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Hessische Turnjugend | Orientierungsplan Turnen im Ganztag | Seite | 1 Inhalt 1 Einführung zur Rolle des Turnens im Ganztag bzw. in der Schule ........................... 2 1.1 Turnen allgemein in der Gesellschaft ...................................................................... 2 1.2 Turnen in der Schule und im Lehrplan ..................................................................... 2 1.3 Turnen im Ganztag.................................................................................................. 3 2 Ausgewählte Vorgehensweisen (Inhalte und Methoden) im Turnen ......................... 4 2.1 Grundlagen-Information .......................................................................................... 4 2.2 Sportartspezifische Ziele ......................................................................................... 4 2.3 Didaktik und Methodik des Kinder- und Gerätturnens.............................................. 4 2.4 Aktive Hilfeleistung und passive Sicherheitsstellung – Theoretische und fachliche Aspekte beim Helfen und Sichern (Lehrer-, Trainer-, Schüler- bzw. Partnerhilfe)............... 7 3 Ideen und Tipps zum sportartspezifischen Umgang mit den schulischen Rahmenbedingungen ...........................................................................................................9 3.1 Inhaltlich .................................................................................................................. 9 3.2 Allgemein ...............................................................................................................11 4 Übersicht von möglichen Stundeninhalten für die Grundschule und Weiterführende Schule ......................................................................................................12 4.1 Inhaltliche Anregungen für die methodische Vorbereitung der körperlichen Voraussetzungen im Grundschulalter ...............................................................................12 4.2 Stundenbeispiel für die Klassenstufe 6 ...................................................................14 5 Verwendete Literatur und weitere hilfreiche Quellenangaben ................................. 20 Orientierungsplan Turnen im Ganztag

Orientierungsplan Turnen im Ganztag - sportjugend … · einen wichtigen Beitrag indem es durch Angebote wie z.B. Bewegungslandschaften oder Abenteuerturnen vielfältige Erfahrungen

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Inhalt

1 Einführung zur Rolle des Turnens im Ganztag bzw. in der Schule ........................... 2 1.1 Turnen allgemein in der Gesellschaft ...................................................................... 2

1.2 Turnen in der Schule und im Lehrplan ..................................................................... 2

1.3 Turnen im Ganztag.................................................................................................. 3

2 Ausgewählte Vorgehensweisen (Inhalte und Methoden) im Turnen ......................... 4 2.1 Grundlagen-Information .......................................................................................... 4

2.2 Sportartspezifische Ziele ......................................................................................... 4

2.3 Didaktik und Methodik des Kinder- und Gerätturnens .............................................. 4

2.4 Aktive Hilfeleistung und passive Sicherheitsstellung – Theoretische und fachliche Aspekte beim Helfen und Sichern (Lehrer-, Trainer-, Schüler- bzw. Partnerhilfe) ............... 7

3 Ideen und Tipps zum sportartspezifischen Umgang mit den schulischen Rahmenbedingungen ........................................................................................................... 9

3.1 Inhaltlich .................................................................................................................. 9

3.2 Allgemein ...............................................................................................................11

4 Übersicht von möglichen Stundeninhalten für die Grundschule und Weiterführende Schule ...................................................................................................... 12

4.1 Inhaltliche Anregungen für die methodische Vorbereitung der körperlichen Voraussetzungen im Grundschulalter ...............................................................................12

4.2 Stundenbeispiel für die Klassenstufe 6 ...................................................................14

5 Verwendete Literatur und weitere hilfreiche Quellenangaben ................................. 20

Orientierungsplan Turnen im Ganztag

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1 Einführung zur Rolle des Turnens im Ganztag bzw. in der Schule

1.1 Turnen allgemein in der Gesellschaft

Der Turnsport hat geschichtlich und traditionell eine große Bedeutung im deutschen Sprachraum. Seit der Entstehung der turnhistorischen Bewegung im frühen 19. Jahrhundert hat sich der Turnsport von einer nationalen Volksbewegung, mit gesellschaftlichen und politischen Zielen, zu einer grundlegenden Kernsportart in der Neuzeit gewandelt. Kinderturnen, wie es in Vereinen praktiziert wird, stellt eine der umfangreichsten Grundausbildungen für die motorische Entwicklung von Kindern dar. Trotz des hohen geschichtlichen Alters finden sich klassische Turnelemente auch in modernen Trendsportarten, wie z.B. Le Parkour. Damit einhergehend sollte Turnen eine große Rolle im Fach Sport des deutschen Schul- bzw. Bildungssystems spielen.

1.2 Turnen in der Schule und im Lehrplan

In der Schule wird Turnen oft klassisch als Gerätturnen mit dem Ziel der Vermittlung und Erarbeitung gerätespezifischer Elemente unterrichtet. Der Hessische Lehrplan sieht nach aktuellen Bildungsstandards folgende Inhalts- bzw. Bewegungsfelder für den Sportunterricht vor:

- Spielen - Bewegen an und mit Geräten - Bewegung gymnastisch, rhythmisch und tänzerisch gestalten - Laufen, Springen, Werfen - Bewegen im Wasser - Fahren, Rollen, Gleiten - Mit und gegen Partner kämpfen – Ringen und Raufen - Den Körper trainieren, die Fitness verbessern (entfällt für die Grundschule)

Turnen ist nicht nur Leistungs- und Spitzensport (für Wenige), Turnen ist mehr (Vielseitigkeit und Breite des Turnens sollen gerade in Sportangeboten für Kinder und Jugendliche gefördert werden)! Es gibt Formen des Turnens, die nicht die Auslese, sondern die Zugänglichkeit in den Vordergrund rücken. Außerdem steht nicht das Bewegungsergebnis, sondern das Bewegungserlebnis im Mittelpunkt. Das Turnen ist nicht zwingend konkurrenzorientiert, sondern unterstützt das gemeinsame Bewegungshandeln. Zu guter Letzt wird nicht das Spezialistentum, sondern die Vielfältigkeit gefördert. Die Auflösung absoluter Normierungen bei solchen Formen des Turnens bietet wieder vielen Kindern und Jugendlichen den Zugang zu den attraktiven Bewegungsangeboten, die in Schule und Verein ermöglicht werden können. Turnen sollte in erster Linie Spaß machen, freies Bewegen und koordinative sowie konditionelle Fähigkeiten fördern (vgl. Gerling, 2014).

Das wettbewerbsorientierte Gerätturnen, aber mehr noch wettkampffreie sowie spielerische Bewegungs- und Erlebnisaktivitäten an Geräten lassen eine breite Palette von Sinngebungen zu. So lässt sich das Turnen hervorragend unter den pädagogischen Perspektiven des Schul- und Vereinssports lehren und lernen (vgl. Gerling, 2014).

