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Redaktion E. Genth, Aachen Z Rheumatol 2008 · 67:199–205 DOI 10.1007/s00393-008-0279-4 Online publiziert: 25. April 2008 © Springer Medizin Verlag 2008 E. Genth Rheumaklinik und Rheumaforschungsinstitut Aachen Patientenschulung in der Rheumatologie – eine Übersicht Leitthema Rheumatische Krankheiten erfordern wegen ihres oft chronischen Verlaufs mit wechselnder Krankheitsaktivität, der häu- figen Entstehung funktioneller und struk- tureller Schäden und der Folgen in Bezug auf Alltagsaktivitäten und soziale Teilhabe eine umfassende Versorgung. Neben der professionellen Hilfe durch Ärzte, Physio- therapeuten, Ergotherapeuten und ande- ren hat die Mitwirkung der Betroffenen durch eigene Aktivitäten, Zusammenar- beit mit den Behandlern und Krankheits- bewältigung wesentliche Bedeutung für Krankheitsverlauf und Lebensqualität. Patientenschulung unterstützt den le- benslangen Lernprozess im Umgang mit einer chronischen Krankheit. Patienten- schulung ist definiert als ein geplanter und organisierter Lernprozess, der verschie- dene Methoden wie Informieren, Lehren, Beraten oder die Anwendung verhaltens- modifizierender Techniken benutzt, um Wissen, Fertigkeiten, Einstellungen und Verhalten von Patienten in Bezug auf ihre Gesundheit zu verbessern [10, 16, 43, 54]. Dies schließt alle Maßnahmen und Vor- gänge ein, die Patienten helfen, aktiv an ihrer Gesundheitsversorgung teilzuneh- men. Patienteninformation ist ein Teilas- pekt dieses Prozesses vor allem zur Ver- besserung des Wissens über bestimmte Aspekte von Erkrankungen. Diese Defi- nition betont, dass Schulung nicht nur zu einer Verbesserung des Wissens, sondern auch des Verhaltens und des Gesundheits- zustands führen sollte [57]. Der Prozess der Krankheitsbewältigung (Coping) einer anhaltenden oder lebens- verändernden Gesundheitsstörung wurde mit verschiedenen Modellen – wie dem sozial-kognitiven Modell des Gesund- heitsverhaltens von Schwarzer [55], dem Stufenmodell der Verhaltensänderung von Prochaska et al. [50] oder dem lerntheo- retischen Modell von Lazarus et al. [35] – beschrieben und in mehreren Übersichten dargestellt [16, 43, 44]. Die Geschichte der Patientenschulung hat gezeigt, dass die Wissensvermittlung alleine das Verhalten nur wenig beeinflusst [4] und bedeutsame Effekte vor allem erreicht werden, wenn grundlegende Überzeugungen, die Ein- schätzung des Gesundheitszustandes und das Verhalten verändert werden. > Wissensvermittlung allein beeinflusst Verhalten nur wenig Ein wichtiger Faktor und Prädiktor rele- vanter Outcomes chronischer Krankheiten, wie z. B. Schmerzen [37], ist die Einschät- zung der Selbstwirksamkeit [1] durch die Betroffenen. Selbstwirksamkeit beschreibt die eigene Überzeugung, bestimmte Tä- tigkeiten und Aktivitäten durchführen zu können und Einfluss darauf zu haben. Menschen mit hoher Selbstwirksamkeit tendieren zu einem erfolgsorientierten Be- wältigungsverhalten, während Individuen mit niedriger Selbstwirksamkeit die Situ- ationsbewältigung aufgeben, weil sie von einem Misserfolg ausgehen. Patientenschulung will der Entstehung von Hilflosigkeit [18] bei chronischen Krankheiten durch Förderung von ak- tivem Selbstmanagement entgegenwir- ken. Es wird angenommen, dass das Ver- halten Betroffener einen wesentlichen Ein- fluss auf die psychosoziale und funktionale Gesundheit hat. Dies betrifft Adhärenz und Compliance [49] in Bezug auf me- dikamentöse und andere Behandlungen, Selbsttherapien (Bewegungsübungen, Ent- spannungsübungen, Gelenkschutz u. a.), Ernährungsverhalten und andere Aspekte des Gesundheitsverhaltens [55]. Dabei ist es notwendig, emotionale Pro- zesse, die bei der Motivation zu Verhal- tensänderung und zur Krankheitsakzep- tanz wesentlich sind, zu berücksichtigen. Die Langzeitbehandlung von chro- nisch Rheumakranken erfordert eine ver- trauensvolle und stabile Partnerschaft zwischen Patienten und ihren Helfern, den Ärzten, Physiotherapeuten, Ergothe- rapeuten und anderen Professionals [39]. Patientenschulung ist Teil eines Qualifi- zierungsprozesses zur Verbesserung von Kooperation und gemeinsamer Entschei- dungsfindung [50]. Es kann davon ausgegangen werden, dass auf der Grundlage einer partner- schaftlichen Arzt-Patienten-Beziehung die Adhärenz und Compliance in Bezug auf Behandlungsmaßnahmen sowie posi- tive Lernerfahrungen zunehmen und der Gesundheitszustand gebessert wird. Im Folgenden wird eine Übersicht zu aktuellen Fragen der Wirksamkeit, des Nutzens und der Qualität von Patienten- schulung in der Rheumatologie gegeben. Formen Chronische Krankheiten mit variab- ler Krankheitsaktivität und Schadenent- wicklung erfordern eine kontinuierliche Bewältigung veränderter Situationen. Pa- tientenschulung kann diese Lernprozesse vielgestaltig unterstützen. Patientenschu- 199 Zeitschrift für Rheumatologie 3 · 2008 |  

