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Z. prakt. Augenheilkd. 29: 479 - 489 (2008) 479 Augenärztliche Fortbildung Pathognomonische Linsentrübungen – Der Blick über den Tellerrand der Katarakt hinaus* Teil 2: Pathognomonische Linsentrübungen als Folge von Systemerkrankungen und Verletzungen des Auges (Pathognomic lens opacities - the view beyond the cataract) J. M. Rohrbach, E. M. Feudner, P. Szurman Department für Augenheilkunde der Universität Tübingen (Direktor: Prof. Dr. med. K. U. Bartz-Schmidt) Schlüsselwörter Linsentrübungen, Katarakt, Systemerkrankungen, Augenverletzungen Unabhängigkeitserklärung der Au- toren: Der korrespondierende Autor versichert, dass er keine Verbin- dungen zu einer der Firmen, deren Namen oder Produkte in dem Artikel aufgeführt werden, oder zu einer Firma, die ein Konkurrenzprodukt vertreibt, bestehen. Der Autor unter- lag bei der Erstellung des Beitrages keinerlei Beeinflussung. Es lagen keine kommerziellen Aspekte bei der inhaltlichen Gestaltung zugrunde Summary: Part 2 of the review deals with pathognomonic lens opacities caused by systemic diseases and eye injuries. The importance of characteristic slitlamp findings for diagnosis is once again highlighted. Z. prakt. Augenheilkd. 29: 479-489 (2008) Zusammenfassung: Im 2. Teil der Übersicht werden pathognomonische Linsentrübungen als Folge von Systemerkrankungen und Augenverletzungen vorgestellt. Die Bedeutung charakteristischer spaltlampen- mikroskopischer Linsenbefunde für die Diagnostik wird nochmals herausgestellt. Z. prakt. Augenheilkd. 29: 479-489 (2008) Keywords Lens opacities, cataract, systemic diseases, eye trauma *nach einem Kurs während der AAD, März 2008 Linsentrübungen auf Grund von Systemerkrankungen Pseudoexfoliatio lentis (PEX) – Trübung auf der vorderen Linsenkapsel Die Pseudoexfoliatio lentis (PEX) ist eine sehr häufig zu beobachtende, allerdings wohl immer noch recht oft übersehene, er- worbene Trübung auf der vorderen Linsen- kapsel, die spaltlampenmikroskopisch aus weißlichem Material besteht (Zusammen- fassung bei [12]). Zentral ist dieses Pseu- doexfoliationsmaterial meist scheibenför- mig angeordnet, daran schließt sich nach peripher eine klare Zone an, die wiederum von einer Zone mit granulärem weißli- chem Material umgeben wird (Abbildung 8). Der größte Anteil des PEX-Materials be- findet sich hinter der Iris und wird oft nur in medikamentöser Mydriasis erkannt. Weitere weißliche Auflagerungen sind auch am Pupillarsaum, im Kammerwinkel, auf den Zonulafasern, auf den Ziliarkör- perzotten und evtl. auch auf der Horn- hautrückfläche zu beobachten. Der Befund ist überwiegend unilateral bzw. asymme- trisch, wobei es sich bei fehlendem PEX am Partnerauge wahrscheinlich nur um ein subklinisches Stadium handelt. Als Ausdruck der Systemerkrankung wurde PEX-Material u.a. in der Lunge, im Herzen und der Leber nachgewiesen. Es gibt Hin- weise auf eine erhöhte Frequenz von arte- rieller Hypertonie, Angina pectoris, tran-

Pathognomonische Linsentrübungen – Der Blick über den ... · Z. prakt. Augenheilkd. 29: 479 - 489 (2008) 479 Augenärztliche Fortbildung Pathognomonische Linsentrübungen –

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Z. prakt. Augenheilkd. 29: 479 - 489 (2008) 479

Augenärztliche Fortbildung

Pathognomonische Linsentrübungen– Der Blick über den Tellerrand der

Katarakt hinaus*Teil 2: Pathognomonische Linsentrübungen als Folge von

Systemerkrankungen und Verletzungen des Auges

(Pathognomic lens opacities - the view beyond the cataract)

J. M. Rohrbach, E. M. Feudner, P. SzurmanDepartment für Augenheilkunde der Universität Tübingen

(Direktor: Prof. Dr. med. K. U. Bartz-Schmidt)

SchlüsselwörterLinsentrübungen, Katarakt, Systemerkrankungen,Augenverletzungen

Unabhängigkeitserklärung der Au-toren: Der korrespondierende Autorversichert, dass er keine Verbin-dungen zu einer der Firmen, deren Namen oder Produkte in dem Artikelaufgeführt werden, oder zu einerFirma, die ein Konkurrenzproduktvertreibt, bestehen. Der Autor unter -lag bei der Erstellung des Beitrageskeinerlei Beeinflussung. Es lagenkeine kommerziellen Aspekte bei derinhaltlichen Gestaltung zugrunde

Summary: Part 2 of the review deals with pathognomonic lens opacities caused by systemic diseases andeye injuries. The importance of characteristic slitlamp findings for diagnosis is once again highlighted.

Z. prakt. Augenheilkd. 29: 479-489 (2008)

Zusammenfassung: Im 2. Teil der Übersicht werden pathognomonische Linsentrübungen als Folge von Sys temerkrankungen und Augenverletzungen vorgestellt. Die Bedeutung charakteristischer spaltlampen -mikroskopischer Linsenbefunde für die Diagnostik wird nochmals herausgestellt.

