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ROTTWEILER HEIMATBLÄTTER Herausgegeben von Winfried Hecht für den Rottweiler Geschichts- und Altertumsverein e.V. Druck: Druckzentrum Südwest GmbH Redaktion: Andreas Pfannes, Rottweil 78. Jahrgang 2017 Nr. 6 Das Konzil von Trient hat nach der Reformation den katholischen Christen den Sinn der Heili- genverehrung neu erklärt und bei ihnen damit in den Barock hinein unerwartet nachhaltige Re- sonanz ausgelöst. Wesentlich beigetragen hat dazu, dass der Kreis der Heiligen durch Persön- lichkeiten ergänzt wurde, die in den nicht nur re- ligiös-kirchlich schwierigen Zeiten vom 16. Jahrhundert bis zum 30-jährigen Krieg sich be- währt und Vorbildliches geleistet haben, zumal in Bereichen, die neu ins Blickfeld der maßgeb- lichen kirchlichen Öffentlichkeit getreten waren. Zu ihnen gehörte zweifellos Francisco de Yasu y Xavier, der im katholischen Deutschland als Franz Xaver bekannt wurde. Ein großer Missionar Franz Xaver wurde 1506 auf Schloss Xavier in Navarra im Nordosten des heutigen Spanien als Sohn hochadeliger Eltern geboren (vgl. R. Haub, Franz Xaver – Pionier, Organisator, Kom- munikator. In: Franz Xaver – Patron der Missio- nen. FS hrsg. von R. Haub und J. Oswald SJ. Regensburg 2002 S. 15 ff.). Mit 19 Jahren ging der begabte Franz Xaver nach Paris zum Stu- dium der Philosophie und wurde 1530 Magister artium. Danach strebte er das Doktorat an und lehrte selbst schon Philosophie. Schon 1529 lernte Franz Xaver den bereits 38jährigen Igna- tius von Loyola kennen, mit dem er im Pariser Studentenviertel ein Zimmer geteilt hat. Igna- tius, der 1539 die Gesellschaft Jesu gründete, die schon ein Jahr später von Papst Paul III. an- erkannt wurde, hatte Franz Xaver nach anfäng- lichen Spannungen bis 1534 von seinen Zielen überzeugt und konnte ihn seitdem zu dem klei- nen Kreis von Gleichgesinnten zählen, aus dem seine Ordensgemeinschaft erwachsen sollte (vgl. W. Hecht, Die Jesuiten und ihre Societas Jesu. In: Rottweils Jesuiten und ihre Jesuiten- Galerie hrsg. von W. Hecht. Lindenberg i. A. 2010 S.12 ff.). Im Auftrag des portugiesischen Königs Johann III. und als päpstlicher Legat für den Fernen Osten brach Franz Xaver 1541 von Lissabon nach Indien auf und kam nach drei- zehnmonatiger Überfahrt Anfang Mai 1542 in Goa in Indien an, der glanzvollen Hauptstadt des dortigen Kolonialreiches der Portugiesen. Dort lernte er Tamilisch und missionierte in ver- schiedenen Gegenden des indischen Subkonti- nents mit großem Erfolg; gelegentlich taufte er 10 000 Personen in einem einzigen Monat. 1546 war er im heutigen Indonesien unterwegs und gelangte 1549 als nunmehr erster Provin- zial der neuen jesuitischen Ordensprovinz Goa nach Japan. Zur Verehrung des hl. Franz Xaver in der Rottweiler Gegend von Winfried Hecht Die einsame Todesstunde des Jesuiten-Heiligen und frühen Asien-Missionars Franz Xaver im Jahre 1552 auf einer Insel vor dem chinesischen Festland stellt Joseph Firtmair 1732 malerisch auf dem südlichen Seitenaltar der Rottweiler Kapellenkirche dar. Foto: Berthold Hildebrand

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ROTTWEILER HEIMATBLÄTTERHerausgegeben von Winfried Hecht für denRottweiler Geschichts- und Altertumsverein e.V.

Druck: Druckzentrum Südwest GmbHRedaktion: Andreas Pfannes, Rottweil

78. Jahrgang 2017 Nr. 6

Das Konzil von Trient hat nach der Reformationden katholischen Christen den Sinn der Heili-genverehrung neu erklärt und bei ihnen damit inden Barock hinein unerwartet nachhaltige Re-sonanz ausgelöst. Wesentlich beigetragen hatdazu, dass der Kreis der Heiligen durch Persön-lichkeiten ergänzt wurde, die in den nicht nur re-ligiös-kirchlich schwierigen Zeiten vom 16.Jahrhundert bis zum 30-jährigen Krieg sich be-währt und Vorbildliches geleistet haben, zumalin Bereichen, die neu ins Blickfeld der maßgeb-lichen kirchlichen Öffentlichkeit getreten waren.Zu ihnen gehörte zweifellos Francisco de Yasuy Xavier, der im katholischen Deutschland alsFranz Xaver bekannt wurde.