Patientenschulung in der Rheumatologie – eine Übersicht

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Page 1: Patientenschulung in der Rheumatologie – eine Übersicht

RedaktionE. Genth, Aachen

Z Rheumatol 2008 · 67:199–205DOI 10.1007/s00393-008-0279-4Online publiziert: 25. April 2008© Springer Medizin Verlag 2008

E. GenthRheumaklinik und Rheumaforschungsinstitut Aachen

Patientenschulung in der Rheumatologie – eine Übersicht

Leitthema

Rheumatische Krankheiten erfordern wegen ihres oft chronischen Verlaufs mit wechselnder Krankheitsaktivität, der häu­figen Entstehung funktioneller und struk­tureller Schäden und der Folgen in Bezug auf Alltagsaktivitäten und soziale Teilhabe eine umfassende Versorgung. Neben der professionellen Hilfe durch Ärzte, Physio­therapeuten, Ergotherapeuten und ande­ren hat die Mitwirkung der Betroffenen durch eigene Aktivitäten, Zusammenar­beit mit den Behandlern und Krankheits­bewältigung wesentliche Bedeutung für Krankheitsverlauf und Lebensqualität.

Patientenschulung unterstützt den le­benslangen Lernprozess im Umgang mit einer chronischen Krankheit. Patienten­schulung ist definiert als ein geplanter und organisierter Lernprozess, der verschie­dene Methoden wie Informieren, Lehren, Beraten oder die Anwendung verhaltens­modifizierender Techniken benutzt, um Wissen, Fertigkeiten, Einstellungen und Verhalten von Patienten in Bezug auf ihre Gesundheit zu verbessern [10, 16, 43, 54]. Dies schließt alle Maßnahmen und Vor­gänge ein, die Patienten helfen, aktiv an ihrer Gesundheitsversorgung teilzuneh­men. Patienteninformation ist ein Teilas­pekt dieses Prozesses vor allem zur Ver­besserung des Wissens über bestimmte Aspekte von Erkrankungen. Diese Defi­nition betont, dass Schulung nicht nur zu einer Verbesserung des Wissens, sondern auch des Verhaltens und des Gesundheits­zustands führen sollte [57].

Der Prozess der Krankheitsbewältigung (Coping) einer anhaltenden oder lebens­verändernden Gesundheitsstörung wurde mit verschiedenen Modellen – wie dem

sozial­kognitiven Modell des Gesund­heitsverhaltens von Schwarzer [55], dem Stufenmodell der Verhaltensänderung von Prochaska et al. [50] oder dem lerntheo­retischen Modell von Lazarus et al. [35] – beschrieben und in mehreren Übersichten dargestellt [16, 43, 44]. Die Geschichte der Patientenschulung hat gezeigt, dass die Wissensvermittlung alleine das Verhalten nur wenig beeinflusst [4] und bedeutsame Effekte vor allem erreicht werden, wenn grundlegende Überzeugungen, die Ein­schätzung des Gesundheitszustandes und das Verhalten verändert werden.

> Wissensvermittlung allein beeinflusst Verhalten nur wenig

Ein wichtiger Faktor und Prädiktor rele­vanter Outcomes chronischer Krankheiten, wie z. B. Schmerzen [37], ist die Einschät­zung der Selbstwirksamkeit [1] durch die Betroffenen. Selbstwirksamkeit beschreibt die eigene Überzeugung, bestimmte Tä­tigkeiten und Aktivitäten durchführen zu können und Einfluss darauf zu haben. Menschen mit hoher Selbstwirksamkeit tendieren zu einem erfolgsorientierten Be­wältigungsverhalten, während Individuen mit niedriger Selbstwirksamkeit die Situ­ationsbewältigung aufgeben, weil sie von einem Misserfolg ausgehen.

Patientenschulung will der Entstehung von Hilflosigkeit [18] bei chronischen Krankheiten durch Förderung von ak­tivem Selbstmanagement entgegenwir­ken. Es wird angenommen, dass das Ver­halten Betroffener einen wesentlichen Ein­fluss auf die psychosoziale und funktionale Gesundheit hat. Dies betrifft Adhärenz

und Compliance [49] in Bezug auf me­dikamentöse und andere Behandlungen, Selbsttherapien (Bewegungsübungen, Ent­spannungsübungen, Gelenkschutz u. a.), Ernährungsverhalten und andere Aspekte des Gesundheitsverhaltens [55].

