Orientierungsplan Bild-Erz Handlungsempf U3 2014 Web

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  • 7/26/2019 Orientierungsplan Bild-Erz Handlungsempf U3 2014 Web

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    Niedersachsen

    Niederschsisches

    Kultusministerium

    Handlungsempfehlungen zum Orientierungsplan

    fr Bildung und Erziehung im Elementarbereich

    niederschsischer Tageseinrichtungen fr Kinder

    FRHKIND

    LICHE

    BILDUNG

    Kinder unter 3 Jahren

    Begleitfilmzum Orientierungsplanfr Bildung und Erziehung imElementarbereichniederschsischer Tageseinrichtungen fr Kinder

    FRHKINDLICHE

    BILDUNG

    MitbeiliegendemDVD-Film

    Die Arbeit mit Kindernunter drei Jahren

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    Niedersachsen

    Niederschsisches

    Kultusministerium

    FRHKINDL

    ICHE

    BILDUNG

    Kinder unter 3 Jahren

    Begleitfilmzum Orientierungsplanfr Bildung und Erziehung imElementarbereichniederschsischer Tageseinrichtungen fr Kinder

    FRHKINDLICHE

    BILDUNG

    MitbeiliegendemDVD-Film

    Handlungsempfehlungen zum Orientierungsplan

    fr Bildung und Erziehung im Elementarbereich

    niederschsischer Tageseinrichtungen fr Kinder

    Die Arbeit mit Kindernunter drei Jahren

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    BILDUNG

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    Vorwort 6

    Erklrung 8

    I. Pdagogische Grundlagen und allgemeine Ziele 10

    1. Pdagogische Grundhaltung und Menschenbild 10

    2. Bildungs- und Erziehungsverstndnis 113. Beziehung und Bindung 12

    4. Gestaltung von Lern- und Entwicklungswelten 14

    II. Bildungsziele in Lernbereichen und Erfahrungsfeldern 16

    0. Wahrnehmung 17

    1. Emotionale Entwicklung und Soziales Lernen 18

    2. Entwicklung kognitiver Fhigkeiten und der Freude am Lernen 21

    3. Krper, Bewegung und Gesundheit 23

    4. Kommunikation, Sprache und Sprechen 26

    5. Lebenspraktische Kompetenzen 29

    6. Mathematisches Grundverstndnis 30

    7. sthetische Bildung 32

    8. Natur und Lebenswelt 35

    9. Ethische und religise Fragen, Grunderfahrungen

    menschlicher Existenz 36

    III. Die Arbeit in der Tageseinrichtung fr Kinder 38

    A. Methodische Aspekte und die Aufgaben der Fachkrfte 38

    1. Grundprinzipien fr die Frderung von Erziehungs- und

    Bildungsprozessen 38

    2. Leben und Lernen in der Kindergruppe 41

    3. Das Spiel die elementare Lernform von Kindern 44

    4. Einrichtung einer anregenden Lernumgebung 46

    5. Beobachtung und Dokumentation 48

    6. Zusammenarbeit im Team und Aufgaben der Leitung 52

    B. Erziehungspartnerschaft mit Eltern 54

    C. bergnge gestalten 56

    1. Die Eingewhnung als bergang von der Familie in die Krippe 56

    2. Der bergang von der Krippe in den Kindergarten 58

    IV. Qualittsentwicklung und -sicherung 60

    Literaturhinweise 62

    Info zur beiliegenden DVD 62

    DVD 63

    Impressum 64

    ISBN 978-3-00-039166-8

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    BILDUNG

    Vorwort

    Die Anstrengungen fr eine guteBildung beginnen bereits beidenKleinsten in der Krippe und in derKita.Hier wird der Grundstein freine erfolgreiche Bildungslaufbahn

    gelegt.Die engagierte Arbeit inden niederschsischen Tagesein-richtungen fr Kinder ist damitein wichtiger Beitrag zu mehr Bil-dungsgerechtigkeit - und diese liegtder Niederschsichen Landesregie-rung besonders am Herzen.

    Der Orientierungsplan fr Bildungund Erziehung im Elementarbereichniederschsischer Tageseinrichtun-gen fr Kinder konkretisiert dengesetzlichen Bildungsauftrag des

    Elementarbereichs.Er wurde vomNiederschsischen Kultusministeri-um, der Arbeitsgemeinschaft derKommunalen Spitzenverbnde,den Trgerverbnden der freienWohlfahrt, den Kirchen, derLandesarbeitsgemeinschaft derElterninitiativen und der Landesel-ternvertretung der Kindertagesstt-ten in Niedersachsen als Grundlagefr die Bildungsarbeit in Kinderta-geseinrichtungen verabschiedet.

    Die trgerbergreifenden Empfeh-lungen des Orientierungsplans frdie konzeptionelle Entwicklung undpraktische Umsetzung von fachge-rechten Bildungsanstzen in nie-derschsischen Kindertageseinrich-tungen sind eine gute Grundlage.Sie decken das gesamte Spektrumder pdagogischen Arbeit kurzund bndig aber gleichzeitig sehrumfassend ab: von grundlegendenAussagen zum Bildungsverstnd-nis ber konkrete Bildungsziele in

    einzelnen Lernbereichen bis hin zumethodischen Aspekten und Anfor-derungen an Qualittsentwicklung.

    Mit dem Orientierungsplan ver-pflichten sich Land und Trger, dieQualitt der frhkindlichen Bildungin Niedersachsen anhand trger-bergreifend vereinbarter Bildungs-ziele und ihm Rahmen ihrer jewei-ligen finanziellen Mglichkeiten zu

    entwickeln.Er ist dabeinicht als einabgeschlossenes Werk, sondern alsAusgangspunkt eines fortlaufendenProzesses zu verstehen, dem sichseine Unterzeichner im Rahmeneiner engen und vertrauensvollenZusammenarbeit verpflichtet fh-len.

    Mit Verabschiedung des Kinderfr-derungsgesetzes wurde die Grund-lage dafr geschaffen, bis 2013 einbedarfsgerechtes Bildungs-, Erzie-

    hungs- und Betreuungsangebotfr Kinder unter dreiJahren auszu-bauen und einen Rechtsanspruchauf einen Betreuungsplatz in einerKindertagessttte oder in der Kin-dertagespflege ab 1.August 2013fr alle Kinder ab dem vollendetenersten Lebensjahr einzufhren.Umdiesem Ziel und der steigendenNachfrage nach frhkindlicher Bil-dung und Erziehung auch fr Kin-der unter dreiJahren Rechnung zutragen, wurden in den letzten fnf

    Jahren in Niedersachsen mehr als36.000 neue Betreuungsangebotein Tageseinrichtungen und Tages-pflege fr Kinder geschaffen.Es istzu erwarten, dass insbesondere derAnteil der einjhrigen und zweijh-rigen Kinder in niederschsischenTageseinrichtungen weiter zuneh-men wird.

    Pdagogisches Handeln in Grup-pen mit Kindern unter dreiJahrenunterscheidet sich deutlich von der

    Arbeit in Kindergarten- oder Hort-gruppen und stellt andere Anforde-rungen an das Fachpersonal.

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    Wie alle Kinder, sind auch schondie Kleinsten kompetent und neu-gierig.Sie wollen und mssen dieWelt erobern.Gleichzeitig sind sieaber auch in besonderem Maeschutzbedrftig.Sie bentigen einLernumfeld, das ihren Explorations-

    drang untersttzt, aber gleichzeitigauch Sicherheit und Rckzugsmg-lichkeiten bietet.Sie brauchen dieGeborgenheit von Beziehungen.Siebrauchen Fachkrfte, die wissen,wie wichtig ihre Prsenz und ihrepositive Haltung zum Kind fr seineEntwicklung sind.

    Um Fachkrfte in Kindertagesein-richtungen beider Konzeption undUmsetzung von Krippenpdagogikzu untersttzen, hat das Nieder-

    schsische Kultusministerium ge-meinsam mit der Fachebene allerTrgerverbnde Handlungsempfeh-lungen fr die Arbeit mit Kindernunter dreiJahren erarbeitet.Siegehen auf die Anforderungen ins-besondere der ein- und zweijhri-gen Kinder ein.Auf differenzierteAussagen zur Arbeit mit Suglingenwurde verzichtet.Die Handlungs-empfehlungen ergnzen und ver-tiefen den 2005 unterzeichnetenOrientierungsplan fr die Bildung

    und Erziehung im Elementarbereichniederschsischer Einrichtungen frKinder fr den Bereich der Krippen-pdagogik.

    Ihre inhaltliche Gliederung istmit der des Ausgangsdokumen-tes identisch.Die grundlegendenAussagen des Orientierungsplansund die vertiefenden Ergnzungender Handlungsempfehlungen frdie Arbeit mit Kindern unter dreiJahren knnen in den jeweiligen

    Kapiteln parallel gelesen werden.Die Handlungsempfehlungen frdie Arbeit mit Kindern unter drei

    Jahren bilden aber auch fr sichgesehen ein eigenstndiges Werk.Der Orientierungsplan ist eine Er-folgsgeschichte, die ich ausdrcklichwrdigen mchte: Der Orientie-rungsplan und die ergnzendenHandlungsempfehlungen wurden

    an alle Kindertageseinrichtungenkostenlos verteilt und haben sichals Instrumente der Praxis fr dieGestaltung frhkindlicher Lern- undBildungsprozesse bewhrt.

    Mit rund 18.500 nachbestelltenExemplaren bilden Orientierungs-plan und Handlungsempfehlungendie Grundlage der pdagogischenArbeit und konzeptionellen Ausge-staltung niederschsischer Tages-einrichtungen fr Kinder.Sie haben

    sich auch als Qualifizierungsgrund-lage fr Angebote in der Fort- undWeiterbildung bewhrt und erfreu-en sich einer groen Nachfrage.

    Mein Dank gilt allen Trgervertre-terinnen und -vertretern und Fach-expertinnen und -experten, die sichfr seine Entstehung und Weiter-entwicklung eingesetzt haben undauch in Zukunft einsetzen wollen.Mein Dank gilt auch allen Pdago-ginnen und Pdagogen, die seine

    Handlungsempfehlungen profes-sionell umsetzen und damit dafrSorge tragen, dass unsere Kindervon guter Bildung profitieren.Aufden Anfang kommt es an!

    Frauke HeiligenstadtNiederschsische Kultusministerin

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    Die Unterzeichner begren, dass mit der Herausga-be der Handlungsempfehlungen fr die Arbeit mit

    Kindern unter drei Jahren zum Orientierungsplan

    fr Bildung und Erziehung im Elementarbereich

    niederschsischer Tageseinrichtungen fr Kinder der

    Bildungsauftrag des Elementarbereichs fr die Arbeit

    mit Kindern unter drei Jahren konkretisiert und in der

    ffentlichkeit deutlich gemacht wird.

    Die Unterzeichner betrachten den Orientierungsplan

    und die ihn ergnzenden Handlungsempfehlun-

    gen fr die Arbeit mit Kindern unter drei Jahren als

    Grundlage fr die Bildungsarbeit in niederschsischenEinrichtungen des Elementarbereichs. Sie akzeptieren

    ihn als Rahmen fr die Erarbeitung der einrichtungs-

    spezifischen Konzeptionen. Der Plan hat empfehlen-

    den Charakter. Die Verantwortung der Trger fr die

    konkrete Ausgestaltung der Bildungsarbeit bleibt

    davon unberhrt.

    Die Unterzeichner sind sich dessen bewusst, dass die

    Handlungsempfehlungen fr die Arbeit mit Kindern

    unter drei Jahren zum Orientierungsplan fr Bildung

    und Erziehung anspruchsvolle Ziele verfolgen, die aus

    unterschiedlichen Grnden nicht berall zeitnah undin gleicher Weise erreicht werden knnen.

    Die Unterzeichner untersttzen die Einrichtungen beider Umsetzung der Handlungsempfehlungen fr

    die Arbeit mit Kindern unter drei Jahren nach ihren

    jeweils gegebenen Mglichkeiten und Strukturen.

    Grundlage sind die bei Unterzeichnung geltenden

    Regelungen des niederschsischen Gesetzes ber Ta-

    geseinrichtungen fr Kinder und die dazu ergangenen

    Durchfhrungsverordnungen.

    Es lassen sich aus den Handlungsempfehlungen fr

    die Arbeit mit Kindern unter drei Jahren weder ge-

    gen das Land noch gegen die Trger der ffentlichen

    Jugendhilfe und die kreisangehrigen Stdte undGemeinden finanzielle Forderungen ableiten. Auf-

    grund der schwierigen Haushaltslage aller ffentlichen

    Haushalte mssen die formulierten Ziele schrittweise

    und ohne finanzielle Mehrbelastung gemeinsam

    umgesetzt und erreicht werden. Die Strkung des

    Bildungsauftrages kann deswegen nur im Rahmen der

    finanziellen Mglichkeiten aller Beteiligten verfolgt

    werden.