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In Anlehnung an den Sportpädagogen Dietrich Kurz (1986, 1990) umfassen die Sinndimensionen des Sports aus Sicht des Aktiven folgende Aspekte (wobei durchaus noch einige weitere Sinngebungen aus der Perspektive des Kindes bei der Ausübung der sportlichen Aktivität eine Rolle spielen können):

- Bewegungserfahrungen erweitern - Sich körperlich ausdrücken, Bewegungen gestalten - Etwas wagen und verantworten - Das Leisten erfahren, verstehen und einschätzen - Wettkämpfen, kooperieren und sich verständigen - Kontakte zu anderen Menschen aufbauen und vertiefen - Förderung der Gesundheit und Fitness, Gesundheitsbewusstsein entwickeln

1.3 Turnen im Ganztag

Wie bereits erwähnt ist in den Köpfen der Schüler oft das klassische Gerätturnen zum Erwerb turnerischer Elemente verankert. Turnen bietet jedoch sehr viel mehr. Im Turnsport finden sich diverse Sportarten wie z.B. Rope Skipping, Rhönradturnen, Rhythmische Sportgymnastik, Trampolinturnen1, Turnspiele wie Prellball, Faustball, Indiaca, Ringtennis, Völkerball und zuletzt auch das klassische Gerätturnen wieder. Kinderturnen als motorische Grundlagenausbildung leistet einen wichtigen Beitrag indem es durch Angebote wie z.B. Bewegungslandschaften oder Abenteuerturnen vielfältige Erfahrungen in all diesen Bereichen ermöglicht. Beobachtet man Grundschüler in Pausen, so sieht man, dass sich diese sehr gut alleine Beschäftigen können. Egal ob sie an Geräten klettern oder hangeln, schaukeln oder fangen- bzw. verstecken spielen, der Antrieb sich zu bewegen ist enorm. Der natürliche Bewegungstrieb der Kinder kann im Handlungsfeld Turnen sehr gut ausgelebt werden.

Durch den breiteren Organisationsrahmen eines Außerunterrichtlichen Angebots können die vielfältigen Potentiale des Turnens den Kindern zugänglich gemacht werden. So können zum Beispiel bestimmte Elemente, Spiele oder Aufbauten öfter und über mehrere Termine genutzt bzw. geübt werden, da kein Termindruck besteht ein Thema zwanghaft abzuschließen. Durch den längeren Zeitrahmen kann außerdem der Wettkampfgedanke gefördert werden, sofern dies von der Gruppe und der Angebotsausrichtung gewünscht ist.

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2 Ausgewählte Vorgehensweisen (Inhalte und Methoden) im Turnen

2.1 Grundlagen-Information

Bei der differenzierten Beschreibung der Methodik im Inhaltsfeld „Bewegen an und mit Geräten“ und den weiteren relevanten Inhaltsfeldern (z.B. „Spielen“ sowie „Laufen, Springen und Werfen“) innerhalb der turnerischen Grundlagenlagenausbildung ist es sehr wichtig, auf unterschiedliche Vermittlungswege innerhalb der Turnsportarten (sportartspezifisch) und den vielfältigen Bewegungsmöglichkeiten im gesamten Handlungsfeld Turnen (sportartenübergreifend) einzugehen. Zum Erlernen sportartspezifischer Bewegungen/ turnerischer Basiselemente (z.B. Rolle vorwärts am Boden) sind eher geschlossene Lehr- und Lernmethoden, wie methodische Übungsreihen, aus Sicherheitsgründen im schulischen Kontext zu bevorzugen. Jedoch gerade auch offene, spielerische Lehr- und Lernmethoden sind vielfach einsetzbar, um turnerische Grundlagen im Bereich des Kinder- und Jugendturnens zu fördern. Ganztagsangebote befinden sich bei der inhaltlichen Ausgestaltung und Wahl der methodischen Schritte zwischen den Zielgruppen des außerschulischen Vereinssports und dem klassischen Schulsportangebot innerhalb des regulären Unterrichts. Dies spiegelt sich ebenfalls in der Balance zwischen leistungs- und breitensportlicher Ausrichtung des Ganztagsangebotes wider. Sportive Ganztagesangebote werden daher auch in Abgrenzung an die traditionellen Schul- und Vereinssportangebote als „Dritte Säule“ im Sport bezeichnet.

2.2 Sportartspezifische Ziele

Beim Turnen kann der Übende vielfältige Bewegungserfahrungen sammeln wie bei kaum einer anderen Sportart. Deshalb ist es so wichtig gerade den Kindern und Jugendlichen diese Vielfalt der Bewegungsmöglichkeiten anzubieten. Hierbei sind beispielsweise folgende motorische Bereiche zu benennen:

Die Förderung turnspezifischer motorischer Grundlagen wie das Klimmen, Klettern, Steigen, Balancieren, Rollen, Laufen und Springen, Stützen, Hangeln Schaukeln sowie Schwingen; die Entwicklung und Verbesserung der Körperspannung, Stützkraft, Sprungkraft, der Ausbau Koordinativer Fähigkeiten wie Gleichgewicht, Rhythmisierungsfähigkeit Orientierungsfähigkeit durch Raumerfahrungen etc.; die methodische Vermittlung turnerischer Bewegungsfertigkeiten zum Erlernen der Basiselemente wie Rolle vorwärts am Boden, Rad, Handstand, Sprunghocke und –Grätsche etc.

2.3 Didaktik und Methodik des Kinder- und Gerätturnens

Begriffe Didaktik und Methodik

Die Didaktik des Gerätturnens beschäftigt sich mit den Zielen und Inhalten des Gerätturnens, der Strukturierung der Inhalte und der Definition ihres Sportbereichs. Sie fragt nach den Sinn- und Bildungsgehalten des Gerätturnens, den personalen Interaktionen, organisatorischen Voraussetzungen sowie den zentralen Aspekten des Lernprozesses.

„Gerätturnen für alle ist spielerisches Erproben und Erfinden, Variieren und Gestalten, Optimieren und Anwenden von vielfältigen Bewegungsmöglichkeiten des Körpers, ausgelöst durch den Anreiz der unterschiedlichen Turngeräte und deren Kombination (Gerling, 2014, S. 25).

Dies ist eine für das breitensportliche Kinderturnen sinnvolle Definition (offen-spielerischer Ansatz). Beim wettkampf- bzw. leistungsorientierten Gerätturnen spielt eine hohe Normorientierung hinsichtlich der vorgegebenen Ausführungsvarianten von Elementen und Übungen klar eine übergeordnete Rolle (hierdurch leitet sich ein eher geschlossener Lehr- und Lernweg ab).