Dabei ist es notwendig, emotionale Pro­zesse, die bei der Motivation zu Verhal­tensänderung und zur Krankheitsakzep­tanz wesentlich sind, zu berücksichtigen.

Die Langzeitbehandlung von chro­nisch Rheumakranken erfordert eine ver­trauensvolle und stabile Partnerschaft zwischen Patienten und ihren Helfern, den Ärzten, Physiotherapeuten, Ergothe­rapeuten und anderen Professionals [39]. Patientenschulung ist Teil eines Qualifi­zierungsprozesses zur Verbesserung von Kooperation und gemeinsamer Entschei­dungsfindung [50].

Es kann davon ausgegangen werden, dass auf der Grundlage einer partner­schaftlichen Arzt­Patienten­Beziehung die Adhärenz und Compliance in Bezug auf Behandlungsmaßnahmen sowie posi­tive Lernerfahrungen zunehmen und der Gesundheitszustand gebessert wird.

Im Folgenden wird eine Übersicht zu aktuellen Fragen der Wirksamkeit, des Nutzens und der Qualität von Patienten­schulung in der Rheumatologie gegeben.

Formen

Chronische Krankheiten mit variab­ler Krankheitsaktivität und Schadenent­wicklung erfordern eine kontinuierliche Bewältigung veränderter Situationen. Pa­tientenschulung kann diese Lernprozesse vielgestaltig unterstützen. Patientenschu­

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lung wird unter ambulanten Bedingungen z. B. in der rheumatologischen Praxis oder im Rahmen klinischer Versorgungs­ und Rehabilitationsmaßnahmen durchge­führt. Sie kann von Personen und von Me­dien, wie Flyer, Broschüren, Videos und das Internet vermittelt werden. Im ambu­lanten Bereich werden in Deutschland be­gleitend zum Arztgespräch vielfach Infor­mationsblätter oder ­broschüren verwen­det, z. B. von der Deutschen Rheuma­Liga und anderen Selbsthilfegruppen. Infor­mationen über die medikamentöse anti­rheumatische Therapie für Patienten und Ärzte wurden von der Projektgruppe The­rapierichtlinien der Arbeitsgemeinschaft der Regionalen Kooperativen Rheuma­zentren der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie erarbeitet. Das Internet bietet vielfältige Informationen insbe­sondere auch von den wissenschaftlichen Fachgesellschaften und der Deutschen Rheuma­Liga.

Information und Schulung wird durch trainierte Laien oder professionelle Trai­ner durchgeführt. Sie kann für einzelne oder für Kleingruppen Betroffener konzi­piert sein. Neben problemorientierten In­struktionen, z. B. über bestimmte medi­kamentöse oder operative Therapiemaß­nahmen, gibt es umfassendere Schulungs­konzepte über grundlegende Aspekte ver­schiedener rheumatischer Krankheiten. In Deutschland werden vor allem multi­disziplinäre Schulungskonzepte mit Schu­lungsteams aus Ärzten, Psychologen, Phy­siotherapeuten, Ergotherapeuten und So­zialpädagogen eingesetzt.

Es gibt verschiedene Formen der zeit­lichen Gestaltung; neben Kursen und Se­minaren z. B. an Wochenenden wird mit kontinuierlich in der Regel einmal wöchentlichen Schulungstreffen von 6–30 Wochen Dauer gearbeitet, auch unter Verwendung von Auffrisch­Schulungen.

Wirksamkeit

Die Wirksamkeit von Patientenschulung wurde bei einer Vielzahl von rheuma­tischen Krankheiten und Interventionen untersucht in Bezug auf kognitive Verän­derungen, Änderungen im Gesundheits­verhalten und in Bezug auf patientenrele­vante, krankheitstypische Outcomes. Ge­messen wurde der Einfluss auf Krankheits­

wissen, Selbstwirksamkeit und Selbstma­nagement, Adhärenz zu Eigenübungen und Behandlungen, Schmerz, Funktions­kapazität im Alltag, Gesundheitszustand, Lebensqualität und krankheitsspezifische Outcomes.

Die meisten Studien liegen bei Pati­enten mit rheumatoider Arthritis (RA) und anderen Arthritisformen vor [45, 52]. Die Wirksamkeit von Patientenschulung wurde auch bei Patienten mit ankylosie­render Spondylitis (AS; [2, 15, 32, 51]), sys­temischem Lupus erythematodes (SLE; [28, 58]), Vaskulitis [26], Knie­ und Hüft­arthrosen [48, 59], Fibromyalgiesyndrom (FMS; [3, 6, 9]) und Osteoporose [19, 53] untersucht.

Im Allgemeinen sind die Effekte von Patientenschulung bei Patienten mit rheu-matoider Arthritis eher gering [52, 60] und von kurzer Dauer [5]. Die meisten Un­tersuchungen wurden bei Patienten mit mehrjähriger Krankheitsdauer durchge­führt. Ein kognitiv­verhaltensorientiertes Patientenschulungsprogramm bei neu dia­gnostizierter RA hatte keinen wesentlichen Effekt auf den Gesundheitszustand [17].

