- mercaptid oxydiren konnen.

2. Ailda'ton von Schwefel an organisclie Sulfide.

%-em es also nicht moglich ist, Schwefel an Mercaptide zu addiren, ist dies vielleicht bei organischen Sulfiden oder Polysulfiden moglich. Wie Yersuche von Mtiller*), K l a s o n 6,

und B o t t g t! r 6, zeigen, werden sowohl Aethylsulfid als Aethyldi-

3, &lit dieser Pormel will icli keiueswegs sageu, dass die Losung wirklich dieses Salz enthalt.

') Journ. f. prakt. Chem. [2] 4, 40. 6, Journ. f. prakt. Chem. [2] 13, 216. ") Diese Annalen 229, 349.

-

6*

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84 H o l m b e r g , Orgatzisclte Polysulfide.

und 4etrasulfid bei hinreichend laiigem Erhitzen auf 1500 bis 180° mit Schwefel von dieseni angegriffeu unter Bildung YOU

Gemischen von hoheren Polysulfiden, aus denen es ihnen docb ltaum gelungen ist, mit Sicherheit mehr als das Disulfid rein zu isoliren.

Wahrend des Gauges meiuer Untersuchung bin ich auf eiiie sehr eigentliiimliche Reaction gestossen, namlich die Ad- dition von Schwefel an Disulfid bei gleichzeitiger Anwesenheit vou trocknem Ammoniak. 1 ci g Aethylclisulfid wurden in 50 ccm absolutem Alkohol gelost, 4,2 g Schwefel zugefugt und dann Ammoniak bis zur Shttigung eingeleitet. Die Losung wurde dann bei gewohnlicher Teinperatur zeitweilig umgeschtittelt, bis der Schwefel nach einer Woche in Lijsung gegangen war. Die jetzt schwach gelblich gefarbte Fliissigkeit wurde in eine otl'ene Schale gegossen, und sls das Ammoniak und die grosste Menge des Alkohols abgedunstet war, blieb ein gelbes, iibel- riechendes Oel zuriick, das nach Waschen mit Wasser und Trocknen rnit geschmolzeuem Chlorcalcium unter 15 mm Druck destillirt wurde. Dabei wurde erst eiue Portion unangegriffenes Disulfid erhalten, dann aber stieg die Temperatur allmahlicb von GOo bis auf 900 und bei diescr Tcmperatur begann die ruckstiiudige Flussigkeit sich zu zersetzen, wabrend ein gelbes Oel iiberdestillirte und die Temperatur immer stieg, bis schliesslich bei 1 P 5 O der Versuch abgebrochen wurde. Etwa ein Drittel der urspriinglichen Menge war noch in dem Kolbeu zuriickgeblieben. Soweit diese Beobachtungen ein Urtheil er- lauben , addirt Aethyldisulfid bei gewiihnlicher Temperatur nur iiusserst langsam Schwefel unter Bildung von Polysulfid, wahr- scheinlich Tetrasulfid, aber diese Reaction wird durch Ammoniak in hohem Grade katalytisch beschleunigt.

Ein ganz anderes Verhalteri zeigt dagegen Disulfidessig- suureester (Dithioglycolsaureester). Wird dieser in absolutem Alkohol gelost, Schwefel zugefiigt und Ammoniak eingeleitet, so lost sich der Schwefel sehr leicht auf, aber die Losung wird stark braunroth gefarbt, und beim Wegschaffen des Ani-

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Ho Zmberg, Otyn i sc l re Polysul/ide. 85

moniaks entweder durch Evacuireii oder durch Verduiisten aii

dcr Luft scheidet sich aller Schwefel krystalliniscli wieder aus! wahrend der Ester regenerirt wird. Versuclit man, das Keac- tionsproduct z. B. rnit Aether auszufalleii, so erhalt mail eiii braunschwarzes Oel, das sich sogleich zersetzt. Das Animoniak geht weg, der Ester sirtl YOU dem Aether geliist und dei Schwefel scheidet sich in fester Form aus. Welclie Verhin- dungen sich hierhei bilden, ist somit nicht auf gewiihnlicheiii praparativen Wege z u entscheidcu. Noglicherweise konnen Gleichgewichtshestimmungen zum Ziele fiihren, a e n n dies auch kaum zu hoffen ist, denn abgesehen von der Miiglichkeit einer Amidbildung wird der Reactionsverlanf auch dadurch complicirt, dass man bis zu fiinf Atornc Schwefel auf cin Mol. Ester losen liann. Eine Losung von Disulfidessigsaure in coucentrirtem wassrigen Ammoniak liistc dagegen nur wenig Schwefel auf, der auch hier beirn Verdunsten des Ammonialis ausgeschieden wurde. Wurde bei den obigen Yersuchen mit Disulfidessigsaureester Anilin statt Arnmoniak verivendet, so trat iiberhaupt keine Reaction mit Schwefel ein.