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Es geht auf der Ebene der Didaktik somit zunächst, um eine Abklärung nach dem „Was?“ und „Warum?“. Lernziele, Lehr- und Lerninhalte sowie Themengebiete werden erarbeitet und formuliert. Erst im Anschluss kann die Vermittlungsebene in den Mittelpunkt gerückt werden, die Frage nach dem „Wie?“. Entsprechende Lehrmaßnahmen und Lernschritte können, ausgehend von den didaktischen Vorüberlegungen, festgelegt werden. Dieser Aspekt wird mit dem Begriff der Methodik bezeichnet.

„Die Methodik (griech. „methodos“ = „der Weg zu etwas“) wird als Weg zum angestrebten Ziel verstanden“ und wird im Kinder- und Gerätturnen als „die Lehre von planmäßigen, wohl durchdachten, zielsicheren Vermittlungs- und Aneignungsverfahren betrachtet, welche sowohl auf angestrebte pädagogische Ziele als auch auf motorische Fähigkeiten und Turnfertigkeiten ausgerichtet sind“ (Gerling, 2014, S. 33). Dabei schließt es sich nicht aus, dass der Weg auch das Ziel sein kann.

Methodische Grundsätze im Kinder- und Gerätturnen (vgl. Gerling, 2014, S. 38-39)

- Vom Leichten zum Schweren - Vom Einfachen zum Komplexen - Vom Bekannten zum Unbekannten - Vom Langsamen zum Schnellen - Von der Grobform zur Feinform - Vom Können zur variablen Verfügbarkeit

Methodische Hilfen im Kinder- und Gerätturnen (vgl. Gerling, 2009, S. 40ff)

- Geräte- und Partnerhilfen - Verbale Hilfe (z.B. Rhythmusvorgabe) - Fehlerkorrektur (bei Kindern sollte nur 1 Grobfehler pro Durchgang korrigiert werden), am besten der erste Fehler in der Ursachenkette -> Oftmals werden sogenannte Folgefehler durch diese Erstkorrektur mitverbessert, da die Einleitung einer Bewegung in vielerlei Hinsicht maßgebend für die spätere Bewegungsausführung ist.

Methodische Übungsreihen

Methodische Übungsreihen (MÜR) sind geordnete Übungsfolgen, die zum Erlernen einer bestimmten motorischen Fertigkeit führen sollen. Eine solche Übungsreihe unterteilt sich in drei Phasen, die wie ein Haus aufeinander aufbauen (vgl. Abbildung).

Zunächst muss ein Fundament als Basis geschaffen werden. Die vorbereitenden Übungen sind meistens Koordinations- und Konditionsübungen, welche auf die entsprechende Zielübung hin ausgerichtet sind. Sie schaffen die grundlegenden Lernvoraussetzungen und entsprechen Übungen aus den Bereichen Koordinations- (z.B. Gleichgewichtsfähigkeit) und Krafttraining (z. B. Stützkraft). Weitere zentrale Lernvoraussetzungen im Gerätturnen sind der Aspekt der Körperspannung, sowie psychische und technische Voraussetzungen.

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Zielübung

Vorübung

Vorbereitende Übung

Die Vorübungen bilden den Hauptteil der MÜR. Hier gibt es verschiedene Übungsformen: Gerätehilfen, Helfer usw. ermöglichen das Turnen der Zielübung (z.B. Wandhandstand gehockt für Handstand) oder auch das Zerlegen der Zielübung in kleinere Sequenzen (z.B. Anlaufschulung oder Brettgewöhnung für einen späteren Grätsch- oder Hocksprung).

Die Zielübungen bilden das Dach der MÜR. Zwar gehört die Zielübung selbst nicht zwangsläufig zur MÜR, doch ihr sollte ein besonderer Stellenwert zukommen. So sollte das Gelernte weiterentwickelt und in anderen Situationen gezeigt werden können.

Dennoch gilt die MÜR als Weg zur Erarbeitung turnerischer Bewegungsfertigkeiten als umstritten. Während die Einen die Methodischen Übungsreihen als den effizientesten und wirkungsvollsten Weg anerkennen, kritisieren Andere sie als zu einengende Lehrmethode. Die Kritiker sagen, durch die MÜR ist es den Turnenden genommen, eigene Bewegungserfahrungen zu sammeln, um in einem selbstentdeckenden Lernprozess die Fertigkeit zu lernen. Hier gilt es abzuwägen und eine eigene Position, abgestimmt auf die jeweilige Lerngruppe, einzunehmen. „Methodik kann immer nur ein Versuch sein, Lernen zu erleichtern“ (Söll, 2008, S. 112) – es sollten also verschiedene Wege aufgezeigt werden, damit die Kinder und Jugendlichen den für sie am besten geeigneten herausfinden können.

Beispielsweise sollten bei der methodischen Einführung von turnerischen Bewegungsangeboten im Grundschulalter die motorischen Grundlagen gerade spielerisch und mit altersgemäßen Herausforderungen geschult und entwickelt werden. Im Bereich der Weiterführenden Schulen kann neben der methodischen Erarbeitung der turnerischen Basiselemente an verschiedenen Geräten, die Vielfalt des Turnens genutzt werden und ebenso alternative Bewegungsformen wie Le Parkour angeboten werden. Hier kann der Fokus stärker auf den Kooperationsaspekt und das Erlernen neuer Bewegungserfahrungen gelegt werden.

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2.4 Aktive Hilfeleistung und passive Sicherheitsstellung – Theoretische und fachliche Aspekte beim Helfen und Sichern (Lehrer-, Trainer-, Schüler- bzw. Partnerhilfe)

Gerade auch Kinder und Jugendliche können und sollen im Kinder- und Gerätturnen frühzeitig (aber gezielt und fachlich-methodisch angeleitet in den Bereichen wo es möglich ist) an die gegenseitige Hilfestellung herangeführt bzw. mit den Aspekten des Helfen und Sicherns vertraut gemacht werden (zum Abschnitt Helfen & Sichern, vgl. Gerling, 2006).