Ein großer Missionar

Franz Xaver wurde 1506 auf Schloss Xavier inNavarra im Nordosten des heutigen Spanienals Sohn hochadeliger Eltern geboren (vgl. R.Haub, Franz Xaver – Pionier, Organisator, Kom-munikator. In: Franz Xaver – Patron der Missio-nen. FS hrsg. von R. Haub und J. Oswald SJ.Regensburg 2002 S. 15 ff.). Mit 19 Jahren gingder begabte Franz Xaver nach Paris zum Stu-dium der Philosophie und wurde 1530 Magisterartium. Danach strebte er das Doktorat an undlehrte selbst schon Philosophie. Schon 1529lernte Franz Xaver den bereits 38jährigen Igna-tius von Loyola kennen, mit dem er im PariserStudentenviertel ein Zimmer geteilt hat. Igna-tius, der 1539 die Gesellschaft Jesu gründete,die schon ein Jahr später von Papst Paul III. an-erkannt wurde, hatte Franz Xaver nach anfäng-lichen Spannungen bis 1534 von seinen Zielenüberzeugt und konnte ihn seitdem zu dem klei-nen Kreis von Gleichgesinnten zählen, aus demseine Ordensgemeinschaft erwachsen sollte(vgl. W. Hecht, Die Jesuiten und ihre SocietasJesu. In: Rottweils Jesuiten und ihre Jesuiten-Galerie hrsg. von W. Hecht. Lindenberg i. A.2010 S.12 ff.). Im Auftrag des portugiesischenKönigs Johann III. und als päpstlicher Legat fürden Fernen Osten brach Franz Xaver 1541 vonLissabon nach Indien auf und kam nach drei-zehnmonatiger Überfahrt Anfang Mai 1542 inGoa in Indien an, der glanzvollen Hauptstadtdes dortigen Kolonialreiches der Portugiesen.Dort lernte er Tamilisch und missionierte in ver-schiedenen Gegenden des indischen Subkonti-nents mit großem Erfolg; gelegentlich taufte er10 000 Personen in einem einzigen Monat.1546 war er im heutigen Indonesien unterwegsund gelangte 1549 als nunmehr erster Provin-zial der neuen jesuitischen Ordensprovinz Goanach Japan.

Zur Verehrung des hl. Franz Xaver in der Rottweiler Gegend

von Winfried Hecht

Die einsame Todesstunde des Jesuiten-Heiligen und frühen Asien-Missionars Franz Xaver im Jahre1552 auf einer Insel vor dem chinesischen Festland stellt Joseph Firtmair 1732 malerisch auf demsüdlichen Seitenaltar der Rottweiler Kapellenkirche dar. Foto: Berthold Hildebrand

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Dort baute er vor allem die Missions-station Yamaguchi auf und knüpfte en-ge Beziehungen zu wichtigen Fürstendes Landes. Zweifellos war Franz Xa-ver ein ausgesprochen kontaktfähigerMensch, der begeistern konnte.In Japan reifte der Entschluss FranzXavers, als Glaubensbote nach Chinaals dem wichtigsten Land des FernenOstens zu gehen. Nach einem erneu-ten Aufenthalt in Goa im Frühjahr1552 brach er ins Reich der Mitte auf,konnte in das mächtige Land jedochnicht einreisen. Er gelangte lediglichauf die Küsteninsel Sancian (Shang-chuan) vor Kanton, erkrankte dort undstarb völlig vereinsamt am 3. Dezem-ber 1552 mit erst 46 Jahren in einerarmseligen Schilfhütte. Sein Leich-nam wurde nach Goa gebracht underhielt ein prunkvolles Grabmal ausMarmor. 1619 wurde Franz Xaver se-lig, 1622 heilig gesprochen. Er wurdePatron der Seefahrer und Glaubens-boten sowie gegen die Pest und füreine gute Sterbestunde. Dargestelltwurde er am häufigsten als predigen-der Missionar mit einem Kruzifix in derHand oder bei der Taufe eines knien-den dunkelhäutigen Eingeborenen.