    Hannover, 29. Mai 2012

    Erklrung zum Orientierungsplan fr Bildung und Erziehung im

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    Dr. Bernd AlthusmannNiederschsischer Kultusminister

    Arbeitsgemeinschaft der kommunalen

    Spitzenverbnde Niedersachsensvertreten durch

    Frank KlingebielNiederschsischer Stdtetag

    Dr. Hubert MeyerNiederschsischer Landkreistag

    Rainer TimmermannNiederschsischer Stdte- und Gemeindebund

    Dr. Jrgen MarcusCaritasverbnde Niedersachsen vertreten durchden Dizesencaritasverband Hildesheim e. V.

    Dr. Ralf SelbachDeutsches Rotes Kreuz in Niedersachsen vertretendurch das Deutsche Rote Kreuz LandesverbandNiedersachsen e. V

    Prlat Prof. Dr. Felix BernardLeiter des Katholischen Bros Niedersachsen- Kommissariat der katholischen Bischfe

    Andrea RadtkeKonfderation evangelischer Kirchen in Niedersachsen

    Dr. Christopf KnkelDiakonische Werke in Niedersachsen vertreten durchdas Diakonische Werk der Ev.-luth. Landeskirche

    Hannovers e. V.

    Cornelia RundtParittischer Wohlfahrtsverband Niedersachsen e. V.

    Annette BruchmannLandesarbeitsgemeinschaft ElterninitiativenNiedersachsen/Bremen e. V. (lagE)

    ementarbereich niederschsischer Tageseinrichtungen fr Kinder

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    Bei der Bildung, Betreuung und

    Erziehung von Kindern unter drei

    Jahren ist in besonderer Weise zu

    beachten, dass ein Kind seinenBildungsbestrebungen am besten

    nachgehen kann, wenn seine Grund-

    bedrfnisse erfllt sind. Insbesonde-

    re bei sehr kleinen Kindern gehren

    neben krperlichem Wohlbefinden

    auch emotionale Sicherheit und Ge-

    borgenheit zu den unabdingbaren

    Voraussetzungen fr eine gesunde

    Entwicklung und ein erfolgrei-

    ches Lernen. Gleichzeitig mssen

    Fachkrfte aber auch Freiheiten

    geben und loslassen knnen. Wie essprichwrtlich heit:Kinder brau-

    chen Wurzeln und Flgel!In diesem

    Sinne ergnzen die hier beschriebe-

    nen pdagogischen Grundlagen die

    Ausfhrungen des niederschsischen

    Orientierungsplans Zum Bildungs-

    verstndnis wie kleine Kinder

    lernen (Kapitel I.3). 1. Pdagogische Grundhaltungund Menschenbild

    Das Kind steht im Zentrum einer

    professionellen Gestaltung frh-kindlicher Lern- und Entwicklungs-

    prozesse. Seine Individualitt und

    seine vielfltigen Ressourcen sind

    Ausgangspunkt pdagogischen

    Handelns. Suglinge und Kleinkinder

    sind sehr kompetent und gleichzei-

    tig noch sehr schutzbedrftig. Sie

    sind verstndige, reaktionsfhige

    und aktive Menschen. Vertrauen

    in die Persnlichkeit und Entwick-

    lungsfhigkeit eines Kindes sowie

    Achtsamkeit und Respekt bestimmtdaher die pdagogische Haltung der

    Fachkrfte.

    Autonomie, Individualitt und

    Persnlichkeit eines Kindes knnen

    sich entfalten, wenn das Kind die

    Mglichkeit hat, selbst wirksam zu

    werden und seinen Impulsen zu

    folgen (Selbstwirksamkeit). Kinder

    unter drei Jahren bentigen fr ihre

    Handlungen die enge Begleitung ei-

    ner erwachsenen Person, Schutz undGeborgenheit in vertrauensvollen

    Beziehungen, emotionale Sicherheit

    und Verlsslichkeit im Tagesablauf.

    Das Bild vom Kind, der Blick auf

    das kindliche Handeln und die

    Begleitung frhkindlicher Lern- und

    Entwicklungsprozesse gehen davonaus, dass kleine Kinder eigenstndi-

    ge und kompetente Lerner sind, die

    aber gleichzeitig noch den Schutz

    und die Frsorge ihrer Bezugsperso-

    nen bentigen. Das schliet folgen-

    de Aspekte ein:

    Das aktive, kreative Kind

    Kinder sind von Natur aus Forscher,

    Entdecker und Erfinder, die sich aktiv

    und kreativ mit ihrer Umwelt ausein-andersetzen. Schon von Geburt an

    beobachten und analysieren sie sehr

    genau. Ihre Schlussfolgerungen und

    Erkenntnisse sind Grundlage fr ihr

    Verstndnis von ihrer Umwelt und

    auch von sich selbst. Neugierig und

    engagiert verfolgen sie ihre Inter-

    essen und entwickeln dabei immer

    komplexere und wirkungsvollere

    kognitive Strategien und Kompeten-

    zen. Kinder wollen und knnen Ver-

    antwortung fr das eigene Lernenbernehmen (Selbstbildung).

    I. Pdagogische Grundlagen und allgemeine Ziele

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    Das konstruierende Kind

    In der Auseinandersetzung mit ihrer

    Umwelt und im Dialog mit ihren

    erwachsenen Bezugspersonen sowie

    mit anderen Kindern konstruieren

    Kinder ihr Weltwissen (Ko-Konstruk-tion). Diesen Interaktionsprozessen

    liegt das gemeinsame Bemhen

    zugrunde, einander und die Welt zu

    verstehen. Interaktion ermglicht

    Kindern, ihr Wissen durch immer

    neue Erfahrungen zu erweitern und

    zu differenzieren. In diesen Prozes-

    sen sind Pdagoginnen und Pda-

    gogen gefordert, die durch das Kind

    verfolgten Lernwege zu verstehen,

    zu untersttzen und mit zu gestal-

    ten.

    Das kompetente Kind

    Kinder gestalten ihre Bildungspro-

    zesse eigenstndig und hochmoti-

    viert. Sie bringen dabei die ihnen

    eigenen Ressourcen, Kompetenzen

    und individuellen Strken ein. In der

    Auseinandersetzung mit der Umwelt

    suchen sie nach Sinn und Bedeu-

    tung. ber Wahrnehmen, Empfin-

    den und Handeln machen KinderErfahrungen, die die Grundlage fr

    ihre sehr individuellen Lernprozesse

    sind. Auf der Suche nach Zusammen-

    hngen und Erklrungsmustern und

    der berprfung von Erwartungen

    modifiziert sich kontinuierlich das

    kindliche Selbst- und Weltbild.

    Das soziale Kind

    Kinder sind soziale Wesen, die mit

    anderen Menschen in Kontakttreten, Beziehungen suchen und

    bentigen. Sie haben grundlegende

    Bedrfnisse nach emotionaler Sicher-

    heit, Zuwendung und Wertscht-

    zung. Im sozialen Austausch und

    durch die Frsorge ihrer engsten

    Bezugspersonen entwickeln Kinder

    tief gehende Bindungsbeziehungen.

    Diese sind die Basis fr das eigene,

    aktive Welterkunden. In der Wech-

    selseitigkeit mit den Bezugsperso-

    nen und anderen Kindern erhltdas Kind Rckmeldung ber sich,

    es integriert diese Erfahrungen in

    die Entwicklung seines Selbstbildes

    und in die Gestaltung der eigenen

    Identitt.

    Das selbststndige, starke Kind

    Kinder brauchen ein Bildungsum-

    feld, das ihren Autonomiebestrebun-gen Raum gibt, ihnen andererseits

    aber auch gengend Sicherheit,

    Schutz und Untersttzung bietet.

    So knnen sie Lsungswege fr die

    Beantwortung von Fragen auspro-

    bieren, die ihnen wichtig sind. Die

    Entwicklung von Selbstttigkeit

    und Selbstndigkeit sind wichtige

    Grundlagen fr die Persnlichkeits-

    bildung und das Bewusstsein der

    eigenen Kompetenzen. Kinder, die

    auf sich selbst, ihre Familien undneue Bezugspersonen in Kinderta-

    geseinrichtungen vertrauen knnen,

    bilden wichtige Ressourcen, um auch

    schwierige Lebensbedingungen und

    Belastungen erfolgreich zu bewlti-

    gen (Resilienz).

    Das einzigartige Kind

    Die Wrde des Kindes ist unan-

    tastbar. Jedes Kind hat ungeachtet

    seines Geschlechts, seiner Herkunft,Kultur, Lebenswirklichkeit, seines

    Alters und Entwicklungsstandes das

    Recht, in seiner Individualitt ernst

    genommen und wertgeschtzt zu

    werden. Individuelle Unterschiede

    der Kinder stellen eine Chance dar,

    voneinander und miteinander zu

    lernen.

    2. Bildungs- undErziehungsverstndnis

    Bildung und Lernen

    Bildung und Lernen gehen vom

    Kind aus. Sein Wissen und seineFhigkeiten eignet es sich eigen-

    stndig, erfahrungsabhngig und

    selbst organisiert an. Die angebo-

    rene Neugier des Kindes und seine

    ihm eigene Erkundungsbereitschaft

    lassen es spielerisch handeln, wahr-

    nehmen und erleben sowie kreative

    Lsungswege fr aufgeworfene

    Fragen entwickeln. Die auf diesem

    Weg erfahrene Welt wird dabei

    immer wieder aufs Neue gedeutet.

    Die Interaktion zwischen Kind undseiner Umwelt ist damit ein wichti-

    ger Ausgangspunkt fr frhkindliche

    Bildungsprozesse.

    Kinder sind forschende Lerner. Zu

    allem, was sie wahrnehmen und

    erfahren, bilden sie Theorien, die sie

    bei neuen Erfahrungen abwandeln

    bzw. verwerfen, sobald sie andere

    Erklrungsmglichkeiten finden.

    Ihre Forschungsinhalte und themen

    verfolgen Kinder im unmittelbarenAlltagsgeschehen. Zu diesen geh-

    ren zum Beispiel der eigene Krper,

    Rume, verschiedene Materialien

    und Gegenstnde, Elemente, Natur-

    erscheinungen und Naturgesetze,

    Beziehungen zu anderen Menschen

    und die verschiedenen Mglichkei-

    ten der Annherung, Auseinander-

    setzung und Verstndigung.

    Im Selbstbildungsprozess nutzt

    das Kind sowohl angeborene alsauch im Laufe der Entwicklung

    angeeignete Lernstrategien. Durch

    das Nachahmen erweitert es sein

    Handlungsrepertoire. Es beobach-

    tet, verinnerlicht und lebt nach, was

    erwachsene Bezugspersonen und

    andere Kinder in seiner Umgebung

    vormachen. Durch Experimentieren

    und Variieren von Lsungswegen

    erkundet das Kind spezifische Beson-

    derheiten und Abweichungen seiner

    Lebenswelt. Es erfhrt zum Beispiel,dass sich ein Stck Stoff manchmal

    besser zum Einwickeln eignet als ein

    Blatt Papier. Durch Wiederholen von

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    Spielaktionen lernt es, gesetzmige

    Konsequenzen wie Ursache und Wir-

    kung vom zuflligen Zusammentref-

    fen zweier voneinander unabhngi-

    ger Reaktionen zu unterscheiden. Es

    erlebt zum Beispiel, dass Wasser nass

    macht oder aber auch, dass l aufWasser schwimmt. Gleichzeitig bt

    es neu gewonnene Kompetenzen

    ein. Um einen Turm erneut umzu-

    stoen, muss er erst einmal wieder

    aufgebaut werden.

    In der frhen Kindheit lernen Kinder

    durch aktives und selbstbestimmtes

    Spiel. In spielerischer Auseinander-

    setzung er- und begreifen Kinder

    ein mit der wachsenden motorischen

    Entwicklung immer grer werden-des Umfeld. Sie sammeln Erfah-

    rungen, Bedeutungsmuster und

    Sachbezge. Sie verarbeiten Erlebtes

    und assoziieren Zusammenhnge

    mit bereits Bekanntem, sie ordnen

    diese Erlebnisse in ihr Weltverstnd-

    nis ein und geben ihnen so eine

    Bedeutung. Jedes Kind entfaltet

    auf diese Weise eine eigene Bil-

    dungslandschaft mit wachsender

    Infrastruktur. Diese ermglicht ihm,

    seine innere und uere Welt immerbesser zu erfassen, zu begreifen und

    bewusst zu beeinflussen.

