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Nummer 7/1997 65. Jahrgang OSTTIROLER OSTTIROLER HEIMATBLÄTTER HEIMATBLÄTTER Heimatkundliche Beilage des „Osttiroler Bote“ Michael Huber Zum Gedenken an Dr. Josef Stemberger Der erste Osttiroler Nationalratsabgeordnete nach dem Zweiten Weltkrieg verstarb vor 50 Jahren Wer sich heute mit Osttiroler Nachkriegsgeschichte beschäf- tigt, der wird vor allem der Per- sönlichkeit Franz Kranebitters begegnen, der durch Jahrzehn- te hindurch die Geschicke des Bezirks geprägt hat. Am Beginn der Osttiroler Nachkriegsge- schichte steht freilich eine Per- son, die nicht zuletzt wegen des frühen Todes allzu rasch in Vergessenheit geriet: Dr. Josef Stemberger, Nationalratsabge- ordneter der Zweiten Republik vom 19. 12. 1945 bis zum 8. 7. 1947, dem Tag seines Ablebens. Bereits unmittelbar nach sei- nem Tod widmeten ihm nicht nur der Osttiroler Bote, son- dern auch die Osttiroler Hei- matblätter einen ausführlichen Nachruf. Danach geriet er bald in Vergessenheit. Die fünfzigste Wiederkehr seines Todestages sowie die glückliche Fügung, mit dem Sohn des „Nitzerdoktors“, wie man ihn im Defereggental einfach nannte, Dr. Edwin Stemberger, freundschaftliche Beziehungen pflegen zu dürfen, war der An- laß für mich, diesen Artikel zu verfassen. Gerade dem Letztge- nannten verdanke ich wertvolle Hinweise aus mehreren Ge- sprächen; außerdem stellten Dr. Edwin und seine Schwester Anni Stemberger mir zahlreiche persön- liche Dokumente ihres Vaters zur Verfü- gung, ohne die die vorliegenden Zeilen nicht hätten entstehen können. Dieser Artikel sei aber nicht zuletzt auch als klei- ner Beitrag zur Osttiroler Nachkriegsge- schichte zu verstehen, in der bislang von NR Stemberger nur selten die Rede war 1 . Josef Stemberger kam am 11. 3. 1890 am Nitzerhof in St.Veit als Sohn des Mel- chior Stemberger (3. 9. 1853 – 27. 7. 1907) und der Monika, geb. Kleinlercher (11. 9. 1857 – 12. 5. 1916) zur Welt. Sei- ne bis ins späte Mittelalter nachweisbare Familie bewohnte schon seit Generationen diesen am steilen Berghang gelegenen Hof in der Rotte Gritzen 2 . Er war das zweite von insgesamt fünf Geschwistern. Josef Stemberger besuchte die Volksschule in St.Veit und trat im Anschluß daran im Herbst 1903 in das Untergymnasium Vin- zentinum in Brixen ein. Diese Schule war damals das nächste Gymnasium für das Defereggental, und so ist es erklärlich, daß noch zwei weitere Schüler von dort kamen 3 . Unter den Mitschülern sei der spä- tere Pater Johann Steinmair aus St. Magdalena in Gsies genannt, vor allem aber der nachmalige Professor für Ethik und Sozial- wissenschaften an der Univer- sität Wien, Johannes Messner aus Schwaz. Ein weiterer Mit- schüler war der spätere Profes- sor für Deutsch und Geschichte an der Bundes-Lehrerbildungs- anstalt in Innsbruck, Dr. Lud- wig Mellitzer, ebenfalls aus St. Veit, welcher Ende 1948 verstarb. Von 1907 an war Stemberger im Gymnasium der Jesuiten „Stella Matutina“ in Feldkirch in Vorarlberg, wo er 1910 mit Auszeichnung ma- turierte 4 . Unmittelbar nach der Matura begann er ein Rechtsstudium an der Universität Innsbruck (1910 – 14), wo er auch der Studentenverbindung Raeto- Bavaria beitrat; er beendete es in Wien, und absolvierte den Abiturientenkurs an der „Neuen Wiener Handelsakademie“ in Wien-Josefstadt. Dazwischen betrieb er auch „Sprachenstu- dien“ in Italien. Seine „Spitzen- fächer“ waren außer Rechts- wissenschaft „Volkswirtschaft und Gesellschaftswissenschaft, Sprachen und Geschichte“, wie er in seinem am 9. 10. 1946 für den Nationalrat der Repu- blik Österreich abgefaßten handgeschrie- benen Lebenslauf (Curriculum Vitae) freimütig bekennt 5 . Er hat die Absicht, sich später dem konsularischen Außendienst zu widmen, wo ihm sowohl seine rechtswis- senschaftlichen als auch seine sprachlichen Studien dienlich sein würden. Er hatte sogar Kontakte mit dem Thronfolger, der an Reformplänen zur Umgestaltung der Monarchie arbeitete. Franz Ferdinand stellte ihm eine Mitarbeit nach Abschluß seiner Studien in Aussicht. Während des Ersten Weltkrieges war er zum III. Regi- Aufnahme von Josef Stemberger, 1915. Foto: Franz Grabietz, Laibach

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Nummer 7/1997 65. Jahrgang

OSTTIROLEROSTTIROLERHEIMATBLÄTTERHEIMATBLÄTTER

H e i m a t k u n d l i c h e B e i l a g e d e s „ O s t t i r o l e r B o t e “

Michael Huber

Zum Gedenken an Dr. Josef StembergerDer erste Osttiroler Nationalratsabgeordnete nach dem Zweiten Weltkrieg verstarb vor 50 Jahren

Wer sich heute mit OsttirolerNachkriegsgeschichte beschäf-tigt, der wird vor allem der Per-sönlichkeit Franz Kranebittersbegegnen, der durch Jahrzehn-te hindurch die Geschicke desBezirks geprägt hat. Am Beginnder Osttiroler Nachkriegsge-schichte steht freilich eine Per-son, die nicht zuletzt wegen desfrühen Todes allzu rasch inVergessenheit geriet: Dr. JosefStemberger, Nationalratsabge-ordneter der Zweiten Republikvom 19. 12. 1945 bis zum 8. 7.1947, dem Tag seines Ablebens.

Bereits unmittelbar nach sei-nem Tod widmeten ihm nichtnur der Osttiroler Bote, son-dern auch die Osttiroler Hei-matblätter einen ausführlichenNachruf. Danach geriet erbald in Vergessenheit. Diefünf zigste Wiederkehr seinesTodestages sowie die glücklicheFügung, mit dem Sohn des„Nitzerdoktors“, wie man ihnim Defereggental einfachnannte, Dr. Edwin Stemberger,freundschaftliche Beziehungenpflegen zu dürfen, war der An-laß für mich, diesen Artikel zuverfassen. Gerade dem Letztge-nannten verdanke ich wertvolleHinweise aus mehreren Ge-sprächen; außerdem stelltenDr. Edwin und seine SchwesterAnni Stemberger mir zahlreiche persön-liche Dokumente ihres Vaters zur Verfü-gung, ohne die die vorliegenden Zeilennicht hätten entstehen können. Dieser Artikel sei aber nicht zuletzt auch als klei-ner Beitrag zur Osttiroler Nachkriegsge-schichte zu verstehen, in der bislang vonNR Stemberger nur selten die Rede war 1.