Die Verehrung des Heiligen erreicht Rottweil

Die Jesuiten kamen im Herbst 1652nach Rottweil, um hier eine zunächstvergleichsweise kleine Niederlassungzu gründen und das in kritischem Zu-stand befindliche Gymnasium derReichsstadt zu übernehmen (vgl. W.Hecht, Rottweils Jesuiten und ihreGeschichte im Überblick. In: RottweilsJesuiten und ihre Jesuiten-Galerie.Hrsg. von Winfried Hecht. Lindenbergi. A. 2010 S. 25 ff.). Die Patres brach-ten auch den Kult des noch relativ„neuen“ Heiligen Franz Xaver ausihrem Orden mit nach Rottweil undvermittelten ihn schnell und mit Erfolgden Gläubigen. Schon 1653 war einBild des Heiligen „in ziemlich großemFormat und in elegantem Malstil“ inder Kapellenkirche aufgestellt (vgl.Die Hauschronik der Jesuiten vonRottweil 1652-1773 hrsg. und übersetzt von D.Schmid. Rottweil 1989 S. 37). Als 1652 offenbarnoch Anfang Dezember am Festtag des Heili-gen erstmals über ihn gepredigt wurde, hatteeine Zuhörerin alsbald Heilung von ihremschweren Kopfweh erfahren und machte dank-erfüllt ein Gelübde (vgl. Die Anfänge der Rott-weiler Jesuitenresidenz hrsg. und übersetzt vonD. Schmid. Rottweil 1997 S. 57 ff.). Im folgen-den Jahr wurde ein Mädchen geheilt, das seinerLebtag zuhause das Bett hüten musste, nach-dem sie sich am Fest des Heiligen in die Kircheder Jesuiten geschleppt und dort die Festpre-digt angehört hatte. Auch die Heilung von Seh-beschwerden bei einem Schüler der Jesuitenund der Gelbsucht bei einem anderen Zeitge-nossen wurden dem heiligen Franz Xaver zu-geschrieben, nachdem beide Kranke gelobthatten, am Geburtstags des Heiligen künftig al-le Jahre zu kommunizieren (vgl. Die AnfängeS. 59 ff.).Noch weitere wundersame Krankenheilungenhielten die Rottweiler Jesuiten aus ihrer An-fangszeit in Rottweil schriftlich fest, die der Für-sprache von Franz Xaver zugeschrieben wur-

den. So konnte ein Kranker mit schweren Atem-beschwerden „völlig frei Luft holen“, nachdemman seinen Hals mit einem Bild des Heiligenberührt hatte (vgl. Die Anfänge S. 59 ff.). Aberauch noch zur Zeit der zweiten Niederlassungder Jesuiten in Rottweil im Jahre 1692 konnteman „Wohltaten“ verzeichnen, die man auf dieFürsprache Franz Xavers zurückführte. 1695fand ein „angesehener Mann“ in „schwererKrankheit“ Heilung, „die er von der heilendenHand des Arztes kaum mehr hätte erwartenkönnen“ (vgl. Die Anfänge S. 113). 1696 wurdeeine weitere wundersame Hilfe des Himmelsder Fürsprache des „großen Xaverius“ zuge-sprochen. Die inzwischen eingeführte, neun-tägige Andacht zu Franz Xaver brachte schließ-lich 1698 „einem Menschen Trost, als er sich inschwerster Trübsal befand“. All dies lässt darandenken, dass in der Rottweiler Kapellenkirchevon den Jesuiten nicht allein ein Bildnis ihresOrdensbruders Franz Xaver zur Verehrungdurch die Gläubigen aufgestellt wurde, sonderndass Gebetserhörungen, die mit seiner himmli-schen Fürsprache in Zusammenhang gebrachtwurden, in einem Mirakelbuch aufgeschrieben