    Erziehung

    Erziehung ist eine zugewandte und

    kompetente Entwicklungsbegleitung

    durch erwachsene Bezugspersonen,

    welche den Rahmen fr selbststn-

    dige Handlungs-, Gestaltungs- und

    Bildungsmglichkeiten schafft. Die

    pdagogische Fachkraft sorgt franregungsreiche Lern- und Ent-

    wicklungsumgebungen:Sie reagiert

    aufmerksam auf die vom Kind

    verfolgten Themen, sie ergnzt und

    bereichert die frhkindliche Welter-

    kundung durch neue Impulse. Sie ist

    prsent, beobachtet, untersttzt und

    schtzt ohne dabei fr das Kind

    selbst zu handeln. Jedes unreflek-

    tierte Eingreifen kann den Bildungs-

    prozess des Kindes durchbrechen

    und stren. Es ist daher wichtig, dieInteraktion mit dem Kind behutsam

    zu gestalten und Kindern dabei zu

    ermglichen, selbst Lsungen zu

    erarbeiten und Erfolge als eigene

    Leistung und Kompetenzsteigerung

    zu sehen.

    Frhkindliche Erziehung ist ein wich-

    tiger Impuls fr Kinder, ihre vielen

    offen stehenden Entwicklungsfens-ter zu nutzen. Die Bildungsbeglei-

    tung von Kleinkindern orientiert sich

    an den Fragen, die dem Kind selbst

    zur Herausforderung geworden sind.

    Damit ist nicht nur das Lernen der

    Kinder, sondern auch seine Beglei-

    tung durch Fachkrfte eine durch-

    weg forschende Aufgabe. Es geht

    nicht darum, Kindern mglichst frh

    Sachwissen beizubringen, sondern

    zu ergrnden, was sie beschftigt. Es

    gilt, sie durch pdagogische Anre-gungen so zu untersttzen, dass sie

    mglichst vielfltige Erfahrungen

    machen und verarbeiten knnen.

    Die Anregung und Frderung von

    frhkindlichen Lern- und Entwick-

    lungsprozessen durch pdagogische

    Fachkrfte geschehen im Dialog mit

    dem Kind und richten sich an den

    kindlichen Ttigkeiten, Themen und

    Interessen aus. Ausgangspunkte

    fr diesen Dialog sind eine sensibleWahrnehmung, genaue Beobach-

    tung sowie sorgfltige Reflexion, mit

    der die pdagogische Fachkraft das

    Lernen der Kinder in ihren Ttigkei-

    ten erkennt. Diese Selbstbildungsbe-

    strebungen kann sie dann mit ihren

    eigenen Perspektiven anreichern

    und damit ko-konstruktiv aufgrei-

    fen, anregen und untersttzen.

    Gerade fr die Bildung und Erzie-

    hung von Kindern in ihren ersten Le-bensjahren ist zu beachten:Jejnger

    Kinder sind, desto mehr bentigen

    sie die direkte Zuwendung, Pflege

    und Versorgung durch ihre Bezugs-

    personen. Dieser Aspekt muss daher

    bei allen Bildungs- und Erziehungs-

    aufgaben immer mit bercksichtigt

    werden.

    3. Beziehung und Bindung

    Pdagogik besteht in der Gestal-

    tung von Beziehungen mit dem Ziel,

    allen Kindern eine ihren Fhigkei-

    ten entsprechende Beteiligung am

    sozialen und kulturellen Leben einerGesellschaft zu ermglichen (Teilha-

    be). Beziehungen sind der Rahmen,

    den Kinder fr Spielen und Lernen

    bentigen. Kinder mssen daher

    durch liebevolle und ihm zugewand-

    te Menschen begleitet werden. Re-

    aktionen von erwachsenen Bezugs-

    personen auf kindliches Handeln

    sind zentrale Ausgangspunkte fr

    kindliches Lernen. In ihnen kann sich

    ein Kind sehen und Wirkungen sei-

    nes Handelns erfahren. Der Aufbauvon zuverlssigen und verbindlichen

    Beziehungen ist daher die zentra-

    le Voraussetzung fr Entwicklung

    und Bildung in der frhen Kindheit.

    Ohne Geborgenheit in Beziehungen

    fehlen Kindern die Sicherheit und

    das Selbstvertrauen als Vorausset-

    zungen fr Experimentierfreude und

    Lernbereitschaft.

    FRHKIND

    LICHE

    BILDUNG

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    Bindung an eine oder auch meh-

    rere Bezugspersonen ist fr das

    Kind existentiell. Die Fhigkeit,

    Bindungen aufzubauen ist ange-borenen und Voraussetzung fr

    seine Entwicklung. Die wichtigsten

    Bezugspersonen sind die Eltern. Es

    ist jedoch bereits fr das Kleinkind

    eine Bereicherung, wenn es dau-

    erhafte Beziehungen zu mehreren

    Bezugspersonen aufbauen kann.

    Seine Erfahrungshorizonte erweitern

    sich, wenn verschiedene Menschen

    in seinem sozialen Umfeld unter-

    schiedlich auf sein Handeln reagie-

    ren. Seine Handlungskompetenzund sein Selbstbewusstsein werden

    gestrkt, wenn es die vielfltigen

    Bewertungen und (Be-)Deutungen

    unterschiedlicher Bezugspersonen

    in seinen Erfahrungsschatz aufneh-

    men kann. Die Bindung an weitere

    verlssliche Bezugspersonen kann

    auerdem eine prventive und kom-

    pensatorische Wirkung haben und

    Kinder fr die Bewltigung ihrer

    Lebensumstnde strken (Resilienz).

    Im Kontakt mit seinen Bezugsper-

    sonen versichert sich das Kleinkind,

    dass es unbeschadet seine Abenteu-

    er suchen und eigene Erfahrungenmachen kann. Kinder brauchen

    die Geborgenheit vertrauensvoller

    Beziehungen, um Welterkundung

    zu wagen und ihre Fhigkeiten zu

    entfalten. Erfahren sie diese Gebor-

    genheit und Untersttzung nicht, so

    mssen sie einen groen Teil ihrer

    Energie verwenden, um zunchst die

    Verlsslichkeit ihrer Beziehungen zu

    prfen. Bei der Betreuung, Erzie-

    hung und Bildung von Suglingen

    und Kleinkindern mssen Fachkrfteber eine hohe Bereitschaft verf-

    gen, Beziehungsverantwortung zu

    bernehmen.

    Die Eingewhnung eines Kindes in

    eine Krippe oder altersbergreifen-

    de Kindergartengruppe ist in erster

    Linie eine Beziehungsaufgabe. Es ist

    wichtig, ein Kind bei seinem Start

    in ein neues rumliches und sozi-

    ales Umfeld nicht zu berfordern.Bei der Gestaltung des bergangs

    haben Eltern und pdagogische

    Fachkrfte daher eine gemeinsa-

    me Verantwortung dafr, dass das

    Kind eine vertrauensvolle Bindung

    zur pdagogischen Fachkraft als

    Bezugsperson aufbauen kann. Ein

    harmonisches Miteinander von El-

    tern und Fachkrften, Zeit fr einen

    behutsamen und individuellen Be-

    ziehungsaufbau, Kontinuitt in der

    neuen Umgebung sowie ein geregel-ter - aber im Hinblick auf spezifische

    Bedrfnisse eines kleinen Kindes

    auch flexibler Tagesablauf bieten

    Kindern die von ihnen bentigte

    Sicherheit und Orientierung.

    Jedem Kind sollte ein Erzieher oder

    eine Erzieherin fest zugeordnet

    werden, die als stabile Bezugsper-

    son insbesondere in der Phase des

    Beziehungsaufbaus und der Einge-

    whnung kontinuierlich prsent undfr das Kind verlsslich verfgbar ist.

    Ihre liebevolle Zuwendung in Ver-

    bindung mit einem glaubwrdigen,

    wertschtzenden, einfhlenden und

    berechenbaren Verhalten trgt dazu

    bei, dass ein Kind vertrauensvolle Be-

    ziehungen eingehen kann und sich

    in der Krippengruppe sicher fhlt.

    Um den Beziehungsaufbau und die

    Beziehungsentwicklung zu frdern,

    sollte die Fachkraft jeden Tag fr daseinzelne Kind einige Zeit voll und

    ganz prsent sein. Das Kind muss die

    respektvolle und ihm zugewandte

    Haltung der Fachkraft spren und

    Verbundenheit erfahren knnen.

    In Situationen von Unsicherheit,

    berforderung und Kummer kann

    die Fachkraft dem Kind in ihrer Rolle

    als (sekundre) Bezugsperson Trost,

    Schutz und Geborgenheit vermit-

    teln. Sie tritt dabei nicht in Konkur-

    renz, sondern ergnzt die Beziehungzwischen Kind und Eltern.

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    Insbesondere Pflegesituationen sind

    fr die Entwicklung und Vertiefung

    der Beziehung zwischen sehr jungen

    Kindern und Fachkrften wichtig.

    Eine beziehungsvolle Pflege bietet

    Mglichkeiten fr die Gestaltung

    von individuellen und intensivenInteraktionen im Rahmen vielfltiger

    Alltagssituationen wie Wickeln, An-

    ziehen oder Essen der Kinder. Auch

    das Zu-Bett-Gehen ist eine Situation,

    in der die Erzieherin oder der Erzie-

    her dem Kind mit Achtung, Zuwen-

    dung und Aufmerksamkeit begeg-

    nen kann und es so mit individuellen

    Ritualen in den Schlaf begleitet. Mit

    zunehmendem Alter eines Kindes

    nimmt die Bedeutung der Pflege

    immer mehr ab. Andere Aktivittenim Alltag der Kindertageseinrich-

    tung - wie zum Beispiel das Tischde-

    cken, Abwaschen oder Aufrumen

    werden zu wichtigen Bildungs- und

    Beziehungssituationen.

    Ein Kind wird sein Beziehungsge-

    flecht in einer Kindertageseinrich-

    tung von sich selbst aus immer mehr

    erweitern, wenn es eine sichere Basis

    hat und davon ausgehend auch der

    Dialog mit anderen Fachkrftengelingt. Denn Kinder, die sich positiv

    wahrgenommen fhlen, lernen

    sehr schnell, sich selbstbewusst auf

    neue Gegebenheiten einzulassen.

    Kinder, die eine emotionale berein-

    stimmung mit einer Bezugsperson

    vermissen, sind oftmals verunsicherte

    Kinder, die sich nur schwer auf ihre

    Lern- und Bildungsprozesse konzent-

    rieren knnen.

    Jedes Verhalten des Kindes sig-

    nalisiert Bedrfnisse. Wenn eine

    Fachkraft das Verhalten eines Kindes

    als aggressiv, als sehr angepasst oder

    in einer anderen Weise als auffllig

    wahrnimmt, dann muss sie das Kind

    sehr genau beobachten und versu-chen, die Beweggrnde fr dieses

    Verhalten zu verstehen. Sie trgt

    dafr Sorge, dass auffllige oder als

    aggressiv wahrgenommene Kinder

    positive Erfahrungen, Respekt und

    Wertschtzung erleben knnen und

    sich dadurch in ihrer Beziehung zum

    Erzieher oder zur Erzieherin gebor-

    gen fhlen. In diesem Sinne knnen

    Fachkrfte ihre eigenen Reaktions-

    tendenzen auf das Verhalten von

    Kindern reflektieren und steuern.

    4. Gestaltung von Lern- undEntwicklungswelten

    Man kann darauf vertrauen, dass

    jedes Kind seine individuellen Bil-

    dungswege sucht und aktiv verfolgt.

    Dafr braucht es jedoch anregendeLern- und Entwicklungswelten,

    die Fachkrfte in Kindertagesein-

    richtungen aktiv und altersgerecht

    gestalten. Alltagssituationen,

    Rumlichkeiten und Lernangebote

    bergen vielfltige Gelegenheiten,

    den natrlichen Erkundungsdrang

    von Kindern anzuregen. Bei allen

    Lernprozessen hilft dem kleinen

    Kind eine geordnete Welt mit

    vertrauten Beziehungen und einem

    Tagesablauf, der Verlsslichkeit undKontinuitt bietet.

    In den ersten drei Lebensjahren

    entwickelt sich ein Mensch vom

    Sugling zum Kindergartenkind.

