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Personenbezogene Unterlagen militärischer Provenienz im Bundesarchiv
1. Einleitung
Zum 31. Dezember 2005 wurde die Zentralnachweisstelle des Bundesarchivs in Aa
chen-Kornelimünster (ZNS) nach längerem Vorlauf planmäßig aufgelöst. 60 Jahre
nach Kriegsende und 50 Jahre nach ihrer Integration in das Bundesarchiv beendete
damit eine Dienststelle ihre Tätigkeit, die für einen wesentlichen Teil der Überliefe
rung personenbezogener Unterlagen militärischer Provenienz verantwortlich war. Ihre
ursprüngliche Aufgabe bestand darin, Beschäftigungs- und Versicherungsnachweise
für Angehörige von Wehrmacht und Waffen-SS, aber auch von Reichsarbeitsdienst
und Organisation Todt (bzw. deren Hinterbliebene) zu erstellen und sich bei Bedarf
auch gutachtlich hierzu zu äußern1; neben dieser individuelle Rechtsansprüche si
chernden Aufgabe stellte die ZNS Informationen für die Strafverfolgung von NS-Tä
tern zur Verfügung. Aufgrund ihrer besonderen Aufgaben gehörte die ZNS organi
satorisch zur zentralen Verwaltungsabteilung (Z) des Bundesarchivs, war allerdings
der Fachaufsicht der Abteilung Militärarchiv (MA) unterstellt. In dem Maße, in dem
mit zunehmender zeitlicher Distanz zum Kriegsende die rechtlich relevanten Auf
gaben abnahmen, gewannen wissenschaftliche wie genealogische Benutzungen an
Gewicht. Vor dem Hintergrund dieses Aufgabenwandels war bewusst, dass die Auf
gaben der ZNS auf Dauer keine eigene Außenstelle mehr rechtfertigten. Archivfachli
che Gründe sprachen bereits für eine Auflösung, spätestens mit der vom Bundes
rechnungshof durchgeführten "Prüfung der organisatorischen Auswirkungen der
Deutschen Einheit" auf die ZNS aus dem Jahr 1994 wurde der Handlungsbedarf je
doch manifest. Die Auflösung der ZNS und die damit verbundenen Konsequenzen2
geben Anlass, in diesem Beitrag auf die Vorgeschichte und bisherige „Verteilung“ der
personenbezogenen Unterlagen militärischer Provenienz, auf die Erwartungen von
Benutzern sowie auf den Quellenwert und Bewertungsfragen einzugehen.
1 Siehe Rudolf Absolon. Sammlung wehrrechtlicher Gutachten und Vorschriften. 22 Hefte, 1963-1984. 2 Die mit diesem Schritt verbundenen personalwirtschaftlichen Probleme sollen hier nicht unerwähnt bleiben; aufgrund der Altersstruktur der Beschäftigten der ZNS und der relativen Nähe zum Standort Koblenz konnten sie jedoch erfreulicherweise zügig gelöst werden.
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2. Vorgeschichte und Verteilung personenbezogener Unterlagen
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurden die auf dem Gebiet der damaligen
Bundesrepublik erhalten gebliebenen Personalunterlagen der früheren Reichswehr
und Wehrmacht zunächst in Dortmund, später im sog. Personenstandsarchiv II des
Landes Nordrhein-Westfalen in Aachen-Kornelimünster zusammengetragen. Im Jah
re 1955 gingen die erhalten gebliebenen personenbezogenen Unterlagen der ehe
maligen Angehörigen des deutschen Heeres und der Luftwaffe, der Waffen-SS, des
Reichsarbeitsdienstes und anderer Organisationen (z.B. Organisation Todt, Nach
richtenhelferinnen) sowie das überlieferte wehrmachtgerichtliche Schriftgut aller
Wehrmachtteile an das Bundesarchiv über, das damit jedoch nur über eine „Teil
menge“ der personenbezogenen Unterlagen militärischer Provenienz verfügte.