Helfen und Sichern ist ein wichtiger Bereich im Kinder- und Gerätturnen, denn er erfüllt zugleich viele verschiedene Funktionen:

• Unfallverhütung/ Verminderung des Unfallrisiko • Verkürzt den Lernprozess • Erleichtert das Gelingen eines (teilweisen und/ oder ganzen) Bewegungsablaufs bzw. einer Übung (Gewährleistung des

Bewegungserfolgs) • Positive Lenkung des Bewegungsablaufes (Helfen ist eine nonverbale Instruktion) • Förderung der psychischen und sozialen Kompetenzen: - Verantwortung übernehmen (Stärkung des Selbstbewusstseins) - Kommunikation und Kooperation fördern - Durch Vertrauen Angstbarrieren abbauen - Durch die aktive Hilfestellung positive Gefühle erleben - Der aktiv helfenden Person werden im Hinblick auf den Bewegungsablauf wichtige Erkenntnisse vermittelt (sekundärer

Lerneffekt durch geistiges Auseinandersetzen mit dem Bewegungsablauf) • Die Begriffe Helfen, Bewegungsbegleitung und Sichern müssen definitorisch voneinander abgegrenzt werden, um die

drei unterschiedlichen Arten der Hilfegebung voneinander unterscheiden zu können (zum gesamten Abschnitt Helfen & Sichern, vgl. Gerling, 2006).

Bei der aktiven Hilfeleistung („Helfen“) begleiten die Helfer den Turnenden mit festem Griff bis zum sicheren Stand. Unter Helfen wird ein aktives Unterstützen des Bewegungsablaufes verstanden. Es ist ein aktives, zielgerichtetes, eingreifendes Verhalten. Bei Anfänger/innen sollte man sich als Helfer folgenden Leitsatz merken: Helfergriff so früh wie möglich ansetzen und das turnende Kind bis zur sicheren Endposition (Stand, Hang, Stütz, etc.) mit dem Helfergriff begleiten. Dies bedeutet oftmals, dass der Helfer nicht statisch stehen bleiben kann, sondern dass der Helfer sich räumlich innerhalb der zu turnenden Bewegung mitbewegen muss.

Von Bewegungsbegleitung (ist immer noch Aktive Hilfeleistung – Helfen) spricht man, wenn die Hände des Helfers den Bewegungsablauf des Turnenden begleiten und den Ablauf nur noch zum notwendigen Zeitpunkt aktiv unterstützen. Dies wäre die Hilfevariante für fortgeschrittene Kinder, die mit einem Element bereits vertraut sind und nur noch im zentralen Moment unterstützt werden müssen. Ursache hierfür ist oftmals ein psychologischer Faktor und nicht die noch zu wenig ausgeprägten körperlichen Voraussetzungen (physischer Faktor). Ein begleitendes Verhalten orientiert sich an dem Prinzip: So viel wie nötig, so wenig wie möglich!

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Das Sichern (passive Sicherheitsstellung) ist ein abwartendes aber sehr konzentriertes/ aufmerksames Verhalten, eine Bereitschaft zum wirksamen Eingreifen, wenn es zu Problemen bei der Bewegungsrealisierung kommt. Es dient im Ernstfall dem Verhüten von Unfällen. Dies bedeutet, falls notwendig muss der Trainer unbedingt, zielstrebig und schnell eingreifen. Das heißt ein Trainer muss ein hohes fachliches Verständnis des Bewegungsablaufes haben, um möglichweise bereits in der Einleitung einer Bewegung mögliche Fehlerbilder zu erkennen, die ein späteres Eingreifen des Trainers notwendig machen werden (Antizipations- und Reaktionsfähigkeit des Trainers).

Folgende Grundsätze sind beim Helfen und Sichern unbedingt zu beachten:

• Helfergriffe müssen rumpfnah angesetzt werden, damit möglichst wenige Gelenke zwischen Griffansatz und Körperschwerpunkt liegen.

• Es darf nie an/ auf einem Gelenk gehalten werden! • Soll der Körperschwerpunkt (KSP) in oder an eine bestimmte Stelle gebracht/ gehoben werden (z.B. Aufschwung),

muss der Helfergriff möglichst nah am Körperschwerpunkt erfolgen. • Helfergriffe setzen am frühestmöglichen Zeitpunkt an, der Griff begleitet die Bewegung und endet, wenn der Turnende

am sicheren Bewegungsende angekommen ist! (Bei Anfänger/innen -> im späteren Lernprozess muss natürlich ein schrittweiser Abbau der Hilfeleistung durch den Lehrer/ Trainer erfolgen).

• Die Helfer müssen möglichst nah am Turnenden und am Gerät stehen, um sicher zugreifen zu können und um körpergerecht arbeiten zu können. Ansonsten können auch hohe Belastungen beim Lehrer/ Trainer durch die Hilfeleistung entstehen. Zudem kann durch eine zu weit entfernt stehende Position des Helfers, evtl. keine effektive Hilfeleistung erfolgen.

Man unterscheidet verschiedene Arten der Helfergriffe. Sie sind abhängig von dem zu turnenden Element. Sehr wichtige Helfergriffe sind der Klammergriff, Drehklammergriff vorwärts und Drehklammergriff rückwärts.

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3 Ideen und Tipps zum sportartspezifischen Umgang mit den schulischen Rahmenbedingungen

3.1 Inhaltlich

Organisationsaspekte

Vor Beginn einer Kooperation muss der Verein absprechen oder gegebenenfalls prüfen, welche Räumlichkeiten und Geräte zur Verfügung stehen. Außerdem ist darauf zu achten welchen Zustand die Geräte haben.

Allgemein sind Aufbauten im Turnen mit einem gewissen Organisationsaufwand verbunden der sich aber, sofern man diesen auf mehrere Schultern verteilt, gut bewältigen lässt. Diese Gerätekompetenz muss jedoch oft erst geschaffen werden. Gleichzeitig ist eine funktionierende Gruppenstruktur notwendige Voraussetzung für einen reibungslosen Auf- und Abbau während der Stunde. Eine ritualisierte Stundenstruktur hilft die Gruppe zu organisieren und dient gleichzeitig als Ankerpunkt für die Schüler.

Aus diesen Gründen ist es sinnvoll am ersten Termin des Kooperationsangebotes eine kurze Geräteraumerkundung mit den Teilnehmern durchzuführen und gleichzeitig ein Grundmaß an Gerätekenntnis zu vermitteln. (Welche Geräte sollte ich zu zweit bzw. mit mehreren Kindern tragen? Wie funktioniert der Hebemechanismus der Kästen? Welche Geräte sind zu schwer und dürfen nur vom Übungsleiter aufgebaut werden?) Spielerisches Üben des Auf- und Abbaus der Geräte trägt ebenfalls dazu bei die Geräte- und Teamkompetenz der Teilnehmer zu verbessern. Beispielsweise kann man einen Aufbau mit mehreren Kleingruppen als kleinen Wettkampf gestalten. Die Gruppe die Ihre Station als erstes Aufgebaut hat darf, das nächste Aufwärmspiel/Abschlussspiel bestimmen.