    Damit verbunden ist eine sehr steile

    Lern- und Entwicklungskurve, die

    Entwicklungsunterschiede zwischen

    Kindern im Alter von sechs Monaten,

    einem Jahr oder zweieinhalb Jahren

    sind erheblich. Dies erfordert alters-

    gerecht Angebote fr sehr unter-schiedliche Bedarfe und Ansprche.

    Auf diese sollten Kinder freiwillig

    eingehen und damit den Verlauf

    und das Ergebnis ihrer Lernprozesse

    selbst bestimmen drfen.

    Um den Lern- und Entwicklungsan-

    strengungen von kleinen Kindern

    gerecht zu werden, erschlieen

    sich pdagogische Fachkrfte die

    Themen, die ein Kind in seinem

    Alltagsumfeld verfolgt. So gehenFachkrfte feinfhlig auf die Kinder

    ein, reagieren auf ihre Signale und

    Interessen und vermitteln ihnen,

    dass zwischen ihrem Handeln und

    der Reaktion von Erwachsenen ein

    Wirkungszusammenhang besteht.

    Sie helfen Kindern, etwas selbst

    zu tun, und untersttzen sie dabei

    in ihrem Bestreben, selbststndig

    zu werden. Fr Kinder ist es von

    elementarer Bedeutung, sich als

    selbstwirksam zu erleben. Die Er-fahrung von Selbstwirksamkeit und

    Anerkennung ist der erste Schritt zu

    einem positiven Selbstbild.

    FRHKIND

    LICHE

    BILDUNG

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    Die Haltung der Fachkraft, ihr au-

    thentisches Verhalten, ihre Art des

    Umgangs mit den Kindern und ihre

    eigene Sicht der Welt haben einen

    groen Einfluss auf die Entwicklung

    von Weltsicht und Selbstbild des

    Kindes. Was immer Erwachsene mitBegeisterung und Freude tun oder

    betrachten:es wird eine positive

    Ausstrahlung auf die ihnen anver-

    trauten Kinder haben. Erzieherinnen

    und Erzieher knnen bei der Gestal-

    tung von Lern- und Entwicklungs-

    welten daher durchaus auch ihren

    eigenen Themen nachgehen. Wenn

    ein Erwachsener ein Kind daran

    Anteil nehmen lsst, wie er die Welt

    wahrnimmt, dann beginnt auch das

    Kind, die Welt mit den Augen seinesBegleiters oder seiner Begleiterin zu

    betrachten und verinnerlicht neben

    Sachkenntnissen auch Wertvorstel-

    lungen (gut, schlecht, helfen, verge-

    ben etc.) sowie Regeln des Zusam-

    menlebens (sich mitteilen, warten,

    fragen, bitten, teilen, etc.).

    Kinder wollen ihre Gefhle und

    Wnsche mit anderen Menschen

    teilen. Sie wollen sich in ihr soziales

    Umfeld einbringen und dazugeh-ren. Kinder sind auf die Interaktion

    mit Bezugspersonen angewiesen,

    damit sie das Verstndnis ber ihr

    Handeln, eine Situation oder auch

    ihr Selbst erweitern knnen. Sie

    brauchen daher die Prsenz und

    Aufmerksamkeit der Fachkraft.

    Kinder, die sich in ein Wir einge-

    bunden fhlen, ahmen Erwachsene

    und auch Kinder nach, erweitern da-

    durch ihr Verhaltensrepertoire und

    bernehmen im Spiel soziale Wert-vorstellungen wie zum Beispiel

    einen freundlichen und liebevollen

    Umgang miteinander.

    Es ist wichtig, Kindern nicht nur

    Bildungswege zu erschlieen,

    sondern ihnen auch Orientierung

    zu geben. Kleine Kinder brauchen

    bei der Regulierung ihrer Gefhle

    Untersttzung. Sie mssen lernen,

    ihre Gefhle und Wnsche miteinem anderen Menschen zu teilen.

    Wenn Kindern Aufmerksamkeit und

    Wertschtzung entgegengebracht

    werden, sind sie in der Lage, aus

    emotionaler Verbundenheit Verhal-

    tensmuster nachzuahmen und die

    damit verbundenen Wertvorstellun-

    gen zu bernehmen. Insbesondere

    in Konfliktsituationen sind Kinder

    auf eine zugewandte, liebevolle

    Begleitung ihrer Bezugspersonen

    angewiesen.

    Wenn es zu Konflikten kommt, sollte

    die Fachkraft nur dann eingreifen,

    wenn ein Kind in Gefahr gert. Vor

    einem Eingreifen sollte sie zunchst

    ergrnden, warum sie das Kind als

    aggressiv wahrnimmt. War es ein

    Kontaktwunsch? Das Bedrfnis,

    Selbstwirksamkeit zu erfahren? Das

    Bestreben, physikalische Grunder-

    fahrungen zu machen? Kleine Kin-

    der verstehen erst mit zunehmen-dem Alter, dass ihre Wnsche und

    Empfindungen von denen anderer

    Menschen abweichen knnen. In

    Konfliktsituationen bentigt ein

    Kind positive Vorschlge fr alterna-

    tive Handlungsanstze. Diese kann

    ein Kind dann aktiv aufgreifen. Um

    einen Konflikt zu entschrfen, eige-

    nen sie sich daher besser als Verbote

    oder Sanktionen.

    Eine pdagogische Fachkraft solltedaher in klaren Stzen zwischen

    den Konfliktparteien vermitteln

    und mit positiven Formulierungen

    Handlungsalternativen vorschlagen,

    so dass Kinder ihre Bildungswege

    konfliktfrei verfolgen knnen. Sie

    kann ein Kind auffordern, einen

    eigenen Turm zu bauen, anstatt

    den Turm eines anderen Kindes zu

    zerstren. Oder sie kann ein neues

    Spiel erfinden, bei dem mehrere Kin-

    der etwas aufbauen und einstrzenlassen knnen.

    Bei der Gestaltung von Lern- und

    Entwicklungswelten sollte berck-

    sichtigt werden, dass das Wohlbe-

    finden der Kinder eine wichtige

    Voraussetzung fr ihre Aufnah-

    mefhigkeit ist. Wenn Jungen und

    Mdchen mde oder hungrig sind,werden sie auch sehr liebevoll ge-

    setzte Lernanregungen nur einge-

    schrnkt verfolgen knnen. Lern-

    bereite und entdeckungsfreudige

    Kinder knnen durch einen hohen

    Lrmpegel oder auch ein groes

    Ausma an Unordnung irritiert und

    von der Verfolgung ihrer Bildungs-

    prozesse abgehalten werden.

    Fachkrfte beobachten daher genau,

    ob Kinder Ruhe oder Anregung

    bentigen und wann Kinder unter-oder berfordert sind. Sie vermeiden

    eine Reizberflutung durch zu viele

    Angebote und sorgen fr verlssli-

    che Strukturen bei der zeitlichen und

    rumlichen Gestaltung des Lernum-

    felds einer Kindertageseinrichtung.

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    Ausgehend von dem in Kapitel I

    beschriebenen Bildungs- und Erzie-hungsverstndnis beschreibt Kapitel

    II die Entwicklungsaufgaben und

    Bildungswege von Kindern unter

    drei Jahren in den Lernbereichen

    und Erfahrungsfeldern des nieder-

    schsischen Orientierungsplans. Das

    dem Bildungs- und Erziehungsver-

    stndnis zugrunde liegende Men-

    schenbild eines aktiven, kreativen,

    konstruierenden, starken, sozialen

    und einzigartigen Kindes prgt nicht

    nur die professionelle Haltung einerFachkraft gegenber dem Kind. Es

    gibt gleichzeitig auch die zentralen

    Bildungsziele vor, die ihr pdagogi-

    sches Handeln in allen Lernbereichen

    und Erfahrungsfeldern verfolgt.

    Die neun Lernbereiche des Orientie-

    rungsplans sind ein Rahmen, der die

    Vielfalt der Lern- und Bildungswe-

    ge von Kindern beschreibt. In den

    konkreten Bildungssituationen des

    Alltags in Kindertageseinrichtungensind diese unterschiedlichen Lern-

    bereiche hochgradig miteinander

    vernetzt und wechselseitig vonei-

    nander abhngig. Ein einjhriges

    Kind, das sich erstmalig aus eigener

    Kraft in den Stand hochzieht, hat

    einen wichtigen Meilenstein seiner

    Bewegungsentwicklung bewltigt.

    Es hat sich damit zustzliche Wahr-

    nehmungsperspektiven erschlossen,

    was fr seine kognitive Entwick-

    lung neue Horizonte erffnet. DieErreichbarkeit von interessanten

    Objekten ist gewachsen und damit

    auch seine Selbststndigkeit. Die

    Begeisterung ber das eigene Kn-

    nen und die Freude, mit der seine

    Bezugspersonen die neu erwor-

    bene Kompetenz wrdigen, baut

    Selbstvertrauen und ein Gefhl der

    Selbstwirksamkeit auf, was wieder-

    um seine Persnlichkeitsentwicklung

    positiv beeinflusst. Fachkrfte be-

    rcksichtigen bei der Gestaltung vonLern- und Entwicklungswelten, dass

    Kinder ihre individuellen Entwick-

    lungsaufgaben und Bildungswege

    immer ganzheitlich und damit in

    mehreren Lernbereichen gleichzeitigverfolgen.

    In keiner spteren Lebensphase

    sind die Prozesse von Bildung und

    Entwicklung so eng miteinander ver-

    flochten wie in der frhen Kindheit.

    Die Erkenntnisse der Entwicklungs-

    psychologie sind fr Fachkrfte in

    Kindertageseinrichtungen daher von

    Belang, um die Bedeutung kindlicher

    Handlungen auch im Kontext seines

    jeweiligen Entwicklungsstandesverstehen zu knnen. Normwerte zu

    einzelnen Entwicklungsmerkmalen

    sind in den ersten drei Lebensjahren

    nur eine ergnzende aber keine be-

    lastbare Orientierungshilfe, um ein

    einzelnes Kind angemessen beob-

    achten und frdern zu knnen.

    Frhkindliches Lernen ist ein aktiver,

    ganzheitlicher und komplexer

    Prozess, der immer in seiner Ge-

    samtheit zu frdern ist. Fachkrftegestalten Lernumgebungen, die der

    Individualitt frhkindlicher Lern-

    und Entwicklungsprozesse Rechnung

    tragen und an die Ressourcen und

    Interessen der Kinder anknpfen. Sie

    haben dabei immer den gesamten

    Entwicklungskontext eines Kindes

    im Blick, wenn sie ein Kind bei der

    Bewltigung einzelner Entwick-

    lungsaufgaben untersttzen.

    In ihren ersten drei Lebensjahren ler-nen Kinder zu essen, zu trinken, zu

    laufen, zu sprechen, zu denken, sich

    sozial auszutauschen und entdecken

    die Einzigartigkeit ihrer Identitt.

    Aber nicht alle Kinder erwerben

    diese Fhigkeiten zur gleichen Zeit,

    in der gleichen Reihenfolge und auf

    die gleiche Art und Weise. Kinder

    brauchen Raum und Zeit, um ihre

    Entwicklungsaufgaben zu meistern.

    Sie wagen sich nur dann selbstbe-

    wusst in neue Bereiche vor, wennsie in alten Verhaltensformen sicher

    sind. Das Kind ist damit Akteur sei-

    ner Entwicklung. Weder Eltern noch

    II. Bildungsziele in Lernbereichen und Erfahrungsfeldern

    FRHKIND

    LICHE

    BILDUNG

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    pdagogische Fachkrfte knnen

    Entwicklungsschritte herbeifhren,

    zu denen das Kind noch nicht bereit

    ist. Individuelle Unterschiede in der

    frhkindlichen Entwicklung sind

    normal und mssen in der pdagogi-

    schen Arbeit bercksichtigt werden.Es ist wichtig, Kindern fr ihre Bil-

    dungswege und Entwicklungsaufga-

    ben Zeit zu lassen.

    Entwicklung vollzieht sich also in

    der Regel wie von selbst, wenn

    von Beginn an die grundlegenden

    Bedrfnisse des Kindes befriedigt

    werden und auf das, was das Kind

    mchte, angemessen eingegan-

    gen wird. Wann ein Kind zu einem

    bestimmten Entwicklungsschrittbereit ist, hngt von seinen individu-

    ellen Fhigkeiten, Erfahrungen und

    Lebensumstnden ab. Fachkrfte

    beobachten Kinder und gestalten

    Anregungen und Lernimpulse so,

    dass sie auf die Interessen eines

    Kindes eingehen und die nchsten

    Entwicklungsschritte anbahnen.

