Transparenz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Paul Kirchhof Nomos

Paul Kirchhof Transparenz des öffentlich-rechtlichen · PDF file am 20.09.2017, 10:23:03 Open Access - - Die Deutsche Nationalbibliothek

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Transparenz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks

Paul Kirchhof

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Paul Kirchhof

Transparenz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks

Nomos

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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

ISBN 978-3-8487-4344-5 (Print)ISBN 978-3-8452-8568-9 (ePDF)

1. Auflage 2017© Nomos Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 2017. Gedruckt in Deutschland. Alle Rechte, auch die des Nachdrucks von Auszügen, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, vorbehalten. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

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Vorwort

Wenn unsere Gesellschaft das offene Gespräch sucht, der Staat für seineBürger sichtbar, verständlich und verantwortlich sein will, ist Transparenzdas Schlüsselwort, das Türen und Archive öffnet, die Allgemeinheit an-spricht, Kritik und Mitentscheidung ermöglicht. Doch der Zauber des Le-bens ist das Geheimnis, das Privat- und Intimsphären abschirmt, das ge-flüsterte Wort, den persönlichen Brief, den individuellen Rat dem Adres-saten vorbehält, die Vertraulichkeit von Amt, Geschäft und Computerschützt. Der Mensch will nicht nur wissen, sondern auch staunen, überra-schen, den Reiz des unverhofften Augenblicks genießen.

Das Grundrecht auf Informationsfreiheit sichert den Zugriff auf allge-mein zugängliche Quellen, erschließt nicht neue Informationsquellen. Her-kömmlich darf der Mensch vom Staat Auskunft und Akteneinsicht verlan-gen, wenn er in eigenen Rechten und Interessen betroffen ist. Der demo-kratische Bürger sucht durch Kenntnis staatlichen Handelns und Planensseine Urteilskraft zu stärken. Antragsteller und Bewerber fragen nach denGründen für staatliches Entscheiden. Die Staatsgewalten arbeiten durchInformation, Verfahrensbeteiligung und Mitentscheidung zusammen, le-gen einander Rechenschaft ab. Information ist Grundlage für Rechtlich-keit, Teilhabe, Vertrauen.

Die Medien sind Informationsmittler, weniger Informationsschuldner.Ihr Auftrag ist die öffentliche Information, ihr Instrument das veröffent-lichte Wort und Bild, ihr Erfolg die allgemein zugängliche Informations-quelle. In dieser Medienwelt hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk denAuftrag, unabhängig von Staat und Wirtschaft für die Vielfalt und Offen-heit der Informationen zu sorgen, in seinem Programm die Lebenssichten,Lebenserfahrungen und Wertungen der Gesellschaft widerzuspiegeln, dendemokratischen Bürger in seiner Urteilskraft zu stärken, in Staat und Ge-sellschaft zu integrieren.

Öffentlich-rechtlicher Rundfunk und private Medien haben in den ver-gangenen Jahrzehnten ein gutes Nebeneinander gefunden. Das jeweiligeMedium unterrichtet, kommentiert und unterhält auf seine Art. Doch nun-mehr verändert die Digitaltechnik die Medienlandschaft. Alle drängen indie neuen Formen der Publikation, der Gemeinschaftsbildung, der Wer-bung und Lenkung, des Wissens und Beobachtens. Medien fühlen sich in

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einem Verdrängungswettbewerb, suchen in dieser Konkurrenz mit demInstrument des Rechts Zugang und Ausschluss zu steuern, entdecken dieTransparenz, um eigene Rechte zu definieren und den anderen in rechtli-che Schranken zu weisen. Hinzu treten Informationsfreiheitsgesetze desBundes und der Länder, die – unabhängig von der Betroffenheit in eigenenRechten – Informationsansprüche gegen staatliche Behörden begründen.Dabei scheinen diese Gesetze auch den öffentlich-rechtlichen Rundfunkwegen seines Status als öffentlich-rechtliche Anstalt zu Auskunft und Ak-teneinsicht zu verpflichten, nehmen dann allerdings den Informationsan-spruch durch weitreichende Ausnahmen wieder zurück. Schließlich erwar-tet das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zu den Auf-sichtsgremien des ZDF vom Gesetzgeber, dass er in den Gremien einenAusgleich zwischen dem Grundsatz der Öffentlichkeit der Rundfunkauf-sicht und den Vertraulichkeitserfordernissen einer sachangemessenen Gre-mienarbeit herstellen wird.

In dieser Ausgangslage ist es geboten, die Tatbestände von Transparenzund Vertraulichkeit in ihrer Bedeutung für das Rundfunkwesen neu zu be-denken. Die vorliegende Schrift unternimmt den Versuch, in der öffentli-chen Debatte über Auftrag, Maßstäbe und Qualität des öffentlich-rechtli-chen Rundfunks die verfassungsrechtlichen Vorgaben bewusst zu machenund ihre Ausgestaltung in Gesetz und Vertrag zu Leitgedanken zu verdich-ten. Diese rechtswissenschaftliche Arbeit mag auch dazu beitragen, denErneuerungswillen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Ziel und regel-bildender Kraft zu stärken.

Die Studie ist aus einem Gutachten hervorgegangen, das ich im Auftragdes Mitteldeutschen Rundfunks erstattet habe.

Heidelberg, im Juni 2017 Paul Kirchhof

Vorwort

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Inhaltsverzeichnis

Ergebnisse 11

Transparenz und FreiheitI. 20

Transparenz – Sammelbegriff für unterschiedlicheRechtsgedanken

1.20

Kein Begriff des Grundgesetzesa. 20Verpflichteter, Berechtigter, Ziel der Transparenzb. 22

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk als Transparenzmittler2. 23Grundsätzlich informationsberechtigt, nichtinformationspflichtig

a.23

Rundfunk und Rundfunkmitarbeiter sindfreiheitsberechtigt

b.24

Keine durch spezielle Transparenzpflichten geminderteRundfunkfreiheit

c.25

BVerfG: Transparenz und Vertraulichkeit derRundfunkaufsicht

d.26

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Distanz zu Staatund Markt

3.28

Transparenz der RundfunkfinanzierungII. 32

Die Einnahmen1. 32Das individuelle Leistungsentgelta. 32Die Werbefinanzierungb. 33Der Rundfunkbeitragc. 35

Die Ausgaben2. 36Grundsatz: Parlamentstransparenza. 36Rundfunkeigene Transparenzb. 37

Zweckgebundene, autonomiestärkende Beiträgeaa) 37Beitrag von großer Allgemeinheit, aber keineSteuer

bb)38

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Die Transparenz des RundfunksIII. 41

Das Programmangebot1. 41Rundfunkorganisation2. 41Die KEF3. 44Kontrolle durch die Rechnungshöfe4. 46

Kontrollzuständigkeit der Rechnungshöfea. 46Die Praxis der Rechnungsprüfungb. 48

Ergebnis5. 50

Informationsfreiheit und rundfunkgerechte TransparenzIV. 52

Das Grundrecht auf Information (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG)1. 52Recht auf Informationsbeschaffung, nicht aufbesondere Informationsquellen

a.52

Die Information als „Rohstoff“ derInformationsgesellschaft

b.53

Die Medien sind informationsberechtigt, nichtinformationsverpflichtet

c.54

Die Informationsfreiheitsgesetze2. 55Voraussetzungsloser Anspruch auf Informationszuganga. 55Abwägung von Informationszugang undVertraulichkeitsrechten

b.56

Informationszugang „gegenüber den Behörden“c. 58Unterschiede in Geltung und Rundfunkvorbehaltend. 61Der öffentlich-rechtliche Rundfunk als informierenderGrundrechtsträger

e.63

Gemeinsame Länderregelung für länderübergreifendeAnstalten

f.65

Transparenz je nach RundfunktätigkeitV. 68

Transparenz als entwicklungsoffener Begriff1. 68Informationsauftrag und sonstige Tätigkeit des Rundfunks2. 69

Die staatsrechtliche Aufgabe prägt die gesamteTätigkeit des Rundfunks

a.70

AEUV: Dienstleistungen von allgemeinemwirtschaftlichen Interesse

b.75

Inhaltsverzeichnis

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Rundfunkauftrag und Wettbewerbsrechtc. 77Bundeswettbewerbsrecht und Landesrundfunkrechtaa) 77Journalistisch-redaktionelle und kommerzielleTätigkeit des Rundfunks

bb)79

Konkurrenz von öffentlichem und privatemRundfunk

cc)82

Aktuelle EinzelfolgerungenVI. 84

Selbstvergewisserung und Selbstdarstellung desRundfunks

1.84

Gehälter und Honorare2. 85Verantwortlichkeit für Tochterunternehmen3. 87Rundfunknachfrage am allgemeinen Markt4. 90

Nachfrage nach Gütern des Unternehmensbedarfsa. 90Vergabe von Rundfunkaufträgenb. 90

Erwerb von Rundfunkrechten in Konkurrenz zu privatenUnternehmen

5.91

Wettbewerbsverzerrung durch Transparenza. 91Formen zusätzlicher Transparenzb. 92Monopolangebote von Senderechtenc. 92

Großereignisseaa) 92Die Kurzberichterstattungbb) 95Rechtzeitiger Rechtsschutzcc) 96

Vertraulichkeit und Öffentlichkeit derRundfunkorganisation

6.98

Transparenz im Dienst der Rundfunkfreiheita. 98Sitzungsöffentlichkeit, Tagesordnungen, Protokolleb. 100Besondere Informationsansprüche rechtlichBetroffener

c.101

Überschreiten der rechtlichen Grenzen fürRundfunktätigkeit

d.103

Schutz der Vertragspartnere. 103Transparenz als Differenzierungsauftrag7. 104

Inhaltsverzeichnis

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ProgrammtransparenzVII. 106

Leitlinien und programmatische Selbstvergewisserung1. 106Transparenz nach außena. 106Innere Transparenzb. 107

Vertrauensbildung2. 109

Inhaltsverzeichnis

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Ergebnisse

Transparenz als rechtspolitischer Sammelbegriff

1. Transparenz ist kein Tatbestand des Grundgesetzes, sondern ein rechts-politischer Sammelbegriff, der vom Staat mehr Öffentlichkeit, Rechen-schaft, Mitwissen und Mitgestalten, auch Mitentscheiden fordert. DasRecht entspricht diesem Anliegen je nach Lebensbereich – „bereichsspezi-fisch“ – unterschiedlich durch Gewaltenteilung, Zusammenwirken bei derKompetenzwahrnehmung, Unterrichtungspflichten, Mitentscheidungsvor-behalte, Rechenschafts- und Rechnungslegungspflichten, Öffentlichkeit,Verfahrensbeteiligungen, Informationsansprüche und individuelle Zustim-mungsvorbehalte.

2. Das Gegenprinzip ist das Geheimnis. Der Staat beansprucht einen Ei-genbereich internen Beratens und Entscheidens, kennt Regeln des Amts-geheimnisses, des Beratungsgeheimnisses und der Vertraulichkeit, unter-scheidet zwischen öffentlichen und nichtöffentlichen Verhandlungen,braucht einen Raum des unbeobachteten Begegnens und Austauschens.Der Staat ist zur Achtung der individuellen Persönlichkeit und Privatsphä-re verpflichtet, achtet ein Recht auf informationelle Selbstbestimmung,Berufs- und Geschäftsgeheimnisse, das Brief-, Post- und Fernmeldege-heimnis, neuerdings auch das Computergeheimnis, respektiert die Indivi-dualität des Einzelnen, der sich selbstbestimmt in der Öffentlichkeit zei-gen oder verbergen will.

3. Das BVerfG fordert für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk – dort:die Aufsichtsgremien des ZDF – jedenfalls „ein Mindestmaß an Transpa-renz“. Der Gesetzgeber habe dafür Sorge zu tragen, dass in den Gremiender Rundfunkanstalten ein Ausgleich zwischen dem Grundsatz der Öffent-lichkeit der Rundfunkaufsicht und den Vertraulichkeitserfordernissen einersachangemessenen Gremienarbeit hergestellt werde. Öffentlichkeit könnedie Mitglieder der Aufsichtsgremien von intransparenter und unsachlicherEinflussnahme bewahren, das Handeln und den Einfluss der staatlichenund staatsnahen Mitglieder in den Rundfunkgremien für Öffentlichkeitund Gesetzgeber erkennbar machen, Tendenzen von Machtmissbrauchoder Vereinnahmung durch Partikularinteressen in den auf gesellschaftli-che Vielfalt angelegten Aufsichtsgremien frühzeitig entgegenwirken. Al-

I.

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lerdings kann Transparenz auch Informationsgrundlage für sachfremdeEinflussnahme sein.

Der Rundfunk als freiheitsberechtigter Transparenzmittler

4. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist in seinem Programm- und Sen-deauftrag wie kaum ein anderes Unternehmen auf Transparenz angelegt.Er ist Transparenzmittler. Gegenstand dieser Transparenz sind die Ge-schehnisse der Welt, nicht der Rundfunk selbst. Sein Produkt ist die öffent-liche Sendung, seine Handlungsform das Veröffentlichen, sein Auftrag daseigenverantwortliche Unterrichten, Kommentieren, Unterhalten.

5. Die Konkurrenz zwischen verschiedenen Rundfunkanbietern im dua-len System und der Wettbewerb zwischen Rundfunkanstalten und privatenUnternehmen um Programme, Rechte, Mitwirkende darf nicht dadurchverfälscht werden, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk für seine Kon-kurrenten in allen Phasen seines Wirkens – von der Programmentwicklungbis zum Senden – transparent sein müsste. Zur Rundfunkfreiheit gehörtauch das Recht, autonom über das Ob und Wann einer Publikation zu ent-scheiden. Im Wettbewerb unter Medien hat das Recht auf gleiche Medien-freiheit für jeden Berechtigten auch einen den Medienmarkt bestimmen-den Gleichheitsgehalt.

Transparenz der öffentlichen Rundfunkfinanzierung

6. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat eine inhaltliche Programmviel-falt anzubieten, wie sie allein über den freien Markt nicht erreichbar wäre.Deshalb wird er durch eine öffentliche Abgabe finanziert. Der Rundfunk-beitrag befähigt ihn, „unabhängig von Einschaltquoten und Werbeaufträ-gen“ ein Programm anzubieten, „das den verfassungsrechtlichen Anforde-rungen gegenständlicher und meinungsmäßiger Vielfalt entspricht“(BVerfG). Die Beitragsfinanzierung ist also ein Instrument, um die Rund-funkfreiheit zu sichern, nicht um den Rundfunk einem besonderen Ein-fluss von Öffentlichkeit oder Konkurrenten zu unterwerfen.

7. Der Übergang von der geräteabhängigen Rundfunkabgabe zum woh-nungs- und betriebsbezogenen Rundfunkbeitrag hat die Transparenz derRundfunkfinanzierung wesentlich erhöht. Beitragstatbestand ist nichtmehr das einzelne Rundfunkgerät (das nicht selten vor dem Recht verbor-

II.

III.

Ergebnisse

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gen worden ist,) sondern ein Rundfunkbeitrag, der nach den ersichtlichenTatbeständen von Wohnung und Gewerbebetrieb erhoben wird. Die Bei-tragsforderung knüpft an den Ort der üblichen Nutzung an – unabhängigvon der Vielfalt der heute üblichen Empfangsgeräte –, nicht an eine Wer-befinanzierung, die organisierte Intransparenz, die Sendungen nicht vonden Empfängern, sondern von den Käufern der beworbenen Produkte fi-nanzieren lässt. Der Rundfunkbeitrag sichert im Vergleich zum Leistungs-entgelt (Pay-TV) die für Jedermann erkennbare Unabhängigkeit von Ein-schaltquoten und Erwerbswirtschaft, erschließt auch den sozial Schwa-chen die Teilhabe an den Rundfunksendungen. Ermächtigungsgrundlagefür die Erhebung des Rundfunkbeitrags ist das in einem öffentlichen, par-lamentarischen Verfahren zustande gekommene Gesetz.

8. Das von einer Allgemeinheit erbrachte Abgabenaufkommen drängtauf öffentliche Kontrolle. Dieses Anliegen begründet aber keine individu-ellen Jedermannsansprüche auf Information über die Finanzwirtschafteiner Rundfunkanstalt, die in millionenfachen Auskunftsforderungen denRundfunk funktionsunfähig machen könnten. Sie würden auch, da sie al-lenfalls den öffentlich-rechtlichen Rundfunk verpflichteten, den konkur-rierenden Medien Auskunftsansprüche geben und damit die Gleichheit un-ter den Medienunternehmen verzerren. Die Kontrolle wird deshalb da-durch organisiert, dass der Rundfunkbeitrag von den Landesparlamentenin öffentlicher Debatte beschlossen wird, die Verwendung des Beitragsauf-kommens bei der Programmgestaltung und Rundfunkorganisation von denrundfunkinternen Aufsichtsorganen mitgestaltend überwacht, die Wirt-schaftlichkeit und Ordnungsgemäßheit der Haushaltsführung vom Rech-nungshof geprüft wird. Die KEF ermittelt den zukünftigen Finanzbedarfder Rundfunkanstalten und unterbreitet dem Gesetzgeber einen dement-sprechenden Vorschlag. Durch diese subtile Organisation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wird Rundfunkfreiheit ermöglicht und die Balancezwischen Finanzbedarf und Finanzwirtschaftlichkeit institutionell ge-wahrt. Die Informationsfreiheit gewinnt im beitragsfinanzierten Rund-funkprogramm eine allgemein zugängliche Quelle von besonderer gesell-schaftlicher Informationsvielfalt.

9. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist deswegen finanztransparenterals die privaten Wettbewerber. Die derzeit vermehrt erhobene Forderungnach Finanztransparenz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks dürfte eherauf die Reichweite des Rundfunkauftrags zielen, soll den Rundfunk insbe-sondere im Markt der digitalen Medienwelt in finanzielle Schranken wei-

Ergebnisse

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sen. Es geht um Strukturfragen, vielleicht um die Existenz des klassischenöffentlich-rechtlichen Rundfunks.

Informationsfreiheit und rundfunkgerechte Transparenz

10. Das Grundrecht der Informationsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) be-zieht sich nur auf „allgemein zugängliche Quellen“, gibt kein Recht aufEröffnung einer Informationsquelle (BVerfG). Die Medien sind informati-onsberechtigt, nicht informationsverpflichtet.

11. Die Informationsfreiheitsgesetze begründen einen Anspruch auf In-formationszugang (auf Akteneinsicht und Auskunft) für Jedermann,schränken dieses – von Selbstbetroffenheit und berechtigtem Interesse un-abhängig – Informationsrecht jedoch durch viele Vertraulichkeits- und Ge-heimschutzvorbehalte ein. Die Informationsfreiheitsgesetze haben deshalbpraktisch nicht die Wirkungen, die ihr Name verheißt.

12. Die Informationsfreiheitsgesetze verpflichten den Staat, innerhalbdes Staates Verwaltung und Regierung. Das Informationszugangsrecht be-steht „gegenüber den Behörden“. Deshalb ist schon zweifelhaft, ob deröffentlich-rechtliche Rundfunk, der auf Staatsferne angelegt ist, der nachÖffentlichem Recht handelnden Staatsverwaltung zugerechnet werden,deshalb Adressat dieser Informationsansprüche sein darf. Soweit die Län-der Informationsfreiheitsgesetze haben, setzen sie die Anwendung des In-formationsfreiheitsgesetzes voraus, nehmen aber die öffentlich-rechtlichenRundfunkanstalten oder die journalistisch-redaktionellen Informationenvom Anspruch des Informationszugangs aus, oder wenden das Freiheitsin-formationsgesetz auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nur insoweit an,als dieser Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt. Damit ist imErgebnis jedenfalls der öffentlich-rechtlich organisierte Kernbereich derRundfunkaufgabe vom Informationsfreiheitsgesetz ausgenommen. DerRundfunk bleibt informierender Grundrechtsträger. Wird er jenseits seinesRundfunkauftrags tätig, kann er bei der Verwaltungstätigkeit informations-pflichtig sein. Bei der erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit ist er nicht öffent-lich-rechtlich tätig, nicht Adressat der Informationspflicht.

13. Die unterschiedlichen Landesgesetze bieten den Mehrländeranstal-ten keinen einheitlichen Handlungs- und Aufsichtsmaßstab. Zudem wir-ken die in der ARD versammelten Rundfunkanstalten, aber auch die ARDund das ZDF bei der Erfüllung ihres Programm- und Sendeauftrags zu-

IV.

Ergebnisse

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sammen. Deshalb empfiehlt sich eine für alle Rundfunkanstalten inDeutschland geltende staatsvertragliche Regelung.

Informationsauftrag und sonstige Tätigkeit des Rundfunks

14. Das Staatsrecht, aber auch das Europarecht und das Wettbewerbsrechtfordern eine Unterscheidung zwischen der Erfüllung des Rundfunkauf-trags und der sonstigen Tätigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.Der Programmauftrag ist nach dem Grundgesetz unabhängig von den Ge-setzmäßigkeiten des Marktes zu erfüllen, prägt deshalb die Rundfunktätig-keit auch dann, wenn diese in Konkurrenz zu anderen Nachfragern Sport-rechte erwirbt, sich um Moderatoren, Kommentatoren und Experten be-müht, Sendeausstattungen und Sendungen erwirbt. Auch hier handelt dernicht auf Erwerb und Gewinn angelegte, sondern aus Beitragsaufkommenfinanzierte öffentlich-rechtliche Rundfunk nach seinem verfassungsrecht-lich definierten Programmauftrag, nicht nach Wettbewerbsrecht. Gemein-same Programme innerhalb der ARD oder von ARD und ZDF fordern einabgestimmtes Verhalten auf staatsrechtlicher Grundlage. Eine gesetzlicherschlossene Abgabenquelle und eine marktoffene Entgeltwirtschaft bil-den keinen Markt. Gemeinsame öffentlich-rechtliche Programmherstel-lung und Programmgestaltung bilden kein Kartell.

15. Das Recht der Europäischen Union errichtet einen Binnenmarkt,nimmt aber davon Unternehmen aus, „die mit Dienstleistungen von allge-meinem wirtschaftlichen Interesse“ betraut sind. Auf dieser Grundlage hatdas Unionsrecht die Befugnis der Mitgliedstaaten klargestellt, ihren Rund-funkanstalten Aufgaben im öffentlichen Interesse zu übertragen. Insbeson-dere für das Beihilferecht fordert es aber eine klare Trennung des „Be-reichs des öffentlichen Auftrags“ und des „kommerziellen Bereichs“.

16. Das Rundfunkrecht ist Gegenstand der Landesgesetzgebung. DerSchutz des wirtschaftlichen Wettbewerbs und das Kartellrecht sind Gegen-stand der Bundesgesetzgebung. Die Landesgesetzgebung hat einen vomWettbewerb unabhängigen Rundfunk geregelt. Der öffentlich-rechtlicheRundfunk ist von Anfang an nicht als privatwirtschaftlich, wettbewerblichtätiges Unternehmen konzipiert. Insoweit findet das Wettbewerbs- undKartellrecht keine Anwendung. Soweit der Rundfunk allerdings seinenRundfunkauftrag verlässt und erwerbswirtschaftlich tätig wird – er Film-rechte verkauft, Sendekapazitäten vermietet oder Leistungen des allgemei-

V.

Ergebnisse

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nen Unternehmensbedarfs nachfragt –, gelten die für Markt und Wettbe-werb verbindlichen allgemeinen Regeln.

17. Soweit im Rahmen des dualen Systems öffentlich-rechtliche Rund-funkanstalten und private Rundfunkunternehmen in faktischer Konkurrenzstehen, hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk zu gewährleisten, dass eineVerengung oder Einseitigkeit des privaten Sektors nicht zu einer Unausge-wogenheit des Gesamtangebotes führt, das die Ziele des Art. 5 Abs. 1 GGverfehlen würde (BVerfG). Deswegen gilt im Rahmen dieses Rundfunk-auftrags das Rundfunkrecht, nicht das Wettbewerbsrecht.

Aktuelle Einzelfragen

18. Im öffentlichen Dienst machen Besoldungsgesetze und Tarife Gehälterund Honorare allgemein transparent. Diese Ersichtlichkeit der Gehälterschützt vor Argwohn und Missdeutungen, vor Übertreibungsphantasienund vor realem Übermaß. Wenn Landesrundfunkanstalten die Vergütun-gen ihrer Intendanten und teilweise auch ihrer Direktoren veröffentlichthaben, sie im Übrigen dazu übergehen, das Entgeltgefüge für alle tarifli-chen und außertariflichen Mitarbeiter transparent zu machen, ist dieses einnaheliegender, vielleicht notwendiger Schritt kluger Öffentlichkeitspolitik.Weitere vertrauensbildende Schritte sollten klarstellen, dass die Rundfunk-freiheit tatsächlich der Meinungsvielfalt, der Offenheit für das Neue undAndere, nicht erwerbswirtschaftlichen Interessen dient. Deshalb muss je-der Rundfunkmitarbeiter seine Nebentätigkeit der Rundfunkanstalt offen-baren. Begründet die Nebentätigkeit Interessenkollisionen, muss dieRundfunkanstalt diese unterbinden.

19. Soweit der öffentlich-rechtliche Rundfunk Programmleistungen inandere juristische Personen ausgliedert, er aber an diesen Personen we-sentlich beteiligt ist oder rechtlich gesicherten Einfluss gewinnt, bleibt erfür die dortige Tätigkeit in gleicher Weise verantwortlich und rechen-schaftspflichtig wie für eigenes Handeln. Gliedert er Service-Leistungenaus den Rundfunkanstalten aus (Einkauf, Datenbanken, Honorarabwick-lung, IT-Systeme, Fuhrpark, Übertragungswagen, Reiseorganisation, Ar-chive), so entsprechen diese kostenwirksamen Maßnahmen üblichemMarktverhalten. Die rechtlichen Besonderheiten des Rundfunkauftragssind nicht berührt. Die Tochtergesellschaften sind aber auch nicht „Behör-de“ i.S.d. Informationsfreiheitsgesetzes. Steuerrechtliche Folgen – insbe-sondere der Umsatzsteuer – sind zu bedenken.

VI.

Ergebnisse

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20. Fragt der Rundfunk Leistungen des allgemeinen Unternehmensbe-darfs nach – Reinigung, Fuhrpark, Kantine, Grundstückserwerb, Bau undBetreuung von Gebäuden, Raummiete, Versicherungen, Sicherheitsdienste– gibt der Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks keinen Anlass,diese Nachfrage aus dem allgemeinen Wettbewerb auszunehmen.

21 Soweit Rundfunkanstalten in Erfüllung ihres journalistisch-pro-grammatischen Auftrags Aufträge vergeben – sich Programm kaufen oderproduzieren lassen, Vorarbeiten für eigene Rundfunkprogramme (Texte,Musik, Kulissen, Technik) vereinbaren, Programmmitwirkende gewinnen,oder sie die Begleitung, Auswertung und Kritik der Rundfunkprogrammezum Auftragsgegenstand machen –, prägt die Rundfunkfreiheit dieseWahrnehmung der Vertragsfreiheit. Soweit – wie in der Regel – Erträgeaus dem Aufkommen des Rundfunkbeitrags eingesetzt werden, folgen dieabgabenrechtlichen Transparenzvorschriften der Mittelverwendung.

22. Sollten Rundfunkmitarbeiter durch Korruption, Befangenheit oderParteilichkeit den Rundfunkauftrag verlassen, verlieren sie den Schutzihres rundfunkrechtlichen Status. Ein Informationsanspruch kann begrün-det sein, wenn Tatsachen vorgetragen werden, die den Verdacht einer der-artigen besonderen Gefährdungslage rechtfertigen.

23. Erwirbt der öffentlich-rechtliche Rundfunk Rundfunkrechte in Kon-kurrenz zu privaten Unternehmen, so setzt sowohl der Rundfunkauftragals auch das Wettbewerbsrecht – seine Anwendung unterstellt – der Infor-mation über Kaufbudgets, Entgeltbereitschaft und konkrete Kaufabsichtenklare Grenzen. Damit sind Formen zusätzlicher Transparenz – der Aus-weis von Gesamtbudgets, Kostengesamtvergleiche für bestimmte Sendety-pen, gruppenbezogene Quantifizierungen (z. B. Jugendsendungen, Ge-sundheitssendungen, Kultursendungen) nicht ausgeschlossen.

24. Die nationale Rundfunkgesetzgebung muss Monopolangeboten vonSenderechten entgegenwirken. Deshalb ist die Liste der „Großereignisse“regelmäßig zu überprüfen. Die freie – unverschlüsselte – und allgemeineErreichbarkeit der Sendungen von Großereignissen für Jedermann mussder Rechteinhaber „ermöglichen“. Der Rundfunkstaatsvertrag sollte dasRecht auf Berichterstattung auch für Veranstaltungen im Ausland begrün-den und über das bloße Zugangsrecht zum Veranstaltungsort zum Zweckeder Rundfunkberichterstattung erweitern. Es ist zu erwägen, in Anlehnungan Art. 15 AVMD-Richtlinie und § 5 Abs. 10 RStV einen Zugang zum Si-gnal des übertragenden Fernsehveranstalters einzuführen. Das Recht aufKurzberichterstattung muss gerichtlich häufig im Verfahren des Eilrechts-

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schutzes durchgesetzt werden, in dem dann die Rechtslage nicht nur sum-marisch, sondern abschließend geprüft wird (vgl. BVerfG).

25. Soweit bei der erwerbswirtschaftlichen Tätigkeit des RundfunksWettbewerbsrecht greift, gilt die Regel: Gleiche Transparenz für alle Wett-bewerber. Die Rundfunkfreiheit der Rundfunkanstalten darf nicht dadurchgeschwächt werden, dass Mitwettbewerber die Entscheidung der Rund-funkanstalten über das Ob und Wann der Information mitbestimmen.

Programmtransparenz

26. Die Forderung nach Rundfunktransparenz betrifft gegenwärtig weni-ger die Finanz- und Organisationtransparenz, sondern – neben der Aus-dehnung des Rundfunks in die Neuen Medien – die Programmtransparenz.Über die „Transparenz“ sollen Qualitätsmaßstäbe sichtbar, die Qualität derProgramme verbessert werden. Dies entspricht auch einem aktuellen An-liegen der Rundfunkanstalten.

27. Der Rundfunk muss seine Glaubwürdigkeit steigern, Vertrauen fes-tigen, freiheitsgerechte Maßstabssicherheit entwickeln. Bei jedem Pro-gramm ist Wort und Bild Auswahl, bestimmt von der Lebenssicht unddem Selbstverständnis des Auswählenden. Jede Information teilt Wirklich-keit mit und bewältigt Wirklichkeit. Vertrauen in den Rundfunk hat dieernste und ersichtliche Unparteilichkeit jedes Journalisten zum Funda-ment. Ein Vertrauensverlust hat seinen Ursprung nicht in einer Subjektivi-tät der Journalisten, sondern in einem Bezugshorizont journalistischenWirkens, der die politische Welt wesentlich auf die politischen Parteienbezieht, Sendungen in den Dienst einer Partei zu stellen sucht.

28. Die Regeln eines offenen Dialogs und gute journalistische Praxisgebieten es, einen Gast ausreden zu lassen und seine Aussage nicht durchnachfolgenden Eigenkommentar zu überlagern. Der Kulturauftrag desRundfunks und die Achtung vor dem Hörer und Zuschauer fordern vomöffentlich-rechtlichen Rundfunk, die in den Medien wachsende Darstel-lung von Gewalt und Sexualität, von Hass und Häme mit einem Gegenent-wurf zu beantworten. Dies gilt insbesondere für Programme, die von Ju-gendlichen gesehen werden.

29. Die Medien suchen das Ungewöhnliche und Dramatische, bevorzu-gen deshalb politische Demonstrationen und Aktionen, die einen geplan-ten kleinen Schritt in die Illegalität gehen, um so die Aufmerksamkeit derÖffentlichkeit und des Rundfunks zu gewinnen. Eine Begünstigung be-

VII.

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dachter Illegalität gefährdet den Kultur- und Integrationsauftrag des Rund-funks.

30. Die Rundfunkteilnehmer erhoffen sich vom öffentlich-rechtlichenRundfunk ein Gegenprogramm gegen Grobheiten und Verrohungen einerdigitalen Welt, ein strukturiertes Informationsprogramm gegen überfor-dernde Nachrichtenfluten, die Abwehr von Informationsinterventionendurch wirtschaftliche und staatliche Mächte. Der öffentlich-rechtlicheRundfunk erfüllt diese Hoffnungen durch sachgerechte Informationen,kulturelle Prägungen, Beiträge zur Mündigkeit des Bürgers, seiner Inte-gration in Staat und Gesellschaft.

Ergebnisse

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Transparenz und Freiheit

Transparenz – Sammelbegriff für unterschiedliche Rechtsgedanken

Transparenz bezeichnet die Durchsichtigkeit, die Sichtbarkeit und Ein-sichtsfähigkeit1. In der Politik fordert Transparenz Öffentlichkeit, Ver-ständlichkeit, Teilhabe an öffentlichem Handeln. Transparenz organisiertein System allgemein und frei zugänglicher Informationen, schafft Er-sichtlichkeit, aus der Verantwortung erwächst, fördert Bereitschaft zur Re-chenschaft für allgemein erhebliche Entscheidungen und ihre Vorausset-zungen.2 Aktuell verlangt Transparenz vor allem Mitwissen und Mitge-stalten, drängt auch auf Mitentscheiden.

Kein Begriff des Grundgesetzes

Das Grundgesetz kennt den Begriff der „Transparenz“ nicht. Transparenzist ein Sammelbegriff, der staatsrechtlich den Staat verpflichtet, eine grö-ßere Offenheit staatlicher Entscheidungsprozesse fordert, dem Bürger Zu-gang zu Informationen in staatlicher Hand erschließt, die Nachvollziehbar-keit und Verstehbarkeit staatlichen Handelns verbessert und den Berech-tigten Grundlagen für Steuerungs- und Kontrollprozesse bietet.3 Der Ge-genbegriff ist das Geheimnis, das Höchstpersönliche von Individualitätund Privatheit, Vertrautheit und Vertrauen im privaten und öffentlichenBegegnen und Entscheiden. Der Zauber des Lebens entfaltet sich oft unterdem Schleier des Geheimnisvollen. Diktatoren, Kriegsherren und Wirt-schaftsmächte, heute auch die Herrscher der digitalen Welt, kämpfen aberimmer wieder gegen die „Unzugänglichkeit von Herzen, Seelen oder Ge-hirnen“.4

I.

1.

a.

1 Zur Entwicklung des Begriffs M. Schneider, Transparenztraum, 2013, 11 ff.2 Bröhmer, Transparenz als Verfassungsprinzip, 2004,18 ff.3 Bröhmer, aaO, 34 ff., 377 ff.4 Schneider, aaO, 22.

