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Reuss-Borst M. Stoffwechselkrankheit Gicht. Akt Rheumatol 2018; 43: 215–223

Übersichtsarbeit

Reuss-Borst Monika. Stoffwechselkrankheit Gicht. Akt Rheumatol 2017; 00: 00–00

Stoffwechselkrankheit Gicht

The Metabolic Disease of Gout

AutorenMonika Reuss-Borst1, Anne-Kathrin Tausche2

Institute1 Facharztpraxis am Rehabilitations- & Präventionszent-

rum, Bad Bocklet2 Abteilung Rheumatologie, Med. Klinik und Poliklinik III,

Dresden

SchlüsselwörterGicht, Stoffwechselstörung, Ernährung, Serumharnsäure

Key wordsgout, metabolic disorder, nutrition, serum uric acid

BibliografieDOI https://doi.org/10.1055/s-0043-121141Online-Publikation: 13.3.2018 Akt Rheumatol 2018; 43: 215–223© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York ISSN 0341-051X

KorrespondenzadresseProf. Monika Reuss-BorstFrankenstraße 3697708 Bad BockletTel.: 09708-799200Fax: [email protected]

ZusAMMenfAssung

Die Gicht ist die häufigste entzündliche Gelenkerkrankung. Ihr liegt mit der Hyperurikämie als Ursache eine metabolische Störung zugrunde. Abgelagerte Harnsäurekristalle führen zu den typischen anfallsartigen Gelenkentzündungen. In den letz-ten Jahrzehnten ist die Gichtinzidenz zusammen mit anderen metabolischen Erkrankungen zunehmend. Der Rheumatologe ist besonders gefragt, wenn sich die Gicht klinisch nicht typisch manifestiert (oligo- und polyartikulär), also andere Differenzi-aldiagnosen infrage kommen, wenn bereits Komplikationen aufgetreten sind (fortgeschrittene Arthropathie, tophöse Gicht, zunehmende Nierenfunktionseinschränkung) oder wenn sich die Therapie aufgrund von Komorbiditäten schwierig ge-staltet. Im Allgemeinen ist die Diagnostik der Gicht für den erfahrenen Rheumatologen keine Herausforderung, zumal er über Tools wie die Gelenksonografie und Gelenkpunktion mit

mikroskopischer Beurteilung von Synovialflüssigkeit verfügt. Auch erscheint die Behandlung der Gicht als „treat-to-target“-Konzept in Analogie zu anderen entzündlich-rheumatischen Erkrankungen und aufgrund effektiver therapeutischer Optio-nen vergleichsweise übersichtlich. Immer wieder kommt je-doch die Frage nach eventuell modifizierbaren Faktoren bei der Entstehung der Hyperurikämie und Gicht auf. Die vorliegende Arbeit richtet den Fokus auf die Beeinflussung der zugrunde-liegenden metabolischen Ursachen unter Berücksichtigung aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse. Ziel ist es, den Fokus von der rein symptomatischen Therapie der Entzündung im Gichtanfall hin auf die kausale Beeinflussung der metabolischen Harnsäure-Homöostase zu richten. Dazu gehört neben diäte-tischen Maßnahmen auch die Modifikation von Harnsäure-erhöhenden Faktoren wie Komedikationen.

ABsTR AcT

Gout is the most common inflammatory joint disease. Its un-derlying cause is a metabolic condition in the form of hyperu-ricaemia. Prolonged hyperuricaemia may lead to deposition of monosodium urate crystals in joints and other tissues. The inflammatory response to these crystals results in the typical manifestation of gout flares. During the past few decades, a rising incidence of hyperuricaemia and gout together with other metabolic disorders has been observed. Rheumatologists are frequently consulted if the clinical presentation is not “ty-pical” of gout, suggesting other differential diagnoses (e. g. if arthritis is oligo- or polyarticular), or if complications have oc-curred (gouty arthropathy, tophi, impaired renal function) and/or if treatment is complicated by co-morbidities. In general, making the right diagnosis is not too difficult for experienced rheumatologists as they have the right tools at hand, e. g. ult-rasound and arthrocentesis with microscopic analysis of syno-vial fluid. Also the treatment of gout seems to be relatively easy as it follows a “treat-to-target” strategy with a manageable amount of therapies. However, one question that keeps coming up concerns possible modifiable factors regarding the deve-lopment of hyperuricaemia and gout. In due consideration of current scientific evidence, the following article focuses on the causal metabolic aspects and highlights modifiable factors such as dietary habits and co-medications, which influence the homoeostasis of uric acid.