Im Jahr 1987 veröffentlichten Lorig et al. [42] eine erste Übersicht über 76 Schu­lungsprogramme für ambulante Patienten mit rheumatischen Erkrankungen. Die Au­toren fanden, dass 94% von 34 ausgewähl­ten Programmen eine Zunahme im Wis­sen der Betroffenen über Krankheitspro­zesse und Behandlung erzielten. Darüber hinaus erreichten 77% von 48 Schulungs­programmen eine Verbesserung des Ver­haltens in Bezug auf Entspannung, Durch­führung von Eigenübungen und Compli­ance in der medikamentösen Therapie. Ei­ne weitere Metaanalyse der Wirksamkeit von Arthritis­Selbstmanagement­Schu­lungsprogrammen wurde von Warsi et al. [60] durchgeführt in Bezug auf Schmer­zen und Alltagsaktivitäten. Siebzehn von 35 kontrollierten Studien mit den Endpunk­ten Schmerzen und/oder Behinderung wurden eingeschlossen. Die gemittelte Ef­fektstärke für Schmerzen und Behinderung war gering, sie betrug 0,12 bzw. 0,07.

Hawley [25] gab eine Übersicht über 34 Studien zwischen 1985 und 1995 zu Pa­tientenschulung bei Arthritis. Es wur­den durchschnittliche Effektstärken für Behandlungs­ und Kontrollgruppen von Patienten mit rheumatoiden Arthritis be­

richtet in Bezug auf Schmerzen, Alltags­aktivitäten und Depression. Die Effekt­stärken von Schulungsprogrammen für Patienten mit Arthrosen in Bezug auf Schmerzen, Alltagsaktivitäten und De­pression waren größer als die bei RA.

Riemsma et al. [52] untersuchten die Wirksamkeit von Patientenschulung bei Patienten mit RA in einer systematischen Cochrane­Übersicht zur Evidenz aus ran­domisierten kontrollierten Studien. Die Qualität der 31 eingeschlossenen Studien wurde insgesamt als nicht sehr hoch be­wertet. Die Auswertung wurde nach den OMERACT­Kriterien durchgeführt, die von der WHO und der ILAR (Interna­tional League of Associations for Rheu­matology) als Goldstandard für krank­heitsspezifische Outcomes in klinischen Studien anerkannt ist. Bewertet wurden die Effekte von Patientenschulungen auf Schmerzen, funktionelle Behinderung, Anzahl betroffener Gelenke, Gesamtur­teil von Patienten und Ärzten, psycholo­gischer Status und Akute­Phase­Parame­ter. Es fanden sich geringe (5–12%), doch statistisch signifikante Besserungen dieser Parameter durch Patientenschulung. Die bedeutendste Besserung mit einer Effekt­stärke von –0,17 betraf Behinderungen bei bestimmten Alltagstätigkeiten. Verg­lichen mit den Effektstärken der medika­mentösen Therapie bei der RA, zum Bei­spiel mit Methotrexat (–1,48) oder mit zu­sätzlicher Gabe von Glukokortikosteroi­den (–0,57), erscheint der Effekt der Pati­entenschulung gering.

> Verhaltensorientierte Programme zeigen die besten Effekte

In der Analyse wurden drei Formen von Patientenschulung unterschieden: Infor­mation alleine (mündliche Informati­onen, Broschüren), Beratung (Informati­on, interaktive Besprechung) und Verhal­tenstraining (Methoden zur Verhaltens­änderung wie Instruktionen, Training von Fertigkeiten, Biofeedback etc.). Die Analyse in Bezug auf die verschiedenen Formen der edukativen Intervention erg­ab, dass verhaltensorientierte Programme im Vergleich zu den Kontrollen die besten Effekte zeigten. Allerdings war der Ver­gleich durch große Unterschiede in Be­

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Leitthema

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zug auf Inhalt (z. B. Bewegungsübungen, Entspannung, Schmerzbewältigung, Bio­feedback), Methoden (z. B. Gruppen­ vs. Einzelprogrammen oder Broschüren) und Organisation (Laien­ oder professio­nelle Trainer, Teilnehmerzahl, Sitzungs­dauer) erschwert.

Die Selbstwirksamkeit in Bezug auf Schmerzen ist bei RA­Patienten ein wich­tiger Prädiktor des Gesundheitszustands nach zwei Jahren [31].

Bisher liegen nur wenige Untersu­chungen über die Effekte der Patienten­schulung für Patienten mit ankylosie-render Spondylitis vor, Metaanalysen feh­len. Rehfisch u. Basler [51] konnten zei­gen das ein kognitiv­verhaltenstherapeu­tisches Schmerzbewältigungsprogramm mit 12 Sitzungen im Vergleich zu einer Kontrollgruppe eine signifikante Vermin­derung von Schmerzen, der Beeinträch­tigung durch Schmerzen, der Angst und der Schlafstörungen bewirkte.

