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Persönliche PDF-Datei für www.thieme.de Nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt. Keine kommerzielle Nutzung, keine Einstellung in Repositorien. Mit den besten Grüßen vom Georg Thieme Verlag Verlag und Copyright: © 2014 by Georg Thieme Verlag KG Rüdigerstraße 14 70469 Stuttgart ISSN Nachdruck nur mit Genehmigung des Verlags

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Nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt.Keine kommerzielle Nutzung, keine Einstellung in Repositorien.

Mit den besten Grüßen vom Georg Thieme Verlag

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Die Psychologie der präklinischen Kinderreanimation*Wie verhalten Sie sich angemessen?The Psychology of Children ResuscitationHow to Behave Appropriately?

Autor H. Karutz

Institut Notfallpädagogisches Institut Essen

Schlüsselwörter●" Kinderreanimation●" psychische Belastung●" psychische Erste Hilfe

Keywords●" paediatric cardiac arrest●" occupational stress●" psychosocial care

BibliografieDOI http://dx.doi.org/10.1055/s-0034-1370082Notarzt 2014; 30: 246–252© Georg Thieme Verlag KGStuttgart · New YorkISSN 0177-2309

*ErstveröffentlichungAnästhesiol IntensivmedNotfallmed Schmerzther 2013;48: 568–573

KorrespondenzadresseProf. Dr. phil. Harald KarutzNotfallpädagogisches InstitutMüller-Breslau-Straße 30a45130 [email protected]

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Die Reanimation eines Kindes gehört zu den an-spruchsvollsten Einsatzsituationen, mit denenein Rettungsteam konfrontiert werden kann [1].Dies betrifft nicht nur die Einhaltung des leitlini-enkonformen Gesamtablaufs, die u.U. schwierigeAtemwegssicherung und die korrekte Medika-mentendosierung. Insbesondere der psycholo-gisch angemessene Umgang mit eventuell anwe-senden Bezugspersonen sowie die Regulierungder eigenen Emotionen stellen jedes Mitglied desRettungsteams vor eine besondere Herausforde-rung. Die folgenden Ausführungen zeigen basie-rend auf einer umfangreichen Literaturstudieden aktuellen Forschungsstand zu dieser Thema-tik auf.

Die Situation des Rettungsteams!

Sehr seltener EinsatzVon nahezu jedem professionellen Helfer dürftenKinderreanimationen als eine außerordentlicheBelastung erlebt werden. Dies hat vielerlei Grün-de (●" Tab.1). So sind Kinderreanimationen imRettungsdienst extrem selten: Sie machen ledig-lich 2% der präklinischenWiederbelebungsversu-che aus [2]. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Ret-tungsdienstmitarbeiter im Laufe eines Jahres Re-animationsmaßnahmen bei einem Kind durch-führen muss, liegt gerade einmal bei 0,04% [3].

Tab. 1 Spezifische Belastungsfaktoren des Rettungsteams bei einer Kinderreanimation.

– fehlende Routine– geringes Kompetenzgefühl– Gedanken an eigene Kinder– Empfinden einer kognitiven Dissonanz angesichts eines „unzeitgemäß“ drohenden Todes– Empfinden eines starken Handlungs- und Erfolgsdrucks– erschwerte Medikamentendosierung bzw. Angst vor Fehldosierungen– schwierig durchzuführende invasive Maßnahmen bzw. Angst davor, eine Maßnahme nicht erfolgreich durchführenzu können

– Angst vor Fehlern bzw. Fehlentscheidungen und „Versagen“– Angst davor, Eltern die Todesnachricht überbringen zu müssen– Angst vor starken emotionalen Reaktionen der Eltern– Akutstress beinhaltet die Gefahr eskalierender Konflikte innerhalb des Rettungsteams, z. B. ausgehend von gegen-seitigen Vorwürfen („Mach schneller! Warum brauchst Du so lange?“)

Karutz H. Die Psychologie der… Notarzt 2014; 30: 246–252

Zusammenfassung!

Die präklinische Durchführung einer Kinderre-animation erfordert vom Rettungsteam nicht nurmedizinische, sondern insbesondere auch psy-chosoziale Handlungskompetenz. Basierend aufder verfügbaren wissenschaftlichen Literaturwird der aktuelle Forschungstand zu psychologi-schen Aspekten der Kinderreanimation im Ret-tungsdienst dargestellt.

Abstract!

The management of pre-hospital cardiac arrest inchildren requires psychosocial as well as medicalskills. This paper provides a review of the currentliterature regarding the psychological aspects ofpre-hospital cardiac arrest in children.

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Zweifel an eigener KompetenzMit der relativen Seltenheit dieses speziellen Notfallgeschehensist eine mangelnde Routinebildung und ein nur gering ausge-prägtes Kompetenzgefühl verbunden [4]:▶ 70% der in einer Studie befragten (nicht ärztlichen) Rettungs-

dienstmitarbeiter bewerten ihre Fähigkeiten im Hinblick aufdie Versorgung von Kindern z.B. als „mangelhaft“.