wurden und Votivtafeln die einzelnenFälle beim Bildnis des Heiligen doku-mentierten.Wie sehr der heilige Franz Xaver beiden Rottweiler Jesuiten geschätztwar, wird damit deutlich, dass sie1708 den Termin für den Einzug in ihrneu erbautes Kolleg, das spätereKonvikt, auf den Xaverius-Tag, den3. Dezember, legten (vgl. Hauschro-nik der Jesuiten von Rottweil S. 67).Nachdem „ihre“ Kapellenkirchedurch einen barocken Neubau er-setzt worden war, wurde 1732 in derKirche an bevorzugter Stelle ein Altarzu Ehren des Heiligen errichtet, des-sen Altarbild mit der Darstellung desTodes des Heiligen von Joseph Firt-mair im großen Format gemalt wor-den war. 1744 führte man in der Ka-pellenkirche eine besondere An-dacht zu Ehren Franz Xavers in derOktav nach dem Fest des Heiligenein, im Verlauf deren schon morgensum 7 Uhr das Allerheiligste vomHochaltar auf den Altar Franz Xaversübertragen und damit den anwesen-den Schülern der Segen gespendetwurde (vgl. Hauschronik der Jesuitenvon Rottweil S. 115). Um die gleicheZeit kam eine in Augsburg gefertigteStrahlenmonstranz als Reliquiar indie Kirche, welche jeweils das Brust-bild Franz Xavers zusammen mit denMedaillons weiterer Jesuiten-Heiligerzeigt (vgl. W. Vater, Der Kirchen-schatz der Kapellenkirche in Rott-weil. In: Rottweils Jesuiten und ihreJesuiten-Galerie hrsg. von W. Hecht.Lindenberg i. A. 2010 S. 127 mit Abb.S. 125). Für 1750 berichtet die Haus-chronik der Jesuiten, wie zu Ehrendes Heiligen von einer Adeligen einekostbare Kasel gestiftet wurde undsein Ehrentag mit Lobrede, mit Fest-predigt, gesungenem Hochamt undChormusik in Gegenwart zahlreicherauswärtige Kleriker begangen wurde(vgl. Hauschronik der Jesuiten vonRottweil S. 153).Nach wie vor wurden am Altar desHeiligen wie noch 1754 „vielfältigeGnadenbeweise“ erlebt (vgl. Haus-chronik der Jesuiten von Rottweil

S. 167). 1759 vermachte ein Kaplan von HeiligKreuz in Rottweil dem Altar des heiligen FranzXaver in der Kapellenkirche testamentarisch 60Gulden, eine vornehme Rottweilerin 45 Gulden(vgl. Hauschronik der Jesuiten von RottweilS. 187 ff.). Auch 1767, wenige Jahre vor derAufhebung der Rottweiler Jesuiten-Niederlas-sung, kam dem Altar eine Stiftung von über 100Gulden von Seiten eines namentlich nicht ge-nannten, auswärtigen Gönners zugute (vgl.Hauschronik der Jesuiten von Rottweil S. 209).Zur Popularität des Heiligen hatte zweifellosschon 1741 nicht wenig beigetragen, dass dieSchüler des Rottweiler Gymnasiums Szenenaus dem Leben des Franziskus Xaverius zumGegenstand ihrer jährlichen Theateraufführunggemacht hatten, wie dies schon zuvor ausge-hend von Luzern an mehreren Orten mit Nie-derlassungen der Gesellschaft Jesu gehaltenworden war (vgl. M. Dietrich, Die Franz Xaver-Kapelle bei Morschach und ihr Bezug zur Jesui-ten-Aufführung im Jahre 1677. In: R. Haub u. J.Oswald SJ, Franz Xaver – Patron der Missio-nen. FS zum 450 Todestag. Regensburg 2002S. 269).

In der Pfarrkirche von Reichenbach auf dem Heuberg ist eine gefasteHolzplastik zu sehen, die den hl. Franz Xaver bei einer Taufe in denMissionen zeigt. Foto: Berthold Hildebrand

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Zeugnisse eines Heiligenkults rund um Rottweil

Die Verehrung von Franz Xaver wurde von denRottweiler Jesuiten aber offensichtlich über ihrKolleg und seinen Standort hinaus verbreitet.An der Brüstung der Empore der Wallfahrtskir-che von Ruhe Christi vor den Toren des damali-gen Rottweil ist ein Ölgemälde mit dem Tod vonFranz Xaver zu entdecken, das die RottweilerJesuiten um 1720 gestiftet haben; man siehthier den Heiligen virtuos gemalt in einer mitSchilf gedeckten Hütte auf der Insel Sancian mitwild aufgewühltem Meer und der KüstenstadtKanton im Hintergrund (vgl. W. Hecht, JohannAchert (ca. 1655-1730). Katalog zur Ausstel-lung aus Anlass des 250. Todestages desKünstlers am 14. Oktober 1980. Rottweil 1980S. 37 Nr. 51 und Abb. 43). Für 1753 lässt sichdanach zeigen, dass die Xaverius-Verehrunglängst auch weiter über Rottweil hinaus getra-gen wurde. Im damals zu Rottweil gehörigenEpfendorf, wo die Gesellschaft Jesu im genann-ten Jahr eine etwa einwöchige „Mission“ zur Er-neuerung und Vertiefung des religiösen Lebensdurchführte, wurde zur Erinnerung an dieseVeranstaltung nämlich ein zweiseitig bemaltesBild in Öl geschaffen, auf welchem auf dereinen Seite „Franciscus Xaverius“ als Apostelvon Indien und Japan zu sehen ist (vgl. W.Hecht, Seelsorge der Rottweiler Jesuiten in Ep-fendorf. Rottweiler Heimatblätter 72. Jg. (2011)Nr. 4 S. 2 ff.).Man wird annehmen können, dass der Heiligebei ähnlicher Gelegenheit auch in anderen Dör-