Barlow et al. [2] untersuchten den Ein­fluss einer 12­stündigen (zweitägigen) Pa­tientenschulung an 24 Patienten mit AS im Vergleich zu einer Kontrollgruppe (n=28) von Patienten auf der Wartelis­te. Die Interventionsgruppe zeigte sechs Monate später im Vergleich zur Kontroll­gruppe niedrigere Werte für Depressivität und eine Besserung der allgemeinen und symptomorientierten Selbstwirksamkeit.

Ein multimodales Patientenschulungs­programm wurde in einer kontrollierten, quasi randomisierten Studien an drei Re­habilitationskliniken evaluiert [15]. Insge­samt 124 Patienten der Interventionsgrup­pe und 108 Kontrollpatienten ohne Schu­lung wurden zu Beginn, am Ende des Kli­nikaufenthaltes sowie 6 und 12 Monate danach untersucht. Verglichen mit der Kontrollgruppe zeigte die Interventions­gruppe einen deutlichen und anhaltenden Anstieg des Krankheitswissens. Am Ende der Rehabilitation war die Selbstwirksam­keit in beiden Gruppen angestiegen. Die geschulten Patienten waren auch ein Jahr nach der Intervention noch auf demselben Niveau, während die Kontrollgruppe nach einem halben und einem Jahr wieder bei den Ausgangswerten lag. Eine ähnliche Entwicklung konnte für die Funktionska­pazität gezeigt werden: In der Gruppe der geschulten Patienten kam es im Jahr nach der Patentenschulung im Vergleich zum

Zusammenfassung · Abstract

Z Rheumatol 2008 · 67:199–205 DOI 10.1007/s00393-008-0279-4© Springer Medizin Verlag 2008

E. Genth

Patientenschulung in der Rheumatologie – eine Übersicht

ZusammenfassungPatientenschulung ist eine Intervention mit dem Ziel, Krankheitswissen, Selbstwirksam-keit, Selbstmanagement und Nutzungsver-halten von Gesundheitsleistungen von chro-nisch Kranken zu verbessern. Dadurch sol-len Symptome und Krankheitsfolgen sowie Störungen der sozialen Teilhabe vermindert werden. Dargestellt werden die lerntheore-tischen Konzepte und Grundlagen der Wirk-samkeit von Patientenschulungen und ih-re verschiedenen Formen. Es wird über Er-gebnisse von Untersuchungen zur Wirksam-keit in Bezug auf Krankheitswissen, Selbst-wirksamkeit, Gesundheitsverhalten, sowie andere psychosoziale und insbesondere krankheitstypische Outcomes berichtet, ein-schließlich gesundheitsökonomischer Ana-lysen. Die Mehrzahl der Studien ergab signi-fikante und relevante Verbesserungen im kognitiven und psychosozialen Bereich bei meist geringer Effektstärke und -dauer in Be-zug auf krankheitstypische Outcomes. Gute

Ergebnisse wurden besonders von Program-men beobachtet, die mit verschiedenen For-men körperlichen Trainings und anderen Re-habilitationsmaßnahmen kombiniert waren. Gesundheitsökonomisch sind vor allem Ver-änderungen im Nutzungsverhalten von Ge-sundheitsleistungen und in der Verminde-rung von Arbeitsunfähigkeit bedeutsam. Für die Zukunft ist ein besseres Verständnis des Schulungs- und Informationsbedarfs der Pa-tienten und der Ausgangscharakteristika er-forderlich, um gezieltere, von kognitiv-ver-haltensorientierten Prinzipien geleitete Inter-ventionen zu entwickeln. Dabei wird es we-sentlich sein, geeignete Messinstrumente zu erzeugen und sich auf Outcomes zu fokussie-ren, die von Patientenschulung nutzvoll ver-ändert werden können.

SchlüsselwörterPatientenschulung · Rheumatische Krank-heiten · Wirksamkeit · Kosten-Nutzen-Analyse

Patient education in rheumatologic care – a review

AbstractPatient education is a medical interven-tion for patients with chronic diseases to in-crease knowledge of their disease, self-effi-cacy, self-management and consumer be-haviour. The goal is to improve their disease outcome, social participation and quality of life. This article reviews concepts, modali-ties and knowledge on effectiveness of pa-tient education. The results of different stud-ies in different rheumatic diseases on efficacy will be summarized including a small num-ber of cost-benefit analyses. Most studies re-port on significant and relevant improve-ments of knowledge, self-efficacy and health status. With respect to disease specific out-comes low to moderate effect sizes with a

short duration have been observed. Espe-cially good results have been reported when physical training or other methods of rehabil-itation were included. There are marked im-provements in consumer behaviour of health measures and sickness leave. A better under-standing of information needs and baseline characteristics of patients is necessary to de-velop more appropriate educational inter-ventions focussed on relevant outcomes that can be improved by educational measures.

KeywordsPatient education · Rheumatic diseases · Efficacy · Cost-benefit analysis

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Vorjahr zu einer signifikanten Rückgang der Arbeitsunfähigkeitstage, während sich in der Kontrollgruppe die Dauer der Ar­beitsunfähigkeit nicht änderte.