Im Folgenden werden die zentralen Aspekte der Gerätehandhabung sowie des gemeinsamen Auf- und Abbaus dargestellt:

Gerätehandhabung

Beim Turnen werden Turngeräte (Geräte und Hilfsgeräte) benötigt, die in einem technisch einwandfreiem Zustand sein müssen. Man unterscheidet hier zwischen festinstallierten Geräten (z.B. Sprossenwände, Kletterstangen, Taue, Schaukelringe usw.), beweglichen Geräten (z.B. Reck, Pferd, Stufenbarren, Schwebebalken usw.) und Hilfsgeräten (z.B. Turnbank, Sprungbrett, Minitrampolin, Turnmatte, Weichbodenmatte usw.).

Sicherheit ist oberstes Gebot:

- Risiken vermeiden - Geräte kontrollieren, Sicherheitshebel prüfen - Geräte ausreichend mit Matten sichern (Prinzip im Bereich Alternatives Turnen: So wenig wie möglich, so viel wie

nötig!) - Lehrer/in/Übungsleiter/in muss die Geräteaufbauten vor der Benutzung auf Funktionsfähigkeit prüfen - Lösbare Aufgaben stellen - Kindern Gefahren bewusst machen - Soziales Lernklima, in dem Gegenseitiges Helfen bei Bedarf erwünscht ist, anregen - Auf und Abbau (Altersgerechte Aufgaben verteilen) - Kindern (Teilnehmern) Schritt für Schritt die Handhabung bzw. den Auf- und Abbau der Geräte erklären - Für den Auf- und Abbau genügend Zeit einplanen (möglicherweise Expertenteams bilden) - Gruppenteilnehmer müssen wissen wie sie ein Gerät zu bewegen haben - Das Gewicht muss zu bewältigen und gleich verteilt sein - Auf fahrbaren Geräten dürfen sich keine anderen Teilnehmer befinden - Beim Auf- und Abbau herrscht Übungsverbot

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- Nicht mehr benötigte Gegenstände/ Geräte dürfen sich nicht in der Halle bzw. in der Nähe des Turnbereichs befinden (Gefahrenquelle)

- Aufbauskizzen der Kinder bzw. des Übungsleiters können das Aufbauen veranschaulichen und vereinfachen - Nähere Informationen zu Aufbau, Abbau und allgemeinen Sicherheitsaspekten findet man unter http://www.sichere-

schule.de/

Räume:

Für die Durchführung des Ganztagsangebots ist eine Turn- oder Sporthalle notwendig. Saisonal kann man einige Stundeninhalte bzw. Themen auch auf dem Schulhof oder Sportplatz durchführen. Die meisten kleinen Spiele in der Halle lassen sich durch geringe Modifikationen auch draußen durchführen und Grundelemente des Bodenturnens lassen sich auf Turnmatten oder auf einer geeigneten Rasenfläche ebenfalls draußen üben. Für größere Aufbauten sind aber immer Geräte notwendig und diese sind in der Regel nur in Hallen zu finden. Eventuell kann man sich in der Umgebung liegende Spielplätze zunutze machen, sofern diese den Anforderungen des Angebots genügen. Dadurch, dass die Inhalte der Turnstunden variabel auf die örtlichen Gegebenheiten angepasst werden können, ist man in der Raumplanung relativ flexibel.

Material:

Die Materialanforderungen für die Turnstunden sind vielschichtig. Eine Grundausstattung an verschiedenen Klein- und Großgeräten erhöht natürlich das Angebotspotential, aber viele Inhalte lassen sich auch mit relativ geringem Materialaufwand durchführen. Insbesondere sind Alltagsmaterialien in Turnstunden vielfältig einsetzbar und tragen zur Inhaltsvielfalt bei. Beispielsweise können Zeitungen zusammengerollt als Schläger dienen mit denen dann Hockey gespielt wird. Eine zusammengeknüllte Zeitung dient dabei als Ball. Prellball lässt sich auch mit Gymnastikbällen und umgedrehten Turnbänken anstatt Netzen spielen. Für die meisten Elemente aus dem Bodenturnen reichen einfache Turnmatten.

Zeiten:

Aufgrund des regelmäßigen Aufwands für Auf- und Abbau sollte das Angebot zeitlich mindestens über 60 Minuten, besser 90 Minuten ausgelegt sein. Da es sich überwiegend um Breitensportteilnehmer handelt, sollte im Hinblick auf die motorischen Anforderungen und die Konzentrationsfähigkeit der Kinder die Turnstunde jedoch nicht auf mehr als 90 Minuten ausgelegt werden. Ansonsten ist das Angebot Tageszeit unabhängig.

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3.2 Allgemein

Finanzierung:

Innerhalb des Hessischen Turnverbandes existieren aktuell keine verbandsbezogenen Förderungsmöglichkeiten für Ganztagsangebote von Vereinen. An dieser Stelle wird auf das Landesprogramm der Sportjugend Hessen hingewiesen (http://www.sportjugend-hessen.de/sportverein-und-schule/landesprogramm-schule-und-verein/).

Des Weiteren wird auf schulische Fördervereine, interne Schulbudgets für Ganztagsangebote, kommunale Zuschüsse und weitere Förderungsmöglichkeiten hingewiesen.

Versicherungsfragen bzw. Aufsichtsregelungen:

Außerunterrichtlich darf das Thema Turnen von jeder dazu qualifizierten Person unterrichtet werden. Hierzu zählen z.B. Übungsleiter/Trainer, die über eine entsprechende Qualifikation, wie eine C-Lizenz (oder höhere Qualifizierungsgrade nach DOSB Lizenzsystem) verfügen. Siehe dazu Aufsichtserlass vom Dez. 2013: „Verordnung über die Aufsicht über Schülerinnen und Schüler“ § 21 Abs. 1+2. Der Hessische Turnverband empfiehlt daher sich über entsprechende Übungsleiter-, bzw. Trainerausbildungen sowie im weiteren Verlauf über turnspezifische Fortbildungen für das Thema zu qualifizieren.

Hingegen Schulsport in Sportarten mit erhöhtem Gefährdungspotential (vgl. „Verordnung über die Aufsicht über Schülerinnen und Schüler“ § 21 Abs. 3) darf nur von Lehrkräften geleitet werden, welche eine sportartspezifische Prüfung der Zentralen Fortbildungseinrichtung für Sportlehrkräfte des Landes (ZFS) oder eine gleichwertige Prüfung erfolgreich absolviert haben.

Turnspezifische Sportarten mit zusätzlichen Anforderungen bzw. erhöhtem Gefährdungspotential sind das Trampolinturnen sowie das Slacklining (vgl. „Verordnung über die Aufsicht über Schülerinnen und Schüler“ § 20 Abs. 1). Der Hessische Turnverband bietet in Kooperation mit der ZFS in diesen Sport- und Bewegungsfeldern für den schulischen Bereich notwendige und anerkannte Fortbildungsveranstaltungen für Lehrer/innen an.