3. Einwirkung von Haloi'dathem auf Alkalipolysulfide.

Aus der Untersuchung voii K i i s t e r und I I e h e r l e i n ? ) geht hervor, dass man in einer Lbsung yon Schwefel in Alkali- sulfidlosung complicirte Gleichgewichte zwischen den verschiedenen Polysulfiden hat, unter denen das Tetrasulfid in iiberwiegender Menge anwesend z u sein scheint. IIiergegen sclieint die Angabe von S p r i n g und D e m a r t e a u 8 ) , dass Aethylbroniid und Ka- lium,,disulfid" nur Aethyldisulfid geben, zu streiten ". Wie

') Zeitsclir. f. anorg. Cliem. 43, 53. *) Bnll. SOC. chim. [3] I, 314. O) Ich selie hier ganz voii einigen iiltcren Angabeii ab, nacli denen

man dnrcli Destillation von Halo'iditliern oder Ltlierschwefelsauren Salzen mit Alkalipolysiilfideii die entsprechenden Alkylpolysul- fide darstellen kann.

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86 Holmberg , Organisehe Polysulfide.

mehrere Versuche zeigten, ist es zwar richtig, dass hierbei das Disulfid in reichlicher Menge gebildet wird, aber man erhalt da- bei immer sowohl Monosulfid als auch Tetrasulfid und vielleicht auch hohere Sulfide, nicht aber Trisulfid. So erhielt ich z. B. aus RIol. = 55 g Aethylbromid beim Schtitteln mit einer L6sung von 15 g Kaliurnhydroxyd + 100 g Wasser + Schwefel- wasserstoff bis zur Sattigung + 15 g Kaliumhydroxyd + 8 g Schwefel ein beinahe farbloses Oel, das unter gcwohnlichern Drucke destillirt 6 g Aethylsulfid gab. Der Ruckstand wurde unter 25 mm Druck destillirt. Bei 62-64O erhielt ich 12 g reines Disulfid; dann stieg die Temperatur langsam bis circa 9j0, wobei Zersetzuug einzutreten begann. Zwischen 65O und 9j0 destillirten nur 4 g und der nicht unzersetzt destillirbare Rest war betrachtlich, etwa 5 g. Dass Aethyldisulfid gebildet wird, beweist noch keineswegs, dass die Losung Kaliumdisulfid enthalten hat , denn aus Aethylbromid und dem anwesenden Kaliummonosulfid wird man am ersten C,H,SK erhalten. Diese Verbindung kann sich dann mit einem neuen Molekiil Aethyl- bromid umsetzeii und es wird so Aethylsulfid gebildet, oder sie kanu durch den uberschtissigen Schwefel der Kaliumpolysnlfide z u Aethyldisulfid oxydirt werden. Und aus Aethylbromid und Kaliumpolysulfid muss erst die Verbindung C,H,S,K entstehen, die naturlich nach den obigen Versuchen mit Schwefel und Mercaptiden nicht existenzfahig ist, sondern in Aethyldisulfid und Kaliumpolysulfid zerfallt. Es kommt d a m auf die Reac- tionsgeschwindigkeit an, welche von diesen Producten entstehen werden. Geht der Zerfall des Salzes C,H,S,K schneller Tor sich, als die Reaction zwischen diesen und einem neuen Mole- kul Aethylbromid, so wird naturlich das Disulfid in uberwiegen- der Menge gebildet werden. Hiermit steht es j a in guter Uebereinstimmung, dass man auch bei Umsetzungen zwischen Haloidathern und Alkalipolysulfidlosungen, die einen griissbren Gehalt an Schwefel als zur Bildung von ,,Disulfid" haben, p m e r etwas Alkyldisulfid erhalt.

Daraus erkliirt es sich aucb, dass man nacb der Methode

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Holmb e r g , Organische Polysulfide. 87

von F r i e d l a n d e r lo) Mercaptoessigsaure in guter Ausbeute durch Reduction von Disulfidessigsaure, die man durch Umsatz zwischen monochloressigsaurem Salz und Albali,,disulfid" erhalt, darstellen kann. Hier kommt noch der Urnstand hinzu, dass die Salze der Tetrasulfidessigsaure, wie weiter unten erwkhnt wird, auch nicht bestandig sind, sondern schnell in Salze der Disulfidessigsaure und Schwefel zerfallen. Der freigemachce Schwefel lagert sich natiirlich an unverbrauchtes Kaliumsulfid an, oder e r oxydirt in der Losung die primar gebildeten Mole- kiile KOCOCH,SK , wobei auch Disulfidessigsaure entsteht. Es ist also wohl verstgndlich, dass man hier praktisch nur Disulfid- essigslure erhalt und es ist nicht moglich, aus diesen Reactionen Schlusse iiber die ,,Constitution" der Polysulfide au aiehen.

4 . Einwirkung Zion Schwefelchloriden auf Mercaplane.