Eine englische Studie [15, 56] unter­suchte den Effekt einer zuhause durchge­führten Selbstinstruktion mit angeleiteten Übungen vermittelt durch ein Übungsvi­deo, eine Übungsdokumentation, eine Pa­tientenschulungsbroschüre und Erinne­rungssticker für Übungen. Funktion (BAS­FI), Krankheitsaktivität (BASDAI) und Gesamturteil (BAS­G), die Selbstwirksam­keit in Bezug auf Übungen und Arthritis­symptome und der Umfang der Übungen wurde nach 6 Monaten im Vergleich zum Ausgangswert erfasst. Die Interventions­gruppe (n=75) verbesserte im Vergleich zur Kontrollgruppe (n=80) signifikant ihre Selbstwirksamkeit und Intensität in Bezug auf Übungen, schätzte ihre Beweglichkeit als deutlich gebessert ein und zeigte einen Trend zur Verbesserung des BASFI, wäh­rend die Werte für Schmerzen und Krank­heitsaktivität sich nicht veränderten.

Nur wenige Studien zur Wirksamkeit edukativer Maßnahmen beim SLE veröf­fentlicht. Eine Studie aus Deutschland [24] untersuchte an 34 SLE­Patienten (Grup­pen von 8 Patienten in 18 Sitzungen über ein halbes Jahr) verglichen mit 8 Patienten auf der Warteliste den Effekt von Schu­lung über spezifische Probleme des SLE in Kombination mit psychoedukativen und psychotherapeutischen Elementen. Die Patienten der Interventionsgruppe zeigten nach 6 Monaten signifikante Besserungen in Bezug auf Depression, Angst und psy­chischer Belastung. Positive Effekte zu ko­gnitiven und psychischen Outcomes wur­den auch aus der Evaluation des SLE­Schu­lungsprogramms der Deutschen Gesell­schaft für Rheumatologie [58] sowie aus einer randomisierten kontrollierten Stu­die aus den USA [28] mittels Partnerun­terstützung in Bezug auf Selbstwirksam­keit und psychische Gesundheit berichtet.

Die Evaluation des Schulungspro­gramms aus Lübeck/Bad Bramstedt für Patienten mit primär systemischerVaskuli-tis ergab signifikante Verbesserungen von Krankheitswissen und gesundheitsbezo­gener Lebensqualität [27].

Eine Metaanalyse zur Wirksamkeit von Patientenschulung bei Arthrose der Knie­gelenke wurde anhand von 16 kontrollier­

ten Studien mit Übungs­ und/oder Selbst­management­Interventionen veröffentli­cht [14]. Übungsmaßnahmen führten zu einer signifikanten Verbesserung der phy­sischen, nicht jedoch der psychischen Ge­sundheit. Selbstmanagementmaßnahmen erreichten Verbesserungen nur in Bezug auf psychologische Outcomes. Metaana­lysen [48] über die Effekte des Stanford AMSP (Arthritis Self­Management Pro­gram) zufolge konnten keine oder nur geringe Wirkungen auf Schmerzen oder körperliche Behinderung beobachtet wer­den. In Australien ist aktuell eine landes­weite bevölkerungsbasierte Studie zum AMSP in Gange, die in einer realitäts­nahen Untersuchung unter Vermeidung methodischer Nachteile früherer Studien den Nutzen dieses Programms in Bezug auf seine Ziele reevaluiert.

Patientenschulung ist Teil zahlreicher multimodaler Therapiekonzepte der Fibromyalgie zur Verbesserung des Selbst­managements [8, 12, 21, 23, 29, 30, 36]. Me­taanalysen der zahlreichen Studien liegen bisher nicht vor. Die Mehrzahl der kont­rollierten Untersuchungen mit unter­schiedlichen Schulungskonzepten betont den Einfluss der Selbstwirksamkeit in Be­zug auf Schmerzen und körperliche Akti­vität für den weiteren Verlauf.

Der Effekt eines 6­wöchigen Selbst­management­Kurses mit und ohne kör­perliches Training wurde von Burckhardt et al. [11] in einem am Vorher­nachher­Vergleich untersucht. Die Selbstwirksam­keit zu Beginn hatte eine signifikant po­sitive Auswirkung auf die Selbstwirksam­keit und die Lebensqualität am Ende des Kurses. Hilflosigkeit, die Anzahl von Tagen mit schlechtem Befinden, körperliche Ein­schränkungen, und Schmerzen im Bereich der Tender Points reduzierten sich signifi­kant in einer oder beiden der Behandlungs­gruppen 6 Wochen nach Ende des Kurses. Eine Verlaufsuntersuchung an 67 behan­delten Patienten zeigte signifikant positive Veränderungen in der Gruppe mit körper­lichem Training: 87% gaben an, mindestens 3­mal wöchentlich 20 Minuten zu trainie­ren, 46% sagten, dass sie ihre Übungsinten­sität seit der Teilnahme am Kurs erhöhten, 70% berichteten, Entspannungstechniken nach Bedarf durchzuführen und 46% ar­beiteten mindestens halbtags im Vergleich zu 37% vor Kursbeginn.