Das Gerätturnen wird schul-/aufsichtsrechtlich nicht als Sportart mit erhöhtem Gefährdungspotential eingestuft. Der Hessische Turnverband empfiehlt an dieser Stelle sich dennoch ausreichend für die Durchführung- von turnerischen Bewegungsangeboten zu qualifizieren, um eine angemessene und attraktive methodische Durchführung (z.B. Aspekt der Hilfeleistung) der turnerischen Angebote gewährleisten zu können.

Darüber hinaus wird darauf hingewiesen sich beim jeweiligen Träger (z.B. Schule) der Ganztagsangebote über die allgemeine Versicherungssituation der Schüler/innen und Lehrpersonen (z.B. Übungsleiter, Trainer) hinreichend zu informieren.

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4 Übersicht von möglichen Stundeninhalten für die Grundschule und Weiterführende Schule

4.1 Inhaltliche Anregungen für die methodische Vorbereitung der körperlichen Voraussetzungen im Grundschulalter

Motorische Voraussetzungen für das Lernen turnerischer Bewegungen:

• Stützkraft • Beinkraft/ Sprungkraft • Aktive Schulterbeweglichkeit • Mittelkörperspannung • Koordinativen Fähigkeiten (z.B. räumliche Orientierungsfähigkeit und Kopplungsfähigkeit)

Diese Grundlagen können beispielsweise trainiert werden durch:

• Wandern im Hock- (Fortbewegung wie Raupe bzw. Ziehharmonika: Aus der kurz angedeuteten Liegestützposition mit den Beinen bis in die Hockposition wandern, dann wieder mit den Händen vorkrabbeln, usw.) oder Bückliegestütz (im Wechsel mit den Händen in die Liegestützposition wandern und mit gestreckten Beinen wieder möglichst nah an die Hände wandern, usw.).

• Wandern im Krebs- bzw. Spinnengang (Fortbewegung auf Händen und Füßen vorwärts, rückwärts, seitlich mit der Rückseite des Köpers Richtung Boden gerichtet); Vierfüßler-Gang vorlings (mit Blick und Körper Richtung Boden gerichtet) in verschiedenen Varianten, z.B. vorwärts (vw), rückwärts (rw), seitlich oder mit gestreckten, gegrätschten Beinen etc.

• Hasenhüpfen (abwechselnd auf Hände und Füße springen, wichtig hierbei: Abdruck erfolgt aus den Schultern bzw. durch die Beibehaltung der Spannung im Schulterbereich).

• Schubkarrenlaufen (bei Anfängern/ Kindern sollte der Partner das andere Kind an den Oberschenkeln und nicht an den Füßen Tragen, damit die Hilfe in der Nähe des Körperschwerpunktes stärker den Stützapparat und den Mittelkörper entlastet, um dem klassischen Fehlerbild des stark ausgeprägten Hohlkreuzes bei dieser Übungsform vorzubeugen).

• Baumstammrollen: Evtl. langsame Heranführung der Kinder an die Feinform („Schiffchen-Position“) über eine Abwandlung des Baumstammrollens (Grobform der Längsachsendrehung). 2-3 Umdrehungen mit Mittelkörperspannung und leichtem Anheben der Arme, Schultern, Beine und Füße (wichtig zu beachten: Im Mittelkörper erfolgt eine Einrollbewegung über Anspannung der Bauchmuskulatur, bitte keine Klappbewegung in der Hüfte!).

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Viele dieser und weitere Übungen können auch auf Erhöhungen wie Turnbänken, Kastendeckeln, kleinen Turnkästen (ähnlichen Erhöhungen) durchgeführt werden.

Die erlernten bzw. vom Lehrer/ Übungsleiter vorgegebenen Bewegungsformen können aber auch sehr gut in Spielformen integriert werden. Beispielsweise Platzsuchspiele mit Reifen und Seilen (auch mit Musikeinsatz möglich):

- Jedes Kind bewegt sich nach angesagter Fortbewegungsart im Raum (bevorzugt Stütz- und Sprungformen: einbeinig, beidbeinig, vw, rw, seitlich, hoch, weit, langsam, schnell…).

- Auf Zeichen des Übungsleiters/ Trainers sucht sich ein Kind so schnell wie möglich einen Platz im Reifen oder Seil (oder mehrere Kinder in einem bestimmten Platzhalter).

- Ein Platzhalter weniger als Gruppenmitglieder, der Mitspieler der keinen Platz gefunden hat, kommt zum Übungsleiter und darf die nächste Fortbewegungsart bestimmen. Kind darf wieder mitspielen. Alle sollen in Bewegung bleiben, vor allem in der Aufwärmphase sollten keine Ausscheidungsspiele (ansonsten mangelnde Erwärmung bzw. geringe Aktivität einiger Kinder) angeboten werden.

Aber auch in Signal-/ Reaktionsspielen (z.B. „Feuer – Wasser – Sturm“) oder bei Fangspielen (abgewandelte Form vom klassischen „Hundehütte- bzw. Grätschfangen“) können sehr gut spielerisch-kindgerechte Bewegungs-/ Ausführungsformen zur Verbesserung der Stütz- und Mittelkörperspannung integriert werden.

Bewegungs- und Übungslandschaften mit Schwerpunkt Stützen und Springen (kann als offene, aber auch als geschlossene Lehr- und Lernsituation angeboten werden).

Stützübungen an zwei parallel gestellten Turnbänken (auch als schiefe Ebene möglich).

Beispielsweise:

• Spinnengang/Krebsgang vorwärts/rückwärts/seitlich • Vierfüßlergang vorwärts/rückwärts/ seitlich mit gestreckten Beinen • Hockwenden von links nach rechts über beide Turnbänke, • Hocksprünge (mit kurzer Stützphase und aktivem Abdruck aus den Schultern/durch Festigkeit im Schulterbereich)

zwischen den zwei parallel gestellten Turnbänken. Übungserweiterung: Hocksprünge über die Bänke gelegte Seile und/oder über in der Gasse zwischen den Bänken liegende Medizinbälle, Teppichfliesen…

Sprungübungen oder Sprungübungslandschaften mit mehreren Kastendeckeln hintereinander gestellt:

• Schlusssprünge • Strecksprünge (auch aus der Hocke) • Einsprung vom Kastendeckel und reaktiver Absprung bei der Landung • Sprünge von Kastendeckel zu Kastendeckel (einbeinig, beidbeinig) • Springen vom Kastendeckel und Üben der punktuellen Landung auf Teppichfliesen

Weitere Ideen zur Schulung der Stütz- und Sprungkraft: Verschiedene Sprungformen auf der Weichbodenmatte (Wechselsprünge, Strecksprünge aus der Hocke, Hampelmann,…); Springen und Stützen kombinieren (Hasenhüpfer auf dem Bodenläufer oder über Turnmatten mit kleinem Graben, Hasenhüpfer mit Wechsel von Bewegungsaktion Hocke und Grätsche).