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KeywordsLens opacities, cataract, systemic diseases, eye trauma

*nach einem Kurs während der AAD, März 2008

Linsentrübungen auf Grund von Systemerkrankungen

Pseudoexfoliatio lentis (PEX) – Trübung auf der vorderen LinsenkapselDie Pseudoexfoliatio lentis (PEX) ist einesehr häufig zu beobachtende, allerdingswohl immer noch recht oft übersehene, er-worbene Trübung auf der vorderen Linsen -kapsel, die spaltlampenmikroskopisch ausweißlichem Material besteht (Zusammen-fassung bei [12]). Zentral ist dieses Pseu-do exfoliationsmaterial meist scheibenför-mig angeordnet, daran schließt sich nachperipher eine klare Zone an, die wiederumvon einer Zone mit granulärem weißli-

chem Material umgeben wird (Abbildung8). Der größte Anteil des PEX-Materials be-findet sich hinter der Iris und wird oft nurin medikamentöser Mydriasis erkannt.Weitere weißliche Auflagerungen sindauch am Pupillarsaum, im Kammerwinkel,auf den Zonulafasern, auf den Ziliarkör-perzotten und evtl. auch auf der Horn-hautrückfläche zu beobachten. Der Befundist überwiegend unilateral bzw. asymme-trisch, wobei es sich bei fehlendem PEX amPartnerauge wahrscheinlich nur um einsubklinisches Stadium handelt.Als Ausdruck der Systemerkrankung wurdePEX-Material u.a. in der Lunge, im Herzenund der Leber nachgewiesen. Es gibt Hin-weise auf eine erhöhte Frequenz von arte-rieller Hypertonie, Angina pectoris, tran -

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beeinträchtigt aber selbst den Visus nicht.Lediglich die häufig assoziierte senile Ka-tarakt erfordert ein therapeutisches Ein-greifen zur Funktionsbesserung. Die Therapie der Wahl bei visusrelevantenLinsentrübungen ist die Phakoemulsifika-tion. Es bestehen dabei deutlich erhöhte intra-und postoperative Risiken wie Zonula -insuffizienz (Brüchigkeit der Zonulafasern/PEX-Zonulopathie), Dilatationsdefizit derPupille (PEX-Iridopathie), Horn hauttrübung(PEX-Keratopathie), Druckdekompensation(PEX-Glaukom) und ein verstärkter Reizzu-stand durch eine Störung der Blut-Kammer -wasser-Schranke. Selbst bei regelrechtemintraoperativem Verlauf ist nicht seltennoch nach Jahren eine Subluxation desIOL-Kapselsack-Komplexes zu beobachten.

Cataracta diabetica – vordere Linsenschicht bei jüngeren PatientenOb es bei älteren Menschen mit DiabetesTyp II eine typische Cataracta diabetica (di-abetische Linsentrübung) gibt, ist umstrit-ten. In der großen Mehrzahl handelt es sichum eine verfrühte, sonst typische senileKatarakt (Cataracta cuneiformis oder Cata-racta nuclearis brunescens). Mitunter findensich Wasserspalten (Abbildung 9a und b)

sitorischen ischämischen Attacken undSchlaganfall im Rahmen von PEX.Pathogenetisch wird heute von einer (nochnicht näher definierten) generalisiertenStoffwechselerkrankung, die sich bevor-zugt am Auge manifestiert, ausgegangen.Im Auge resultiert PEX-Material wahr-scheinlich sowohl aus passiven Ablage-rungen als auch aus aktiver Bildung. In derRegel nimmt es im Verlauf des Lebens zu,

Abbildung 8: Typisches PEX-Material auf der Linsenvorderfläche mit schei-benförmigen, zentralen Ablagerungen und (wahrscheinlich durch Abrasionbedingtem) freiem Intervall zu weiter peripher gelegenen Ablagerungen.

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Abbildung 9a: Wasserspalten bei jugendlichem Diabetiker mit starken Schwankungen des Blutzu -ckers.

Abbildung 9b: Diabetische Wasserspalten im Spalt-bild (aus [10])

Abbildung 9c: Diabetische Katarakt mit Hervortretender Linsennähte und multiplen punktförmigen Trü-bungen („Schneeflockenkatarakt“) (aus [10]).

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Die Therapie der Wahl bei visus-relevanten Linsentrübungen istdie Phakoemulsifikation.

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und Vakuolen, gelegentlich punktförmigeTrübungen der hinteren Rinde. Bei jünge-ren Menschen (Diabetes Typ I) ist die vor-dere Linsenschicht betroffen. Dort sindspaltlampenmikroskopisch flockige, sub-kapsuläre Rindentrübungen, oft in Kombi-nation mit punktförmigen, farbigen Trü-bungen der tieferen Rinde („Schneeflock -enkatarakt“, Cataracta diabetica vera) (Abbildung 9c), zu erkennen. Die Cataractadiabetica ist sehr häufig. Sie entsteht durchStörungen des Linsenepithels und der Lin-sen fasern infolge von Schwankungen derLinsenosmolalität sowie durch Abbaupro-dukte des Zuckers. Sie ist meist progredientund schreitet manchmal schnell zur Cata-racta matura fort. Bei einer guten Dia -beteseinstellung kann sie unter Umständenstationär bleiben. Wasserspalten, die meistbei starken Schwankungen des Blutzuckersauftreten, sind nach der Blutzuckereinstel-lung manchmal reversibel.Die Visuseinschränkung ist variabel, abermeistens erheblich. Bei stärkerer Visusmin-derung ist die Kataraktextraktion indiziert.Wahrscheinlich besteht ein etwas erhöhtesRisiko für ein postoperatives Makulaödem.Mit Wundheilungsstörungen ist normaler-

Die Cataracta diabetica ist sehrhäufig. Sie entsteht durch Störungen des Linsenepithelsund der Linsenfasern infolgevon Schwankungen der Linsen -osmolalität sowie durch Abbauprodukte des Zuckers.

Abbildung 10a: Typische Katarakt bei myotonerDystrophie. Im Auflicht multiple punktförmigeTrübungen in unterschiedlichen Farben (Farben-schillern) (aus [10]).

Abbildung 10b: Im Spaltbild liegen die Trübungenvor allem vorn und hinten subkapsulär (aus [10]).

Abbildung 10c: Einzelne Speichentrübungen beiMyotonie-assoziierter Katarakt zeigen mit ihrerSpitze zum Linsenäquator (aus [10]).

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weise nicht zu rechnen. In der älteren Lite-ratur wird auf eine erhöhte postoperativeEndophthalmitisgefahr hingewiesen.

Katarakt bei myotoner Dystrophie – vordere und hintere Rinde

Die Katarakt bei myotoner DystrophieCurschmann-Steinert (Cataracta myotonica)ist eher selten, da die Inzidenz der Grund -erkrankung gering ist [8]. Etwa 95% aller Pa-tienten mit myotoner Dystrophie entwickelnüberwiegend im mittleren Lebensalter Lin-sentrübungen. Spaltlampenmikroskopischsind flocken- und punktförmige Trübungen inder vorderen und hinteren Rinde charakteri-stisch, die oft ein typisches Farbenschillernzeigen – meist rötliche oder grünliche, selte-ner gelbliche oder bläuliche Kristalle (Abbil-dung 10a und b). Als typisch gelten auchsternförmige Speichen, die sich zum Äquatorhin zuspitzen (Abbildung 10c). Mögliche oph-thalmologische Begleiterkrankungen sindPtosis (zirka 60%), Bulbushypotonie, Pig-mentdispersion, Veränderungen des retinalenPigmentepithels, Optikusatrophie, Farbsinn-störungen und externe Ophthalmoplegie [8].