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Reuss-Borst M. Stoffwechselkrankheit Gicht. Akt Rheumatol 2018; 43: 215–223

Übersichtsarbeit

EinführungDie Gicht ist eine der wenigen rheumatischen Erkrankungen, deren Ätiologie heute weitgehend bekannt ist [1]. Ursächlich sind abge-lagerte Harnsäurekristalle in Gelenken und periartikulär. Zur Kris-tallbildung kommt es, wenn eine anhaltende Erhöhung der Serum-Harnsäure (Hyperurikämie) zu einer Überschreitung der Löslich-keitsgrenze von Harnsäure führt. Werden abgelagerte Kristalle vom angeborenen Immunsystem als fremd erkannt, kommt es zur Aus-lösung der typischen hochentzündlichen Gichtanfälle. Bei unbe-handelter Gicht können zudem Tophi, im Bindegewebe abgelager-te Harnsäurekristall-Depots, hinzukommen. Die Untersuchungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass Harnsäurekristallablagerun-gen bereits vor dem ersten Gichtanfall polarisationsmikroskopisch in der Gelenkflüssigkeit nachweisbar sind, was sich mit bildgeden-den Verfahren wie Sonografie oder Dual-Energy-Computertomo-grafie (DECT) als strukturelle Veränderungen im Gewebe z. B. den Sehnenansätzen oder auch intraartikulär darstellen lässt [2, 3]. Bei anhaltender bzw. nicht ausreichend behandelter Hyperurikämie nehmen die Harnsäurekristall-Ablagerungen zu, so dass sich Gicht-anfälle und im weiteren Verlauf eine chronische destruierend ver-laufende Arthritis sowie in 10–20 % der Fälle auch eine Urat- oder Oxalatnephrolithiasis entwickeln können.

Sowohl exogene als auch endogene Faktoren können die Serum-Harnsäurekonzentration beeinflussen und damit das Risiko für eine Hyperurikämie/Gicht erhöhen bzw. auch senken. In vorliegendem Schwerpunkt-Heft „Stoffwechsel und Rheuma“ möchten wir einen

Überblick über die aktuellen Erkenntnisse zu den vielfältigen Einfluss-faktoren auf die Harnsäure-Homöostase geben. Die klinischen Ma-nifestationen sowie die Therapie einer Gicht sind den meisten Rheu-matologen geläufig und sollen daher hier nicht erörtert werden.

Physiologische Bedeutung der HarnsäureHarnsäure ist ein wichtiger Bestandteil des endogenen Systems der Antioxidantien, die für die zelluläre Integrität von Bedeutung sind. Vor ca. 35–55 Millionen Jahren kam es durch Verlust der Ascorbin-säure-Synthese (13 bp-Deletion im Exon 2) zur Abnahme der anti-oxidativen Kapazität. Dieses Defizit wurde durch weitere Gen-Muta-tionen, u. a. eine Nonsense-Mutation im Codon 33 und 187 des Ura-toxidasegens ausgeglichen, die zu einem Verlust des Enzyms Urikase (bzw. einem biologisch inaktivem Uratoxidaseprotein) beim Menschen führte. Im Ergebnis dieser genetischen Veränderungen wurden Purine nur bis zur Harnsäure, und nicht weiter zum gut was-serlöslichen Allantoin, abgebaut. Harnsäure ist ein starkes Anti-oxidanz; darüber hinaus schienen diese genetischen Modifikationen aufgrund weiterer Effekte einen evolutionsbiologischen Selektions-vorteil darzustellen. So wird heute diskutiert, dass auch der Über-gang in den aufrechten Gang maßgeblich auf die blutdrucksteigern-de Wirkung der Harnsäure zurückzuführen sein könnte [4, 5], was durch neuere Untersuchungen zum Einfluss der Harnsäure auf den Blutdruck bei jungen Erwachsenen unterstrichen wird [6]. Ein wei-terer Vorteil des allmählichen Harnsäureanstiegs könnte die Förde-

▶Abb. 1 Purin-Stoffwechsel.

PRPP-Synthetase

Xanthinoxidase

O

O

O

HN

NH N

H

NH

Xanthinoxidase

HGPRaseAPRTase

HGPRase

AmidophosphoribosyltransferaseGlutaminATP

Ribose-5-phosphat

GMP AMP

Guanin Inosin

XanthinHarnsäure Hypoxanthin

Guanosin Adenosin

PRPP

PRPP

PRPP

PRPP

Adenin

IMP

5-Phosphoribosylamin

Xanthinphosphat Adenylosuccinat

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Reuss-Borst M. Stoffwechselkrankheit Gicht. Akt Rheumatol 2018; 43: 215–223

rung einer Insulinresistenz und milden Adipositas (Bildung von Fett-speicher) mit einem Überlebensvorteil in Hungerzeiten gewesen sein. Solange die Ernährungsmöglichkeiten noch eingeschränkt waren – so die teleologische Hypothese-, könnten die physiologi-schen, positiven Effekte der Harnsäure überwogen haben.

Erst mit der ständigen Verfügbarkeit von (purinreichen) Nah-rungsmitteln konnte sich als pathologischer Effekt einer Hyperuri-kämie die Gicht manifestieren. Die Assoziation der Gicht mit einem eher üppigen ( = reichlich essenden) Lebensstil ist seit dem Vorhan-densein von menschlichen Aufzeichnungen dokumentiert. So galt die Gicht lange Zeit als die „Krankheit der Könige“, als ein Sinnbild für Maßlosigkeit und Völlerei.

