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Zool. Garten N.F. 81 (2012) 126–131 www.elsevier.de/zooga Pansenfehlgärung und Lösungsansätze bei der Handaufzucht einer verwaisten Beira-Antilope (Dorcatragus megalotis) Ruminal malfermentation in a Beira antelope (Dorcatragus megalotis) fawn Catrin Hammer , Sven Hammer Naturschutz Tierpark Görlitz, Zittauer Straße 43, D-02829 Görlitz Eingegangen am 15. März 2012 Abstract Within the last 11 years several Beira antelope fawns (Dorcatragus megalotis) had been hand reared for several reasons at Al Wabra Wildlife Preservation (AWWP) in Qatar (Abb. 1). Hand rearing Beira antelopes is usually not more difficult than hand rearing any other small antelope species as long as no complications occur. The following case report describes the problems that occurred while artificially rearing an orphaned Beira fawn as well as our approach to a solution. Keywords: Beira Antilope; Dorcatragus megalotis; Pansenfehlgärung; Handaufzucht Einleitung Innerhalb der vergangenen 11 Jahre wurde eine Vielzahl von Beira Antilopen (Dorcatra- gus megalotis) aus verschiedensten Gründen in der Al Wabra Wildlife Preservation (AWWP) in Katar von Hand aufgezogen. Beira-Antilopen sind im allgemeinen nicht komplizierter in der Handaufzucht als andere Kleinantilopenspezies - solange keine Komplikationen auf- treten. Im Folgenden beschreiben wir aufgetretene Probleme bei der künstlichen Aufzucht einer verwaisten Beira-Antilope sowie unsere Lösungsansätze. Ein weibliches Beira-Jungtier wurde im Oktober 2009 in der AWWP geboren. Bis zum 6. Lebenstag kümmerte sich die erfahrene Mutter vorbildlich um das Kalb. Am 7. Korrespondierender Autor. E-Mail: [email protected] (C. Hammer).

Pansenfehlgärung und Lösungsansätze bei der Handaufzucht einer verwaisten Beira-Antilope (Dorcatragus megalotis)

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Page 1: Pansenfehlgärung und Lösungsansätze bei der Handaufzucht einer verwaisten Beira-Antilope (Dorcatragus megalotis)

Zool. Garten N.F. 81 (2012) 126–131www.elsevier.de/zooga

Pansenfehlgärung und Lösungsansätze bei derHandaufzucht einer verwaisten Beira-Antilope(Dorcatragus megalotis)Ruminal malfermentation in a Beira antelope(Dorcatragus megalotis) fawn

Catrin Hammer ∗, Sven HammerNaturschutz Tierpark Görlitz, Zittauer Straße 43, D-02829 Görlitz

Eingegangen am 15. März 2012

Abstract

Within the last 11 years several Beira antelope fawns (Dorcatragus megalotis) had been hand rearedfor several reasons at Al Wabra Wildlife Preservation (AWWP) in Qatar (Abb. 1). Hand rearing Beiraantelopes is usually not more difficult than hand rearing any other small antelope species as long as nocomplications occur. The following case report describes the problems that occurred while artificiallyrearing an orphaned Beira fawn as well as our approach to a solution.

Keywords: Beira Antilope; Dorcatragus megalotis; Pansenfehlgärung; Handaufzucht

Einleitung

Innerhalb der vergangenen 11 Jahre wurde eine Vielzahl von Beira Antilopen (Dorcatra-gus megalotis) aus verschiedensten Gründen in der Al Wabra Wildlife Preservation (AWWP)in Katar von Hand aufgezogen. Beira-Antilopen sind im allgemeinen nicht komplizierterin der Handaufzucht als andere Kleinantilopenspezies - solange keine Komplikationen auf-treten. Im Folgenden beschreiben wir aufgetretene Probleme bei der künstlichen Aufzuchteiner verwaisten Beira-Antilope sowie unsere Lösungsansätze.