Wie K l a s o n 11) zuerst zeigte, reagirt Aetbylmercaptan und Schwefelchlorur, S,Cl,, unter Bildung von Chlorwasserstoff und Aethyltetrachlorid. Spzter sind niehrere organischo Tetra- sulfide in dieser Weiso dargestellt worden, z. B. von OttoI2) , T r o e g e r und H o r n u n g 1 3 ) und Anderen. Nacli derselben Methodo habe auch ich, wie unten n lher ausgefuhrt wird, eine Tetrasulfidcssigsaure erhalten.

Durch Reactionen mit Schwefeldichlorid sind znhlreiche Verbindungen dargestellt worden, deren Zusammensetzung auf die Formel SCI, fur das Chlorid hinweisen. Besonders haben T r o e g e r und H o r n u n g 1 3 ) durch Umsatz mit sulfinsauren und thiosulfosauren Salzen und mit Mercaptanen rnehrere neue Poly- sulfide erhalten konnen. Aus der Untersuchung IOU Aten'") geht indessen hervor, dass eine Flbssigkeit, die die Zusammensetzung

_. .

lo) Ber. d. deutsch. rhem. ties. 39, 1066. '') Journ. f. prakt. Chem. [2] 1.7, 214. le) Journ. f. prakt. Chem. [2] 31, 211.

") Zeitschr. E physik. Chem. S4, 55. Journ. f. prakt. Chem. [2] 60, 113-140.

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88 H o l m b e r g , Organische Polysulfide.

SCl, hat, auch bei niedrigen Temperaturen dissociirt ist, so dass man ltaum einheitliche Producte erwarten kann. Ich unter- suchte daher einige Reactionen zwischen Schwefel,,dichlorid" und Mercaptanen und gelangte thatsachlich nur zu Gemischen von mehreren Sulfiden , besonders Di- und Tetrasulfiden, was ja mit der Dissociation des Schwefeldichlorides in Chlor und Schwefelchloriir iibereinstimmt.

In einer Losung von 5,4 g S,Cl, in 15 g Aether wurden unter Kuhlung mit Kochsalz uud Eis 2,8 g Chlor eingeleitet. Zu dieser Losung liess ich d a m 10 g mit 20 g Aether ver- diinntes Aethplmercaptan unter guter Kiihlung langsam zu- trbpfeln. Es war hierbei kaum eine Reaction wahrzunehmen, aber als der Kolben aus der Kaltemischung herausgenomrnen wurde, trat Umsetzung mit grosser Heftigkeit ein. Der Aether wurde dann vollstlndig abdestillirt und der Ruckstand unter 18 mm Druck rectificirt. Es wurde dabei erst eine Portion Disulfid erhalten, dann stieg die Temperatur bis zu etwa 93O, wobei Zersetzung begann. Aethyltrisulfid konnte also itber- baupt nicht aufgefunden werden, denn sein Siedepunkt wiirde unter diesem Drucke bei 87-88O liegen.

In ganz derselben Weisc verlief die Reaction mit Mer- captoessigsaure. 46 g (= Mol.) wurden in etwas Aether ge- lost und dann allmahlich zu einer Losung yon 17 g S,CI, und 9 g C1, in etwas Aether unter guter Kiihlung langsam zuge- tropfelt. Vor dem Versuche hatte die Schwefeldichloridlosung drei Stundcn latig in einer Iillternischung gestanden, da die Bildung yon Dichlorid aus S,Cl, und C1, nach A t e n nicht mornentan verlauft. Als die Mercaptoessigsaurc zugefugt wor- den war und die Chlorwasserstoffentwickelung Tollstandig 'auf- gehort hatte, wurde der Aether abgedunstet, aobei ein schwach gelblich gefarbtes Oel zuriickblieb. Das Oel krystallisirte all- mahlich und der abgeschiedene feste Stoff wurde bisweilen ab- gesaugt. Die crsten in dicser Weise erhaltcnen Fractioneii bestanden aus reiiier Tetrasulfidessigsaure. Schmelzpunkt nach Umkrystallisiren 11 1-1 1 2 O .

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Holmberg , Organische Polysulfide. 89

0,2195 g verbrauchteu zum Neutralisireu 18,22 ccm 0,0979 n-Ba(OH),.

Dereclinet Gefunden Aeqgew. 123!1 123'1

Der langere Zeit fliissig bleibende Antheil, der in Wasser teicht loslich war, bestaiid weuigstens zum grossten Theile aus Disulfidessigslure. Icli habe es nicht der MUhe werth ange- sehen, zu versucheii , hieraus Trisulfidessigsaure zu isolireii. Jedenfalls ist diese Saure n u r in sehr uutergeordueter Menge bei dieser Reaction entstanden.

Es geht aus diesen Versuchen lierror, dass die Yon T r o e g e r und H o r n un g als Trisulfide beschriebenen Yerbindungen nur als solche anzusehen sind, wenn sie in wohldefinirten Krystallen erhalten werden konnten. Wenn aber undestillirte Oele ana- lysirt wurden, so ist die Uebereinstimmung zwischen berech- neten und gefundenen Zahlen kein Kriterium fur die Reinheit, denn ein Gemisch aus aquimolekularen Mengen Di- und Tetra- sulfid wird ja dieselbe elementare Zusammensetzung haben, wie reines Trisulfid.