Josef Stemberger kam am 11. 3. 1890am Nitzerhof in St.Veit als Sohn des Mel-chior Stemberger (3. 9. 1853 – 27. 7.1907) und der Monika, geb. Kleinlercher(11. 9. 1857 – 12. 5. 1916) zur Welt. Sei-

ne bis ins späte Mittelalter nachweisbareFamilie bewohnte schon seit Generationendiesen am steilen Berghang gelegenen Hofin der Rotte Gritzen2. Er war das zweitevon insgesamt fünf Geschwistern. JosefStemberger besuchte die Volksschule inSt.Veit und trat im Anschluß daran imHerbst 1903 in das Untergymnasium Vin-zentinum in Brixen ein. Diese Schule wardamals das nächste Gymnasium für dasDefereggental, und so ist es erklärlich, daßnoch zwei weitere Schüler von dort kamen3. Unter den Mitschülern sei der spä-

tere Pater Johann Steinmair ausSt. Magdalena in Gsies genannt,vor allem aber der nachmaligeProfessor für Ethik und Sozial-wissenschaften an der Univer-sität Wien, Johannes Messneraus Schwaz. Ein weiterer Mit-schüler war der spätere Profes-sor für Deutsch und Geschichtean der Bundes-Lehrerbildungs-anstalt in Innsbruck, Dr. Lud-wig Mellitzer, ebenfalls aus St. Veit, welcher Ende 1948verstarb. Von 1907 an warStemberger im Gymnasiumder Jesuiten „Stella Matutina“in Feldkirch in Vorarlberg, woer 1910 mit Auszeichnung ma-turierte4.

Unmittelbar nach der Maturabegann er ein Rechtsstudium ander Universität Innsbruck(1910 – 14), wo er auch derStudentenverbindung Raeto-Bavaria beitrat; er beendete esin Wien, und absolvierte denAbiturientenkurs an der „NeuenWiener Handelsakademie“ inWien-Josefstadt. Dazwischenbetrieb er auch „Sprachenstu-dien“ in Italien. Seine „Spitzen-fächer“ waren außer Rechts-wissenschaft „Volkswirtschaftund Gesellschaftswissenschaft,Sprachen und Geschichte“,wie er in seinem am 9. 10. 1946für den Nationalrat der Repu-

blik Österreich abgefaßten handgeschrie-benen Lebenslauf (Curriculum Vitae)freimütig bekennt5. Er hat die Absicht, sichspäter dem konsularischen Außendienst zuwidmen, wo ihm sowohl seine rechtswis-senschaftlichen als auch seine sprachlichenStudien dienlich sein würden. Er hatte sogar Kontakte mit dem Thronfolger, deran Reformplänen zur Umgestaltung derMonarchie arbeitete. Franz Ferdinandstellte ihm eine Mitarbeit nach Abschlußseiner Studien in Aussicht. Während desErsten Weltkrieges war er zum III. Regi-

Aufnahme von Josef Stemberger, 1915.Foto: Franz Grabietz, Laibach

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ment der Tiroler Kaiserschützen nach Innichen einberufen worden, wurde aberaufgrund einer schweren Erfrierung bereits1915 superarbitriert. Nach seiner Gene-sung konnte er im März 1916, also nochwährend des Krieges, an der juridischenFakultät zum Doktor der Rechte promo-vieren.

Da sein ursprüngliches Berufsziel alsWirtschaftsjurist im Bereich der Diploma-tie sich nicht sofort zu verwirklichen schien, legte er Wert darauf, sich „speziellauf dem Exportsektor die erforderlichenpraktischen Kenntnisse zu verschaffen“.Dafür kam ihm der Umstand zugute, ineben eine der größten Deferegger Handels-und Industriellenfamilien hineingeborenzu sein, die nach fast allen Teilen derMonarchie ihre Fühler ausgestreckt hatte6.Durch die Eheschließung mit Anna Mellitzer (siehe unten) kam er in den

Fabriksgroßbetrieb Mannsburg-Mengesin Krain (heute Republik Slowenien), wosich bereits seit mehreren Jahrzehnten ver-schiedene Deferegger Familienunterneh-men angesiedelt hatten. Die erste Fabrikwar 1863 von Johann Stemberger (1824 –81) und Georg Mellitzer (1819 – 1881) inDomzale gegründet worden, 1870 folgteeine weitere Neugründung in Mannsburg7.

Am 11. 6. 1917 hatte Josef StembergerAnna Mellitzer (* 24. 9. 1895 in Manns-burg, † 2. 12. 1957 in Wien) im Wall-fahrtsort Bresiach (slowenisch Brezje) geehelicht, die ihrerseits einer Hutmacher-familie entstammte: Ihr Vater war LeopoldMellitzer (1852 – 1902), Sohn des obengenannten Georg Mellitzer, Strohhutfabri-kant in Mannsburg; ihre Mutter Philo-mena Holzer (1865 – 1940) war Tochterdes Johann Holzer, Bauer zu Oberholz/St.Veit und Handelsmann. – Der Ehe ent-

stammen die drei Kinder Edwin, Anni undJosef.

Die Heirat war der eigentliche Anlaß fürden Firmeneintritt. Er kam in ein Unter-nehmen, in welchem, wie er selbst mitteilt,bereits sein verstorbener Vater Melchiorsowie weitere Vorfahren mütter- und väterlicherseits Teilhaber und führendeLeiter gewesen waren.

Die Stemberger-Mellitzer Strohhut-fabrik, in die Josef Stemberger nun ein-stieg, war ein bedeutendes Unternehmen:Im Jahre 1909 waren dort noch 50 Frauenund 22 Männer beschäftigt8. Wie Stem-berger in seinem Lebenslauf erzählt,überraschte ihn in Mannsburg der Umsturzvon 1918, da dieser nicht nur den Zerbruchder Donaumonarchie mit sich brachte,sondern vor allem einen wirtschaftlichenNiedergang nach sich zog. Die damaligejugoslawische Regierung legte sofort ihreHand auf die Industrie, um sie zu „exploi-tieren“ (= auszubeuten), wie Stembergerwörtlich schreibt; dazu kam noch ein an-derer, langfristig wohl noch schwerwie-genderer Faktor: Der Strohhut kam aus derMode9. Wenige Monate nach Kriegsendeüberstürzten sich die Ereignisse in derStemberger-Mellitzer-Hutfabrik: Am 3. 3.1919 wurde die Arbeit mit der Erklärung,die Produkte seien nicht mehr verkaufbar,von der Firmenleitung eingestellt10. Am27. 3. kam die Fabrik unter staatliche Kon-trolle und am 31. 3. nahm sie den Betriebwieder auf. Infolge der neuen Grenz-ziehung nach dem Zerfall der Monarchiewar die Fabrik ihres Absatzmarktes ver-lustig gegangen. Der Import der nötigenRohstoffe gestaltete sich schwierig. Es gabSpannungen mit der Belegschaft, nichtverkraftbare Lohnforderungen und der-gleichen mehr. All dies führte zu einemständigen Rückgang der Produktion11.