Heute ist die Gicht die häufigste entzündlich-rheumatische Erkran-kung, eine Zivilisationskrankheit mit steigender Prävalenz. Dies wird im Wesentlichen auf den sog. „westlichen Ernährungsstil“ und mangelnde körperliche Aktivität sowie den demografischen Wandel zurückgeführt. Das Vorkommen der Hyperurikämie ist dabei eng assoziiert mit dem metabolischen Syndrom, d. h. anderen Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes mellitus, Adipositas, Fettstoffwechselstörungen und arteriel-ler Hypertonie. Bis in die 90ger Jahre gehörte die Hyperurikämie zur De-finition des metabolischen Syndroms (sog. „metabolisches Quintett“ nach M. Hanfefeld). Neuere Studien weisen darauf hin, dass die Hype-rurikämie in der Tat bei der Entwicklung dieser Erkrankungen eine ei-genständige wichtige pathophysiolologische Bedeutung hat und mehr als ein „innocent bystander“ ist [7, 8].

Ursachen der HyperurikämieHarnsäure ist das Endprodukt des Zellkernstoffwechsels (überwie-gend Purine aus DNA, RNA sowie energiereiche Phosphate wie ATP) (▶Abb. 1). Relevant für den Harnsäurespiegel sind v. a. mit der Nah-rung zugeführte Purine, aber auch der Abbau körpereigener Purine fällt unter Umständen, z. B. bei Tumorerkrankungen ins Gewicht. Harn-säure wird überwiegend über die Niere ausgeschieden. Über 90 % der glomerulär filtrierten Harnsäure werden im proximalen Tubulus reab-sorbiert. Sowohl Reabsorption als auch tubuläre Sekretion erfolgen über spezifische aktive Transportmechanismen (▶Abb. 2).

Eine Hyperurikämie liegt vor, wenn der Harnsäurewert über dem Sättigungspunkt liegt. Dieser ist in vivo bei 37 °C und einem Blut-pH von 7,4 bei 6,8 mg/dl (400 µmol/l) und gilt gleichermaßen für Männer und Frauen. Die Hyperurikämie ist ein häufiger Laborbe-

fund und kann auf eine vermehrte Harnsäurebildung und/oder eine verminderte renale Harnsäureausscheidung zurückzuführen sein.

Aktuell findet sich bei ca. 20 % der Erwachsenen eine Hyperuri-kämie [9], ca. 2–4 % der Bevölkerung sind von einer Gicht betroffen [10]. Je höher der Harnsäurespiegel ist, desto größer ist das Risiko, an einer Gicht zu erkranken [11, 12].

Nicht-modifizierbare Risikofaktoren für eine HyperurikämieGenetische FaktorenWährend die Überproduktion von Harnsäure generell sehr selten ist, liegt bei > 90 % der Gichtpatienten eine renale Harnsäureaus-scheidungsstörung vor. Der bekannteste renale Harnsäuretrans-porter URAT1 ist im proximalen Tubulus lokalisiert. In einer Meta-analyse von ca. 28.000 Probanden zeigte sich, dass genetische Po-lymorphismen im URAT-1 Gen eine Assoziation zum Serum- Harnsäurespiegel aufweisen. Noch signifikanter ist diese Assozia-tion für genetische Varianten in 2 weiteren tubulären Transport-systemen, GLUT 9 und ABCG2, die beide auf dem Chromosom 9 lokalisiert sind [13]. Zwischenzeitlich wurden in einer großen eu-ropäischen Genom-Assoziationsstudie mit > 140 000 Individuen 28 Genpolymorphismen identifiziert, die mit dem Serumharnsäu-respiegel assoziiert sind [14, 15]. Die meisten Gene kodieren für renale Transportproteine. Einige der entdeckten Polymorphismen beeinflussen auch den Kohlenhydratstoffwechsel, z. B. die Glykoly-se und den Pentosephosphat-Weg, der für die De novo-Purinsynth-se von Bedeutung ist. So lassen sich vermutlich auch Verbindungen zwischen Hyperurikämie und Insulinresistenz (metabolisches Syn-drom) über diese genetischen Assoziationen erklären [14].

Sehr selten beruht die Hyperurikämie auf einer vermehrten en-dogenen Harnsäureproduktion infolge genetisch bedingter Enzym-defekte des Purinstoffwechsels, z. B. der Hypoxanthin-Guanin-Phosphoribosyltransferase (HGPRT). Eine verminderte HGPRT-Ak-tivität manifestiert sich klinisch mit Gicht und Uratnephropathie (Kelley-Seegmiller-Syndrom), eine nahezu vollständige Defizienz der HGPRT-Aktivität zusätzlich mit neurologischen Symptomen, oft bereits im Kindesalter (Lesh-Nyhan-Syndrom).

GeschlechtFrauen haben durchschnittlich um 1,0 mg/100 ml niedrigere Harn-säurespiegel als Männer. Ursächlich ist die Tatsache, dass Östrogene eine urikosurische Wirkung haben, die Frauen bis zur Menopause vor einer Gicht schützt [16, 17]. Frauen, die eine Hormontherapie erhal-ten, erkranken ebenfalls seltener an einer Gicht und weisen niedri-gere Harnsäurespiegel auf als Frauen ohne Hormontherapie [18].