Die Unterlagen über Verwundung und Kriegsgefangenschaft sowie die Graborte
deutscher Kriegsteilnehmer verblieben in der Zuständigkeit der Deutschen Dienst
stelle (WASt)3. Darüber hinaus wurde die WASt verantwortlich für die personenbezo
genen Unterlagen von Angehörigen der Marine - jedenfalls bis zum Rang eines Kapi
täns zur See, denn ab dem Dienstgrad der „Obristen“ wurden die Personalakten
ranghoher Offiziere aller Waffengattungen im Bundesarchiv-Militärarchiv unter der
Bestandsbezeichnung PERS 6 zusammengefaßt4. Ein maßgeblicher Grund für diese
„Selektbildung“ war wohl das seinerzeitige biographische Interesse seitens der mili
tärgeschichtlichen Forschung.
Schließlich wurden die Krankenunterlagen von Angehörigen des preußischen Heeres
wie der Wehrmacht im sog. Krankenbuchlager zusammengefasst.5
Die in der ZNS zusammengeführten personenbezogenen Unterlagen waren überwie
gend, jedoch nicht ausschließlich militärischer Herkunft, wie die Überlieferungen des
Reichsarbeitsdienstes und der Organisation Todt belegen. Und es gehörte ebenfalls
zu den Kriegsfolgen, daß auch die personenbezogenen Unterlagen ziviler Herkunft
3 In der Abkürzung „WASt“ lebt die frühere Bezeichnung „Wehrmachtsauskunftsstelle für Kriegerverlust und Kriegsgefangene„ fort. Sie wurde gemäß einer Verwaltungsvereinbarung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Land Berlin vom 9. Januar 1951 als Behörde des Landes Berlin geführt. Siehe http://www.dd-wast.de.4 Der Bestand PERS 6 umfaßt ca. 14.640 Akten. Weitere bisher getrennte Freiburger Personalaktenbestände eher geringen Umfangs (Veterinäre, Beamte, zivile Bedienstete) werden im Rahmen der Aufarbeitung der von der ZNS übernommenen Personalakten aufgelöst.5 Das Krankenbuchlager ist wie die WASt eine Einrichtung des Landes Berlin, siehe http://www.berlin.de/sengessozv/lageso/kbl.html.
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nicht "vollständig" vorlagen. Im früheren Berlin Document Center, das im Jahre 1994
in das Bundesarchiv integriert wurde, waren v.a. personenbezogene Unterlagen kon
zentriert, die über Zugehörigkeit von Personen zur NSDAP sowie zu ihren Glie
derungen und angeschlossenen Verbänden Auskunft geben6. Schließlich gab es im
Machtbereich des Ministeriums für Staatssicherheit ein sog. NS-Archiv, das neben
Sachakten auch umfangreiches personenbezogenes Schriftgut ziviler, aber auch mi
litärischer Herkunft enthielt 7.
3. Aufteilung der ZNS-Bestände
Aus der Perspektive anfragender Bürgerinnen und Bürger fehlte und fehlt immer
noch die Transparenz, an welcher Stelle welche Unterlagen vorhanden und benutz
bar sind8. Mit dem Zurücktreten des Aspekts der „Kriegsfolgen“ bekommt das Bun
desarchiv jedoch Gelegenheit und Pflicht, die Transformation personenbezogener
Unterlagen, welche die längste Zeit für sekundäre Verwaltungszwecke benötigt bzw.
aus politischen Gründen separiert wurden, zu Archivgut abzuschließen – nach der
Integration des BDC und der Aufarbeitung des ehem. NS-Archivs der Stasi markiert
die Auflösung der ZNS einen weiteren wichtigen Schritt in diesem Prozess. Auf der
Grundlage vorbereitender Überlegungen aus dem Jahr 2003 wurde das in der ZNS
befindliche personenbezogene Schriftgut auf zwei Fachabteilungen Militärarchiv
(MA) und Reich (R) des Bundesarchivs und die Deutsche Dienststelle (WASt) gemäß
den jeweiligen Zuständigkeiten aufgeteilt9.