    Das kindliche Wahrnehmen und

    Begreifen der Welt mit allen Sinnen

    ist die Basis fr Bildungs- und Lern-prozesse in der frhen Kindheit.

    Um der besonderen Bedeutung der

    Entwicklungsaufgabe Wahrneh-

    mung Rechnung zu tragen, wird

    sie in der Gliederung dieses Kapitels

    als Ausgangspunkt bzw. Abschnitt

    Null fr die Entwicklungsaufga-

    ben und Bildungswege von unter

    dreijhrigen Kindern in den Erfah-

    rungsfeldern des niederschsischen

    Orientierungsplans eingefgt. Um

    die Bedeutung des Spiels als ele-mentarer Lernform in der frhen

    Kindheit zu verdeutlichen, wird der

    Bezug zwischen den Bildungswegen

    in einzelnen Lernbereichen und den

    damit verbundenen Entwicklungen

    im Spiel von Kindern kurz erlutert.

    0. Wahrnehmung

    Die sinnliche Wahrnehmung ist das

    Eingangstor fr Welterfahrung.

    Nichts ist im Kopf, was vorher nicht

    in den Sinnen war. Das Ertasten der

    Beschaffenheit von Oberflchen undMaterialien, das Erleben von Geruch,

    Geschmack, Geruschen, Tempera-

    turen, Lichtverhltnissen, liebevoller

    oder unangenehmer Berhrung

    sowie einer Vielzahl weiterer als

    positiv oder negativ empfundene

    Sinneserlebnisse sind fr ein Kind

    zunchst lediglich Informationen.

    Jedes Kind muss lernen, zwischen

    einer Vielfalt an Reizen auszuwhlen

    und diese ausgewhlten Reize zu

    bewerten. Wahrnehmung ist dahereine zentrale Entwicklungsaufgabe.

    Mit der Entwicklung seiner Sinnes-

    organe erhlt ein Kind immer neue

    Zugnge zu seinem rumlichen

    und sozialen Umfeld sowie fr die

    Entwicklung seines Krperbewusst-

    seins und seines Selbstbildes. Auf der

    Grundlage von vielfltigen Sinnes-

    eindrcken macht ein Kind Erfahrun-

    gen, die wiederum fr die weitere

    Entfaltung seiner Wahrnehmungs-kompetenz Bedeutung haben.

    Dabei wird seine Wahrnehmung

    immer genauer und differenzierter.

    Wahrnehmung ist damit ein Verar-

    beitungsprozess von Sinneseindr-

    cken zu Erfahrungen und Wissen. An

    diesem Prozess sind Krper, Gefhle,

    Erinnerung und Denken beteiligt.

    In den ersten Lebensmonaten

    beginnt ein Kind, uere Einflsse

    so zu ordnen, dass es Personen undDinge abzugrenzen beziehungs-

    weise zu unterscheiden vermag

    und erste Bilder von den Dingen

    der Welt entstehen knnen. Die

    verschiedenen sinnlichen Wahrneh-

    mungsmglichkeiten ergnzen sich

    dabei. Visuelle, akustische, krperli-

    che, atmosphrische und emotionale

    Informationen werden gleichzeitig

    aufgenommen und verarbeitet. Es

    wird ein Gesamtbild erzeugt, das

    im Gedchtnis verankert und zuErfahrungen und Wissen verarbeitet

    werden kann.

    Die Wahrnehmungsfrderung im

    ersten Lebensjahr eines Kindes kann

    nur in direktem Berhrungs- und

    Blickkontakt stattfinden, da sich

    die Fernsinne erst Schritt fr Schritt

    entwickeln. In Pflege- oder Versor-

    gungssituationen oder bei spieleri-scher Zuwendung knnen Fachkrf-

    te fr Kinder Anreize setzen, die

    Welt zu ertasten und damit auch zu

    begreifen. Sanfte Berhrungen oder

    ein liebevoller Tonfall in der Anspra-

    che wecken Freude, bieten Entspan-

    nung und geben Sicherheit fr neue

    Erkundungen.

    Kleine Kinder lernen handelnd

    zum Beispiel durch aktive Berhrung

    oder die Erkundung mit Mund, Hn-den und Fen. Zuerst ist der Mund

    das Tor zur Welt. Die Zunge prft

    jede neue Entdeckung und bersetzt

    sie fr die anderen Sinne. Im Laufe

    des Krippenalters lsst die Mund-

    wissenschaft allmhlich nach. Dann

    reicht oft schon ein Blick oder eine

    Berhrung um festzustellen, ob

    etwas fr eine weitere Erkundung

    interessant ist. Kinder begreifen so

    Schritt fr Schritt Grenunterschie-

    de, Formen und die Beschaffenheitvon Materialien. Sie lernen zwischen

    hell und dunkel, kalt und warm oder

    hart und weich zu unterschieden.

    Je hufiger, differenzierter und

    vielfltiger etwas wahrgenommen

    wird, desto bestndiger werden die

    mit bestimmten Reizen verbundenen

    Erfahrungen und damit auch das

    Wissen ber die Welt, den eigenen

    Krper und die eigene Identitt.

    Wegen seiner elementaren Bedeu-tung fr frhkindliche Lern- und Ent-

    wicklungsprozesse geben Fachkrfte

    der Entwicklung von Wahrnehmung

    ein hohes Ma an Aufmerksamkeit,

    Zeit und Raum. Wenn ein Kind seine

    Sinne nicht ausprobieren, entwickeln

    und differenzieren kann, dann kn-

    nen sich Wahrnehmungsfhigkeiten

    nur eingeschrnkt entfalten. Kinder

    sollten daher mit dem ganzen

    Spektrum ihrer Sinneskanle Ein-

    drcke, Erlebnisse und Erfahrungensammeln knnen, gleichzeitig aber

    keiner Reizberflutung ausgesetzt

    sein.

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    Kinder nehmen nicht nur physische,

    optische oder akustische Reize, son-

    dern auch Stimmungen, Konflikte,

    die persnliche Haltung von Bezugs-

    personen und ihre Art des Umgangs

    wahr und verarbeiten diese sehr

    individuell. Das Erkennen von Emo-tionen, Beziehungen und sozialer In-

    teraktion ist damit Teil eines immer

    komplexer werdenden Spektrums

    von kindlicher Wahrnehmung und

    Selbstwahrnehmung. Spannungen in

    zwischenmenschlichen Beziehungen

    und eine mangelnde Authentizi-

    tt ihrer Bezugspersonen knnen

    Kinder aus der Balance bringen und

    in ihrer eigenen Wahrnehmung

    verunsichern.

    Die Souvernitt im Umgang mit

    inneren Vorstellungswelten und die

    damit verbundenen kognitiven F-

    higkeiten erweitern sich in den ers-

    ten drei Lebensjahren stetig. Kleine

    Kinder gehen zunchst davon aus,

    dass ihre Wahrnehmung ein Abbild

    der Realitt ist. Erst allmhlich be-

    greifen sie, dass die Auenwelt nicht

    aufhrt zu existieren, wenn sie die

    Augen schlieen oder sich die Ohren

    zuhalten. Gegen Ende des drittenLebensjahres bewegen sich die

    meisten Kinder sicher in ihrer Innen-

    und Auenwelt. Ihre Kompetenz im

    Umgang mit Fiktion und Realitt,

    Vorstellung und Wirklichkeit wchst.

    Wahrnehmung ist die sinnliche

    Grundlage, die dem Kind ermg-

    licht, sich seine Lebenswelten zu

    erschlieen. Wahrnehmungskompe-

    tenz und Erfahrung werden im Spiel

    des Kindes erweitert und erprobt.Diese Wahrnehmungs-, Erfahrungs-

    und Lernprozesse beginnen mit spie-

    lenden Gegenstandsmanipulationen

    und entfalten sich in den ersten drei

    Lebensjahren ber die Exploration

    und das Symbolspiel bis hin zum

    Rollenspiel. Altersgerechte Bildungs-

    angebote bercksichtigen die enge

    Verzahnung von Wahrnehmung und

    Handeln in frhkindlichen Bildungs-

    prozessen.

    ANREGUNGEN ZUR REFLEXION

    knnen Kinder beim Essen,

    Waschen, drauen Spielen oder

    in anderen Alltagssituationen in

    unserer Einrichtung sammeln?

    gengend Freiraum geben, um die

    von ihm gewhlten Ttigkeiten zu

    verfolgen?

    Kinder, ihren Krper und ihre

    Fhigkeiten wahrzunehmen?

    angesprochen, wenn Kinder unsereRume erkunden und an unseren

    pdagogischen Angeboten

    teilnehmen?

    sich alle Kinder wohlfhlen?

    Kinder einer Reizberflutung

    ausgesetzt sind?

    1. Emotionale Entwicklung undsoziales Lernen

    Emotionale Entwicklung

    Die Entwicklung von Fhigkeiten,

    mit anderen Menschen zurechtzu-kommen und sich mit ihnen auszu-

    tauschen, ist ein wichtiges Bildungs-

    ziel. Dazu gehrt der Umgang mit

    den eigenen Emotionen und den

    Emotionen anderer Menschen.

    Emotionen helfen Kindern, ihren

    Alltag zu strukturieren. Sie geben

    Hinweise darauf, wie eine Situation

    einzuschtzen ist. Sie erlauben Rck-

    schlsse darauf, was wichtig oder

    was unwichtig ist.

    Die Fhigkeit, Emotionen zu erle-

    ben und zu verstehen, ist fr den

    Menschen von zentraler Bedeutung.

    Emotionsverstndnis und Emotions-

    wissen eines Kindes entwickeln sich

    im Dialog mit Bezugspersonen. Das

    Verhalten von Eltern, pdagogischen

    Fachkrften und anderen Kindern

    gibt dem Kind wichtige Rckmeldun-

    gen fr die Entwicklung seiner Ge-

    fhlswelt. Schon ein Sugling nimmt

    in der Mimik seines Gegenbers sehrunterschiedliche Reaktionen und

    Emotionen wahr und lernt Schritt

    fr Schritt zwischen so unterschied-

    lichen Gefhlen wie Freude, Glck,

    berraschung, rger, Angst und Wut

    zu unterscheiden. Kleine Kinder sind

    ihren Gefhlen zunchst ausgeliefert

    und knnen sie kaum regulieren. Sie

    wechseln schnell zwischen herzzer-

    reiendem Weinen und freudigem

    Strahlen. Ab dem dritten Lebensjahr

    erst nimmt ihre Fhigkeit zur Regu-lation von Gefhlen zu, Kuschelbr

    und Schmusetuch knnen in ersten

    Regulationsstrategien eine wichtige

    Rolle spielen.

    Der Ausdruck von Emotionen muss

    ernst genommen und respektiert

    werden. Die einfhlsame und

    respektvolle Resonanz von Bezugs-

    personen auf kindliche Gefhlsu-

    erungen ermglicht es Kindern,

    ihre Gefhle kennenzulernen, siezu verstehen und sie zu regulieren.

    Je differenzierter die Personen im

    Umfeld des Kindes reagieren, desto

    FRHKIND

    LICHE

    BILDUNG

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    besser kann ein Kind auch Abstu-

    fungen oder Unterschiede zwischen

    Gefhlslagen erfahren. Beim Trsten

    knnen hier zum Beispiel so unter-

    schiedliche Aspekte wie das durch

    krperlichen Schmerz zugefgte

    Leid oder auch die Trauer ber einenVerlust thematisiert werden. Die

    Fachkraft zeigt Mitgefhl, das dem

    Kind wiederum als Anregung und

    Modell fr eigenes Handeln und

    Denken dient.

    Die sprachliche Beschreibung von

    Gefhlen durch Bezugspersonen

    vermittelt dem Kind Begriffe, an-

    hand derer es die eigene Innenwelt

    ordnen, verstehen und spter auch

    erklren kann. Darauf aufbauendkann das Kind Handlungsmuster fr

    sein inneres Erleben und fr die L-

    sung von Problemen entwickeln. Das

    bewusste Erleben und Einordnen der

    eigenen Emotionen setzt jedoch vo-

    raus, dass das Kind ein Bewusstsein

    ber sich selbst als eigenstndig han-

    delndes Subjekt entwickelt hat und

    anerkannte Verhaltensregeln kennt,

    zu denen es das eigene Handeln in

    Beziehung setzen kann. Die Erfah-

    rung von Mitgefhl und Verstndnisist damit eine wichtige Grundlage

    fr die Entwicklung von Empathie

    und einem sozial angemessenen

    Verhalten.