5. Einwirkung uon Thionylchlorid auf Mercaptane.

Dnrch Umsatz von Thionylchlorid mit Natrinmatbylmer- captid konnte P r i n z 15) nur Aethyldisulfid neben kohligen Zersetzungsproducten erhalten. Verwendet man aber das freie Mercaptan und sorgt durch Verdiinnung der Losungen und durch Abkiihlung dafiir, dass die Reaction nicht zu heftig ver- lauft, so ist es leicht, aus diesen Substanzeu wohldefinirte Producte zu erhalten. Die Reaction verlauft dabei anscheinend quantitativ nach der Gleichung :

4RSH f SOCI, = &S, f R,S, f H,O + 2HCl.

Eine Thionylverbindung dabei zu fassen ist nicht moglich, sondern man erhalt immer Di- und Trisulfid, gleichgtiltig ob man das Mercaptan zum Thionylchlorid hinzuftigt oder umge-

*') Diese Annalen 923, 375.

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90 Holm b e r g , Organische Polysulfide.

kehrt und ob man zwei oder vier Mol. Mercaptan auf ein Mol. Thionylchlorid nimmt.

Bei einem Versuche mit Aethylmercaptan wurden 20 g C,LI,SH in etwa 50 ccm Aether geliist und in kleinen Por- tionen zu einer Losung von 19 g Thionylchlorid in der gleichen Menge Aether hinzugesetzt. Die Reaction trat so-

gleich ein und ging ruhig vor sich, so dass Kuhlung nicht nothwendig war. Wenn die Gasentwickelung aufgehort hatte, wurde der Aether auf dem Wasserbade abdestillirt und der Riickstand unter vermindertem Drucke rectificirt. Unter 25 mm Druck ging etwa ein Drittel vor 7O0 tiber. Diese Fraction wurde dann unter gewohnlichem Drucke rectificirt, wobei etwa die Halfte bei dem Siedepunkte des Aethyldisulfids, 150-1 52O, destillirte. Der schwerfluchtigere Ruckstand wurde mit demselben Antheile nach der Destillation unter 25 mm Druck vereinigt und dann alles unter 15 mm Druck wieder destillirt. Die Temperatur stieg langsam und continuirlich bis zu 84O, wfihrend 12 g Fliissigkeit iiberdestillirten, die natiirlich ans einem Gemisch von Di- und Trisulfid bestand. Danach wurde endlich eine kleine Fraction, kaum mehr als 3 g, VOD

constantem Siedep. 84--8.i0, erhalten, die aus reinem Aethyl- lrisulfid bestand. Dieses Sulfid ist cin sehr schwach gelblich gefarbtes Oel von snlfidartigem Geruche und starkem Licht- brechungsvermogen.

0,2346 g gaben 0,2650 CO, und 0,1366 H,O. 0,0847 g 0,3833 BaSO, (Verbrennung nach K l s s o n ) .

Berechnet fur Gefunden ( C , H M ,

C 31,12 30,81 H 6,53 6,47 S 62,35 62J4

Der fliickstand im Destillirkolbeu war sehr unbedeutend, woraus ich schliesse, dass die Reaction nur in der oben ange- gebenen Richtung verlaufen ist. Ob man sich hier die Re- duction der Thionylgruppe oder die condensation unter Chlor-

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Hol rn b erg, Organische Polysulfide. !I h

wasserstoffabspaltung als erste Phase zu denken hat, lasse ich unentschieden. Da es in keiner Weise gelingt, ein Zwischen- product zu isoliren, wie man auch den Versuch variirt, anderer- seits aber immer alles Mercaptan verbraucht wird, auch wenn man nur ein Mol. Thionylchlorid auf vier Mol. Merceptan nimmt, so muss jedenfalls die zweite Phase mit sehr grosser Geschwindigkeit vor sich gehen, weit schneller als die erste und auch schneller als die Reaction zwischen Thionylchlorid uud Wasser.

Wie unten erwahnt wird, reagirt auch Mercaptoessigsgure in derselbcn Weise mit Thionylchlorid, so dass es mir dadurch gelungen ist, eino Trisulfidessigsaure darzustellen.

6. Einwirkung von Sulfurylchlorid auf Mercaptane.

Wie C o u r a n t und R i c h t e r 16) gezeigt haben, wirkt d a s Sulfurylchlorid hierbei oxydirend, so dass organisches Disulfid, Chlorwasserstoff und Schwefeldioryd entstehen. Wie sie eucb bemerken, hat man hier eine gute Methode zur Darstellung von Disulfiden. Meinerseits habe ich sie zur Darstellung von Aethyldisulfid, Aethylendisulfid und Disulfidessigsaure aus den entsprechenden Mercaptanen verwendet und immer gute Resul- tate erhalten. Am zweckmassigsten verdtinnt man sowohl das Mercaptan als auch das Sulfurylchlorid mit Aether, urn die Heftigkeit der Reaction zu massigen.