AlterMit steigendem Alter können höhere Harnsäurespiegel beobach-tet werden. Ursachen hierfür sind v. a. ein Aufbau der Harnsäure über mehrere Jahrzehnte sowie eine abnehmende Nierenfunktion, sowie die häufige Einnahme von Harnsäure-erhöhenden Medika-menten aber auch die Zunahme der Adipositas-Prävalenz.

▶Abb. 2 Renale Harnsäure-Ausscheidung.

organische Anionen Monocarboxylate

tubuläres Lumen

Harnsäureausscheidungüber den Urin

peritubuläres Interstitium

Reabsorption von Urat-Anionenin den Blutkreislauf

SLC22A12

ABCG2

SLC17A1

Urat-AnionUrat-Anion

Urat-AnionUrat-Anion

Urat-AnionUrat-Anion

ATP

Urat-Anion

Urat-Anion

SLC2A9

SLC22A6

SLC22A8

Epithelzelle des proximalen Tubulus der Niere Apikalmembran (Bürstensaum)

organische Anionen(z. B. Laktat, Nikotinat)Monocarboxylate

Basolateralmembran

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Reuss-Borst M. Stoffwechselkrankheit Gicht. Akt Rheumatol 2018; 43: 215–223

Übersichtsarbeit

Modifizierbare Risikofaktoren einer HyperurikämiePurinreiche KostDie meisten Erkenntnisse zu den Effekten einer purinreichen Kost auf die Manifestation einer Gicht stammen aus großen prospektiven Ko-hortenstudien, insbesondere der Health-Professional-Follow up-Stu-die (HPFS) bei Männern und der Nurses' Health Study (NHS) bei Frau-en sowie auch des ,,Third National Health and Nutrition Examination Surveys“ (NHANES)(1988–1994), in denen validierte Ernährungs-fragebögen verwendet wurden und eine große Probandenzahl über einen langen Zeitraum (10–20 Jahre) mit Blick auf eine inzidente Gicht untersucht wurde (▶Tab. 1). Einschränkend gilt dass es sich hierbei um reine Assoziationsstudien handelt. Prospektive Ernäh-rungs-Interventionsstudien liegen bislang dagegen kaum vor.

In der HPFS-Studie [19] fand sich bei rotem Fleisch eine lineare Korrelation mit einem multivariaten relativen Risiko (RR) von 1,41 (95 %-KI: 1,07–1,98) und einem multivariaten relativen Risiko (RR) von 1,51 (95 %-KI: 1,17–1,95) für Meeresfrüchte. Auch beim Alko-holkonsum zeigte sich eine lineare Beziehung zwischen dem Kon-sum und dem Gichtrisiko. Verglichen mit Menschen, die keinen Al-kohol tranken, betrug das RR bei einem Alkoholkonsum von 10–15 g/d 1,32 (95 %-KI: 0,99–1,75) und stieg bei einem Konsum von > 50 g/d auf 2,53 (95-KI: 1,73–3,70) an.

Mit Blick auf unterschiedliche Alkoholika zeigte sich die stärks-te Assoziation für Bier. Bei einem Bierkonsum > = 2 Bieren pro Tag ( > = 670 ml/d) betrug das RR 2,51 (95 %-KI: 1,77–3,55) [20]. Das multivariate Risiko betrug 1,49 für jeweils ein weiteres Bier pro Tag. Hier lohnt sich durchaus anzumerken, dass der Puringehalt von Bier sehr variieren kann, so sind lokale Biere (Privatbrauereien) und auch

alkoholfreies Bier oft besonders purinreich [21]. Moderater Wein-genuss war dagegen in der Studie von Choi et al. [20] nicht mit einem erhöhten Gichtrisiko assoziiert.

Direkte akute Wirkungen von Alkohol auf die Harnsäure-Syn-these oder Harnsäureausscheidung wurden bei gesunden Proban-den nicht nachgewiesen [22]. Es wird angenommen, dass lediglich indirekte Effekte (z. B. über die entstehende Azidose) für eine ver-minderte Harnsäureausscheidung ursächlich sind.

Eine wichtige Erkenntnis der letzten Jahre ist die Unterscheidung zwischen tierischen und pflanzlichen Purinen in der Nahrung. So war der Verzehr von Purin-reichem Gemüse in einer populations-basierten Fallkontroll-Studie mit 2076 gesunden Teilnehmern nicht mit einer erhöhten Serumharnsäure assoziiert (p = 0,38) [23]. Choi et al. [19] konnten ebenfalls keine Assoziation zwischen hohem Verzehr von Gemüse und Gicht nachweisen, so dass pflanzliche Pu-rine heute als unbedenklich gelten können und der Verzehr von Ge-müsen, auch purinreicheren ausdrücklich empfohlen wird [24].