Trotz des Niedergangs der Fabrik bliebJosef Stemberger noch einige Jahre im Königreich Jugoslawien; er schreibt

Der „Nitzer“-Hof in St. Veit i. D., Gritzen 24, Dr. Josef Stembergers Geburtshaus.

Sterbebildchen von Josef Stembergers Eltern, Melchior († 1907) und Monika Stemberger, geb. Kleinlercher († 1916).

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selbst, daß er die Leitung des Unterneh-mens erhielt – Georg Mellitzer ging An-fang der 30er Jahre in die Firmenzentralenach Wien (VI, Mariahilfer-Str. 45) – undals Konsulent und Mitteilhaber mitgroßem Einsatz tätig war; wir wissen, daßauch Stemberger nach Österreich zurück-gehen wollte12.

Bis 1929 arbeitete er an der versuchtenRettung der ehemals österreichischen Betriebe, hatte jedoch mit enormenSchwierigkeiten von seiten der sloweni-schen Banken zu kämpften, ebenso vonseiten der öffentlichen Stellen, die dem Ti-roler Unternehmen wenig Sympathie ent-gegenbrachten. In seinem Lebenslaufspart er nicht mit Kritik an der „chauvi-nistischen Einstellung“ in Slowenien. DieFabrik produzierte schließlich so gut wienichts mehr, sodaß der Betrieb 1931 end-gültig eingestellt werden mußte13.

Josef Stemberger hatte nicht nur auswirtschaftlichen Gründen, sondern vor allem aus persönlicher Überzeugungschwer am Zusammenbruch der Monar-chie gelitten; er war ein felsenfester Tiro-ler Patriot, habsburgtreu und tief gläubigerKatholik, dabei aber durchwegs tolerant.Auch nach der Verbannung der kaiser-lichen Familie pflegte er brieflichen Kon-takt mit der kaiserlichen Familie, insbe-sondere mit Otto von Habsburg, der späterauch Firmpate seines ältesten Sohnes Edwin werden sollte. Selbst finanziell ließer Habsburg manche Unterstützung zu-kommen.

Ab 1929 war Stemberger Präsident desösterreichischen Hilfsverbandes in Lai-bach; Näheres ist über diese Tätigkeitnicht bekannt. Bundeskanzler Dr. Engel-bert Dollfuß (1932 – 34) hatte ihn sogar alsGeneralkonsul ausersehen, ein Plan, derjedoch nicht verwirklicht wurde14. Am 9.9. 1936 konnte die Firma an die Drau-Ba-novina verkauft werden15.

Anfang 1937 kam Dr. Stemberger nachWien und wohnte in der MariahilferStraße, in der sich bereits mehrere Defe-regger Niederlassungen befanden16. Noch

im Jänner berief ihn der damalige Bundeskanzler Dr. Kurt von Schuschniggins Kanzleramt, um ihn zunächst (ab 29. Jänner) zwischenzeitlich mit denAgenden zwischen dem Kanzleramt undder Druck- und Verlagsanstalt „Vorwärts“zu betrauen. Eine andere dienstliche Ver-wendung, zu der sich Stemberger nichtnäher äußert, stand bevor. Durch den Einmarsch der Deutschen sollte es jedochanders kommen. Bereits am 12. 3. 1938verlor Stemberger „Dienst und Einkom-men“ 17.

Seine Tochter Anni erinnert sich an diedunklen Ahnungen, die ihr Vater über diepolitische Zukunft damals hatte: „Es wirdKrieg kommen“, sagte er kurz vor HitlersEinmarsch; und im Zusammenhang mitseiner Entlassung: „Ein jüdischer Kollegeund ich waren die ersten, die dort ihreStellung verloren haben.“ Am Tag derVolksabstimmung ging mein Vater nichtzur Wahl. Zu einem Wahlhelfer, der amselben Nachmittag kam, um sich nach demGrund für sein Fernbleiben von der Ab-stimmung zu erkundigen, sagte er: „Fürdiese Wahl gebe ich meine Stimme nichtab. JA wählen kann ich nicht, NEINwählen hat ohnehin keinen Sinn.“ –„Dann werden Sie eben die Folgen zu tra-gen haben!“ lautete die Drohung des

Wahlhelfers, der sich hierauf an meineMutter wandte: „Und wie ist es mit Ihnen?“ – „Ich mache es ebenso wie meinMann!“ war ihre Antwort, worauf derWahlhelfer wortlos die Wohnung verließ.

Stemberger wohnte jetzt in der Kaunitz-gasse, ebenfalls im 6. Bezirk. Da er keinerder Naziorganisationen beitrat, vielmehrals Gegner des Nationalsozialismus be-kannt war, konnte er sich nur durch gele-gentliche Anstellungen über Wasser haltenund erlitt ernste gesundheitliche Schädi-gungen.

Am 1. Juni 1942 wurde er vorüberge-hend als Revisionsassistent bei der Deut-schen Revisions- und Treuhand-Aktien-gesellschaft, Zweigstelle Wien, angestellt,was mit dringlichem Kräftebedarf (infolgevielfacher militärischer Einberufungen)

begründet wurde. Infolge dieser Tätigkeitwurde ihm sogar ein Reisepaß für eine ein-malige Reise zu einem Kupferbergwerk inSerbien ausgestellt. Kurzzeitig arbeitete erauch als Versicherungsagent.