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Während die Sehschärfe anfangs nur ge-ringfügig beeinträchtigt ist, besteht späterhäufig eine erhebliche Visusreduktion. Beistärkerer Visusminderung ist die Katarakt-extraktion indiziert. Die allgemeinen OP-Risiken sind wahrscheinlich etwas erhöht.Postoperativ muss möglicherweise mit ei-nem erhöhten Risiko für die Entwicklungeiner starken, unter Umständen visusmin-dernden vorderen Kapselphimose gerech-net werden (einzelne Fallberichte).

Cataracta syndermatotica – vordere und/oder hinte-re subkapsuläre RindeDie Cataracta syndermatotica (Cataractadermatogenes) ist eine Linsentrübung, diesich in Assoziation mit einer Hauterkran-kung (vor allem atopische Dermatitis, aberauch z. B. Psoriasis vulgaris, Sklerodermie,Werner-Syndrom (adulte Progerie)) ent-wickelt. Sie ist nicht ganz selten. Nach äl-teren Studien wurde sie bei etwa 10-25 %aller Patienten mit atopischer Dermatitisbeobachtet. Die Linsentrübung kann in je-dem Lebensalter auftreten und befindetsich in der vorderen und/oder hinterensubkapsulären Rinde. Spaltlampenmikro-skopisches Charakteristikum ist eine schild -plattartige subkapsuläre Trübung am vor-deren oder hinteren Pol (Abbildung 11). Die Pathogenese ist nicht genau bekannt.Wahrscheinlich spielt die gleiche embryo-nale Herkunft von Haut und Auge (Ekto-derm) eine Rolle. Histologisch liegt einedeutliche Rarefizierung der Linsenepithel-zellen vor. Die häufig bei atopischer Dermatitis angewendeten Kortikosteroidedürften als Co-Faktor wirken.Mitunter bleibt die Linsentrübung stationär,aber meist ist sie langsam progredient. EineDurchtrübung der Linse bis zur Maturität istbei einem längeren Verlauf nicht selten. Die Auswirkungen auf die Sehschärfe va-riieren. Häufig besteht eine ausgeprägteVisusreduktion, die durch eine Katarakt-extraktion gut behoben werden kann.

Die Pathogenese ist nicht eindeutig geklärt,am ehesten handelt es sich um eine Folge desdie Grundkrankheit auslösenden Gendefektsauf Chromosom 19q13.3. Die Vererbung desM. Curschmann-Steinert (myo tone Dystro-phie Typ I) erfolgt autosomal-dominant.Im Verlauf verdichten sich die punktförmi-gen Trübungen mit zunehmendem Lebens-alter zu einer stern- oder scheibenförmigenTrübung. Nicht selten entwickelt sich einemature, dann nicht mehr pathognomoni-sche, Katarakt.

Abbildung 11: Typische Cataracta syndermatotica mit schildplattartiger Trübung der vorderen subkapsulären Rinde.

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Abbildung 12: Eher diskrete, keilförmige Trübung (bei 1 Uhr) bei einem Patienten mit Morbus Fabry.

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Cataracta myotonica: Im Verlauf verdichten sich diepunktförmigen Trübungen mitzunehmendem Lebensalter zueiner stern- oder scheiben -förmigen Trübung.

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Katarakt bei Neurofibromatose Typ II – hintere subkapsuläre RindeDie Katarakt bei Neurofibromatose Typ II(Akustikus-Neurofibromatose) ist seltenund wird vor allem im jüngeren und mitt-leren Lebensalter beobachtet.Betroffen ist die hintere subkapsuläre Rin-de mit anfangs punktförmigen Trübungen.Die Pathogenese ist nicht genau bekannt,vermutlich beruht die Linsentrübung aufdem Gendefekt auf Chromosom 22q12. DieKatarakt kann stationär oder langsam pro-gredient sein. Die Visusbeeinträchtigungist variabel, aber meist nicht sehr ausge-prägt. Bei stärkerer Visusminderung ist ei-ne Kataraktextraktion indiziert.

Katarakt bei M. Fabry – hintere, mitunter auch vordere subkapsuläre RindeEine Fabry-Katarakt ist wegen der Selten-heit der Grunderkrankung eine Rarität. Vorallem zeigen Patienten im jüngeren odermittleren Lebensalter hintere, mitunterauch vordere subkapsuläre Rindentrübun-gen. Als typisch gelten speichenförmige(„propellerartige“) Trübungen im Bereichder hinteren Rinde („Fabry-Katarakt“). Da-neben kommen auch kuneiforme Trübun-gen der vorderen Rinde vor. Meist findetsich eine Cornea verticillata. An der Bin-dehaut und der Retina sind nicht selten Ge-fäßanomalien in Form einer deutlichenTortuositas vasorum zu beobachten.Pathogenetisch handelt es sich am ehestenum eine Komplikation der Grundkrank-heit, die auf einem Mangel an dem lysoso-malen Enzym α-Galaktosidase A als Folgeeines Defekts des GLA-Gens auf Xq22 be-ruht. Die Linsentrübung kann stationäroder langsam progredient sein. Die Seh-schärfe ist aber üblicherweise nicht sehrausgeprägt reduziert. Die Behandlung des M. Fabry ist seit eini-gen Jahren medikamentös möglich (En-zymersatztherapie mit Agalsidase alpha;Handelsname: Fabrazyme®, Genzyme).