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Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung5 verpflichtet denStaat, die private Sphäre, die persönlichkeitsbezogenen Daten eines Men-schen, Berufs- und Geschäftsgeheimnisse, das Brief-, Post-, Fernmeldege-heimnis, neuerdings auch das Computergeheimnis6 zu achten. Innerhalbder Staatsorganisation entscheiden Staatsorgane grundsätzlich eigenver-antwortlich, ob und wann sie eine Gesetzesinitiative einbringen, eine Re-gierungserklärung abgeben, Zukunftsgestaltungen planen und korrigieren.Das „öffentliche“ Amt ist auf Sichtbarkeit, Verantwortlichkeit und Re-chenschaft angelegt, kennt aber ebenso Vertraulichkeit, Amtsgeheimnisund Amtsverschwiegenheit. Jeder Kompetenzträger braucht einen Raumdes unbeobachteten und nicht öffentlichen Gedankenaustausches.7 DieDemokratie beruht auf der Wahl; diese ist geheim (Art. 38 Abs. 1 S. 1GG), damit das Wahlergebnis in bestmöglicher Weise den wirklichen Wil-len des Volkes widerspiegelt.8Der Bundestag verhandelt öffentlich (Art. 42Abs. 1 S. 1 GG), bereitet seine Entscheidungen aber in grundsätzlichnicht-öffentlichen Ausschusssitzungen vor (§ 69 Abs. 1 S. 1 GOBT). DerBundestag und seine Ausschüsse können die Anwesenheit jedes Mitglie-des der Bundesregierung verlangen (Art. 43 Abs. 1 GG), stellen damitauch ein Stück Öffentlichkeit her. Selbst der auf Transparenz angelegteparlamentarische Untersuchungsausschuss ist in seinen Handlungsmög-lichkeiten deutlich begrenzt.9 In Angelegenheiten der Europäischen Uniontrifft die Bundesregierung eine Unterrichtungspflicht gegenüber dem Bun-

5 Vgl. die Rspr. des BVerfG zum Datenschutz BVerfGE 27, 1 (6) – Mikrozensus;BVerfGE 27, 344 (350 f.) – Ehescheidungsakten; BVerfGE 32, 373 (379) – Ärztli-che Schweigepflicht; BVerfGE 35, 202 (220) – Lebach-Urteil; BVerfGE 44, 353(372 f.) – Beratungsstelle für Suchtkranke; BVerfGE 56, 37 (41 ff.) – Selbstbezichti-gung des Gemeinschuldners; BVerfGE 63, 131 (142 f.) – Gegendarstellung;BVerfGE 65, 1 (41 ff.) – Volkszählung; BVerfGE 100, 313 – Telekommunikations-überwachung; BVerfGE 103, 21 – Genetischer Fingerabdruck (Straftaten in Altfäl-len); BVerfGE 109, 289 – Akustische Wohnraumüberwachung; BVerfGE 112, 304– GPS-Observation; BVerfGE 115, 320 – Präventive Rasterfahndung; BVerfGE120, 274 – Online-Durchsuchungen; BVerfGE 120, 378 – Automatisierte Erfassungvon Kfz-Kennzeichen.

6 BVerfGE 120, 274 – Online-Durchsuchung.7 Zum nicht ausforschbaren Beratungs-, Initiativ- und Handlungsbereich der Bundes-

regierung vgl. BVerfGE 67, 100 (139) – Flick Untersuchungsausschuss.8 Bröhmer, aaO, 52 mwN.9 Durch den Kontrollauftrag BVerfGE 67, 100 (136) – Flick-Untersuchungsaus-

schuss; zum Schutz anderer Funktionsbereiche BVerfGE 67, 100 (139) – Flick-Un-tersuchungsausschuss; BVerfGE 124, 78 (122) – Nachrichtendienstliche Informa-

1. Transparenz – Sammelbegriff für unterschiedliche Rechtsgedanken

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destag10 und dem Bundesrat11; diese Informationspflicht dient der Zusam-menarbeit von Staatsorganen, berechtigt nicht Bürger und Öffentlichkeit.Die Gerichtsverhandlungen sind grundsätzlich öffentlich (§ 169 GVG), dieBeratungen des Gerichts jedoch nicht öffentlich und unterliegen dem Be-ratungsgeheimnis12. Die Frage, inwieweit staatliche Ämter zur Informati-on verpflichtet und auf Öffentlichkeit angelegt sind, beantwortet sich des-halb nicht schon nach einem Transparenzprinzip, sondern nach der jewei-ligen gesetzlichen Ausgestaltung von Institutionen und Entscheidungspro-zessen.

Verpflichteter, Berechtigter, Ziel der Transparenz

Wenn von Transparenz die Rede ist, muss also stets der Inhalt des Ge-meinten verdeutlicht werden:

– Wer ist Verpflichteter des Transparenzgebotes? Verpflichtet ist grund-sätzlich nur der Staat. Der freiheitsberechtigte Mensch zeigt sich der Öf-fentlichkeit mit dem Gesicht und in der Kleidung, die ihm beliebt, verbirgtvor der Öffentlichkeit, was ihm verbergenswert erscheint.

– Wer ist Berechtigter des Transparenzgebotes? Berechtigte von Infor-mations-, Rechenschafts- und Mitwirkungspflichten sind zunächst dieStaatsorgane, die gemeinsam Gesetze hervorbringen, sich wechselseitigkontrollieren und steuern, Rechenschaft und Entlastung gewähren und be-anspruchen. Berechtigt sein kann aber auch der einzelne Mensch und dieÖffentlichkeit, die den Staat kritisch beobachten, durch den informiertenBürger den Staat auch zu steuern suchen und im Staatsvolk durch Wahlendem Staatshandeln personelle und programmatische Alternativen vorge-

b.

tionen über Abgeordnete; BVerfGE 139, 194 (239) – Unterstützungseinsätze derBundespolizei; durch Rechte Dritter BVerfGE 67, 100 (142) – Flick-Untersu-chungsausschuss; BVerfGE 76, 33 (387) – Lappas; BVerfGE 77, 1 (46) – Neue Hei-mat.

10 Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestagin Angelegenheiten der Europäischen Union vom 4.7.2013, BGBl I, 2170.

11 Gesetz über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten derEuropäischen Union vom 12.3.1993, BGBl. I, 313, zuletzt geändert durch Gesetzvom 22.9.2009, BGBl. I, 3031.

12 Zur Öffentlichkeit des Staatshandelns grundsätzlich Kloepfer, Öffentliche Mei-nung, Massenmedien, in: HStR III, 32005, § 42 Rn. 53 ff.

I. Transparenz und Freiheit

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ben. Doch die Kommunikationsfreiheiten (Art. 5 Abs. 1 GG) setzen allge-mein zugängliche Informationsquellen voraus.13

– Was soll Transparenz bewirken? Transparenz unter Staatsorganendient der Mitentscheidung, der Steuerung, der Kontrolle, der Rechenschaftund der Entlastung. Transparenz gegenüber Bürgern und Öffentlichkeitmacht staatliches Entscheiden sichtbar, nachvollziehbar, kritisierbar, ver-stehbar, informiert den Bürger ständig über das öffentliche Geschehen,gibt der Demokratie eine gediegene Entscheidungsgrundlage.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk als Transparenzmittler

Grundsätzlich informationsberechtigt, nicht informationspflichtig

Nach diesen Maßstäben ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk in seinerverfassungsrechtlichen Distanz zum Staat grundsätzlich Informationsbe-rechtigter, nicht Informationspflichtiger. Gegenüber Bürger und Öffent-lichkeit ist er Informationsmittler, weniger Informationsgegenstand. SeinProdukt ist die öffentliche Sendung, seine Handlungsform das Veröffentli-chen, seine Aufgabe das eigenverantwortlich-freie Unterrichten, Kom-mentieren und Unterhalten. In diesem Auftrag14 hat der Rundfunk organi-satorisch für Vielfalt und Offenheit zu sorgen, personell Qualifikation undein Stück Unbefangenheit zu gewährleisten, inhaltlich das Programm im-mer wieder selbstkritisch und fremdkritisiert zu überprüfen und zu verbes-sern. Einer Fremdsteuerung, einer Mitentscheidung, einer Rechenschafts-pflicht unterliegt er bei dieser journalistischen Tätigkeit grundsätzlichnicht. Er ist freiheitsberechtigt, nicht – wie der Staat – freiheitsverpflich-tet.

Diese Funktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks ist Grundlage dermodernen Demokratie. Das Demokratieprinzip enthält kein grundsätzli-ches Publizitätsgebot15, sondern stützt sich auf eine Publizität, die näherer

2.

a.

13 Art. 5 Abs. 1 GG; BVerfGE 50, 234 (240) – Ausschluss eines Reporters.14 § 11 Staatsvertrag für Rundfunk und Telemedien vom 31.8.1991, i. d. F v. 19.

Rundfunkänderungsstaatsvertrag v. 3.-7.12.2015 (RStV); zur Schlüsselstellung des§ 11 als Leitlinie des Rundfunks: Eifert, in: Hahn/Vesting (Hrsg.), Beck’scherKommentar zum Rundfunkrecht, ³2012, § 11 RStV, Rn. 11 f.

15 BVerfGE 70, 324 (358) – Budgetöffentlichkeit; BVerfGE 103, 44 (63) – Ge-richtsöffentlichkeit.

2. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk als Transparenzmittler

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Ausgestaltung durch den Gesetzgeber bedarf16. In einer Demokratie istTransparenz die Grundlage für Willensbildung und Wahlentscheidung derBürger, Voraussetzung des informierten Bürgers, Rahmen eines Mei-nungsaustausches zwischen Politik und Öffentlichkeit.

Das Transparenzprinzip wendet sich an staatliche Organe und Entschei-dungsträger. Die freiheitsberechtigten Medien sind Transparenzmittler,dienen17 der Informationsfreiheit der Leser, Hörer, Zuschauer nach demPrinzip der Freiheit, nicht der Pflicht. Sie organisieren einen „möglichstumfassenden und offenen Kommunikationsprozess, um eine freie und un-gehinderte öffentliche Meinungsbildung zu gewährleisten“.18 Die Rund-funkanstalten geben den Menschen Informationen und erreichen umsomehr Transparenz, je unabhängiger und unbefangener sie ihre Nachrichtenund Informationen auswählen und gestalten. Sie unterliegen nicht einer In-formationspflicht, sondern beanspruchen Rundfunkfreiheit. Dazu gehörtauch die Entscheidung über die Veröffentlichung eigenen Wissens, derenZeitpunkt und Adressat. Folgerichtig verbürgt auch die Informationsfrei-heit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) einen Anspruch auf Information nur „aus all-gemein zugänglichen Quellen“, die „technisch geeignet und bestimmtsind, der Allgemeinheit, d.h. einem individuell nicht bestimmbaren Perso-nenkreis Informationen zu verschaffen“.19

Rundfunk und Rundfunkmitarbeiter sind freiheitsberechtigt

Die Erfüllung dieses Rundfunkauftrags ist geprägt durch die Rundfunk-freiheit des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG, die für den privaten wie den öffentlich-

b.

16 BVerfGE 103, 44 (64) – Gerichtsöffentlichkeit.17 Der „dienende“ Charakter der Rundfunkfreiheit wird vom BVerfG gelegentlich

betont, BVerfGE 83, 238 (315) – 6. Rundfunkurteil (WDR); BVerfGE 87, 181(197 f.) – HR 3-Beschluss; BVerfGE 121, 30 (50) – Hessisches Privatrundfunkge-setz; BVerfGE 136, 9 (28, 34) – ZDF-Aufsichtsgremien; in der gegenwärtigenRspr. aber so nicht mehr formuliert, Paulus, Rundfunkbegriff und Staatsferne imKonvergenzzeitalter, ZUM 2017, 177 (180); krit. auch Bullinger, Freiheit vonPresse, Rundfunk, Film, in: HStR VII, 32009, § 163 Rn. 105; Degenhart, in: Mer-ten/Papier (Hrsg.), HdGR IV, 2011, § 104 Rn. 17.

18 BVerfGE 20, 162 (174 f., 177) – Spiegel; BVerfGE 57, 295 (319) – PrivatfunkSaarland; BVerfGE 85, 23 (31) – Grundrecht auf Meinungsfreiheit.

19 BVerfGE 27, 71 (83 f.) – Leipziger Volkszeitung; BVerfGE 103, 44 (60) – Ge-richtsöffentlichkeit.

I. Transparenz und Freiheit

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rechtlichen Rundfunk gleichermaßen gilt. Der öffentlich-rechtliche Rund-funk ist gerade durch seine öffentlich-rechtliche Organisationsform unddie öffentlich-rechtliche Rundfunkfinanzierung so ausgestattet, dass er sei-ne Aufgabe im Prozess der freien individuellen und öffentlichen Mei-nungsbildung frei und wirksam erfüllen kann.20 Rundfunkfreiheit ist dahervor allem Programmfreiheit.21 Der Rundfunk kann seine „Vermittlungs-funktion“ bei der Verbreitung von Informationen und Meinungen nur er-füllen, wenn er seinerseits frei, umfassend und wahrheitsgemäß infor-miert.22 Deswegen sind der Rundfunk und seine Mitarbeiter gegen Ein-flüsse des Staates wie auch der gesellschaftlichen Mächte abzuschirmen.Das Grundgesetz verlangt eine Gesetzesordnung, welche sicherstellt, dassder Rundfunk die Vielfalt der Themen und Meinungen aufnimmt und wie-dergibt, die in der Gesellschaft eine Rolle spielen. Das erfordert materiel-le, organisatorische und prozedurale Regelungen, die an dieser Aufgabedes Rundfunks orientiert sind. Der öffentlich-rechtliche Status dient derMedienfreiheit und der allgemeinen Informationsfreiheit der Bürger, dieArt. 5 Abs. 1 GG in dieser Gesamtheit – der korrespondierenden Freiheitvon Sendern und Teilnehmern – gewährleistet.23

Keine durch spezielle Transparenzpflichten geminderteRundfunkfreiheit

Die öffentlich-rechtliche Organisationsform und Finanzierung des öffent-lich-rechtlichen Rundfunks soll somit den Rundfunk im Rahmen des ge-samten Mediensystems – Hörfunk, Fernsehen, Telemedien – als Informati-onsmittler festigen und abschirmen, „wegen seiner Breitenwirkung, Ak-tualität und Suggestivkraft“ besonders schützen.24 Die Rundfunkfreiheitberechtigt zur selbstbestimmten Entscheidung über das Ob und Wie allerrundfunkerheblichen Informationen. Es wäre ein grundlegendes Missver-

c.

20 BVerfGE 57, 295 (319) – 3. Rundfunkurteil (Privatfunk Saarland); BVerfGE 83,238 (295 f.) – 6. Rundfunkurteil (WDR); BVerfGE 87, 181 (197) – HR 3-Be-schluss; BVerfGE 90, 60 (87 f.) – Rundfunkgebühr, std. Rspr.

21 BVerfGE 59, 231 (258) – Freier Rundfunkmitarbeiter; BVerfGE 87, 181 (201) –7. Rundfunkentscheidung (Werbeverbot); BVerfGE 90, 60 (87) – Rundfunkgebühr.

22 BVerfGE 90, 60 (87) – Rundfunkgebühr.23 BVerfGE 57, 295 (320) – 3. Rundfunkurteil (Privatfunk Saarland); BVerfGE 83,

238 (296) – 6. Rundfunkurteil (WDR); BVerfGE 90, 60 (88) – Rundfunkgebühr.24 BVerfGE 90, 60 (87) – Rundfunkgebühr.

2. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk als Transparenzmittler

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ständnis dieser in gefestigter Rechtsprechung des BVerfG gesichertenRundfunkfreiheit, wollte man die Rundfunkfreiheit der öffentlich-rechtli-chen Rundfunkanstalten und ihrer Mitarbeiter durch spezielle Transpa-renzpflichten dieser Anstalten einengen und damit zu einer Freiheit zwei-ter Klasse herabstufen. Die journalistischen Handlungsfreiheiten und Un-abhängigkeitsgarantien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks entsprechenden Freiheitsgewährleistungen, die das Grundgesetz auch anderen Mediengarantiert.

Soweit der Gesetzgeber die Rundfunkfreiheit inhaltlich ausgestaltet,insbesondere dem Rundfunk Transparenzpflichten auferlegt, können diesealso nicht als mindere Rundfunkfreiheit des öffentlich-rechtlichen Rund-funks gerechtfertigt werden, sondern folgen den allgemeinen, für alle Me-dien als Freiheitsberechtigte geltenden Kommunikationsfreiheiten desArt. 5 Abs. 1 GG.25 Der Schrankenvorbehalt des Art. 5 Abs. 2 GG, insbe-sondere die Einschränkbarkeit durch die „Vorschriften der allgemeinenGesetze“, enthält einen Verallgemeinerungsauftrag, gebietet, das spezielleFreiheitsrecht der Meinungsäußerungsfreiheit gesetzlich verallgemeinerndauszugestalten und nicht eine besondere Meinung oder einen besonderenMeinungsmittler zu benachteiligen.26 Dieser spezielle Gleichheitsgehaltder Freiheitsgewährleistungen des Art. 5 Abs. 1 und 2 GG enthält einstriktes Diskriminierungsverbot.27 Diese Anforderungen des Art. 5 Abs. 1und 2 GG lassen keinen Raum für weitere Maßstäbe des Art. 3 Abs. 1GG.28 Medienfreiheit ist gleiche Freiheit aller – konkurrierenden – Medi-en.

BVerfG: Transparenz und Vertraulichkeit der Rundfunkaufsicht

Die Gleichheit in der Medienfreiheit hat zur Folge, dass die öffentlich-rechtliche Organisation und Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rund-

d.

25 Die Verallgemeinerung der Freiheit von Presse, Rundfunk und Film zu einem all-gemeinen Recht der Kommunikationsfreiheit, vgl. Bullinger, in: HStR VII, 32009,§ 163 Rn. 118 f. (148 f.), darf allerdings nicht die Besonderheiten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks übergehen.

26 BVerfGE 7, 198 (209 f.) – Lüth; G. Kirchhof, Die Allgemeinheit des Gesetzes,2009, 238 f.; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG Art. 5 Abs. 1, 2, Rn. 197.

27 BVerfGE 124, 300 (328) – Wunsiedel; P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, Art. 3 Abs. 1GG, Kommentar, 2015, Rn. 193.

28 BVerfGE 124, 300 (328) – Wunsiedel.

I. Transparenz und Freiheit

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funks so auszugestalten ist, dass die Freiheit dieses Rundfunks zur Entfal-tung gebracht und vor Verfremdungen geschützt wird. Diesem Ziel dienenauch die Transparenzpflichten der Rundfunkaufsicht. Der öffentlich-recht-liche Rundfunk unterliegt in seinem besonderen Auftrag einer öffentlichenRundfunkaufsicht. Das BVerfG29 hat für das Maß einer funktionsgerech-ten Aufgabenwahrnehmung der Aufsichtsgremien des ZDF die Aufgabedes Gesetzgebers betont, dafür Sorge zu tragen, dass in den Gremien desöffentlich-rechtlichen Rundfunks ein Ausgleich zwischen dem Grundsatzder Öffentlichkeit der Rundfunkaufsicht und den Vertraulichkeitserforder-nissen einer sachangemessenen Gremienarbeit hergestellt wird.

Diese Transparenzerfordernisse haben eine dreifache Funktion:Die Gewährleistung einer freien Berichterstattung nach Art. 5 Abs. 1

S. 2 GG setzt eine hinreichende persönliche Freiheit und Unabhängigkeitder Verantwortlichen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben voraus. DerGesetzgeber muss deshalb die persönliche Rechtstellung der Mitgliederder Aufsichtsgremien von Rundfunkanstalten mit Garantien ausstatten, dieverhindern, dass sie in intransparenter Weise von außen unter Druck gera-ten und unsachlichen Einflussnahmen ausgesetzt sind. Deswegen müssensie weisungsfrei gestellt werden, dürfen nur aus wichtigem Grund abberu-fen werden können. Die Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Gremi-enmitglieder müssen transparent gemacht werden. Diese Transparenz wirdfragwürdige Beeinflussungen mäßigen und ausschließen.30

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist auch in seinen Aufsichtsgremienpraktisch wirksam staatsfern auszugestalten. Zwar werden in erheblichemUmfang auch unmittelbar staatliche Mitglieder und staatsnahe politischeAkteure in die Aufsichtsgremien berufen. Doch muss dann durch hinrei-chende Transparenz Handeln und Einfluss der staatlichen und staatsnahenMitglieder in den Rundfunkgremien sowohl für die Öffentlichkeit als auchfür den Gesetzgeber erkennbar sein. Diese Transparenz steht unter demVorbehalt, dass sie funktional mit den Aufgaben der jeweiligen Gremienvereinbar ist.31 Sie wird insbesondere so auszugestalten sein, dass Trans-parenz nicht zur Wissensgrundlage für eine Fremdsteuerung der Auf-sichtsgremien werden kann.

Die Aufsicht über die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten wirddurch plurale, die Vielfalt der Gesellschaft widerspiegelnde Aufsichtsgre-

29 BVerfGE 136, 9 (51) – ZDF-Aufsichtsgremien.30 BVerfGE 136, 9, (76) – ZDF-Aufsichtsgremien.31 BVerfGE 136, 9, (78 f.) – ZDF-Aufsichtsgremien.

2. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk als Transparenzmittler

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mien wahrgenommen, deren Mitglieder Sachwalter der Allgemeinheitsind. Die Aufsichtsgremien gewährleisten eine Rundfunkberichterstattung,die sich an die gesamte Bevölkerung wendet, deren Wahrnehmung jeden-falls in ihren Grundentscheidungen die Möglichkeit öffentlicher Anteil-nahme erfordert. Transparenz kann hier „heilsame Vorwirkung gegenfunktionswidrige Absprachen und Einflussnahmen entfalten und helfen,Tendenzen von Machtmissbrauch oder Vereinnahmung durch Partikularin-teressen frühzeitig entgegenzuwirken“. Diese Öffentlichkeit ergänzt dieinterne institutionelle Kontrolle32.

Das gebotene Maß an Transparenz ist durch die Verfassung nicht imEinzelnen vorgezeichnet, muss vielmehr vom Gesetzgeber im Ausgleichzwischen dem Grundsatz der Öffentlichkeit der Rundfunkaufsicht und denVertraulichkeitserfordernissen einer sachangemessenen Gremienarbeit ge-regelt werden. Dabei muss der Gesetzgeber sicherstellen, dass die Organi-sationsstrukturen, die Zusammensetzung der Gremien und Ausschüsse so-wie die anstehenden Tagesordnungen ohne weiteres in Erfahrung gebrachtwerden können. Die Sitzungsprotokolle sind zeitnah zugänglich zu ma-chen, soweit die Öffentlichkeit nicht über Gegenstand und Ergebnisse derBeratungen in substantieller Weise unterrichtet wird.33 Insgesamt sicherngesetzliche Transparenzerfordernisse die Vielfalt der Programme und ma-chen unsachliche Einflussnahmen sichtbar, wirken Machtmissbrauch undPartikularinteressen entgegen.34 Transparenz begründet hier nicht einenInformationsanspruch Dritter, insbesondere nicht der Konkurrenten des öf-fentlich-rechtlichen Rundfunks, sondern dient der Vielfalt und Unabhän-gigkeit des Informationsmittlers „öffentlich-rechtlicher Rundfunk“.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Distanz zu Staat und Markt

Transparenz sucht das Verhalten des Transparenzpflichtigen zu steuern,mitzuentscheiden und zu kontrollieren. Diese Einflussnahme durch Trans-parenz schützt vor unzulässigen Einflüssen, kann aber auch sachfremdeEinflussnahmen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk begründen. Da-mit wäre dessen Aufgabe gefährdet, unabhängig vom Staat und unabhän-

3.

32 BVerfGE 136, 9, (79) – ZDF-Aufsichtsgremien.33 BVerfGE 136, 9 (80) – ZDF-Aufsichtsgremien.34 BVerfGE 136, 9 (82) – ZDF-Aufsichtsgremien.

I. Transparenz und Freiheit

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gig von den Gesetzmäßigkeiten des Marktes zur Meinungsvielfalt im Den-ken und Handeln der Öffentlichkeit beizutragen.35

Einflüsse, welche die Programmfreiheit unmittelbar oder mittelbar be-einträchtigen können, „drohen nicht nur von Seiten des Staates, sondernauch von gesellschaftlichen Mächten“36. Deshalb ist Art. 5 Abs. 1 Satz 2GG nicht nur ein staatsgerichtetes Abwehrrecht, sondern eine objektiveGewährleistung, die den Rundfunk davor schützt, dass er den Einflüssenvon Staat und von gesellschaftlichen Gruppen ausgeliefert wird.37 DerRundfunk gestaltet seine Angebote in Distanz zu Staat und Markt frei undbeansprucht in dieser Unabhängigkeit, nach beiden Seiten öffentlich sicht-bar zu sein, sich aber die freie Entscheidung über die Publikation seinerprogrammerheblichen Informationen und Daten vorzubehalten.

Die Möglichkeiten des einzelnen Menschen, sich individuell Informa-tionen zu beschaffen, sind begrenzt. Die ständige Transparenz des Staatesist nicht einmal das Ideal. Deswegen kommt den Medien als Informations-und Meinungsmittlern in Rechtsstaat und Demokratie eine zentrale Aufga-be der Auswahl und Unterscheidung zu.38 Hier bewährt sich die Freiheitin Vielfalt: Die einen werden mehr berichten, die anderen mehr kommen-tieren. Die einen wirken durch das Wort, die anderen durch das Bild. Dieeinen wollen bilden, die anderen unterhalten. Jedes Medium verfolgt beiseinem Informationsverhalten ein bestimmtes Ziel, wendet sich an einenbestimmten Adressatenkreis, wählt eigene Schwerpunkte, folgt seiner Le-benssicht, Berufserfahrung und Wirklichkeitsdeutung.

Der publizistische und ökonomische Wettbewerb der privaten Rund-funkbetreiber hat strukturell nicht zur Folge, dass in deren Rundfunkpro-grammen die Vielfalt der in einer Gesellschaft verfügbaren Informationen,Erfahrungen, Werthaltungen und Verhaltensmuster abgebildet werden. Derprivatwirtschaftliche Rundfunk folgt den Regeln des Marktes, der auf Ge-winn und dessen Maximierung angelegt ist. In dieser Einseitigkeit dienendie Kapitalgesellschaften den Ertragsanliegen der Kapitalgeber, sind damitweniger von Informationspflicht und Vielfalt bestimmt. Ihre Programm-auswahl richtet sich an der Werbefähigkeit der Sendungen und der Zah-

35 BVerfGE 136, 9 (29 f.) – ZDF-Aufsichtsgremien.36 BVerfGE 90, 60 (88) – Rundfunkgebühr.37 BVerfGE 12, 205 (262) – Fernseh-GmbH; BVerfGE 90, 60 (88) – Rundfunkge-

bühr.38 Vgl. BVerfGE 20, 162 (174 f.) – Spiegel-Urteil; BVerfGE 35, 202 (222) – Lebach;

BVerfGE 97, 228 (255 ff.) – Kurzberichterstattung im Fernsehen.

3. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Distanz zu Staat und Markt

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lungsbereitschaft der Rundfunkteilnehmer aus. Auch der erhebliche Kon-zentrationsdruck im privatwirtschaftlichen Rundfunk begründet Risikeneiner Verengung und Einseitigkeit.39 Deswegen muss der Gesetzgeber da-für sorgen, dass in der dualen Rundfunkordnung die verfassungsrechtli-chen Anforderungen gleichgewichtiger Vielfalt durch das Gesamtangebotaller Veranstalter erfüllt werden.40 Diese Gleichgewichtigkeit dank Frei-heit darf nicht durch Teilhabe der privaten Anstalten an den im öffentlich-rechtlichen Rundfunk verfügbaren Informationen und Daten oder dessenInformationsquellen und Datenwegen gestört werden.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist im Wesentlichen öffentlich fi-nanziert (§ 13 RStV). Dadurch kann er „unabhängig von Einschaltquotenund Werbeaufträgen ein Programm anbieten, das den verfassungsrechtli-chen Anforderungen gegenständlicher und meinungsmäßiger Vielfalt ent-spricht“.41 Der öffentlich-rechtliche Rundfunk soll und kann wirtschaftlichunter anderen Entscheidungsbedingungen handeln als der private. Auf die-ser Grundlage hat er nicht nur eine Mindestversorgung zu gewährleistenoder Lücken und Nischen auszufüllen, die von privaten Anbietern nichtabgedeckt werden, sondern den klassischen Rundfunkauftrag zu erfüllen,der neben der Meinungs- und Willensbildung, der Unterhaltung und Infor-mation auch eine kulturelle Verantwortung umfasst.42 Dabei richtet sichdas Programm des öffentlich-rechtlichen Rundfunks an das gesamte Publi-kum, bleibt bei neuen Publikumsinteressen für neue Inhalte und Formenoffen, schreitet mit der technischen Entwicklung mit.43

Der Staat selbst setzt in seiner Strukturverantwortung für den Rundfunknicht nur einen ordnungspolitischen Rahmen zur Wahrnehmung privaterFreiheit, sondern gestaltet und verantwortet Organisation und Finanzie-rung des Rundfunks selbst. Die Wahrnehmung dieser gesetzlichen Verant-

39 BVerfGE 83, 238 (297) – 6. Rundfunkurteil (WDR).40 BVerfGE 83, 238 (297) – 6. Rundfunkurteil (WDR); BVerfGE 136, 9 (29) – ZDF-

Aufsichtsgremien.41 BVerfGE 90, 60 (90) – Rundfunkgebühr; BVerfGE 136, 9 (29 f.) – ZDF-Aufsichts-

gremien.42 BVerfGE 73, 118 (158) – Grundversorgung; BVerfGE 119, 181 (218) – Rundfunk-

finanzierungsstaatsvertrag; BVerfGE 136, 9 (30) – ZDF-Aufsichtsgremien.43 BVerfGE 74, 297 (324 f., 350 f.) – Landesmediengesetz Baden-Württemberg;

BVerfGE 119, 181 (218) – Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag; BVerfGE 136, 9(30) – ZDF-Aufsichtsgremien.

I. Transparenz und Freiheit

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wortung ist auf Staatsferne44 und Marktferne45 angelegt. Der Gesetzgeberhat einen Rundfunk zu schaffen, der dem Prinzip gesellschaftlicher Frei-heit und Vielfalt verpflichtet ist, dessen Programmangebot nicht inhaltlichvon den Repräsentanten und Amtsträgern des Staatsapparates geformtwird, der die Ermittlung, Darstellung, Verarbeitung und Interpretation derWirklichkeit in ihren Sichtweisen und Bewertungen den Trägern derRundfunkfreiheit überlässt.46

Erneut erweist sich der Rundfunk als Transparenzmittler, weniger alsSubjekt von Transparenzpflichten. Wenn der öffentlich-rechtliche Rund-funk die Wahrnehmung seiner Medienfreiheit in allen Phasen der Ent-scheidungsvorbereitung, des Entscheidens und des Entscheidungsvollzugsgegenüber Staat, Wirtschaft und privaten Rundfunkanbietern transparentmachen müsste, hätte dieses ein Mitwissen und damit mittelbar ein zumin-dest kontrollierendes Mitbestimmen von Staat und Wirtschaft über dasRundfunkprogramm zur Folge. Just dieses ist nach Idee und Text desArt. 5 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich nicht gewollt.

44 Zur Entwicklung der gefestigten Rspr. des BVerfG vgl. BVerfGE 12, 205 (262 f.) –Fernseh-GmbH; BVerfGE 31, 314 (329) – Umsatzsteuer-Urteil; BVerfGE 57, 295(326) – „Freie Rundfunk-AG“, Privatfunk im Saarland; BVerfGE 73, 118 (182 ff.)– Niedersachsen-Urteil; BVerfGE 83, 238 (322 ff.) – WDR-Urteil; BVerfGE 121,30, (50, 60 ff.) – Hessisches Privatrundfunkgesetz 2008; BVerfGE 136, 9 (30) –ZDF-Aufsichtsgremien; die Staatsferne, weniger die Staatsfreiheit betonend Pau-lus, ZUM 2017, 177 (181).

45 BVerfGE 12, 205 (262) – Fernseh-GmbH; BVerfGE 19, 60 (88) – Rundfunkge-bühr; BVerfGE 136, 9 (29 f.) – ZDF-Aufsichtsgremien.

46 BVerfGE 136, 9 (35) – ZDF-Aufsichtsgremien.

3. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Distanz zu Staat und Markt

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Transparenz der Rundfunkfinanzierung

Die öffentlich-rechtliche Finanzierung des Rundfunks ist Teil des Abgabe-wesens, das auf Transparenz der Einnahmen und Ausgaben angelegt ist.Insofern gelten für die Rundfunkfinanzierung besondere gesetzliche Re-geln der Ersichtlichkeit der Abgabenerhebung sowie der Rechnungslegungund Rechnungskontrolle bei Verwendung des Abgabeaufkommens. DieseTransparenz hat sich durch die Reform der Rundfunkfinanzierung grund-legend verbessert.

Die Einnahmen

Der Übergang von der geräteabhängigen Rundfunkabgabe zum woh-nungs- und betriebsbezogenen Rundfunkbeitrag hat die Transparenz derRundfunkfinanzierung wesentlich erhöht. Die herkömmliche Rundfunkab-gabe beruht auf der Vorstellung, ein Radio und ein Fernsehgerät bildetenden Informationsmittelpunkt eines Haushalts und erschlössen allen Rund-funkteilnehmern die allgemein verfügbaren Rundfunk- und Fernsehpro-gramme. Doch die technische Entwicklung zu neuartigen Rundfunkemp-fangsgeräten ermöglicht jedermann, das vielfältige Rundfunkangebotdurch vielfältige Empfangsgeräte zu nutzen. Deren Belastung mit je einerGeräteabgabe wäre nicht mehr gerechtfertigt. Ein Haushalt mit zehn biszwanzig Empfangsgeräten – vom Radiowecker bis zum Autoradio, vomPC bis zum Smartphone – müsste die Rundfunkabgabe zehn- oder zwan-zigmal entrichten. Deswegen war es notwendig, die Bemessungsgrundlagefür die Rundfunkabgabe neu zu konzipieren.

Das individuelle Leistungsentgelt

Das transparenteste Instrument für einen Leistungsaustausch ist das indivi-duell vereinbarte Entgelt, der vertragliche Preis und der Verwaltungspreis(Gebühr). Die Rechtsordnung anerkennt grundsätzlich den vereinbartenPreis als gerecht, weil Anbieter und Nachfrager übereinstimmen, dass die-

II.

1.

a.

32

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ser Preis angemessen ist.47 Dieser Preis kann bei einem Massenleistungs-angebot mit unterschiedlicher Intensität der Programmnutzung und einemgeringen Entgelt aber nicht jeweils individuell vereinbart werden. DasEntgelt muss typisiert, also von der individuellen Programmnutzung unab-hängig gemacht werden.

Ein Pauschalpreis – das Pay-TV – würde dem Programmauftrag des öf-fentlich-rechtlichen Rundfunks nicht gerecht, weil er den Rundfunk gänz-lich vom Nachfrager abhängig machte, damit das binnenpluralistische Mo-dell verfehlte, nach dem der öffentlich-rechtliche Rundfunk unabhängigvon Einschaltquoten ein Programm meinungsmäßiger Vielfalt anzubietenhat.48 Die Finanzierung soll den öffentlich-rechtlichen Rundfunk geradebefähigen, wirtschaftlich unter anderen Entscheidungsbedingungen als derauf den Nachfrager und sein Entgelt ausgerichtete private Anbieter zuhandeln.49 Der öffentlich-rechtliche Rundfunk soll den Bedarf der Allge-meinheit befriedigen, aber auch Nischensendungen anbieten, den traditio-nellen Rundfunkauftrag erfüllen, aber auch neue Inhalte und Formen ent-wickeln und neue Techniken nutzen.50 Im Übrigen lassen die Erfahrungenmit dem Pay-TV vermuten, dass pauschalierte Einzelentgelte die Abga-benlast des einzelnen erhöhen, insbesondere auch einkommensschwäche-ren Rundfunkteilnehmern den Zugang zu den von ihnen gewünschten Sen-dungen erheblich erschweren oder verschließen würden.

Die Werbefinanzierung

Die privaten Rundfunkunternehmen finanzieren sich weitgehend durchWerbung. Diese Art der Finanzierung ist die organisierte Intransparenz.Die Sendungen werden nicht von den Empfängern finanziert, sondern vonden Käufern der beworbenen Produkte. Dem Financier des Senders wirdbeim Kauf nicht bewusst, dass er mit Zahlung des Kaufpreises mittelbarauch Sendungen bezahlt, im Zusammenwirken aller Nachfrager nach be-worbenen Produkten auch das Programm beeinflusst.

b.

47 Dazu van Suntum, Die unsichtbare Hand, ³2005, 69 f.; Isensee, Privatautonomie,in: HStR Bd. VII, ³2009, § 150 Rn. 74 f.

48 BVerfGE 90, 60 (90) – Rundfunkgebühr; BVerfGE 119, 181 (219) – Rundfunkfi-nanzierungsstaatsvertrag; BVerfGE 136, 9 (29 f.) – ZDF-Aufsichtsgremien.