Kriegsdienst leistete er aus gesundheit-lichen Gründen während des Zweiten Welt-krieges nie; am 28. Jänner 1945 wurde ihmvom Wehrbezirkskommando Wien I. einUntauglichkeitsbescheid infolge seinerErkrankung ausgestellt – offenbar hatteman ihn angesichts der prekären militäri-schen Situation nun doch einberufen wol-len; dieser Bescheid weist eine nochmali-ge Bestätigung vom 13. 4. 1945, Wehr-meldeamt Lienz auf. Im April 1945 gelanges dem Sohn Edwin, seinen Vater, seineMutter und seine Schwester kurz vor derEinnahme Wiens durch die Russen zu eva-kuieren. Edwin, damals bei einer Einheitin Großhollenstein bei Amstetten, schil-derte diese dramatischen Ereignisse:

Ich war Anfang 1945 mit meiner Ein-heit in der Nähe von Großhollenstein. An-fang April 1945 standen die Russen bereitsvor Wien. Ein Mitschüler von mir aus demJesuitenkolleg Kalksburg – er war Adju-tant des Abteilungskommandanten – undweitere Offiziere organisierten einenLkw-Transportauftrag nach Wien, deraber nur die Aufgabe hatte, unsere An-

gehörigen aus Wien herauszubringen. EinGroßteil unserer Mannschaft warenÖsterreicher und antinationalsoziali-stisch eingestellt, so daß man alles tat, umeine Abstellung der Soldaten an die Frontzu verhindern. Ich war nun bei einem die-ser Transporte nach Wien dabei, kam indie Kaunitzgasse, in die Wohnung meinerEltern, wo mein Vater, meine Mutter undmeine Schwester über meine Ankunft völ-lig überrascht waren. In Mödling donner-ten bereits die russischen Kanonen. MeinVater sagte: „Um Gottes willen, wasmachst du denn da?“ – Darauf entgegne-te ich nur: „Packt’s eure Sachen, wir brin-gen euch raschestmöglich nach Amstet-ten! Von dort geht noch ein Zug nachSelzthal und nach Lienz – somit in den sicheren Westen.“ Nach einer Stunde wurde

Josef Stemberger als Schüler der 1. Klassedes Gymnasiums Vinzentinum in Brixen.

Josef Stemberger als Mitglied der Studentenverbindung Raeto-Bavaria in Innsbruck.

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der Wagen beladen, und wir fuhren nachAmstetten. Die Eltern und meine Schwe-ster wurden dort bei einem Bauern unter-gebracht und konnten am nächsten Tagmit dem Abendzug Richtung Lienz fahren– für uns ins Ungewisse, denn auf Wochenwar nun die Möglichkeit der Kontakt-nahme unterbrochen.

Die Flucht verlief ohne größere Zwi-schenfälle. Stemberger übernachtete nocheinmal in Bischofshofen bei einem befreun-deten Arzt, ehe er nach Lienz kam. Hierfand er mit seiner Frau und seiner Tochtergastliche Aufnahme und Unterkunft bei sei-nen Verwandten in der Alleestraße 27.Tatsächlich konnte der Sohn Edwin seineEltern und seine Schwester erst im August1945 in Lienz wiedersehen. Während desSommers hielt sich Stemberger hauptsäch-lich bei seinem Bruder Toni am Nitzerhof inSt. Veit auf. Sowohl von jenem als auch vonseinen Lienzer Angehörigen erfuhr ergroßzügige Unterstützung. Er pflegte auchmit Osttiroler Politikern Kontakte.

Im Herbst 1945, als die ersten National-rats-Wahlen vorbereitet wurden, war der

Lienzer Bezirkshauptmann Theodor vonHibler als Kandidat im Gespräch, der esjedoch vorzog, auf die Kandidatur zu ver-zichten und sich ausschließlich seiner Ar-beit im Bezirk zu widmen. Statt seinerschlug er seinen Freund Stemberger vor.Die Nominierung Stembergers war jedochnicht ganz unproblematisch18: da er seitseiner Jugend nur selten in seiner Heimatwar – zumeist nur in den Ferien – hatteman die Befürchtung, er habe den Kontaktzur bodenständigen Bevölkerung verloren.Dazu kam noch sein angegriffener Ge-sundheitszustand19.

Die Nationalratswahl fand am 25. No-vember 1945 statt. Die ÖVP bekam mehrals 80 % der Stimmen20. Vom 19. Dezem-ber 1945 bis zu seinem Tod am 8. Juli1947 war Stemberger Abgeordneter desNationalrates. Er wohnte in Lienz und fuhrzu den Sitzungen nach Wien. Diese Fahr-ten waren außerordentlich strapaziös, ins-besondere im Winter, da die Züge oftmalsohne Heizung und teilweise ohne Fenster,nur mit Holzplanken verschlagen waren.Das Passieren der Demarkationslinie amSemmering und die Kontrolle durch diezeitweise willkürlich vorgehenden russi-schen Grenzposten war stets ein unange-nehmes Erlebnis.

Die Bereitschaft Stembergers, über dieParteigrenzen hinweg zusammenzuarbei-ten, wurde allgemein gelobt. Es gelangihm aufgrund seiner profunden Kennt-nisse und seiner konzilianten, stets abergrundsatztreuen Haltung, sich bald Sym-pathie und Achtung bei den anderen Ab-geordneten und Regierungsmitgliedernzu erwerben. Dabei kam ihm auch derUmstand zugute, daß er mit mehreren Ab-geordneten und anderen Persönlichkeiten,namentlich solchen, die unter dem NS-Regime ausgeschaltet waren oder gelittenhatten, persönlich bekannt oder befreundetwar. Ihn verband vor allem mit dem Prä-sidenten der Bundeswirtschaftskammerund nachmaligen Bundeskanzler Ing. Julius Raab sowie mit dem damaligenBundeskanzler Ing. Leopold Figl eine enge Freundschaft.

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Heutige Aufnahme der Wallfahrtskirche Brezje (Bresiach) in Slowenien, in der JosefStemberger im Jahr 1917 Anna Mellitzer heiratete.

Ehemalige Strohhutfabrik Stemberger-Mellitzer in Menges (Mannsburg) bei Laibach.

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Dies hatte zur Folge, daß sich Figl einesTages vertrauensvoll nach einer Parla-mentssitzung mit der Bitte an Stembergerwandte, ihm doch einen Urlaubsort in Ost-tirol zu vermitteln21. Stemberger trug diesesAnliegen nach seiner Rückkehr nach Lienzdem Bezirkshauptmann vor, und Hiblernahm sich sofort dieser Sache an. Er hatteursprünglich an das Hotel „Schlanitz“ beiWeitlanbrunn gedacht, doch ergaben sichSchwierigkeiten, weil der Ort innerhalb dervon der englischen Besatzungsmacht ein-gerichteten Sperrzone lag. So fiel die Wahlauf Matrei, Hotel Rauter, wo Figls Familiegastfreundlich aufgenommen wurde. Ma-trei mit dem Hotel Rauter blieb in der Fol-ge ständiges Urlaubsdomizil der FamilieFigl und war nun immer wieder besondererAnziehungspunkt für Persönlichkeiten desöffentlichen und politischenLebens. Zwischen den Familien Figl undObwexer, dem Inhaber des Hotels Rauter,entstand eine enge Freundschaft22.