Cataracta tetanica – vordere und hintere subkapsuläre RindeDie Cataracta tetanica, eine Linsentrübungbei Tetanie, ist ebenfalls selten. Nach älte-ren Untersuchungen sollen zirka 50% allerPatienten mit idiopathischem Hypopara-thyreoidismus eine Katarakt entwickeln.Alle Lebensalter können betroffen sein,aber es überwiegt das mittlere Lebensalter.In der vorderen und hinteren subkapsulä-ren Rinde entwickelt sich bei kindlicher Te-tanie eher ein Schichtstar, während bei äl-teren Menschen flocken- und punktförmi-ge Trübungen, oft mit deutlichem Farben-schillern (Aspekt damit der Cataracta myotonica ähnlich) entwickeln (Abbildung13). Der axiale Linsendurchmesser ist mit-unter vermindert (Wachstumshemmungder Linse). In der alten Literatur werdenteilweise besonders harte Kerne erwähnt.Die Katarakt ist die Folge einer Hypokal-zämie des Kammerwassers, die z.B. bei pri-märem oder postoperativem Hypoparathy-reoidismus besteht. Bei primärem Hypopa-rathyreoidismus ist die Linsentrübungmeist nur langsam progredient. Die Aus-wirkungen auf die Sehschärfe sind unter-schiedlich. Eine deutliche Visusminde-rung, wie sie eher spät im Krankheitsver-

Die Cataracta tetanica, eine Lin-sen trübung bei Tetanie, ist sel-ten. Alle Lebensalter können be-troffen sein, aber es überwiegtdas mittlere Lebensalter.

Abbildung 13: Cataracta tetanica mit subkapsulä-ren, punktförmigen Trübungen und Farbenschil-lern (aus [10])

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vorderen Linsenkapsel, der meistens eineringförmige Konfiguration einnimmt (Ab-bildung 14a). Mitunter ist der Ring auchunvollständig. Sein Durchmesser hängtvon der Pupillenweite ab, seine Breite be-trägt zirka 1 mm (Abbildung 14b).Die Ursache ist ein akuter Iris-Linsenkon -takt durch Bulbuskontusion (Abdruck desIrispigments auf der Linse). Der Vossius-Ring scheint sich – möglicherweise aufGrund der geringeren Irisrigidität – beijüngeren Patienten deutlich leichter ent-wickeln zu können als bei älteren. Er ver-schwindet in der Regel durch Abrasion desPigments innerhalb von einigen Wochen.Der Vossius-Ring ist nicht visusrelevantund bedarf daher selbst keiner Therapie. Daer aber eine stattgefundene, schwerere Bul-buskontusion anzeigt, sollte er Anlass zurUntersuchung des Bulbus auf Kontusions-folgen geben.

Kontusionsrosette – vordere subkapsuläre RindeEine Kontusionsrosette, wie sie nicht sel-ten bei überwiegend jüngeren Personen(Traumadispositionsalter) beobachtet wird,entsteht durch eine druckbedingte (kontu-sionelle) Schädigung der vorderen Linsen-fasern. Die rosettenförmige Trübung, nichtselten mit erkennbarer Vakuolenbildung,in der vorderen subkapsulären Rinde (Ab-bildung 15a) kommt dadurch zustande,dass der Zerfall der Linsenfasern entlangder Fasernähte stattfindet. Sie entsteht zu-meist in einem Zeitraum von wenigen Ta-gen nach der Kontusion. Manchmal wirdeine zusätzliche Rosette in der hinterenRinde beobachtet (doppelte Kontusionsro-sette) (Abbildung 15b), die wahrscheinlichauf „Schockwellen“ zurückzuführen ist.Nach Ausbildung der Rosette bleibt dieLinsentrübung nicht selten stationär undverlagert sich durch Apposition klarenRindenmaterials allmählich in die Tiefe(traumatische Spätrosette nach Vogt). DieLokalisation der Rosette in Bezug auf dievordere Kapsel gibt also einen Hinweis aufden Zeitpunkt des Unfalls und könnte da-

lauf beobachtet wird, stellt die Indikationfür eine Kataraktextraktion dar.

Linsentrübungen als Folge von Traumata

Vossius-Ring – Auflagerung auf der vorderen LinsenkapselDer nicht seltene Vossius-Ring (Adolf Vos-sius (1855-1925), Erstbeschreibung 1903[9,18]) wird überwiegend bei jüngeren Per-sonen (Traumadispositionsalter) und häu-fig erst nach Pupillenerweiterung beob-achtet. Er besteht aus einem parazentralenAbklatsch von Irispigmentepithel auf der

Abbildung 15a: Kontusionsrosette in der vor-deren subkapsulären Rinde

Abbildung 15b: Doppelte Kontusionsrosette(aus [10])

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Abbildung 14a: Vossius-Ring im Auflicht (aus[10])

Abbildung 14b: Vossius-Ring im topographi-schen Schema (aus [1])

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Der nicht seltene Vossius-Ringwird überwiegend bei jüngerenPersonen und häufig erst nachPupillenerweiterung beobachtet.

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Traumatische Kapselnarbe – vordere Kapsel und subkapsuläre RindeDie nicht ganz seltene traumatische Kap-selnarbe ist eine verletzungsbedingte Trü-bung der vorderen Linsenkapsel oder dersubkapsulären Rinde [9]. Spaltlampenmi-kroskopisch ist eine weißliche Linsentrü-bung („Kapselstar“), oft mit radiären Fal-ten der Linsenkapsel zu beobachten (Ab-bildung 17). Betroffen sind überwiegendjüngere Patienten (Traumadispositionsal-

her in bestimmten Fällen gutachterlich re-levant sein [9]. Da die Rosette eine abge-laufene (schwerere) Bulbusprellung an-zeigt, sollte das Auge auf Kontusionsfol-gen untersucht werden.Während die Sehschärfe durch zartere Ro-setten häufig nur wenig reduziert ist, kanndie postkontusionelle Zunahme der Lin-sentrübungen eine Kataraktoperation not-wendig machen, bei der aber eine deutlicherhöhte Gefahr einer Zonulainsuffizienzbesteht. In der älteren Literatur gibt es auchBerichte über eine partielle Spontanregres-sion der Trübungen.

Perforationsrosette – meist hintere RindeDie nicht seltene Perforationsrosette, einerosettenförmige Linsentrübung meistensin der hinteren Rinde (Abbildung 16a undb), entwickelt sich bei jüngeren Menschen(Traumadispositionsalter) nach einer spit-zen Eröffnung der Linsenkapsel – am häu-figsten im Äquatorbereich - mit Eindrin-gen von Flüssigkeit [9]. Die Rosettenformentsteht wahrscheinlich dadurch, dass dieLinsenfasern bevorzugt am (hinteren)Nahtsystem degenerieren. Bei spontanemVerschluss der Linsenkapsel und weitge-hend intakt gebliebenen Fasern ist eine Re-gression durch Resorption der Flüssigkeitmöglich. Üblicherweise wird aber bei Quel-lung der Linsenfasern eher eine (schnelle)Progression der Trübungen bis zur matu-ren, intumeszenten Katarakt beobachtet.Die Sehschärfe ist meist ausgeprägt redu-ziert. Da die Perforationsrosette eine Lä-sion der Linsenkapsel anzeigt, bestehtintraoperativ die Gefahr von Kapselkom-plikationen (Vergrößerung des Risses).Wegen der Möglichkeit der spontanenTransparenzbesserung und der Stabilisie-rung der Kapselwunde durch fibrotischeHeilung ist es mitunter vorteilhaft, die Lin-senextraktion, sofern vom Befund her ver-tretbar, erst verzögert durchzuführen.