fern der Reichsstadt Rottweil oder im Vorder-österreichischen und Fürstenbergischen in Er-scheinung trat. Verbreitet wurde sein Kult aberauch durch ehemalige Schüler des RottweilerLyzeums, die Priester geworden waren und alsPfarrer in der Seelsorge in der weiteren Rott-weiler Umgebung wirkten. Dies war jedenfallsso in Aasen bei Donaueschingen, wo PfarrerJohann Michael Greysing vom benachbartenHeidenhofen um oder kurz nach 1700 ein Ölge-mälde von Johann Achert als Oberbild für einenSeitenaltar stiftete, auf dem Franz Xaver zu se-hen ist, wie er bei seiner Missionstätigkeit eineKranke segnet (vgl. W. Hecht, Ein „neues“ Ge-mälde von Johann Achert in der St. Blasius-Kir-che in Aasen. Schriften des Vereins für Ge-schichte und Naturgeschichte der Baar Bd. 57(2014) S. 71-S. 74). Pfarrer Greysing hat übri-gens 1705 die respektable Summe von 380Gulden dem Altar der Franz Xaver-Bruder-schaft in der Kirche seines Heimatorts Schnepf-au in Vorarlberg zugewendet (vgl. H. Huber, EinAchert-Bild in Vorarlberg. Rottweiler Heimat-blätter 66. Jg. (2005) Nr. 5 S. 3 bis S. 4). JohannAchert seinerseits hat den Heiligen FranciscusXaverius aber noch einmal gemalt – wahr-scheinlich für die Jesuiten in Solothurn (vgl.Hecht, Ein „neues“ Gemälde S. 73).Erhalten haben sich aber auch ausgesprochenvolkstümliche Zeugnisse zur Verehrung desHeiligen aus der Rottweiler Gegend. Bei Bubs-heim auf dem Heuberg ziert ein Holzrelief mitkleinen Abmessungen und der Darstellung desTodes von Franz Xaver auf Sancian noch heuteeinen Wegweiser. In der Kirche des nahe gele-

genen Reichenbach findet man im Schiff einekleine Holzplastik, welche Franz Xaver bei derTaufe eines „dunkelhäutigen“ Heiden zeigt, derneben ihm kniet. Man erinnert sich an die mei-sterliche Holzstatue von Ignaz Günther mit dergleichen Thematik und ist versucht, in der Ge-stalt des Täuflings den Prototyp des „Missions-negerleins“ zu sehen (vgl. Jesuiten. Die Welt istunser Haus. Katalog zur Ausstellung des Mu-seums im Wittelsbacher Schloss Friedberghrsg. von A. Arnold-Becker und R. Haub. Lin-denberg i. A. 2009 S. 48), der heute verpönt istund nickend über Generationen Kleingeld derGläubigen für die Missionen gesammelt hat. Inder Agatha-Kapelle von Hochmössingen,einem Dorf der Reichsstadt Rottweil, ist derHeilige in einer kleinen, wohl nicht besondersseetüchtigen Barke zu sehen, mit der er zu denInseln in Südostasien und Japans unterwegswar. Damit klingt das Motiv eines Gemäldes an,welches in Rottweiler Privatbesitz die Aussen-dung Franz Xavers durch den OrdensgründerIgnatius von Loyola vor einem fahrbereitenSchiff unter dem Monogramm des Jesuitenor-dens und der Devise „Me insulae exspectant“zeigt (vgl. Rottweils Jesuiten und ihre Jesuiten-Galerie hrsg. von W. Hecht. Lindenberg i. A.2010 S. 15). Mit der Verehrung des heiligenFranz Xaver ging es demnach nicht allein umdie Würdigung einer wichtigen kirchlichen Per-sönlichkeit des Barock und ihres Lebenswerks,sondern auch darum, über Franz Xaver die neuerlangte Weite der barocken Weltkirche undden Missionsgedanken den Gläubigen nahe zubringen.