Nun einiges zu Stembergers Tätigkeitals Nationalrat, die uns vor allem aus denstenographischen Protokollen des Parla-ments bekannt ist23: In der 1. Sitzung am19. Dezember 1945 wurden die Abgeord-neten angelobt. Knapp ein Monat später,am 16. 1. 1946 wurde Stemberger in meh-rere parlamentarische Ausschüsse ge-wählt, so als Mitglied in den Rechnungs-hofausschuß und in den Geschäftsord-nungsausschuß, als Ersatzmitglied in denAusschuß für Energiewirtschaft, in denZollausschuß und in den Ausschuß für so-ziale Verwaltung24. Im Rechnungshofaus-schuß war Stemberger Schriftführer, imGeschäftsordnungsausschuß Obmann-Stellvertreter. Mehrmals ist bezeugt, daß ersich mit anderen Parlamentariern an An-fragen bzw. Anträgen beteiligt hat25.

Stemberger verfaßte im „Osttiroler Bote“, der Anfang Jänner 1946 erstmalserschien, zahlreiche politische Artikel. Erwar auch an der Gründung dieser Zeitungbeteiligt und gehörte dem Pressekomiteean26. Regelmäßig informierte er hier seineLandsleute über das politische Geschehenin Österreich, aber auch über die Welt-

politik. Insgesamt elf Artikel, zumeistLeitartikel, hat er publiziert:

Bereits in den ersten Nummern ver-öffentlichte Stemberger eine Serie von dreiArtikeln, die mit „Politische Rundschau“überschrieben sind. Darin kommen einer-seits allgemeine Analysen der öster-reichischen Innenpolitik zur Sprache – etwa zur Regierungsbildung nach denWahlen vom 25. November – aber auchPerspektiven, die immer von einem er-staunlichen Optimismus getragen sind.Stemberger wies darauf hin, daß Osttirolim Vergleich zu Wien oder Niederöster-reich „vom Schicksal begünstigt gebliebenist“ 27. Zugleich warnte er vor übertriebe-nen Hoffnungen, die Dinge rasch wiederin Ordnung bringen zu können. Bereits inden ersten beiden Aufsätzen zeichnen sichzwei Themen heraus, mit denen sich Stem-berger in der Folgezeit ausführlich be-schäftigen sollte: es ist die Südtirolfrage28

und die Aufarbeitung des Nationalsozia-lismus.

Für den heutigen Leser mag in Erinne-rung gerufen werden, daß man damals,

Nummer 7 –– 65. Jahrgang O s t t i r o l e r H e i m a t b l ä t t e r

Dr. Josef Stemberger und seine Frau Anna, geb. Mellitzer.

Josef Stemberger im Kreis seiner Familie; mit Frau Anna und den Kindern Josef, Anna und Edwin.

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also in der ersten Zeit nach dem ZweitenWeltkrieg, unverblümt die Hoffnung aufeine Rückkehr Südtirols geäußert hatte.Das gilt für den späteren Nationalrat Krane-bitter ebenso wie für Stemberger. Wie einceterum censeo urgiert Stemberger dieSüdtirolfrage, die ihm wie seinem KanzlerFigl zur „Herzenssache“ wurde29. Er argu-mentierte vor allem mit der Gerechtigkeit,ohne die ein allfälliger Friedensvertragnicht Bestand haben könne. Erstaunlichist, daß sich Stemberger im „Osttiroler Bote“ nie zur Frage der RückgliederungOsttirols geäußert hat – vermutlich des-halb, weil sich diese Frage für ihn wohlmit der angestrebten RückgliederungSüdtirols quasi von selbst erledigt hätte.Für den heutigen Leser ebenfalls bemer-kenswert erscheint, daß Stemberger sichoffen zu seiner religiösen Überzeugungbekennt und sie auch zum Maßstab für alles Handeln erhebt. Auch Demokratie seifür ihn nicht letztes Ziel und absoluterWert, sondern nur ein Weg, der zum Zielführe30; eine letzte Antwort auf alle aktu-ellen Fragen – vor allem politischer undwirtschaftlicher Natur – könne nur aus ei-ner tiefen traditionellen und religiösenBindung kommen31.

Die Südtirolfrage wurde besonders nachder Ablehnung einer Rückkehr Südtirolsdurch die Außenminister auf der Pariser

Friedenskonferenz heftig debattiert. Am 7. Mai – einen Tag vor dem in ganz Öster-reich begangenen Tag der Befreiungdurch die Alliierten – hielt der National-ratsabgeordnete eine mit großem Beifallaufgenommene Rede32. Wenige Tagespäter veröffentlichte er im „Osttiroler Bote“ einen Artikel, in dem er das Gespenst eines abermaligen VerlustsSüdtirols an die Wand malte33. Er hatte dieVision eines geeinten Tirol, das „völker-versöhnend und befreiend … wirken,nicht nur ein Symbol, sondern ein wirklichlebendes Zeugnis des Friedens – der Ruheund der Ordnung nach außen und innen“34

sein sollte. Aber nicht nur Tirol, sondernden wiedererstandenen Staat Österreichsah er in der Rolle des „Friedensvermitt-lers und Friedenskünders“35 in Europa. Erknüpfte dabei an den Österreich-Patriotis-mus der Zwischenkriegszeit an, der ihm indem ermordeten Engelbert Dollfuß gera-dezu verkörpert schien. Stembergers Reflexionen über diese Rolle Österreichsin der europäischen Friedensordnungverraten zudem seine profunden histo-rischen und literarischen Kenntnisse.

Sein letzter im Jahre 1946 veröffent-lichter Artikel enthält einen Appell an dieoffenbar müde gewordene, von denMißerfolgen des Wiederaufbaus ent-täuschte Bevölkerung36. Er warnt aber dar-

in zugleich vor einer Überbewertung derArbeit im Sinne eines Allheilmittels, alsoin der Arbeit gewissermaßen eine Ersatz-religion zu sehen. Wie in allen gesell-schaftspolitischen Artikeln rechneteStemberger auch in diesem Aufsatz scho-nungslos mit dem Nationalsozialismus ab.

Die weiteren Nummern des „OsttirolerBote“ enthalten keine Artikel mehr vonDr. Stemberger, lediglich am 6. 12. er-schien die lapidare Notiz, daß der Natio-nalrat erkrankt und folglich von persön-lichen Vorsprachen Abstand zu nehmensei37.

Stemberger griff erst am Beginn desneuen Jahres 1947 noch zweimal zur Feder, und zwar als es um das National-sozialistengesetz ging, das am 26. Jännervom Nationalrat einstimmig beschlossenworden war38. In einem Leitartikel hatteLandtagsabgeordneter Franz Kranebitterdie Härten des Gesetzes kritisiert und in-direkt das österreichische Parlamentdafür verantwortlich gemacht – freilichnicht ohne die Einschränkung, daß auchdie Besatzungsmächte ihre Hände im Spiel hätten39. Er brach darin eine Lanze für die„erbarmende und verzeihende Liebe“ undwarnte zugleich davor, daß „mit Haß undUngerechtigkeiten … der verderbliche nationalsozialistische Geist … nicht über-wunden“ 40 werden könne. Auch in ande-ren Artikeln distanzierte sich der „Ostti-roler Bote“ von der Härte dieses Geset-zes41, während Stemberger das Vorgehender Abgeordneten und auch die Strengeder Alliierten verteidigte. Dies wird einer-seits aus seiner persönlichen, von Anfangan unerbittlichen Haltung gegenüber demNationalsozialismus verständlich und an-dererseits aus der Kritik am Parlament,dem er ja selbst angehörte. Sein letzter Artikel, überschrieben mit den Worten „ImBanne des Dämons“ 42, fand denn – in einemNachsatz – auch nicht mehr die „vollin-haltliche“ Zustimmung der Redaktion.