▶ Die eigene Fähigkeit, Kinder zu intubieren, wird sogar von 84%der Befragten als lediglich „mittelwertig“ bzw. „mangelhaft“eingeschätzt [5].

In einer anderen Studie beurteilen nur 25% der Befragten ihreKenntnisse zur Reanimation von Kindern besser als „befriedi-gend“ [6]. Befragungen von Notärzten kommen zu vergleichba-ren Ergebnissen [7, 8].

Schwierigkeiten bei MedikamentendosierungEin besonderes Problem besteht in der korrekten Berechnungvon Medikamentendosierungen:▶ Nach eigenem Bekunden bereitet dies fast jedem 2. Notarzt

erhebliche Schwierigkeiten [9].Bei einer Studie zur i.v. Applikation von Adrenalin im Rahmenvon Kinderreanimationen zeigte sich, dass dieses Medikamentlediglich in 34% der Fälle korrekt (d.h. mit 10 μg/kg KG) dosiertworden war [10]. Selbst bei elektiven Medikamentenverordnun-gen in einem Kinderkrankenhaus (!) wurde eine 3-mal höhereRate potenziell bedrohlicher Verordnungsfehler beobachtet alsbei Medikamentenverordnungen für Erwachsene [11].

Stärkere emotionale BetroffenheitEin weiterer Belastungsfaktor besteht bei Kinderreanimationendarin, dass die eingesetzten Helfer ggf. an ihre eigenen Kinderdenken und dadurch emotional stärker involviert sein könnenals bei anderen Einsätzen. Im Übrigen widerspricht der möglicheTod eines Kindes dem natürlichen Lebensverlauf und ist daherschwerer zu akzeptieren als z.B. der Tod eines hochbetagtenMenschen. Vermutlich spielt hier auch der Gedanke eine Rolle,dass Kinder „doch noch ihr ganzes Leben vor sich haben“ [12].

Starker Handlungs- und ErfolgsdruckVor diesem Hintergrund ergibt sich bei Kinderreanimationen einspezieller Handlungs- und auch Erfolgsdruck. Viele Rettungskräf-te entwickeln jedoch ausgeprägte Versagensängste und fürchtensich insbesondere vor heftigen emotionalen Reaktionen anwe-sender Eltern, sollte eine Kinderwiederbelebung erfolglos einge-stellt werden müssen.Ein Indikator für die besondere psychische Situation der Helfersind die Ausrückzeiten und die Fahrgeschwindigkeiten von Ret-tungswagen: Bei Einsatzstichworten in Verbindung mit dem Ter-minus „Kind“ rücken Rettungsdienstmitarbeiter und Notärztesignifikant rascher aus und die Einsatzstelle wird mit deutlichhöheren Geschwindigkeiten angefahren als bei sämtlichen ande-ren Einsatzanlässen [13].

Die Situation der Eltern!

Sehr unterschiedliche ReaktionenFür Eltern dürfte es zu den schrecklichsten vorstellbaren Erfah-rungen überhaupt gehören, das eigene Kind leblos aufzufinden(●" Tab.2). Kinder sind für ihre Eltern oftmals das höchste Gut,das Wertvollste auf der Welt. Träume, Lebensziele und Hoffnun-gen sind unmittelbar mit ihnen verknüpft [14, 15]. Es versteht

sich daher von selbst, dass Eltern, die Wiederbelebungsversuchebei ihrem Kind miterleben, eine starke Betroffenheit zeigen.Die möglichen Reaktionen sind allerdings sehr unterschiedlich:Schreiende oder weinende, völlig in Panik geratene Eltern kön-nen vom Rettungsteam ebenso angetroffen werden wie Väterund Mütter, die äußerlich durchaus besonnen, ruhig und gelas-sen wirken [1, 15]. In einigen Fällen beginnen die Eltern bereitsmit eigenen Reanimationsbemühungen. Oder sie fahren imSchockzustand mit ihrem Kind selbst in ein Krankenhaus, wobeisie nicht selten sich und andere Verkehrsteilnehmer erheblichgefährden [15].

SelbstvorwürfeManche Eltern machen sich anlässlich eines vorangegangenenGeschehens Selbstvorwürfe. Sie fragen sich beispielsweise, obein Unfall nicht zu verhindern gewesenwäre, hätten sie nur sorg-fältiger aufgepasst. Derartige Schuldgefühle werden mitunterauch auf das Rettungsteam projiziert.Helfer sollten Vorwürfe und Beschimpfungen („Warum haben Sieso lange gebraucht?“, „Wieso kommen Sie erst jetzt?“) jedochkeinesfalls als persönlichen Angriff werten, sondern als Abbaueines Affektstaus betrachten [1].