Übungsreihe (geschlossene Lehr- und Lernsituation) an 2-3 Bodenläufern oder mehreren Bahnen mit 3-4 Turnmatten mit Varianten zum Springen und Stützen:

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• Prellsprünge mit Ganzkörperspannung und gestreckten Armen in Hochhalte • Schlusssprünge auf Weite und zusätzlicher Übung der Landung • Einbeinige Sprünge (abwechselnd links und rechts), zunächst ohne und anschließend mit Schwungbeineinsatz • Bodenläufer/Mattenbahn mit so wenigen Sprüngen/ Fußkontakten wie möglich überqueren • in Liegestützposition (Wechsel von Position vorlings und rücklings) über die Arme (Füße bleiben fest und gestreckt auf

dem Bodenläufer) drehen (auf Mittelkörperspannung beim Drehen achten) • im Liegestütz laufen & hüpfen (auf zeitgleichen Abdruck von Händen und Füßen achten) etc.

Wichtige Anmerkung: Eventuell zum Abschluss einer intensiven Übungsstunde/ Trainingseinheit mit insgesamt hohen Stütz- und Sprungbelastungen oder nach einer langen Belastungsphase für die Kinder als Ausgleich Hängen an Holmen, Reck, Ringen, anbieten bzw. generell Übungen zur Stütz- und Sprungkraft abwechseln (Erholung der trainierten Muskelgruppen, keine einseitige Belastung erzeugen, muskulären Dysbalancen entgegenwirken).

4.2 Stundenbeispiel für die Klassenstufe 6

Thema der Stundenreihe: Le Parkour

Thema der Stunde: Bau und Überwindung eines Hindernisparcours

Stundenziel: Die Teilnehmer sollen einen Hindernisparcours aufbauen und diesen anschließend durchlaufen können.

Stundendauer: 90 Minuten

Voraussetzungen: Die Teilnehmer müssen im Umgang und Aufbau von Geräten vertraut sein. Kleingruppenarbeit ist den Teilnehmern bekannt. In der Halle sind ausreichende Geräte vorhanden: Kästen, Bänke, Turnmatten, Sprossenwände etc.

Stundenverlauf: Zu Beginn wird das Thema der heutigen Stunde vorgestellt, der „Aufbau und anschließende Überwindung eines Hindernisparcours“.

Danach erhalten die Teilnehmer den Auftrag verschiedene Geräte in die Mitte der Halle zu Räumen und miteinander zu verbinden. Die Gruppe wird dazu in Kleingruppen á vier Teilnehmer eingeteilt. Jede Kleingruppe sucht sich selbst die jeweiligen Geräte zusammen und baut sie in der Mitte der Halle auf. Dabei soll eine Art „Gerätehaufen“ entstehen bei dem es möglich ist sich von Gerät zu Gerät zu bewegen ohne dabei den Boden berühren zu müssen. (Vergleiche dazu Bild 1 aus den „Bildreihen als weitere Anregung für verschiedene Aufbauten:“

Der Gerätehaufen sollte entsprechend der Anzahl an Teilnehmern natürlich wesentlich größer ausfallen. Lücken und größere Abstände erhöhen dabei den Anforderungs- und Aufforderungscharakter. Großgeräte wie Reck oder Barren können ebenfalls zwischen die Kästen und Bänke eingefügt werden.

Der Übungsleiter achtet während dessen auf eventuell notwendige Absicherung und Umsetzbarkeit des Aufbaus. Für den Aufbau werden ca. 15. bis 20 Minuten Zeit benötigt.

Anschließend begeben sich alle Teilnehmer auf die Stationsaufbauten, der Boden darf ab jetzt nicht mehr berührt werden. Aufgabe ist es jedes Gerät mindestens einmal zu berühren, bzw. zu überwinden und anschließend wieder auf die Ausgangsposition zurückzukehren.

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Die Teilnehmer dürfen sich gegenseitig unterstützen, bzw. ist gegenseitige Rücksichtnahme Pflicht.

Im nächsten Schritt werden die einzelnen Hindernisse so gestellt, dass sich eine Brücke von Hallenseite zu Hallenseite ergibt. Hierbei ist darauf zu achten, dass mehrere Wege über die Geräte zur anderen Hallenseite führen. Alternativ können auch Matten oder Linien als Start und Zielmarkierung dienen, wenn die Halle beispielsweise zu breit ist. Die Teilnehmer sollen nun versuchen für sich so schnell wie möglich auf die andere Seite zu gelangen (Sicherheitshinweis: Maximal drei Teilnehmer gleichzeitig in der Überquerung).

Als mögliche Variante kann man die Gruppe auch in zwei Kleingruppen einteilen die dann gegengleich die Hindernisbrücke überwinden. Auch hier gilt wieder gegenseitige Rücksichtnahme und es dürfen maximal drei Teilnehmer einer Gruppe gleichzeitig in der Überquerung sein.

Als nächstes werden die einzelnen Geräte in der Halle verteilt, so dass sich eine Art Parcours ergibt. Sinnvoll ist es hierbei die einzelnen Stationen thematisch unterschiedlich zu gestalten:

Stationsvorschläge

- Klettern (Sprossenwand oder Taue) - Mauerüberwindung (2 Matten quer in Parallelbarren gestellt) - Niedersprung von großer Höhe (entweder von Sprossenwand, oder von einem Mattenberg) - Präzisionssprünge (Verschiedene Kästen in unterschiedlichen Abständen) - Balancieren (Umgedrehte Turnbank, Schwebebalken) - Weitsprung (Zwei Matten in einem Abstand von einer Körperlänge, so dass sich eine Lücke zum überwinden ergibt)

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Bildreihen als weitere Anregung für verschiedene Aufbauten:

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Die Teilnehmer haben nach dem Aufbau 5 Minuten Zeit alle Stationen auszuprobieren, danach soll der Parcours als Ganzes durchlaufen werden. Organisatorisch ist es auch hier sinnvoll die Gruppe zu teilen und zwei Startpunkte die sich gegenüberliegen festzulegen. So können immer zwei Teilnehmer gleichzeitig laufen ohne ständig abstoppen zu müssen,

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weil es an einer Station Stau gibt. Falls von den Teilnehmern gewünscht kann der Übungsleiter auch für jeden Teilnehmer die Zeit stoppen. Aufgrund des hohen Aufforderungscharakters und dem hohen Durchlauftempo unter Zeitdruck sollte davon Abgesehen werden diesen Stundenteil als Fangspiel zu organisieren. Später wenn die Teilnehmer mit den Techniken und Risiken der Stationen vertraut sind kann man überlegen einen Parcours in der Form eines „Sieben Tage Rennens“ durchlaufen zu lassen. Hierzu empfiehlt sich aber eine eigens dafür gewidmete Stunde. Zum Abschluss werden die verschiedenen Überwindungstechniken besprochen und die Geräte gemeinsam abgebaut.