a) Abteilung Reich (R) des Bundesarchivs am Dienstort Berlin übernahm mit ca. 150
lfm den quantitativ geringsten Anteil. Es handelt sich dabei um personenbezogene
6 Siehe http://www.bundesarchiv.de/imperia/md/content/abteilungen/abtr/5.pdf. Auf die „Nachkriegsquellen“ - Spruchkammerakten in den Staatsarchiven, Spruchgerichte der Britischen Zone (Bundesarchiv Bestand Z 42), Karteien und Überlieferung der Zentralen Stelle Ludwigsburg – , die aus Rechercheperspektive ebenfalls mit heranzuziehen sind, sei an dieser Stelle nur kurz hingewiesen.7 Siehe Sabine Dumschat: Aufarbeitung des "NS-Archivs" des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR im Bundesarchiv. Vortrag auf dem 75. Deutschen Archivtag in Stuttgart am 28.9.2005 auf der Sitzung der Fachgruppe 1 (ergänzte Fassung): http://www.bundesarchiv.de/imperia/md/content/abteilungen/abtr/8.pdf. Auch personenbezogene Unterlagen militärischer Provenienz wurden aus diesem Komplex herausgenommen und im Oktober 2005 an das Militärarchiv abgegeben. Da sich die Mehrzahl der ca. 2000 Personalunterlagen (z.T. auch Personalakten) auf Unteroffiziere bezieht, werden diese nach entsprechender Sichtung an die WASt abgegeben.8 Für Dienstzeitnachweise siehe Hinweise und Adressen in: Gemeinsames Ministerialblatt (GMBl.) 2000, S. 434. Das Bundesarchiv-Militärarchiv gibt Anfragenden seinerseits in einem Formschreiben Hinweise zu den jeweils zuständigen Stellen.9 Die zugehörigen Karteien, die zum größeren Teil bereits bis 1945 entstanden sind, sowie die aus der Anfragenbearbeitung entstandenen Altablagen werden im folgenden nicht spezifiziert.
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Unterlagen folgender ziviler Organisationen, deren Überlieferung - soweit erhalten -
sich bereits in Obhut von Abteilung R befindet :
- Arbeits- und DAF-Mitgliedsbücher (58 lfm)
- Tages-, Marsch- und Einsatzbefehle der SS-Helferinnenschule
Oberehnheim/Elsaß (1 lfm),
- Organisation Todt und Transportgruppe Speer (41 lfm)
- Reicharbeitsdienst (10 lfm)
- Personalakten der RAD-Führer (41 Kartons)
b) Der quantitativ größte Anteil der ehemaligen ZNS-Unterlagen mit ca. 8.300 lfm
Umfang wurde der DD-WASt in Berlin übergeben. Dabei bilden die Wehrstammbücher der Mannschaften und Unteroffiziere mit knapp 7.100 lfm den stärksten Ein
zelposten, während weitere Unterlagen von Angestellten und Arbeitern ca. 530 lfm
umfassen.
c) In die Abteilung MA des Bundesarchivs am Dienstort Freiburg gelangte Ar
chivgut im Umfang von insgesamt ca. 2.650 lfm.10
- Einen großen Komplex stellen die 222.280 Personalakten der Offiziere von
Heer und Luftwaffe sowie der Wehrmachtsbeamten dar (1.500 lfm).
- Die ca. 180.000 wehrmachtgerichtlichen Akten bilden mit 1016 lfm den
zweiten gewichtigen Posten.
- Die verschiedenen Unterlagen über die Verleihung von Orden und Ehrenzei
chen umfassen ca. 130 lfm.
Neben den Rationalisierungs- und Synergieeffekten für das Bundesarchiv insgesamt
folgen aus der Verlagerung fachliche Konsequenzen, die derzeit v.a. in der Abteilung
MA des Bundesarchivs zu bewältigen sind. Die beschriebene Aufteilung11 wird zu
einer Konsolidierung für den Bereich der eigentlichen Personalakten und der Wehr
machtgerichtsakten führen, eine „definitive Gesamtlösung“ für die personenbezo
10 Während der Transfer zu WASt und Abteilung R nach Berlin im November 2005 erfolgte, fand der Transport des für Abteilung MA bestimmten Archivgutes in zwei Abschnitten statt: Im März 2005 gelangten nach Freiburg die Personalakten der Offiziere von Heer und Luftwaffe sowie der Wehrmachtsbeamten, im Oktober folgten die wehrmachtgerichtliche Überlieferung sowie die Unterlagen über die Verleihung von Orden und Ehrenzeichen.11 V.a. aus Gründen des Überlieferungsumfanges wurde mit dem „Dienstgrad Leutnant“ eine pragmatische „Trennlinie“ zwischen Abteilung MA und der WASt gezogen, aus Perspektive anfragender Bürger, denen der Dienstrang eines Angehörigen nicht selten unbekannt ist, macht sie jedoch keinen Sinn.