Wahrnehmung des RettungseinsatzesDie weitere Arbeit des Rettungsteams erleben viele Eltern ambi-valent: Einerseits erhoffen sie sich eine rasche, professionelle undv.a. natürlich erfolgreiche Hilfeleistung. Im günstigsten Fall wer-den die rettungsdienstlichen Maßnahmen auch dementspre-chend positiv wahrgenommen.Die Durchführung bestimmter (invasiver) Prozeduren kann je-doch auch zusätzliche Ängste und Befürchtungen wecken, insbe-sondere dann, wenn das Rettungsteam keine angemessenen In-formationen vermittelt bzw. die durchgeführten Interventionennicht ausreichend erläutert [16].

Verhalten im Einsatz!

Einsatzvorbereitung und psychologische SelbsthilfeEinsatzsimulationen und HospitationenPsychologisch angemessenes Verhalten bei einer Kinderreanima-tion setzt zunächst voraus, dass sich sämtliche Mitglieder desRettungsteams im Vorfeld nicht nur in fachlicher Hinsicht fort-und weitergebildet, sondern eben auch mit den psychologischenAspekten solcher Einsätze beschäftigt haben [12]. Hilfreich ist dieTeilnahme an realitätsnahen Einsatzsimulationen, bei denennicht nur die Durchführung einzelner Maßnahmen, sondernstets der gesamte Versorgungsablauf trainiert wird. Besondersgeachtet werden sollte dabei auf

Tab. 2 Spezifische Belastungsfaktoren der Eltern bei einer Kinderreanima-tion.

– Anblick des leblosen Kindes– Erkenntnis: Das „höchste Gut“ ist vital bedroht!– Gefühl von Ohnmacht und Hilflosigkeit– Schwanken „zwischen Hoffen und Bangen“– starke Anspannung und Erregung– Selbstvorwürfe und Schuldgefühle– Wartezeit bis zum Eintreffen des Rettungsdienstes– Unverständnis medizinischer Prozeduren und Abläufe– ambivalentes Erleben der Hilfeleistung

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▶ die Kommunikation und die Interaktion mit Angehörigen,▶ den Austausch innerhalb des Rettungsteams sowie▶ den Umgang mit Akutstress [17, 18].Auch regelmäßige Hospitationen in Kinderkliniken, in der Kin-deranästhesie sowie auf pädiatrischen Intensivstationen tragendazu bei, die Handlungssicherheit bei einer Kinderreanimationzu erhöhen [9].

Psychologische SelbsthilfestrategienBei sehr starker Aufregung im Einsatz sind ggf. Strategien derpsychologischen Selbsthilfe anzuwenden: etwa die Nutzung vonDistanzierungstechniken, imaginativen Strategien oder kurzfris-tig wirksamen Entspannungsmethodenwie z.B. der progressivenMuskelrelaxation [19].

Materielle HilfsmittelWeiterewertvolle Hilfsmittel sind „Notfalllineale“, Dosierungsta-bellen und Checklisten, ggf. aber auch Taschenrechner (!) usw.[11].Durch geeignete Hilfsmittel lässt sich die Rate der korrekten Do-sierung von Adrenalin bei einer Kinderreanimation nachweislichverdoppeln [10].

Kinder-NotarztSofern vor Ort verfügbar, sollte außerdem ein spezialisierter Kin-der-Notarzt nachgefordert werden. Bedauerlicherweise sind der-artige Systeme in Deutschland nur vereinzelt etabliert, u.a. inFrankfurt/Main, Mainz, Mannheim, München, Saarbrücken undSpeyer.

Psychische Erste Hilfe für Eltern während einerReanimationAllgemeine RegelnFür den Umgang mit Eltern während einer Kinderreanimationgelten zunächst die allgemein bekannten Regeln zur psychischenErsten Hilfe bei Erwachsenen (Box 1). Dazu gehört insbesondere▶ die kurze Begrüßung und Vorstellung,▶ die ruhige und sachliche Vermittlung von Informationen,▶ das ehrliche Beantworten von Fragen usw. [20].

Fester AnsprechpartnerNach Möglichkeit sollte ein Mitglied des Rettungsteams festge-legt werden, das den Eltern während der gesamten Reanimationals Ansprechpartner zur Verfügung steht und das z.B. auch fürdie Integration der Eltern in den Gesamtablauf der Hilfeleistungzuständig ist.

Eltern einbeziehenDie Einbeziehung der Eltern ist aus einer ganzen Reihe von Grün-den wichtig [21, 22]:

▶ Eltern können dem Rettungsteam Hinweise zu Vorerkrankun-gen, einem evtl. Unfallhergang usw. geben, die für dieweiterenReanimationsmaßnahmen u.U. von Bedeutung sind [1].