Abbildung 16a: Perforationsrosette in der hin-teren subkapsulären Rinde, Spaltbild

Abbildung 16b: Zeichnerische Darstellung (aus[10])

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Abbildung 17: Kapselnarbe nach traumati-scher Eröffnung des Kapselsackes. Verschlussder Kapselwunde durch Epithelproliferationund –metaplasie („Kapselstar“). Fältelung derbenachbarten Kapsel durch Kontraktion derNarbe (aus [17]).

Abbildung 18: Metallischer Fremdkörper in dervorderen Rinde. Sofern der Linsenkörper nochklar ist, sollte bei intra- oder unmittelbar sub-kapsulären Fremdkörpern – wie hier – die lin-senerhaltende Fremdkörperextraktion überlegtwerden.

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J. M. Rohrbach, E. M. Feudner, P. Szurman: Pathognomonische Linsentrübungen – Teil 2

trüb. Kleinere, biologisch inerte Fremdkör-per (vor allem Glas, Quarz, Edelmetalle,Schwarzpulver, aber auch Blei, Eisen, Kup-fer und mitgerissene Zilien) können prin-zipiell Jahre oder Jahrzehnte in einer sonstweitgehend klaren Linse verbleiben! Bei ei-senhaltigem intralentalem Fremdkörperentwickelt sich die Siderosis lentis in derRegel vor der Siderosis bulbi, so dass dieLinse ein guter Indikator für die Entwick -lung einer Siderosis bulbi ist.Der Visus kann voll bis drastisch reduziertsein. Bei einer größeren Kapselwunde undgequollener Linse ist die Extraktion derLinse samt Fremdkörper indiziert. Bei klei-nerem, intralentalem Fremdkörper, versie-gelter (kleiner) Kapselwunde und noch kla-rer Linse empfiehlt sich zunächst ein „ab-wartendes Beobachten“, da den (in der Re-gel jungen) Patienten die Akkommoda-tionsfähigkeit erhalten werden kann. Beider (seltenen) Situation eines in der vorde-ren Linsenkapsel und Linsenrinde stecken-den Fremdkörpers bei noch weitgehendklarer Linse ist trotz der guten Aussichten derPhakoemulsifikation eine linsenerhaltendeFremdkörperextraktion zu diskutieren.

Siderosis lentis – vorwiegend vordere subkapsuläre RindeDie Siderosis lentis („Eisenstar“) ist eine sel-tene, überwiegend bei jüngeren Personen(Traumadispositionsalter) vorkommendeLinsentrübung vorwiegend der vorderensubkapsulären Rinde, die in häufig zirkulärangeordneten, hinter der zentralen Iris lie-genden, rostbraunen Flecken besteht (Abbil-dung 19a) [9, 13]. Üblicherweise ist sie mitweiteren Transparenzminderungen der Linsekombiniert (isolierte vordere subkapsuläreRindentrübungen bis zur maturen Katarakt).Pathogenetisch besteht eine Imprägnierungdes Linsenepithels und der subkapsulärenRinde durch Eisenionen (Ferritin) bei intra-lentalem oder intraokular-extralentalemFremdkörper (Abbildung 19b). Selten istein ähnliches Bild bei der lokalen Hämo -chromatose (protrahierte Blutung) zu fin-

ter). Pathogenetisch entsteht die Kapsel-narbe als Reparationsvorgang nach (spit-zer) Kapseleröffnung und bleibt nach Ab-heilung in der Regel stationär, eine Eintrü-bung des Linsenkörpers ist aber möglich.Auswirkungen auf die Sehschärfe sind vonder Lokalisation abhängig und könnenfehlen oder ausgeprägt sein. Bei deutlicherVisusminderung besteht eine Operations-indikation, dabei ist die Rhexis im Nar-benbereich oft erschwert oder auch mitun-ter nicht möglich, sodass die vordere Kap-sel ausgeschnitten werden muss.

Intralentale Fremdkörper – prinzipiell jede LinsenschichtEtwa 5-10 % aller intraokularen Fremdkör-per sind intralental und können prinzipiellin jeder Linsenschicht liegen, außerdem isteine Kapselwunde zu erkennen (Abbildung18) [9]. Bei frischen Wunden sind die Kap-selränder oft umgeschlagen. Betroffen sindeher jüngere Patienten (Traumadisposi-tionsalter) mit einer penetrierenden Verlet-zung. Der Verlauf ist unterschiedlich undvor allem abhängig von der Größe unddem Material des Fremdkörpers. In derMehrzahl der Fälle wird die Linse schnell

Abbildung 19a: Siderosis lentis mit typischen,rostbraunen Flecken, die zumeist zirkulär an-geordnet sind und hinter der Iris im Pupillar-bereich liegen (aus [6]).

Abbildung 19b: Histologie der Siderosis lentismit (blauen) subkapsulären Eisenablagerun-gen (aus [11]).

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Etwa 5-10% aller intra okularenFremdkörper sind intralentalund können prinzipiell in jederLinsenschicht liegen.

Die Siderosis lentis ist eine seltene, überwiegend bei jüngerenPersonen vorkommende Linsen-trübung vorwiegend der vorderensubkapsulären Rinde, die inhäufig zirkulär angeordneten,hinter der zentralen Iris liegenden,rostbraunen Flecken besteht.