Am 17. Oktober 1748 wurde Schwester Thes-salina Eberlin oder Eberle zur 42. Äbtissin derReichsabtei Rottenmünster gewählt (M. Rei-chenmiller, Das ehemalige Reichsstift undZisterziensernonnenkloster Rottenmünster.Studien zur Grundherrschaft, Gerichts- undLandesherrschaft. Stuttgart 1964 S. 186). IhreWahl erfolgte unter dem 17. Oktober 1748 undwurde bereits am 24. Oktober 1748 im Rat derbenachbarten Reichsstadt Rottweil offiziell zurKenntnis genommen (vgl. RPR vom 24. Okto-ber 1748 p. 71). Die Weihe der neuen Äbtissindurch Abt Anselm II. Schwab von Salem erfolg-te am 13. April 1749. Äbtissin Thessalina regier-te über ihr Kloster und das zugehörige reichs-freie Gebiet bis zu ihrem Tod am 1. August1762. Bei ihrer Wahl zur Äbtissin war die Zisterziense-rin 40 Jahre alt; sie stammte aus Saulgau. IhreVorgängerin Barbara von Pflummern dankteam 13. Oktober 1748 aus nicht bekanntenGründen ab, lebte aber noch bis in den Herbst1751 (Reichenmiller, a. a. O. S. 186). Ihr Kon-vent war sicherlich zahlenmäßig überschaubar.Unter ihrer Nachfolgerin zählte er vor 1769 24Schwestern, zwölf Laienschwestern und eineNovizin (vgl. Catalogus Personarum Const.Konstanz 1769 p. 297). Thessalina Eberlinnahm wie üblich in den ersten Monaten ihrerRegierung die Erbhuldigung ihrer Untertanen inderen Heimatdörfern entgegen.Es scheint, dass das religiöse Leben in ihrem

Kloster Äbtissin Thessalina ein besonderes An-liegen gewesen ist. Ihr Wappen ziert den Taber-nakel der Klosterkirche. Bei Papst ClemensXIII. (1758-1769) erlangte sie die Gewährungeines Ablasses, der alle sieben Jahre den Be-suchern der Klosterkirche am zweiten Sonntagim August gewährt werden konnte. 1753 be-mühte sich die Äbtissin um den Neuguss derzersprungenen zweiten Glocke ihrer Klosterkir-che, welche dann im folgenden Jahr aus Salemgeliefert wurde (vgl. W. Hecht, Zu den Glockenvon Rottenmünster. RHbl 71. Jg. (2010) Nr. 6S. 2 bis S. 3). Bei der Gestaltung ihres religiösen Lebens be-treut hat die Schwestern von Rottenmünster zu-mindest zwischen 1759 und 1762 Pater Diony-sius (vgl. GLA Karlsruhe Best. Salem 98/2908).Pater Dionysius scheint freilich nicht ständig derabsoluten Askese das Wort geredet zu haben,sondern hatte durchaus auch kleinere mensch-liche Schwächen. In einer Aufstellung seinerEinnahmen und Ausgaben von 1758/1760 fin-den sich auch Beträge, die der Pater für Tabakausgab oder verspielt hat.

Zwischen dem „Vaterabt“ von Salem und der Reichsstadt Rottweil

Nachdem Rottenmünster ordensrechtlich demReichsabt von Salem unterstellt war, wird esnicht überraschen, wenn auch ReichsäbtissinMaria Thessalina sich um ein gutes Verhältnis