49 BVerfGE 136, 9 (29) – ZDF-Aufsichtsgremien.50 BVerfGE 136, 9 (31 f.) – ZDF-Aufsichtsgremien.

1. Die Einnahmen

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Für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sagt das Bundesverfassungs-gericht in ständiger Rechtsprechung, dass eine Teilfinanzierung durchWerbung nicht unzulässig ist, der Gesetzgeber aber fortwährend zu prüfenhat, ob die Unabhängigkeit des Programms „von Einschaltquoten undWerbeaufträgen“ weiterhin gesichert bleibt.51 Bei dieser Kontrolle wirdder Gesetzgeber berücksichtigen müssen, dass sich das Nutzungsverhaltendes Fernsehzuschauers wesentlich verändert. Er wird die Sendung nicht zueiner vom Rundfunk bestimmten Zeit sehen, sondern sein Programm zudem nach seiner Tagesplanung geeigneten Zeitpunkt abfragen. Dabei kanner auch die Anfangswerbung übergehen und Zwischenwerbungen ausblen-den. Dadurch wird dieses Finanzierungsmodell praktisch an Bedeutungverlieren. Der Gesetzgeber hat für die Telemedien bereits eine prinzipielleKonsequenz gezogen. Nach § 11 d Abs. 5 RStV sind Werbung und Spon-soring in Telemedien nicht zulässig.

Vor allem aber wird der überprüfungspflichtige Gesetzgeber beobach-ten, dass der Einfluss insbesondere von weltweit tätigen Großunternehmenteilweise zu staatsähnlicher Mächtigkeit anwachsen wird.52 Der öffentlich-rechtliche Rundfunk erlebt gegenwärtig Versuche finanzstarker außereuro-

51 BVerfGE 119, 181 (224) – Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag.52 Vgl. dazu Peters, VVDStRL 69 (2010) 7 (11 f.); Giegerich, VVDStRL 69 (2010)

57 (61 f.); P. Kirchhof, ORDO 56 (2005), 39 f.; ders. in: HStR V, 32007, § 119Rn. 8; zur Anwendung europarechtlicher Grundfreiheiten auf private Organisatio-nen mit staatsähnlicher Macht vgl. EuGH Urt. v. 6.6.2000 – Rs. C-281/98 – Ango-nese, Slg. 2000, I-04 139, in: EuZW 2000, 459; EuGH, Urt. v. 17.7.2008 –Rs. C-94/07 – Raccanelli, Slg. 2008, I-05 939; für einen Überblick über dieEuGH-Rechtsprechung zur unmittelbaren Drittwirkung s: Birkemeyer, EUR 2010,662; zur Frage, ob juristische Personen des Privatrechts passive Völkerrechtssub-jekte sein können Thomale, Internationale Menschenrechtsklagen gegen europäi-sche Gesellschaften vor US-amerikanischen Gerichten, ZIP 2014, 1158, 1159 f.;zum deutschen Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz und dessen Geltung für in-ternationale Konzerne Mansel, FS Canaris, 2007, 809 (826 ff., 834); die (empfeh-lende) Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, UN-Menschenrechtscharta(1948), bindet neben den Staaten auch „every individual and every organ of socie-ty“: General Assembly Resolution 217 A (III), International Bill of Human Rights,beschlossen am 10. Dezember 1948; im Schlussartikel (Art. 30) untersagt sie jedeAuslegung dieser Erklärung, die „für einen Staat, eine Gruppe oder eine Person“ein Recht ergäbe, auf eine Vernichtung der in dieser Erklärung angeführten Rechteund Freiheiten einzuwirken; die UN versucht durch einen „global compact“ dieimmer mächtiger werdenden Privatrechtssubjekte an grundrechtsähnlichen Prinzi-pien auszurichten: https://www.unglobalcompact.org/languages/german (zuletztabgerufen am 13.4.2017).

II. Transparenz der Rundfunkfinanzierung

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päischer Bieterkonsortien auf dem Sportrechtemarkt, öffentlich-rechtlicheRundfunkanstalten wegen ihrer unverschlüsselten und allgemeinen Sende-angebote vom Markt zu verdrängen oder Entgelte durchzusetzen, die deröffentlich-rechtliche Rundfunk in seiner Finanzbindung nicht aufbringenkann.53

Der Rundfunkbeitrag

Der Rundfunkbeitrag knüpft an Wohnung und gewerbliche Betriebsstättean, typisiert also den Leistungsempfang in den Lebens- und Erwerbsorten,an denen in der Lebensrealität die Adressaten das Rundfunkangebot an-nehmen. Diese Ausrichtung des Beitrags auf den Regelfall entspricht demVerallgemeinerungsauftrag des Gesetzgebers in Massenverfahren54 undverteilt die Finanzlasten auf die Beitragszahler nach dem individualisier-baren Vorteil des Leistungsangebots. Der Rundfunkbeitrag bemisst die Fi-nanzierungslasten nicht als Leistungsäquivalent für eine empfangene Leis-tung (Gebühr), sondern als gleichheitsgerechte und maßvolle Last für einLeistungsangebot (Beitrag). Der Rundfunkbeitrag belastet alle, denen dieallgemeinen Sendeleistungen des Rundfunks angeboten werden. Im Bei-trag trägt der Empfänger eines Leistungsangebots zur Finanzierung dieserAngebote bei.

Diese Beitragsbemessung ist einfach, allgemein verständlich, in ihremverallgemeinernden Maßstab einsichtig, deshalb transparent. Der Beitragmacht die Allgemeinheit der Finanzierungslasten auch dadurch sichtbar,dass er kaum noch Ausweichmöglichkeiten – wie das Verbergen einesRundfunkgeräts – eröffnet, damit wesentlich zur Legalität des Finanzie-rungssystems beiträgt. Das überraschende Mehraufkommen aus demRundfunkbeitrag hat vor allem in dieser Unausweichlichkeit der Beitrags-last seinen Ursprung. Der Übergang zum Beitragssystem schafft Transpa-renz, damit individuelle Verständlichkeit, öffentliche Sichtbarkeit, allge-meine Kontrollierbarkeit.

Ermächtigungsgrundlage für die Erhebung des Rundfunkbeitrags ist dasGesetz, das in einem öffentlichen, parlamentarischen Verfahren zustande

c.

53 Vgl. unten VI 5 c aa).54 Zum Maßstab vgl. BVerfGE 84, 239 – Zinsurteil; BVerfGE 85, 264 (317) – Partei-

enfinanzierung (Sockelbetrag); BVerfGE 87,153 (169 f.) – Grundfreibetrag;BVerfGE 96, 1 (2 f.) – Weihnachtsfreibetrag.

1. Die Einnahmen

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kommt und die Verkündung im Gesetzblatt zur Bedingung hat. Dabei istdie Abgabengesetzgebung von der Haushaltsgesetzgebung – der Verwen-dung des Abgabeaufkommens – strikt zu trennen, um den Haushaltsge-setzgeber bei seinen Ausgabeentscheidungen von seinem Financier unab-hängig zu machen.55 Das Rundfunkverfassungsrecht kennt darüber hinausnoch ein strengeres Trennungsprinzip. Die allgemeine Rundfunkgesetzge-bung ist von der Festsetzung der Rundfunkabgabe zu trennen, um Risikeneiner mittelbaren finanziellen Einflussnahme auf die Wahrnehmung desProgrammauftrags auszuschließen und so die Programmfreiheit der Rund-funkanstalten zu sichern. Der Rundfunkgesetzgeber trifft die freiheitskon-formen medienpolitischen und programmleitenden Entscheidungen in derRundfunkgesetzgebung. Der Abgabengesetzgeber hat sich jeder Art derProgrammsteuerung zu enthalten, darf insbesondere nicht durch eine Ent-scheidung über Zeitpunkt, Umfang, Intensität oder Geltungsdauer der Ab-gabe Programme oder deren Entwicklung lenken.56 Die gesetzliche Er-mächtigungsgrundlage zur Erhebung des Rundfunkbeitrags genügt damitden Transparenzerfordernissen des allgemeinen Gesetzes und denen derbesonderen Rundfunkgesetze.

Die Ausgaben

Grundsatz: Parlamentstransparenz

Der Ertrag öffentlicher Abgaben fließt grundsätzlich in den Staatshaushalt,unterliegt damit der parlamentarischen Verwendungsentscheidung, der öf-fentlichen Kontrolle, auch dem Verfahren der Rechnungsprüfung mit par-lamentarischer Entlastung. Grundsätzlich sind alle Einnahmen und Ausga-ben des Bundes in den Haushaltsplan einzustellen (Art. 110 Abs. 1 S. 1GG). Das Erfordernis des Ausgleichs von Einnahmen und Ausgaben imHaushaltsplan (Art. 110 Abs. 1 S. 2 GG) – ergänzt durch das Erforderniseines Haushaltsausgleichs grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten(Art. 109 Abs. 3 S. 1, 115 Abs. 2 S. 1 GG) – schafft Transparenz für das

2.

a.

55 Vgl. zur Entwicklung P. Kirchhof, Die Steuern, in: HStR V, ³2007, § 118 Rn. 90 f.56 BVerfGE 90, 60 (93 f.) – Rundfunkgebühr; BVerfGE 119, 181 (221) – Rundfunk-

finanzierungsstaatsvertrag.

II. Transparenz der Rundfunkfinanzierung

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gesamte staatliche Finanzgebaren.57 Gleiches gilt für die entsprechendenVorschriften der Länder.

Rundfunkeigene Transparenz

Zweckgebundene, autonomiestärkende Beiträge

Doch diese Grundsätze gelten für die Rundfunkbeiträge in dieser Formund mit dieser Begründung nicht. Zwar steigen mit der Erhebung öffentli-cher Abgaben die Transparenzpflichten, auch die Rechte der Beitrags-schuldner auf Transparenz. Doch führen diese Rechte nicht notwendig indie parlamentarische Debatte und in die Öffentlichkeit. Die Erträge ausdem Rundfunkbeitrag werden den Sonderhaushalten der Rundfunkanstal-ten zugewiesen und dort autonom verwaltet. Insoweit sind sie den Sozial-versicherungsbeiträgen vergleichbar, die zweckgebunden in die Sonder-haushalte der Sozialversicherungsträger fließen.58 Die Staatsferne des öf-fentlichen Rundfunks, seine Distanz zum Staat, schafft einen Rundfunk,der dem Prinzip gesellschaftlicher Freiheit und Vielfalt verpflichtet ist,nicht aber inhaltlich von Repräsentanten und Amtsträgern des Staates ge-formt werden darf.59 Der Rundfunkbeitrag befähigt die Rundfunkanstal-ten, wirtschaftlich unter anderen Entscheidungsbedingungen als ein priva-ter Rundfunk zu handeln und auf dieser Basis durch eigene Impulse undPerspektiven zur Vielfalt des Rundfunkangebots beizutragen und unabhän-gig von Einschaltquoten und Werbeaufträgen ein Programm anzubieten,das den verfassungsrechtlichen Anforderungen gegenständlicher und mei-nungsmäßiger Vielfalt entspricht.60 Würden die Erträge aus dem Rund-funkbeitrag wie Steuern in die staatlichen Länderhaushalte fließen, müss-ten die Rundfunkanstalten jeweils beim Gesetzgeber die Finanzzuweisun-

b.

aa)

57 Zur Problematik der nur als „seltene Ausnahme“ zulässigen haushaltsflüchtigenEinnahmen (Sonderabgaben) vgl. BVerfGE 108, 186 (219 f.) – Altenpflegeausbil-dungsumlage; BVerfGE 110, 370 (393) – Klärschlamm-Entschädigungsfonds;auch schon BVerfGE 55, 274 (308) – Ausbildungsplatzförderungsabgabe;BVerfGE 57, 139 (162) – Schwerbehindertenabgabe; BVerfGE 82, 159 (181) –Absatzfonds.

58 F. Kirchhof, Finanzierung der Sozialversicherung, in: HStR V, ³2007, § 125 Rn. 23.59 BVerfGE 136, 9 (35) – ZDF-Aufsichtsgremien mwN.60 BVerfGE 90, 60 (90) – Rundfunkgebühr; BVerfGE 119, 181 (219) – Rundfunkfi-

nanzierungsstaatsvertrag; BVerfGE 136, 9 (29) – ZDF-Aufsichtsgremien.

2. Die Ausgaben

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gen erbitten, die sie für die Erfüllung ihres Auftrags benötigen. Der Staatwürde mit der Macht des Geldes über den Rundfunk und seine Sendungenregieren. Die Autonomie der Rundfunkanstalten und die Rundfunkfreiheitder dort Tätigen wären in ihrem Kern verletzt.

Beitrag von großer Allgemeinheit, aber keine Steuer

Eine Rundfunkfinanzierung aus parlamentarisch zu bestimmenden Haus-haltsmitteln kommt somit nicht in Betracht. Damit scheidet eine Steuerfi-nanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks von Vornherein aus. DieSteuer ist in ihren Tatbestandsvoraussetzungen – die „Voraussetzungslo-sigkeit“, hier: die Unabhängigkeit von einem Leistungsangebot – und inihren Rechtsfolgen – Bestimmungsmacht des Parlaments über den Steuer-ertrag – als Instrument zur Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rund-funks ungeeignet. Dennoch wird erörtert, ob der vom Leistungsangebotabhängige, also nicht voraussetzungslos erhobene und nicht für denStaatshaushalt bestimmte Beitrag eine Steuer sei.61 Diese Diskussion einernicht beabsichtigten und nicht verwirklichten Abgabenart ist für denRundfunkbeitrag unerheblich. Wenn ein Studienbewerber einen Medizin-studienplatz begehrt, ist die Feststellung, er sei für ein Jurastudium nichtqualifiziert, unerheblich. Ebenso ist für die Rechtfertigung des Rundfunk-beitrags nichts gewonnen, wenn dessen Qualifikation als Steuer zu Rechtverneint wird.

Das bedeutet aber umgekehrt nicht, dass der Rundfunkgesetzgeber sichden strengen finanzverfassungsrechtlichen Bindungen öffentlich-rechtli-chen Einnahme- und Ausgabegebarens entziehen könnte. Der Rundfunk-beitrag ist für die einmalige Besonderheit der Rundfunkfinanzierung – Be-lastung der Begünstigten entsprechend dem allgemeinen Rundfunkange-bot, autonome Verwendung der Beitragserträge durch die Rundfunkanstal-ten, freiheitsgerechte Aufsichts- und Rechenschaftsstrukturen für dasRundfunkwesen – die rundfunkangemessene Finanzierungsform. Die ver-fassungsrechtlich anerkannte Einmaligkeit und Besonderheit der Rund-funkfinanzierung62 hat zur Folge, dass der Beitrag von einem allgemeinenRundfunkangebot abhängig ist und seine Erträge dem Rundfunk vorbehal-

bb)

61 Waldhoff, AfP 2011, 1 (8 f.); Kämmerer, DStR 2016, 2370 (2372 f.).62 BVerfGE 90, 60 (90) – Rundfunkgebühr; BVerfGE 119, 181 (219) – Rundfunkfi-

nanzierungsstaatsvertrag; BVerfGE 136, 9 (29) – ZDF-Aufsichtsgremien.

II. Transparenz der Rundfunkfinanzierung

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ten und nicht in den Staatshaushalt eingestellt werden. Durch die Beitrags-finanzierung gewinnt der öffentlich-rechtliche Rundfunk an Transparenz:Die Beitragsvoraussetzungen, die Allgemeinheit des Rundfunkangebots,die jedermann zugängliche Informationsquelle ist für die Allgemeinheitersichtlich. Die Transparenz der Verwendung des Beitragsauskommens er-gibt sich aus der Rundfunkorganisation, aus einer unabhängigen Kommis-sion zur Überprüfung und Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkan-stalten (KEF) und aus einer Rechnungsprüfung mit verallgemeinerndemBericht an die Landtage.63 Der Rundfunkbeitrag ist heute in seiner Voraus-setzung des Jedermannsangebots und seiner Folge einer ausschließlichenFinanzierung dieser allgemein zugänglichen Informationsquelle das Fi-nanzierungsinstrument, das unter den öffentlich-rechtlichen Abgaben amdeutlichsten allgemein sichtbar ist und allgemein Wirkungen entfaltet. Beiden Steuern bleibt die Verwendung des Steueraufkommens offen. Der Bei-trag wird individuell für ein individuelles Leistungsangebot spürbar erho-ben. Bei den Steuern wird der Steuerertrag Teil eines allgemeinen, demParlament verfügbaren Ertragsaufkommens. Das Aufkommen des Rund-funkbeitrags ist für einen Zweck, das Rundfunkangebot, reserviert, steht indieser Verwendung unter der täglichen Beobachtung der Nutzerallgemein-heit. Die Steuer könnte allenfalls eine parlamentsbestimmte Informations-quelle finanzieren. Der Beitrag bietet in seiner Allgemeinheit der Demo-kratie eine freiheitlich bestimmte allgemeine Informationsquelle.

Im Ergebnis begründet die Beitragsfinanzierung des öffentlich-rechtli-chen Rundfunks keine besonderen Informations-, Rechenschafts- und Be-legpflichten, wie sie sonst im Haushaltsrecht üblich sind. Die Beitragsfi-nanzierung ist ein Instrument, um die Unabhängigkeit des öffentlich-recht-lichen Rundfunks von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft zu sichern, sieinsoweit gegen Mitbestimmungsansprüche, Fremdsteuerungen und Ent-scheidungsvorbehalte abzuschirmen. Die Finanzautonomie der Rundfunk-anstalten bedeutet selbstbestimmte Finanzierung. Diese Art der Finanzie-rung dient jedem einzelnen Beitragszahler und muss für diesen in Belas-tungswirkung und Verwendung ersichtlich und nachvollziehbar sein. DieOrganisationshilfe des Staates beschränkt sich auf die gesetzliche Rege-lung der – Unabhängigkeit sichernden – Beiträge, die Unabhängigkeit ge-währleistende Entscheidung über den Finanzbedarf (KEF) und die –Rundfunkfreiheit und Informationsvielfalt garantierende – Organisation

63 Vgl. sogl. zu III.

2. Die Ausgaben

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des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Diese gesetzlichen Entscheidungenfür eine andersartige Finanztransparenz des öffentlich-rechtlichen Rund-funks stützen sich auf eine besondere Transparenz des Rundfunkangebots,auf seine öffentlich-rechtliche Organisation, die öffentliche Feststellungeines Finanzbedarfs und die Rechnungsprüfung. Die Macht des Geldes –des „goldenen Zügels“ – über den Rundfunk wird so in Schranken gewie-sen. Der Rundfunkbeitrag wird parlamentarisch-öffentlich beschlossen,die Höhe des Beitrags durch eine regelmäßige, öffentliche Bedarfsprüfungbemessen, das Beitragsaufkommen allein dem Rundfunkangebot gewid-met, die Rundfunkleistung dem Beitrag zahlenden Rundfunkteilnehmer inaller Öffentlichkeit angeboten.

II. Transparenz der Rundfunkfinanzierung

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Die Transparenz des Rundfunks

Das Programmangebot

Es gibt kaum ein Dienstleistungsunternehmen, dessen Leistungen für je-dermann so ersichtlich, individuell nutzbar und alltäglich verfügbar sind,wie die Rundfunkanstalten mit ihren Angeboten, die rund um die Uhr eineallgemein zugängliche Quelle ungehinderter Unterrichtung (Art. 5 Abs. 1S. 1 GG) eröffnen. Grundsätzlich kann jeder alle Programme des öffentli-chen Rundfunks empfangen, das Programmangebot in seine individuelleLebensgestaltung nach Belieben einbeziehen, die Rundfunkberichte undKommentare zu seiner Information und Meinungsbildung nutzen, sich vonden Rundfunksendungen unterhalten lassen, rundfunkintensiv oder auchrundfunkfern leben. Sobald der Rundfunk Leistungen anbietet, werdendiese ein Jedermannsgut, ein öffentliches Gut in Allgemeingebrauch, eintechnisches Angebot, das jedermann empfangen, speichern, verändern,weitergeben könnte.64

Ein solches Programmangebot zur öffentlichen Nutzung, zur öffentli-chen Beobachtung, Kritik, Rechenschaft, zur ständigen Korrektur in Aus-einandersetzung mit der Allgemeinheit der Adressaten ist einmalig. DerRundfunk ist bei der Erfüllung seiner Aufgabe, seinem Handeln und sei-nem Produkt in herausragender Weise transparent.

Rundfunkorganisation

Gleiches gilt für die Rundfunkorganisation. Das verfassungsrechtliche Ge-bot der Staatsferne und der Wirtschaftsferne gewährleistet vor aller Öf-fentlichkeit die Freiheit des Rundfunks von staatlicher und wirtschaftli-cher Einflussnahme. Das BVerfG65 hat jüngst erneut betont, das Gebot derStaatsferne ziele auf die Modalitäten der Leistungsorganisation und Leis-tungserbringung. Der Rundfunk müsse gesetzlich so organisiert werden,

III.

1.

2.

64 Zum geistigen Eigentum allerdings vgl. Paulus, Schutz des geistigen Eigentums,in: HStR XI, ³2013, § 247 Rn. 8 ff.

65 BVerfGE 136, 9 (35 ff.) – ZDF-Aufsichtsgremien.

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dass die Gestaltung seines Programms und dessen konkrete Inhalte nichtin die allgemeine staatliche Aufgabenwahrnehmung eingebunden und alsderen Teil ausgestaltet werden. Das Gericht zieht aus diesen Maßstäbensehr konkrete Folgerungen für die Zusammensetzung der Aufsichtsgremi-en des ZDF.

Die Wirtschaftsferne ist vom BVerfG nicht so häufig, aber mit ähnlicherDeutlichkeit gefordert worden. Erforderlich ist insbesondere eine Unab-hängigkeit vom Verhalten der Programmnachfrager und Werbeanbieter.Deswegen muss die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunksweitgehend vom ökonomischen Markt abgekoppelt und dadurch gesichertwerden, „dass sich das Programm an publizistischen Zielen, insbesonderean dem der Vielfalt orientiert, und zwar unabhängig von Einschaltquotenund Werbeaufträgen“. 66 Damit sind andere Finanzierungsquellen, insbe-sondere Einnahmen aus Werbung67 oder Sponsoring68, von Verfassungswegen nicht schlechthin ausgeschlossen. Doch dürfen sie wegen der vonihnen ausgehenden programm- und vielfaltverengenden Zwänge die inne-re und äußere Unabhängigkeit des Rundfunks nicht gefährden.69 Es bedarfder fortwährenden Überprüfung, inwieweit die Erwartung, die Finanzie-rung über Werbung und Sponsoring stärke die Unabhängigkeit des öffent-lich-rechtlichen Rundfunks gegenüber dem Staat, noch gerechtfertigt ist.Auch ist regelmäßig zu prüfen, inwieweit die Nutzung dieser Finanzie-rungsarten angesichts ihrer Risiken einer Rücksichtnahme auf die Interes-sen der Werbewirtschaft, einer zunehmenden Ausrichtung des Programmsauf Massenattraktivität sowie einer Erosion der Identifizierbarkeit öffent-lich-rechtlicher Programme weiterhin zulässig ist.70 Der Gesetzgeber hatVorsorge zu treffen, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk bei Erfüllungseines Auftrags nicht auf die Interessen der Werbewirtschaft Rücksichtnimmt, sein Programm nicht ausschließlich auf Massenattraktivität aus-richtet, er vielmehr seine Funktion „unbeeinflusst von jeglicher Indienst-

66 BVerfGE 119,181 (219) – Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag, unter Hinweis aufBVerfGE 90, 60 (90) – Rundfunkgebühr; vgl. auch BVerfGE 136, 9 (29) – ZDF-Aufsichtsgremien.

67 Vgl. §§ 7, 15, 16 RStV, dazu Ladeur, in: Hahn/Vesting, aaO, § 7 RStV, Rn. 4.68 Vgl. § 8 RStV, dazu Brinkmann, in: Hahn/Vesting, aaO, § 8 RStV, Rn. 8 ff.69 Vgl. BVerfGE 83, 238 (311) – 6. Rundfunkurteil (WDR); BVerfGE 87, 181 (199)

– Werbeverbot.70 BVerfGE 119,181 (224) – Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag mwN.

III. Die Transparenz des Rundfunks

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nahme für außerpublizistische Zwecke, seien sie politischer oder ökono-mischer Natur, erfüllen kann“.71

In dieser Distanz zu Staat und Wirtschaft wird zugleich eine Transpa-renz gewährleistet, die verborgene oder nicht offensichtliche Einflussnah-men von Staat und Wirtschaft auszuschließen sucht, die Rundfunkanstal-ten im Selbstbewusstsein ihrer Autonomie und Freiheit dazu anhält, jedenderartigen Einflussversuch abzuwehren, den Sinn der Öffentlichkeit fürdie Frage schärft, ob derartige Abhängigkeiten und Interventionen drohen.Eines der Kernanliegen des Transparenzprinzips, eine ökonomischeFremdsteuerung sichtbar und kontrollierbar zu machen, ist damit in beson-derer Weise erfüllt.

Die staatliche Existenzgarantie für den öffentlich-rechtlichen Rundfunkbegründet auch eine staatliche Verantwortung für dessen Finanzierung.Dabei hat der Gesetzgeber durch materielle, prozedurale und organisatori-sche Vorkehrungen sicherzustellen, dass die Beitragserhebung die Rund-funkfreiheit nicht gefährdet, und eine bedarfsgerechte Finanzierung dazubeiträgt, dass die Rundfunkanstalten ihren Funktionsauftrag erfüllen kön-nen. Die Trennung von allgemeiner Rundfunkgesetzgebung und gesetzli-cher Festsetzung der Rundfunkbeiträge,72 die KEF73 und die besonderenAufsichtsgremien74 sind der markante Kern dieser freiheitsdienlichen Or-ganisationshilfen. Der Gesetzgeber darf die Funktion des öffentlich-recht-lichen Rundfunks in abstrakter Weise festlegen, damit auch den Finanzbe-darf umgrenzen, die staatlichen Vorgaben für die Beitragsgestaltung abernicht so detailgenau bestimmen, dass sich daraus die Höhe des Rundfunk-beitrags berechnen ließe. Eine gewisse Tatbestandsoffenheit muss gewähr-leisten, dass sich Programme, Programmumfänge, Funktionsverschiebun-gen und Funktionserneuerungen in der Rundfunkautonomie weiterentwi-ckeln lassen.75 Der Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag bestimmt sodanndie individuelle Beitragslast, aus der sich das Gesamtbudget der Rund-funkanstalten ergibt.

71 BVerfGE 119,181 (224) – Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag.72 BVerfGE 90, 60 (93 ff.) – Rundfunkgebühr; BVerfGE 119, 181 (137) – Rundfunk-

finanzierungsstaatsvertrag und soeben zu II 2 b.73 Sogleich zu 3.74 BVerfGE 13,9 (35 ff.) – ZDF-Aufsichtsgremien und oben zu I 2 d.75 BVerfGE 90, 60 (93 ff.) – Rundfunkgebühr; BVerfGE 119, 181 (137) – Rundfunk-

finanzierungsstaatsvertrag.

2. Rundfunkorganisation

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Eine Trennung der medienpolitischen Konkretisierung des Rundfunk-auftrags und der Beitragsfestsetzung gewährleistet allerdings aus sich he-raus nicht schon eine hinreichende Programmneutralität und Programmak-zessorietät. Es bedarf weiterer prozeduraler Absicherungen, die an denGefahrenquellen – der finanziellen Steuerung – ansetzen und bereits imVorfeld die Möglichkeit rechtswidriger Kompetenzwahrnehmung so weitwie möglich ausschließen sollen. Dementsprechend hat der Gesetzgeberein gestuftes und kooperatives Verfahren der Bedarfsfeststellung sowie derFehlerfeststellung und Fehlerkorrektur entwickelt,76 wie sie das BVerfG77

für die ZDF-Aufsichtsgremien dargestellt hat.

Die KEF

Autonomie mit einem offenen Gestaltungsauftrag drängt strukturell aufwachsende Einnahmen, neigt gelegentlich zu finanzieller Maßstabslosig-keit und damit zur Maßlosigkeit. Deshalb sieht das Recht der Rundfunkfi-nanzierung eine eigene Institution vor, die den Finanzbedarf des öffentli-chen Rundfunks prüft, den Bedarf realitäts- und gegenwartsgerecht fest-stellt und damit der staatlichen Entscheidung über die Beitragshöhe einefachliche Grundlage gibt, von der der Staat nur bei sachlichen, einleuch-tenden Gründen abweichen darf.78 Dieses gestufte und kooperative Ver-fahren der Bedarfsfeststellung regelt eine besondere Form der Transpa-renz, die den Eigenheiten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks gerechtwird und insoweit allgemeinen Transparenzregeln vorgeht.

Nach dem Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag79 beginnt die Beitrags-festsetzung mit den Bedarfsanmeldungen der Mitglieder der Arbeitsge-meinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten (ARD), des ZDFund der Körperschaft des öffentlichen Rechts „Deutschlandradio“ beieiner unabhängigen Kommission zur Überprüfung und Ermittlung des Fi-nanzbedarfs – KEF – (§§ 1 und 2). Die KEF überprüft und ermittelt den

3.

76 BVerfGE 90, 60 (96 ff.) – Rundfunkgebühr; BVerfGE 119, 181 (237) – Rundfunk-finanzierungsstaatsvertrag.

77 BVerfGE 136, 9 (Rn. 84, 96 ff.) – ZDF-Aufsichtsgremien.78 BVerfGE 90, 60 (98,100) – Rundfunkgebühr; BVerfGE 119, 181 (263) – Rund-

funkfinanzierungsstaatsvertrag.79 V. 31.8.1991, zuletzt geändert durch 17. Rundfunkänderungsstaatsvertrag

v. 4.-17.7.2014; Goerlich/Zimmermann, in: Hahn/Vesting, aaO, Vor RFinStV,Rn. 1 ff.

III. Die Transparenz des Rundfunks

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Finanzbedarf auf der Grundlage der Anmeldungen allein nach fachlichenKriterien (Rundfunkauftrag, daraus zutreffend abgeleiteter Finanzbedarf,Einklang mit den Grundsätzen von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit,§ 3 Abs. 1). Die KEF erstattet den Landesregierungen mindestens allezwei Jahre einen Bericht, leitet den Bericht den Rundfunkanstalten zu undveröffentlicht diesen (§ 3 Abs. 5). Das Verfahren der KEF sieht also einespezielle Ergebnistransparenz für die Bedarfsermittlung vor. Die Rund-funkanstalten werden an dem Verfahren der KEF beteiligt; sie haben vorder abschließenden Meinungsbildung in der KEF Gelegenheit zu einerStellungnahme und Erörterung (Verfahrenstransparenz; § 5 Abs. 1 und 2).Der Beitragsvorschlag der KEF ist Grundlage für die Entscheidung derLandesregierungen und Landesparlamente. Will die Rundfunkkommissionder Länder von dem Vorschlag abweichen, soll sie diese Abweichung mitden Rundfunkanstalten unter Einbeziehung der KEF erörtern. Die Abwei-chungen sind zu begründen (§ 7 Abs. 2). Das Erfordernis des sachlichen,einleuchtenden Grundes für die Abweichung fordert auch und insbesonde-re, die Interessen der Beitragszahler an möglichst maßvollen Beiträgen indie Erwägungen einzubeziehen.80

Ob die Entscheidung über die Beitragshöhe in einem – öffentlichen –Gesetzgebungsverfahren oder einem – weniger transparenten – Verfahrender Rechtsverordnung getroffen wird, lässt die Verfassung offen81. Dierundfunkspezifische Feststellung des Finanzbedarfs muss also nicht – wiees für die Steuererträge haushaltsrechtlich eine Selbstverständlichkeit ist(Art. 110 Abs. 1 und 2 GG) – in der Öffentlichkeit einer Parlamentsdebattemünden, sondern kann auch in der Sachlichkeit und Fachlichkeit einerRechtsverordnung auf der Grundlage des KEF-Verfahrens bestimmt wer-den.

Im Ergebnis regelt der Rundfunkfinanzierungstaatsvertrag ein speziel-les Bedarfsfeststellungsverfahren mit abgestuften Transparenzformen, dassich vom allgemeinen staatlichen Haushaltswesen abhebt, den Besonder-heiten des Rundfunks gerecht wird, die Transparenz des Finanzbedarfs alsBemessungsgrundlage für die Beitragshöhe speziell sichert.

80 BVerfGE 119, 181 (254) – Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag.81 BVerfGE 90, 60 (104) – Rundfunkgebühr; BVerfGE 119,181, (164) – Rundfunkfi-

nanzierungsstaatsvertrag.

3. Die KEF

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Kontrolle durch die Rechnungshöfe

Die KEF prüft und beurteilt den Finanzbedarf der Rundfunkanstalten,kontrolliert aber nicht entwicklungsbegleitend die Wirtschaftlichkeit undSparsamkeit der alltäglichen Geschäftsvorfälle in den Rundfunkanstalten.Damit stellt sich die Frage, ob auch die öffentlich-rechtlichen Rundfunk-anstalten der Kontrolle der staatlichen Rechnungshöfe unterliegen.

Kontrollzuständigkeit der Rechnungshöfe

Die Finanzkontrolle durch die Rechnungshöfe ist eine der Errungenschaf-ten des modernen Finanzstaates. Erster Finanzkontrolleur ist das Parla-ment.82 Der Rechnungshof ist sein Informationshelfer.83 Er prüft die„Wirtschaftlichkeit und Ordnungsmäßigkeit der Haushalts- und Wirt-schaftsführung“, also die formale Korrektheit, rechnerische Richtigkeitund Vollständigkeit der Rechnungen (Ordnungsmäßigkeit) und das Ver-hältnis von – möglichst hohem – Nutzen und eines – möglichst geringen –Ressourcenverbrauches.84 Diese Rechnungsprüfung kontrolliert die fi-nanzwirtschaftliche Durchführung eines bestimmten Auftrags, vermeidetaber Aussagen über die dahinter stehenden Beweggründe und Ziele.85 DieEntscheidung über die Ziele staatlichen Handelns und die Prinzipien derZielerreichung trifft das Parlament finanzwirtschaftlich bei der Budgetbe-willigung und Entlastung. Die ordnungsgemäße und wirtschaftliche Aus-führung dieser Vorgaben ist dann eine Frage des Gesetzesvollzugs, damitder Verwaltung.86

Die Verpflichtung auf die Ordnungsmäßigkeit und Wirtschaftlichkeitgilt für das gesamte Finanzgebaren des Staates, ist insbesondere auchMaßstab der internen Finanzkontrolle, der Selbstkontrolle der mittelbe-wirtschaftenden Behörde und Kasse, der Kontrolle vorgesetzter Fach- undAufsichtsbehörden und vor allem des jeweiligen Finanzministeriums. Die

4.

a.

82 Hufeld, Der Bundesrechnungshof und andere Hilfsorgane des Bundestages, in:HStR III, ³2005, § 56 Rn. 10.

83 Isensee, Budgetrecht des Parlaments zwischen Schein und Sein, in: JZ 2005, 971(980 f.).

84 Vgl. Art. 114 Abs. 2 S. 1 GG; Hufeld, aaO, § 56 Rn. 8; Gröpl, Wirtschaftlichkeitund Sparsamkeit staatlichen Handelns, in: HStR V, ³2007, § 121 Rn. 9 ff.

85 Gröpl, aaO, § 121 Rn. 33 f.86 Gröpl, aaO, § 121 Rn. 15.

III. Die Transparenz des Rundfunks

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Kontrollmaßstäbe sind keine Schutznormen für den Einzelnen, begründendeshalb keine Individualansprüche. Sie bestimmen die interne und externeFinanzkontrolle des Staates. Der Rechnungshof veröffentlicht seine Prüf-ergebnisse (Ergebnistransparenz), so dass die Öffentlichkeit das staatlicheFinanzgebaren vorbereitend, begleitend und rückblickend kommentierenund kritisieren kann.87

Diese Prinzipien staatlicher Finanzkontrolle dürfen nicht unbesehen aufdie freiheitsberechtigten öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten übertra-gen werden:– Die Finanzausstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks dient der

Rundfunkfreiheit und der freiheitlichen Informationsvielfalt, nicht derErfüllung eines staatlichen Gemeinwohlauftrags. Die Maßstäbe der Fi-nanztransparenz müssen deshalb durch eine freiheitsgerechte Transpa-renz ersetzt werden.

– Beim Rundfunk sind die verfügbaren Ressourcen durch die Höhe desRundfunkbeitrags von vornherein begrenzt, von der erbrachten Leis-tung unabhängig und allein nach dem speziellen Rundfunkauftrag zunutzen. Eine Prüfung von Wirtschaftlichkeit und Effektivität zielt des-halb weniger auf Ausgleich und Effizienz von Einnahmen und Ausga-ben, sondern auf die aufgabengerechte Nutzung der Finanzmittel, auchauf eine dementsprechende Schonung der Beitragszahler.