7 . Andere MethodeB aur Dalatellueg VOB Polysulfiden.

Neben den bis jetzt aufgezahlten Reactionen giebt es auch einige andere, die in einzelnen Fallen verwendet worden sind. So geben z. B. N i i l l e r I 7 ) und Klason18) an , dass s ie Aethyltrisulfid durch Destilliren eines Gemisches hoherer Poly-

la) Ber. d. deutsch. cliem. Ges. IS, 31’78. 17) Journ. f. prakt. Chem. [2] 4, 40. **) Journ. f. prakt. Chem. [2] 15, 214.

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92 Ho l m b e r g , Organisdie Polysulfide.

sulfide mit Wasserdampfen erhalten haben, und K l a s o n 19) er- hielt Methyltrisulfid in lhnlicher Weise aus Metbyltetrasulfid. - Durch Reduction yon Pyrotraubensaure niit Schwefelwasserstoff erhielt L o v 6n Trisulfid-n-propionsaure (Trithiodilactylsaure), und durch Einwirkung desselben Reagens auf einige aroma- tischen Sulfinsauren unter geeigneten Bedingungen konnten 0 t t o und M i l c h 2 ' ) Tetrasulfide darstellen.

8. Ueber Trisulfidessigsuure.

Wie schon oben erwahnt entsteht diese Saure neben Di- sulfidessigsaure durch Umsatz zwischen Thionylchlorid und Mercaptoessigsaure. Es ist dabei gleichgiiltig, ob man das Thionylchlorid zu der Saure setzt oder umgekehrt. Die Reaction verlauft sehr lebhaft und es wird dabei die ganze Mercapto- essigsaure verbraucht, auch wenn man die Reagentien im Mole- kiilverhaltniss 1 : 4 nimmt. Da es aber sehr schwierig ist, die Di- und Trisulfidsauren von einander zu trennen, so ist es auch ziemlicb miihsam, griissere Quantitaten der Trisulfidessig- saure in reiner Form darzustellen. Das beste Resultat erhielt ich einmal in folgender Weise : 37 g Mercaptoessigsaure wurden in 100 ccm Aether gelost und langsam mit einer Losung vou 24 g Thionylchlorid in 50 ccm Aether versetzt. Jede Portion Thionylchloridlosung rief eine heftige Chlorwasserstoffentwicke- lung hervor und es trat aucb cine Temperaturerhohung ein, die jedoch kaum bis zum Siedepunkte des Aethers stieg. Wenn d ie Reaction beendet war, wurde der Aether im Vacuum ab- gedunstet. Sobald eine feste Substanz auszukrystallisiren be- gann, wurde mit dem Evacuiren aufgehort, und als keine Krystalle sich mehr absetzten, wurde die ausgeschiedene Menge abgesaugt. Da die Trisulfidessigsaure in Aether etwas schwerer Ioslich ist als die Disulfidslure, enthielt die so erhaltene Frac-

. . ~..

'3 Ber. d. deutsch. chem. Ges. 20, 3414. ") Journ. E prakt. Chem. [ Z ] 47, 173. *I) Joiwn. f. prakt. Cheni. [2] 37, 207.

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H o l m b e r g , Organisclte Polysulfide. 93

tion hauptsachlich jene Saure. Um sie rein zu erhalten, wurde sie zweimal aus dem doppelten Gewicht Wasser umkrystallisirt. Die atherische Mutterlauge lieferte bei weiterem Verdunsteu ein Gemisch von Di- uud Trisulfidessigsauren ; es ist aber nicht lohnend, hieraus eine reine Saure z u isoliren zu versuchen, sondern cs empfiehlt sich, das ganze Gemisch niit Zinlc uud Schwefel- saure z u reduciren und so Mercaptoessigsaure daraus zu regene- riren. Die gauze Ausbeute an reiner Trisulfidessigsaure war daher nur etwa 4 g. E s scheint ubrigens, dass die Reinheit des Tliionylchlorides yon Bedeutung fur die Ausbeute ist, denn j e ofter die E’lasche mit dcm Vorratli geoffnet worden war, um so schwieriger wurde es, reine Trisulfidessigsaure zu erhalten.

Um moglicherweise durch Verweudung von einer das Reac- tionsproduct nicht losenden Flussigkeit eine Thionylverbl’ndung isoliren zu konnen, versuchte ich, Mercaptoessigsaure in Koblen- stofftetrachlorid mit Thionylchlorid umzusetzen. Reaction trat sogleich ein uiiter Chlorwasserstoffentwickelung und Abscheidung y o n einer weissen, ltrystallinischen Substanz. Diese schmolz sehr unscharf zwischen 108-1 I Z o uud gab beim Titriren ein Aequivalentgcwicht yon 105,2. Sie bestaud also ohne Zweifel aus einem Gemisch von Di- und Trisulfidcssigshre.