FruktoseSoftdrinks, Fruchtsäfte und Obst mit hohem Fruchtzuckergehalt können den Harnsäurespiegel bei Gesunden bzw. auch übergewich-tigen Probanden ebenfalls erhöhen [25–27]. Der Konsum Frukto-se-reicher Getränke/Lebensmittel ist darüber hinaus sowohl bei Männern als auch Frauen mit einem erhöhten Gichtrisiko assoziiert [28, 29]. Aus diesem Grund sollte besonders bei Gichtpatienten auf Fruktose-reiche Nahrung verzichtet werden. Da industriell verschie-denen Nahrungsmitteln Fruktose aufgrund seiner stärkeren Süß-kraft zugesetzt wird, lohnt auch hier ein Blick auf die Inhaltsanga-ben von Fertigprodukten. Die Fruktose wird zu 75 % in der Leber abgebaut. Im Gegensatz zur Glukose ist die Aufnahme und Meta-

▶Tab. 1 Ernährungsfaktoren und inzidentes Gicht-Risiko.

nahrungsmittel studie Vergleich RR RR 95 %-KI

Fleisch-Gesamt HPFS Höchste vs. niedrigste Quintile 1,41 1.07,1.86

Meeresfrüchte HPFS s. o. 1,51 1.17,1.95

Gemüse HPFS s. o. 0,96 0.74,1.24

Soft-Drinks HFPS > = 2 Getränke/d vs. < 1Getränk/m 1,85 1.08, 3.16

NHS > = 2 Getränke/d vs. < 1 Getränk/m 2,39 1,34; 4,26

„Diet“-Soft Drinks HPFS > = 2 Getränke/d vs. < 1 Getränk/m 1.12 0.82, 1.52

Alkohol ges. HFPS > 50 g vs. kein Alkohol 2.53 1.73,3.55

Bier HFPS > 2 Getränke/d vs. < 1 Getränk/m 2,51 1.77, 3.55

Spirituosen HFPS > 2 Getränk/d vs. < 1 Getränk/m 1.60 1.19, 2.16

Wein HFPS > 2 Getränke/d vs. < 1 Getränk/m 1.05 0.64, 1.72

Milch HFPS Höchste vs. niedrigste Quintile 0,56 0.42, 0.74

Fettarm HPFS s. o. 0,58 0.45, 0.76

Fettreich HFPS s. o. 1,00 0.77,1.29

Kaffee HFPS > = 6 Tassen/d vs. kein Kaffee 0,41 0.19,0,88

NHS > = 4 Tassen/d vs. kein Kaffee 0,43 0.30,0.61

Tee HFPS > = 4 Tassen/d vs. kein Tee 0,82 0.30, 1.75

NHS > = 4 Tassen/d vs. kein Tee 1,55 0.98, 2.47

Vitamin C HFPS > 1500 mg/d vs. < 250 mg/d 0,55 0.38, 0.80

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bolisierung von Fruktose ein insulinunabhängiger Prozess. Bei einem hohen Angebot von Fruktose ist der Pentosephosphat-Weg rasch gesättigt, überschüssige Fruktose wird zu Triglyzeriden umge-baut (de Novo-Lipogenese) und begünstigt die Entstehung einer Fettleber. Entscheidend für den enzymatischen Abbau der Fruktose ist das Enzym Fruktokinase. Unter dem Verbrauch von Energie in Form von ATP erfolgt die Phorphorylierung (hoher ATP-Verbrauch). Je mehr Fruktose aufgenommen wird, umso mehr ATP wird ver-braucht und aus diesem konsekutiv mehr Harnsäure als ,,Abbau-produkt“ gebildet. Hier besteht somit der Link zwischen Fruktose-konsum und erhöhtem Gichtrisiko. Die hierdurch vermehrt anfal-lende Harnsäure prädisponiert nicht nur zur Gicht, sondern fördert auch die Entstehung einer Insulinresistenz über Hemmung der Glu-koseaufnahme in die Muskelzelle und direkte Effekte an den Adi-pozyten (▶Abb. 3).

Weitere direkte Effekte von Harnsäure sind Angriffspunkte am Endothel. Vermutlich über eine Hemmung der endothelialen NO-Synthetase wird vermindert NO gebildet, was eine endotheliale Dysfunktion triggert. In diesem Zusammenhang kommt der Fruk-tose und Harnsäure vermutlich eine wichtige Bedeutung bei der

multifaktoriellen Entstehung des metabolischen Syndroms, der Fettleber sowie der Hypertonie zu (▶Abb. 4). All dies sind Erkran-kungen, die durch eine frühzeitige Lebensstilmodifikation günstig zu beeinflussen wären [30, 31].

AdipositasDer Zusammenhang zwischen Adipositas und Gicht ist ebenfalls schon lange bekannt. Ab einem BMI von > 25 steigt das Gichtrisiko an. Bei einem BMI > 35 betrug das RR 2,97 (95 % KI: 1,73–5,1) für Gicht bei Männern [32]. Im Gegenzug bedeutet eine Gewichtsreduk-tion eine deutliche Risikoreduktion (RR 0,61 95 %-KI: 0,40–0,92).