▶ Den Eltern wird geholfen, Erregung durch Aktivität abzubau-en. Sie können z.B. einfache Aufgaben übernehmen wie dasHalten einer Infusionslösung, das Streicheln der Hand ihresKindes usw.

▶ Viele Eltern sind davon überzeugt, dass ihre Anwesenheit sichpositiv auf ihr Kind auswirkt [23].

▶ Der Entwicklung von Selbstvorwürfen („Was bin ich nur füreine Mutter! Ich habe mein Kind in dieser schlimmen Situa-tion alleine gelassen!“) wird entgegengewirkt.

▶ Es wird eine „Realitätsprüfung“ ermöglicht, d.h. die Elternnehmen wahr, dass für ihr Kind alles getan wird, was möglichist. Gegebenenfalls erkennen Sie auf diese Weise aber auch,dass sämtliche Wiederbelebungsversuche in der Tat vergeb-lich sind [23]. Umgekehrt kann ein Ausschluss der Eltern vonder Versorgung ihres Kindes rasch zu Misstrauen gegenüberden Rettungsdienstmitarbeitern führen [1].

▶ Wird Eltern, die eine Reanimation nicht unmittelbar miterle-ben konnten, der Tod ihres Kindes mitgeteilt, können Gedan-ken reifen wie „Die haben bestimmt zu früh aufgehört!“.

▶ Die meisten Eltern möchten schlichtweg gern dabeibleibenund bei der Versorgung mithelfen – und von denjenigen, diediese Erfahrung bereits gemacht haben, würden über 90% diesauch explizit wieder wollen [23, 24].

▶ Nachweislich entwickeln Eltern, die in die Behandlung ihresKindes einbezogen worden sind, signifikant seltener negativepsychische Notfallfolgen als Eltern, denen dies verwehrt ge-blieben ist [25]. Die Reanimation – insbesondere bei erfolglo-sem Ausgang –miterlebt zu haben, führt ggf. auch zu einemgünstigeren Trauerprozess [26].

▶ Nicht zuletzt haben Eltern einen moralischen Anspruch da-rauf, in die Versorgung einbezogen zu werden [20].

GegenargumenteAllerdings gibt es auch einige Gründe, die dafür sprechen, Elternnicht in die Reanimationssituation zu integrieren:▶ Rettungsdienstmitarbeiter könnten sich beobachtet oder un-

ter zusätzlichen Druck gesetzt fühlen und dadurch verunsi-chert werden [16].

▶ Eltern könnten im Weg stehen und die Rettungsmaßnahmenbehindern.

▶ Eltern könnten derart aufgeregt sein, dass ihre Beruhigungwertvolle Ressourcen des Rettungsteams bindet und daherletztlich auch die Qualität der medizinischen Versorgung lei-det.

▶ Eine besonders starke emotionale Reaktion der Eltern mitzu-erleben, kann die Betroffenheit des Rettungsteams erhöhenund dazu beitragen, dass dessen professionelle Distanz zumGeschehen ggf. durchbrochen wird.

▶ Die Kommunikation innerhalb des Rettungsteams könntebeeinträchtigt werden, weil einzelne Teammitglieder durchdie Anwesenheit der Eltern gehemmt sind und sich nicht soäußern, wie sie es sonst tun würden.

▶ Zentrale Entscheidungsprozesse – etwa hinsichtlich eines be-vorstehenden Reanimationsabbruchs – könnten durch die An-wesenheit der Eltern emotional überlagert bzw. erschwertwerden. Vor- und Nachteile der Einbindung von Eltern in einepräklinische Reanimationssituation sollten daher in jedemEinzelfall sorgfältig abgewogen werden.

Box 1: Psychische Erste Hilfe

Psychische Erste Hilfe wird als „psychologisch angemessenesVerhalten“ gegenüber direkten und indirekten Notfallopferndefiniert. Sie wird parallel zur medizinischen Versorgung ge-leistet, steht mit dieser in einer engen Wechselwirkung undsoll die psychischen Belastungen in einemNotfall vermindern,zu einer ersten Stabilisierung der Betroffenen beitragen undder Entwicklung negativer psychischer Folgen sekundärprä-ventiv entgegenwirken [20].

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Keine vollständige AbschirmungÜberwiegen in der Bewertung des Rettungsteams die negativenEffekte, empfiehlt es sich, die Eltern ggf. freundlich und höflichin einen anderen Raum bzw. bei außerhäuslichen Notfallsituatio-nen etwas abseits oder z.B. in ein bereitgestelltes Einsatzfahrzeugzu bitten.▶ Vom jeweiligen Aufenthaltsort aus sollten die Eltern jedoch

immer noch eine Gelegenheit haben, die Hilfeleistung mitzu-verfolgen,

etwa durch einen geöffneten Türspalt oder eben aus einer gewis-sen Distanz. Außerdem sollte ein Mitglied des Rettungsteams inAbständen von 5–10 min zu ihnen gehen und sie über die aktu-elle Lage informieren [27].