Die nus Wasser krystallisirte Trisulfidessigsaure erhalt man als dunne, seideglanzende, weisse BIattcr, die sich leicht in Wasser, Aether, Alkohol und Eisessig liisen. So lange sie mit Disulfidessigsiiure gemischt ist, scheidet sie sich aus Wasser als feines Pulver aus. Schmelzp. I1”3,.i-l .L.f0.

0,2736 g gaben 0:222-14 CO, uud 0,0692 H,O. 0,1760 g ,, 0,5771 BaSO,.

Berechilet fiir Gefunden (HOCOCH&S,

(1 ??,‘I1 “,38 II “,s? “€3 S 44,30 46,02

0,2464 g verbrauchten ziim Sentlalisiren 31,47 ccm 0,0730 11-NaOH.

.\eqgw. 107,t 107,2 Bercclinet Gef’uiideii

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94 Ho 1 m b erg , Organische Polysulfide.

Yolekulargewichtsbestimmungen wurden in Eisessig ausgefiihrt.

Eisessig Substanz Gefrierpunkts- Yolekulargewicht

in g in g depression Gefunden Berechnet 10,08 0,2189 0,383' 221 214 10,08 0,4004 0,689' 225 -

Das elektrische Leitvermogen wurde in tkblicher Weise bei + 25O bestimmt. Wie unten noch erwahnt wird, ist die Saure bei Gegenwart von Wasser eiemlich unbestandig. Bei diesen Bestimmungen machte sich dies dadurch bemerkbar, dass die Leitfahigkeit in den verschiedenen Serien wlhrend der Messungen etwas stieg. Besonders bei den haheren Ver- diinnungen war dies der Fall. Trotzdem ist der Affinitats- coefficient ziemlich constant, so lange die secnndare Dissociation nicht einwirkt. ZJ bedeutet die Verdiinnung in Liter, [ L das

molekulare Leitvermogen in -- ' -- m den Dissociationsgrad cm Ohm '

und K = 100.

1'

12 24 48 96

192 384 768

m3 1' (1 - m)

_ _ den Affinitatscoefficienten. ,LC- - - 378.

P 100 m K 39,24 10,4 0,101 54,99 14,55. 103 75,49 20,o 104

103,6 27,4 108 139,3 36,B 112 187,3 49,56 127 244,6 64,7 154

K = 0,104.

Soweit man aus diesen und aus alteren Messungen bei den Mono- und Disulfidessigsluren schliessen darf, ist die Trisulfid- essigsiture bei weitem die starkste.

MercaptoessigsKure, HOCOCH,SH K = 0,0298s), Sulfidessigsiure, (HOCOCH,!,S K = 0,049°a)*'), Disulfidessigsaure, (HOCOCH,),S, K = 0,%5*'), TrisulfidessigsPure, (HOCOCHI)ZS, K = 0,104. _ _

K l a s o n und C a r l s o n , Ber. d. deutsch. chem. Ges. 39, 736. 23) L o v k n , Zeitschr. f. physik. Chem. 13, 550. ") O s t w a l d , Zeitschr. f. physik. Chem. 3, 170.

Page 15: Organische Polysulfide

H o l m b e r g , Orgoniscke Polysulfide. 95

Besonders fallt es auf, dass das dritte Schwefelatom eine weit grossere Erhohung des Affinithtscoefficienten hervorruft als das zweite. Auch ist es sehr eigenthiimlich, dass i m Gegen- satze zu diesen Verhaltnisseu bei den a-Propionsaurederiwten gerade das Umgekehrte beobachtet wird, indem die Trisulfid- cc-propionsauren mit K = 0,080 schwlcher als die Disulfid-a- propionsaure mit K = O,09Oz3) ist.

In ihren Reactionen stimmt diese Slitre vollig mit der von L o v C: n beschriebenen Trisulfid-a-propionsaure iiber- ein. I n wassriger Losung wird sie allmahlich unter Abschei- dung von Schwefel zersetzt. Diese Zersetzung geht schneller, j e verdiinnter die Losung ist: beim Erwarmen werden auch concentrirte Losungen schnell trube und in neutralen Losungen geht die Zersetzong schon in der Kalte mit grosser Geschwindig- keit vor sich. Das andere Zersetzungsproduct ist ohne Zweifel Disulfidessigsaure , aber wegen der Schwerzuganglichkeit des Materiales hsbe ich keinen Versuch mit hinreichend grossen Mengen ausgefuhrt, um diese Saure rein isoliren zu konnen. - Wird die Saure mit Zink und Schwefelsaure reducirt, so ent- stehen Schwefelwasserstoff und Mercaptoessigsaure.