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Tabellarische Verlaufsplanung

Phase Unterrichtsverlauf Didaktisch-methodischer Kommentar Sozialform Material

Einstieg

(5 Min.)

Begrüßung, Aufwärmen (Kurzes Einlaufen)

Einstimmung auf Stunde;

Sitzkreis

Großgruppe

Aufbau

(15 Min.)

Teilnehmer werden in Kleingruppen aufgeteilt, Geräte werden in Mitte der Halle aufgebaut

Durch die Aufteilung in Gruppen kann der Aufbau schnell und effektiv erfolgen.

Gruppenarbeit Kästen, Matten, Sprungbretter, Bänke etc.

Erprobungs-phase I

(10 Min.)

Teilnehmer überqueren Hindernisse

Individuelle Überwindung und Auseinandersetzung mit der Aufgabe, Gegenseitige Rücksichtnahme

Einzelarbeit Kästen, Matten, Sprungbretter, Bänke etc.

Umbau

(5 Min.)

Teilnehmer bauen Geräte als Brücke von Hallenseite zu Hallenseite um

Gemeinsamer Umbau, Kooperation Gruppenarbeit Kästen, Matten, Sprungbretter, Bänke etc.

Anwendungs-phase I

(10 Min.)

Überquerung der Hindernisse auf schnellstmöglichem Weg

Individuelle Überwindung und Auseinandersetzung mit der Aufgabe, Gegenseitige Rücksichtnahme

Einzelarbeit Kästen, Matten, Sprungbretter, Bänke etc.

Aufbau + Erprobung

(15 Min.)

Aufbau verschiedener Hindernisse als Rundlaufparcours und Erprobung der Stationen

Gemeinsamer Umbau in Kleingruppen Gruppenarbeit Kästen, Matten, Sprungbretter, Bänke etc.

Anwendungs-phase II

(20 Min.)

Einzeldurchlauf des Parcours auf Tempo, Auf Wunsch kann der Übungsleiter die Zeit messen

Motivation erhöht durch Wettlaufcharakter

Näherung an Zielsportart Le Parkour

Individueller Weg wählbar

Raum zur Verbesserung der eigenen Zeit

Einzeldurch-lauf Kästen, Matten, Sprungbretter, Bänke etc.

Abbau

(10 Min)

Abbau der Stationen.

Rückblickende Betrachtung der Techniken zum Überwinden der Stationen.

Ergebnissicherung Gruppenarbeit

Sitzkreis

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5 Verwendete Literatur und weitere hilfreiche Quellenangaben

Baumann, J. & Hundeloh,H. (1996). Alternative Nutzung von Sportgeräten. Gesetzliche Unfallversicherung – Informationen zur Sicherheit im Schulsport (GUV-SI 8052); Zugriff unter http://www.sichere-schule.de/_docs/pdf/guv_si-8052.pdf

Bessi, F. (2009). Materialien für die Trainerausbildung im Gerätturnen – 1. Lizenzstufe (3. veränderte Auflage). Freiburg: Eigenverlag.

Krick, F. (2012). Bewegen an und mit Geräten - Turnen. In V. Scheid & R. Prohl (Hrsg.), Sportdidaktik. Grundlagen, Vermittlungsformen, Bewegungsfelder (S. 169–190). Wiebelsheim: Limpert.

Krick, F. (2012). Bewegen an Geräten – Turnen. sportpädagogik (3+4), 2-7 Krick, F. (2010). Das Bewegungsfeld „Bewegen an Geräten – Turnen“ im Spiegel von Lehrplan und Bildungsstandards.

sportunterricht, 59 (9), 258–263 Kurz, D. (1990). Elemente des Schulsports. 3. Aufl. Schorndorf: Hofmann Fries, A. & Schall, R. (2002). Gerätturnen? Klar macht das Spaß! Mühlheim-Kärlich: Axel Fries Verlag. Gerling, I. (2014). Basisbuch Gerätturnen für alle. Von Bewegungsgrundformen mit Spiel und Spaß zu Basisfertigkeiten (8.

Auflage). Aachen: Meyer & Meyer. Gerling, I. (2006). Kinder turnen – Helfen und Sichern (3. Aufl.). Aachen: Meyer & Meyer. Marktscheffel, M. (2007). Kinderturnen Übungslandschaften. Der Einstieg ins Gerätturnen (3. Auflage). Aachen: Meyer &

Meyer. Schmidt-Sinns (2005). Minitrampolin. Mit Sicherheit zu Höhenflügen. Celle: Pohl-Verlag. Schraag, M., Durlach F.-J. & Mann, C. (2004). Erlebniswelt Sport. Ideen für die Praxis in Schule, Verein und Kindergarten

(Reihe Sport; Bd. 3) (3. unveränderte Auflage). Schorndorf: Hofmann. Söll, W. (2008). Sportunterricht – Sport unterrichten. Ein Handbuch für Sportlehrer (7. überarb. Auflage). Schorndorf:

Hofmann. Sportjugend Hessen (2012). Anstösse 15. Sport im Ganztag. Ergebnisse der Initiative „Sportverein plus Schule“. Ginsheim-

Gustavsburg: Schmidt & More Drucktechnik GmbH. Zeuner, A., Hofmann, S. & Leske, R. (2000). Sportiv Gerätturnen. Schulmethodik Gerätturnen. Leipzig: Ernst Klett

Schulbuchverlag.

Internetquellen bzw. hilfreiche Internetseiten zu dem Thema Verein und Schule bzw. Ganztag:

http://www.gymfacts.ch http://www.htj.de/ http://www.mobilesport.ch http://www.sichere-schule.de http://www.sportjugend-hessen.de/sportverein-und-schule/

http://www.sportunterricht.de http://www.sportunterricht.ch

Verordnung über die Aufsicht über Schülerinnen und Schüler (Aufsichtsverordnung - AufsVO) vom 11. Dezember 2013. Zugriff unter https://kultusministerium.hessen.de/schule/schulrecht/schulsport