Die letzte Sitzung, an der der OsttirolerParlamentarier teilnahm, war im Juni1947. Er kam bereits gesundheitlichschwer gezeichnet nach Hause. SeinSohn Edwin hatte ihn im Zug bis Villachbegleitet, wo beide von Hiblers Dienst-wagen abgeholt wurden. Im LienzerKrankenhaus, in das er nun eingeliefertwerden mußte, verstarb er am 8. Juli.

Das Begräbnis fand unter großer An-teilnahme und Beteiligung von Klerus undBevölkerung Osttirols auf dem LienzerFriedhof statt. Mehrere Nationalratsabge-ordnete und Landespolitiker waren an-wesend und hielten Gedenkreden, unteranderem Stembergers Nachfolger im Nationalrat (1947 – 70), der damalige Be-zirksbauernobmann Franz Kranebitter.Dekan Budameier zelebrierte das Re-quiem43.

Am 30. Juli hielt der Nationalratsprä-sident Dr. Alfons Gorbach im Parlamenteinen Nachruf, den er mit den Wortenschloß: „Mit Dr. Stemberger ist ein auf-rechter, braver Österreicher, ein lieberKollege von uns gegangen, dem wir stetsein ehrenvolles Gedenken bewahren wollen.“ Ein von festem Glauben und vonVaterlandsliebe geprägtes Leben fand seinen irdischen Abschluß.

O s t t i r o l e r H e i m a t b l ä t t e r 65. Jahrgang –– Nummer 7

Das durch Kriegseinwirkung schwer beschädigte Parlamentsgebäude in Wien, in das Dr. J. Stemberger im Jahr 1945 als Abgeordneter zum österreichischen Nationalrat einzog.

Page 7: OSTTIROLER HEIMATBLÄTTER - Startseite - 07 klein.pdfsität Wien, Johannes Messner aus Schwaz. Ein weiterer Mit-schüler war der spätere Profes-sor für Deutsch und Geschichte an

Anmerkungen:1 Er scheint zum Teil in Vergessenhait geraten zu sein,

vgl. dazu etwa 50 Jahre Osttiroler Bote, Sonderbeilageam 11. Jänner 1996, S.X: über Franz Kranebitter: „(Er)wurde [im Herbst 1945] als ÖVP-Listenführer...auchfür den Nationalrat nominiert. Seine Angelobung imNationalrat fand am 8. Oktober 1947 statt.“

2 Zur Geschichte der Familie Stemberger vgl. H.Ladstätter, Die Namen der Schwaigen und Familien inDefereggen. Die Schwaige Stemmering (Stemberg), OHBl 1/1969.

3 Ludwig Mellitzer aus St.Veit und Georg Scheiber ausSt. Jakob i. D. – Für alle das Vinzentinum betreffendeInformationen sei Herrn Dir. Dr. Paul Rainer herzlichstgedankt, der sie mir bereitwillig zur Verfügung stellte.

4 Für die Zurverfügungstellung wertvoller Dokumentesei der Jesuitenniederlassung Stella Matutina und ins-besondere Frau Isolde Listmayer herzlichst gedankt.

5 Dieses Curriculum Vitae ist fast zur Gänze im Wortlautzitiert im Nachruf in den OHBl 14/1947, weshalb hiernur das Wichtigste wiederholt wird (jeweils unter An-führungszeichen zitiert).

6 Vgl. dazu insbesondere G. Stemberger, Die Geschich-te des Defereggentales und der Handel seiner Bewoh-ner, Diss. Wien 1950.

7 G. Zwanowetz, Österreichisches Biographisches Lexi-kon 1815 – 1950, 6 (1975), s. v. Mellitzer Georg sen. S.214. – In der dortigen Region hatte das Strohhutgewer-be eine eigene lokale Tradition, siehe G. Stemberger (zit.Anm. 6) und auch H. Kröll – G. Stemberger, Defe-reggen. Eine Landschaft in Tirol, Wien 1985, S. 214; zuDomzale vgl. den Sonder-Abdruck aus dem Wr. Han-delsblatt Nr.197 (31. Aug. 1929); zu Mannsburg sieheKröll – Stemberger S. 217 f., wo als Gründungs-jahr 1879 angegeben wird. – Nach St. Strazar, Mengesin Trzin skozi cas, Ljubljana 1993, S. 474 und 570 erfolgte die Gründung der Strohhutfabrik in Mannsburgallerdings schon 1870, wie oben wiedergegeben.

8 St. Strazar, a.a.O. S. 475. 9 Kröll-Stemberger, a.a.O. S. 223.

10 St. Strazar S. 475.11 Ebd. S.474 f.12 Mündliche Mitteilung Dr. Edwin Stemberger.13 St. Strazar a.a.O. S. 476; ähnlich schon das Wr. Han-

delsblatt Nr.197, 31. August 1929.14 Stemberger führt in seinem Curriculum Vitae keine

Gründe dafür an. Dem Nachruf Otto Steineggers (Ti-roler Nachrichten 1947, Nr. 153, S. 3) zufolge unter-nahm er in dieser Zeit auch Geschäftsreisen auf denBalkan, nach Frankreich, Großbritannien und Spanien.

Danach habe er einen leitenden Posten in einer Groß-bank innegehabt. Diese Angaben sind allerdings nichtverifizierbar.

15 Banovina bedeutet soviel wie Gebietskörperschaft. –Mitteilung von Dr. Edwin Stemberger.

16 Z. B. P. Ladstätter & Söhne, Mariahilfer-Str. 63, J. Stemberger & Comp., Mariahilfer-Str. 45 (SieheKröll-Stemberger 216 und 218).

17 So in seinem Curriculum.18 Vgl. zum folgenden: OB 29, 18. Juli 1947, S. 1 [Nach-

ruf].19 Tatsächlich war dadurch das erhoffte Zusammen-

wachsen mit der Osttiroler Bevölkerung beeinträchtigt,und das Bereisen der Täler unterblieb, oder genauer ge-sagt: mußte gesundheitsbedingt unterbleiben. „Dazureichte es nicht mehr“, heißt es lapidar im ersten Nach-ruf des „Osttiroler Bote“ (zit. Anm.18).