Hilfreiches Verhalten lobenFür – wie auch immer geartetes – hilfreiches Verhalten am Not-fallort sollten Eltern ausdrücklich gelobt werden. Auf dieseWeisewird das erwünschte Verhalten positiv verstärkt und die Bezugs-personen gewinnen den für sie entlastenden Eindruck, dass sieihrem Kind zumindest irgendwie noch ein wenig selbst helfenkonnten.Dass den Eltern – umgekehrt – für ein evtl. kritikwürdiges Ver-halten im Vorfeld oder während der Reanimation keinesfalls Vor-würfe gemacht werden dürfen, versteht sich von selbst. Äu-ßerungen wie „Warum haben Sie denn nicht besser aufgepasst?“oder „Jetzt hören Sie doch auf so zu schreien, damit helfen Sie Ih-rem Kind auch nicht mehr!“ sind unangebracht.

Keine sinnlose ReanimationWird ein Kind von vornherein mit eindeutigen Todeszeichen auf-gefunden, sollen keine Wiederbelebungsmaßnahmen und auchkein Transport ins Krankenhaus mehr durchgeführt werden. Bog-ner et al. [28] verweisen explizit darauf, dass „dies im Interesseder Eltern liegt“. Demnach sind „Hollywood-Reanimationen“aus ethischen Gründen abzulehnen – auch wenn Sie aus der gu-ten Absicht heraus erfolgen, deutlich zumachen, dass „alles getanwurde“. Sie vermitteln falsche Hoffnungen und dürften in vielenFällen v.a. aus der Angst resultieren, Eltern mitteilen zu müssen,dass ihr Kind verstorben ist. Wird mit einer Beatmung und Herz-druckmassage zunächst noch begonnen, können Eltern z.B. an-nehmen, „sie hätten nur Sekunden oder wenige Minuten früherzu reagieren brauchen, um ihr Kind vor dem Sterben zu bewah-ren“ [14, 27, 30].Die Möglichkeit, in der eigenen Wohnung Abschied nehmen undggf. einen würdevollen Abtransport des Kindes mitorganisierenzu können, ist für den nachfolgenden Trauerprozess jedoch vongroßer Bedeutung. Beispielsweise kann auch in Ruhe überlegtwerden, wer das verstorbene Kind abholen soll, welche Kleidunges angezogen bekommt usw. [29]. Zudem können Wiederbele-bungsversuche, die nur als „Alibi“ durchgeführt werden, massiveSchuldgefühle wecken:

Psychische Erste Hilfe für Eltern nach erfolgloserReanimationKlare Formulierung der TodesnachrichtIst der Tod eines Kindes festgestellt worden, sollte das Rettungs-team sich unbedingt Zeit nehmen und den Notfallort keinesfallsvoreilig verlassen [15, 29]. Die Todesnachricht sollte den Elternmit klaren, unmissverständlichen Worten mitgeteilt werden(„Wir haben wirklich alles getan, was wir konnten, aber Ihr Kindist tot.“ nicht: „Wir haben die Reanimation beendet.“). In man-

chen Fällen wird es notwendig sein, eine solche Todesnachrichtmehrfach zu wiederholen [14, 27].

Vorsicht bei TröstversuchenÄußerungenwie „Sie sind doch noch jung, sie können ja noch einKind bekommen“ sind zu unterlassen. Solche Formulierungentrösten die Hinterbliebenen in keiner Weise und können statt-dessen so interpretiert werden, als ob ein einzigartiges, geliebtesKind beliebig durch ein anderes ersetzbar wäre [29].▶ Tatsächliche eigene Betroffenheit können und dürfen Helfer

hingegen zeigen.Authentische Äußerungen wie z.B. „Ich weiß gar nicht, was ichjetzt sagen soll!“ werden mitunter sogar hilfreicher erlebt alseine formelle Beileidsbekundung.

Keine Verabreichung von SedativaMedikamente zur Beruhigung sollten Eltern in pädiatrischenNotfallsituationen möglichst nicht gegeben werden. Viele Elternbereuen später, dass sie das Notfallgeschehen dadurch nur nocheingeschränkt wahrnehmen konnten. Auch der spätere Trauer-prozess wird durch die Gabe von Sedativa erschwert. Ohnehinwird konstatiert, dass Beruhigungsmittel oftmals nur deshalb ge-geben werden, weil Rettungskräfte es selbst nicht aushalten kön-nen, die Betroffenheit der Hinterbliebenenmitzuerleben [14, 31].