Ein weibliches Beira-Jungtier wurde im Oktober 2009 in der AWWP geboren. Biszum 6. Lebenstag kümmerte sich die erfahrene Mutter vorbildlich um das Kalb. Am 7.

∗Korrespondierender Autor.E-Mail: [email protected] (C. Hammer).

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Abb. 1. Neugeborenes Beira-Antilopen Kalb.

Lebenstag wurde eine Zufütterung initiiert, da die Mutter aufgrund einer Lungenentzün-dung offensichtlich nicht genügend Milch produzierte. Die Mutter starb am 10. Lebenstagdes Kalbes, welches daraufhin zur künstlichen Aufzucht in die AWWP Handaufzuchtsta-tion verbracht wurde. Das Jungtier wog zu dem Zeitpunkt 1500 g. Trotz aller Bemühungenakzeptierte das Tier die Flasche nicht, was eine Zwangsfütterung per Magen-Schlundsondeunumgänglich machte. Der Milchersatz bestehend aus Lämmermilchaustauscher, Ziegen-milch, Wasser und bovinem Kolostrum in einem Verhältnis von: 1:2:3:0,4 wurde dem Tierfünfmal täglich bis zum 20. Lebenstag verabreicht. Als Sonde benutzten wir einen Standard-Infusionsschlauch, welchen wir auf 30 cm kürzten und in den Ösophagus einführten.

Vom 2. Lebenstag an wurde zusätzlich Festfutter angeboten. Laub der Spezies Medicagosativa, Ziziphus spina cristis, Acacia ssp. wurde von Beginn an aufgenommen, Pelletfutterund Gemüse ab der 2. Lebenswoche. Als Gesellschaft wurde dem Beira-Jungtier am 13.Lebenstag ein von der Mutter nicht angenommenes Phillips-Dikdik (Madoqua saltianaphillipsi) beigestellt.

Am 20. Lebenstag mit einem Gewicht von 2400 g zeigte das Jungtier einen gebläh-ten Bauch und wirkte inaktiv. Eine Antibiotika-, Antitympanie- und Schmerzbehandlungwurde eingeleitet. Die untersuchenden Tierärzte diagnostizierten eine Pansenfehlgärung.Daraufhin wurde die Milchfütterung sofort gestoppt. Nach 2 Behandlungstagen sind dieAufgasungen wieder zurückgegangen und die Kondition des Tieres hatte sich verbessert.

Pansenfehlgärung bei jungen Wiederkäuern kann durch falsche Milchaufnahme her-vorgerufen werden. Normalerweise leitet der Schlundrinnen- oder HaubenrinnenreflexFlüssigkeiten direkt in den Labmagen. Dabei wird die mikrobielle Fermentation in denVormägen umgangen. Die morphologische Voraussetzung des Reflexes sind zwei musku-lös gestützte Schleimhautwülste in der Haube (Haubenlippen), die von der Mündung derSpeiseröhre zum Blättermagen (Psalter) führen. Wenn sich die Schlundrinne nicht schnellgenug oder ungenügend schließt, laufen Teile der aufgenommenen Tränke in den Pansen.

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Dieser Vorgang ist auch als ,,Pansentrinken“ bekannt. Nur wenn das Jungtier freiwillig saugt,schließt sich die Rinne effizient (Engelking, 2002). In unserem Fall wird die Zwangsfütte-rung per Sonde dafür verantwortlich gewesen sein, dass sich die Rinne nicht in der üblichenWeise schloss, was dazu führte, dass Milch in den Pansen gelangte und so in einer Fehlgärungresultierte.