In einer prospektiven kontrollierten schwedischen Studie wurde gezeigt, dass die Inzidenz einer Hyperurikämie nach bariatrischer OP im Vergleich zu konventionell therapierten Patienten über ein Follow-up von 15 Jahren signifikant geringer war [33]. Dies ging mit einer signifikanten Abnahme des Gicht-Risikos einher (HR 0,6; 95 %-KI: 0,48–0,75). Als mögliche Mechanismen zur Erklärung dieser Beobachtung wurden neben der „reduzierten“ Ernährungsweise nach der OP mit Abnahme der Insulinresistenz durch Gewichtsre-duktion auch eine Verbesserung der Nierenfunktion diskutiert [34].

▶Abb. 3 Fruktose-bedingter ATP-Verbrauch und Harnsäurebildung.

ATP

ADP

AMP

Adenosin

IMP

Inosin

Hypoxanthin

Phosphatmangel

AMP Desaminase

Adenosin Desaminase

5‘-Nukleotidase

Purinnukleosid Phosphorylase

Xanthin

Xanthinoxidase

Harnsäure

Xanthinoxidase

5‘-Nukleotidase

P1

P1

P1

P1

P1 P1

P1

P1

P1

P1

P1

P1

P1

P1

P1

P1

P1 P1Fruktose

Fruktokinase

Fruktose-1-Phosphat

219

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Übersichtsarbeit

MedikamenteEine Reihe von Medikamenten haben Auswirkungen auf den Harn-säurespiegel (▶Tab. 2). Dies gilt v. a. für die Einnahme von Diure-tika. Als schwache Säuren beeinflussen sie verschiedene Transport-proteine in den renalen Tubuluszellen und behindern die Harnsäu-reausscheidung. Hinzu kommt der Effekt einer Volumendepletion durch Diuretika, der zu einem erhöhten Gichtrisiko beitragen kann.

In der ARIC-Studie von McAdams et al. [35] war bei Hypertoni-kern die Einnahme von Thiaziddiuretika (RR 1,44; 95 %-KI: 1,00–210) und Schleifen-Diuretika (RR 2,31 95 %-KI: 1,36–3,91) mit einem erhöhten Risiko für eine Gichtentwicklung assoziiert. Die Verwendung anderer Antihypertensiva bewirkte hingegen eine Re-duktion des Gichtrisikos (RR 0,64; 95 %-KI: 0,49–0,86). K-sparende Diuretika scheinen im Hinblick auf die Harnsäurehomöostase neu-tral [36]. Calcium-Antagonisten, Losartan und Fenofibrat senken den Harnsäurespiegel, ß-Blocker können ihn erhöhen.

Erwähnt werden sollte auch Low-Dose ASS, das in Studien eben-falls mit einem erhöhten Gichtrisiko assoziiert war (OR 1,91; 95 %-KI: 1,32–2,85) [37], während die Einnahme von höher dosiertem ASS ( > 3 g/d) zu einer vermehrten Harnsäureausscheidung führt.

Harnsäure-senkende SubstanzenKoffein ist ein Methylxanthin und hemmt in Ratten kompetitiv die Xanthinoxidase [38]. Daher wurde eine ähnliche Wirkung wie ein Xanthinoxidasehemmer diskutiert. Bei einem Verzehr von > 6 Tas-sen Kaffee betrug das RR für eine inzidente Gicht 0,41 (95 %-KI: 0,19–0,88). Auch für entcoffeinierten Kaffee fand sich diese Asso-ziation - wenn auch weniger ausgeprägt; hier betrug das RR bei einem Genuss von > = 4 Tassen RR 0,73 (95 % KI: 0,46–1,17). Der Konsum von Tee reduzierte das Gichtrisiko nicht [39–41]. Letzte-res spricht dafür, dass Coffein nicht der alleinige Grund für einen

▶Abb. 4 Pleiotrope Effekte der Harnsäure - Kardiorenales metabolisches Syndrom.

A = AdipozytenM = Makrophagen

Kardiorenales metabolisches Syndrom▪zentrale Adipositas▪Insulinresistenz▪Hypertonie▪kardiale Fibrose und diastolische Dysfunktion▪Gefäßsteifigkeit und endotheliale Dysfunktion▪Albuminurie und reduzierte Nierenfunktion

A

Funktionsgestörtes Fettgewebe▪Makrophageninfiltration▪niedriggradige Entzündung▪erhöhte IL-1-, IL-6-, TNF-α-Werte▪erniedrigter Adiponektin-Spiegel

▪ Beeinträchtigung des koronaren Blutflusses▪ Beeinträchtigung der diastolischen Relaxation▪Beeinträchtigung der ischämischen Rekonditionierung

Hyperurikämie▪sympathische Aktivierung▪RAAS-Aktivierung▪oxidativer Stress▪Entzündung

↑ Aldosteron↑ Angiotensin II NADPH-Oxidase ROS-Produktion

Retention von Na+▪Glomerulosklerose▪tubulointerstitielle Fibrose▪Proteinurie▪Abnahme der GFR

schreitet fort zu

Mikroalbuminurie Hyperfiltration

EZ

EZ = Endothelzelle

↑ROSNO ↑NOO↓bioverfügbares NO↑PAI-1/TPA (Beeinträchtigung der Fibrinolyse, Vasokonstriktion)↓Versorgung der Gewebe mit Glucose und Insulin↑Kollagen↓Elastin

Zellkern

Endotheliale Dysfunktion und Gefäßsteifigkeit

M

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Gicht-protektiven Effekt ist, sondern andere Inhaltsstoffe evtl. auch eine urikosurische Wirkung des Coffeins ursächlich sind.