Abschied ermöglichenViele Eltern möchten sich bewusst von ihrem toten Kind verab-schieden. Sie möchten z.B. noch etwas Zeit mit ihrem Kind ver-bringen, es evtl. noch einmal in den Arm nehmen oder zumindestanfassen. Wenn irgendwie möglich, sollte diesem Wunsch statt-gegeben werden. Spuren einer versuchten Reanimation solltendaher so weit wie möglich beseitigt werden: Bei Kinderreanima-tionen in einer Wohnung sollte ein erfolglos reanimiertes Kindggf. in sein Bett zurückgelegt und zugedeckt werden, der Kopfund v.a. das Gesicht sollten jedoch sichtbar bleiben [14, 27].Wenn Eltern in der Aufregung des Notfallgeschehens selbst nichtdaran denken, sollten sie auf die Möglichkeit des Abschiedneh-mens aufmerksam gemacht werden. Allerdings sollten die Helfersie nicht dazu drängen. Die jeweilige Entscheidung ist freizustel-len.

Vorgenommene Veränderungen dokumentierenFerner darf nicht unerwähnt bleiben, dass die Verabschiedungder Eltern von ihrem verstorbenen Kind mit dem Interesse derKriminalpolizei oder der Staatsanwaltschaft kollidieren kann,Hinweise auf eine mögliche Straftat zu sichern. Schätzungen ge-hen davon aus, dass z.B. in 1–5% der (vermeintlichen) Fälle einesplötzlichen Säuglingstodes eine vorsätzliche Kindstötung vor-liegt.▶ Daher sollten auf jeden Fall sämtliche Maßnahmen sowie evtl.

vorgenommene Veränderungen möglichst genau dokumen-tiert werden [32].

▶ Gleichzeitig müssen Eltern unbedingt darauf hingewiesenwerden, dass bei ungeklärten Todesursachen grundsätzlichimmer die Polizei zur Einsatzstelle kommt und ggf. auch Er-mittlungen aufnimmt [28, 29]. Insbesondere ist darauf hinzu-weisen, dass damit keine Schuldzuweisung und auch keinkonkreter Verdacht verbunden ist. Vielmehr handelt es sichum einen „formellen Automatismus“ [32].

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Angebot eines AkuthelfersDie Alarmierung eines Notfallseelsorgers oder eines Kriseninter-ventionsteams sollte den bei einer Kinderreanimation anwesen-den Eltern grundsätzlich immer angebotenwerden. Dies ist nichtnur wichtig, falls Hinterbliebene religiöse Rituale wie eine Aus-segnung des verstorbenen Kindes wünschen.▶ Es sollte sichergestellt sein, dass die Eltern unmittelbar nach

der Akutsituation nicht alleine sind und jemand weiterhin fürsie da ist.

Gegebenenfalls können – in Absprache mit den Hinterbliebenen– natürlich auch Verwandte, Freunde oder Nachbarn angerufenund an den Notfallort gebeten werden.

Nachsorge- und SelbsthilfegruppenDarüber hinaus sollte das Rettungsteam eine Kontaktmöglichkeitfür Rückfragen hinterlassen und auf lokal zur Verfügung stehen-de Ansprechpartner bzw. Hilfestrukturen verweisen. Dazu gehö-ren z.B. Nachsorge- bzw. Selbsthilfegruppen des BundesverbandsVerwaiste Eltern in Deutschland (VEID) oder der GemeinsamenElterninitiative Plötzlicher Säuglingstod (GEPS) (Box 2).

Umgang mit GeschwisterkindernBesonders gefährdet für LangzeitfolgenNeben den Eltern sind bei Kinderreanimationen evtl. anwesendeGeschwisterkinder bzw. Freunde des leblosen Kindes zu beach-ten. Auch sie befinden sich in einem psychischen Ausnahmezu-stand. Hinsichtlich der Entwicklung langfristig anhaltender psy-chischer Folgen gelten Geschwisterkinder sogar als besonders ge-fährdet [33].

▶ Daher ist es wichtig, sie über das Notfallgeschehen, seine Ur-sachen und die durchgeführten Maßnahmen ebenfalls miteinfachen und verständlichen Worten zu informieren.

Ängste und evtl. Schuldgefühle ernst nehmenSpezifische Ängste sind ernst zu nehmen und Fragen ehrlich zubeantworten. Geschwisterkinder können z.B. befürchten, jetztebenfalls sterben zu müssen. Oder sie fühlen sich für den Todeines anderen Kindes verantwortlich, weil sie sich einige Zeitvorher mit ihm gestritten haben. Vor allem von kleineren Kin-dern vermutete Zusammenhänge sind nicht immer logisch nach-vollziehbar. Häufig handelt es sich um magisch-mythische Über-legungen. Auch wenn sie rational betrachtet unzutreffend sind,stellen sie für die betroffenen Kinder eine erhebliche Belastungdar.