Da wie gesagt die Saure beim Neutralisiren schnell zu zerfallen beginnt, so ist es nicht moglicli gewescn, reine kry- stallisirte Salze zu erhalten. Kur ein Bleisala habe ich rein darstellen konnen. Es fallt als weisser, amorpher Niederschlag Bus, wenn eine Losung der Skure in Wasser mit Bleiacetat- losung versetzt wird.

0,2184 g gaben 0,1585 PbSO,. Bereclinet fiir Gefunden

Pb(OCOCH,),Ss P b 49,37 49,56

Mit Silberlzitrat giebt die Saure eine weisse, flockige Fallung, die baId schmutzig gelb, nach einigen Stunden schwarz wird.

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96 Ho 1 n i b erg , Organisclie Polysulfide.

9. Ueber Tetvaszclfidessigsazcve.

Diese Saure wurde nach der oben erwiihnten Methode durch Einwirkung von Schwefelchloriir auf Mercaptoessigslure darge- stellt. 37 g HOCOCH,SH wurden in 150 ccm Aether gelost und allmlhlich mit einer Losung ron 27 g S,CI, in 50 ccm Aether versetzt. Die Reaction verlief sehr lebhaft unter heftiger Chlor- wasserstoffentwickelung und theilweisem Wegdestilliren des Aethers. Nach dem Bbdunsten des Aethers wurde der Riick- stand abgesaugt und mit etwas Wasser gewaschen. Es wurden so 42 g krystallinisches, etwas gelblich gefarbtes Rohproduct erhalten. Mit dem Waschwasser ging eine kleine Quantittit gelbes Oel durch das Filter, welches im Exsiccator erstarrte und mit Alkali behandelt unter Sch\~cfelabscheidui~g zersetzt wurde, und also wahrscheinlich aus wegen Verunreinigungen fliissig ge- bliebener Tetrasulfidessigsaure bestand. Die rohe Tetrasulfid- essigsiiure wurde erst aus wenig heissem Wasser krystallisirt, wobei sie in kleinen, diinnen, glanzenden, weissen Bliittern er- halteu wurde. Indessen fand immer eine kleine Zersetzung unter Schwefelabscheidung statt und der ausgcschiedenc Schwefel, der iibrigens ohne weiteres durch das Filter ging, wurde \Ton der krystallisirendcn Saure mitgerissen , so dass es nicht mog- lich war, in dieser Weise eine analysenreine Saure zu erhalten. Sie wurde schliesslich durch Fallen mit Schwefelkohlenstoff aus atherischer Losung in reiner Form als kleine, prismatische Nadeln erhalten. Sie lost sich leicht in Alkohol und Aether, schwieriger in Essigiither und knltem Wasser und noch weniger in Chloroform und Schwefelkohlenstoff.

Schmelzp. 1 12,s- 1 1 3 O .

0,3512 g gaben 0,251 1 COB und 0,0757 H,O. 0,1442 g ,, 0!5490 UaSO,.

Bereclinet fur tiefunden (HOCOCH,),S,

c 19,49 I9,M 11 "44 2,41 S .52,07 5237

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H o l n i b e r g , Organkche Polysulfide. 97

Beim Titriren wird die Saure schon wahrend des Alkali- zusatzes etwas zersetzt unter Abscheidung von Schwefel. D a aber hierbei die Aciditat der Losung nicht geandert wird, er- halt man doch das richtige L4equivalentgewicht.

0,3950 g veibrauchten 43,68 ccm 0,0730 n-NaOH. Berechnet Gefundeu

Aeqgew. 123,l 123,9

Wegen der leichtcn Zersetzlichkeit der Saure bei Gegen- wart von Wasser schien es aussichtslos zu versuchen, Be- stimmungen von Loslichkeit oder elektrischem Leitvermogen zu machen. Eine durch Schutteln der SBure mit Wasser wiihrend einer Viertelstunde bei Zimmertemperatur dargestellte Losung gab ein klares Filtrat, yon dem 49,6 ccm zum Neutralisiren 48,2 ccm 0,0730 n-NaOH verbrauchten, einer Loslichkeit VOD

0,035 Mol. oder 8 , i g im Liter entsprechend. Reactionen der Saure. 10 g Saure in wassriger Losung

wurden etwa zwei Stunden lang erhitzt. Der ausgeschiedene Schwefel, 2,4 g, warde abfiltrirt und das Filtrat eingedunstet, wobei ein beim Erkalten krystallisirendes Oel zuruckblieb. Diese Substauz wurde aus Essigatlier + Ligroin umkrystallisirt und dann als Disulfidessigsaure vom Schmelzp. 108-1 0 S o identifi- cirt ; Ausbeute 7,4 g. Die Tetrasulfidessigsaure wird also vollig quantitativ in (HOCOCH,),S, und S, zersetzt. Dieselbe Zer- setzung erleidet sie auch bei gewohnlicher Temperatur, abcr langsamer. J e verdunnter die Losung ist, um so schneller geht die Zersetzung yor sich. I n neutraler Losung geht der Zer- fall auch sehr schnell schon in der Ktilte, so dass es nicht moglich ist, reine Salze darzustellen. Auch eine mit concen- trirter Chlorwasserstoffsiiure versetzte Losung der Saure schied beim Erhitzen Schwefel ab. - Wird t ine frisch bereitete Losung der Saure mit Silbernitrut versetzt, so entsteht ein weisser, flockiger Xiederschlag, der allmahlich schwarz wird. Mit Bleiacetut erhalt man ein ebenfalls weiss gefarbtes, amor- phes Salz, das etwas haltbarer ist und aus ziemlich reinem Pb(OCOCH,),S, besteht.