– Die Finanzkontrolle des Rundfunks dient nicht der parlamentarischenBudgetbewilligung und Entlastung, sondern der formalen Kontrolledes Rundfunks bei Erfüllung seines grundrechtsgeprägten Auftrags.Der Rundfunk wahrt gerade Distanz zum Staat und damit auch zumstaatlichen Parlament, soll nicht durch die Macht der Finanzen in derWahrnehmung seines freiheitlichen Auftrags fremdbestimmt werden.

– Die Transparenz dieser Finanzkontrolle ist deswegen weniger die einerparlamentarischen Öffentlichkeit, sondern unterstützt die interneSelbstvergewisserung der Intendanz und der programmverantwortli-chen Journalisten, unterrichtet die Aufsichtsgremien der Rundfunkan-stalten (§ 14 a RStV), erlaubt bei Beteiligung der staatlichen Rech-nungshöfe eine Publikation von deren Prüfungsergebnissen.

87 Gröpl, aaO, § 121 Rn. 15, 23.

4. Kontrolle durch die Rechnungshöfe

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Die Praxis der Rechnungsprüfung

Die Rechnungshöfe der Länder prüfen die Wirtschaftsführung der öffent-lich-rechtlichen Rundfunkanstalten einschließlich deren Beteiligungsun-ternehmen, teilen das Prüfergebnis dem zuständigen Intendanten, den je-weils zuständigen Aufsichtsgremien der Rundfunkanstalt und der Ge-schäftsführung des geprüften Beteiligungsunternehmens sowie der KEFmit (§ 14 a Satz 1 RStV). Der Rechnungshof gibt dem Intendanten der je-weiligen Rundfunkanstalt und der Geschäftsführung des Beteiligungsun-ternehmens Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Prüfergebnis und be-rücksichtigt die Stellungnahmen bei dem abschließenden Bericht über dasPrüfungsergebnis (§ 14 a Satz 2 RStV). Dieses Ergebnis teilt der Rech-nungshof den Landtagen und den Landesregierungen der die Rundfunkan-stalt tragenden Länder sowie der KEF mit. Der Abschlussbericht wird an-schließend veröffentlicht (§ 14 a Satz 3 RStV). Dabei hat der Rechnungs-hof darauf zu achten, dass die Wettbewerbsfähigkeit der geprüften Beteili-gungsunternehmen nicht beeinträchtigt wird und insbesondere Betriebs-und Geschäftsgeheimnisse gewahrt werden88.

Soweit diese Rechnungsprüfung die Rundfunkanstalten und Beteili-gungsunternehmen, auch die KEF, unterrichtet, stärkt sie die Finanzauto-nomie des Rundfunks, bekräftigt die Maßstäbe der Ordnungsmäßigkeitund Wirtschaftlichkeit von dessen Finanzgebaren, mag auch einer Selbst-verpflichtung der Rundfunkanstalten89 Entscheidungsgrundlagen bietenund dazu beitragen, die funktionsgemäße Finanzausstattung unter Wah-rung der Programmautonomie sachgerecht fortzuentwickeln.

Wenn die Rechnungsprüfung ihre Prüfungsergebnisse den Landtagenund den Landesregierungen der die Rundfunkanstalt tragenden Ländermitteilt, spricht sie die staatlichen Körperschaften und deren Organe an,die Finanzierungsverantwortung für den Rundfunk tragen und über dieHöhe des Rundfunkbeitrags bestimmen. Der Bericht und die Erörterung

b.

88 Vergl. exemplarisch § 35 MDR-Staatsvertrag für die Länder Sachsen, Sachsen-An-halt und Thüringen; §§ 14 a, 16 d RStV. Soweit Gesetze beim Prüfungsmaßstabnicht nur von "Ordnungsmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit", sondern von "Wirt-schaftlichkeit und Sparsamkeit" sprechen, macht das inhaltlich keinen Unter-schied, weil die "Sparsamkeit" ein Unterfall der "Wirtschaftlichkeit" ist, Gröpl,aaO, § 121, Rn. 9 ff; Hufeld, aaO, § 56 Rn. 8 f.

89 Zu deren Zulässigkeit vgl. BVerfGE 119, 181 (181) – Rundfunkfinanzierungs-staatsvertrag.

III. Die Transparenz des Rundfunks

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des Berichtes veranlassen diese staatlichen Verantwortungsträger, ihre Fi-nanzmaßstäbe rundfunkgerecht fortentwickeln. Sie erfahren ihr Wissenüber die Realität des finanzwirtschaftlichen Rundfunkalltags nicht nur vonden Rundfunkanstalten, sondern auch von einem mit richterlicher Unab-hängigkeit ausgestatteten, in der Rationalität der Fachprüfung erprobtenPrüfer. Die wertungs- und ergebnisoffenen Tatbestände der „Ordnungsmä-ßigkeit und Wirtschaftlichkeit“ werden durch die Prüfberichte in der Kon-kretheit von Erfahrungsdaten, quantifizierten Bewertungen, strukturellenBeanstandungen und Handlungsempfehlungen verdeutlicht. Die Gefahreiner Fremdsteuerung durch Prüfung scheint gebannt, wenn die Rech-nungsprüfung in gefestigter Praxis den Grundsatz der „Wirtschaftlichkeit“als ein rein formales, die rundfunkpolitischen und journalistischen Wer-tungen ausblendendes Prinzip handhabt, sie ihren Bericht auf Strukturfra-gen beschränkt und Einzelfragen nicht behandelt.

Mit dem Bericht an die Landesparlamente wird auch die Öffentlichkeiterreicht. Außerdem veröffentlichen die Rechnungshöfe ihren abschließen-den Bericht über das Prüfergebnis (§ 14 a S. 3 RStV). Auch diese Allge-meintransparenz ist vertretbar und hilfreich, wenn und soweit sie sich aufdie finanzielle Ausstattung der Rundfunkanstalten beschränkt, ihre wirt-schaftliche Lage, ihre Ertragserwartungen nach geltendem Gebührenrecht,ihre Defizitbereitschaft im Vergleich zu Rücklagen und zusätzlichen Erträ-gen würdigt, ihre Eigenkapitalbildung, ihre Verlustplanung und ihre Spar-samkeitsstrategien beurteilt, die Entwicklung von – formalen – Leistungs-parametern und die Verwendung der Erträge möglichst vollständig und un-mittelbar zur Finanzierung des Rundfunkauftrags fordert. Diese Prüfungder Rahmenbedingungen und Planungsgrundlagen rundfunkgerechter Fi-nanzwirtschaft verzichtet auf Aussagen zu Notwendigkeit und Qualität derEinzelprojekte der Programmplanung, kommentiert auch die festgestellteArt der Produktion – Eigenproduktion, Koproduktion, Auftragsprodukti-on, Kaufproduktion, Originalproduktion und Wiederholung – nicht odernur strukturell. Allerdings beurteilt der Rechnungshof die Finanzplanun-gen einschließlich der strukturellen und dauerhaften Reduzierung der Auf-wendungen, betont die Erforderlichkeit nachhaltiger Planung, fordert fürPlanungsänderungen nachhaltige Gründe, die dargestellt und offen gelegtwerden müssen, verweist in diesem Zusammenhang auch auf eine von der

4. Kontrolle durch die Rechnungshöfe

49

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ARD selbst angekündigte „Transparenzoffensive“90. Die Information derRechnungshöfe erreicht zunächst Rundfunk, Parlament und Regierung, so-dann im abschließenden Bericht auch die Öffentlichkeit.91 Hier zeigt sicheine inzwischen strukturell gefestigte und gediegene Prüfungspraxis aufdem Weg zwischen dem beherzten Eintreten für Wirtschaftlichkeit undSparsamkeit und dem subtilen Respekt vor der freiheitlichen Selbstbestim-mung von Rundfunkprogrammen und Rundfunkkonzeption. Die Prüfungselbst ist immer wieder aktuell und strukturell in ihren Maßstäben undVerfahren prüfungsbedürftig.

Ergebnis

Im Ergebnis wirkt und handelt der öffentlich-rechtliche Rundfunk nachden Prinzipien einer rundfunkeigenen, einzigartigen Transparenz. SeinProgrammangebot ist allgemein zugänglich und für jedermann verfügbar.Seine Organisation ist auf Distanz zu Staat und Wirtschaft angelegt, indieser Unabhängigkeit für die Öffentlichkeit ersichtlich. Die Struktur derAufsichtsgremien schafft Transparenz bei deren Zusammensetzung, derenThemen und bei Vorkehrungen gegen äußere Einflüsse. Die Trennungzwischen allgemeiner Rundfunkgesetzgebung und Festsetzung der Rund-funkbeiträge schirmt die Rundfunkfreiheit gegen die Macht des „goldenenZügels“ ab. Die Finanzierung durch den Rundfunkbeitrag sichert in derÖffentlichkeit einer separaten Gesetzgebung und des Gesetzesvollzugs dieinnere und äußere Unabhängigkeit des Rundfunks; sie bedarf stetigerÜberprüfung. Das Recht der Rundfunkfinanzierung sieht in der KEF eineeigene Institution vor, die den Finanzbedarf des öffentlich-rechtlichenRundfunks prüft, realitäts- und gegenwartsgerecht feststellt und der staatli-chen Entscheidung über die Gebührenhöhe damit eine fachliche Grundla-ge gibt. Diese – einzigartige – Bedarfsfeststellung folgt abgestuften Trans-parenzerfordernissen, die sich von allgemeinen Maßstäben des Haushalts-wesens abheben und den Besonderheiten des öffentlich-rechtlichen Rund-funks gerecht werden. Die Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Ver-

5.

90 Vgl. exemplarisch Landesrechnungshof Sachsen-Anhalt, Wesentliche Ergebnisseder Prüfung der wirtschaftlichen Lage des MDR, 24.9.2014.

91 Zur allgemeinen mitschreitenden Prüfung und Beratung durch die Rechnungshöfevgl. Gröpl, aaO, § 121 Rn. 53 f. Im Rundfunkrecht dürfte die Gelegenheit zur Stel-lungnahme nach § 14 a S. 2 RStV stets einer Veröffentlichung vorausgehen.

III. Die Transparenz des Rundfunks

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wendung der Rundfunkmittel wird sodann von den Rechnungshöfen über-prüft, die der Öffentlichkeit die Ergebnisse ihrer gegenwartsnahen Prüfun-gen berichten, ihren Abschlussbericht veröffentlichen und in ihren Berich-ten an die Landesparlamente ebenfalls die Öffentlichkeit erreichen.

5. Ergebnis

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Informationsfreiheit und rundfunkgerechte Transparenz

Mit den Informationsfreiheitsgesetzen des Bundes und der Länder seit200592 sucht der Gesetzgeber den freien Fluss von Informationen vomStaat zum Bürger zum Grundsatz zu erheben, Informationseinschränkun-gen zum Schutz öffentlicher Belange und privater Interessen hingegen alsAusnahmen zu qualifizieren.93 Während bisher der verfassungsrechtlicheGrundkonflikt der Informationsfreiheit mehr in der Verteidigung der Sphä-re des Bürgers gegenüber dem Zugriff des Staates gesehen worden ist, be-trifft nunmehr nach einem „Paradigmenwechsel“94 der Grundkonflikt dieOffenheit des Staates für einen Informationszugriff seiner Bürger. Es gehtum Wissensgenerierung95 für die Bürger. Deren Informationsfreiheitsrechtsoll ein Instrument zur Kontrolle der Verwaltung durch die Bürger, mittel-bar aber auch zur Meinungs- und Willensbildung in der Demokratie wer-den96.

Das Grundrecht auf Information (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG)

Recht auf Informationsbeschaffung, nicht auf besondereInformationsquellen

Das Grundrecht der Informationsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) begründetkeine allgemeine Publizitätspflicht des Staates, sondern bezieht sich auf„allgemein zugängliche Quellen“. Der Schutzbereich des Art. 5 GG um-

IV.

1.

a.

92 Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bundes vom 5. Septem-ber 2005, BGBl I, 2722, geändert durch Art. 2 Abs. 6 Gesetz zur Strukturreformdes Gebührenrechts des Bundes vom 7.8.2013, BGBl I, 3154; zu den europarecht-lichen Grundlagen vgl. Schoch, Informationsfreiheitsgesetz, Kommentar, ²2016,Einl. Rn. 88 ff., 91 ff. (Eigenverwaltungsrecht der EU: Transparenzgebot), 155 ff.(Unionsverwaltungsrecht: sektorspezifisches Richtlinienrecht).

93 Schoch, aaO, Einl. Rn. 5.94 Bröhmer, aaO, 4.95 Wollenschläger, Wissensgenerierung im Verfahren, 2009, 8 f.96 Fehling, Freier Informationszugang zwischen öffentlichen und privaten Interessen,

DVBl 2017, 79 (80)

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fasst kein Recht auf Eröffnung einer Informationsquelle.97 Die Informati-onsfreiheit kann deshalb nicht als Quasi-Leistungsrecht auf Informations-lieferung verstanden werden. 98 Geschützt ist das Recht auf Informations-beschaffung aus allgemein zugänglichen Quellen, nicht auf eine besondereInformationsquelle oder auf eine individuelle Antwort.99

Ein Jedermannsrecht auf behördliche Auskunft und Akteneinsicht wür-de auch die Balance zwischen Transparenz und Vertraulichkeit 100 stören,den Staat in seinen Funktionsbedingungen treffen, praktisch unerfüllbarsein und gut organisierten Verbänden und Gruppen ein Instrument derFunktionsstörung in die Hand geben. Deswegen müsste ein Jedermanns-recht auf behördliche Information in die Grenzen eines berechtigten Inter-esses, einer persönlichen Betroffenheit gewiesen werden. Modellnorm istdie Justizgewähr des Art. 19 Abs. 4 GG. Dieses Jedermannsrecht er-schließt den Rechtsweg nur demjenigen, der die Verletzung eigener Rech-te durch die öffentliche Gewalt geltend macht.101 Popularklagen oder Ver-bandsklagen werden von der Garantie des Art. 19 Abs. 4 GG nicht erfasst.Selbst wenn es ein Individualrecht auf Transparenz von staatlichen Behör-den gäbe, würde dieses herkömmlich den Betroffenen vorbehalten.

Die Information als „Rohstoff“ der Informationsgesellschaft

Die Information gilt als „Rohstoff“ der Informationsgesellschaft, be-schreibt unter diesem Stichwort die vielfältigen Nutzungsmöglichkeitenvon Informationen, die eine Kontrolle staatlichen Handelns erlaubt, dieTeilhabe des Bürgers am Staatsgeschehen verbessert, die Wahrnehmungvon Rechten ermöglicht, die Entwicklung des Menschen zum wissens-und willensbestimmten Entscheider und zum mündigen Bürger beför-dert.102

b.

97 BVerfGE 103, 44 (59 f.)- Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal.98 BVerfGE 103, 44 (59) – Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal.99 Kloepfer, Öffentliche Meinung, Massenmedien, in: HStR III, ³2005, § 42 Rn. 56;

Kube, Neue Medien – Internet, in: HStR IV, ³2006, § 91 Rn. 69 f; Schmidt-Jort-zig, Meinungs- und Informationsfreiheit, in: HStR VII, ³2007, § 162 Rn. 36 f.

100 Vgl. oben zu I 1.101 Zu den Voraussetzungen Sachs, in: ders., Grundgesetz, Kommentar, 72014,

Art. 19 Rn. 126 f. mN.102 Masing, VVDStRL 63 (2004), 377 (393 ff.); Schoch, aaO, Einleitung Rn. 3, 15,

48 f.

1. Das Grundrecht auf Information (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG)

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Das Jedermannsrecht, „sich aus allgemein zugänglichen Quellen unge-hindert zu unterrichten“, begründet grundsätzlich einen Anspruch nur aufTeilhabe an einer bereits für die Allgemeinheit erschlossenen Quelle. Le-diglich soweit es für den Zugang zu den tatsächlichen Grundlagen derFreiheitsausübung erforderlich ist, kann das Grundrecht des Art. 5 Abs. 1S. 1 GG auch einen Anspruch auf Informationsbeschaffung, also einenLeistungsanspruch begründen.103 Das Bundesverfassungsgericht betont ingefestigter Rechtsprechung, dass das Informationsgrundrecht wie die Me-diengrundrechte keinen Anspruch auf die Eröffnung nicht allgemein zu-gänglicher Quellen begründen,104 das aber eine vorhandene Öffentlichkeit– dort: der Grundsatz der Gerichtsöffentlichkeit – einen Anspruch auf Ur-teilsabdruck und Entscheidungszusendung begründen kann.105 Das Bun-desverwaltungsgericht anerkennt – ebenfalls unmittelbar unter Rückgriffauf Art. 5 Abs. 1 S. 1 und nicht auf ein Pressegesetz oder ein Informations-freiheitsgesetz106 –, dass ein Auskunftsanspruch der Medien allenfallsdann besteht, wenn andernfalls die Wahrnehmung ihrer grundrechtlichenFreiheit gefährdet wäre.107

Die Medien sind informationsberechtigt, nicht informationsverpflichtet

Soweit Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG den Medien einen Anspruch nicht nur aufNutzung allgemein zugänglicher Informationsquellen gewährt, sonderndarüber hinaus Leistungsansprüche zur Erleichterung und Förderung die-ses Nutzungsanspruchs begründet, sind die Medien stets Freiheitsberech-

c.

103 Vgl. grundsätzlich Starck, Staatliche Organisation und staatliche Finanzierung alsHilfe zur Grundrechtsverwirklichung?, in: Starck (Hrsg.), Bundesverfassungs-gericht und Grundgesetz, 1976, Bd. I, 480 f.; Kloepfer, Grundrechte als Entste-henssicherung und Bestandsschutz, 1970, 14; Winkler, Der verfassungsunmittel-bare Auskunftsanspruch der Medien im Kontext, VerwArch 2016, 536 (537)

104 BVerfGE 103, 44 (59 f.) – Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal; BVerfGE 119, 309(319) – Gerichtsfernsehen.

105 BVerfG, NJW 2015, 3708 (3710) – Zusendung eines strafgerichtlichen Urteils;vgl. auch BVerfGE 103, 44 (59 f) – Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal; BVerfGE119, 309 (319) – Gerichtsfernsehen.

106 Vgl. dazu Winkler, aaO, VerwArch 2016, 536 (538 f.).107 BVerwG, NVwZ 2016, 1020 (1022) – freies Abgeordnetenmandat, nicht man-

datsbezogene Inanspruchnahme der Abgeordnetenpauschale; BVerwGE 152, 241(246) – Gutachten durch den Wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundesta-ges; BVerwGE 151, 348 (350 ff.) – Bundesanstalt für Immobilienaufgaben.

IV. Informationsfreiheit und rundfunkgerechte Transparenz

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tigte, nicht Freiheitsverpflichtete. Art. 5 Abs. 1 S. 1 begründet ein Jeder-mannsrecht, berechtigt insoweit auch die Medien, mag bei der Medienfrei-heit wegen deren Informations- und Kontrollaufgabe gegenüber denStaatsorganen in der repräsentativen Demokratie108 besondere Ansprücheauf Informationserleichterung begründen. Grundsätzlich aber sind die Me-dien informationsberechtigt wie Jedermann.109

Diese für die freiheitliche Verfassungsstruktur des Grundgesetzes maß-stabgebende Unterscheidung zwischen freiheitsverpflichtetem Staat undfreiheitsberechtigten Grundrechtsträgern scheint durch die Informations-freiheitsgesetze infrage gestellt zu werden, soweit diese die öffentlich-rechtliche Organisation des Rundfunks zum Anlass nehmen, um diesenRundfunk zu einer informationspflichtigen Behörde zu machen, obwohlder öffentlich-rechtliche Rundfunk – wie alle Medien – Freiheitsberechtig-ter ist und deswegen an den grundrechtlich und gesetzlich gewährleistetenInformationsfreiheiten teilhat.

Die Informationsfreiheitsgesetze

Voraussetzungsloser Anspruch auf Informationszugang

Die Informationsfreiheitsgesetze110 begründen einen Anspruch auf Infor-mationszugang für jedermann, gewähren im Wesentlichen einen Anspruchauf Akteneinsicht und auf Auskunft.111 Bis zum Inkrafttreten des IFG(Bund)112 sah das Bundesrecht einen voraussetzungslosen – von Selbstbe-troffenheit und berechtigtem Interesse unabhängigen – Informationszu-gang nur für Einzelbereiche des Verwaltungsrechts vor. Insbesondere dasUmweltinformationsrecht, das Registerrecht, das Archivrecht, das Stasi-Unterlagenrecht und das Verbraucherinformationsrecht begründen ein Je-dermannsrecht auf besondere, tatbestandlich umgrenzte Informationen.113

2.

a.

108 BVerfGE 20, 162 (175 f.) – Spiegel; BVerfGE 25, 256 (268) – Blinkfüer;BVerfGE 50, 234 (239 f.) – Ausschluss eines Reporters.

109 Winkler, VerwArch 2016, 536 (539).110 Für eine Übersicht über die geltenden Gesetze Schoch, aaO, Einl. Rn. 202 f.111 Vgl. exemplarisch Gesetz zur Regelung des Zugangs zu Informationen des Bun-

des (IFG) v. 5.9.2005, BGBl. I, 2722, geändert durch Gesetz v. 7.8.2013, BGBl. I,3154, dort § 1.

112 Vgl. Fn. 111.113 Schoch, aaO, Einl. Rn. 27 ff; Fehling, DVBl. 2017, 79 (81).

2. Die Informationsfreiheitsgesetze

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Das allgemeine Datenschutzrecht kennt Informationsansprüche meistnur für Daten über die eigene Person. Sie gelten grundsätzlich auch fürden öffentlich-rechtlichen Rundfunk.114 Das Erheben, Verarbeiten oderNutzen personenbezogener Daten zu journalistisch-redaktionellen Zwe-cken modifiziert diesen Anspruch jedoch erheblich. Zudem tritt an dieStelle des Bundes- oder Landesbeauftragten für Datenschutz ein besonde-rer Datenschutzbeauftragter der jeweiligen Rundfunkanstalt. 115

Besondere Informationsrechte der Medien kennen die Landespressege-setze, die dem presserechtlichen Auskunftsanspruch nachgebildeten rund-funkrechtlichen Informationsansprüche nach dem Rundfunkstaatsvertrag,auch das Stasi-Unterlagengesetz und die Grundbuchordnung. Im Übrigenentwickelt die Rechtsprechung einen – ungeschriebenen – Anspruch aufermessensfehlerfreie behördliche Entscheidung über den Antrag auf Infor-mationszugang.116 Das BVerwG leitet einen Auskunftsanspruch der Pressedirekt aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG ab.117

Abwägung von Informationszugang und Vertraulichkeitsrechten

Diese Neuregelung begründet aber nicht einen strukturellen Wechsel voneiner „Arkantradition“ hin zu einer offenen Exekutive mit umfassender öf-fentlicher Überwachungsmöglichkeit der Verwaltungs- und Regierungstä-tigkeit durch die interessierte Öffentlichkeit.118 Vielmehr begegnet der An-spruch auf Informationszugang entgegenstehenden Vertraulichkeits- undGeheimhaltungsrechten und muss auf diese abgestimmt werden.

b.

114 Das BayDSG gewährt in § 36 einen Anspruch, der dem Informationsfreiheits-recht zumindest ähnlich ist, dazu sogleich Fn. 151.

115 Art. 20 f. BayRG; §§ 16-18 Deutschlandradio-Staatsvertrag; § 3 Abs. 5, 37HDSG; §§ 39-42 des Staatsvertrages des Mitteldeutschen Rundfunks; § 41und 42 des Staatsvertrages über den Norddeutschen Rundfunk; §§ 1 und 36BremDSG; §§ 36 f. des Staatsvertrages über den Rundfunk Berlin-Brandenburg;§ 11 SMG; § 39 SWR-Staatsvertrag; § 37 BW LDSG; §§ 48 f. des Gesetzes überden Westdeutschen Rundfunk; §§ 16 f. des Staatsvertrages über das Zweite Deut-sche Fernsehen.

116 BGH, NJW 2015, 3648; VGH BW, VBLBW 2014, 355 (356); vgl. auch § 29VBVFG, § 25 SGB X, Schoch, aaO, Einl. Rn. 38.

117 BVerwG DVBl. 2013, 1118.118 Fehling, DVBl 2017, 79 (87).

IV. Informationsfreiheit und rundfunkgerechte Transparenz

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Die Informationsfreiheitsgesetze regeln keinen allgemeinen Individual-anspruch auf Behördentransparenz, sondern Ansprüche auf Auskunft undAkteneinsicht, die inhaltlich in den Funktionsbedingungen des Staates, inVertraulichkeit und Datenschutz, auch in Sicherheits-, Fiskal- und Wirt-schaftsinteressen des Staates ihre Grenzen finden.119

Das IFG des Bundes – ähnlich die Gesetze der Länder – anerkennenstaatliche Sicherheitsbelange als Gründe für die Versagung des Informati-onszugangs (§ 3 Nr. 1 c, Nr. 2)120, schützen die Vertraulichkeit behördli-cher Beratungen,121 anerkennen besondere, durch Gesetz oder Verwal-tungsvorschrift geregelte Geheimhaltungs- und Vertraulichkeitspflichtensowie das Berufs- und Amtsgeheimnis (§ 3 Nr. 4).122 Der Informationsan-spruch besteht auch nicht bei vertraulich erhobener oder übermittelter In-formation, soweit das Interesse des Dritten an einer vertraulichen Behand-lung im Zeitpunkt des Antrags auf Informationszugang fortbesteht (§ 3Nr. 7)123. Schranken setzt auch der Schutz personenbezogener Daten,124

der Schutz des geistigen Eigentums und von Betriebs- und Geschäftsge-heimnissen (§ 6), ebenso der Urheberrechtschutz.125 Diese Einschränkun-gen der Informationszugangsfreiheit126 enthalten objektiv-rechtliche Ge-währleistungen und subjektive Rechtsansprüche, die aus der Informations-zugangs„freiheit“ einen Abwägungsanspruch machen.

119 §§ 3, 4, 5, 6 IFG.120 § 3 Nr. 1 c, Nr. 2 IFG:121 Insbes. § 3 Nr. 3 b, aber auch a IFG.122 § 3 Nr. 4 IFG.123 § 3 Nr. 7 IFG.124 § 5 IFG; vgl. die Rspr. des BVerfG zum Datenschutz BVerfGE 27, 1 (6) – Mikro-

zensus; BVerfGE 27, 344 (350 f.) – Ehescheidungsakten; BVerfGE 32, 373 (379)– Ärztliche Schweigepflicht; BVerfGE 35, 202 (220) – Lebach-Urteil; BVerfGE44, 353 (372 f.) – Beratungsstelle für Suchtkranke; BVerfGE 56, 37 (41 ff.) –Selbstbezichtigung des Gemeinschuldners; BVerfGE 63, 131 (142 f.) – Gegendar-stellung; BVerfGE 65, 1 (41 ff.) – Volkszählung; BVerfGE 100, 313 – Telekom-munikationsüberwachung; BVerfGE 103, 21 – Genetischer Fingerabdruck (Straf-taten in Altfällen); BVerfGE 109, 289 – Akustische Wohnraumüberwachung;BVerfGE 112, 304 – GPS-Observation; BVerfGE 115, 320 – Präventive Raster-fahndung; BVerfGE 120, 274 – Online-Durchsuchungen; BVerfGE 120, 378 –Automatisierte Erfassung von Kfz-Kennzeichen.

125 BVerwG DVBl. 2015, 1462.126 In den Einzelausprägungen insges. umstritten vgl. Fehling, DVBl 2017, 79 (81 f.,

83 f.); Schoch, aaO, Einl. Rn. 85 ff.

2. Die Informationsfreiheitsgesetze

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Dieser schonende Ausgleich zwischen Informationszugangsanspruchund Vertraulichkeitsrechten gewinnt praktische Bedeutung auch für dieRundfunkanstalten, wenn und soweit die Informationsfreiheitsgesetze aufdiese anwendbar sind.127 Die Rundfunkfreiheit garantiert insbesondere diezunächst interne und vertrauliche Recherche. Der Freiheitsberechtigte ent-scheidet, ob, wann und wie seine Informationen veröffentlicht werden.128

Die Rundfunkfreiheit als Informationsfreiheit umschließt auch das Recht,vertraulich erhobene oder übermittelte Informationen zum Schutz der In-formanten gegenüber Informationsinteressen Dritter – hier insbesonderePrivater – zu wahren.129 Dabei darf der Rundfunk auch nicht über persön-lichkeitsbezogene Daten, Urheberrechte, Betriebs- und Geschäftsgeheim-nisse im Dienste des Informationsinteresses Dritter disponieren. Schließ-lich berechtigt die Rundfunkfreiheit auch zur selbstbestimmten Gestaltungder Information: Der Redakteur rückt einiges in das Licht der Öffentlich-keit, belässt anderes im Dunkel des Nichtveröffentlichten, wählt Informa-tionen aus, akzentuiert, kommentiert und karikiert sie, wirkt im Wechselzwischen Bild und Ton mit den unterschiedlichen Informationsmitteln,wirbt in der Wahl seiner Worte und der Darstellung im Bild für eine Aus-sage oder vermittelt dem Hörer und Zuschauer eine geistige Distanz.Rundfunkfreiheit ist Informationsfreiheit des Rundfunks und der Rund-funkbediensteten, die nicht durch ein Jedermannsrecht auf Informations-zugang in Frage gestellt werden darf.

Informationszugang „gegenüber den Behörden“

Wenn die Informationsfreiheitsgesetze einen Jedermannsanspruch auf In-formationszugang begründen, zielt dieser Anspruch nicht auf allgemeineTransparenz staatlichen Handelns, sondern auf eine besondere Form derVerwaltungskontrolle, die andere staatliche Kontrollmechanismen – insbe-sondere Aufsicht, Rechnungshofkontrolle, gerichtliche Kontrolle – er-gänzt.130 Darüber hinaus verbessert der Anspruch auf Informationszugang

c.

127 Vgl. dazu sogl. unter c.128 BVerfGE 91, 125 (134) – Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal; BVerfGE 100, 313

(365) – Telekommunikationsüberwachung.129 BVerfGE 100, 313 (365) – Telekommunikationsüberwachung.130 Schoch, aaO, Einl. Rn. 49, § 1 Rn. 120.

IV. Informationsfreiheit und rundfunkgerechte Transparenz

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die Teilhabe des Bürgers am Staatsgeschehen,131 stützt und stärkt den in-formierten, dank seines Wissens demokratiefähigen Bürger. Informationist Voraussetzung der grundrechtlichen Meinungs- und Willensbildung,auf dieser Grundlage auch der lebendigen Demokratie. Der einzelne Frei-heitsberechtigte braucht die Information, um seine Rechte wirksam wah-ren zu können,132 um ökonomisch informiert als wissender Marktteilneh-mer seine Erwerbs- und Konsumfreiheiten wahrzunehmen,133 seine Per-sönlichkeitsrechte zu entfalten.134 Information und Wissen ist Grundlageselbstbestimmter Freiheit. Schließlich wird die Allgemeinheit der Infor-mation durch die Staatszielbestimmungen des Rechtsstaatsprinzips135 undinsbesondere das Demokratieprinzip gestützt136 und gefestigt.137

Nach den Informationsfreiheitsgesetzen138 besteht der Informationsan-spruch „gegenüber den Behörden“. Für sonstige Organe und Einrichtun-gen gilt das Informationsfreiheitsgesetz, „soweit sie öffentlich-rechtlicheVerwaltungsaufgaben wahrnehmen“.139 Der Begriff der „Behörde“ wird inder Rechtsordnung nicht einheitlich verwendet. 140 Behörde meint zumin-dest im Schwerpunkt eine in die Staatsverwaltung eingeordnete, organisa-torische Einheit von Personen und rechtlichen Mitteln, die mit einer ge-wissen Selbständigkeit und öffentlicher Autorität im Dienst staatlicher undvon ihm geförderter Zwecke tätig ist.141 Die Auslegung des Tatbestandes„Behörde“ ist je nach betroffenem Sachbereich unterschiedlich.142 Für den

131 Rossi, Informationszugangsfreiheit und Verfassungsrecht, 2004, 99 ff.132 Kloepfer, in: ders., Die transparente Verwaltung – Zugangsfreiheit zu öffentlichen

Informationen, 2003, 9 (18).133 Vgl. BFHE 215, 32 – Auskunftsanspruch zur Vorbereitung einer Konkurrenten-

klage gegen einen kommunalen Betrieb.134 Vgl. exemplarisch BVerfGE 79, 256 (269) – Kenntnis der eigenen Abstammung,

BVerfGE 117, 202 (226) – Vaterschaftsfeststellung; BVerfGE 120, 351 (360) –Datensammlung über steuerliche Auslandsbeziehungen.

135 Zurückhaltend Schoch, aaO, Einl. Rn. 32.136 Scherzberg, Die Öffentlichkeit der Verwaltung, 2000, 291 ff.; Schoch, aaO, Einl.

Rn. 83.137 Fehling, DVBl. 2017, 79 (80).138 Exemplarisch § 1 Abs. 1 S. 1 IFG.139 § 1 Abs. 1 S. 2 IFG.140 Gross in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann/Voßkuhle, Grundlagen des Verwal-

tungsrechts (GVwR), Band I, 22012, § 13 Rn. 85; Jestaedt, das., § 14 Rn. 37;Schoch, aaO, § 1 Rn. 10.

141 BVerfGE 10, 20 (48) – Stiftung „Preußischer Kulturbesitz“.142 Zur Entwicklung und bereichsspezifischen Bedeutung des Begriffs vgl. einge-

hend Schoch, aaO, § 1 Rn. 110 f.

2. Die Informationsfreiheitsgesetze

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Informationszugang setzt der Tatbestand „Behörde“ voraus, dass eine Stel-le dem Staat zugeordnet ist und Aufgaben öffentlicher Verwaltung wahr-nimmt.143 Zugangsverpflichtet ist die Exekutive – nicht Gesetzgebung undRechtsprechung. Der Begriff Verwaltung umfasst Regierung und vollzie-hende Gewalt.144 Voraussetzung der Wahrnehmung „öffentlich-rechtlicherVerwaltungsaufgaben“ ist die Erfüllung staatlicher oder staatlich geförder-ter Zwecke auf der Grundlage des Öffentlichen Rechts.145 § 1 Abs. 1 S. 2IFG hat insoweit nur klarstellende Bedeutung.146

Nach diesem Maßstab ist schon fraglich, ob der öffentlich-rechtlicheRundfunk eine organisatorisch dem Staat zugeordnete Stelle ist. Seine Or-ganisation als öffentlich-rechtliche Anstalt hat gerade die Aufgabe, diefreiheitsnotwendige Staatsferne dieses Rundfunks sicherzustellen. Jeden-falls aber erfüllen die Rundfunkanstalten bei ihrer Programm- und Sende-tätigkeit keine öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgabe, sondern nehmenFreiheitsrechte wahr, und geben der Informationsfreiheit von jedermannaus allgemein zugänglichen Informationsquellen eine freiheitliche Grund-lage. Deswegen spricht vieles dafür, die Rundfunkanstalten nicht alsAdressaten der Informationspflicht nach den Informationsfreiheitsgesetzenzu verstehen.

Allerdings bestimmen Landesrundfunkgesetze teilweise ausdrücklich,dass die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten informationspflichtigseien.147 Mehrere Gesetze anerkennen eine Informationspflicht nur, soweitder öffentlich-rechtliche Rundfunk Aufgaben der öffentlichen Verwaltungwahrnimmt. Einige Länder nehmen journalistisch-redaktionelle Informa-tionen vom Anspruch auf Informationszugang aus, setzen also eine grund-sätzliche Informationspflicht voraus.

Für eine praktische Handhabung der Rechtsfragen zur Transparenzempfiehlt es sich deshalb, eine Informationspflicht der Landesrundfunkan-

143 Vgl. Schoch, aaO, § 1 Rn. 116 ff.144 BVerwGE 141, 122 (Rn. 13 f.), NVwZ 2012, 251 – Anspruch auf Zugang zu amt-

lichen Informationen; vgl. auch § 1 Abs. 1 S. 2 sowie § 3 Nr. 1 Lit. a, c IFG, diejeweils eine Informationspflicht der Bundesregierung voraussetzen.