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genen Unterlagen militärischer Provenienz wird damit aber nicht erreicht sein. Die
Transformation von „Verwaltungsschriftgut“ zu Archivgut erfordert eine
benutzerfreundliche Erschließung, die mit minimalem Aufwand raschen Zugang zu
den gewünschten Informationen ermöglicht. Gerade hier liegen noch zu über
windende Defizite. Zwar war die ZNS Teil des Bundesarchivs, die üblichen archiv
fachlichen Standards der Ordnung und Erschließung wurden infolge der Beson
derheit der Aufgabe, d.h. letztlich in der Kontinuität des Verwaltungshandelns, jedoch
nicht oder zumindest nicht konsequent angewandt. Im wesentlichen sind immer noch
jene Karteien als Findmittel in Gebrauch, die bereits zu Wehrmachtszeiten angelegt
wurden. Sie werden ergänzt durch weitere Karteien und sonstige Hilfsmittel, die in
der ZNS angelegt wurden. Mit einer IT-gestützten Erschließung wurde in den
neunziger Jahren begonnen, aber auch mit den beiden dabei entstandenen AC
CESS-Datenbanken liegt kein fertiges Ergebnis vor, da sie jeweils nur Teilmengen
des Archivgutes betreffen12 und die Karteien weiterhin für die Beantwortung von
Anfragen unentbehrlich sind.
Eine adäquate Erschließung der wehrmachtgerichtlichen Überlieferung13 wie auch
der Personalakten ist daher dringend erforderlich. Damit in absehbarer Zeit eine
spürbare Verbesserung für Benutzer erreicht werden kann, sind Haushaltsmittel für
die Datenerfassung vorgesehen. Die Erfassung wird sich auf die Kernfelder
beschränken, über die eine Person identifizierbar wird. Des weiteren wird gewährleis
tet sein, dass die gewonnenen Daten auch unter anderen organisatorischen Be
dingungen weiter nutzbar sind.
4. Erwartungen von Benutzern
Personengeschichtliche Fragestellungen der historischen Forschung wie auch die
von der öffentlichen Erinnerungskultur beeinflußte private Spurensuche bestimmen
die Qualität von Anfragen in den letzten Jahren. Die „Verteilung der Überlieferung“
12 Zunächst wurde für die wehrmachtgerichtlichen Akten sowie für die Ordensverleihungen eine Datenbank mit nur wenigen Feldern (Name, Vorname, Geburtsdatum, Signatur) angelegt, die ca. 2.000.000 Datensätze umfasst. Die Ordensverleihungen sind darin jedoch nur auszugsweise enthalten, so dass die Verleihungslisten selbst weiterhin für die Recherche unentbehrlich sind. Neben dieser älteren Datenbank gibt es eine neuere ausschließlich für die wehrmachtgerichtlichen Akten, die jdoch nur knapp 80.000 der insgesamt 180.000 Akten repräsentiert. Dem unvollständigen Erschließungszustand entspricht der unvollständige Ordnungszustand: Allein die erwähnten 80.000 Akten sind entsprechend dem Bundesarchivstandard signiert, nicht jedoch die restlichen 100.000.13 Siehe Manfred Messerschmidt: Die Wehrmachtjustiz 1933-1945. Hrsg. Vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt. Paderborn, München, Wien , Zürich, 2005.