Weitere psychosoziale Akuthilfe!

Weitergehende HilfeÜber die bereits dargestellten Hinweise zur psychischen ErstenHilfe hinaus kann weitere psychosoziale Akuthilfe angebrachtsein. Unter Umständen fällt dies jedoch nicht mehr in die Zustän-digkeit des Rettungsteams, sondern wird von Notfallseelsorgernoder Mitgliedern eines Kriseninterventionsteams übernommen(Box 3).

Andenken an das Kind anfertigenIn manchen Fällen kann es z.B. hilfreich sein, wenn Eltern eineErinnerung an ihr Kind aufbewahren können, z.B. eine abge-schnittene Haarlocke oder ein Foto des verstorbenen Kindes.Eventuell kann danach gefragt werden, ob die Eltern noch einFoto von ihrem verstorbenen Kind machen möchten. Insbeson-dere wenn weitere Bezugspersonen (z.B. Großeltern) den Toddes Kindes nicht miterlebt haben und auch keine Gelegenheithatten, sich von dem verstorbenen Kind zu verabschieden, kön-nen solche Fotografien zu einem späteren Zeitpunkt hilfreichsein [1, 35]. Die Entscheidung, ob Eltern ein derartiges Foto ha-ben möchten, ist jedoch freizustellen. Einige Angehörige werdenschon allein den Gedanken als befremdlich empfinden, andereals wertvolle Anregung, die sie dankbar umsetzen.

Box 2: Kontaktadressen

Gemeinsame Elterninitiative Plötzlicher Säuglingstod e.V.(GEPS)Fallingbosteler Straße 2030625 Hannoverhttp://www.sids.deBundesverband Verwaiste Eltern in Deutschland e.V. (VEID)Dieskaustraße 4304229 Leipzighttp://www.veid.de

Abb.1 Bei Kinderreanimationen empfindenRettungsteammitglieder einen ganz besonderenHandlungs- und Erfolgsdruck: Zum einen fehlt auf-grund der Seltenheit dieses Ereignisses die Routine,zum anderen fällt den Helfern die emotionale Ab-grenzung bei Kindern viel schwerer.

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ObduktionNach dem Tod eines Kindes steht außerdem im Raum, ob eineObduktion gewünscht ist oder diese sogar von der Staatsanwalt-schaft angeordnet wird. In Bremen ist seit 2012 beispielsweisedurch eine Verordnung geregelt, dass jedes aufgrund einer un-klaren Todesursache verstorbene Kind unter 6 Jahren obduziertwird. Diesbezügliche Regelungen variieren jedoch von Bundes-land zu Bundesland.Sofern die Eltern selbst entscheiden können, ob Ihr Kind obdu-ziert wird oder nicht, sollten sie diesbezüglich kompetent bera-tenwerden. Für eine Obduktion spricht u.a., dass sie dazu beitra-gen kann, eine Todesursache zu ermitteln, und dadurch häufigentlastend wirkt. Eltern können aber auch befürchten, dass derLeichnam ihres Kindes bei der Obduktion verstümmelt wird,oder allein die Vorstellung der Obduktion ist für sie sehr belas-tend [29].

Weiterführende HilfestellungWeiterer Beratungs- und Unterstützungsbedarf kann sich beiden Hinterbliebenen hinsichtlich der Grabstättenauswahl (Kin-dergrab oder nicht?) sowie der Gestaltung der Beerdigung erge-ben. Nach einer erfolglosen Säuglingsreanimationwerden ggf. In-formationen zum Abstillen benötigt. Diesbezüglich sollte an eineHebamme oder den Frauenarzt verwiesen werden [36].

Einsatznachsorge für das Rettungsteam!

NachbesprechungDie aktuellen Leitlinien des European Resuscitation Council (ERC)sehen vor, dass nach einer Kinderreanimation innerhalb des Ret-tungsteams stets eine Nachbesprechung durchzuführen ist, „umdas eigene Handeln noch einmal zu reflektieren“ [23]. Dabei soll-ten sowohl fachliche als auch psychologische Aspekte des Ein-satzgeschehens offen und ehrlich angesprochen werden können.▶ Dies dient einerseits der persönlichen Psychohygiene,▶ andererseits können derartige „Debriefings“ dazu beitragen,

sich auf künftige, vergleichbare Einsatzsituationen noch etwasbesser vorzubereiten.

Interessenkonflikt!

Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Literatur1 Fässler-Weibel P. Wenn Kinder im Notarztdienst sterben. Vom Umgang

mit einer für alle beteiligten schwierigen Lebenssituation. NotfallRet-tungsmed 2006; 9: 604–610

2 Becke K, Fischer D. Kinderreanimation. Kleiner Patient – große Heraus-forderung. Retten 2012; 1: 129–135

3 Richter H, Poloczek S. Invasive ärztlicheMaßnahmen durch Rettungsas-sistenten. Eine kritische Betrachtung. Notarzt 2003; 19: 141–146

4 Nadler G, Schrödel M. Probleme bei der Ausbildung zum Rettungsassis-tenten und Rettungssanitäter. Ergebnisse einer Online-Umfrage. Ret-tungsd J 2003; 22: 6–17

Fazit

Die präklinische Kinderreanimation erfordert vom Rettungs-teamnicht nur hohemedizinische, sondern auch psychosozia-le Handlungskompetenz. Im Umgang mit anwesenden Elternund Geschwisterkindern sollten folgende Hinweise beachtetwerden:▶ Beziehen Sie anwesende Eltern nach Möglichkeit aktiv in

die Hilfeleistung ein und übertragen Sie ihnen eine einfacheAufgabe.

▶ Loben Sie hilfreiches Verhalten.▶ Vermitteln Sie den Eltern ruhig und sachlich Informationen,

insbesondere über die einzelnen Maßnahmen und denVerlauf derWiederbelebung. Beachten Sie auch weitere ggf.anwesende Kinder.

▶ Sorgen Sie dafür, dass ein bestimmtes Mitglied des Ret-tungsteams möglichst permanent als Ansprechpartner zurVerfügung steht.

▶ Wenn sichere Todeszeichen vorliegen, führen Sie keine„Alibi-Reanimation“ und auch keinen Transport ins Kran-kenhaus mehr durch.

▶ Vermitteln Sie die Nachricht, dass ein Kind verstorben ist,mit eindeutigen und unmissverständlichen Formulierun-gen.

▶ Eigene Betroffenheit zu zeigen ist ausdrücklich erlaubt.▶ Unterlassen Sie Äußerungenwie „Sie können doch noch ein

Kind bekommen“.▶ Geben Sie Hinterbliebenen nach Möglichkeit keine sedie-

renden Medikamente.▶ Beseitigen Sie evtl. Spuren der Reanimation, um den Hin-

terbliebenen ein würdevolles Abschiednehmen zu ermög-lichen. Am Leichnam vorgenommene Veränderungen sindjedoch sorgfältig zu dokumentieren.

▶ Erläutern Sie den Eltern, dass das Hinzuziehen der Polizeibei jedem „ungeklärten Todesfall“ einen „formellen Auto-matismus“ darstellt.

▶ Bieten Sie an, einen psychosozialen Akuthelfer zu verstän-digen, und weisen Sie auf vor Ort verfügbare Nachsorge-bzw. Selbsthilfegruppen hin.

▶ Wenn es gewünscht wird: Helfen Sie dabei, ein Andenkenanzufertigen (Foto erstellen, Haarlocke abschneiden).

▶ Sofern eine Obduktion nicht ohnehin angeordnet wird, dieEltern des verstorbenen Kindes darüber selbst entscheidenkönnen und Sie sich dafür ausreichend kompetent fühlen:Beraten Sie hinsichtlich der jeweiligen Pro- und Kontra-argumente.

▶ Führen Sie innerhalb des Rettungsteams eine Nachbespre-chung durch, bei der sowohl medizinische als auch psy-chologische Aspekte des Notfallgeschehens noch einmalreflektiert werden können.

Box 3: Psychosoziale Akuthilfe

Psychosoziale Akuthilfe führt die Intention der psychischenErsten Hilfe fort, beinhaltet jedoch eine deutlich weitergehen-de Intervention. Dazu gehört eine systematische Bedarfs- undBedürfniserhebung, die gezielte Aktivierung individueller Be-wältigungsressourcen, die Vermittlung von Informationenund Sicherheit sowie die Kontaktaufnahme zu Kontakt- undUnterstützungsinstanzen, die für die weitere Begleitung ggf.erforderlich und angemessen sind. Darüber hinaus könnenauch seelsorgerliche Angebote wie ein Gebet, das Spendenvon Sakramenten usw. wesentliche Elemente der psychoso-zialen Akuthilfe sein [34].

Karutz H. Die Psychologie der… Notarzt 2014; 30: 246–252

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Page 8: Persönliche PDF-Datei für - Harald Karutz€¦ · Kinder-Notarzt Sofernvor Ort verfügbar, sollte außerdem ein spezialisierter Kin-der-Notarzt nachgefordert werden. Bedauerlicherweise

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33 Karutz H. Psychische Erste Hilfe bei unverletzt-betroffenen Kindern inNotfallsituationen. Münster: LIT; 2004

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35 Salzbrenner R. Eine lebenswichtige Begegnung. In: BundesverbandVerwaiste Eltern in Deutschland, Hrsg. Hinweise für Rettungsdienste,Notfallseelsorge, Krisenintervention, Polizei. Eigenverlag; Ohne Orts-und Jahresangabe

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