zu Abt Anselm II. bemüht hat. Dazu sind eineReihe Glückwunschschreiben der Äbtissin zumNamenstag des „Vaterabts“ erhalten. 1753schickte Äbtissin Thessalina ihm auch zweiFässchen Wein als Geschenk. „Vor Ort“ in Rottenmünster hat den Abt von Sa-lem wie üblich der Beichtvater der Schwesternvertreten; mit dieser Funktion ist vor Pater Dio-nysius für 1750 und noch 1754 Pater Chrysolo-gus belegt (vgl. Fürstl. Thurn- u. TaxisschesArchiv Obermarchtal. Reichsabtei Salem.Archivalien betr. Rottenmünster (1561-1798)Nr. 75).Die Beziehungen zur Reichsstadt Rottweil wa-ren auch unter der Regierung von Reichsäbtis-sin Thessalina Eberlin gelegentlich gespannt.So protestierte die Äbtissin durch ihren Kloster-amtmann Johann Baptist zum Tobel, der 1751in die Dienste der Reichsabtei getreten war, beiRottweils Bürgermeister Matthauer, als dieReichsstadt Wein versteuern wollte, der im Rot-tenmünster gehörigen Klosterhaus an derHochbrücke privat verwendet werden sollte(vgl. RPR vom 14. November 1755 p. 586).Rottweil erklärte dazu, die entsprechende Be-freiung von der Steuer gelte nur für Angehörigedes Konvents von Rottenmünster, nicht aber fürPrivatpersonen. Prompt folgte eine Beschwer-de der Äbtissin, als ein Rottweiler Ziegler imWald von Zepfenhan, das zum Gebiet derReichsabtei gehörte, Holz einschlagen ließ (vgl.RPR vom 27. November 1755 p. 608).

Reichsäbtissin Thessalina Eberlin von Rottenmünster (1748-1762)

von Winfried Hecht

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Umfangreiche Regierungsaufgaben

Recht aufwendig gestalteten sich die Bemü-hungen von Reichsäbtissin Thesselina, wennes darum ging, den Pflichten ihres Klosters in-nerhalb des Schwäbischen Kreises gerecht zuwerden. Hilfreich war in diesem Zusammen-hang sicher, dass die Reichsäbtissin die Bezie-hungen zu benachbarten Reichsfürsten pflegte.So erlebte man in Rottenmünster im Herbst1749 den Besuch der Gattin des Erbprinzenvon Fürstenberg, die mehrmals im Zisterziense-rinnenkloster übernachtet hat (vgl. Die Haus-chronik der Jesuiten von Rottweil 1652-1773.Hrsg. und übersetzt von D. Schmid. Rottweil1889 S. 168/169).Im Rahmen seiner Außenbeziehungen kam derPflicht des Klosters beachtliche Bedeutung zu,die militärischen Aufgaben des SchwäbischenKreises mitzutragen. Dies gilt namentlich fürden Siebenjährigen Krieg, der 1756 ausbrachund dessen Ende die Äbtissin nicht mehr erlebthat. Rottenmünster musste in diesem Rahmendie Kosten für eine Anzahl von Soldaten auf-bringen, die in einem Regiment des Schwäbi-schen Kreises im Feld standen. Auch sonst war die Reichsabtei damals in mili-tärischem Zusammenhang gefragt. Ein ganzesFaszikel von zehn Schriftstücken hat sich dazuaus den Jahren von 1754 bis 1761 erhalten(vgl. Fürstlich Thurn und Taxis’sches ArchivObermarchtal. Reichsabtei Salem. Archivalienbetr. Rottenmünster (1561-1798) Nr. 84). Dageht es um die Bewerbung des Generalfeld-marschallleutnants von Roth um ein Kreisregi-ment, um eine Rottweiler Beschwerde gegenGeneralmajor Holzapfel, 1759 um den Unter-halt für den Invaliden Leutnant von Lenz, um dieBeförderung des Obersten Anton Graf vonMontfort zum Generalmajor im Jahre 1760, umdie Weigerung des jungen Herrn von Holzapfel,seinen Posten als Fähnrich persönlich anzutre-ten, oder um die Ernennung des Rottenmün-ster’schen Kontingentführers Nussbaumer zumFähnrich (1761). In all diesen Fällen musste die Reichsäbtissinsich mit ihren Beamten beraten, Stellung neh-men und sich entscheiden, ihre Stellungnahmevor allem mit dem Reichsabt von Salem undden anderen Reichsklöstern des Zisterzienser-ordens, aber beispielsweise auch mit derReichsstadt Rottweil abstimmen und schließ-lich auch die finanziellen Folgen ihrer Ent-schlüsse berücksichtigen und tragen. AndereStücke des fraglichen Konvoluts handeln vonder Abwicklung von Schulden und von der Ein-treibung von finanziellen Guthaben, vom Stra-ßenbau wie im Sommer 1755 von Balingennach Tuttlingen, und damit über Territorium derReichsabtei, oder ganz einfach über die perso-nelle und inhaltliche Vertretung von Rotten-münster auf dem Kreistag in Ulm. An der Spitze ihrer Verwaltung erlebte ÄbtissinThessalina noch einen Wechsel, denn Amt-mann zum Tobel verließ Rottenmünster 1760und wurde Syndikus der Reichsstadt Überlin-gen. Sein Nachfolger wurde – allerdings nur bis1763 – Franz Xaver Castner, der später nachSalem wechselte.Natürlich nahm die Verwaltung des überschau-baren Territoriums ihrer Reichsabtei Rotten-münster Äbtissin Thessalina immer wieder inAnspruch. Schon am Anfang ihrer Regierungs-zeit war die Reichsabtei am Neubau einermächtigen Zehntscheuer in Frittlingen beteiligt,und Thessalina Eberlin kam 1750 eigens zumRichtfest nach Frittlingen, das mit einem Fest-mahl im Pfarrhof verbunden war (vgl. W. Hecht,Frittlingen im Mittelalter und bis 1802. In: Fritt-