20 Dazu allgemein J. Leidenfrost, Die Nationalratswahlen1945 und 1949: Innenpolitik zwischen den Besatzungs-mächten, in: G. Bischof – J. Leidenfrost, Die bevor-mundete Nation. Österreich und die Alliierten 1945 –1949 (Innsbrucker Forschungen zur Zeitgeschichte 4),Innsbruck 1988, 127 – 53; E. Bezemek, Die National-ratswahlen am 25. November 1945 (Diss.), Wien 1977.

21 Das folgende nach schriftlichen Mitteilungen von Dr.E. Stemberger.

22 Insgesamt 19 Mal kam Figl nach Matrei, vgl. H. Hafele(Hg.), Bezirkskunde Osttirol, Lienz 1993, S. 156.

23 Stenographische Protokolle über die Sitzungen des Na-tionalrates (V. Gesetzgebungsperiode) der RepublikÖsterreich 1945 bis 1946. I. Band. 1. bis 30. Sitzung,Wien 1946. – 1946 bis 1947. II. Band. 31. – 50. Sitzung,Wien 1947.

24 Protokolle I, S. 42 – 44. – Aus dem Ausschuß für so-ziale Verwaltung trat er am 3. 3. 1947 wieder aus.

25 In der 28. Sitzung am 24. 7. 1946 Anfrage betreffenddie Rückführung der österreichischen Kriegsgefange-nen; in der 31. Sitzung (9. 10. 46) Antrag betreffendWiedereinführung des Testamentsrechtes; 33. Sitzung(13. 11. 46): betreffend außerordentliche Maßnahmenauf dem Gebiet des Apothekerwesens.

26 Vgl. OB 29, 18. Juli 1947, S. 1 [Nachruf] und OB 1, 7.Jänner 1971, S. 4 (Abbildung).

27 Politische Rundschau, OB Nr. 1, 10. 1. 1946, S. 4.28 „Südtirol ist eines der Themen, die seit Anbeginn den

„Osttiroler Bote“ füllen.“ (M. Pizzinini, Ein Ge-schichtsbild aus der Gründungszeit des „Osttiroler Bo-te“, OHBl 1 – 2/1996)

29 A. a. O. (Anm. 30) und Politische Rundschau, OB Nr.2, 1. 2. 1946, S. 6: „Daß uns ... die Südtirolerfrage

eine Herzenssache und damit zur Kardinalfrage über-haupt geworden ist, muß immer wieder dem Welt-gewissen vorgehalten werden.“

30 OB Nr. 1, 10. 1. 1947, S. 4: „Demokratie (kann) nie-mals Selbstzweck sein ... Demokratie als Mittel wahrerVolkswohlfahrt...“; OB Nr. 6, 1. 4. 1946, S. 6: „Wirt-schaft und Kultur, Staat und Gesellschaft – ja sogar Vaterland und Demokratie sind Werte – aber nicht absolute Werte“.

31 OB Nr. 6, 1. 4. 1946, S. 6: „Wir stehen zu ihm (demHerz-Jesu-Bund) trotz Hohn und Spott“. – Vgl. auchseinen Artikel „Mehr Pfingstgeist“, OB Nr. 14, 14. 6.1946, S. 1: „Wir ,moderne‘ Menschen verstehen unskaum mehr in der eigenen Muttersprache – weil unseben der Pfingstgeist – der Geist echten Christentumsmangelt …“. Diese offene Sprache, die Appelle undAufrufe sowie der Versuch, die Leserschaft zu beein-flussen, waren damals auch in anderen Medien keineSeltenheit (vgl. R. Hatzer, „50 Jahre Osttiroler Bote“,OHBl 1 – 2/1996).

32 F. Kranebitter, Tag der Befreiung Österreichs, OB Nr.9, 10. 5. 1946, S. 1.

33 Um unser Liebstes!, OB Nr. 9, 10. 5. 1946, S. 1 f.34 OB Nr.14, 14. Juni 1946, S. 1.35 Österreichisches Gedenken, OB Nr. 23, 16. 8. 1946,

S. 1.36 Arbeit in richtiger Schau und Wertung, OB Nr. 28, 20.

September 1946, S. 1 f.37 OB Nr. 39, 6. 12. 1946, S. 3.38 Zur Problematik der Entnazifizierung in Tirol siehe G.

Köfler, Auf der Suche nach einem neuen Anfang, in:Zeitgeschichte Tirols, hg. v. M. Pizzinini, Innsbruck1990, 141 – 65, bes. 146 f.

39 F. Kranebitter, „Vergib uns unsere Schulden, wie auchwir vergeben“. Gedanken zum Nazigesetz, OB Nr. 10,7. 3. 1947, S. 1f.

40 A. a. O., S. 2.41 So etwa OB Nr. 10, 28. 2. 1947 (Fürsterzbischof Rohra-

cher zum Entnazifizierungsgesetz); M., Staatsvertragund Nationalsozialistengesetz, OB Nr. 13, 28. 3. 197, S.1f.; G.Z., Die Rache eines Siegers, OB Nr. 14, 4. 4.1947, S. 1.

42 OB Nr. 15, 11. 4. 1947, S. 1f.43 O. Steinegger, Der letzte Weg des NR Dr. Joseph Stem-

berger, Tiroler Nachrichten 1947, Nr. 146, S. 2. – Kra-nebitter wurde übrigens bereits zu Stembergers Leb-zeiten als dessen Ersatzkandidat vorgesehen, was er jedoch mit einem energischen Nein ablehnte (C. Krane-bitter, Franz Kranebitter. Leben und Werk, Lienz 1995,S.8).

Nummer 7 –– 65. Jahrgang O s t t i r o l e r H e i m a t b l ä t t e r

Das Garten-Peristyl (Abb. 2)Eine wichtige Rolle beim genußvollen

Erleben des Atriumhauses spielte das Gar-ten-Peristyl in der Mitte des Wohntraktes.Durch seine zentrale Lage war es im täg-lichen Leben allgegenwärtig. Hier konnteman sich an den angenehmen Tagen desJahres aufhalten und sich an einem Stückgestalteter Natur erfreuen. Aber auch vomAtrium 45 bzw. Tablinum 45 a im Nordenund von den Sommerräumen im Südenwar es einsehbar. Seiner Gestaltung hatman deshalb besonderes Augenmerk ge-schenkt. Eine genauere Vorstellung vomehemaligen Aussehen des Garten-Peri-styls ergaben die Ausgrabungen des Insti-tuts für Klassische Archäologie der Uni-versität Innsbruck im Juli und August desJahres 1996, bei denen gut die Hälfte desGartens erforscht wurde.