    Die sogenannte Trotz- bzw. Autono-

    miephase ist der Entdeckung des Ichs

    und damit verbunden des eige-

    nen Willens geschuldet. Trotz entwi-

    ckelt sich immer aus einem subjektiv

    empfundenen Spannungsverhltnis

    zwischen dem Willen des Kindes undden Mglichkeiten, diesen durchzu-

    setzen. Kinder stellen sich vor dem

    Beginn einer Handlung ein Hand-

    lungsziel vor und sehen sich selbst

    als Urheber/in des Handlungsablaufs.

    Mit ihren Emotionen und Motivatio-

    nen sind sie stark engagiert. Erreicht

    das Kind nun mit dem geplanten

    Handlungsablauf sein Ziel nicht oder

    wird es in der Durchfhrung der

    Handlung behindert oder gestoppt,

    steht ihm zunchst kein alternativerHandlungsplan zur Verfgung. Es

    kommt zum Wutausbruch, den das

    Kind nicht regulieren kann.

    Pdagogische Fachkrfte sollten

    die Notwendigkeit der von ihnen

    gesetzten Grenzen gut durchdenken

    und berlegen, ob und wann die

    Plne der Kinder verhindert werden

    mssen. Machtkmpfe mit Gewin-

    nern und Verlierern sind dabei zu

    vermeiden. Kommt es zum Gefhls-ausbruch, so werden sie rger, Zorn

    und Hilflosigkeit des Kindes aushal-

    ten mssen, bis sich das Kind beru-

    higt hat. Sie drfen das Kind aber

    nicht allein lassen und sollten den

    Kummer des Kindes verstndnisvoll

    verbalisieren und Handlungsalterna-

    tiven zu der ursprnglich verfolgten

    Absicht aufzeigen. Autonomie-

    bestrebungen sind ein normaler und

    notwendiger Ausdruck der Ich-Ent-

    wicklung.

    Ich-Entwicklung und Soziales Lernen

    Die Entfaltung der kindlichen Wahr-

    nehmungsfhigkeiten und das wach-

    sende Selbstempfinden erfolgen im

    engen Kontakt zwischen dem Kind

    und seinen Bezugspersonen. DieErfahrungen, die Kind und Bezugs-

    person gemeinsam machen, und der

    Austausch ber das Erlebte ist die

    Keimzelle frhkindlicher Bildung.

    Am Du der Bezugsperson wird

    das Kind zum Ich. Je intensiver

    Bezugsperson und Kind in einen ge-

    genseitigen Austausch treten und in

    wechselseitiger Auseinandersetzung

    miteinander kommunizieren, umso

    strker macht das Kind die Erfah-

    rung, dass sein Verhalten Wirkungerzielt. Von den Interaktionen mit

    Bezugspersonen hngt ab, wie Kin-

    der sich selbst einschtzen. Fachkrf-

    te tragen daher Verantwortung, dass

    sich ein Kind als kompetent, wichtig

    und einflussnehmend erleben kann

    und ein positives Selbstbild entwi-

    ckelt.

    Die Reaktionen eines Erwachsenen

    auf die Kommunikationsbestrebun-

    gen eines Kindes sind wie ein Spiegelzu verstehen, der dem Kind sein ei-

    genes Verhalten reflektiert und ihm

    damit zeigt, was es tut, denkt und

    erlebt. Sie erlauben ihm, sein Han-

    deln als etwas Eigenes zu erleben.

    Diese Erfahrung von Selbstwirksam-

    keit ist eine wichtige Voraussetzung

    fr die Entwicklung von Selbstver-

    trauen und Selbstwertgefhl. Darauf

    aufbauend entwickeln sich Vorstel-

    lungen von Mein und Dein

    sowie die Fhigkeit, sich auch in dieGefhlswelten anderer Menschen

    hineinzuversetzen (Empathie).

    Die Entfaltung emotionaler Kom-

    petenzen, Ich-Entwicklung und

    soziales Lernen sind eng mitein-

    ander verzahnt und bedingen sich

    gegenseitig. Das Verhalten, mit

    dem Bezugspersonen dem Kind

    begegnen, hat sowohl Einfluss auf

    seine Einstellungen und Gefhle

    als auch auf seine Fhigkeit, sichin schwierigen Lebenssituationen

    zu behaupten (Resilienz). Ehrliches

    Lob, Anerkennung und Hilfe zur

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    Selbsthilfe machen Kinder stark und

    vermitteln ihnen das grundlegende

    Gefhl von Achtung, Respekt und

    Selbstwirksamkeit. Potenziell hat so-

    mit jede soziale Situation einen An-

    teil am Aufbau von Selbstvertrauen.

    Der Prozess, in dem die Reaktionenund Haltungen der sozialen Umwelt

    zum Wissen ber sich selbst und zur

    Wertschtzung der eigenen Person

    verarbeitet werden, ist komplex und

    von lebenslanger Dauer.

    Die soziale Entwicklung ist eng mit

    der emotionalen Entwicklung ver-

    knpft. Mit ihr lernen Kinder, lang-

    fristige positive Beziehungen zu an-

    deren aufzubauen. Sie lernen auch,

    eigene Ziele unter Bercksichtigungvon allgemeingltigen Regeln und

    Normen zu erreichen. Sozial kompe-

    tentes Handeln wird von Kindern vor

    allem dann dauerhaft in das eigene

    Verhaltensrepertoire bernommen,

    wenn es im Einklang mit nachvoll-

    ziehbaren Wertorientierungen und

    moralischen Leitvorstellungen steht,

    die von Eltern und Erzieherinnen

    vorgelebt werden. Auch Verhal-

    tensweisen von Kindern mit einem

    hnlichen Entwicklungsstand (Peers),die sich auf Augenhhe begegnen,

    werden sehr oft bernommen,

    insbesondere wenn Verhalten von

    Erfolg gekrnt ist.

    Mit zunehmendem Alter suchen

    Kinder immer mehr den Kontakt zu

    anderen Kindern. Gemeinschaftli-

    che Rituale, die alle Kinder einbe-

    ziehen zum Beispiel im Rahmen

    des Morgenkreises frdern das

    Wir-Gefhl in einer Kindergruppe.In der gegenseitigen Nachahmung

    erleben sich Kinder als kompetent

    und drcken Verbundenheit und

    Gleichartigkeit aus. Beziehun-

    gen zwischen Kindern sind daher

    wichtige Ressourcen fr ihre soziale

    Entwicklung.

    Schon dem Krippenkind ist das

    Erkennen und Erleben der eigenen

    Wirksamkeit und Durchsetzungs-

    kraft wichtig. berraschend viele

    Interessenskonflikte werden in den

    ersten Lebensjahren durch lautstarke

    oder krperliche Auseinanderset-zung geprgt. Fr das Erlernen von

    Regeln sozialer Interaktion (Geben,

    Nehmen, Tauschen und Teilen)

    muss ein Kind viele und vielfltige

    Erfahrungen machen. Wenn es dabei

    Grenzen auslotet, muss es erleben,

    wie sich der eigene Wille mit dem

    Willen anderer und den Regeln des

    Miteinanders vereinbaren lassen.

    Neben Geduld bentigt die Fach-

    kraft hier Klarheit in ihrem Handeln

    und das Bewusstsein, dass jedesKind nicht nur Autonomie, sondern

    auch die Einbindung in sein soziales

    Umfeld anstrebt.

    Emotionale Entwicklung und sozi-

    ales Lernen sind wichtige Schlssel-

    kompetenzen, die sich im kindlichen

    Spiel entfalten. Wenn ein Kind beim

    Wiederholen, Explorieren und Vari-

    ieren seiner Handlungen Bezugsper-

    sonen einbeziehen kann, so frdert

    dies den Erwerb sozialer Kompe-tenzen. Es lernt beispielsweise, ein

    Spielzeug von einem anderen Kind

    zu erhalten, ohne es ihm gewaltsam

    wegzunehmen.

    Mit wachsenden emotionalen und

    sozialen Fhigkeiten der Kinder

    entwickelt sich ihr Spiel zu immer

    neuen Formen. Die Jngsten verfol-

    gen ihre Themen berwiegend im

    Allein- oder Parallelspiel und suchen

    den gegenseitigen Blickkontakt. Mitzunehmendem Alter finden erste

    Kooperationsspiele statt, die sich

    dann zu Spielformen mit verteilten

    Rollen entwickeln.

    ANREGUNGEN ZUR REFLEXION

    Emotionen um? Welche erlaube ich

    mir zu zeigen? Welche Strategien

    habe ich selbst entwickelt, um

    meine Emotionen zu regulieren?

    ihre Gefhle reden? Wie knnen

    wir ihnen helfen, ihre Gefhle zu

    bewltigen?

    nicht zeigen sollte? Warum?

    in ihrem Denken, Handeln und

    Erleben als wichtig und kompetentwahrgenommen zu werden?

    zwischen Mdchen und Jungen,

    wenn ich emotionale Entwicklung

    begleite?

    Einrichtung vermitteln Kindern

    Sicherheit, Freude und ein positives

    Wir-Gefhl?

    Erleben von Gefhlen wie Glck,

    berraschung, Angst, Wut oder

    Trauer Begleitung bentigt?

    gern oder ungern mit einem

    anderen Kind spielt? Welche

    Bedeutung hat das fr mein

    pdagogisches Handeln?

    um? Was bedeutet dies fr meine

    pdagogische Arbeit?

    damit Kinder ein positives Bild

    von sich selbst entwickeln? Wie

    gehe ich auf Kinder mit geringem

    Selbstvertrauen ein?

    Selbstkonzept auf das Bildungs-

    und Erziehungsgeschehen in derKrippengruppe aus?

    FRHKIND

    LICHE

    BILDUNG

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    2. Entwicklung kognitiverFhigkeiten und der Freudeam Lernen

    Der Begriff der Kognition leitet sich

    aus dem lateinischen Verb cog-

    noscere ab, welches mit erfah-

    ren, kennenlernen und erkennen

    bersetzt wird. Er bezeichnet das

    menschliche Denken in einem um-

    fassenden Sinn, von der Erfahrung

    ber deren Verarbeitung bis hin

    zu Erkenntnis und Wissen. Zu denkognitiven Fhigkeiten als Grundla-

    ge fr menschliches Denken zhlen

    unter anderem Aufmerksamkeit,

    Konzentration, Erinnerung aber

    auch Kreativitt, Planen, Schlussfol-

    gern und die Vorstellungskraft. Der

    Erwerb kognitiver Fhigkeiten ist

    ein wichtiger Bestandteil frhkind-

    licher Entwicklungsaufgaben und

    Bildungswege. Schritt fr Schritt

    entwickelt ein Kind das Denken als

    innerliches Handeln und kann sichauch mit Gegenstnden, Personen

    und Situationen auseinandersetzen,

    die nicht prsent sind. Mit Hilfe

    dieser Denkstrukturen kann ein Kind

    nun planen, bevor es handelt, und

    Vermutungen ber das Ergebnis von

    Ablufen und Handlungen anderer

    anstellen.

    Die kognitive Entwicklung eines

    Kindes verluft vom konkreten,

    handlungsnahen, egozentrischenhin zum abstrakten, theoretischen,

    mehrperspektivischen Denken. Sie

    ist ein vielschichtiger Reifungs- und

    Entwicklungsprozess in aktiver Aus-einandersetzung mit der natrlichen

    und sozialen Umwelt. Sie verluft

    eng verknpft mit und in wechselsei-

    tiger Abhngigkeit von anderen Ent-

    wicklungsbereichen wie zum Beispiel

    der Entwicklung von Wahrnehmung,

    Bewegung und Sprache. Ausgangs-

    punkt fr die kognitive Entwicklung

    ist die Bindung eines Kindes an seine

    Bezugspersonen. Je vielfltiger seine

    Beziehungen zu Erwachsenen und

    anderen Kindern sind, desto diffe-renzierter knnen sich seine konkre-

    ten Handlungs- und Vorstellungswel-

    ten und letztlich auch sein abstraktes

    Denken entwickeln.

    Bei nur wenige Monate alten

    Kindern sind Dinge bzw. Objekte

    und die darauf bezogenen Wahr-

    nehmungshandlungen noch eine

    untrennbare Einheit. Im Denken des

    Kindes geht es noch nicht um den

    Gegenstand als unabhngiges Ob-jekt, sondern um die Erfahrungen,

    die das Kind mit diesem Gegenstand

    macht. Vertraute Handlungsablufe

    sttzen dabei die Vorstellungs-

    kraft. Wie reagiert der Gegenstand,

    wenn er berhrt wird? Fhlt er sich

    angenehm oder unangenehm an?

    Das Objekt als solches hrt fr den

    Sugling auf zu existieren, wenn es

    aus seinem Blickfeld verschwunden

    und damit seiner Wahrnehmung

    entzogen ist.