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Die Linsenveränderungen entstehen durchdie Imprägnierung von Linsenkapsel (be-sondere Affinität der Cu-Ionen zu Basal-membranen) und Linsenepithel mit Kup-ferionen bei intralentalem oder intraoku-lar-extralentalem, kupferhaltigem Fremd-körper aus meist reinem Kupfer oder Mes-sing (Abbildung 20b) [1]. Die Trübungenentwickeln sich nicht selten erst Jahre nachdem Eindringen des Fremdkörpers. Eineweitere, nicht traumatische Ursache einerChalkosis lentis ist der M. Wilson (hepa-tolentikuläre Degeneration). Im Verlauf nehmen die Kupferablagerun-gen und die Linsentrübungen meistens zu.Nach Resorption des Fremdkörpers wurdebei mehreren Patienten eine Rückbildungder Chalkosis lentis beobachtet [1].Die Sehschärfe ist meist beträchtlich ein-geschränkt. Ein kupferhaltiger Fremdkör-per wird operativ entfernt, und die Linsen-extraktion erfolgt in Abhängigkeit vomAusmaß der Trübungen. Ein Patient mit ei-nem M. Wilson benötigt eine internistischeBetreuung und wird z. B. mit D-Penicilla-min zur Förderung der Kupferausschei-dung behandelt.

den. Eine systemische Hämosiderose (z.B.hämolytische Anämie, Hämochromatose)scheint dagegen keine Siderosis lentis her-vorrufen zu können. Eine Siderosis bei ei-nem intraokularen, eisenhaltigen Fremd-körper ist nicht obligat. Ein alter, abgekap-selter Fremdkörper ohne Zeichen der Si-derosis wird daher oft besser belassen. Oh-ne Therapie erfolgt in der Regel eine Zu-nahme der Verrostungen und der Linsen-trübungen. Eine Rückbildung einer Sidero-sis bulbi ist prinzipiell nach Fremdkörper-resorption bzw. -extraktion möglich [9].Ob auch eine Siderosis lentis partiell rück -bildungsfähig ist, ist unklar. Die Eisenab-lagerungen in der Linse selbst wirken ehernicht visusmindernd, wohl aber die asso-ziierten Trübungen des Linsenkörpers unddie oft, aber nicht obligat vergesellschaf-tete Siderosis der Photorezeptoren. Wirdeine Siderosis lentis beobachtet, müssenimmer eine Siderosis bulbi (durch ERG)und ein siderotisches Glaukom ausge-schlossen werden. Die Therapie besteht inder Linsen- und Fremdkörperextraktion. Inder älteren Literatur finden sich wiederholtHinweise auf eine siderotische Zonulopa-thie, so dass, zumindest bei älteren Eisen-staren, möglicherweise ein erhöhtes intra-operatives Risiko für Zonula/Kapselsack-Komplikationen besteht.

Chalkosis lentis – vordere und hintere subkapsuläre RindeDie seltene Chalkosis lentis (Sonnenblu-menkatarakt/„Kupferstar“) wird meistensbei jüngeren Personen im Traumadisposi-tionsalter gefunden. Spaltlampenmikro-skopisch sind scheibenförmige, meist grün-liche Trübung der vorderen, eventuell auchder hinteren Linsenrinde zu beobachtensowie strahlenartige Trübungen („Sonnen-blumenkatarakt“) im Bereich der vorderensubkapsulären Rinde (Abbildung 20a) [13].Nicht selten besteht die Assoziation mit ei-nem Kayser-Fleischer-Ring, wobei dieserin der Regel nach den Linsentrübungenauftritt.

Chalkosis lentis: Die Trübungenentwickeln sich nicht selten erstJahre nach dem Eindringen desFremdkörpers. Im Verlauf nehmendie Kupferablagerungen undLinsentrübungen meistens zu.

Abbildung 20a: Typische „Sonnenblumenka-tarakt“ bei Chalkosis lentis (aus [10])

Abbildung 20b: Histologie der Chalkosis lentis.Gelbliche Kupferablagerungen in der vorderenund hinteren subkapsulären Rinde und in derLinsenkapsel (aus [11])

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J. M. Rohrbach, E. M. Feudner, P. Szurman: Pathognomonische Linsentrübungen – Teil 2

Linse zu finden (Abbildung 21c). Die ech-te, auch histologisch nachgewiesene [17]Aufspaltung der vorderen zentralen Lin-senkapsel („Feuerlamelle“) beginnt übli-cherweise bilateral im Pupillarbereich. ImBereich der hinteren axialen Rinde könneneine scheibenförmige Trübung („Polschei-be“) oder kreisförmig angeordnete „Tin-tenkleckse“ entstehen. Als Pathogenese wird eine Thermoläsionder vorderen Linsenkapsel durch Infrarot-licht angenommen, da vorwiegend Glas-bläser und Stahlkocher betroffen sind.Ausnahmsweise wird eine echte Exfolia-tion auch nach einer intraokularen Ent-zündung oder einem Trauma sowie idio-pathisch (im höheren Lebensalter) beob-achtet. Im Verlauf ist eine Zunahme derKapselspaltung möglich. Häufig ist dieVerminderung der Linsentransparenz pro-gressiv, ihr Ausmaß entscheidet über dieVisusrelevanz. Eine Kapselspaltung alleinist wohl nur selten visuslimitierend. Bei ei-ner Kataraktextraktion dürfte die Rhexis,ohne dass größere Studien vorlägen, deut-lich erschwert sein. In der älteren Literaturwird auf eine besonders frühzeitige Ein-schränkung der Akkommodation hinge-wiesen.

Cataracta electrica – zunächst vordere, subkapsuläre RindeDie sehr seltene Cataracta electrica (Blitz-bzw. Elektrizitätsstar) ist eine Linsentrü-bung, die durch eine Schädigung des Lin-senepithels und der vorderen subkapsulä-ren Rinde durch Einwirkung von Stromentsteht. Sie entwickelt sich üblicherweiseerst mit zeitlicher Verzögerung (meist 3-6Monate nach dem Unfall, eher ausnahms-weise wenige Tage oder auch wenige Jah-re nach dem Stromstoß). Der genaue Schä-digungsmechanismus ist unbekannt, even-tuell spielen Thermoeffekte eine Rolle. Be-troffen sind überwiegend Patienten imjüngeren und mittleren Lebensalter. Zu-nächst ist die vordere, subkapsuläre Rinde

Infrarotstar - vordere Linsenkapsel, hintere subkapsuläre Rinde und ganze LinseDer sehr selten gewordene Infrarotstar(Exfoliatio lentis/„Feuerstar“) entsteht durchdie Einwirkung von Infrarotstrahlen. Be-troffen sind typischerweise ältere Personen(> 60 Jahre), da die Entwicklung der Ver-änderungen typischerweise erst 2-4 Jahr-zehnte nach der beruflichen Expositionauftritt. Nach alten Untersuchungen wie-sen zirka 12 % von über 500 Glasbläserneine Katarakt auf. Spaltlampenmikrosko-pisch sind Veränderungen in der vorderenLinsenkapsel (Abbildung 21a und b), hin-teren subkapsulären Rinde und der ganzen

Als Pathogenese wird eine Thermoläsion der vorderen Linsenkapsel durch Infrarotlichtangenommen, da vorwiegendGlasbläser und Stahlkocher betroffen sind.