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machte und macht es Benutzerinnen und Benutzern, seien es Familienforscher oder
Wissenschaftler, allerdings alles andere als leicht, wenn sie nach der Spur eines
Menschen in der Zeit des Zweiten Weltkrieges fragen. Wenn sie aus dem Ausland
kommen oder dort bereits geforscht haben14, wundern sie sich nicht ganz zu Unrecht
über die Komplexität einer personenbezogenen Recherche in Deutschland, die in
nicht wenigen Fällen mit gut gemeinten „Verweisen“ begleitet wird, leider aber mit
enttäuschendem Ergebnis enden kann15.
Benutzerinnen und Benutzer fragen häufig nach „Schicksal“ und „Funktion“ eines
Angehörigen in der Wehrmacht oder Waffen-SS, nach dem Einsatzort, nach den Um
ständen von Tod und Gefangenschaft, eventuell auch nach der Beteiligung an
Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Mittlerweile geht es
eher um die Generation der Großväter, ein quantitativ gewichtiger Anteil betrifft aber
immer noch die Väter und Brüder. Menschen suchen dabei Klarheit über ihre
Herkunft in umfassendem Sinn. Gelegentlich wird auch noch – nach Jahrzehnten des
Schweigens und Verdrängens - der leibliche Vater gesucht, gerade von Anfragenden
aus Ländern, die während der Kriegszeit unter deutscher Besatzung standen.16
Die geäußerten Erwartungen stehen dabei in einem gesellschaftlichen Kontext, der
v.a. von TV-Dokumentationen geprägt ist17 - sie gehen allerdings manchmal auch
weit über das hinaus, was die bruchstückhaft erhaltenen Quellen hergeben können.
Es ist dann gerade Aufgabe des Archivs, die „Enttäuschung“ über die tatsächliche
Quellenlage ins Positive zu wenden, denn gerade das Verständnis personenbezo
gener Quellen bedarf des historischen Zusammenhangs18, den andere Quellen oder
auch Publikationen vermitteln. In der Regel hilft der Verweis auf das „Kollektivschick
sal“, wie es in historischen Darstellungen, v.a. auch in Divisionsgeschichten19 be14 Siehe die benutzerfreundlichen Recherchemöglichkeiten des britischen Nationalarchivs http://www.nationalarchives.gov.uk/militaryhistory/?homelink=main_military.15 Nur klare Verweise entlang der bekannten Zuständigkeiten sind wirklich benutzerfreundlich; leider werden immer wieder falsche Hoffnungen geweckt, die dann enttäuscht werden müssen.16 Diese Anfragen werden an die WASt verwiesen, siehe Deutsche Dienststelle. Arbeitsbericht 2002/2003/2004, S. 44.17 Ein Film wie der „Soldat Ryan“, in dem Steven Spielberg das Krieggeschehen gleichsam um eine einzelne Person herum konstruiert, könnte durchaus seinerseits Einfluss auf diese Erwartungshaltung genommen haben.18 Peter Müller: "War mein Opa eigentlich ein Nazi?" Familienforschung als Vergangenheitsbewältigung. In: Archivnachrichten. Sondernummer. September 2005, S. 32-34, weist zurecht darauf hin, dass auch die Nutzung der im Rahmen der Entnazifizierung entstandenen Einzelfallakten für familiengeschichtliche Zwecke „freilich nicht unproblematisch“ ist (S. 33); ohne den allgemeinen zeithistorischen Kontext könnten die exkulpierenden Wertungen, die in den seinerzeit entstandenen „Persilscheinen“ enthalten sind, unkritisch übernommen werden. 19 Bei allen Vorbehalten gegenüber den historisch-politischen Wertungen, die in Divisionsgeschichten (geschrieben aus der Perspektive ehemaliger Soldaten) enthalten sein können, sind die Darstellungen
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schrieben wird; das Einzelschicksal läßt sich dann entweder einordnen oder doch zu
mindest erahnen. Manchmal kann es auch hilfreich sein, wenigstens den Ort, an dem
ein Angehöriger getötet wurde, anhand eines Kartenausschnittes zu "identifizieren".
5. Quellenwert und Bewertung
Die Aussagekraft personenbezogenen Schriftguts ist differenziert zu betrachten.