145 Schoch, aaO, § 1 Rn. 178; Rossi, aaO, Rn. 57.146 BVerwGE 141, 122 (Rn. 118) – Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informatio-

nen; BVerwG, NVwZ 2015, 1603 – Informationszugang zu mandatsbezogenenZuarbeiten der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages.

147 Vgl. sogleich zu d.

IV. Informationsfreiheit und rundfunkgerechte Transparenz

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stalten nicht generell zu verneinen.148 Dank der Ausnahmen gilt diese In-formationspflicht149 allerdings nur dann, wenn die Rundfunkanstalt außer-halb des Kerns der von ihr gewährleisteten Rundfunkfreiheit tätig wird.

Unterschiede in Geltung und Rundfunkvorbehalten

Dieser Rundfunkfreiheit als Informationsfreiheit des Rundfunks tragen dieLandesinformationsfreiheits- und -transparenzgesetze Rechnung. Nachdiesen – unterschiedlich ausgestalteten – Gesetzen sind die Rundfunkan-stalten grundsätzlich informationsfreiheitsberechtigt, nicht informations-verpflichtet. Die Länder Bayern, Hessen, Niedersachsen150 und Sachsenkennen keine Informations- und Transparenzgesetze. Deswegen gelten fürden Hessischen Rundfunk keine gesetzlichen Transparenzpflichten. DerBayerische Rundfunk begegnet einem datenschutzrechtlichen Auskunfts-anspruch gegenüber öffentlichen Stellen.151 Thüringen hat ein Informati-onsfreiheitsgesetz, nimmt aber die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstal-ten ausdrücklich von der Geltung dieses Gesetzes aus.152 In anderen Län-dern gilt das IFG für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nur, soweit sieAufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen und dies staatsver-traglich geregelt ist.153 Diese Regel ist Maßstab für Radio Bremen. Einige

d.

148 OVG NW, NVwZ 2012, 902 – Auskunftsanspruch eines Journalisten gegenüberdem WDR; bestätigt durch BVerwG, ZD 2014, 98; Schoch, aaO, § 1 Rn. 94.

149 Zum Informationsrecht der Rundfunkveranstalter gegenüber Behörden vgl. § 9 aRStV; zur Frage eines Vorrangs dieses medienspezifischen Informationsrechtsbejahend Flechsig, in: Hahn/Vesting, aaO, § 9 a RStV, Rn. 12; verneinendSchoch, aaO, § 1 Rn. 94; zum Auskunftsanspruch von Telemedien mit journalis-tisch-redaktionell gestalteten Angeboten Bay VGH, DVBl. 2017, 574.

150 § 16 NDSG gewährt grundsätzlich einen Anspruch auf Auskunft oder Aktenein-sicht bei einer datenverarbeitenden Stelle über Daten der eigenen Person.

151 Bayern gewährt in Art. 36 BayDSG einen Auskunftsanspruch (nicht Aktenein-sicht); „es spricht einiges dafür“, dass diese Kodifikation eines allgemeinen In-formationszugangsanspruchs gegenüber öffentlichen Stellen den Informations-freiheitsanspruch in Bayern abschließend regelt, Bay VGH, DöV 2017, 459; dieFrage des Gesetzesvorrangs gegenüber Kommunalsatzungen wurde im Ergebniswegen Verstoßes gegen das Erfordernis des Gesetzesvorbehalts offengelassen,aaO, 460.

152 § 2 Abs. 6 ThürIFG.153 § 2 Abs. 2 Nr. 4 LIFG BW, § 3 Abs. 7 LTranspG RLP, § 1 S. 3 SIFG (ohne Erfor-

dernis staatsvertraglicher Regelung).

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Länder nehmen journalistisch-redaktionelle Informationen vom Anspruchauf Informationszugang aus.154 Für diese Länder stellt sich damit die Fra-ge, wie weit diese Ausnahme programmerheblicher Tätigkeit reicht,155 obim Übrigen der Informationsanspruch von anderen Informationsbeschrän-kungen (Wettbewerbs- und Kartellrecht) modifiziert wird.156 Der Vorbe-halt für journalistisch-redaktionelle Informationen gilt unmittelbar für denSaarländischen Rundfunk. Der Bund und die übrigen Länder157 haben In-formationsfreiheitsgesetze, ohne deren Anwendung auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ausdrücklich zu regeln. Für den WestdeutschenRundfunk und Rundfunk Berlin-Brandenburg lassen die dort geltendenGesetze also offen, inwieweit der Rundfunk durch das IFG verpflichtet ist.Entsprechende Fragen stellen sich für das Deutschlandradio158 und dieDeutsche Welle159, die nach dem Maßstab des IFG des Bundes zu beurtei-len sein dürften.

Bei Mehrländeranstalten, die im Geltungsbereich verschiedener Länderwirken, kann ein Landesgesetzgeber allein keine verbindliche Regelungfür diese Anstalten treffen. Die – eingeschränkte – Rechtsaufsicht überden Rundfunk wird durch alle Staatsvertragsländer ausgeübt, dürfte des-halb in den Landesgesetzen nur bei einem übereinstimmenden Inhalt, imÜbrigen im Staatsvertrag eine Rechtsgrundlage finden. Der MitteldeutscheRundfunk wirkt in Sachsen, Thüringen und Sachsen-Anhalt. In Sachsengilt kein IFG. § 2 Abs. 6 des Thüringer IFG schließt eine Geltung für denöffentlich-rechtlichen Rundfunk aus. Sachsen-Anhalt kennt ein IFG mitVorbehalt für journalistisch-redaktionelle Informationen. Hier beanspruchtkein Landesgesetz Geltung für den gesamten Wirkungsbereich des MDR,der seinen Rundfunkauftrag grundsätzlich einheitlich für sein gesamtesSendegebiet erfüllt. Eine Rechtsgrundlage für einen Transparenzanspruchdürfte deshalb allenfalls entstehen, wenn die beteiligten Landesparlamentesich auf eine gleiche Regelung verständigen oder die beteiligten Länder ineinem Staatsvertrag eine gemeinsame Regel vereinbaren.160

154 § 3 Nr. 9 BremIFG, § 5 Nr. 6 HmbTG, § 3 Nr. 10 IZG LSA.155 Vgl. unten zu V 2 a.156 Vgl. unten zu V 2 c.157 Vgl. BlnIFG, BbgAIG, IFGMV, IFG NRW, IZG-SH.158 Von den Ländern errichtet, dazu Schoch, aaO, § 1 Rn. 100.159 Vgl. dazu Schoch, aaO, § 1 Rn. 169.160 Vgl. sogleich zu e.

IV. Informationsfreiheit und rundfunkgerechte Transparenz

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Entsprechendes gilt für den Norddeutschen Rundfunk, dessen Rund-funkgebiet die Länder Hamburg, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpom-mern und Schleswig Holstein umfasst. Niedersachsen kennt kein IFG. InMecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein gelten jeweils Gesetzeohne Rundfunkvorbehalt. In Hamburg gilt das IFG nicht für journalis-tisch-redaktionelle Informationen. Auch hier dürfte eine verbindlicheRechtsgrundlage für das einheitliche Sendegebiet erst durch vereinheit-lichte Landesgesetze oder durch einen Staatsvertrag entstehen.

Das Sendegebiet des Südwestrundfunks umfasst Baden-Württembergund Rheinland-Pfalz. In beiden Ländern gilt ein IFG, das aber auf die öf-fentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nur anwendbar ist, soweit sie Auf-gaben der öffentlichen Verwaltung wahrnehmen und dies staatsvertraglichgeregelt ist. Im Bereich von Rundfunk Berlin-Brandenburg stimmen dasBlnIFG und das BbgAIG darin überein, dass sie keine besonderen Regelnfür den Rundfunk enthalten. Damit haben die meisten Landesgesetze denRundfunk zumindest in seiner Kernaufgabe von den Informationspflichtender LIFG ausgenommen. Lediglich für den WDR und den rbb stellt sichdie Frage nach dem Verhältnis von Informationsfreiheit des Rundfunksund Informationsanspruch des Jedermann verfassungsunmittelbar.

Für alle Rundfunkanstalten bleibt zu prüfen, ob das jeweilige IFG aufden öffentlich-rechtlichen Rundfunk angewandt werden darf. Der Rund-funk gewährleistet in seiner Struktur als öffentlich-rechtliche Anstalt dasGrundrecht der Rundfunkfreiheit. Es ist um seiner Freiheit, seiner Distanzzum Staat willen Anstalt des öffentlichen Rechts, ist insoweit nicht Behör-de, nicht Verwaltungsstelle.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk als informierenderGrundrechtsträger

Der öffentliche rechtliche Rundfunk ist öffentlich-rechtlich organisiert undwird durch Beiträge finanziert, damit er – unabhängig von Staat und Wirt-schaft und unabhängig von Einschaltquoten und Werbeaufträgen – einProgramm anbieten kann, das den verfassungsrechtlichen Anforderungengegenständlicher und meinungsmäßiger Vielfalt entspricht. Er soll das denRegeln des Marktes folgende Programm des privatwirtschaftlichen Rund-funks ausgleichen und ergänzen, soll abgeschirmt gegen eine ökonomi-sche Fremdsteuerung durch die Macht des Geldes, die Medienkonzentrati-on und deren Kapitalverflechtung seinen Programmauftrag „unbeeinflusst

e.

2. Die Informationsfreiheitsgesetze

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von jeglicher Indienstnahme für außerpublizistische Zwecke, seien sie po-litischer oder ökonomischer Art, erfüllen.“161 Er entscheidet freiheitlich(Art. 5 Abs. 1 GG) über das Beschaffen, Bewerten und Verbreiten von In-formationen,162 ist dabei organisatorisch nach dem Modell der Gruppen-pluralität163 gegen spezielle Informationsansprüche gesellschaftlicherGruppen oder Einzelpersonen abgeschirmt. Das Recht des öffentlich-rechtlichen Rundfunks organisiert ein der Allgemeinheit dienendes Frei-heitsrecht: Die Rundfunkfreiheit ereignet sich in einem Umfeld, in demsich Meinungsvielfalt, Programmeigenständigkeit, Offenheit der Themen-wahl, verlässliche Unterrichtung und wohlbedachte Kommentierung nichtselbstverständlich entfalten. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk soll hierseine grundrechtlich geschützte Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG)im Dienst allgemein zugänglicher, vielfältiger Information aller Rund-funkteilnehmer wahrnehmen. Er handelt nicht als staatliche Behörde, son-dern als informierender, freiheitsberechtigter Grundrechtsträger.

Damit ist auch die Gleichheit der Transparenz zwischen öffentlichemund privatem Rundfunk sowie zwischen Rundfunk und anderen Mediengewährleistet. Einige der rechtspolitischen Transparenzinitiativen wollengerade in diesem Vergleich eine Verschiedenheit begründen, weil der öf-fentlich-rechtliche Rundfunk beitragsfinanziert sei. Diese Beitragsfinan-zierung will aber den Rundfunk gerade freiheitlicher und unabhängigergestalten, ihn nicht zusätzlichen Bindungen unterwerfen, die eine Erfül-lung seines Auftrags in Konkurrenz mit den privaten Anbietern erschwe-ren würde. Außerdem könnten Wettbewerbsangleichungen allenfalls über-zeugen, wenn für den privaten Rundfunk gleiche Bedingungen gelten, erinsbesondere seinen Ertrag – ähnlich dem Verfahren der KEF – auch einerBedarfskontrolle unterwerfen würde. Das aber widerspräche den Prinzipi-en von Markt und Wettbewerb.

Im Ergebnis ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk somit nach den In-formationsfreiheitsgesetzen der Länder informationsberechtigt, jedenfallsim Kern der programmerheblichen Informationen aber nicht informations-verpflichtet. Im Übrigen ergibt sich aus der Stellung des öffentlich-rechtli-

161 BVerfGE 83, 238 (311) – 6. Rundfunkurteil (WDR); BVerfGE 87, 181 (199) –Werbeverbot; BVerfGE 119, 181 (218) – Rundfunkfinanzierungsvertrag;BVerfGE 136, 9 (30 ff.) – ZDF-Aufsichtsgremien.

162 BVerfGE 91, 125 (134) – Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal; BVerfGE 100, 313(365) – Telekommunikationsüberwachung.

163 BVerfGE 136, 9 (Rn. 65 f.) – ZDF-Aufsichtsgremien.

IV. Informationsfreiheit und rundfunkgerechte Transparenz

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chen Rundfunks und seiner Mitarbeiter als Freiheitsberechtigten nachArt. 5 Abs. 1 S. 1 GG, dass sie nicht gleichzeitig freiheitsberechtigt undfreiheitsverpflichtet sein können. Der Freiheitsberechtigte aber entscheidetautonom über Ausmaß, Art und Zeitpunkt seines Informierens. Wären dieRundfunkanstalten informationspflichtig, also in ihrer Informationsfreiheitfremdbestimmt, hätte das für das Grundrechtsverständnis aller nach Art. 5Abs. 1 S. 1 GG berechtigten Medien grundsätzliche Bedeutung: Dergleichheitsrechtliche Gehalt der Medienfreiheit164 hat zur Folge, dass umder gleichen Freiheit aller Medien willen nicht für einzelne Freiheitsbe-rechtigte Sonderpflichten begründet werden dürfen. Eine offene und freieInformation und Kommunikation setzt insbesondere in ihrer Bedeutungfür die Demokratie165 voraus, dass alle Medien ungehindert und unter glei-chen Bedingungen an dem ständigen Prozess der Information, Meinungs-äußerung und öffentlichen Kritik teilnehmen.166 Diese Gleichheit undFreiheit im publizistischen Wettbewerb ist für die Medien und die Infor-mationsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG konstitutiv. Transparenzpflichten gel-ten für alle Medien oder sie gelten nicht.

Gemeinsame Länderregelung für länderübergreifende Anstalten

Dieser im Recht der Medienfreiheit angelegte Gleichheitssatz für Medi-en167 hat auch Folgen für die Landesgesetzgebungskompetenz, die grund-sätzlich je nach Gesetzgebungshoheit des Landes verschiedene Regelun-gen erlaubt. Der je eigenständige Kompetenzbereich des Landesgesetzge-bers rechtfertigt gesetzliche Differenzierungen der jeweiligen Landesge-setze. Der Hebesatz für die Gewerbesteuer168, die Maßstäbe des Hoch-schulrechts,169 die Eingriffsvoraussetzungen für die Polizei sind je nach

f.

164 BVerfGE 124, 300 (328) – Wunsiedel; vgl. auch o. I, 2 c.165 Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, in: HStR II, ³2004, § 24 Rn 3 f.,

68; Eichenberger, Beziehungen zwischen Massenmedien und Demokratie, in: FSfür Leo Schürmann, 1987, 405 f.; Schoch, VVDStRL 57 (1998), 169 (187 ff.).

166 Seit BVerfGE 7, 198 (205 ff.) – Lüth; BVerfGE 20, 162 (174 ff.) – Spiegel stRspr.167 BVerfGE 124, 300 (338) – Wunsiedel; P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, Grundge-

setz, Kommentar, 2015, Art. 3 Abs. 1, Rn. 193.168 Vgl. § 16 Abs. 1 Gewerbesteuergesetz; zur rechtfertigenden Kraft dieser Kommu-

nalautonomie gegenüber der Gleichmäßigkeit wettbewerbswirksamer Gewerbe-steuer vgl. BVerfGE 21, 54 (68 f.) – Lohnsummensteuer.

169 BVerfGE 33, 302 (352) – Numerus clausus.

2. Die Informationsfreiheitsgesetze

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Bundesland verschieden, weil der Gesetzgeber im Rahmen seiner Gesetz-gebungsautonomie diese Verschiedenheiten geregelt hat. Wenn der Lan-desgesetzgeber jedoch bei Erlass von Transparenzpflichten regionale Un-terschiede für bundesweit tätige Rundfunkanstalten begründet, könnendiese Differenzierungen nicht mehr mit dem Bundesstaatsprinzip gerecht-fertigt werden. Wenn ein in allen Ländern direkt empfangbares Rundfunk-programm nach Maßgabe von Bundesrecht (Art. 5 Abs. 1 GG) gemeinsamproduziert und ausgestrahlt wird,170 diese Gemeinsamkeit technisch not-wendig oder im Rahmen des Rundfunkauftrags geboten ist, müssen dieLänder zusammenwirken und zur Selbstkoordination Vereinbarungen tref-fen, um den Veranstaltern einheitliche – vom Grundgesetz geprägte –Maßstäbe zu bieten. Dies gilt umso mehr, wenn die Länder durch Vertragund Gesetzgebung Gemeinschaftseinrichtungen – wie die ARD und dasZDF – geschaffen haben und Gemeinschaftsprogramme171 senden. DieseOrganisationen folgen in ihrem Handeln und ihrer Finanzierung einemeinheitlichen Maßstab. Dieser wird dann „bereichsspezifisch“ rundfunkge-recht bemessen.172 Handlungsmittel ist der Staatvertrag.

Im Ergebnis ist das Recht auf Rundfunktransparenz ein objektivesRecht, das nicht die Rundfunkfreiheit und Rundfunkorganisation durchmillionenfache Berechtigungen auf Auskunft und Akteneinsicht ad absur-dum führen darf, das aber den Rundfunk, seine Organe, die KEF, dieRechts- und die Dienstaufsicht bindet, wenn sie die Rahmenbedingungenfür Rundfunk- und Informationsfreiheit bestimmen. Bei berechtigtem In-teresse und individueller Verletzung eigener Rechte mag es auch subjekti-ve Berechtigungen auf Transparenz von Medien geben. Allerdings ist In-formation der Kernauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, der inder Vielfalt der Rundfunkfreiheit, geprägt von binnenpluraler Offenheitund Unparteilichkeit, in Distanz zu Staat und Wirtschaft erfüllt werdenmuss. Diese Informationsfreiheit der Rundfunkanstalten und die Informa-

170 BVerfGE 73, 118 (196 f.) – Niedersächsisches Landesrundfunkgesetz; vgl. auchschon BVerfGE 12, 205 (254 ff.) – Fernseh GmbH.

171 § 11 b Abs. 4 RStV.172 Zur Parallele der Freizügigkeit (Art. 11 Abs. 1 S. 1 GG) vgl. BVerfGE 6, 32 (34)

– Elfes-Urteil; BVerfGE 110, 177 (191) – Freizügigkeit der Spätaussiedler; zurfreien Wahl der Ausbildungsstätte (Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG), BVerfGE 33, 303(352) – Numerus clausus; zur Anwendung von Bundesstrafrecht durch Landesge-richte BVerfGE 90, 145 (190 ff.) – Cannabis; insgesamt: P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Kommentar, Art. 3 Abs. 1, 2015, Rn. 163 ff.

IV. Informationsfreiheit und rundfunkgerechte Transparenz

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tionsvielfalt der Rundfunkangebote dürfen nicht durch Informationsbe-rechtigungen von einzelnen und Gruppen strukturell verzerrt werden.

2. Die Informationsfreiheitsgesetze

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Transparenz je nach Rundfunktätigkeit

Transparenz als entwicklungsoffener Begriff

Die öffentlichen Erwartungen an die Idee der Transparenz ändern sich mitdem Vertrauen und der Zufriedenheit der Menschen in ihren jeweiligenLebensbedingungen. Teilweise werden Transparenzforderungen auch alsgrundsätzlich erscheinende Kritik an den politischen Systemen und alsUnverständnis gegenüber den wechselnden Aufgaben des Staates verstan-den.173 Die gegenwärtige Enttäuschung über die Bonitätszahlungen anVorstände und Aufsichtsräte, das Befremden über den Abgasbetrug, dieUndurchsichtigkeit der Umverteilungspolitik der EZB unter Staaten undzwischen Anlegern und Sparern, die Wehrlosigkeit gegenüber der Intrans-parenz des Finanzmarktes und die Betroffenheit durch geheime Beobach-tungen der IT-Unternehmen führen zu Forderungen nach mehr Transpa-renz, die rechtsstaatlich notwendig und demokratisch einsichtig sind.

Deswegen ist es ein Gebot der Gegenwart, die hinter diesen Transpa-renzpostulaten sichtbar werdenden rechtlichen Forderungen in ihrem je-weiligen konkreten Anlass zu verstehen, die diesen Anlass beantworten-den Rechtsmaßstäbe zu entwickeln und auf dieser Grundlage das verfas-sungsrechtliche System des Verstehens und Respektierens, des Beobach-tens und des Verbergens, des Infragestellens und des Vertrauens zu erneu-ern. Die Frage nach dem angemessenen Grad der Transparenz ist– „bereichsspezifisch“ nach den jeweiligen Besonderheiten des betroffe-

nen Lebensbereichs zu würdigen;174

– nach den dort bestimmenden Eigengesetzlichkeiten mit sachgerechtenund einleuchtenden Unterscheidungen je nach Ähnlichkeiten und Ver-

V.

1.

173 Bröhmer, aaO, 4 ff.174 Der Gedanke der "bereichsspezifischen" Unterscheidung ist vom BVerfG für den

Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG entwickelt worden, BVerfGE 75, 108 (157)– Künstlersozialversicherungsgesetz; BVerfGE 76, 256 (329) – Beamtenversor-gung; BVerfGE 78, 249 (287) – Fehlbelegungsabgabe; BVerfGE 84, 239 (271) –Kapitalertragsteuer; BVerfGE 93, 121 (135) – Vermögensteuer; BVerfGE 96, 1(6) – Weihnachtsfreibetrag; BVerfGE 105, 17 (46) – Sozialpfandbriefe; BVerfGE120, 1 (30) -Abfärberegelung; P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, Art. 3 Abs. 1 GG,Kommentar, 2015, Rn. 314 ff. mwN.

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schiedenheiten in die Gesamtrechtsordnung, insbesondere des Verfas-sungsrechts, einzufügen;175

– sodann in einem schonenden Ausgleich zwischen den so sichtbar ge-wordenen Leitgedanken176 von Transparenz und Vertraulichkeit zu be-antworten.

Für die Transparenz von Organisation und Finanzgebaren der Rundfunk-anstalten ist die Transparenz deshalb in der bereichsspezifischen Eigenarteines in staatlicher Existenz-, Organisations- und Finanzverantwortungfreien Rundfunks177 zu würdigen. Die spezielle – auch dem Beitragszahlerund Rundfunkteilnehmer dienende – Rundfunkfreiheit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks qualifiziert diesen als Informationsmittler für dieAllgemeinheit, nicht als Schuldner von individuellen Informationsansprü-chen. Die Besonderheit eines dualen Rundfunksystems fordert für dieTeilnahme an Markt und Wettbewerb – jenseits des redaktionell-journalis-tischen Auftrags – zudem eine Gleichheit in den Bedingungen eines freienRundfunks.

Informationsauftrag und sonstige Tätigkeit des Rundfunks

Wenn der Rundfunk seinen Informationsauftrag in freiheitlicher Vielfalt,in Distanz zu Staat und Wirtschaft, in Unparteilichkeit und Entwicklungs-offenheit erfüllt, erreicht er Transparenz grundsätzlich mit der Wahrneh-mung dieser Aufgabe. Er unterliegt besonderen Transparenzverpflichtun-gen aber auch, wenn er jenseits dieser Rundfunktätigkeit handelt. Für dieTransparenzfrage sind diese unterschiedlichen Aufgaben tatbestandlichdeutlich abzugrenzen: Das Staatsrecht fordert die Unterscheidung zwi-schen journalistisch-redaktioneller und sonstiger Tätigkeit (zu a). Das Eu-roparecht unterscheidet zwischen „Dienstleistungen von allgemeinemwirtschaftlichen Interesse“ und individualdienlichen kommerziellen Tätig-keiten (zu b). Das Wettbewerbs- und Kartellrecht anerkennt die verfas-sungsrechtlich gewährleistete Autonomie des Rundfunks bei seinem Infor-

2.

175 P. Kirchhof, aaO, Rn. 138 ff. mN.176 P. Kirchhof, aaO, Rn. 383 ff. mN.177 Zur internationalen Kooperation und zur transnationalen Standardsetzung Cor-

nils, Entterritorialisierung im Kommunikationsrecht, VVDStRL 76 (2016), 391(406 ff., 413 ff.)

2. Informationsauftrag und sonstige Tätigkeit des Rundfunks

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mationsauftrag einschließlich der Informationsbeschaffung178 und derWahl der Verbreitungswege und Verbreitungsmodalitäten179 –, beurteiltaber jenseits dieser Aufgabe eine Tätigkeit auch des öffentlich-rechtlichenRundfunks nach den Regeln von Markt und Wettbewerb (zu c).180

Die staatsrechtliche Aufgabe prägt die gesamte Tätigkeit desRundfunks

Das Bundesverfassungsgericht181 betont in ständiger Rechtsprechung, dassder öffentlich-rechtliche Rundfunk seinen Programmauftrag unabhängigvon den Gesetzmäßigkeiten des Marktes zu erfüllen hat. Er wendet sichnicht nur an den zahlungsfähigen und zahlungsbereiten Nachfrager, son-dern erreicht mit seinem Allgemeinangebot eine große Breite des Publi-kums. Er gerät dank seiner Beitragsfinanzierung auch nicht in Abhängig-keit von Werbeanbietern und Sponsoren. Er publiziert – anders als der aufdie Bedürfnisse und den Geschmack der werbeerheblichen Mehrheit aus-gerichtete kommerzielle Anbieter – auch Beiträge zur demokratischen In-tegration, zur Pflege und Entwicklung einer Kultur, zur Festigung und Er-neuerung einer friedlichen und verantwortlichen Gesellschaft. Der öffent-lich-rechtliche Rundfunk dient in seiner Markt- und Staatsferne einerFernseh- und Hörfunkpublizistik, die auch regionale Besonderheiten, kul-turelle Minderheiten, Spartensendungen – auch auf dem Weg zur Mehr-heitssendung – pflegt.182

Andererseits fragt der öffentlich-rechtliche Rundfunk auch im redaktio-nell-journalistischen Bereich Leistungen in Konkurrenz zu anderen Nach-fragern nach und steht im Bieterwettbewerb mit anderen Produzenten. Ererwirbt Sportrechte, bemüht sich um Moderatoren, Kommentatoren undExperten, die auch von anderen Medien umworben sind, ist auf dem Mu-sik- und Filmmarkt einer der bedeutenden Financiers dieser Kunst. Er bie-

a.

178 BVerfGE 51, 125 (134) – Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal; BVerfGE 100, 313(365) – Telekommunikationsüberwachung.

179 BVerfGE 87, 181 (203) – HR 3-Beschluss; BVerfGE 107, 275 (287 f.) - Benet-ton-Werbung.

180 BGH v. 12.4.2016 – KZR 31/14, Rn. 42 ff. – Gemeinschaftsprogramme.181 BVerfGE 136, 9 (29 f.) – ZDF-Aufsichtsgremien mwN.182 Vgl. auch Wirtschaftsforschungsinstitut DIW, Öffentlich-rechtlicher Rundfunk in

einer konvergenten Medienwelt – Eine ökonomische Analyse, Gutachten, erstat-tet im Auftrag der ARD, 5.10.16.

V. Transparenz je nach Rundfunktätigkeit

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tet weltweit seine Informationen, Filme, Musikproduktionen zum Kauf an.Deswegen neigen der BGH183 und die wettbewerbsrechtliche Literatur184

dazu, diese Marktteilhabe des öffentlich-rechtlichen Rundfunks am Maß-stab des Wettbewerbsrechts zu messen.

Damit stellt sich die Frage, wie weit der publizistische Programmauf-trag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten reicht, der unabhängigvon den Gesetzmäßigkeiten des Markts zu erfüllen ist, und wann der wirt-schaftliche Wettbewerb beginnt, der nach den Regeln des Wettbewerbs-und Kartellrechts abläuft. Diese Frage betrifft das Thema der Transparenzunmittelbar, weil eine Rundfunkanstalt, die ihr Nachfragebudget oder ihrekonkrete Nachfragebereitschaft veröffentlichen würde, Informationen aus-tauschen könnte, die als abgestimmtes Verhalten unter Wettbewerbern ge-deutet werden könnten.185

Hier besteht ein grundsätzlicher Klärungsbedarf, der im Dialog zwi-schen Rundfunkverfassungsrecht und Privatrecht zu beantworten ist. Ver-tiefungsbedürftig sind insbesondere folgende Problembereiche:

Staatsrechtlich vorgegeben ist, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunkgerade nicht durch Einschaltquoten, Werbeaufträge und Sponsoren gesteu-ert werden soll. Seine öffentlich-rechtliche Organisationsform, seine bin-nenplurale Prägung und seine Beitragsfinanzierung fordern Distanz zuMarkt und Wettbewerb.186 ARD und ZDF werden gemeinsam – bewusstmarkt- und wettbewerbsfern – aus den Erträgen des Rundfunkbeitrags fi-nanziert, sind deshalb in ihrer Finanzgrundlage und deren Ausgestaltunginsbesondere durch die KEF und den Gesetzgeber nicht Wettbewerber un-tereinander. Eine gesetzlich erschlossene Abgabenquelle und eine markt-offene Entgeltwirtschaft bilden nicht einen gemeinsamen Markt. Auch inder Binnensicht des Wettbewerbsrechts wäre es verfehlt, die Beitragsfi-nanzierung als einen markterheblichen Wettbewerbsvorteil zu qualifizie-ren. Die Beitragsfinanzierung wird nämlich bei den öffentlich-rechtlichenRundfunkanstalten kompensiert durch fremdbestimmte Vorgaben für das

183 BGH v. 12.4.2016 – KZR 31/14, Rn. 42 ff – Gemeinschaftsprogramme.184 Mestmäcker/Schweitzer, in: Immenga/Mestmäcker, EU-Wettbewerbsrecht, 52012,

AEUV, Art. 106, Rn. 67 f.; vgl. auch Eifert, in: Hahn/Vesting, aaO, § 16 a RStV,Rn. 4 f.; Jung, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Kommentar, 72016, Rn. 43 ff.

185 Vgl. BGH v. 12.4.2016 – KZR 31/14, Rn. 42 ff – Gemeinschaftsprogramme; vgl.auch Thomas, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht Bd. 2, 52014, GWB§ 36 Rn. 329 ff.

186 BVerfGE 12, 205 (262) – Fernseh-GmbH; BVerfGE 90, 60 (88) – Rundfunkge-bühr.

2. Informationsauftrag und sonstige Tätigkeit des Rundfunks

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Beitragsgesamtaufkommen, wettbewerblich gesprochen: des wesentlichenJahresertrags. Wenn hier Startgleichheit zwischen öffentlich-rechtlichenAnstalten und privaten Unternehmen hergestellt werden sollte, müsste derJahresertrag der privaten Anbieter in ähnlicher Weise – durch die KEF undden Gesetzgeber – begrenzt werden. Eine solche Beschränkung widersprä-che offensichtlich der Berufs-, Eigentümer- und Unternehmerfreiheit derbetroffenen Rundfunkunternehmen.

Die wettbewerbliche Ausgangslage ist deshalb von Rechts wegen be-wusst in ihrer Verschiedenheit vorgezeichnet: Die privaten Anbieter fol-gen den Gesetzmäßigkeiten des Marktes, die öffentlich-rechtlichen Anbie-ter sind von den Gesetzmäßigkeiten öffentlich-rechtlich organisierter undfinanzierter Rundfunkfreiheit geprägt. Das duale System bestimmt vonVerfassungs wegen den hier allein zulässigen verfassungsgeprägten Wett-bewerb.

Auf dieser Grundlage lässt sich der staatsrechtlich bestimmte Eigenbe-reich der Rundfunkfreiheit deutlicher begrenzen. Nach Art. 5 Abs. 1 S. 2GG ist der öffentlich-rechtliche Auftrag des Rundfunks durch die Rund-funkfreiheit bestimmt. Grundlage der Tätigkeit des öffentlich-rechtlichenRundfunks, insbesondere seiner Programmgestaltung, sind der Auftrag desArt. 5 Abs. 1 S. 2 GG und die diesen Auftrag präzisierenden Staatsverträgeder Länder. Dabei trennt § 16 a RStV den öffentlichen Rundfunkauftragvon der „kommerziellen Tätigkeit“ des Rundfunks, um die Verschieden-heit beider Bereiche zu betonen und insbesondere das „Verbot der Quer-subventionierung“ aus Rundfunkbeitragsmitteln zu gewährleisten.187 Nachdieser Unterscheidung zwischen Programm- und Sendetätigkeit einerseitsund kommerzieller Tätigkeit andererseits gehört die Nachfrage des öffent-lichen Rundfunks zum Programmauftrag, wenn diese Nachfrage – nachInformationen, Senderechten, Sendebeteiligten, Programmmitarbeitern –der Erfüllung ihres Rundfunkauftrags dient. Diese Tätigkeit der Rund-funkanstalten fällt in den sachlichen Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 S. 2GG, ist demnach Gegenstand des staatsrechtlich geprägten Auftrags.188

Rundfunkfreiheit ist insbesondere Programmfreiheit.189 Informationsrecht-lich sichert diese Programmfreiheit vor allem das Beschaffen und Verbrei-ten von Informationen. Die Programmfreiheit „gewährleistet, dass Aus-

187 Eifert, in: Hahn/Vesting, aaO, § 16 a RStV, Rn. 1, 5.188 BVerfGE 83, 238 (303 f.) – 6. Rundfunkurteil (WDR).189 BVerfGE 59, 231 (258) – Freier Rundfunkmitarbeiter; BVerfGE 87, 181 (201) –

HR 3-Beschluss; BVerfGE 90, 60 (87) – Rundfunkgebühr.

V. Transparenz je nach Rundfunktätigkeit

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wahl, Inhalt und Gestaltung des Programms Sache des Rundfunks bleibenund sich an publizistischen Kriterien ausrichten können. Es ist der Rund-funk selbst, der aufgrund seiner professionellen Maßstäbe bestimmen darf,was der gesetzliche Rundfunkauftrag in publizistischer Hinsicht verlangt.“Die verfassungsrechtlich garantierte Programmfreiheit erstreckt sich auchauf die Verbreitung der Rundfunkprogramme, insbesondere auch auf dieEntscheidung über die Verbreitungswege und Verbreitungsmodalitäten.190

Eine Indienstnahme des Rundfunks für außerpublizistische Zwecke ist da-mit unvereinbar.191 Diese institutionelle und individuelle Freiheit wehrteine unmittelbare Einflussnahme Dritter auf das Programm ab, aber auchEinflüsse, welche die Programmfreiheit mittelbar beeinträchtigen kön-nen.192 Ein Rechtsanspruch Dritter auf programmerhebliche Informationenverletzt insoweit die Programmfreiheit.

Wird der Rundfunk hingegen jenseits seines grundrechtlichen Auftragstätig – beschafft er sich die alltäglichen Güter einer Unternehmensorgani-sation, wird er durch Verkauf von Fernsehfilmen als Kinofilme tätig, übter erwerbswirtschaftliche Tätigkeit wie das Vermieten und Verpachten vonRäumen aus, verhandelt er mit einer Bank Art und Konditionen eines Kre-dits – so ist der Rundfunk aus seinem Sonderstatus herausgetreten und un-terliegt den allgemeinen Regeln des Privatrechts und des ÖffentlichenRechts.193

Der Rundfunk überschreitet in anderer Weise seinen Programm- undSendeauftrag, wenn seine Mitarbeiter die Tatbestände der Bestechung, derParteilichkeit, der Befangenheit erfüllen. In diesen Fällen kann ein Infor-mationsanspruch begründet sein, wenn der Informationssuchende Tatsa-chen vorträgt, die einen Verdacht von Bestechlichkeit, Parteilichkeit, Be-fangenheit begründen.

Die Rundfunkfreiheit fordert eine positiv gesetzliche Ordnung für denöffentlich-rechtlichen Rundfunk, welche sicherstellt, dass dieser Rundfunk„die Vielfalt der Themen und Meinungen aufnimmt und wiedergibt, die in

190 BVerfGE 87, 181 (203) – Rundfunkwerbeverbot.191 BVerfGE 90, 60 (87) – Rundfunkgebühr; unter Hinweis auf BVerfGE 87, 181

(201) -– HR 3-Beschluss.192 BVerfGE 73, 118 (183) – Grundversorgung; BVerfGE 90, 60 (87) – Rundfunkge-

bühr.193 Zur grundsätzlichen Befugnis, nicht zur Pflicht des Gesetzgebers, eine kommer-

zielle Tätigkeit zu ermöglichen, und zu deren verfassungsrechtlichen Grenzenvgl. BVerfGE 119, 181 (214, 220) – Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag.