Buckelew et al. [7] konnten nachwei­sen, dass die Selbstwirksamkeit vor der In­tervention ein Prädiktor der körperlichen Aktivität und der Selbstwirksamkeit nach der Intervention ist in Bezug auf physische Aktivität. Besserung der Selbstwirksam­keit war mit einer Besserung des Tender­Point­Indexes, des Schweregrads der Er­krankung und der Schmerzen assoziiert. Zu ähnlichen Ergebnissen kamen Lomi et al. [38]. Mehrere kontrollierte Studi­en [12, 23] zeigten, dass die Kombination von Patientenschulung mit Übungen und/oder Ausdauertraining auch noch nach 6 Monaten eine Besserung von Schmerzen, Müdigkeit, Selbstwirksamkeit sowie an­derer psychischer und physischer Outco­mes bewirkten.

Kontrollierte Studien zu den Effek­ten von Patientenschulung bei Osteoporo-se fehlen. In den DVO­Leitlinien gibt es hierzu keine Empfehlungen. Information und Beratung erhöht die Compliance für die medikamentöse antiosteoporotische Therapie [20].

Schulungsprogramme wurden auch für bestimmte Interventionen durchge­führt, z. B. Einsatz von Bisphosphona­ten [19] oder der Hormonersatzthera­pie [53] in der Osteoporosebehandlung, mit Verbesserung der Compliance. Pati­enten mit erheblicher Ängstlichkeit oder Behinderung vor operativem Gelenker­satz oder eingeschränkter sozialer Unter­stützung haben einen deutlichen Nutzen von Schulungs­ und Übungsprogrammen [46]. Schulungen für physiotherapeu­tische und ergotherapeutische Übungs­programme sind oft Teil multimodaler Interventionen.

Gesundheitsökono-mische Analysen

Der Nachweis der Wirksamkeit von In­formations­ und Schulungskonzepten gewinnt in der aktuellen Diskussion um Wirtschaftlichkeit und Kosten­Nutzen­Relation weitere Bedeutung. Es wird er­wartet, dass informierte oder geschulte Patienten durch ihren Eigenanteil in der Langzeitversorgung sowohl zur Verbesse­rung ihres Gesundheitszustands als auch durch eine kompetentere Nutzung der Ressourcen des Gesundheitssystems zur Kostendämpfung beitragen können.

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Leitthema

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EDer gesundheitsökonomische Nutzen von Patientenschulung bei rheumatischen Krankheiten wurde in mehreren kontrollierten Studien nachgewiesen.

Obwohl die Zahl derartiger Untersu­chungen noch gering ist, sprechen die Er­gebnisse für positive Effekte in Bezug auf eine verminderte Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen als auch in Bezug auf die indirekten Kosten durch Arbeits­unfähigkeit.

Eine erste Kosten­Nutzen­ Analyse wurde von Lorig et al. [40] veröffentlich. In einer Fall­Kontroll­Studie bei nicht statio­nären Patienten mit RA wurde gezeigt, dass über einen Zeitraum von 4 Jahren 647 US­$ pro geschultem Patienten gespart werden konnten. Die Anzahl der Arztbesuche war während der 20­monatigen Nachbeobach­tung um 35% reduziert [41].

Die gesundheitsökonomische Evalua­tion eines Patientenschulungsprogramms für Patienten mit AS [33], das im Rahmen einer stationären Rehabilitation durchge­führt wurde, ergab in einer randomisier­ten kontrollierten prospektiven Multicen­ter­Studie bei Kosten von 117–186 EUR für die Schulung eine Reduktion der in­direkten Kosten von etwa 2500 EUR. Die Arbeitsunfähigkeitstage reduzierten sich bei geschulten Patienten von 5,4 Wochen pro Jahr vor der Rehabilitation auf 3,2 Wo­chen im Jahr danach.

Bei Patienten mit Knie- oder Hüft-arthrose konnte eine amerikanische kont­rollierte Studie zeigten, dass soziale Un­terstützung und/oder Schulung in der ge­eigneten Nutzung von Gesundheitsleis­tungen zu einer Reduktion der Kosten für das Gesundheitssystem durch die Arthro­se um 1279 US­$ pro Jahr während einer 3­jährigen Beobachtungsphase führte, ob­wohl keine Effekte auf den Gesundheits­zustand der Betroffenen zu messen waren [13]. Eine große australische Multicenter­Studie zur Wirksamkeit und Kosten­Effi­zienz des Stanford ASMP ist zur Zeit im Gange [48].