Auch der Verzehr von Milch bzw. milchhaltigen Produkten war in Studien mit einem geringeren Gicht-Risiko assoziiert. So war in der prospektiven Health-Professional-Follow up-Studie (HPFS) bei einem zusätzlichen Milchgetränk das Gichtrisiko von Männern um 21 % vermindert. Der Effekt war bei fettarmer Milch und Mager-milch am stärksten. In der NHS-Studie konnte dieser Effekt auch bei Frauen nachgewiesen werden [19, 42].

In einigen Interventionsstudien konnte ein Harnsäure-senken-der Effekt von Milchprodukten bei gesunden Probanden beobach-tet werden. Die akute Zufuhr von Milchprodukten führte dabei zu einer vermehrten renalen Harnsäureausscheidung [43].

Milch und Milchprodukte eignen sich somit besonders gut als Ei-weißquelle. Im Gegensatz zu einer auf Fleisch-basierenden (und damit Purin-reichen!) Ernährung, sind Milch- und Milchprodukte purinarm.

Bereits in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts beob-achtete Blau LW [44], dass bei Gichtpatienten, die etwa 250 g Kir-schen pro Tag essen, weniger Gichtanfälle auftreten. Seit langem ist bekannt, dass Kirschen den Harnsäurespiegel senken können, während dies für Erdbeeren, Weintrauben oder Kiwis nicht der Fall ist [45]. Als mögliche Ursache wurde eine verminderte renale Re-absorption von Harnsäure diskutiert. In Ratten konnte auch eine Hemmung der Xanthinoxidase gezeigt werden, so dass auch eine vermindere Harnsäurebildung möglich wäre [46].

Kürzlich fand die Beobachtung von Blau in einer prospektiven Cross-Over Studie Bestätigung. Es konnte gezeigt werden, dass der Genuss von 10–12 Kirschen/d nicht nur die Harnsäure senkt, son-dern auch die Gichtanfallsfrequenz bei Patienten mit Gicht um 35 % (multivariate OR 0,65; 95 %-KI: 0,50–0,85) reduziert [44]. Der Ge-nuss von Kirschextrakten zeigte eine vergleichbare inverse Assozi-ation (OR 0,55; 95 %-KI: 0,30–0,98). In Kombination mit Allopuri-nol wurde das Risiko für Gichtanfälle sogar um 75 % gesenkt [47]. Diskutiert wurde, dass Kirschen Anthocyane enthalten, die antiin-flammatorische und anti-oxidative Wirkungen haben. Der Vitamin C-Gehalt von Kirschen ist allerdings vermutlich zu gering, um die-sen protektiven Effekt zu erklären, da nur für Vitamin Dosierungen von über 500 mg eine Assoziation mit einem niedrigeren Harnsäu-rewert gefunden wurde. So betrug in der HFPS-Studie das RR für eine inzidente Gicht bei einer täglichen Vitamin C Zufuhr von 500–999 mg/d 0,83 (95 %-KI: 0,71–0,97) und 0,66 (95 %-KI: 0,52–0,86) bei einer Zufuhr von 1000–1499 mg/d. Dies bedeutete eine Sen-kung des Gichtrisikos um 17 % je 500 mg Vitamin C [48].

In einer prospektiven, randomisierten Therapiestudie wurde bei Patienten mit Gicht, die unter Therapie mit Allopurinol den Serum-harnsäure-Spiegel < 6 mg/dl nicht erreichten, entweder die Dosis von Allopurinol erhöht oder 500 mg Vitamin C verabreicht. Die er-reichte Harnsäuresenkung war allerdings unter Vitamin C Therapie (0,23 mg/dl) signifikant geringer als unter Allopurinol (1,9 mg/dl; p < 0,001), was durch die vermutlich zu niedrige Vitamin C Dosis von 500 mg erklärt wurde [49].

▶Abb. 5 Einfluss von Lebensstilfaktoren auf die Harnsäure.

Vermehrte Substratzufuhr: Alkohol, Fleisch, Meeresfrüchte

Purinnukleotide

Harnsäure

Erhöhter Nukleotid Turnover: Alkohol, Fruktose

Verminderte HS-Bildung: Kaffee (durch XO-Hemmung?)

Renale Ausscheidung

Vitamin C, Milchprodukte,Kaffee;Gewichtsabnahme (durch Besserung der Insulinresistenz)

Alkohol (durch Laktatazidose), Fasten (d. Ketose), Adipositas und Fruktose (durch Insulinresistenz)

+

+

+

▶Tab. 2 Medikamente mit Auswirkungen auf den Serumharnsäure-spiegel.