Abbildung 21a: Exfoliatio lentis im Auflicht (aus[17])

Abbildung 21b: Exfoliatio lentis im Spaltbild beinoch klarer Linse. Im Gegensatz zur Pseudoex-foliatio (PEX-Syndrom) kommt es zu einer ech-ten Kapselspaltung (aus [17]).

Abbildung 21c: Exfoliatio lentis mit fortge-schrittener Linsentrübung (aus [17])

Abbildung 22: Cataracta electrica mit stern-förmigen Trübungen (aus [6])

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J. M. Rohrbach, E. M. Feudner, P. Szurman: Pathognomonische Linsentrübungen – Teil 2

einzelne Fallberichte einer Regression zarterTrübungen.Die Auswirkungen auf die Sehschärfe sindvariabel, im längeren Verlauf ist der Visusoft beträchtlich reduziert. Die Indikationzur Linsenextraktion ist bei deutlicher len-togener Visusminderung gegeben. Even-tuell besteht ein erhöhtes Risiko für eineZonulainsuffizienz (traumatische Zonulo-pathie). Bei assoziierten Fundusverände-rungen ist mit einer postoperativen Limi-tierung der Funktion zu rechnen.

getrübt, aber später können auch alleSchichten in uncharakteristischer Weisebefallen sein.Spaltlampenmikroskopisch sind sternför-mige Trübungen charakteristisch, die sicham vorderen Nahtsystem orientieren (Ab-bildung 22). Mögliche, assoziierte Augen-veränderungen sind Akkommodationsstö-rungen, Mydriasis, Netzhautblutungen,Aderhautruptur, Optikusatrophie und Pto-sis [16]. Die Cataracta electrica ist über-wiegend nur langsam progredient. Es gibt

Cataracta electrica: Spaltlampen -mikroskopisch sind sternförmigeTrübungen charakteristisch, diesich am vorderen Nahtsystemorientieren.

1. Jess A (1929) Das Verschwinden der Verkupferungs-erscheinungen des Auges. Zeitschr Augenheilkd 69:59-73

2. Keenan T, Rosen P, Yeates D, Goldacre M (2007) Timetrends and geographical variation in cataract surgeryrates in England: study of surgical workload. Br JOphthalmol 91: 901-904

3. Kohnen T, Lüchtenberg M (2007) Chirurgische The-rapie der kongenitalen Katarakt. Ophthalmologe 104:566-571

4. Lorenz B (2007) Genetische Untersuchungen bei kon-genitaler Katarakt. Ophthalmologe 104: 559-565

5. Lüchtenberg M, Kohnen T (2007) Untersuchungsme-thodik zur Diagnostik der ein- und beidseitigen kind-lichen Katarakt. Ophthalmologe 104: 552-558

6. Meesmann A (1927) Die Mikroskopie des lebendenAuges an der Gullstrandschen Spaltlampe mit Atlastypischer Befunde. Urban & Schwarzenberg Ber-lin/Wien

7. Naumann G O H (1997) Pathologie des Auges, 2. Auf-lage. Springer Verlag Heidelberg

8. Papageorgiou E, Bock SW, Schiefer U (2007) MyotoneDystrophie Curschmann-Steinert. Klin Monatsbl Augen-heilkd 224: 70-75

9. Rohrbach J M, Steuhl K-P (2002) Traumatologie derLinse. In: Ophthalmologische Traumatologie (HrsgRohrbach J M et al.) S 102-122, Schattauer, Stuttgart

10. Sautter H (1951) Die Trübungsformen der mensch-lichen Linse. Thieme, Stuttgart

11. Schieck F, Brückner A (1930) Kurzes Handbuch derOphthalmologie, Band 5. Springer, Berlin

12. Schlötzer-Schrehardt U, Naumann G O H (2004)Pseudoexfoliationsglaukom. In: Sekundärglaukome(Hrsg Schlote T, Rohrbach J M) S 177-190, Schattauer,Stuttgart

13. Schlote T (2002) Siderosis und Chalcosis bulbi. In:Ophthalmologische Traumatologie (Hrsg Rohrbach JM et al.) S. 328-336, Schattauer, Stuttgart

14. Sparrow J M (2007) Cataract surgical rates: is thereoverprovision in certain areas? Br J Ophthalmol 91:852-853

15. Steuhl K-P, Weidle E G, Rohrbach J M (1992) Zuroperativen Behandlung der hyperplastisch persistie-renden Pupillarmembran. Klin Monatsbl Augen-heilkd 201: 38-41

16. Stroman G A (2002) Verletzungen durch Starkstrom.In: Rohrbach JM, Steuhl K-P, Knorr M, Kirchhof B(Hrsg.) Ophthalmologische Traumatologie. SchattauerVerlag Stuttgart, 219-225

17. Vogt A (1931) Lehrbuch und Atlas der Spaltlampen-mikroskopie, Band 2. Springer, Berlin

18. Vossius A (1906) Über ringförmige Trübungen an derLinsenvorderfläche nach Kontusionsverletzungendes Auges. Klin Monatsbl Augenheilkd 44: 544-545

Literatur

Korrespondenzadresse: Prof. Dr. J. M. Rohrbach Department für Augenheilkunde der Universität-TübingenSchleichstr. 12 72076 Tübingen

E-Mail: [email protected]

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Fragen zur CME-Fortbildung

Welche Aussage zum PEX-Syndrom ist falsch?

I. Bei Vorhandensein von PEX ist bei der Kataraktextraktion mit deutlicherhöhten intra- und postoperativen Risiken zu rechnen.

II. Als systemische Stoffwechselerkrankung betrifft PEX weit überwiegend beide Augen in klinisch gleicher Weise.

III. Die Häufigkeit von PEX steigt mit zunehmendem Lebensalter deutlich an.IV. Das PEX-Material allein ist üblicherweise nicht visusmindernd.V. PEX-Material findet sich u.U. auch auf der Hornhautrückfläche.

a) I. ist falschb) II. ist falschc) III. ist falschd) IV. ist falsche) V. ist falsch

Welche Aussage zur Cataracta diabetica ist falsch?