    Die Einheit von Objekt und Hand-

    lung lst sich im Laufe des ersten

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    Lebensjahres auf. Kinder begreifen,

    dass Objekte eine von ihnen und

    ihren Handlungen unabhngige

    Existenz haben und sich auch nicht

    verndern, wenn sie vorbergehend

    aus dem Wahrnehmungsbereich

    geraten. Sie wickeln Gegenstndein Tcher oder Papier und begreifen

    handelnd:Wenn ich etwas verberge,

    ist es immer noch da, obwohl ich es

    nicht sehen kann. Sie transportieren

    Dinge an einen anderen Ort und

    stellen fest, dass der Gegenstand der

    gleiche geblieben ist. Sie entwickeln

    gedankliche Vorstellungen von

    den Personen und Dingen ihrer Welt

    und knnen auf diese zurckgreifen.

    Sie beginnen, gezielt nach einem

    Menschen oder einem Gegenstandzu suchen. Sie merken, dass ein

    Objekt von einer anderen Person

    gleichzeitig wahrgenommen werden

    kann und dass sie ihre Aufmerksam-

    keit durch Zeige-Gesten mit anderen

    Personen teilen knnen. Ein wich-

    tiger Schritt zur Konstruktion einer

    persnlichen Weltsicht ist vollbracht,

    Grundlagen fr die weitere Entwick-

    lung sprachbezogener Denkleistun-

    gen sind gelegt.

    Mit zunehmendem Alter entwickelt

    das Kind immer differenziertere Vor-

    stellungen von Dingen und Vorgn-

    gen. Sie sind zunchst bildhaft, kon-

    kret und anschaulich. Zunehmend

    strukturieren Kinder ihr Wissen und

    bilden gedankliche Symbole und

    Kategorien, die die Gegenstnde

    der Umwelt in ihren wesentlichen

    Merkmalen beschreiben. Einer

    Kirsche werden zum Beispiel die Ob-

    jekteigenschaften rot, rund, saftigzugeordnet. Eine Tasse, ein Becher

    und eine Flasche haben die Funkti-

    onseigenschaft Trinkbehlter. Ein

    Adler und ein Spatz knnen beide

    der Kategorie Vogel zugeordnet

    werden. Auf diesem Weg zum abs-

    trakten Denken lernt ein Kind auch,

    sich als Mdchen oder Junge

    zu unterscheiden und spter durch

    Nachahmung und andere Aneig-

    nungsprozesse seine individuelle

    Geschlechterrolle aufzubauen.

    Das Interesse von Kindern an Abbil-

    dungen aller Art wchst parallel zu

    der Entwicklung ihrer kognitiven

    Fhigkeiten. Das Anschauen von

    Bilderbchern erhlt in der frhkind-

    lichen Welterkundung eine wich-

    tige Rolle. Zunchst geht es dabei

    vor allem um das Wiedererkennen

    vertrauter Objekte, die Erwachsenemit einem Namen benennen. Spter

    erkennt das Kind auch einfache

    Zusammenhnge und Handlungs-

    ablufe in der Abbildung wieder:

    einem Baby werden die Windeln

    gewechselt, ein Kind zieht sich

    Schuhe an. Kinder, die mit Bilderb-

    chern vertraut sind, verstehen schon

    bald kleine Bildergeschichten und

    knnen die Inhalte von Geschichten

    auch selbst weiterentwickeln. Sie

    erzeugen Vorstellungen, die sie imGedchtnis abspeichern und immer

    wieder abrufen knnen. Kinder

    lernen so, sich im Rahmen ihrer

    Vorstellungskraft mit bestimmten

    Zusammenhngen auseinander-

    zusetzen. Die betroffenen Dinge

    oder Menschen mssen nicht mehr

    anwesend sein.

    Die Sprachentwicklung gibt der

    wachsenden Entfaltung kognitiver

    Fhigkeiten Ausdruck. Mit dem Er-lernen sprachlicher Begriffe verfgt

    das Kind ber ein abstraktes Symbol-

    system, mit dem Gegenstnde durch

    Laute beschrieben werden knnen.

    Nun steht ein Wortsymbol fr einen

    Gegenstand und kann auch verwen-

    det werden, wenn der Gegenstand

    nicht gegenwrtig ist. Das Kind

    lernt, sich mit seiner Vorstellungs-

    kraft aus der realen Welt zu lsen

    und sich rein gedanklich vorzustel-

    len, was es zum Beispiel mit einemnicht vorhandenen Ball tun knnte.

    Die individuelle Weltsicht prgt das

    Handeln eines Kindes. Seine kogni-

    tiven Fhigkeiten ermglichen Aus-

    tauschprozesse und Wechselwirkun-

    gen zwischen der ueren Welt von

    Sinneseindrcken und Erfahrungen

    mit der inneren Welt von Vorstel-

    lungen und Gefhlen. Sie beeinflus-

    sen die Verarbeitungsmuster von

    Wahrnehmung, die Erweiterung vonWissensbestnden, die Herstellung

    und Interpretation von Zusammen-

    hngen und damit das Erklren,

    Bewerten und Schlussfolgern. Die

    Entwicklung der Vorstellungskraft

    ermglicht es Kindern, fr Probleme

    und selbstgestellte Herausforderun-

    gen kreative und bei Frustrationen

    auch alternative Lsungswege zu

    erdenken (Selbstregulation), sich inandere Menschen hineinzuversetzen

    (Empathie) und zu erfahren, dass die

    eigenen Vorstellungen von anderen

    Menschen geteilt werden oder von

    diesen abweichen knnen (Sozial-

    kompetenz).

    Im Symbolspiel erschafft sich das

    Kind eine eigene Wirklichkeit ab-

    gekoppelt von der Realitt und doch

    mit ihr in Verbindung bleibend:Der

    Baustein, der im Puppenspiel erst alsTelefon, dann als Kamm und dann

    als Brot Verwendung findet, wird

    wieder zum Baustein, wenn das Spiel

    beendet wird. Das Kind erfindet sei-

    ne inneren Vorstellungswelten nicht

    jedes Mal neu, sondern kann auf im

    Gedchtnis abgespeicherte Spielse-

    quenzen zurckgreifen, die in jedem

    neuen Spiel mehr oder weniger stark

    verndert und angereichert werden.

    So erschafft ein Kind sich eine Fan-

    tasiewelt, die es ein Stck unabhn-giger von der Realitt macht. Hier

    gedeihen Kreativitt und Einfalls-

    reichtum. Hier kann ein Kind ngste

    verarbeiten, Ohnmachtsgefhle

    kompensieren und Wunschvorstel-

    lungen verfolgen. Hier verarbeitet

    es Erlebtes und entwickelt seine

    kognitiven Fhigkeiten.

    Die Handlungen eines Kindes im

    Symbolspiel bzw. Als-ob-Spiel

    zeigen, in welchem Umfang seine in-neren Bilder wachsen, und spiegeln

    seine Vorstellungskraft. In einem

    ersten Schritt vollziehen Kinder zu-

    nchst spielerisch die Handlungen an

    sich selbst, die sie bereits aus ihrem

    Alltag kennen. Sie tun zum Beispiel

    so, als ob sie sich schlafen legen.

    Spter bertragen sie diese Hand-

    lungen auf andere Gegenstnde

    und Personen. Zunehmend werden

    Spielhandlungen geplant und finden

    nicht mehr nur rein zufllig statt.Im Laufe der weiteren Entwicklung

    beginnen Kinder, ganze Szenen ihres

    Alltags nachzuspielen.

    FRHKIND

    LICHE

    BILDUNG

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    ANREGUNGEN ZUR REFLEXION

    Handlungsablufe verfolgen

    Kinder mit welchen Interessen?

    Was bedeutet das fr die Planung

    des pdagogischen Alltags in derKrippengruppe?

    damit sich Kinder auf etwas

    Neues einlassen und sich damit

    konzentriert auseinandersetzen?

    Interessen eines Kindes ergrnden?

    ermutigen, diese auf immer neueArt und Weise zu verfolgen?

    Krippenalltag Fantasie, Magie,

    Wissenschaft und Traum?

    Wahrnehmung, Experimentieren,

    Bauen und Konstruieren bieten

    wir den Kindern in unserer

    Einrichtung?

    Zweckentfremden und Umbauen,

    zum Ein- und Auswickeln,

    Verstecken, Stapeln, Sortieren,

    Rollen oder Sortieren ein?

    Angeboten den unterschiedlichen

    Entwicklungsstufen von Kindern

    zwischen 0 und 3 Jahren gerecht?

    Begabungen wahr und gehen auf

    diese ein?

    3. Krper, Bewegung undGesundheit

    Krper und Bewegung

    Bewegung ist die Voraussetzung fr

    Bildung, denn Erfahrungen lassensich nur in einer bewegten Ausein-

    andersetzung mit der Umwelt ma-

    chen. Das Greifen wird zum Begrei-

    fen und Ergreifen, das Fassen zum

    Befassen und Erfassen. Die Entwick-

    lung von motorischen Fhigkeiten

    erffnet immer auch neue Horizonte

    fr Fhlen, Wahrnehmen, Handeln

    und Denken. Kriechen, Rutschen

    und Rennen befhigen nicht nur zur

    Beherrschung des eigenen Krpers,

    sondern ermglichen auch Erfahrun-gen fr die Entwicklung neuer, abs-

    trakter Denkstrukturen. Die Bedeu-

    tung von Begriffen wie hinein und

    hinaus, hoch und herunter

    erfahren und lernen kleine Kinder

    in Bewegung. In gleicher Weise

    wird das sptere Erlernen komple-

    xer Bewegungsabfolgen (Turnen,

    Radfahren) dadurch bedingt, dass

    ein Kind seine Bewegungsabfolgen

    planen kann.

    Wie Essen, Trinken und Schlafen ist

    Bewegung ein Grundbedrfnis und

    damit Voraussetzung fr die krper-

    liche, geistige und seelische Ent-

    wicklung eines Kindes und fr sein

    gesundes Aufwachsen. Das Bedrfnis

    von Kindern nach Bewegung ist ber

    den Tag verteilt sehr unterschiedlich.

    Jedes Kind braucht sein Ma an

    Bewegung und muss dieses im Laufe

    des Tages gem seinem individu-

    ellen Bedarf ausleben knnen. Ingleicher Weise braucht es sein indivi-

    duelles Ma an Ruhephasen, um sich

    nach bewegungsintensiven Phasen

    wieder zu erholen und Erlebtes zu

    verarbeiten.

    In der Erprobung des eigenen Kr-

    pers entwickeln Kinder ihre motori-

    schen Kompetenzen. Sie lernen, sich

    gegen die Schwerkraft zu behaup-

    ten, sich fortzubewegen und gezielt

    auf die Umwelt einzuwirken. Sie

    lernen, den Dingen auf den Grundzu gehen, Grenzen zu erfahren,

    Schwierigkeiten zu berwinden und

    selbstndig zu werden. Sie spren ih-

    ren Krper bei der Vernderung von

    Atmung, Herzschlag und Schwitzen.

    Motorische Entwicklungsfortschritte

    erleben Kinder dabei ganz bewusst:

    zum ersten Mal allein durch den

    Raum laufen, auf einen Stuhl klet-

    tern knnen, mit dem Roller fahren.

    Krpererfahrungen sind immer auch

    Selbsterfahrungen. Sie strken dieSelbststndigkeit, das Selbstbewusst-

    sein und die Unabhngigkeit eines

    Kindes, denn sie sind mit einem

    hohen Ma an erlebter Selbstwirk-

    samkeit verbunden.

    Die Gestaltung und Nutzung von

    Innen- und Auenrumen in Ein-

    richtungen fr Kinder unter drei

    Jahren sind darauf ausgerichtet, die

    motorische Entwicklung eines Kindes

    anzuregen. Rennstrecken, Kletter-bereiche und Bodenspielflchen

    sollten daher immer verfgbar sein.

    Grobmotorische Bewegungsmuster

    wie Strampeln, Krabbeln, Kriechen,

    Hpfen und Laufen knnen durch

    interessante Kletterlandschaften und

    Bewegungsspiele gefrdert werden.

    Erfahrungen von Schaukeln, Klettern

    und Fallenlassen bilden die Grund-

    lage fr eine gute Krperbeherr-

    schung. Im bewegten Spiel mit Bl-

    len, Papier oder anderen Materialiensowie Gebrauchs- und Haushaltsge-

    genstnden knnen Kinder feinmo-

    torische Fhigkeiten von Hnden

    und Fingern wie Greifen, Loslassen,

    Schtteln und Rollen, Einfllen, Auf-

    und Zumachen erproben.