lingen 797 bis 1997. Geschichte und Gegen-wart. Bearb. von U. Fiedler, W. Hecht und H.-J.Schuster. Horb am Neckar 1996 S.30). Bis heu-te sind am Nachfolgebau des genannten Ge-bäudes in Frittlingen noch das Wappen der Äb-tissin, jenes ihres Oberamtmanns Hehl, des da-maligen Pfarrers und die Jahreszahl „1750“ zusehen.In Rottenmünster selbst ließ ReichsäbtissinThessalina offenbar das heute als „St. Meinrad“bezeichnete, beachtlich große Gebäude paral-lel zur heutigen Schwenninger Straße bauenoder neu errichten. Das zum Klosterhof orien-tierte Barockportal von St. Meinrad aus Bunt-sandstein zeigt nämlich ihr Wappen. Hier be-fand sich im Erdgeschoss der Raum für dieKlosterpförtnerin. Aber auch die Remisen fürdie Kutschen des Reichsklosters waren hier zufinden, darunter die Prunkkutsche, mit welcherdie Reichsäbtissin zur Huldigung ihrer Unterta-nen auf die Dörfer von Rottenmünster fuhr unddie nach 1802 versteigert wurde. In den beidenObergeschossen des Gebäudes waren diemännlichen Bediensteten des Kloster unterge-bracht; auch die Räumlichkeiten für Gäste derReichsabtei hatten hier ihren Platz (Frdl. Hin-weise von Herrn Verwaltungsdirektor Hans Jo-sef Birner vom 1. September 1995).Aber auch um Anliegen von einzelnen ihrerUntertanen hatte sich Thessalina Eberlin zukümmern. Als beispielsweise ihre UntertanenIgnaz Aichelmann von Neukirch und Jakob Zei-ser von Zepfenhan ihre Lehenshöfe 1752 tau-

schen wollten, konnte dies natürlich nur mit Zu-stimmung der Reichsäbtissin als Lehensherringeschehen (vgl. Inventar des Stadtarchiv Villin-gen I. Villingen 1970 Nr. 1853 S. 354). Gleich zuBeginn ihrer Regierungszeit wurden auch dieBesitzungen ihres Klosters in Dotternhausen(1748/1749), Lackendorf (1749) und Stetten(1749) neu verzeichnet (vgl. HStA Stuttgart,Neuwürttembergische Lagerbücher. Klösterund Stifte Bd. III S.99 ff.).

Im Jahre 1762 verstorben

Gestorben ist Reichsäbtissin Thessalina Eber-lin am 1. August 1762 und wurde wenige Tagespäter in der Kirche ihres Klosters beigesetzt.Der Platz ihres Grabes ist nicht mehr bekannt.Zu ihrer Nachfolgerin wurde bereits am 17. Au-gust 1762 Magdalena Mayr gewählt. Auf einemder vier bekannten Äbtissinnen-Bilder derReichsabtei Rottenmünster, welches sich bisheute dort erhalten hat, ist Thessalina Eberlinvon ihrem Wappen begleitet sitzend in Öl ge-malt. In der Linken hält die Äbtissin auf diesemBild ein Gebetbuch, auf dem Tisch neben ihrliegt ein Papier, das von einem Kruzifix festge-halten wird. Das Blatt zeigt eine Ansicht ihresKlosters, die später gelegentlich als Vorlage fürVeröffentlichungen zur Geschichte von Rotten-münster diente. Erwähnt sei auch der kleineHund zu Füßen der Klosterfrau. ThessalinaEberlin wirkt auf diesem Gemälde offen und tat-kräftig.

Unter den vier erhaltenen Porträtgemälden mit Reichsäbtissinnen von Rottenmünster zeigt einesReichsäbtissin Thessalina Eberlin von Rottenmünster. Foto: Stadtarchiv Rottweil