2. Informationsauftrag und sonstige Tätigkeit des Rundfunks

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der Gesellschaft eine Rolle spielen. Zu diesem Zweck sind materielle, or-ganisatorische und prozedurale Regelungen notwendig, die an der Aufga-be des Rundfunks orientiert sind und erreichen können, was Art. 5 Abs. 1GG in seiner Gesamtheit bewirken will“.194

Dieses Gesetzesrecht muss die Informationsbeziehungen und die Infor-mationsquellen des Rundfunks schützen, gewährleistet die Freiheit undVertraulichkeit der Berichterstattung von der Beschaffung der Informationbis zur Verbreitung der Nachricht und der Meinung.195 Art 5 Abs. 1 Satz 2GG schützt „namentlich die Geheimhaltung der Informationsquellen unddas Vertrauensverhältnis zwischen Presse bzw. Rundfunk und den Infor-manten“.196 Dieser Schutz ist für den Rundfunk – ebenso für die Presse –unentbehrlich, weil seine Informationsquellen nur dann ergiebig fließen,wenn sich der Informant grundsätzlich auf die Wahrung des Redaktionsge-heimnisses verlassen kann.197

Im Ergebnis umfasst die staatsrechtlich geprägte Rundfunkfreiheit desArt. 5 Abs. 1 S. 2 GG alle mit dem Rundfunkprogramm zusammenhängen-den Tätigkeiten von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitungder Nachricht und der Meinung. Die Begegnung des Rundfunks mit seinenInformanten, die Erschließung und Nutzung von Informationsquellen, dieAuswahl der Programmmitwirkenden, die Gestaltung des Programms inInhalt und Form sowie die Verbreitung des Programm folgen den Regelndes staatsrechtlichen Rundfunkauftrags, sind allein von diesem geprägt.

Soweit die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sich in diesemrechtlichen Rahmen ihrer Programmtätigkeit bewegen, sie also den Vorga-ben des GG, der Staatsverträge der Länder und der Landesmediengesetzefolgen, gelten die Regeln des Wettbewerbsrechts nicht – nicht für den Pro-grammeinkauf, nicht für die Programmgestaltung, nicht für die Pro-grammverbreitung, nicht für die Verteilung des Rundfunkbeitragsaufkom-mens, nicht für die Aufnahme von Werbesendungen sowie deren Abgren-zung zum redaktionellen Programm.198

194 BVerfGE 90, 60 (88) – Rundfunkgebühr unter Hinweis auf BVerfGE 57, 295(320) – Saarländisches Rundfunkgesetz; BVerfGE 83, 238 (296) – 6. Rundfunk-urteil (WDR).

195 BVerfGE 91, 125 (134) – Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal; BVerfGE 100, 313(365) – Telekommunikationsüberwachung.

196 BVerfGE 100, 313 (365) – Telekommunikationsüberwachung.197 BVerfGE 100, 313 (365) – Telekommunikationsüberwachung.198 Vgl. vorerst Weisser, in: Frankfurter Kommentar zum Kartellrecht, GWB 2013,

§ 130, Rn. 79, 80.

V. Transparenz je nach Rundfunktätigkeit

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AEUV: Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse

Das Unionsrecht errichtet einen Binnenmarkt (Art. 3 Abs. 3 EUV) und be-gründet auf dieser Grundlage ein weitgreifendes Verbot wettbewerbsbe-schränkender Vereinbarungen und Verhaltensweisen (Art. 101 AEUV),nimmt aber nach Art. 106 Abs. 2 AEUV Unternehmen aus, „die mitDienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betrautsind“. Ob die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten zu diesen Unter-nehmen gehören, war zwischen den Gemeinschaftsorganen und zwischender Union und den Mitgliedstaaten lange streitig.199 Das „Protokoll überden öffentlich-rechtlichen Rundfunk der Mitgliedstaaten“ zum Vertrag vonAmsterdam,200 das unverändert als Protokoll Nr. 29 in den Vertrag vonLissabon übernommen worden ist,201 hat jedoch die Befugnis der Mit-gliedstaaten klargestellt, ihren Rundfunkanstalten Aufgaben im öffentli-chen Interesse zu übertragen. Die Kommission hat sich in ihren Mitteilun-gen über die Anwendung der Beihilfevorschriften auf den öffentlich-recht-lichen Rundfunk202 ausdrücklich für die Anerkennung der Tätigkeit desöffentlich-rechtlichen Rundfunks als Dienstleistung von allgemeinemwirtschaftlichen Interesse ausgesprochen.203

Die klare Trennung des „Bereichs des öffentlichen Auftrags“ und des„kommerziellen Bereichs“ beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk fordert

b.

199 Pernice, in: Grabitz/Hilf, EU, 6. Erg.-Liefg. Stand 1994, Art. 90 Rn. 37 a; Werni-cke, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EU, 43. Erg.-Liefg. Stand 04/2011, Art. 106Rn. 46; Jung, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 72016, Art. 106 Rn. 43.

200 Vertrag von Amsterdam, Protokoll über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk inden Mitgliedstaaten, Protokoll Nr. 9, ABl. 1997, C 340/1, 109.

201 Vertrag von Lissabon, Protokoll (Nr. 29) über den öffentlich-rechtlichen Rund-funk in den Mitgliedstaaten, ABl. 2012, C 326/1, 312.

202 Mitteilung der Kommission über die Anwendung der Vorschriften über staatlicheBeihilfen auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk vom 27.10.2009, ABl. 2009,C 257/1, Rn. 17, 32 ff.; diese Mitteilung ersetzt die Kommissionsmitteilung vom15.11.2001, ABl. 2001, C 320/5.

203 Vgl. auch Beschluss der Kommission vom 20.7.2010 zur Vertragskonformität derNeuordnung des Finanzierungssystems für den öffentlich-rechtlichen Rundfunkin Spanien (RTVE), ABl. 2011, L 1/9, Rn. 56 f.; zum Gesamten Jung, aaO,AEUV Art. 106, Rn. 43 f.; Mestmäcker/Schweitzer, in: Immenga/Mestmäcker,EU-Wettbewerbsrecht, 52012, AEUV, Art. 106, Abs. 2 Rn. 67 ff.; Eifert, aaO,RStV § 16 a Rn. 4 f.

2. Informationsauftrag und sonstige Tätigkeit des Rundfunks

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das Einstellungsschreiben der Kommission204 ausdrücklich. Es sind die er-forderlichen Rechtsvorschriften zu erlassen, um eine getrennte Buchfüh-rung zu gewährleisten, zwischen Dienstleistungen von allgemeinem wirt-schaftlichen Interesse und sonstigen Tätigkeiten zu unterscheiden. Die Fi-nanzierung der öffentlichen Rundfunkanstalten ist auf die Nettokosten desöffentlichen Auftrags zu beschränken. Rein kommerzielle Tätigkeiten sindnicht durch eine staatliche Garantie zu begünstigen. Eine Überkompensie-rung und eine Quersubventionierung kommerzieller Tätigkeiten sind aus-zuschließen. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten seien zu einemmarktkonformen Verhalten gegenüber Dritten und gegenüber ihren ge-werblichen Tochtergesellschaften zu verpflichten und in dieser Verpflich-tung regelmäßig extern zu kontrollieren. Maßstab ist dabei der Fremdver-gleich.205

Das Europarecht anerkennt somit den öffentlich-rechtlichen Rundfunkund seinen verfassungsbestimmten Handlungsauftrag im Rahmen des Bin-nenmarktes und als Ausnahme von den Wettbewerbsregeln, fordert abereine klare Trennung zwischen diesem speziellen Rundfunkauftrag und denkommerziellen Tätigkeiten der Rundfunkanstalten. Die Grenzen dieserAufgabenbereiche sind europarechtlich gefordert, aber nicht definiert. Siesind in der Erwerbsfunktion einer kommerziellen Tätigkeit insbesondereals zulässige Finanzierungsquelle jenseits der vorrangigen Beitragsfinan-zierung zu finden, sodann daraufhin zu überprüfen, ob sie die Unabhän-gigkeit der Rundfunkanstalten gegenüber dem Staat stärken und ob undwann die Risiken einer kommerziellen Orientierung verfremdend auf diefreie Programmgestaltung einwirken.206

204 Europäische Kommission, Staatliche Beihilfe E 3/2005 (ex- CP 2/2003,CP 232/2002, CP 43/2003, CP 243/2004 und CP 195/2004) – Deutschland: DieFinanzierung der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten in Deutschland – Ein-stellungsschreiben, Rn. 315 ff.

205 Einstellungsschreiben, aaO, Rn. 318 f.; die Bundesrepublik Deutschland hat imRahmen des „Beihilfekompromisses“ die Umsetzung dieser Vorgaben zugesagt,Einstellungsschreiben, Rn. 342 f.; zum Ganzen Eifert, aaO, RStV § 16 a Rn. 4.

206 BVerfGE 119, 181 (220) – Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag.

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Rundfunkauftrag und Wettbewerbsrecht

Bundeswettbewerbsrecht und Landesrundfunkrecht

Die Gesetzgebungskompetenz innerhalb des Bundesstaates teilt dasGrundgesetz auf Bund und Länder so auf, dass jeder Gesetzgeber für denjeweiligen Sachbereich eine eigene Kompetenz hat, die Kompetenz deseinen grundsätzlich – strikt, klar, unverfügbar –, die des anderen aus-schließt.207 Die Art. 70 ff. GG weisen dem jeweiligen Gesetzgeber seineKompetenz so zu, dass Kompetenzüberschneidungen ausgeschlossen sind,Kompetenzübergriffe zur Nichtigkeit des übergreifenden Gesetzes füh-ren.208 Der Grundsatz des Art. 31 GG „Bundesrecht bricht Landesrecht“hat deswegen kaum praktische Bedeutung.209 Die Gleichheit „vor demGesetz“ (Art. 3 Abs. 1 GG) gilt grundsätzlich nur innerhalb des jeweiligenRegelbereiches.210 Der Auftrag an den Gesetzgeber, gleichwertige Le-bensverhältnisse im Bundesgebiet herzustellen und die Rechts- und Wirt-schaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse zu wahren, begründet nur fürdas Regelungsthema Steuern eine Kompetenz für den Bundesgesetzgeber(Art. 105 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 72 Abs. 2 GG). Im Übrigen ergibtsich die Kompetenz von Bundes- oder Landesgesetzgeber aus den Katalo-gen der Sachgegenstände nach Art. 73 und 74 GG. Das Erfordernis gleich-wertiger Lebensverhältnisse und der Rechts- oder Wirtschaftseinheit nachArt. 72 Abs. 2 GG begründet ein zusätzliches Kompetenzerfordernis, wirktalso kompetenzverengend, nicht kompetenzbegründend.211

Der Schutz des wirtschaftlichen Wettbewerbs ist nach Art. 72 Abs. 1 inVerbindung mit Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG Gegenstand der Bundesgesetz-

c.

aa)

207 Isensee, HStR VI, 32008, § 133 Rn. 48 ff.; Rengeling, HStR VI, 32008, § 135Rn. 16 ff.;vgl. auch Pietzcker, HStR VI, 32008, § 134 Rn. 2 ff.

208 Zum praktisch bedeutsamen Problem einer bundesgesetzlichen Regelung einesSachbereichs mit „abschließendem Charakter“ vgl. BVerfGE 67, 299 (324) – La-ternengarage; BVerfGE 98, 265 (301) – Bayerisches Schwangerenhilfeergän-zungsgesetz; BVerfGE 102, 99 (114) – Landesabfallgesetz NRW;BVerfGE 109, 190 (229) – Nachträgliche Sicherungsverwahrung; BVerfGE 113,348 (371) – Vorbeugende Telekommunikationsüberwachung.

209 Pietzcker, HStR I, 32006, § 134 Rn. 36 ff.; P. M. Huber, in: Sachs, Grundgesetz,Kommentar, 72014, Art. 31 Rn. 10 f.

210 Vgl. oben IV 2 f.211 Vgl. BVerfGE 106, 62 (135 ff.) – Altenpflegegesetz; BVerfGE 111, 226 (255) –

Juniorprofessor.

2. Informationsauftrag und sonstige Tätigkeit des Rundfunks

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gebung.212 Gleiches gilt nach Art. 72 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 74Abs. 1 Nr. 16 GG für das Kartellrecht.213 Das Rundfunkrecht ist Gegen-stand der Landesgesetzgebung.214 Diese beiden Kompetenzbereiche über-schneiden sich nicht, weil der Rundfunk seinen Auftrag unabhängig vonMarkt und Wettbewerb zu erfüllen hat,215 der Rundfunk seine Erwerbs-grundlage nicht im wirtschaftlichen Wettbewerb, sondern im Rundfunk-beitrag findet, das finanzielle Jahresergebnis des Rundfunks nicht von sei-nem wettbewerblich erzielten Markterfolg abhängt, sondern von dem Bei-tragsaufkommen, das die Landesparlamente regeln, die KEF aufgrund vonAnmeldungen der ARD und des ZDF empfehlend vorzeichnet. Zwar gabes Abgrenzungsfragen für das Verhältnis von Kartellrecht und Pressekon-zentration, auch zur Konzentrationskontrolle des Rundfunks. Diese sindaber so zu beantworten, dass die Kompetenzgrundlage des Art. 74 Abs. 1Nr. 16 GG nicht greift, wenn rundfunk- oder kulturpolitische Ziele ver-folgt werden.216 Eine Rundfunkkonzentrationskontrolle durch den Bunderscheint schon deshalb unvertretbar, weil die Landesgesetze die Konzen-tration der Rundfunkanstalten innerhalb der ARD, die Zusammenarbeitvon ARD und ZDF in Gemeinschaftsprogrammen, die Gesamtfinanzie-rung von ARD und ZDF durch den Rundfunkbeitrag und dessen Bemes-sung in einem ARD und ZDF verbindenden Anmelde-, Entscheidungs-und Kontrollverfahren regeln. Die Landesgesetzgeber lassen sich bei die-sen Bestimmungen von dem Rundfunkauftrag und den ihm zugrundelie-genden Freiheiten und Unabhängigkeiten leiten, auch von der Bedeutungdes Rundfunks für Demokratie und Kultur bestimmen. Dieses fein austa-rierte System des öffentlich-rechtlichen Rundfunks darf nicht durch bun-desgesetzliche Interventionen verfremdet werden.

Im Ergebnis ist der Landesgesetzgeber allein für die Regelung desRundfunks zuständig. Er hat diese Zuständigkeit zur Regelung eines vomWettbewerb unabhängigen Rundfunks genutzt.217 Das Europarecht hat dieEigenart des öffentlich-rechtlichen Rundfunks anerkannt und ihn nach

212 Vgl. BVerfGE 26, 246 (254) – Ingenieurgesetz.213 Rengeling, HStR VI, 32008, § 135 Rn. 249.214 BVerfGE 12, 205 (225 f., 249 f.) – Fernseh-GmbH.215 BVerfGE 90, 60 (90) – Rundfunkgebühr; BVerfGE 119, 181 (219) – Rundfunkfi-

nanzierungsstaatsvertrag; BVerfGE 136, 9 (Rn. 32) – ZDF-Aufsichtsgremien.216 Rengeling, aaO, Rn. 250 mN.217 Soeben zu a.

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dem Maßstab des Art. 106 AEUV vom Wettbewerb ausgenommen.218

Diese Grundentscheidung könnte durch den RStV nochmals klargestelltwerden. Der Bundesgesetzgeber dürfte diese Entscheidung allenfallsdurch eine wettbewerbsrechtliche Bereichsausnahme bestätigen.

Journalistisch-redaktionelle und kommerzielle Tätigkeit desRundfunks

Das Wettbewerbs- und Kartellrecht anerkennt eine weitgreifende, von Ver-fassungs wegen autonome Informationsaufgabe des öffentlich-rechtlichenRundfunks, schützt aber jenseits dieser Aufgabe einen Wettbewerb, andem der öffentlich-rechtliche Rundfunk bei bestimmter Beschaffungstätig-keit und kommerzieller Marktteilhabe beteiligt und deswegen rechtlichdort gebunden ist.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist von Anfang an nicht als Unter-nehmensrecht konzipiert. Der Rundfunk wurde als Einrichtung geschaf-fen, die „im Grunde genommen niemand gehört“.219 Er ist ein „eminenterFaktor“ der öffentlichen Meinungsbildung, dessen Gesamtprogramm „einMindestmaß von inhaltlicher Ausgewogenheit, Sachlichkeit und gegensei-tiger Achtung“ der gesellschaftlichen Gruppen gewährleistet.220 Der öf-fentlich-rechtliche Rundfunk hat einen Kulturauftrag, der erst mit demUmbruch zum dualen Rundfunksystem mit dem Wettbewerbs- und Kar-tellrecht der freien Marktwirtschaft in Konkurrenz gerät.221 Dabei ist dasKonzept des ökonomischen Wettbewerbs im Verhältnis öffentlich-rechtli-cher Rundfunkveranstalter untereinander nicht als Mittel der Vielfaltsiche-rung vorgesehen.222 Dieses zeigt sich heute vor allem darin, dass die in derARD zusammengeschlossenen Rundfunkanstalten Gemeinschaftspro-gramme als gemeinsame Aufgabe veranstalten (§ 11 b Abs. 1 RStV), sie

bb)

218 Soeben zu b.219 Rede von Reinhold Maier am 22.7.1949 bei der Übergabe von Radio Stuttgart in

„deutsche Hände“, zit. nach Bausch, Rundfunk in Deutschland, 1980, Bd. III,105.

220 BVerfGE 12, 205 (250, 263) – Fernseh-GmbH.221 Wittig-Terhardt, Rundfunk und Kartellrecht, AfP 1986, 298 (299); Hoffmann-

Riem, Rundfunkrecht neben Wirtschaftsrecht, 1991, 15 f., zusammenfassend:207 f.; Bremer/Esser/Hoffmann, Der Rundfunk in der Verfassungs- und Wirt-schaftsordnung in Deutschland, 1992, 24 f.

222 Hoffmann-Riem, aaO, 207.

2. Informationsauftrag und sonstige Tätigkeit des Rundfunks

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damit über diese Programme und deren Verbreitung, auch über die da-durch entstehenden Kosten gemeinsam entscheiden. Mit der Ausstrahlungmacht sich jede Landesrundfunkanstalt rundfunkrechtlich das Programmzu eigen und gilt auch im Außenverhältnis als verantwortlicher Veranstal-ter. Diese Rundfunkanstalten stehen mithin untereinander nicht im Wettbe-werb.223 Auch die ARD und das ZDF veranstalten Gemeinschaftspro-gramme (§ 11 b Abs. 4 RStV), sind insoweit nicht Wettbewerber. Jenseitsdieser Gemeinschaftsprogramme allerdings stehen die ARD und das ZDF– nicht anders als mit den privaten Programmveranstaltern – nach Auffas-sung des BGH224 „in Wettbewerb nicht nur um Zuschauer, sondern auchum Werbekunden“.

Der BGH hatte zu entscheiden, ob der Betreiber von Breitbandkabelnet-zen, der die erforderlichen Kapazitäten für die bundesweite Verbreitungder gesetzlich bestimmten beitragsfinanzierten Programme von ARD undZDF zur Verfügung zu stellen hat (§ 52 b Abs. 1 Nr. 1 RStV), für die Ver-breitung dieser Programme ein Entgelt verlangen kann,225 und ob dieRundfunkanstalten dem Betreiber von Kabelnetzwerken ihre Programmekostenlos überlassen müssen. In diesem Streit anerkennt der BGH in derPerspektive des Wettbewerbsrechts die verfassungsrechtlich gewährleiste-te Autonomie der Rundfunkanstalten, die sich auch auf die Wahl der Ver-breitungswege erstrecke.226 Das Gericht beanstandet jedoch nach § 1GWB, dass ARD und ZDF sich darauf verständigt hätten, fortan keinemKabelnetzbetreiber mehr ein Entgelt für die Einspeisung von Programmin-halten zu zahlen und zur Umsetzung dieses gemeinsamen Vorhabens be-stehende Einspeiseverträge zu kündigen. Dies sei eine abgestimmte Ver-haltensweise, die dem Verbot des § 1 GWB unterfällt.227 Diese Abstim-mung des Verhaltens unter Wettbewerbern durch den Austausch von Infor-mationen über ihr künftiges Marktverhalten habe nach der Lebenserfah-rung auch ohne weiteres Zutun nachteiligen Einfluss auf den Wettbe-werb.228

223 BGH v. 12.4.2016 – KZR 31/14, Rn. 47 – Gemeinschaftsprogramme.224 BGH v. 12.4.2016 – KZR 31/14, Rn. 47 – Gemeinschaftsprogramme..225 Vgl. BGH v. 16.6.2015 – KZR 83/13, BGHZ 205, 355, Rn. 18 f. – Einspeiseent-

gelt; BGH v. 12.4.2016 – KZR 31/14, Rn. 25 f. – Gemeinschaftsprogramme.226 BGH v. 12.4.2016 – KZR 31/14, Rn. 33 – Gemeinschaftsprogramme.227 BGH v. 12.4.2016 – KZR 31/14, Rn. 44 f.– Gemeinschaftsprogramme.228 BGH v. 12.4.2016 – KZR 31/14, Rn. 51 – Gemeinschaftsprogramme.

V. Transparenz je nach Rundfunktätigkeit

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Gegenüber dem vermeintlichen Wettbewerb zwischen ARD und ZDF –außerhalb der von beiden veranstalteten Gemeinschaftsprogramme – istjedoch daran zu erinnern, dass für alle Anstalten des öffentlich-rechtlichenRundfunks die Finanzierungsquelle der Rundfunkbeitrag ist, die Höhe desBeitragsaufkommens von der KEF und dem Gesetzgeber nach den zusam-menwirkenden Bedarfsanmeldungen von ARD und ZDF beurteilt werden,der Markt als Ertragsquelle strukturell keine Rolle spielen darf, der Markt-wettbewerb demnach für den Rundfunk kein rechtfertigendes Verfahrenfür Erfolg und Misserfolg am Markt, für Sieger und Besiegte im Wettbe-werb ist.229 ARD und ZDF finanzieren sich nicht je nach unterschiedli-chem Markterfolg beim Zuschauer (Quote) oder beim vertraglichen Ent-geltpartner, sondern stützen ihre Finanzierung auf eine staatlich bestimmteAbgabe, die eine allgemeine – auf viele Schultern der Wohnungs- und Be-triebsinhaber verteilte – Abgabepflicht begründet, diese maßvoll und sozi-alverträglich gestaltet, damit jedermann den Zugang zu diesem allgemei-nen Programm sichert. Den ertragsberechtigten Rundfunkanstalten ist jedeMöglichkeit genommen, auf die Höhe des Abgabeaufkommens durch Ge-staltung des Rundfunkangebots „gewinnmaximierenden“ Einfluss zu neh-men. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sind nicht wettbewerb-lich, sondern abgabenrechtlich finanziert.

Soweit der BGH auf den „Wettbewerb“ von ARD und ZDF um Werbe-kunden und Zuschauer (Quote) verweist230, dürfen nach dem staatsrechtli-chen Konzept der Unabhängigkeit des Rundfunks von Markt und Wettbe-werb231 die Rundfunkwerbung und das Bemühen um Zuschauer geradekeine Abhängigkeit vom Wettbewerb begründen. Der öffentlich-rechtlicheRundfunk muss funktionsgerecht so finanziert werden, dass er „unabhän-gig von Einschaltquoten und Werbeaufträgen“ ein Programm anbietenkann, dass den verfassungsrechtlichen Anforderungen eines gegenständ-lich und meinungsmäßig hinreichend vielfältigen Gesamtprogramms ent-spricht.232 Die „verfassungsrechtlichen Defizite des privaten Rundfunksan gegenständlicher Breite und thematischer Vielfalt“233 wird nur hinge-

229 Zu dieser Funktion des Wettbewerbs vgl. P. Kirchhof, Mittel staatlichen Han-delns, in: HStR V, 32007, § 99 Rn. 35 f.

230 BGH v. 12.4.2016 – KZR 31/14, Rn. 47 – Gemeinschaftsprogramme.231 BVerfGE 90, 60 (90) – Rundfunkgebühr; BVerfGE 119, 181 (219) – Rundfunkfi-

nanzierungsstaatsvertrag; BVerfGE 136, 9 (Rn. 132) – ZDF-Aufsichtsgremien.232 BVerfGE 90, 60 (90) – Rundfunkgebühr.233 BVerfGE 90, 60 (90 f.) – Rundfunkgebühr (1994).

2. Informationsauftrag und sonstige Tätigkeit des Rundfunks

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nommen, solange und soweit der öffentlich-rechtliche Rundfunk dank sei-ner Bestands- und Entwicklungsgarantie, die zugleich eine Finanzierungs-garantie ist, die ihm aufgegebene Programmbreite, Programmvielfalt undProgrammentwicklung leisten kann.234 Die Rundfunkwerbung ist stetsdaraufhin zu überprüfen, ob sie ein geeignetes Instrument ist, um die Dis-tanz zum Staat zu stärken, oder ob sie freiheitsbegrenzende Rückwirkun-gen auf die Rundfunkautonomie hat235 und deshalb unzulässig ist.236

Konkurrenz von öffentlichem und privatem Rundfunk

Im Rahmen des dualen Systems stehen die öffentlich-rechtlichen Rund-funkanstalten zwar in faktischer Konkurrenz zu den privaten Anbietern.Sie sind jedoch in einem Ausgewogenheitskonzept gebunden. Der öffent-lich-rechtliche und der private Veranstalter müssen unabhängig voneinan-der ein Gesamtangebot in gleichgewichtiger Vielfalt in der Berichterstat-tung erreichen. Wenn die öffentlich-rechtlichen Veranstalter ihrerseits einausgewogenes Programm senden, darf nicht eine Verengung oder Einsei-tigkeit des privaten Sektors zu einer Unausgewogenheit des Gesamtange-botes führen, die das Ziel des Art. 5 Abs. 1 GG verfehlen würde.237 DerGesetzgeber darf zwar bei der Zulassung privaten Rundfunks eine Pro-grammgestaltung zulassen, die sich aus der Werbefinanzierung des priva-ten Rundfunks ergibt.238 Erleichterungen dieser Art sind aber nur hin-nehmbar, soweit die unerlässliche Grundversorgung der Bevölkerung vomöffentlich-rechtlichen Rundfunk ohne Einbuße gesichert ist.239 Die Bei-tragsfinanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks rechtfertigt sichaus dessen Auftrag, unabhängig von Wirtschaft und Wettbewerb das ver-

cc)

234 BVerfGE 90, 60 (91) – Rundfunkgebühr.235 BVerfGE aaO.236 P. Kirchhof, Die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, 2010, S. 21.237 BVerfGE 57, 295 (324) - Privatfunk Saarland; BVerfGE 83, 238 (297) – 6. Rund-

funkurteil (WDR).238 BVerfGE 73, 118 (158 f.) – Grundversorgung; BVerfGE 74, 297 (325) – Landes-

mediengesetz Baden-Württemberg; BVerfGE 83, 238 (297) – 6. Rundfunkurteil(WDR); BVerfGE 90, 60 (90) – Rundfunkgebühr.

239 BVerfGE 73, 118 (157 f.) – Grundversorgung; BVerfGE 83, 238 (297) - 6. Rund-funkurteil (WDR).

V. Transparenz je nach Rundfunktätigkeit

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fassungsrechtlich geforderte Programm in Vielfalt, Weite und Entwick-lungsoffenheit anzubieten.240

Im diesem dualen System stehen somit öffentlich-rechtlicher und priva-ter Rundfunk nicht in einem Wettbewerb, in dem der eine mit seinem Pro-gramm den anderen in der Empfangsbereitschaft des zahlenden Rund-funkteilnehmers verdrängen will. Vielmehr haben öffentlicher und privaterRundfunk im Zusammenwirken ein Gesamtangebot ausgewogener Vielfaltherzustellen. Sie stützen sich auf je eigene, unabhängig voneinander wirk-same Finanzierungsquellen: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk finanziertsich aus dem Rundfunkbeitrag, der private aus Werbeaufträgen oder indi-viduellen Entgelten der Rundfunkempfänger (Pay-TV). Das Rundfunk-recht schützt die Rundfunkfreiheit der Programmanbieter, das Wettbe-werbsrecht die wirtschaftliche Freiheit der Unternehmen.241 Das Pro-grammangebot der öffentlich-rechtlichen Veranstalter ist unabhängig vonEinschaltquoten und Werbeaufträgen und muss dieses von Verfassungswegen sein.242

Soweit Anstalten des öffentlichen Rundfunks mit privaten Leistungsan-bietern und Leistungsnachfragern konkurrieren, hängt der Rechtsmaßstabfür diese Konkurrenz davon ab, ob Angebot und Nachfrage des Rundfunkssich auf sein Programmangebot auswirken. Fragt der Rundfunk Grundstü-cke, Kantinenleistungen oder Fahrdienste nach, ist diese Nachfrage nichtBestandteil des Programmauftrags. Diese Nachfrage am allgemeinen,nicht rundfunkspezifischen Markt folgt den Regeln des Wettbewerbs- undKartellrechts. Steht der Rundfunk hingegen in Konkurrenz bei der Nach-frage nach Filmen, nach Musik, nach Kommentatoren oder Moderatoren,wirkt sich diese Nachfrage unmittelbar auf das Programm aus. DieseNachfrage gestaltet das Programm, ist deshalb vom staatsrechtlichenRundfunkauftrag bestimmt.

240 BVerfGE 90, 60 (90 f.) – Rundfunkgebühr; vgl. auch BVerfGE 87, 181 (201) –HR 3-Beschluss.

241 LG München, NJW 1989, 988 (989) – Entscheidung der Rundfunkanstalt, einMusikstück nicht mehr zu senden, als Programmgestaltung.

242 BVerfGE 73, 118 (158) – Grundversorgung; BVerfGE 90, 60 (90 f.) – Rundfunk-gebühr.

2. Informationsauftrag und sonstige Tätigkeit des Rundfunks

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Aktuelle Einzelfolgerungen

Selbstvergewisserung und Selbstdarstellung des Rundfunks

Die aktuelle Diskussion um die Transparenz des öffentlich-rechtlichenRundfunks betrifft weniger die Ersichtlichkeit und öffentliche Kontrollier-barkeit der Rundfunkorganisation, sondern mehr die Sachlichkeit, Unpar-teilichkeit und Glaubwürdigkeit der Programme.243 Der öffentlich-rechtli-che Rundfunk müsse neue „Leuchttürme von Qualität und Verlässlichkeit“errichten, die Person des Berichterstatters und Moderators gegenüber denSachverhalten zurücknehmen, eine Selbstdistanzierung der Rundfunkbe-teiligten von den etablierten Rollen und Routinen – hin zu mehr Nach-denklichkeit, Beurteilungsimpulsen, Integrationsbereitschaft – entwickeln.Eine „neue Ehrlichkeit“ gegenüber den Erwartungen der Rundfunknutzerist geboten, die insbesondere eine nüchterne Information, eine sachlicheModeration, eine Befähigung zur demokratischen Eigenbeurteilung derNutzer fordert. Angesichts der neuen Kommunikationsräume, die einzelneNutzergruppen mit den Informationen und Wertungen ansprechen, die dortschon vorgefunden und dann in „Echokammern“ verstärkt werden, mussder öffentlich-rechtliche Rundfunk eine Gesamtöffentlichkeit herstellen, ineinem Vollprogramm Interessen und Sichtweisen weiten, Fehlinformatio-nen durch Tatsachenberichte widerlegen, Hass und Häme mit dem Stil ei-gener Gelassenheit und Nüchternheit beantworten.

Vor allem wird der öffentlich-rechtliche Rundfunk der Anonymität vonMeinungszirkeln in den neuen Medien entgegenwirken müssen. Organi-sierte Aufgeregtheit wird durch einen Journalismus der Fakten, der nach-haltigen Informationslinien, des in der Stetigkeit erprobten und bewährtenKommentars aufgefangen werden können. Das breite Angebot von Infor-mation, Bildung, Kultur und Unterhaltung muss grundsätzlich in allentechnisch möglichen Verbreitungswegen – insbesondere auch durch eigenePlattformen – möglich sein. Wichtige Adressaten des Sendeangebots sindKinder und Jugendliche, Heranwachsende und Studierende in ihrem Infor-

VI.

1.

243 Vgl. insbesondere jüngst: Tagung „Auftrag der Zukunft: Agenda und Struktur desöffentlich-rechtlichen Rundfunks von morgen“, am 12. 3. 2017 in Berlin, BerichtARD, Generalsekretariat, v. 14. 3. 2017.

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mations- und Unterhaltungsbedürfnis, Wissen und Wissenschaft, Familienund Erwerbstätige insbesondere in ihren Alltagsbedürfnissen (und ihrertäglichen Zufriedenheit). Der Fernsehzuschauer, der zwei Stunden „aufdem Sofa sitze und zuschaue“, sei Vergangenheit. Die Zukunft gehöredem Nutzer, der den Zeitpunkt seiner Programmteilhabe selbst bestimme,im Programm aktiv beteiligt werden wolle, auch die Möglichkeit zum Dia-log mit den Rundfunkanstalten stetig vorfinde.

Das Programm wird nicht durch immer mehr Fakten, nicht durch Dis-kussionen in abrupten Gegenläufigkeiten, nicht durch Andeutung, Vermu-tung und Argwohn transparent. Eine Sendung wird nicht schon dadurchverständlicher und durchsichtiger, dass die dem Betrachter und Betroffe-nen verfügbare Informationsmenge vermehrt wird. Überinformation istNichtinformation. Transparenz fordert deshalb auch Reduktion von Kom-plexität. Gerade dem Rundfunkwesen ist eigen, unübersichtliche Sachver-halte inhaltlich zu strukturieren, in ihrem Kern zu typisieren, das Wesentli-che hervorzuheben, die Wirklichkeit in einfacher, verständlicher Sprachezu vermitteln. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben deshalbbegonnen, durch Veröffentlichung von Mediendaten, von Geschäfts- undGremienberichten, durch Informationen zu Auftragsvergabe und Gehalts-strukturen, durch Hörer- und Zuschauerforen und in Verfahren der Pro-grammbeschwerden mehr Sichtbarkeit, Dialogbereitschaft und Selbstkritikzu gewährleisten. Diese Informationspolitik steht dem Rundfunk in Ergän-zung seines Informationsauftrags als Informationsmittler gut an.

Gehälter und Honorare

Die Landesrundfunkanstalten haben in den vergangenen Jahren die Vergü-tungen ihrer Intendanten und teilweise auch ihrer Direktoren veröffent-licht. Diese Ersichtlichkeit der Gehälter schützt vor Argwohn und Miss-deutungen, vor Übertreibungsfantasie und vor realem Übermaß. Im öffent-lichen Dienst ist die Transparenz der Gehälter geläufig. Die Besoldungs-gesetze nennen die Besoldungsgruppen. Der Haushaltsplan weist die Ein-gruppierung der jeweiligen Stelle aus. Die hergebrachten Grundsätze desBerufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5 SGG) sichern in aller Öffentlichkeit,dass der Gesetzgeber die Bezüge des Beamten so bemisst, dass sie ihmund seiner Familie einen nach Aufgabe und Entwicklung der allgemeinenVerhältnisse angemessenen Lebensunterhalt gewähren. Auf der Grundlage

2.

2. Gehälter und Honorare

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dieses Alimentationsprinzips244 soll sich der Beamte in maßvoller wirt-schaftlicher Unabhängigkeit ganz seinen Dienstaufgaben widmen.

In dieser Transparenz könnten auch die Bezüge der leitenden Mitarbei-ter, letztlich aller tarifvertraglich und außertariflich bezahlten Mitarbeiterbemessen und ersichtlich gemacht werden. Die Ausforschung wicheeinem gelassenen Wissen. Erwägenswert wäre auch, Gehaltstabellen, Ta-rifverträge oder typisierte Gehaltskorridore – vergleichbar der Informationder Bundestagsabgeordneten über die Höhe ihrer Nebentätigkeit – von denRundfunkanstalten zu veröffentlichen.