    Gut gemeinte Hilfestellungen fr-

    dern nicht die motorische Entwick-

    lung, sondern bergen die Gefahr von

    Verunsicherung. Niemand muss Kin-

    dern zeigen, wie sie Krabbeln, Sit-zen, Aufstehen oder Laufen lernen

    knnen. Kinder knnen sich selbst

    die Aufgaben stellen, die sie fr das

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    Erreichen ihrer nchsten Entwick-

    lungsschritte bewltigen mssen.

    Um ihre krperlichen Fhigkeiten in

    der ganzen Bandbreite zu entfalten,

    brauchen Kinder allerdings einen

    abwechslungsreichen Bewegungs-

    raum mit vielfltigen bungs- undErfahrungsmglichkeiten, in dem

    Mglichkeiten und Grenzen von

    Krperbeherrschung getestet wer-

    den knnen.

    Je mehr Gelegenheiten ein Kind zum

    ben und Ausprobieren hat, desto

    sicherer und geschickter wird es mit

    seinem Krper umgehen. Fr ein

    Baby heit das, mglichst oft auf ei-

    ner Krabbeldecke krftig strampeln

    zu drfen. Interessante Gegenstn-de wie Blle oder an einer Schnur

    aufgehngte Alltagsgegenstnde

    bieten Anregungen, um die Greifsi-

    cherheit der Hnde und die Trittsi-

    cherheit der Fe zu verbessern. Sie

    sollten knapp erreichbar sein, damit

    das Kind als Ergebnis seiner Anstren-

    gungen Selbstwirksamkeit erfahren

    kann. Fr robbende und krabbelnde

    Kinder sollte im Gruppenraum viel

    freie Flche zur Verfgung stehen.

    Rume, die mit Mobiliar oder Spiel-zeug berfrachtet sind, hemmen

    den Bewegungsdrang.

    Flache Podeste und schrge Ebenen

    ermglichen Kindern, Hhenun-

    terschiede zu erfahren und Entfer-

    nungen abzuschtzen. Freies Sitzen,

    Kopfhaltung und Gleichgewicht sind

    bei Tanz- und Singspielen gefordert.

    Fr das Erlernen des Aufrichtens

    und sicheren Stehens sind gut zu

    greifende Aufrichtungsmglichkei-ten geeignet, die keine Gefahren-

    quellen darstellen. Auch nach der

    Bewltigung des sicheren Gangs

    hrt die Aneignung von weiteren

    Bewegungsfertigkeiten nicht auf:

    Rckwrts Laufen, im Kreis Drehen,

    Treppen Steigen, Hpfen und Sprin-

    gen, auf einem Bein Stehen und

    Balancieren sind nur einige Beispiele

    fr Entwicklungsaufgaben bis hinein

    ins Kindergartenalter.

    Schalensitze, Babywippen und Hoch-

    sthle und andere Vorrichtungen,

    die die freie Bewegung von Kindern

    einschrnken, sollten in Kinderta-

    geseinrichtungen mit Bedacht und

    nur aus gutem Grund eingesetzt

    werden. Kinder brauchen Freiraum,

    um ihre motorischen Fhigkeiten

    zu entwickeln. Dieser sollte nichtunntig eingeschrnkt werden.

    Sicherheitsvorkehrungen zur Unfall-

    verhtung sind so zu konzipieren,

    dass sie diesem Umstand Rechnung

    tragen. Fachkrfte beobachten, was

    sich Kinder selbst zutrauen und was

    sie tatschlich bewltigen. Wenn

    ein Kind ber seine Mglichkeiten

    hinausgeht und unsicher wird, so

    sind sie in erreichbarer Nhe, um

    gegebenenfalls helfend eingreifen

    zu knnen.

    In der Entwicklung ihrer Beweglich-

    keit zeigen Kinder groe Unterschie-

    de. Manche beginnen schon zeitig

    mit dem freien Sitzen, andere tun

    dies erst sehr viel spter. Viele Kinder

    rollen sich schon sehr frh auf die

    Seite in eine andere Lage, andere

    tun dies erst gegen Ende des ersten

    Lebensjahres. Die meisten Kinder

    erlernen das freie Gehen ber die

    Vorstufen des Robbens und desKriechens auf allen vieren. Andere

    lassen diese Zwischenstufen aus.

    Einige Kinder entwickeln ihre ganz

    eigene Art der Fortbewegung bevor

    sie laufen lernen. Sie schlngeln, rut-

    schen oder rollen. Und nicht nur das:

    viele Kinder durchlaufen innerhalb

    von zwei Monaten mehrere Ent-

    wicklungsschritte der Krpermotorikfast nebeneinander, andere tun dies

    Schritt fr Schritt ber einen lnge-

    ren Zeitraum.

    Der Erwerb motorischer Fhigkeiten

    ist eine zentrale Bildungsaufgabe

    und Voraussetzung fr die Bewlti-

    gung weiterer Entwicklungsschrit-

    te. Ein immer grer werdender

    Bewegungsradius erlaubt es dem

    Kind, neue Herausforderungen und

    Schwierigkeiten zu berwinden. Eskann immer mehr erreichen, auspro-

    bieren und selbststndig tun. Damit

    verbunden sind Erfolgserlebnisse,

    die Freude, Befriedigung, Stolz und

    Selbstbesttigung hervorrufen. Dies

    wiederum strkt die Entwicklung

    eines positiven Selbstkonzeptes, die

    Geduld und die Ausdauer. Auf ei-

    genen Beinen stehen und gehen zu

    knnen, erffnet einem Kind neue,

    ungeahnte Erlebniswelten. Seinem

    Wahrnehmen und Denken erffnensich ganz neue Perspektiven.

    FRHKIND

    LICHE

    BILDUNG

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    Gesundheit und Ernhrung

    Voraussetzungen fr die krperliche

    Entwicklung und Gesundheit von

    Kindern sind nicht nur eine ausrei-

    chende Bewegung in Verbindung

    mit Ruhephasen, sondern auch eineausgewogene Ernhrung. Regelm-

    ige Pflegehandlungen wie Hnde-

    waschen und Zhneputzen vermit-

    teln ein erstes Hygieneverstndnis.

    Kinder begreifen die Zusammenhn-

    ge zwischen Bewegung, Ernhrung

    und Gesundheit am besten, wenn

    diese im Ablauf des pdagogischen

    Alltags der Kindertageseinrichtung

    verankert sind und in einer ent-

    spannten, kommunikativen Atmo-

    sphre stattfinden.

    Ziel der ernhrungspdagogischen

    Arbeit ist es, Kindern die Signale ih-

    res Krpers zu vermitteln und sie zu

    einem regelmigen, verantwortli-

    chen und selbstbestimmten Umgang

    mit Essen und Trinken zu befhigen.

    Fr Suglinge und sehr kleine Kinder

    mssen die gesunden Mahlzeiten

    gem ihrem individuellen Tages-

    rhythmus angeboten werden. Die

    Hilfe beim Essen sollte mit etwasRuhe und Zeit als beziehungsfr-

    dernde Pflege gestaltet werden.

    Ein Kind, das lngere Zeit frei sitzen

    kann, kann seine Mahlzeiten dann

    gemeinsam mit den anderen Kin-

    dern am Tisch einnehmen. Nicht nur

    fr ltere Kinder sind feste Mahl-

    zeiten ohne Essenszwang Teil eines

    verlsslichen Tagesablaufs.

    Das Kind erlebt in seinen ersten

    zwei Lebensjahren drei Ernhrungs-

    phasen:Die Still- und Trinkphase, in

    der es Muttermilch oder adaptierte

    Suglingsmilch zu sich nimmt. Mit

    der Milch-B(r)eikostphase beginnt

    der Prozess des Essenlernens. Kinderlernen, zwischen Hungergefhlen

    und anderen Gefhlen zu unter-

    schieden. Wenn Suglinge Hunger

    verspren, bedeutet das existentielle

    Not. Ablenkung vom Hunger hilft

    nur selten und - wenn berhaupt -

    nur kurz. Gegen Ende des ersten Le-

    bensjahres bentigen Kinder keine

    Suglingskost mehr, ihr Essensrhyth-

    mus gleicht sich den Essenszeiten

    der Gruppe an. Kinder hren auf zu

    essen, wenn sie satt sind. Dies sollterespektiert werden. Phasen von Nah-

    rungsspezialisierung, auch farbliche

    Ab- und Zuneigung, sind normal

    und gehen umso schneller vorbei, je

    gelassener die Erwachsenen bleiben

    und sich nicht abschrecken lassen,

    weiterhin zu abwechslungsreichem

    Essen zu ermutigen.

    Essen und Trinken sind nicht nur

    fr das krperliche und emotiona-

    le Wohlbefinden wichtig, sondernbieten auch unzhlige Bildungssitu-

    ationen. Die Zubereitung und der

    Verzehr von abwechslungsreichen

    Speisen stillen nicht nur Hunger,

    sondern bieten Kindern vielfltige

    Anregungen zum Fhlen, Riechen

    und Schmecken wie auch zum

    Experimentieren mit unterschied-

    lichen Kchenutensilien. Das Essen

    mit Besteck fordert die feinmoto-

    rischen Fhigkeiten heraus. Kinder

    merken, dass sie eigene Vorliebenfr Nahrungsmittel haben, die von

    anderen Kindern geteilt oder auch

    nicht geteilt werden. Gemeinsam Es-

    sen strkt das Zugehrigkeitsgefhl

    zur Gruppe und bietet vielfltige

    Bildungs- und Sprechanlsse - zum

    Beispiel zu Geschmack, Herkunft

    oder Temperatur von Nahrungsmit-

    teln.

    ANREGUNGEN ZUR REFLEXION

    von unserer Raumgestaltung aus?

    vergrern bungs- undErfahrungsmglichkeiten fr

    die motorische Entwicklung von

    Kindern?

    der Innenbereich und der

    Auenbereich, damit Kinder ihre

    motorischen Fhigkeiten erproben

    und entwickeln knnen?

    Wagemut von Kindern? Wanngreifen wir ein, wann halten wir

    uns zurck, wann leisten wir Hilfe?

    Rhythmus jedes Kindes im

    Hinblick auf seine Aktivitts- und

    Ruhephasen Rechnung getragen

    werden?

    ist ein Kind? Auf welche Signale ist

    zu achten?

    abwechslungsreiche Ernhrung in

    unserer Kita sicher?

    gesunde Haltung zum Essen?

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    4. Kommunikation, Spracheund Sprechen

    Die Fhigkeit, Sprache(n) zu erwer-

    ben, ist Teil der genetischen Veran-

    lagung eines Menschen. Das Gehirn

    eines Kleinkindes ist von Naturaus darauf vorbereitet, sprachliche

    Muster zu entdecken sowie Regeln

    zu bilden und zu verfeinern. Schon

    die Kleinsten verstehen viel. Bevor

    Kinder selbst erste Wrter ausspre-

    chen (Sprachfhigkeit), verfgen sie

    bereits ber einen passiven Wort-

    schatz. Sie zeigen durch ihre Blick-

    richtung oder ihr Verhalten, dass sie

    eine Mitteilung oder eine Aufforde-

    rung verstehen knnen (Sprachver-

    stndnis).

    Die Entwicklung der Sprachfhigkeit

    ist kein linearer Prozess, sondern

    macht Pausen, die manchmal wie

    Rckschritte wirken. In welchem

    Alter ein Kind das erste Wort klar

    und deutlich sprechen kann, ist

    von Kind zu Kind verschieden. Die

    Sprachentwicklung verluft indivi-

    duell so unterschiedlich, dass in den

    ersten drei Lebensjahren nur schwer

    von einer altersgemen Entwick-lung gesprochen werden kann. Fr

    die ersten Lebensjahre gilt jedoch:

    Zuerst kommt das Denken, dann das

    Verstehen und schlielich das Spre-

    chen. Sprachbildung ist daher eng

    verzahnt mit allen anderen Lern-

    und Bildungsprozessen der frhen

    Kindheit.

    Auch wenn die Fhigkeit zum Spra-

    cherwerb angeboren ist, knnen

    Sprache und Sprechen nur in derdirekten Interaktion mit anderen

    Menschen erlernt werden. Jedes

    Bemhen um die Frderung von

    Sprachverstndnis und Sprachent-

    wicklung setzt voraus, dass Kinder

    unter Einbeziehung aller Sinne in

    kommunikative Prozesse einbezo-

    gen werden. Sprachbildung beruht

    daher auf guten Sprachvorbildern,

    beziehungsvoller Interaktion und

    dem kom