Annnlen der Chelnie 350. Ud. - I

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98 Ho lmb erg, Organische Polysulfide.

0,1846 g gabeu 0,1265 PbSO,.

Berechnet Gefunden Pb 45$7 46,82

Bei Reduction von in Wasser aufgeschllmmter SBure mit Zink und Schwefelsaure entstand Schwefelwasserstoff und Mer- captoessigstlure.

Bei Oxydution. mit Brom ebenfalls in Wasserlosung ent- stand Schwefelslure und Sulfoessigsaul-e, die mit dem sauren Anilinsalz 85), Schmelzp. 187O, identificirt wurde.

Urn den Bethylester zu erhalten wurde die Saure in ab- solutem Alkohol geltist und mit etwas concentrirter Schwefel- saure versetzt. Der Ester schied sich dabei theilweise als farbloses Oel ab. Nach einigen Tagen wurde e r vollstiindig mit Wasser gefallt; da e r aber nicht ltrystallisirte, wurde e r nicht naher untersucht. Um moglicherweise zu einem Amid der Siiure zu kommen, wurde der Ester wieder in Alkohol ge- lost und mit trocknem Smmoniak behandelt. Dabei schied sich erst Schwefel aus, der sich doch bei fortgesetztem Ein- leiten von Ammoniak wieder loste unter Rothflrben der Lasung u. s. w., wie oben bei dem Disulfidessigester schon erwahnt ist.

10. Constitution der Polysulfide.

Ohne Rllcksicht auf die vergeblichen Versuche zu nehmen, die gemacht worden sind, um die Polysulfide von schwefelsub- stituirten Sulfaten, Sulfiten u. s. w. abzuleiten, erwahne ich hier nur die Auffassungen von S p r i n g und D e m a r t e a u und von K t i s t e r . Die Ersten geben den Alkalipolysulfiden die Formel K,S,,S,, um die Bildung von Alkyldisulfiden zu er- kllren. Es ist jedoch, wie ich oben dargelegt habe, keines- wegs nothwendig oder eben zulassig, aus diesen Ergebnissen ahnliche Schlussfolgerungen zu ziehen. Es bleibt meiner Meinung nach daher die Formulirung von K t t s t e r : K,S,S, die zwccltmassigste' ftir die anorganischen Polysulfide. Ganz anders

25) S t i l l i c h , Journ. f. prakt. Chem. [2] 74, 53.

Page 19: Organische Polysulfide

Holmberg , Organische Polysulfide. 99

liegen aber die Verhaltnisse bei den organischcn Derivaten. Da die Ihulf ide bei Oxydation von den Mercaptanen entstehen und bei Reduction aieder in diese iibergehen, muss man fur sie die Constitution RS.SR anuehmen. Auch fur die Trisulfide wird eine kettenformige Anordnung der Schwefelatome noth- wendig, wie man auch die Reaction xwischen Thionylchlorid und Mercaptan auffassen will. Ftir die Tetrasulfide schliesslich hat man zsischen den Formeln

R.S.S.S.S.R und R.S.S.S.R II S

zu wahlen. Die einzige Stiitze ftfr die letzte Formel ist die Auffassung des Schwefelchloriirs als C1, : S : S. Da aber diese Formel mit keinem von den experimentellen Verhilltnissen des Schwefelchlortirs in Einklang steht, sontlern nnr wegen der formelltw Analogie mit dvm Thionylchlorid aufgestellt worden ist, verwerte ich sie ohne weiteres uud gebe also dem Schwefel- chloriir die Formel CI.S.S.CI uud somit den Tetrasulfiden die einfache kettenfiirmige Structurformrl.

Eine neue Stiitze fiir die Annahme einer verschiedeuen Constitution fiir Metall- und Alkylpolysulfide sehe ich nach darin, dass die letzten farblos oder nur sehr schwach gefarbt sind , wahrend die Alkalipolysulfi~le wenigstens in Ltisung intensiv gefarbt sind. Alleldings hat man hierbei auch die Moglichkeit zu beriicltsichtigeu, dass virlleicht nur die Ionen

Si gefarbt s i d Durch ein weiteres Studium der oben er- wiihnten Disulfidschwefelammoniakreactionen, die auch gefarbte Losungrn gvben konnen, wird es viell~icht moglich werden, bestimmtere Aufschltisse hieriiber zu erl~alten.