Nachdem die Sondenfütterung gestoppt wurde, haben wir einen ,,Wiederkäuerbrei“ ausverschiedensten Bestandteilen kreiert (Tab. 1, Abb. 2). Bis zum 36. Lebenstag wurde dasKalb zweimal täglich mit jeweils 60 ml des Breis gefüttert, was etwa 5% des aktuellenKörpergewichtes entsprach. Dazu verwendeten wir eine 50 ml Spritze mit vergrößerter

Tabelle 1. Bestandteile und Portionsmenge des ,,Wiederkäuer- Aufzuchtsbreies“.

Menge Produkt Name HerstellerInformationen

Beschreibung

10g Kälberstarter* 50469 Raiffeisen,Köln, DEU

Kälberstarter (Futterpellet)Rohprotein - 18%Rohfett - 3%

2g Pronutrin*

**Boehringer,Ingelheim, DEU

Diätetisches Futtermittel fürPferde zum Schutz derMagenschleimhäuteRohprotein - 6%Rohfett min. - 15%Rohfaser - 14%Asche min. - 3,4%

10g BrowserMaintenancePellets*

Mazuri,Witham Essex, UK

Laubäser (Futterpellet)Rohprotein min. - 12%Rohfett min. - 2%Rohfaser max. - 28%Asche min. - 8%

2g PansenstimulanzWDT- **

WDT, Garbsen,DEU

Supplement zur Unterstützungder physiologischenWiederkäuerverdauung

2g Styptisel SelectavetWeyarn-Holzolling,DEU

Supplement zur Stabilisierungder physiologischen Darmflora

20g Critical care* Albrecht,Aulendorf, DEU

HochentwickelteNotfallnahrung für kleinePflanzenfresser

1ml Lytafit** Albrecht,Aulendorf, DEU

Elekrolyttränke für Kälber zurRegulierung der Wasser undElektrolytbalance.

2g Liv 52 (powder) Himalaya HerbalHealthcare, INDIA

Supplement zur Stimulation deshepatischen microsomalenEnzym Systems

1ml Coffea praeparata PlantaVet,Bad Waldsee, DEU

Einsatz bei Störungen derMagen-Darmmotorik

* Komponenten wurden in Fencheltee zu einem Brei eingeweicht, der dünn genug sein musste, um den Sprit-zenkonus zu passieren** bereits am 41. Lebenstag gestoppt

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Abb. 2. Bestandteile Aufzuchtsbrei.

Öffnung. Der Brei wurde direkt in das Maul gegeben. Vom 37. Tag bis zur Entwöhnung am49. Tag wurden die Mahlzeiten auf ein Total von 60 ml reduziert, was etwa 2% des zu demZeitpunkt aktuellen Körpergewichtes entsprach.

Die Intention der Breifütterung war es, zum einen die Pansenentwicklung zu fördern, umso unabhängig von der Milchfütterung zu werden, zum anderen wollten wir weitere Fällevon Pansenfehlgärung unterbinden. Außerdem sollte auf diese Weise die Versorgung deswachsenden Organismus mit wichtigen Nährstoffen sichergestellt werden (Abb. 3).

Abb. 3. Breifütterung per Spritze (Tag 36).

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Abb. 4. Beira-Jungtier im Alter von 18 Monaten.

Sowohl der Brei als auch die Fütterungstechnik sind sehr gut akzeptiert worden. DasJungtier hat aufgrund der Breifütterung schnell an Gewicht zugenommen und die anfäng-liche Entwicklungsverzögerung mit Erreichen des Durchschnittsgewichtes gleichaltrigerArtgenossen im 9. Lebensmonat aufgeholt (Abb. 5). Im Alter von 6 Monaten wurde dasKalb ohne Probleme in eine Gruppe von Beira-Antilopen integriert (Abb. 4).

Abb. 5. Gewichtsentwicklung Beira-Jungtier.

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Danksagung

Wir danken Scheich Saoud bin Mohammed bin Ali Al Thani für die kontinuierlicheUnterstützung der Arbeit an der Beira Antilope.

Schrifttum

Engelking, L. R. (2002). Review of Veterinary Physiology. Teton NewMedia.