Der Leitgedanke der Rundfunkfreiheit ist nicht die Erwerbstätigkeit,sondern die Verbreitung von Informationen, Meinungen, Kommentaren.Jedenfalls die Programmmitarbeiter üben ideelle Freiheiten – die Rund-funkfreiheit, die Kunstfreiheit, die Wissenschaftsfreiheit, auch die Religi-onsfreiheit – und weniger die Erwerbsfreiheiten – die Berufsfreiheit, dieEigentumsfreiheit, die Vereinigungsfreiheit – aus. Diese ideellen Freihei-ten der Programmmitarbeiter dienen dem Rundfunkteilnehmer und demBeitragszahler. Sie sind vertrauensbildend wahrzunehmen, um den Rund-funkteilnehmern die Sicherheit zu geben, dass die Rundfunkfreiheit tat-sächlich der Meinungsvielfalt, der Offenheit für das Neue und Andere, derdemokratieerheblichen Information, auch der rechtsstaatlichen, demokrati-schen und europarechtlichen Integration dient. Dieser Rundfunkauftragdarf – und das muss ersichtlich sein – nicht durch Erwerbs- und Gewinn-maximierungsanliegen verfälscht werden. Deshalb muss jeder Rundfunk-mitarbeiter seine Nebentätigkeit der Rundfunkanstalt offenbaren. Begrün-det die Nebentätigkeit Interessenkollisionen, muss die Rundfunkanstaltdiese unterbinden. Bei einer Befangenheit oder auch der Besorgnis der Be-fangenheit – die Rundfunktätigkeit berührt Anliegen des Ehepartners, ei-nes nahen Verwandten, eines nahe Verschwägerten, einer Kapitalbeteili-gung oder sonstigen Ertragsquelle des Rundfunkmitarbeiters – bestehtanalog den allgemeinen Regeln des Verwaltungsrechts ein Handlungsver-bot. Gleiches gilt, wenn ein Mitarbeiter ein persönliches wirtschaftlichesInteresse an einer Sendung oder deren Teile hat. § 7 Abs. 8 RStV bestimmtdarüber hinaus zutreffend, dass in der Fernsehwerbung und beim Tele-shopping im Fernsehen keine Personen auftreten dürfen, die regelmäßig

244 BVerfGE 107, 208 – Beamtenbesoldung Ost; BVerfGE 16, 94 (115) – Versor-gungsanspruch eines Berufssoldaten; zur Einbeziehung der Versorgung in dieAlimentationsverpflichtung schon BVerfGE 11, 203 (217) – BeförderungsschnittBeamtenversorgung.

VI. Aktuelle Einzelfolgerungen

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Nachrichtensendungen oder Sendungen zum politischen Zeitgeschehenvorstellen.

Verantwortlichkeit für Tochterunternehmen

Der Rundfunk erfüllt seinen Auftrag vielfach durch Zusammenarbeit mitrechtlich verselbstständigten Tochterunternehmen oder Unternehmensbe-teiligungen. Diese selbstständigen Rechtssubjekte sind dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk jedoch meist rechtlich so zugeordnet, dass dieser fürderen Tätigkeit in ähnlicher Weise verantwortlich ist wie für eigenes Han-deln. Die Verselbständigung kommerzieller Aufgaben in Tochtergesell-schaften ist rundfunkrechtlich veranlasst (§ 16 a Abs. 1 S. 4 RStV).245

Das BVerfG hat im Fraport- Urteil246 entschieden, die Fraport AG, einvon der öffentlichen Hand beherrschtes, gemischtwirtschaftliches Unter-nehmen, das den Flughafen Frankfurt betreibt, unterläge – ebenso wie einim Alleineigentum des Staates stehendes öffentliches Unternehmen, das inden Formen des Privatrechts organisiert ist, – einer unmittelbaren Grund-rechtsbindung. Deshalb verletze ein von dieser AG ausgesprochenes gene-relles Flughafenverbot, das Demonstranten auf Dauer untersagt, den Flug-hafen ohne Erlaubnis der AG für Meinungskundgabe und Demonstrationzu nutzen, deren Grundrecht auf Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG). Auchein Flughafen bilde ein öffentliches Forum, das zumindest auf den Ein-kaufsflächen für eine Demonstration („Initiative gegen Abschiebungen“)zugänglich sein müsse.

Diese Entscheidung stellt nochmals klar, dass allein die privatrechtlicheOrganisation, die juristische Verselbstständigung zu einem eigenenRechtssubjekt, den Staat nicht aus seiner Verantwortung für die dort unterseiner Herrschaft entfaltete Tätigkeit entlässt. Eine Tochtergesellschaft,deren Anteile zu mehr als der Hälfte im Eigentum der öffentlichen Handsteht und deshalb in der Regel von dieser beherrscht wird,247 ist bei ihrerTätigkeit grundsätzlich in gleicher Weise an die Grundrechte gebunden,als wäre die beherrschende öffentliche Hand eigenhändig tätig.

3.

245 Zu den Folgen (keine Quersubventionierung, Marktkonformität, getrennte Buch-führung) vgl. Eifert, in: Hahn/Vesting, aaO, § 16 a RStV, Rn. 45 ff.

246 BVerfGE 128, 226, (45 ff.) – Fraport.247 BVerfGE, 128, 226 (49) – Fraport.

3. Verantwortlichkeit für Tochterunternehmen

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Voraussetzung einer Zurechnung zum Staat ist, dass der Staat „eineAufgabe an sich zieht“. 248 Die Aufgabe des öffentlich-rechtlichen Rund-funks ist aber gerade nicht staatlich, sondern wird in öffentlich-rechtlicherForm erfüllt, um der Rundfunkfreiheit unter den Gegenwartsbedingungendes dualen Systems reale Wahrnehmungschancen zu geben. Die Rund-funkanstalten verantworten deshalb zwar jedenfalls bei Mehrheitsbeteili-gung die Tätigkeiten ihrer Tochtergesellschaften im Rahmen ihrer Rund-funkaufgaben. Doch gelten damit bei den Tochtergesellschaften Maßstäbenicht der Staatlichkeit, sondern der Rundfunkfreiheit. Die für die Rund-funkanstalten verbindlichen Rechtsmaßstäbe binden insoweit auch dieTochtergesellschaften. Die freiheitliche Entscheidung über die Entwick-lung, Gestaltung und Publikation von Programmen darf grundsätzlichnicht durch Informationsansprüche Dritter verkürzt werden. Etwas anderesgilt für die Kontrolle, ob die Verselbständigung journalistisch-redaktionel-ler Tätigkeiten in verselbständigten Erwerbsbetrieben die ideellen Freihei-ten249 verfremdet.

Der BGH250 hat jüngst einen presserechtlichen Auskunftsanspruch auchgegenüber einer AG der Daseinsvorsorge bejaht, die mehrheitlich in öf-fentlicher Hand steht. Ein Journalist hatte recherchiert, dass Internetblogs,in denen Beiträge und Dokumente veröffentlicht worden sind, die eine be-stimmte Partei unterstützten, mit öffentlichen Mitteln finanziert wordenseien. Seiner Klage auf Auskunft über die den Unternehmen erteilten Auf-träge, die erbrachten Leistungen und die in Rechnung gestellten Vergütun-gen hat der BGH stattgegeben. Die AG sei eine Behörde im presserechtli-chen Sinne, weil sie von kommunalen Aktionären beherrscht und von ih-nen zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben auf dem Gebiet der Daseinsvor-sorge eingesetzt werde. Dem vom Kläger verfolgten Informationsinteressekomme ein größeres Gewicht als dem Interesse der Beklagten und der be-troffenen Dienstleistungsunternehmen an der Geheimhaltung ihrer Ver-tragskonditionen zu. Die sachgerechte Verwendung öffentlicher Mittel unddie Kontrolle der politischen Aktivitäten eines kommunal beherrschtenUnternehmens begründe ein gewichtiges öffentliches Interesse. Der Aus-kunftsanspruch sei deshalb – zeitnah zum Wahlkampf – begründet.

248 BVerfGE, 128, 226 (47) – Fraport.249 Vgl. soeben zu 2.250 BGH Urteil v. 16.3.2017 – I ZR 13/16 -, vorerst: Pressemitteilung des BGH

Nr. 38/2017 v. 16.3.2017.

VI. Aktuelle Einzelfolgerungen

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Diese Entscheidung betont zu Recht die öffentlich-rechtliche Gebun-denheit einer mehrheitlich in öffentlicher Hand stehenden AG. Sie betrifftallerdings den Auftrag der Daseinsvorsorge, die von der öffentlichen Handim Rahmen ihrer Grundrechtsbindung erfüllt wird, unterscheidet sich inso-fern von den Tochtergesellschaften einer Rundfunkanstalt. Deren „kom-merzielle Tätigkeiten“ (vgl. § 16 a Abs. 1 S. 2 RStV) kann bei der Pro-grammvorbereitung oder der Sendetechnik den Rundfunkauftrag betreffenund insoweit von der Rundfunkfreiheit geprägt sein. Wenn die Tochterge-sellschaften aber Sendungen und Rechte erwerbswirtschaftlich verwerten,auch für Dritte produzieren, Senderstandorte an Dritte vermieten, Werbe-partner gewinnen, so erfüllen sie nicht journalistische Folgeaufgaben, neh-men insoweit grundrechtliche Erwerbsfreiheiten – die Unternehmensfrei-heit (Art. 2 Abs. 1 GG), die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG), die Eigen-tümerfreiheit (Art. 14 Abs. 1 GG) – wahr. Beide Tätigkeitsbereiche derTochterunternehmen sind unterschiedlich – einerseits rundfunkrechtlich,andererseits erwerbsrechtlich – geprägt. Für den landesrechtlichen Infor-mationsfreiheitsanspruch gilt für die Tochtergesellschaften bei Wahrneh-mung der Rundfunkfreiheit der Ausnahmetatbestand. Bei der erwerbswirt-schaftlichen Tätigkeit dürften sie keine Verwaltungstätigkeit nach öffent-lich-rechtlichen Maßstäben erfüllen, schon deshalb nur den Informations-pflichten der Erwerbswirtschaft unterliegen.

Soweit der öffentlich-rechtliche Rundfunk an Tochtergesellschaftennicht beherrschend beteiligt ist, stellt sich die Frage der Drittwirkung vonGrundrechten als Ausgleich bürgerlicher Freiheitsphären untereinander,251

die insbesondere zum Schutz der Kommunikation einer Grundrechtsbin-dung des Staates nahekommen oder auch gleichkommen kann.252 SoweitGelder aus dem Aufkommen des Rundfunkbeitrags an diese Tochterge-sellschaften fließen, folgen die öffentlich-rechtlichen Kontrollen undTransparenzpflichten der Verwendung des Abgabeaufkommens diesenGeldern. Insbesondere die rundfunkinterne Aufsicht253 und die Rech-nungsprüfung254 prüfen auch die dortige Verwendung des Beitragsauf-kommens und veröffentlichen Ergebnisse in Sitzungsprotokollen und Er-gebnisberichten.255 Deswegen ist es geboten, die Beteiligung des öffent-

251 Vgl. BVerfGE 128, 226 (58 f.) – Fraport.252 BVerfGE 128, 226 (59) – Fraport.253 Vgl. o. zu III 2.254 Vgl. o. zu III 4.255 Dazu unten zu 6.

3. Verantwortlichkeit für Tochterunternehmen

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lich-rechtlichen Rundfunks mit jeder Tochtergesellschaft, an der er betei-ligt ist, transparent zu machen.256

Rundfunknachfrage am allgemeinen Markt

Nachfrage nach Gütern des Unternehmensbedarfs

Soweit die Rundfunkanstalten wie jeder Betrieb Lieferungen und Leistun-gen des Unternehmensbedarfs nachfragen – Reinigung, Fuhrpark, Kanti-ne, Grundstückserwerb, Bau und Betreuung von Gebäuden, Raummiete,Versicherungen, Sicherheitsdienste –, gibt der Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks keinen Anlass, diese Nachfrage aus dem allgemei-nen Wettbewerb auszunehmen. Der Rundfunk ist in seiner Freiheit (Art. 5Abs. 1 GG) und in seinem Auftrag nicht betroffen. Es gelten die Regelndes Wettbewerbs- und Kartellrechts, des Verbraucherschutzes, der öffentli-chen Ausschreibung, des BGB.

Vergabe von Rundfunkaufträgen

Soweit Rundfunkanstalten in Erfüllung ihres journalistisch-programmati-schen Auftrags Aufträge vergeben – sie Programme kaufen oder produzie-ren lassen, Vorarbeiten für eigene Rundfunkprogramme (Texte, Musik,Kulissen, Technik) vereinbaren, Programmmitwirkende gewinnen oder siedie Begleitung, Auswertung und Kritik der Rundfunkprogramme zumAuftragsgegenstand machen, – prägt die Rundfunkfreiheit der Anstaltendie Vertragsfreiheit, soweit die Vereinbarung auf die Programmfreiheiteinwirkt. Das wird in der Regel der Fall sein, wenn Mitwirkende ver-pflichtet oder Gestaltungsmittel des Programms beschafft werden und in-soweit die Publikations- und Informationsfreiheit der Rundfunkanstaltenbetroffen ist. Soweit - wie in der Regel – Erträge aus dem Aufkommen desRundfunkbeitrags eingesetzt werden, folgen die abgaben- und haushalts-rechtlichen Transparenzvorschriften257 der Mittelverwendung und geheninsbesondere wettbewerbsrechtlichen Informationsverboten vor. Im Übri-

4.

a.

b.

256 Die BVerfGE 128, 226 (59) – Fraport lässt die Frage für materiell-private Unter-nehmen offen.

257 Vgl. oben zu II 1 und 2.

VI. Aktuelle Einzelfolgerungen

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gen gelten die Regeln der Vereinbarung unter Gleichgeordneten, der iusti-tia commutativa.258 Der vertragliche Konsens ist grundsätzlich allein Sa-che der Vertragspartner. Diese kennen allerdings die Transparenzbindungdes öffentlich-rechtlichen Rundfunks und müssen diese als Geschäfts-grundlage oder als ausdrücklichen Vertragsinhalt akzeptieren. Ausdrückli-che Absprachen über Geheimhaltung und Vertraulichkeit stoßen an dieGrenzen des öffentlich-rechtlichen Rundfunkauftrags sowie der Kontrolledes Beitragsaufkommens durch rundfunkinterne Aufsicht und Rechnungs-prüfung.

Erwerb von Rundfunkrechten in Konkurrenz zu privaten Unternehmen

Wettbewerbsverzerrung durch Transparenz

Das Wettbewerbsrecht setzt der Transparenz deutliche Grenzen. Bereitsdie Information über Kaufbudgets und Entgeltbereitschaft in zukünftigenFällen verbreitet Informationen unter Konkurrenten, die eine wettbewerbs-widrige Preisabsprache vorbereiten oder wie eine solche Absprache wir-ken können. Der BGH hat bereits auf das Problem der Wettbewerbsverzer-rung durch Transparenz aufmerksam gemacht.259

Würden die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten beim Werben umVertragspartner im Vorhinein Budgets, bisher vereinbarte Entgelte undselbst gesetzte oder geplante Obergrenzen nennen, würde der Konkurrentsich in seinem Anbieterverhalten darauf einstellen und den öffentlich-rechtlichen Wettbewerber dank seines Wissens überbieten und so wettbe-werbswidrig aus dem Wettbewerb verdrängen oder ihm Preise aufdrängenkönnen, die er im freien Wettbewerb nicht hätte bezahlen müssen. Vor al-lem aber wüsste der Anbieter, welchen Preis er auf jeden Fall erzielenkann. Das würde die Kosten steigern. Dieses ist nach den Prinzipien spar-samen und wirtschaftlichen Umgangs mit Beitragsaufkommen und ebensoauch nach Wettbewerbsrecht – seine Anwendung unterstellt – unzulässig.

5.

a.

258 Dazu Rüthers/Fischer/Birk, Rechtstheorie mit juristischer Methodenlehre,6. Aufl. 2011, Rn. 361; van Suntum, Die unsichtbare Hand, 3. Aufl. 2005, 69 f.;Isensee, Privatautonomie, HStR Bd. VII, 3. Aufl. 2009, § 155 Rn. 14 f.

259 BGH v. 12.4.2016– KZR 31/14, Rn. 45 ff., 51 – Gemeinschaftsprogramme.

5. Erwerb von Rundfunkrechten in Konkurrenz zu privaten Unternehmen

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Formen zusätzlicher Transparenz

Damit sind Formen zusätzlicher Transparenz auch im Anwendungsbereichrundfunkgeprägter Transparenz260 nicht ausgeschlossen. Denkbar wärenPublikationen, die beim Wettbewerb um Sportrechte neben dem Ausweisdes Gesamtetats für Sportrechte pauschalierte Daten für Sportereignissenennen und diese im Vergleich zu den Zuschauerzahlen, auch in der jour-nalistisch-autonomen Bewertung des Sportgeschehens in seiner Bedeu-tung für Jugendliche, Gesundheit,ltur erläutern. Dabei ist auch beim Sportder Rundfunkauftrag – die Qualität unabhängig von der Quote – bewusstzu machen. Eine Information über die Kriterien, nach denen die Rund-funkanstalten über den Erwerb von Sportrechten entscheiden, Aufsichts-gremien bestimmte Entscheidungsmaßstäbe gewährleisten und der Ablaufdes Bieter- und Verhandlungswettbewerbs auf Fairness verpflichtet wird,könnte ein öffentliches Informationsbedürfnis befriedigen und Vermutun-gen, Unterstellungen, einem prinzipiellen Argwohn entgegenwirken.

Beim Erwerb von extern produzierten Talksendungen, Unterhaltungs-programmen und Filmen könnten auch die aktuellen Kosten von Sendemi-nuten veröffentlicht werden, wie sie im KEF-Bericht und den Rechnungs-prüfungsberichten üblich zu werden scheinen. Das Zustimmungserforder-nis bestimmter Gremien für die Vereinbarung bestimmter Entgeltsum-men261 ist Grundlage zumindest für eine interne Transparenz.

Monopolangebote von Senderechten

Großereignisse

Nach § 4 Abs. 1 S. 1 RStV ist die Fernsehausstrahlung von Ereignissenmit erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung (Großereignisse) in Deutsch-land verschlüsselt oder gegen besonderes Entgelt nur zulässig, wenn dieFernsehveranstaltung zu angemessenen Bedingungen ermöglicht, dass dasEreignis zumindest in einem frei empfangbaren und allgemein zugängli-chen Fernsehprogramm in Deutschland ausgestrahlt werden kann. Nach§ 4 RStV sind „Großereignisse“ neben bedeutenden Fußballspielen vor al-

b.

c.

aa)

260 Vgl. auch sogleich zu c.261 Vgl. z. B. § 28 ZDF-Staatsvertrag v. 21. August 1991, in der Fassung des Sieb-

zehnten Rundfunkänderungsstaatsvertrages, in Kraft seit 1.1.2016.

VI. Aktuelle Einzelfolgerungen

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lem Olympische Sommer- und Winterspiele (Nr. 1). Der Rundfunkstaats-vertrag sichert damit einer verschlüsselten oder entgeltlichen Ausstrahlungvon Großereignissen die Konkurrenz eines frei empfangbaren und allge-mein zugänglichen Fernsehprogramms, in dem dasselbe Großereignis ge-sendet wird. Pay-TV-Unternehmen können diese Rechte von vornhereinnur mit dem Inhalt erwerben, dass der gesellschaftlichen Öffentlichkeitzugleich der frei empfangbare, allgemeine Zugang zur Übertragung vonGroßereignissen ermöglicht wird.262 Die Rundfunkfreiheit verpflichtet denStaat, durch materielle, organisatorische und Verfahrensregelungen das Je-dermannsrecht auf Informationsfreiheit aus allgemein zugänglichen Quel-len zu sichern.263 Der Rechteinhaber muss nach § 4 Abs. 1 S. 1 RStV denfrei empfangbaren (unverschlüsselten) und allgemein zugänglichen (fürmehr als zwei Drittel der Haushalte tatsächlich empfangbaren, § 4 Abs. 1S. 3 RStV) Empfang des Großereignisses „zu angemessenen Bedingun-gen“ ermöglichen. Eine die funktionsgerechte Ausgestaltung des dualenSystems sichernde Vorschrift des § 4 Abs. 1 RStV verhindert, dass derPay-TV-Unternehmer seine Monopolstellung ausnutzt, marktwidrig zumEinstieg in das Pay-TV zu zwingen.264

Können sich Anbieter und Nachfrager von Rechten an Großereignissenüber die Angemessenheit der Bedingungen nicht einigen, so soll einSchiedsverfahren nach den §§ 1025 ff. ZPO durchgeführt werden. Kommtdort die Vereinbarung eines Schiedsverfahrens aus Gründen, die der Rech-teinhaber zu vertreten hat, nicht zustande, gilt die Übertragung als nicht zuangemessenen Bedingungen ermöglicht. Die verschlüsselte und entgeltli-che Ausstrahlung des Großereignisses im Fernsehen ist dann in Deutsch-land unzulässig. Die Lizenzvergabe folgt damit nicht den Gesetzmäßigkei-ten des Marktes, sondern einem dem dualen Rundfunksystem eigenenPrinzip von Angemessenheit und Verhältnismäßigkeit.

Gegenwärtig versuchen finanzstarke außereuropäische Bieterkonsortienauf dem Sportrechtemarkt Rechte für sportliche Großereignisse zu erwer-ben, um bei der Sublizenzierung von Rechten die unverschlüsselte Satelli-tenausstrahlung in Deutschland zu unterbinden. Zudem besteht die Gefahr,dass diese Monopolanbieter ihre Rechtsstellung nutzen, um bei der Subli-zenzierung Entgelte zu vereinbaren, die der öffentlich-rechtliche Rund-

262 Vgl. Hossen-Stadtfeld, in: Hahn/Vesting, aaO, § 4 RStV, Rn. 26 ff.263 Vgl. BVerfGE 12, 205 (260) – Fernseh-GmbH; BVerfGE 73, 118 (158) – Grund-

versorgung; BVerfGE 136, 9 (34 f.) – ZDF-Aufsichtsgremien.264 Hossen-Stadtfeld, in: Hahn/Vesting, aaO, § 4 RStV, Rn. 26 ff. mwN.

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funk in seiner Finanzbindung nicht aufbringen kann. Damit würden we-sentliche Teile der sportinteressierten Öffentlichkeit von der Fernsehteil-habe an Großereignissen ausgeschlossen. Der öffentlich-rechtliche Rund-funk könnte seinen Rundfunkauftrag nicht mehr erfüllen. Der im Sporter-eignis angelegte Integrationsauftrag, der die Zuschauer in gemeinsamerBegeisterung und Parteinahme eint, die Bedeutung von Fairness und Fit-ness vermittelt, die friedliche Auseinandersetzung unter Nationalmann-schaften lehrt, würde verfehlt.

Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hat am 29. Juni 2015 al-le TV- und Multi-Plattform-Übertragungsrechte in Europa für die vierOlympischen Spiele in der Zeit von 2018 bis 2024 Discovery Communi-cations, der Muttergesellschaft von Eurosport, zuerkannt. Discovery Com-munications erwarb für 1,3 Milliarden Euro die Exklusivrechte auf allenPlattformen in allen Sprachen in 50 Ländern und Territorien auf demeuropäischen Kontinent. Dabei verpflichtete sich das Unternehmen nur,mindestens 200 Stunden der Olympischen Sommerspiele und 100 Stundender Olympischen Winterspiele im frei empfangbaren Fernsehen währenddes Spielzeitraumes zu verbreiten. Damit können zukünftig nicht mehr al-le Sportereignisse bei den Olympischen Spielen im Fernsehen frei emp-fangen werden.

Die Rechte an der Handball-WM in Katar (2015) und der Handball-WM in Frankreich (2017) hat die Beln Sports erworben und bietet sie inDeutschland nur für die verschlüsselte und besonders entgoltene Ausstrah-lung im Fernsehen an. Damit sind ARD und ZDF nach § 4 Abs. 1 S. 1RStV schon rechtlich vom Erwerb ausgeschlossen. Das könnte zur Folgehaben, dass die Spiele der Handball-WM 2019, die in Deutschland undDänemark stattfinden, wiederum nicht im freien Fernsehen zu sehen seinwerden. Damit stellt sich für den Landesgesetzgeber als Garanten einesallgemein und frei zugänglichen Rundfunks, der insbesondere Großereig-nisse überträgt, die Frage, wie er diesem Auftrag in der Aktualität derSportrechte genügen kann.

Soweit Sportereignisse wie die Olympischen Spiele und bedeutendeFußballmeisterschaften in der Liste der Großereignisse (§ 4 Abs. 2 RStV)enthalten sind, bietet die Regelung des § 4 RStV als Konkurrenzschutzund Monopoldurchbrechung eine rechtliche Möglichkeit, um der vereng-ten Ausstrahlung von Großereignissen im Fernsehen entgegenzuwirken.Dabei sollte diese Liste insbesondere für den Handball in Deutschlandüberprüft werden. Zudem müsste sichergestellt werden, dass für die Mo-nopolanbieter der deutsche – und möglichst auch der europäische – Markt

VI. Aktuelle Einzelfolgerungen

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gänzlich verschlossen ist, wenn er nicht eine angemessene Konkurrenz desSendeangebots für Großereignisse im verschlüsselten und freien Fernse-hen ermöglicht. Dabei sollte angesichts der heute tatsächlich fast flächen-deckend möglichen Empfangbarkeit von Fernsehprogrammen das „allge-mein zugängliche“ Fernsehprogramm – vergleichbar den Regelungen inanderen europäischen Staaten – auf 85 bis 95 Prozent erhöht werden. Au-ßerdem könnten die durch die Digitalisierung entstehenden Nutzungsge-wohnheiten in der Gemeinsamkeit vertrauter Meinungsräume (Echokam-mern) und in der Einladung zu anonymen, strukturell nicht verantwortetenÄußerungen Anlass geben, eine freie Übertragung in einem Fernsehvoll-programm zu fordern.

Entscheidend ist, dass die freie – unverschlüsselte – und die allgemeine– unentgeltliche – Erreichbarkeit der Sendungen von Großereignissen fürJedermann in einer allgemein zugänglichen Quelle möglich ist. Die öffent-lich-rechtliche Organisationsform eines Rundfunks und seine Beitragsfi-nanzierung schaffen eine soziale Erreichbarkeit eines Vollprogramms fürJedermann dank einer geringen Beitragsbelastung mit sozialstaatlichemDispensvorbehalt. Diese sozialstaatliche Errungenschaft darf durch Mono-polstrukturen des Sportrechtemarktes nicht gefährdet werden.

Die Kurzberichterstattung

Nach § 5 Abs. 1 RStV steht jedem in Europa zugelassenen Fernsehveran-stalter das Recht auf unentgeltliche Kurzberichterstattungen über Veran-staltungen und Ereignissen zu, die öffentlich zugänglich und von allge-meinem Informationsinteresse sind. Dieses Recht der Kurzberichterstat-tung erschließt dem Fernsehveranstalter die Befugnis zum Zugang zu denVeranstaltungen und den Ereignissen, zur kurzzeitigen Direktübertragung,zu Aufzeichnungen, zu deren Auswertung zu einem einzigen Beitrag undzur begrenzten Weitergabe (§ 5 Abs. 1 S. 2 RStV). Im Gegensatz zu derfür Großveranstaltungen geltenden Listenregelung (§ 4 Abs. 2 RStV) be-gründet das Kurzberichterstattungsrecht des § 5 RStV ein Zugangsrechtfür alle Veranstaltungen und Ereignisse, die öffentlich zugänglich und vonallgemeinem Interesse sind, unabhängig davon, ob die Exklusivverwer-tung im Pay-TV oder im Free-TV stattfindet.265

bb)

265 Michel/Brinkmann in: Hahn/Vesting, aaO, § 5 RStV, Rn. 72.

5. Erwerb von Rundfunkrechten in Konkurrenz zu privaten Unternehmen

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Dieses Recht auf Kurzberichterstattung gewährt § 5 RStV nur für Ver-anstaltungen, die in Deutschland stattfinden und nur mit der Rechtsfolgedes Zugangs zum Veranstaltungsort für eine Rundfunkberichterstattung.Dieses Recht sichert keine Kurzberichterstattung für Veranstaltungen imAusland, selbst wenn es Großereignisse sind. Für Veranstaltungen in Eu-ropa mag Art. 15 AVMD-Richtlinie266 eine ausreichende Rechtsgrundlagebieten, wenn sie von den Mitgliedstaaten entsprechend umgesetzt wird.Auch dann aber wird das Recht auf Zugang zum Veranstaltungsort der all-täglichen Berichterstattung in den täglichen Nachrichtensendungen nichtgenügen, weil ein Fernsehsender nicht stets nur für einen Kurzbericht einAufnahmeteam an Veranstaltungsorte auf allen Kontinenten entsendenkann. Deshalb ist zu erwägen, die in Art. 15 der AVMD-Richtlinie vorge-sehene und in § 5 Abs. 10 RStV angesprochene Regelung eines Zugangszum Signal des übertragenden Fernsehveranstalters einzuführen.267 Damitgewinnt jeder Fernsehveranstalter bei Ausstrahlung von Sendungen überdie in § 5 Abs. 1 S. 1 RStV genannten Veranstaltungen und Ereignisse imInland ein Recht auf Zugang zum Signal.

Rechtzeitiger Rechtsschutz

Soweit das Recht auf Kurzberichterstattung gerichtlich durchgesetzt wer-den muss,268 greift dieser effektive Rechtsschutz auch in bürgerlich-recht-

cc)

266 Richtlinie 2010/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom10.3.2010 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriftender Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste, ABl. L95 v. 15.4.2010, S. 17; Art. 15: Verantwortlichkeit jedes Mitgliedstaates, „dass je-der Fernsehveranstalter, der in der Union niedergelassen ist, zum Zwecke derKurzberichterstattung einen fairen, angemessenen und diskriminierungsfreienZugang zu Ereignissen hat, die von großem öffentlichen Interesse sind und dievon einem der Rechtshoheit der Mitgliedstaaten unterworfenen Fernsehveranstal-ter exklusiv übertragen werden.“; vgl. auch Art. 14: Gegenwehr gegen Übertra-gung auf Ausschließlichkeitsbasis; die Art. 14, 15 AVMD-Richtlinie werdendurch den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und Rateszur Änderung der Richtlinie 2010/13/EU, COM 2016/0151 (COD) nicht verän-dert.

267 vgl. auch den Erwägungsgrund der Art. 49 AVMD-Richtlinie.268 Art. 19 Abs. 4 GG enthält ein Grundrecht auf effektiven und möglichst lückenlo-

sen richterlichen Rechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt, BVerfGE113, 273 – Umsetzung des Rahmenbeschlusses über den Europäischen Haftbe-

VI. Aktuelle Einzelfolgerungen

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lichen Streitigkeiten, die der Staat – wegen seiner auf dem Gewaltmono-pol fußenden Befriedungsfunktion – zu verantworten hat. Der zur Ver-wirklichung materieller Rechtspositionen notwendige Rechtsschutz iststaatliche Leistung.269 Die Rechtspraxis wird bei der gegenwartsnahenKurzberichterstattung häufig Eilrechtsschutz in Anspruch nehmen. DerEilrechtsschutz hat die Aufgabe, dem Berechtigten einen möglichst wirk-samen gerichtlichen Rechtsschutz zu gewähren,270 ihn davor zu bewahren,dass heute irreparable Schäden aus einer Rechtsverletzung entstehen, diemorgen in einem nachfolgenden Hauptverfahren nicht mehr ausgeräumtwerden können.271

Das Gericht gewährt vorläufigen Rechtsschutz in der Regel nach einersummarischen Prüfung durch bloße Folgenabwägung widerstreitender In-teressen. Die von Verfassungs wegen gebotene Prüfungsintensität steigt je-doch mit der drohenden Rechtsverletzung. Sie kann die Gerichte ver-pflichten, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern ab-schließend zu prüfen.272 Droht dem Betroffenen bei Versagung des einst-weiligen Rechtsschutzes eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehen-de Verletzung seiner Grundrechte, die durch eine der Klage stattgebendeEntscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, so ist –erforderlichenfalls unter eingehender tatsächlicher und rechtlicher Prüfungdes im Hauptsacheverfahren geltend gemachten Anspruchs – einstweiligerRechtsschutz zu gewähren, es sei denn, dass ausnahmsweise überwiegen-de, besonders gewichtige Gründe entgegenstehen.273

Das Recht der Kurzberichtserstattung dient der aktuellen Informationder Öffentlichkeit, muss deshalb zeitlich unmittelbar durch Direktübertra-gung oder in engem Aktualitätszusammenhang mit der Veranstaltung oderdem Ereignis wahrgenommen werden. Das Verfassungsrecht auf effekti-ven Rechtsschutz fordert deshalb eine verbindliche Gerichtsentscheidungin der Regel vor der Veranstaltung und dem Ereignis. Hier kann nur recht-

fehl, mwN; Art. 19 Abs. 4 GG ist Ausschnitt eines weitergehenden allgemeinen,auch für Zivilrechtsstreitigkeiten geltenden Justizgewähranspruchs, BVerfGE 88,118 (123 ff.) – Einspruchsfrist bei Versäumnisurteil.

269 BVerfGE 101, 106 (123) – Aktenvorlage.270 Vgl. BVerfGE 129, 1 (20) – Investitionszulage.271 BVerfGE 134, 242 (299 f.) – Garzweiler, Braunkohletagebau.272 Vgl. BVerfGE 79, 69 (74 f.) – Eidespflicht.273 Vgl. BVerfGE 79, 69 (75) – Eidespflicht; BVerfGE 94, 166 (216) – Flughafen-

verfahren; zusammenfassend BVerfG, 1. Kammer des Ersten Senats, Beschlussv. 14.9.2016 – 1 BvR 1335/13 – Garzweiler, DVBl. 2017, 244.

5. Erwerb von Rundfunkrechten in Konkurrenz zu privaten Unternehmen

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zeitig gewährtes Recht sachgerechtes Recht bieten. Deshalb werden hierin der Regel die Grundsätze des BVerfG gelten, in denen das Gericht daseinstweilige Rechtsschutzverfahren praktisch zum Hauptsacheverfahrenaufgewertet hat, wenn ansonsten eine dauerhafte, irreparable Rechtsverlet-zung droht.

Vertraulichkeit und Öffentlichkeit der Rundfunkorganisation

Transparenz im Dienst der Rundfunkfreiheit

Soweit Individualansprüche auf Transparenz den journalistisch-redaktio-nellen Bereich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks betreffen, gehört zumInhalt der Rundfunkfreiheit die Entscheidung über Art, Ort und Zeitpunktder Information. Sendungen im Werden bleiben solange unter der Glockeredaktioneller Vertraulichkeit, bis das verantwortliche Organ des Rund-funks die Information beschließt. Das schließt nicht aus, dass die Rund-funkanstalt in autonomer Entscheidung über die Ausbildung, die frühereTätigkeit, auch über Mitgliedschaften ihrer Mitarbeiter berichtet, die eineBesorgnis parteipolitischer oder wirtschaftlicher Befangenheit begründenkönnte. Erwägenswert erscheint auch, über journalistische Arbeitsprozesseund Arbeitsabläufe zu informieren, Leitlinien und Verhaltenskodizes fürguten Journalismus und für die Qualität der Sendungen zu veröffentlichen.Soweit diese Maßstäbe rundfunkintern entwickelt und als Maßstäbe eige-nen Tuns anerkannt werden, bekundet die Veröffentlichung, dass derRundfunk an diesen Maßstäben gemessen werden will. Dies ist ein Maßfür die öffentliche Diskussion, dient nicht einer Verrechtlichung der Rund-funkfreiheit.