Die symmetrisch gestaltete, fast quadra-tische Gartenanlage wird an drei, vermut-lich sogar an allen vier Seiten von einembreiten Umgang begrenzt. Im Zentrum desGartens liegt ein großes, vermutlich U-för-miges Zierbecken mit apsidialer Erweite-rung in der Mitte. Die Außenseiten desBeckens dürften etwa 14 m lang gewesensein. Die Becken-Innenbreite beträgt2,40 m, seine Tiefe etwa 0,60 m. Zwischendem Umgang und dem Becken und auf dervom Becken umgebenen Halbinsel dürften

sich Grünflächen befunden haben. DerGarten konnte vom Atrium im Norden,vom Sommertriklinium im Süden unddurch zwei Zugänge im Osten und Westen(Abb. 1: a) betreten werden.

Der Umgang um den Hof wurde an derAußenseite von Mauern begrenzt, auf denen bei den Grabungen in den fünfzigerJahren unter Miltner noch die Reste vonWandmalereien in-situ gefunden wurden12.

Michael Tschurtschenthaler

Gedanken aus Anlaß der „Wiedervereinigung“des Atriumhauses von Aguntum

Abb. 2: Blick von der neuen Straßenbrücke auf den Süd-Ost-Teil des Garten-Peristyls des Atriumhauses während der Ausgrabungen 1996. (l. und hinten: Umgang; r. vorne:Wasserbecken).

(2)

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Diese Malereien und eine z. T. tief funda-mentierte Mauer am inneren Rand desUmganges lassen an eine Überdachungdes Umganges denken. Reste von Pfeilernbzw. Säulen haben sich bisher aber nichtnachweisen lassen. Deshalb dürften dieStützen und die Überdachung am ehestenaus Holz bestanden haben. Der Boden desUmgangs setzte sich aus einer Rollierungaus flach oder hochkant verlegten Bach-kieseln und einem nur mehr an wenigenStellen nachweisbaren Mörtelstrich zu-sammen. Mosaiksteinchen oder Frag-mente eines Marmorplattenbodens habensich nicht gefunden.

Das Zierbecken in der Mitte besaß amBoden und an den Wänden eine Ausklei-dung aus Marmor. Der Boden aus Marmordürfte sich komplett erhalten haben, auchvon der Wandverkleidung haben sich einige größere Stücke gefunden.

Noch nicht eindeutig geklärt werdenkonnte die Wasserversorgung des Beckens.Mehrere Tonrohre lassen aber an eine Lei-tung denken, die Wasser vom Impluviumdes Atriums 45 ins Becken gebracht hat.

Im Süden des Beckens wurde Kanal bangeschnitten, der die Wasserentsorgung

des Beckens ermöglicht hat (Abb. 4). DerAbwasserkanal führte unterhalb des Um-ganges gegen Süden. Bei seiner Anlage istdie innere Mauer des Umganges, auf der dieStützen des Daches anzunehmen sind, ent-fernt worden. Diese Mauer muß demnachfrüher als der Kanal des Beckens errichtetworden sein. Unter der begründeten An-nahme, daß das Becken und der Abwas-serkanal gleichzeitig erbaut worden sind,dürfte der Garten in einer ersten Phaseüber kein Becken und wahrscheinlich auchüber keinen Umgang verfügt haben. Viel-mehr dürfte sich der Garten bei der Er-bauung des Atriumhauses wohl in claudi-scher Zeit13 im Osten und Westen nur biszur späteren Innenmauer des Umgangeserstreckt haben. Damit scheint sich imGarten eine von Alzinger im Atrium-Traktgemachte Beobachtung zu bestätigen, die eine nachträgliche Verbreiterung desAtriumhauses gegen Ende des ersten nach-christlichen Jahrhunderts wahrscheinlichmacht14. Im Zuge dieser Vergrößerung, diesich im übrigen auch bei der Notgrabung1995 im Bereich der Privattherme desAtriumhauses nachweisen ließ15, dürfte dasGarten-Peristyl in der oben beschriebenenForm entstanden sein.

Zu einem derzeit aufgrund fehlenderKleinfunde nicht näher bestimmbarenZeitpunkt in der Spätantike ist das Beckenaufgegeben und mit bewußt zerkleinertenFresko- und Tubulifragmenten und Bach-steinen verfüllt worden (Abb. 5). Über derAuffüllung des Beckens führte man Mauerc auf, deren Orientierung stark von der derHofanlage abweicht. Mit großer Wahr-scheinlichkeit haben in dieser Phase nichtnur das Becken, sondern das gesamte Peri-styl ihre ursprüngliche Funktion als Gar-tenanlage verloren. Diesen Funktionswan-del belegt auch die in den ehemaligenGrünstreifen eingebaute Kanalheizung dsamt zugehörigem Praefurnium (Abb. 3)16.Offensichtlich hat das Atriumhaus damalsseinen herrschaftlichen Charakter verlorenund ist einer einfacheren Verwendung zu-geführt worden17.

Anmerkungen:

12 Miltner a.O. (Anm. 4) 124. Ders., Aguntum. Vorläufi-ger Bericht über die Ausgrabungen 1953-1954. Jh 42,1955, Beibl. 75.

13 Zur Datierung des Atriumhauses s. Alzinger a.O.(Anm. 5) 128ff.

14 Vgl. dazu Alzinger a.O. (Anm. 3) 168 u. Abb. 8.15 Zu den Grabungen in der Privattherme s. kurz M.

Tschurtschenthaler, Die feldarchäologischen For-schungen des Instituts für Klassische Archäologie derUniversität Innsbruck im Jahre 1995. Veröffentlichun-gen des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum75/76, 1995-1996 (1997), 159f.

16 Spuren dieser Nachnutzung sind bereits von Miltnera.O. (Anm. 12) 79 und Alzinger a.O. (Anm. 5) 86f.festgestellt worden.

17 Zur Datierung des Atriumhauses vgl. Anm. 13.

O s t t i r o l e r H e i m a t b l ä t t e r 65. Jahrgang –– Nummer 7

Abb. 3: Blick auf die nachträglich in denGarten eingebaute Kanalheizung d samtPraefurnium (Ausschnitt).

Abb. 5: Fresko-Fragment mit floralem Dekor aus der Verfüllungsschicht des Marmor-beckens. Alle Fotos: Institut für Klassische Archäologie der Universität Innsbruck

Abb. 4: Blick auf östliche Seitenwand und Steinabdeckung des Entwässerungskanals desMarmorbeckens.

IMPRESSUM DER OHBL.:Redaktion: Univ.-Doz. Dr. Meinrad Pizzi nini.

Für den Inhalt der Beiträge sind die Autorenverantwortlich.

Anschriften der Autoren dieser Nummer: Mag. Michael Huber, A-1060 Wien, Maria-hilfer Straße 99/I/23. – Univ.-Ass. Dr. MichaelTschurtschenthaler, Institut für Klassische Archäologie der Universität Innsbruck, A-6020Innsbruck, Innrain 52..

Manuskripte für die „Osttiroler Heimatblät-ter“ sind einzusenden an die Redaktion des„Osttiroler Bote“ oder an Dr. Meinrad Pizzi-nini, Albertistraße 2a, A-6176 Völs.