I. Bei älteren Diabetikern entspricht die Linsentrübung meist einer beschleunigten senilen Katarakt.

II. Bei jungen Diabetikern gilt die „Schneeflockenkatarakt“ als typisch.III. Diabetische Wasserspalten in der Linse können nach

Blutzuckereinstellung manchmal reversibel sein.IV. Die Operationsrisiken sind von Seiten des Auges meist deutlich erhöht.V. Eine Kunstlinsenimplantation ist im Allgemeinen unbedenklich.

a) I. ist falschb) II. ist falschc) III. ist falschd) IV. ist falsche) V. ist falsch

Welche Assoziation ist falsch?

I. Cataracta myotonica – Farbenschillern der LinseII. Cataracta syndermatotica – vordere schildplattartige LinsentrübungIII. Katarakt bei M. Fabry – „propellerartige“ KataraktIV. Vossius-Ring – Blutabklatsch auf der vorderen LinsenkapselV. Infrarotstar – Spaltung der vorderen Linsenkapsel

a) I. ist falschb) II. ist falschc) III. ist falschd) IV. ist falsche) V. ist falsch

Welche Hauterkrankung geht praktisch nie mit einer Cataracta syndermatotica einher?

I. atopische DermatitisII. ErysipelIII. Psoriasis vulgarisIV. SklerodermieV. Werner-Symdrom (adulte Progerie)

a) I. ist richtigb) II. ist richtigc) III. ist richtigd) IV. ist richtige) V. ist richtig

Welche der Aussagen ist richtig?

I. Die Kontusionsrosette befindet sich meist im Bereich der hinteren Linsenrinde.

II. Die Kontusionsrosette kann durch Apposition klaren Rindenmaterialsmit der Zeit in die Tiefe wandern.

III. Bei einer Kontusionsrosette ist intraoperativ nicht mit einer Zonulainsuffizienz zu rechnen.

IV. Kontusions- und Perforationsrosetten finden sich bevorzugt bei älteren Menschen.

V. Eine traumatische Katarakt mit Perforationsrosette muss grundsätzlich innerhalb von 24 Stunden operiert werden.

a) I. ist richtigb) II. ist richtigc) III. ist richtigd) IV. ist richtige) V. ist richtig

Welche Aussage ist richtig? Der Anteil der intralentalenFremdkörper an allen intraokularen Fremdkörpern liegtbei etwa:

I. 0,5-1 %II. 2-3 %III. 5-10 %IV. 20-25 %V. 30-33 %

a) I. ist richtigb) II. ist richtigc) III. ist richtigd) IV. ist richtige) V. ist richtig

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Fragen zum Beitrag „Pathognomonische Linsentrübungen – Teil 2“ Pro Frage ist jeweils nur eine Antwort möglich. – An der zertifizierten Fortbildung der ZPA können ausschließlich Abonnenten teilnehmen. Im Zweifelsfall istdies anhand der Kundennummer auf dem Adressaufkleber zu erkennen, die sich zwischen zwei Rauten (# #) über der Adresse befindet. Die Kennzeichnungfür Abonnenten ist ein vorangestelltes A, dem die vierstellige Kundennummer folgt.

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Fragen zur CME-Fortbildung

Welche Aussage zu intralentalen Fremdkörpern ist richtig?

I. Ein intralentaler Fremdkörper muss grundsätzlich durch Linsenextraktion entfernt werden.

II. Ein belassener intralentaler Eisen-Fremdkörper führt praktisch nie zu einer Siderosis bulbi.

III. Von intralentalen Fremdkörpern sind bevorzugt ältere Menschen betroffen.

IV. Kleine, Fremdkörper-induzierte Kapselwunden verschließen sich praktisch nie spontan.

V. Bestimmte Fremdkörper können unter Umständen jahre- oder sogarjahrzehntelang in der Linse verbleiben ohne diese stark zu trüben.

a) I. ist richtigb) II. ist richtigc) III. ist richtigd) IV. ist richtige) V. ist richtig

Welche Aussage zur Siderosis lentis ist falsch?

I. Die rostbraunen Linsentrübungen bei der Siderosis lentis sind meist zirkulär angeordnet.

II. Die Trübungen der Linse bei Siderosis lentis liegen bevorzugt hinter der Iris.

III. Die Trübungen bei Siderosis lentis liegen bevorzugt im Bereich der hinteren Linsenkapsel.

IV. Trotz der Gefahr einer Siderosis lentis/bulbi kann ein metallischer,intralentaler Fremdkörper bei noch weitgehend klarer Linse prinzipiell(unter Kontrolle) belassen werden.

V. Eine systemische Hämosiderose scheint keine Siderosis lentis hervorrufen zu können.

a) I. ist falschb) II. ist falschc) III. ist falschd) IV. ist falsche) V. ist falsch

Welche Aussage zur Chalkosis lentis ist falsch?

I. Die Trübungen bei Chalkosis lentis finden sich vor allem im Linsenkern. II. Die Chalkosis lentis tritt gewöhnlich vor einem

Kayser-Fleischer-Ring auf.III. Als typisch gilt die „Sonnenblumenkatarakt“.IV. Eine Chalkosis lentis kann auch im Rahmen eines

Morbus Wilson auftreten.V. Eine Rückbildung der chalkotischen Linsentrübungen ist möglich.

a) I. ist falschb) II. ist falschc) III. ist falschd) IV. ist falsche) V. ist falsch

Welche Aussage zur Cataracta electrica ist falsch?

I. Die Cataracta electrica ist heutzutage sehr selten.II. Die Cataracta electrica entwickelt sich (von Ausnahmen abgesehen)

üblicherweise erst einige Jahre nach dem Stromschlag.III. Als Ursache der Linsentrübungen werden Thermo-Effekte diskutiert.IV. Als typisch gelten sternförmige Trübungen, die sich am vorderen

Nahtsystem orientieren.V. Die Cataracta electrica kann mit weiteren Augenveränderungen

(z.B. Störung der Akkommodation, Aderhautruptur oder Optikus -atrophie) vergesellschaftet sein.

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Die Lösungen zu der CME-Fortbildungseinheit aus der November-Ausgabe lauten: 1b, 2d, 3d, 4b, 5b, 6c, 7e, 8c, 9a, 10b

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