Grundsätzlich sind diese Unterlagen aus der bürokratischen Aufgabe der „Perso
nalverwaltung“ entstanden, ein „umfassendes Bild“ von einem Menschen können sie
im nachhinein nicht geben. Reguläre Personalakten von Offizieren besitzen ver
gleichsweise die größte Aussagekraft: sie sind – soweit vollständig erhalten - formal
gleichartig aufgebaut und enthalten Lebenslauf, Zeugnisse, Beurteilungen und meist
auch ein Passbild. Sonstige personenbezogene Unterlagen über Soldaten sind eher
spärlich in ihrem Informationsgehalt. In der Regel gilt: je höher der Dienstrang, umso
vielfältiger und umfassender die erhaltenen Informationen. Gibt die Begründung zur
Verleihung eines Ritterkreuzes meist Angaben zum jeweiligen Kampfgeschehen
wieder, bieten Listen zur Verleihung „weit verbreiteter“ Orden wie des Eisernen
Kreuzes II. Klasse lediglich noch die Spur der Namensnennung.
Der Quellenwert wird jedoch nicht allein durch die innere Beschaffenheit des Schrift
guts bestimmt. Die verheerende Zerstörung, die der Zweite Weltkrieg auslöste und
die letztlich auf Deutschland als Verursacher zurückschlug, ließ auch Kulturgut ein
schließlich seinerzeitiges Archiv- und Registraturgut unwiederbringlich verloren ge
hen. Selbstverständlich blieben personenbezogene Unterlagen ebenfalls nicht ver
schont, zum Teil wurden sie – wie die Hauptmasse der Überlieferung des preußi
schen Heeres - durch Kriegseinwirkung zerstört, zum Teil wurden sie bewusst vor
Kriegsende noch vernichtet. Was erhalten ist, kann also grundsätzlich nicht als eine
intakte „Grundgesamtheit“ betrachtet werden, aus der eine irgendwie definierbare
„Auswahl“ zu treffen wäre.
Eine Bewertungsentscheidung ist bisher lediglich im Fall des sog. Krankenbuch
lagers getroffen worden, das Ergebnis war letztlich unbefriedigend20.
in aller Regel zuverlässig, soweit es um das operative Geschehen geht. „Kritische Darstellungen“ gibt es hier vergleichsweise wenige.20 Aufgrund des geringen Umfangs wurden die Krankenurkunden der Geburtsjahrgänge bis 1889 vollständig ins Bundesarchiv-Militärarchiv übernommen (Bestand PERS 9). Für die Geburtsjahrgänge
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Eine generelle „archivfachliche Bewertungsdiskussion“ über personenbezogene Un
terlagen militärischer Provenienz aus der Weltkriegszeit hat im eigentlichen jedoch
nie stattgefunden21. Abgesehen von einem möglicherweise fehlenden fachlichen In
teresse gab es nie den „geeigneten Zeitpunkt“ dafür, weil die „Freiheit“ dazu objektiv
fehlte. Sie verspätet führen zu wollen, wäre zwecklos, denn durch die Benutzungs
praxis ist sie bereits entschieden. Die Sicherung von Rechtsansprüchen ebenso wie
die Strafverfolgung standen einer frühzeitigen Vernichtung entgegen, die private
Spurensuche im Kontext der Erinnerungskultur erübrigt eine solche Diskussion nun
mehr endgültig. Die Realität ist somit über eine „fachliche Diskussion“ hinwegge
gangen.
6. Erinnerungskultur und Perspektiven
Quellenwert definiert sich nicht als "absoluter Wert" sondern im vorliegenden Fall not
wendigerweise auch über den "Marktwert" aus Perspektive der Benutzung. Die per
sonenbezogenen Quellen, die gerade einer breiten interessierten Nutzerschicht zur
Verfügung stehen, mögen im Einzelfall karg und spärlich erscheinen, sie stellen aber
die wenigen Spuren einer großen Anzahl von Menschen in der Zeit des Zweiten
Weltkrieges dar und sind somit Kristallisationspunkte für Erinnerungsarbeit. Daraus
gewinnen diese Quellen ihre besondere Bedeutung.