Weitere Veröffentlichungen über die Erfüllung des öffentlich-rechtli-chen Auftrags durch die Rundfunkanstalten sind erwägenswert, soweit da-durch nicht die journalistisch-redaktionelle Freiheit der Rundfunkanstaltenberührt oder die Gleichheit der Konkurrenten im Rechtsverhältnis zwi-schen öffentlich-rechtlichem Rundfunk, privatem Rundfunk und anderenUnternehmen berührt wird. Der „Bericht der ARD an die Konferenz derGremienvorsitzenden zu den Gemeinschaftssendungen, -einrichtungenund –aufgaben (GSEA)“ könnte veröffentlicht und in einem Einleitungs-text auch kommentiert werden. Dabei ist für die Veröffentlichung, aberauch für die zumindest teilöffentlichkeitswirksame Berichterstattung andie Konferenz der Gremienvorsitzenden zu bedenken, dass keine Zahlen

6.

a.

VI. Aktuelle Einzelfolgerungen

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zu einzelnen Erwerbsvorhaben oder Ereignissen detailliert publiziert wer-den, dass die Rechte Dritter, insbesondere die Vertraulichkeit von Infor-manten, beachtet werden, dass die Rückwirkung einer Veröffentlichungauf die Gremienarbeit den Maximen des Bundesverfassungsgerichts zuden ZDF-Aufsichtsgremien274 entspricht. Das Bundesverfassungsgerichtfordert dort275 insbesondere die Gewährleistung einer freien Berichterstat-tung dadurch, dass die Mitglieder der Aufsichtsgremien der Rundfunkan-stalten nicht „in intransparenter Weise von außen unter Druck geraten undunsachlichen Einflussnahmen ausgesetzt sind“. Diese Transparenz kannEinfluss vermeiden, aber auch Wissensgrundlagen für Interventionen ver-mitteln. Die Arbeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks muss praktischwirksam staatsfern so ausgestaltet werden, dass die Willensbildung derAufsichtsgremien nicht maßgeblich in das Kräftefeld staatlich-politischerEntscheidungszusammenhänge und den Wettbewerb um Amt und Mandatgeraten. „Soweit funktional mit den Aufgaben der jeweiligen Gremienvereinbar, müssen Handeln und Einfluss der staatlichen und staatsnahenMitglieder in den Rundfunkanstalten sowohl für die Öffentlichkeit alsauch für den“ – strukturverantwortlichen – „Gesetzgeber erkennbarsein“.276 Schließlich spiegeln die Mitglieder der Aufsichtsgremien dieVielfalt der Gesellschaft wieder; sie kontrollieren „als Sachwalter der All-gemeinheit“ die Gewährleistung einer dem Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG entspre-chenden Rundfunkberichterstattung. Diese wendet sich an die gesamte Be-völkerung, erfordert deswegen jedenfalls in ihren Grundentscheidungendie Möglichkeit öffentlicher Anteilnahme. Hier kommt einer Transparenzim Sinne der Öffentlichkeit eine wesentliche, die interne institutionelleKontrolle ergänzende Kontrollfunktion zu, die eine heilsame Vorwirkunggegen funktionswidrige Absprachen und Einflussnahmen entfalten undhelfen kann, Tendenzen von Machtmissbrauch oder Vereinnahmung durchPartikularinteressen frühzeitig entgegenzuwirken.277

Diese begrenzte, dem Rundfunkauftrag und der Rundfunkfreiheit die-nende Transparenz macht deutlich, dass die Aufsichtsgremien den speziel-len journalistisch-redaktionellen Rundfunkauftrag verstärken, nicht publi-zistisch öffnen sollen. Die Veröffentlichung von Geschäftsberichten istdeshalb in Inhalt und Wirkungsweise sorgfältig zu bedenken. Dies gilt

274 BVerfGE 136, 9 f. – ZDF-Aufsichtsgremien.275 BVerfGE 136, 9 (Rn. 76) – ZDF-Aufsichtsgremien.276 BVerfGE 136, 9 (Rn. 78) – ZDF-Aufsichtsgremien.277 BVerfGE 136, 9 (Rn. 79) – ZDF-Aufsichtsgremien.

6. Vertraulichkeit und Öffentlichkeit der Rundfunkorganisation

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auch für eine Publikation der Geschäftsberichte der Landesrundfunkan-stalten, die – mit Ausnahme des rbb – in Form von Geschäfts-, Lage- undEntwicklungsberichten bereits weitgehend verfügbar sind.

Sitzungsöffentlichkeit, Tagesordnungen, Protokolle

Der Ausgleich zwischen dem Grundsatz der Öffentlichkeit der Rundfunk-aufsicht und den Vertraulichkeitserfordernissen einer sachangemessenenGremienarbeit ist Sache des Gesetzgebers. Für die Arbeit der Gremienmuss nicht der Grundsatz der Sitzungsöffentlichkeit gelten. Geboten ist al-lein ein Mindestmaß an Transparenz. Deshalb müssen die Organisations-strukturen, die Zusammensetzung der Gremien und Ausschüsse, die anste-henden Tagesordnungen ohne weiteres zugänglich sein. Sitzungsprotokol-le müssen zumindest dem Grundsatz nach zeitnah verfügbar sein; andern-falls ist die Öffentlichkeit über Gegenstand und Ergebnisse der Beratun-gen in substantieller Weise zu unterrichten.278 Diese Öffentlichkeit der Er-gebnisberichte oder der Sitzungsprotokolle wirkt allerdings auf den Inhaltder Gremienarbeit zurück: Wenn die Gremien in öffentlicher Sitzung ta-gen,279 schließt diese Öffentlichkeit die Behandlung geheimhaltungsbe-dürftiger Gegenstände aus. Praktisch hat das Gremium die gebotene Dis-tanz dadurch zu wahren, dass es insoweit in nichtöffentlicher Sitzung oderunter Ausschluss der Öffentlichkeit tagt.

Die Transparenz gegenüber den Gremien ist offener als gegenüber derÖffentlichkeit. Dies gilt insbesondere gegenüber der KEF,280 gegenüber

b.

278 BVerfGE 136, 9 (Rn. 80) – ZDF-Aufsichtsgremien.279 Nach § 13 Abs. 7 RBG, § 29 Abs. 5 SMG, § 17 Abs. 4 SWR-StV, § 18 Abs. 2

WDR-G, § 22 Abs. 5 ZDF-StV sind die Sitzungen des Rundfunkrates oder Fern-sehrates öffentlich; nach § 10 HRG kann der Rundfunkrat in öffentlicher Sitzungtagen. Nach § 4 Abs. 2 HR-G, § 13 Abs. 9 RB-G, § 29 Abs. 6 SMG, § 13 Abs. 1S. 3 SWR-StV; § 14 a WDR-Gesetz sowie § 22 Abs. 6 ZDF-StV, § 10 HRG sindZusammensetzung und Tagesordnung der Gremien, auch Beschlüsse und Proto-kolle, Anwesenheitslisten und Zusammenfassungen der wesentlichen Ergebnissezu veröffentlichen. Die Sitzungen der Ausschüsse sind in der Regel nicht öffent-lich. Die Öffentlichkeit der Sitzungen des Rundfunkrates erlaubt bei bestimmtenGeheimhaltungsthemen meist den Ausschluss der Öffentlichkeit oder eine nicht-öffentliche Sitzung. Die Sitzungen des Verwaltungsrats sind in der Regel nichtöffentlich (§ 14 HRG; § 16 Abs. 2 RBG, § 31 Abs. 4 S. 4 u. 5 SMG, § 23 Abs. 5SWR-StV, § 23 Abs. 1 WDR-Gesetz, § 25 Abs. 5 ZDF-StV.

280 Vgl. o. III 3.

VI. Aktuelle Einzelfolgerungen

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den Rechnungshöfen281 und gegenüber den Aufsichtsgremien.282 Dabeisind der Rundfunk- und Fernsehrat eher Sachwalter der Allgemeinheit, al-so auf Öffentlichkeit angelegt, als der Verwaltungsrat.

Im Ergebnis ist das verallgemeinernde Stichwort der „Transparenz“nicht geeignet, subjektive Jedermannsansprüche auf Information gegen-über dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk bei Erfüllung seines Rundfunk-auftrags zu begründen. Das gilt insbesondere für Medienkonkurrenten wiedie Presse und den privaten Rundfunk, aber auch für Verbände, politischeParteien und Wirtschaftsunternehmen. Der Rundfunkauftrag wird von denRundfunkanstalten und seinen Mitarbeitern in Freiheit erfüllt. Die Rund-funkorganisation ist gruppenplural angelegt, darf deshalb in ihrem Infor-mationsauftrag nicht verfremdet werden. Die Beitragsfinanzierung des öf-fentlich-rechtlichen Rundfunks sichert deren Unabhängigkeit von Staatund Wirtschaft, ist kein Rechtfertigungsgrund für individualbestimmte In-formationspflichten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Soweit der öf-fentlich-rechtliche Rundfunk sich jenseits seines Rundfunkauftrags am all-gemeinen Marktgeschehen beteiligt, muss Transparenz durch Öffentlich-keit dem Wettbewerbs- und Kartellrecht genügen. Deswegen sind Infor-mationen in einer Allgemeinheit und Abstraktion zu halten, wonach jederWettbewerber selbständig über sein Marktverhalten zu bestimmen hat,eine Ungewissheit über das zukünftige Marktverhalten des KonkurrentenGrundlage jeden fairen Wettbewerbs ist.283 Im Übrigen ist in dem Rund-funkauftrag284 und im Wettbewerbsrecht die Regel angelegt: GleicheTransparenz für alle Wettbewerbsteilnehmer. In diesem Prinzip wurzelteine Chancengleichheit, aber auch ein Maß der Transparenz.

Besondere Informationsansprüche rechtlich Betroffener

Der einzelne Bürger gewinnt allerdings subjektive Rechte gegenüber demRundfunk, wenn dieser seine individuellen Rechte verletzt oder zu verlet-zen droht. Das gilt für das Recht der Gegendarstellung (§ 56 RStV), fürden Auskunftsanspruch über die vom Rundfunk zu seiner Person gespei-cherten Daten, auch wenn sie dort ausschließlich zu journalistisch-redak-

c.

281 Vgl. o. III 4.282 BVerfGE 136, 9 (Rn. 78 f.) – ZDF-Aufsichtsgremien.283 BGH Urteil v. 12.4.2016 – KZR 31/14, Rn. 44 – Gemeinschaftsprogramme.284 Vgl. BVerfGE 124, 300 (328) – Wunsiedel.

6. Vertraulichkeit und Öffentlichkeit der Rundfunkorganisation

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tionellen Zwecken gesammelt und verarbeitet worden sind (§ 57 Abs. 2RStV), mag auch bei der Veröffentlichungspflicht des § 19 a RStV Bedeu-tung gewinnen, nachdem der Intendant bei Rechtsverstößen Beanstandun-gen der Aufsichtsgremien auf deren Verlangen im Programm veröffent-licht. Wenn andere Medien vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk Auskunftverlangen, gelten für die Informationsfreiheitsgesetze in der Regel die indiesen benannten Bereichsausnahmen für den Rundfunk.285 Im Übrigengilt verfassungsunmittelbar, dass die Rundfunkfreiheit im redaktionell-journalistischen Bereich den Grundrechtsträger auch zur Entscheidungüber den Zeitpunkt der Veröffentlichung seines Wissens berechtigt.286 Dievom Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung287 hervorge-hobene Rundfunkfreiheit ist im Kern Programmfreiheit. Diese Programm-autonomie umfasst Auswahl, Inhalt und Ausgestaltung des Programms,die vom freiheitsberechtigten Rundfunk entschieden wird und jede fremdeEinflussnahme abwehrt. Gleiches gilt für Organisation und Finanzierungdes Rundfunkbetriebs, soweit sie Rückwirkungen auf die Programmtätig-keit haben können.288 Wenn also ein Journalist von der öffentlich-rechtli-chen Rundfunkanstalt Auskunft über die Auftragsvergabe des Rundfunks„im nicht journalistisch-redaktionellen Bereich“ an bestimmte Unterneh-men und Personen verlangt, so ist dieser Anspruch begründet, wenn dieAuskunft den Schutzbereich der Programmautonomie des Rundfunks imjeweiligen Tätigkeitsbereich nicht betrifft.289

285 Vgl. oben IV 2 d.286 Vgl. oben IV 2.287 BVerfGE 59, 231 (258) – Freier Rundfunkmitarbeiter; BVerfGE 91, 125 (134 f.)

– Fernsehaufnahmen im Gerichtssaal; BVerfGE 119, 309 (318) – Gerichtsfernse-hen.

288 BVerfGE 59, 231 (259 f.) – Freier Rundfunkmitarbeiter; BVerfGE 83, 238(310 f.) – 6. Rundfunkurteil (WDR); BVerfGE 89, 144 (153) – Konkurs vonRundfunkanstalten; BVerfGE 90, 60 (88) – 8. Rundfunkentscheidung (Kabelgro-schen); zum „abgestuften Schutzkonzept“ bei Abbildung von Prominenten im öf-fentlichen und privaten Raum vgl. BVerfGE 3. Kammer des 1. Senats DVBl.2017, 568.

289 Zu den Erfordernissen einer verfassungsbewussten Qualifikation der Tätigkeits-bereiche vgl. OVG Münster, DVBl. 2012, 568 – Oppong; Nichtannahme der Re-vision durch BVerwG, Beschl. v. 27. 5. 2013 – 7 B 30.12.

VI. Aktuelle Einzelfolgerungen

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Überschreiten der rechtlichen Grenzen für Rundfunktätigkeit

Schließlich können innerhalb der Rundfunkorganisation Tatsachen ge-schaffen werden, die zwar den redaktionell-journalistischen Autonomiebe-reich des Rundfunks berühren, aber rechtlich als grober Verstoß gegen Re-geln des Strafrechts oder elementare Prinzipien der Verwaltung öffentli-cher Gelder oder des Unbefangenheitsauftrags des öffentlich-rechtlichenRundfunks beurteilt werden müssen. Sollten Tatsachen bekannt werden,die den Verdacht rechtfertigen, dass Mitarbeiter des öffentlich-rechtlichenRundfunks gegen das Korruptionsverbot verstoßen, Haushaltsmittel unter-schlagen, Befangenheitsregeln analog §§ 20, 21 VwVfG grob verletzenoder beharrlich eine politische Partei institutionell bevorzugen oder be-nachteiligen, so greift nicht mehr das Rundfunkfreiheitsrecht; vielmehr istein Vorgang jenseits der rechtlichen Grenzen dieser Freiheit aufzuklären.Die betroffenen Mitarbeiter haben den Schutzbereich des Rundfunkauf-trags verlassen, damit den Schutz des rundfunkrechtlichen Status verloren.Die öffentliche Aufklärung dient dann insbesondere der Wiederherstellungder Rundfunkfreiheit in ihren Rechtsmaßstäben der Unbefangenheit, derUnparteilichkeit, der fachlichen und finanziellen Redlichkeit. Ein indivi-dueller Informationsanspruch entsteht nach den allgemeinen Regeln desInformationsrechts.290

Schutz der Vertragspartner

Die Vertragspartner des öffentlich-rechtlichen Rundfunks beanspruchenRechte des Datenschutzes, der Berufs- und Geschäftsgeheimnisse, desBrief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses, des Computergeheimnisses unddes allgemeinen Persönlichkeitsrechts auf Privatheit und Intimsphäre.291

Das Datenschutzrecht (§ 57 RStV), das Recht der Gegendarstellung (§ 56RStV), das Informationsfreiheitsgesetz (§ 3 BIFG)292, sowie der ge-schwächte Persönlichkeitsschutz von „Persönlichkeiten der Zeitgeschich-

d.

e.

290 Vgl. oben IV 2.291 Vgl. im Einzelnen zu I 1.292 Und der landesgesetzlichen Modifikationen der Informationsansprüche, dazu

oben IV 2 d.

6. Vertraulichkeit und Öffentlichkeit der Rundfunkorganisation

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te“293 regeln hier tatbestandliche Grenzen. Beansprucht ein Vertragspart-ner des öffentlichen Rundfunks Vertraulichkeitsschutz für die ihm gewähr-ten Entgelte, ist allerdings zu berücksichtigen, dass gerade in der Welt derMusik, des Sports und der sonstigen Unterhaltung vielfach Spitzenhonora-re allgemein bekannt und zu einer Grundlage des Ansehens und der Wert-schätzung des Honorarempfängers geworden sind. Die öffentlichen Vor-stellungen über die Publizität von Einkommen und Vermögen entwickelnsehr unterschiedliche Vertraulichkeitskulturen. In vielen Staaten unterlie-gen die Erklärungen des Steuerpflichtigen über sein Einkommen und seinVermögen dem Steuergeheimnis. In anderen Staaten werden die 10.000„Reichsten“ publiziert. Diese Veröffentlichung ist stets ein Bestseller.294

Sollte die Betroffenheit eines Prominenten der Publikation der von ihmempfangenen Honorare entgegenstehen, sollte ausgleichend die Kontrolledieser Geschäftsvorfälle durch Aufsichtsgremien, auch durch Dienst- undRechtsaufsicht, verstärkt werden. Die Rechte der Betroffenen werdenselbstverständlich nur gewahrt, wenn dieses Wissen unter der Glocke derVerschwiegenheit vermittelt und allenfalls in nicht-öffentlicher Sitzungberaten wird. Auch hier erweist sich erneut, dass Forderungen nach Trans-parenz insbesondere auch den Informationsberechtigten definieren müs-sen. Transparenz kann innerhalb der Rundfunkanstalten gewährt, durchexterne Kontrolle – insbesondere der KEF und des Rechnungshofs – her-gestellt, dort zunächst zu vertraulichen Erörterungen, dann aber auch zurVeröffentlichung führen, schließlich von vornherein auf Öffentlichkeit an-gelegt sein.

Transparenz als Differenzierungsauftrag

Transparenz ist im Ergebnis weder Begriff noch Leitgedanke der Verfas-sung. Das Grundgesetz differenziert das Recht auf Wissen, Mitentscheidenund Kritik bereichsspezifisch je nach Aufgabe, Verantwortlichkeiten undBetroffenen. Die Verfassung verwirklicht Freiheit, Gemeinwohl und Inte-gration durch Differenzierung – zwischen den Staatsgewalten, zwischenStaat und Gesellschaft, nach den Gesetzmäßigkeiten des jeweiligen Le-bensbereichs und nach der unterschiedlichen Schutzbedürftigkeit der Be-

7.

293 § 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUrhG, zul. geändert durch Art. 3 § 31 des Gesetzesv. 16.2.2001, BGBl. I, 266.

294 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, 22000, 230 f.

VI. Aktuelle Einzelfolgerungen

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troffenen. Gleichheit vor dem Gesetz meint Gleichheit vor der allgemei-nen Regel, die jeweils unterscheidet. Transparenzgleichheit im dualenRundfunksystem bedeutet deshalb Gleichheit je nach den Verfassungs-maßstäben und Gesetzmäßigkeiten dieses Rundfunkrechts.

Die Kerntatbestände, die zwischen Transparenz und rundfunkautono-mer Veröffentlichungsentscheidung differenzieren, lassen sich anhand derverfassungsrechtlichen Rechtsprechung zum journalistisch-redaktionellenEigenbereich und zu den Einwirkungen von Organisation und Finanzie-rung auf diese Rundfunkautonomie rechtlich definieren. Es bleibt aber derBeurteilungsauftrag des Wägens und Gewichtens, wie er vom Bild derJustitia mit der Waage vertraut ist.295 Die Waage des öffentlich kritischenBeobachtens und der freiheitlichen Rundfunkentscheidung über Art undZeitpunkt der Information müssen wägend und gewichtend zu einem Aus-gleich gebracht werden. Die Schwere der Gewichte wird durch die Anzie-hungskraft der Erde, die Realität des Rundfunkwesens, bestimmt. DieWaage, die die Waagschalen verbindet, wird durch den verfassungsge-prägten Rundfunkauftrag austariert. Der Vorgang dieses Wägens und Ge-wichtens ereignet sich in der Öffentlichkeit der Berichte von KEF undRechnungshöfen, der Sitzungen der Aufsichtsgremien, ihrer Tagesordnun-gen und ihrer Protokolle, der Intendanteninformationen und der Dialogbe-reitschaft des Rundfunks.

295 P. Kirchhof, in: Maunz/Dürig, GG Kommentar, 2015. Art. 3 Abs. 1. Rn. 42 ff.;vgl. auch Radbruch, Vorschule der Rechtsphilosophie, ²1947, 88: Waage alsSymbol des Rechts.

7. Transparenz als Differenzierungsauftrag

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Programmtransparenz

Leitlinien und programmatische Selbstvergewisserung

Im Ergebnis erstaunt, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk besonderenTransparenzforderungen gegenübersteht. Er ist Transparenzmittler und un-terliegt als beitragsfinanzierter Rundfunk institutionellen Kontrollen vonbesonderer Intensität. Jenseits des journalistisch-redaktionellen Bereichsfolgt er als Marktteilnehmer den allgemeinen Regeln des Wettbewerbs.

Transparenz nach außen

Die Gründe der Transparenzforderungen sind wirtschaftlicher Art, soweitsie von Konkurrenten oder von Programmanbietern, insbesondere desSports, erhoben werden, die sich den Gedanken der Grundversorgung fürJedermann zu maßvollen Entgelten nicht zu Eigen machen. Doch der Kerndes Transparenzanliegens dürfte in dem Ziel liegen, das die EBU296 mitdem Stichwort „Auftragstransparenz“ umschrieben hat. Sie fordert Leitli-nien und programmatische Selbstvergewisserungen des Rundfunks überdie Qualität des Programms und insbesondere die Glaubwürdigkeit der In-formationen, die veröffentlicht werden.

Die ARD hat bereits Programmleitlinien und Programmgrundsätze fürdas Erste Programm sowie die ARD-Telemedien publiziert. Die ARD er-neuert gegenwärtig eine einsichtige und verallgemeinerungsfähige Defini-tion dessen, was sie unter Qualität von Programminhalten versteht. Sieprüft neue Verfahren, wie sie diese Qualität hervorbringen und langfristigsichern will. Erhoben werden auch Informationen über redaktionelle Stan-dards, journalistische Guidelines oder Verhaltenskodizes. Auch eine Platt-form für den Publikumsdialog der ARD mit ihren Nutzern wird erwogen.Bessere Informationen über Möglichkeiten der Programmbeschwerdenwerden vorbereitet.

VII.

1.

a.

296 European Broadcasting Union (EBU), Assessing transparency – A guide to dis-closing information online, 2015.

106

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Innere Transparenz

Neben dieser Dialogoffenheit nach außen und der institutionalisierten Kri-tikoffenheit gegenüber den Nutzern treten rundfunkinterne Gremien undBeiräte, in denen Redakteure und Programmverantwortliche in ihrem jour-nalistisch-redaktionellen Eigenbereich die Unabhängigkeit, Unparteilich-keit und Offenheit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erörtern. Dieseinterne Selbstvergewisserung und Selbststeuerung gewinnt zunehmendBedeutung, weil sie in der Autonomie der Freiheitsberechtigten Maßstäbebildet, diese Maßstabsbildung durch die Betroffenen Unabhängigkeitstärkt und ständige Selbstvergewisserung und Selbstkritik fördert, in einer„Selbstgesetzgebung“ die Durchsetzungskraft der so gebildeten Maßstäbewesentlich verbessert. In einem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der plu-ral angelegt ist, die Vielfalt der Gesellschaft widerspiegeln und den demo-kratischen Bürger in seiner Urteilskraft stärken soll,297 ist dieser Prozessder selbstkritischen und stets verbesserungswilligen Gespräche unerläss-lich. Das Programm bestimmt nicht der einzelne Redakteur oder Sprecher,der in seiner individuellen Freiheit subjektiv handelt und deshalb alleinden Gemeinwohl- und Integrationsauftrag des Rundfunks verfehlen wür-de. Bestimmend ist auch nicht ein Weisungsprinzip, nach dem allein der inder Organisationshierarchie Vorgesetzte das Sagen hat. Pluralität und ge-sellschaftliche Offenheit des Programms ist nur erreichbar, wenn die ver-antwortlichen Programmmacher diese Vielfalt persönlich gewährleisten,von unterschiedlichen Sichtweisen, Lebenserfahrungen und Grundsatz-wertungen geprägt sind, bei diesem Aufeinandertreffen verschiedenerFreiheitswahrnehmung die Prinzipien guter journalistischer Praxis dasBindeglied bilden, sich vielleicht das Ethos einer besseren Praxis im Ver-gleich zu anderen Medien entwickeln kann.

Die Rundfunkanstalten haben autonom interne maßstäbliche und insti-tutionelle Vorkehrungen getroffen, um beim Entstehen der Programmedem Rundfunkauftrag nach Verfassungsrecht, Landesgesetz und Staatsver-trag zu genügen. Sie regeln insbesondere ein arbeitsteiliges Zusammen-wirken von Dienstvorgesetzten und Programmmitarbeitern, begründen indieser Zusammenarbeit eine publizistische Mitverantwortung für die inne-re Rundfunkfreiheit, die Programmkonflikte nach bestimmten Maßstäbenund in bestimmten Institutionen lösen. Kein Mitarbeiter darf veranlasst

b.

297 Vgl. BVerfGE 136, 9 (79) – ZDF-Aufsichtsgremien.

1. Leitlinien und programmatische Selbstvergewisserung

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werden, in Beiträgen eine seiner Überzeugung widersprechende Meinungoder künstlerische Auffassung als eigene zu vertreten, eine seiner Infor-mation widersprechende Sachangabe als richtig zu bezeichnen, Sachanga-ben oder Meinungen zu unterdrücken, die nach dem Rundfunkauftrag zueiner umfassenden oder wahrheitsgemäßen Information der Öffentlichkeitgehören, eine von ihm nicht getragene Publikation mit eigenem Namen zuverbinden. Autorenbeiträge dürfen von den Sendungsverantwortlichen nuraus professionell sachlichen Gründen unter Berücksichtigung der journa-listischen Sorgfaltspflichten abgelehnt oder verändert werden. Vorgesetzteund Programmverantwortliche dürfen Beiträge nicht deshalb abweisen,weil darin ihrer persönlichen Meinung widersprechende Auffassungenenthalten sind.298 Das Konzept der inneren Rundfunkfreiheit zielt auf dieeigenverantwortliche Wahrnehmung ihrer Rundfunkfreiheit durch die Mit-arbeiter, die ihnen jedoch „nicht im Interesse ihrer Selbstverwirklichungund zur Durchsetzung subjektiver Auffassungen“ eingeräumt sind, son-dern ihnen zur Erfüllung ihres „journalistischen Auftrags und ihrer Ver-mittlungsfunktion zur Gewährleistung der freien individuellen und öffent-lichen Meinungsbildung“ zusteht.299 Der einzelne Mitarbeiter ist Trägerder Rundfunkfreiheit, wirkt jedoch bei der Programmgestaltung im Zu-sammenklang der verschiedenen Informationen und Meinungen an einemausgewogen vielfältigen Gesamtprogramm mit.

Entsteht bei der Handhabung des gesetzlichen Programmauftrags undder rundfunkautonomen Leitlinien ein Programmkonflikt – insbesonderezwischen Mitarbeiter und Vorgesetztem –, so bilden die Rundfunkanstal-ten Schlichtungsverfahren, insbesondere Programmbeiräte, Redakteurs-versammlungen und Redakteursausschüsse, die maßstabsbildend und kon-fliktschlichtend wirken sollen.300 Im Ergebnis sollen diese maßstabsbil-denden und maßstabserprobenden Schlichtungsverfahren unter der Letzt-

298 Vgl. exemplarisch Dienstanweisung zur Lösung von Programmkonflikten undzur Bewahrung der inneren Rundfunkfreiheit im MDR i.d.F. v. 15.11.2016.

299 Dienstanweisung MDR, aaO, zu 3.1. (4).300 Vgl. Art. 3 u. 4 Redakteursstatut Deutschlandradio; § 4 Redakteursstatut der

Deutschen Welle; Art. 3 u. 4 Redakteursstatut für den NDR aufgrund von § 40NDR-Staatsvertrag; Art. 4 u. 5 Redakteursstatut WDR nach § 31 WDR-Gesetz;§§ 4 u. 5 f. Redakteursstatut des Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) i.d.F.v. 12.2.2009 aufgrund § 33 RBB-Staatsvertrag; Art. 1 Redakteursstatut Hessi-scher Rundfunk aufgrund Art. 4 Abs. 1 u. 2 der Dienstvereinbarung über eine Be-teiligungsregelung des Hessischen Rundfunks; § 4 der Dienstvereinbarung überein Redaktionsstatut des Saarländischen Rundfunks vom 5.4.1989 aufgrund § 12

VII. Programmtransparenz

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verantwortung des Intendanten die individuelle Rundfunkfreiheit des ein-zelnen Mitarbeiters in institutionellem Rahmen und Auftrag des öffent-lich-rechtlichen Rundfunks zur Wirkung bringen. Die Qualifikation, Sach-lichkeit, Unbefangenheit und Unparteilichkeit des Mitarbeiters ist Aus-gangspunkt der Programmentstehung. Das Zusammenwirken von Mitar-beitern, Programmverantwortlichen und Intendant sichert die Offenheit,Vielfalt, Gediegenheit und Unparteilichkeit des Programms. Der Intendantverantwortet als Gesamtverantwortlicher das Gesamtprogramm in seinerStetigkeit von Qualität, Gediegenheit und Vielfalt.

Vertrauensbildung

Die gegenwärtige Medienwelt begegnet – von der Presse bis zu den digita-len Medien – zunehmend kritischen Fragen nach der Glaubwürdigkeitihrer Informationen, der Maßstabssicherheit in Nachricht und Kommentar.Der öffentlich-rechtliche Rundfunk wird diese Entwicklung sorgfältig be-obachten und mit einem Gegenkonzept beantworten müssen. Die Machtder täglichen Ansprache, die suggestive Kraft von Bildern, die Vertrautheitdes Hörers und Zuschauers in der täglichen Begegnung mit einem Spre-cher gibt dem Rundfunk einen Einfluss, der nicht zur Beliebigkeit berech-tigt, sondern als wesentlicher Beitrag für das Gelingen des Gemeinwesensverstanden werden muss. Dabei kann der Journalist in der Kombinationvon Wort und Bild Wirklichkeit und Meinungen besonders einprägsamvermitteln, nicht aber allein durch rationale Sprache und empirische Bele-ge das tatsächliche Leben spiegeln und anschaulich machen. Jedes Bild istAuswahl, bestimmt von der Lebenssicht und dem Weltverständnis desAuswählenden. Jede Aussage teilt nicht nur Wirklichkeit mit, sondern be-wältigt Wirklichkeit. Jede Nachricht schildert Fakten, gibt ihnen aber auchBedeutung, Sinn und Wert. Jede Sendung spricht nicht nur die Vernunftdes Adressaten an, sondern auch seine Hoffnungen, seine Erwartungen,seine Empörungsbereitschaft, seine Sinnlichkeit. Und jeder Kommentar istsubjektive Beobachtung und Einschätzung, appellative Tatsachenfeststel-lung, Empfehlung und Warnung. Er ängstigt oder gibt Hoffnung, lähmtoder ermuntert, macht unzufrieden oder zufrieden, vereinfacht und kom-

2.

Landesrundfunkgesetz i.V.m. § 112 SPersVG; §§ 5 u. 6 Redaktionsstatut RadioBremen nach § 18 Abs. 4 Radio Bremen-Gesetz i.d.F. v. 23.1.2008; Dienstanwei-sung zur Lösung von Programmkonflikten MDR, aaO, zu 3.3.

2. Vertrauensbildung

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pliziert, schließt Geschehen ab oder auf. Jedes Erzählen vergegenwärtigtHerkömmliches und Gewachsenes, macht Entwicklungen vertraut oderweist sie in Ferne und Fremdheit, stellt Gemeinsamkeiten und Werte inFrage oder fundiert sie in Zugehörigkeit und Konsensbereitschaft. EinJournalist mag den „Zeitgeist“ verschweigen, sich gegen ihn stemmenoder ihn befördern, steht aber nicht jenseits der geistigen Kultur seiner Ge-genwart.

Ein Vertrauensverlust der Medien beruht deshalb nicht darauf, dass dieJournalisten engagiert berichten, selbstbewusst kommentieren, die kompli-zierte, widersprüchliche, oft unharmonische Welt darstellen, sich auch ir-ren und berichtigen, in ihrer Subjektivität Fehldeutungen empfinden undausräumen. Das Fundament politischen Vertrauens in das Fernsehen ist dieernste und ersichtliche Unparteilichkeit jedes Journalisten. Ein Vertrauens-verlust hat seinen Ursprung in dem Bezugshorizont journalistischen Wir-kens, der unsere politische Welt wesentlich auf die politischen Parteien be-zieht, Publikationen in den Dienst einer Partei stellt, den Journalisten dankpersönlicher Vorlieben zum Agent einer Partei macht.

Eine Parteilichkeit wird für den Zuschauer und Zuhörer schmerzlichspürbar, wenn ein Journalist bei Interview und Talkshows die Regeln einesoffenen Dialogs missachtet, dem Gast das Wort abschneidet oder seineAussage durch einen nachfolgenden Eigenkommentar nicht nachklingenlässt. Wenn die politischen Parteien sich im Wahlkampf programmatischund personell gegenseitig herabwürdigen, der Journalist sich an diesenSchmähungen beteiligt, hat er auch am Schwinden der Wertschätzung teil.

Das Fernsehen büßt auch an Vertrauen ein, nimmt dem Zuschauer seinevertraute Umwelt, in der er in zufriedener Privatheit, in Teilhabe an Wohl-stand und Wachstum lebt, wenn das allabendliche „kleine Welttheater“ nurvon Krieg, Hunger, Naturkatastrophen, politischen Intrigen und Korrupti-on berichtet, den Lösungen dieser Probleme aber deutlich weniger Auf-merksamkeit und Sendezeit widmet. Die Idee von Unrecht, Wiedergutma-chung und Tatverantwortung gehört zu den Grundanliegen des Menschen,zur Humanität. Und er hat die Hoffnung, dass Fehlentwicklungen begra-digt, Unrecht beseitigt, Lebensverhältnisse verbessert werden.

Eltern hoffen für ihre Kinder, zumindest im Vorabendprogramm des öf-fentlich-rechtlichen Rundfunks ein Gegenprogramm gegen die Verrohung,gegen Hass und Häme, gegen Frühsexualisierung zu finden. Wenn auchder Rundfunk zur „Quote statt Qualität“ neigt, er durch immer häufigereund aggressivere Darstellungen von Gewalt und Sexualität die Reiz-schwelle senkt, geht der Zuschauer in geistige Distanz, lässt sich vielleicht

VII. Programmtransparenz

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unterhalten, missbilligt aber die Art dieser Unterhaltung und das Handelndes Unterhalters.

Die Medien bevorzugen politische Demonstrationen und Aktionen, dieeinen geplanten kleinen Schritt in die Illegalität gehen, dadurch die Auf-merksamkeit der Öffentlichkeit gewinnen. Transparente und Kritiksymbo-le werden erst gezeigt, wenn die Akteure Schornsteine besteigen, die sienicht besteigen dürfen, Fahrzeuge rechtswidrig an der Fahrt hindern, Farb-beutel und Steine werfen. Das Prinzip, bestimmten Akteuren einen Öffent-lichkeitsvorsprung durch bedachte Illegalität einzuräumen, wird von Hö-rern und Zuschauern als Regelverletzung verstanden und zurückgewiesen.

Diese Kritikpunkte sind Ausdruck der Hoffnung der Rundfunkteilneh-mer. Sie erwarten angesichts der Grobheiten und Verrohungen in der digi-talen Welt, der Bedrängnis des individuellen Alltags durch überforderndeNachrichtenfluten und Informationsvielfalten, der befürchteten Informati-onsintervention durch wirtschaftliche und wohl auch staatliche Mächtevon den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sachgerechte Informa-tionen, kulturelle Prägungen, Beiträge zur Mündigkeit des Bürgers, seinerIntegration in Staat und Gesellschaft. Wenn die Rundfunkanstalten konti-nuierlich die Definition dessen überarbeiten, was für sie die Qualität desRundfunks ausmacht, sie neue Verfahren entwickeln, um diese Qualität zuerzeugen und zu sichern, sie erneut Verhaltenskodizes für die Rundfunk-mitarbeiter bedenken – insbesondere Handlungsverbote bei Befangenheitund wirtschaftlichem Eigeninteresse –, sie einen offeneren Dialog mit demPublikum suchen, wird dadurch eine neue Zukunft eines freiheitlichen undFreiheit ermöglichenden Rundfunks erschlossen.

2. Vertrauensbildung

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