Eine Studie bei 131 Patienten mit FMS untersuchte Wirkung und Kosten einer multiprofessionell über 6 Wochen (2 hal­be Tage pro Woche) durchgeführten Pati­entenschulung ohne/mit kognitiver The­rapie im Vergleich zu einer Gruppe auf

der Warteliste. Beide Interventionsgrup­pen waren nach 6 Wochen wirksamer als die Vergleichsgruppe; die zusätzliche kognitive Therapie war nicht wirksamer als Patientenschulung allein. In den fol­genden 12 Monaten waren die direkten (498 vs. 1206 US­$) und indirekten (1159 vs. 2074 US­$) Kosten in der Schulungs­gruppe ohne kognitiv­psychologische In­tervention signifikant niedriger [22] als in der Vergleichsgruppe.

Für Schulungsprogramme bei SLE, systemischer Sklerose, Vaskulitiden und Osteoporose liegen bisher keine gesund­heitsökonomischen Analysen vor.

Qualitätssicherung

Qualität und Standards der Patienten­schulung wurden nach Empfehlungen von wissenschaftlichen Fachgesell­schaften und Gremien in den USA [61], in Deutschland [34] und in anderen Län­dern definiert.

Die meisten Schulungskonzepte haben eine curriculare Struktur [34, 57]. Sie um­fasst Lernziele, Inhalte und Didaktik. Die interaktive Einbeziehung des Patienten und ein patientenorientiertes Vorgehen sind wesentliche Elemente. Einheitlich wird in den Qualitätskriterien verschie­dener Fachgesellschaften gefordert, dass Patentenschulungen sich an den Anfor­derungen der Patienten orientieren. Dies setzt eine Problemanalyse unter Einbe­ziehung der Betroffenen bei der Entwick­lung von Schulungsprogrammen voraus und patientenorientierte Schwerpunktset­zungen und interaktive Vorgehensweise in der Durchführung. Unterschiedliche Ele­mente wie Brainstorming, Erfahrungs­austausch zu Fragen von Krankheit und Therapie unter den Betroffenen, Diskussi­onsrunden, Kurzvorträge und Lernen am Modell fördern die Lernerfahrung. Das Curriculum soll sicherstellen, dass die In­halte unter Berücksichtigung lernpsycho­logischer Grundlagen adäquat vermittelt werden, dass motivationale Lernprozesse gefördert werden. Das Curriculum soll helfen, effektive Kommunikations­ und Beratungsstrategien einzusetzen, professi­onelle Schulung und Trainingsmethoden auch auf weniger erfahrene Schulungs­kräfte zu übertragen und Transparenz im Schulungsteam herzustellen.

Page 7: Patientenschulung in der Rheumatologie – eine Übersicht

Für die Qualitätssicherung der rheu­matologischen Patientenschulung wur­den von der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie Standards entwickelt [34] und kürzlich überarbeitet. Es sind Rah­menstandards für die Entwicklung von Schulungsprogrammen in der Rheuma­tologie. Sie definieren die primären und sekundäre Schulungsziele und die Merk­male von Struktur­, Prozess­ und Ergeb­nisqualität für die Durchführung der Schulungsprogramme. Diese Standards sind Grundlage der Zertifizierung von Schulungsprogrammen, Trainern und Schulungseinrichtungen. Die Patienten­schulung nach diesen Qualitätsanforde­rungen beinhaltet eine intensive Rück­kopplung zwischen Gruppenleiter und Seminarteilnehmern, den Erfahrungs­austausch der einzelnen Mitglieder des Schulungsteams untereinander und die Möglichkeit der gezielten individuellen Intervention bei denjenigen Patienten, bei denen Hinweise auf die genannten Probleme bestehen. Wesentliches Ele­ment der Qualitätssicherung von rheu­matologischer Patientenschulung ist die Bewertung der Schulung durch die Teil­nehmer.

Ausblick

Für die Zukunft ist ein besseres Verständ­nis des Schulungs­ und Informationsbe­darfs der Patienten und der Ausgangscha­rakteristika erfolgreicher Schulungen er­forderlich, um gezieltere, von kognitiv­verhaltensorientierten Prinzipien geleite­te Interventionen zu entwickeln. Es soll­te näher untersucht werden, welche Pati­enten besonders von der Patientenschu­lung profitieren, welche Komponenten von Schulungsprogrammen besonders wirksam sind und wie die Effekte von Schulungsprogrammen verstärkt und ver­stetigt werden können. Dabei wird es we­sentlich sein, geeignete Messinstrumente zu erzeugen und sich auf relevante Out­comes zu fokussieren, die von Patienten­schulung nutzbringend verändert werden können. Studiendesigns, Assessments und Outcomes sollten in einem Konsen­susprozess definiert werden. Neben den Outcomes für klinische Studien und re­levanten psychosozialen Outcomes, soll­ten auch Outcomes der sozialen Partizi­

pation und der Lebensqualität gemessen werden.

Es ist zu erwarten, dass hierdurch Pro­blemorientierung, Wirksamkeit und Effi­zienz edukativer Maßnahmen weiter ver­bessert werden können.

KorrespondenzadresseProf. Dr. E. GenthRheumaklinik und Rheumaforschungsinstitut AachenBurtscheider Markt 24, 52066 [email protected]

Interessenkonflikt. Der korrespondierende Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

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205Zeitschrift für Rheumatologie 3 · 2008  |