Der Trend hin zur subjektiven (Er)Lebensperspektive einzelner Personen und insbe
sondere der eigenen Vorfahren wurde in Veröffentlichungen der jüngsten Zeit immer
wieder besprochen22. Anders als in den Ländern der ehem. Alliierten, in denen Antei
1890 bis 1899 wurde ganz offensichtlich aus Gründen der Raumknappheit eine „Auswahl“ festgelegt: archiviert wurden nur die Akten der in den Monaten Januar und Juli geborenen Militärangehörigen. Eine solche Auswahl genügt zweifellos für wehrmedizinische Fragestellungen (und in dieser Hinsicht werden die Akten durchaus genutzt), nicht aber für personenbezogene Nachweise. Akten „berühmter Persönlichkeiten“ – eine ansonsten durchaus übliche Ergänzung beim Auswahlverfahren - fielen dieser Auswahl ebenfalls zum Opfer mit der Konsequenz, dass z.B. die Krankenakte Ernst Jüngers vernichtet wurde. Die Geburtsjahrgänge 1900 bis 1905 werden in Kürze vom Krankenbuchlager an die WASt abgegeben mit dem Ziel, die Krankenunterlagen dort zusammenzuführen.21 In der Veröffentlichung "Archivischer Umgang mit Personalakten". Ergebnisse eines spartenübergreifenden Fachgesprächs im Westfälischen Archivamt. Redaktion: Katharina Tiemann. Münster 2004 (Texte und Untersuchungen zur Archivpflege Band 16) bleiben die militärischen personenbezogenen Unterlagen gänzlich unerwähnt. 22 Siehe z.B. Peter Müller (wie Anm. 18) sowie den Beitrag von Axel Reimann über die Tätigkeit der WASt: "Was hat Opa eigentlich im Krieg gemacht?" In: Chrismon 04/2005, S. 29-32. Mit möglichen Auswirkungen auf die Archive beschäftigt sich auch Brage bei der Wieden: Die Wendung zum Subjekt und ihre Folgen für die Archive, in "Archivischer Umgang mit Personalakten" (wie Anm. 21), S. 117-119. Zwei der drei dort am Schluss formulierten Handlungsalternativen – temporäre Aufbewahrung oder Aushändigung an Betroffene oder Erben - sind inakzeptabel. Sie kommen einer Selbstaufgabe
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le von "Heldenverehrung" durchaus gegenwärtig sind23, geht es in der Bundesrepu
blik jedoch in der Regel um eine eher "kritische" Familienforschung, die gerade auch
die mögliche Verstrickung eines Vorfahren in das NS-System klären will. Wie die
Anfragen im Bundesarchiv-Militärarchiv zeigen – und das sind allein ca. 3500 per
sonenbezogene Anfragen im Jahr – ist ein "exkulpierendes" oder gar "he
roisierendes" Interesse nur in absoluten Ausnahmefällen erkennbar.
Ob eine "Erinnerungsflaute", wie sie von der FAZ für das "Centre Mondial de la Paix"
in Verdun beschrieben wurde24 oder gar ein Ende der Erinnerungskultur bevorstehen
könnte, bleibt natürlich offen. Der besondere Stellenwert von Zweitem Weltkrieg und
Holocaust in der deutschen Öffentlichkeit im allgemeinen sowie der Aspekt millionen
facher individueller Verstrickung ins NS-System im besonderen sprechen dagegen.
Edgar Büttner
Abdruck in: DER ARCHIVAR. Mitteilungsblatt für das deutsche Archivwesen,
Jahrgang 59 (2006), Heft 2, S. 143-146; Verlag F. Schmitt, Sieburg.
der Archive als Einrichtungen mit öffentlichem Auftrag gleich und konterkarieren im übrigen den Anspruch, „neue Nutzerschichten anzusprechen“. 23 Heldenverehrung hat hierzulande eindeutig „rechtfertigende Momente“, denn es gibt letztlich keine „wertfreie Erinnerung“ an „militärische Leistungen“, siehe die Veröffentlichungen von Florian Berger über Ritterkreuzträger, zuletzt: Ritterkreuzträger mit Nahkampfspange in Gold, 2005. 24 FAZ vom 7.10.2005.
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