Erhöhen den Harnsäure-Spiegel

– Thiazid-Diuretika

– Schleifen-Diuretika

– Low-Dose ASS

– Cyclosporin A

– Tacrolimus

– Ethambutol

– Levodopa

– ß-Blocker

– Zytoreduktive Substanzen (Zytostatika, Immunonkologika)

Senken den Harnsäure-Spiegel

– Calcium-Antagonisten

– Losartan

– Bezofibrat

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Reuss-Borst M. Stoffwechselkrankheit Gicht. Akt Rheumatol 2018; 43: 215–223

Übersichtsarbeit

Interessenkonflikt

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

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fAZIT füR dIe PR A xIsEs gibt eine Vielzahl von Lebensstil-Faktoren, die die Harnsäure-Homöostase (sowohl über deren Bildung als auch über deren Ausscheidung) beeinflussen können (▶Abb. 5). Dabei wird die Hälfte der Harnsäure im Stoffwechsel unabhängig von der Nahrung gebildet, während die andere Hälfte mit den Lebensmitteln zugeführt wird. So erhöht eine sehr purinreiche Kost die Serum-Harnsäure um 1–2 mg/dl (60–120 µmol/l), eine isokalorische purinfreie Diät über 8–10 Tage senkt den Harnsäurespiegel um ca. 1–2 mg/dl (60–120 µmol/l) [34]. Die mögliche Modifikation der Ernährung bei Gichtpatienten ist sicher in jedem Fall auch unter dem Aspekt weiterer metabolischer Erkrankungen mit zu bedenken und als Basismaßnahme mit dem Patienten zu besprechen. Zumeist ist eine bestehende Gicht allein durch eine Nahrungsumstellung leider nicht erfolgreich zu kurieren. Dennoch sollte vor Einleitung einer medikamentö-sen Therapie immer überprüft werden, ob Lebensstilmodifi-kationen bzw. medikamentöse Änderungen ratsam sind. Im Wesentlichen geht es weniger darum, einzelne Nahrungs-mittel zu „verbieten“, als eine ,,gesunde schmackhafte Ernährungsform“ zu empfehlen, die sich im Alltag auch umsetzen lässt.Die sog. DASH (Dietary Approaches to Stop Hypertension) Diät, die im Wesentlichen einer mediterranen Ernährung mit viel Obst und Gemüse, Nüssen, fettarmen Milchprodukten und wenig gesüßten Getränken, rotem und verarbeitetem Fleisch entspricht, zeigte in Studien gute antihypertensive Effekte und senkte die Harnsäure innerhalb von 30 Tagen um 0,8 mg/dl (48 µmol/l) nach 90 Tagen um 1,0 mg/dl (60 µmol/l) [50].In einer retrospektiven Auswertung der HFPS-Studie zeigte sich, dass bei einer typisch westlichen Kost (kohlenhydrat- und fettreich, mit einem hohen Anteil an rotem und verarbeiteten Fleisch) ein höheres Gichtrisiko bestand (RR 1,42; 95 %-KI: 1,16–1,74) als mit einer mediterranen Kost (RR 0,68 95 %-KI: 0,57–0,80) ([51]. Da die mediterrane Kost ebenso gute Effekte auf kardiovaskuläre Erkrankungen, Gewichtsreduktion und metabolisches Syndrom gezeigt hat - kann sie Patienten mit einer Hyperurikämie besonders empfohlen werden [52].Im Gegensatz zu früheren Verboten (Kein Fleisch, kein Fisch, kein Bier, keine Hülsenfrüchte) ermöglicht die mediterrane Kost den Betroffenen ein umfangreiches gesundes Nah-rungsspektrum, und ist für die meisten Patienten auch im Alltag gut umsetzbar. Auf das Studium komplizierter Tabellen mit Angaben zum Puringehalt kann somit weitge-hend verzichtet werden, was die Information/Schulung des Patienten erleichtert.Ernährungs- und Lebensstilberatung bzw. -modifikation gehören damit unabdingbar zum Management der asymptomatischen Hyperurikämie und Gicht. Bei manifester Gicht sind diätetische Maßnahmen leider meist nicht ausreichend und eine frühe medikamentöse Hanrsäure-Senkung unabdingbar. Ist durch die Modifikation der

Ernährung allein keine ausreichende Senkung der Serum-Harnsäurewerte unter 6 mg/dl ( < 360 µmol/l) zu erreichen, wird nach den aktuellen Leitlinienempfehlungen der DGRh bereits bei Diagnose eine medikamentöse harnsäuresenken-de Therapie empfohlen [53]. Gelingt die langfristige kausale, Zielwert-orientierte Harnsäuresenkung der metabolisch-bedingten Erkrankung ist von einer dauerhaften Symptom-freiheit der Gicht auszugehen.Aktuell ist leider zu beobachten, dass sich die therapeuti-schen Maßnahmen der Gichtbehandlung oft allein auf die symptomatische anti-inflammatorische Therapie der akuten entzündlichen Attacken beschränken. Eine ursächliche harnsäuresenkende Therapie wird verzögert und beim Vorliegen von bereits komplizierten Verläufen und Kompli-kationen begonnen. Häufig sind dann die Rheumatologen gefragt.

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