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Die Keratoplastik mit ihrer über 100-jährigen Erfolgsgeschichte hat in den vergangenen 10 Jahren ent- scheidende innovative Impulse er- fahren [1, 2]. Während bei den endot- helialen Erkrankungen die lamelläre Transplantation [Descemet Stripping Automated Endothelial Keratoplasty (DSAEK), Descemet Membrane Endot- helial Keratoplasty (DMEK)] sich we- gen der sehr guten klinischen Ergeb- nisse rasch etabliert [3, 4, 5], hat der Femtosekundenlaser (FSL) die hohen Erwartungen bisher nicht erfüllen können [6, 7]. Die Vision einer naht- freien und Astigmatismus-neutralen Transplantation durch exakte Schnitt- konfigurationen nach dem Schlüs- sel-Schloss-Prinzip konnte trotz ein- zelner Erfolgsberichte [8] nicht in den klinischen Alltag transportiert wer- den [6, 9]. Kritisch betrachtet, ist man diesem Ziel trotz der Erfolge und der zunehmenden Verbreitung des FSL in der refraktiven Chirurgie nicht wesentlich näher gekom- men. Es haben sich 2 limitierende Fakto- ren der FSL-assistierten Keratoplastik, die durch die physikalischen Eigenschaften des Lasers und die biologischen Eigen- schaften der Hornhaut bedingt sind, im Lauf der klinischen Anwendung heraus- kristallisiert. Zum einen ist eine applana- tionsfreie Schnittführung nicht möglich, und zum anderen ist ein Schneiden von vaskularisiertem und narbig alteriertem Gewebe erschwert. Das Grundproblem bei der Durchfüh- rung jeder mechanischen, aber auch jeder FSL-Trepanation ist, dass – auch bei ge- krümmtem Interface – stets eine gewisse Abplattung und damit einhergehende De- formierung der Hornhaut notwendig ist. Dies führt besonders beim fortgeschrit- tenen Keratokonus zu unsymmetrischen Inzisionen in der Patientenhornhaut und damit zu einer horizontalen Torsion, die als wichtige intraoperative Determinan- te des hohen/irregulären Astigmatismus nach Keratoplastik gilt [9, 10]. Des Weiteren kann die FSL-Technik nur bei relativ klaren Hornhäuten ange- wendet werden, da die Lasertrepanation von posterior, also von der Vorderkam- mer zur Hornhautoberfläche, erfolgt. Ist das korneale Gewebe zu trüb, kommt es unter Umständen zu inkompletten Tre- panationen, die ein manuelles Nach- schneiden erfordern und zu deutlich un- genaueren Schnitträndern führen kön- nen [6, 11]. Die Hornhautoberfläche sollte bei Beginn der Lasertrepanation trocken sein. Bei Wasseransammlungen zwischen dem Interface und der Hornhautoberflä- che wird die Laserleistung beeinträchtigt. Auch hierbei kann es zu unvollständigen Trepanationen kommen. Heute kann ein kristallklares Trans- plantat nach Normalrisikokeratoplastik mit einem hohen und/oder irregulären Astigmatismus nicht mehr als „erfolg- reich“ eingestuft werden [9, 12]. Um eine unerwünschte Zunahme des Astigmatismus nach Fadenentfernung zu vermeiden, sollte für die perforieren- de Keratoplastik ein Trepansystem ver- wendet werden, das die spannungsfreie symmetrische Einpassung eines Spen- derscheibchens in ein Empfängerbett Ophthalmologe 2014 · 111:523–530 DOI 10.1007/s00347-013-2995-7 Online publiziert: 20. Juni 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 S.J. Linke 1, 2  · L. Ren 3  · A. Frings 1  · J. Steinberg 1  · W. Wöllmer 4  · T. Katz 1, 2  · R. Reimer 5  ·  N.O. Hansen 3  · N. Jowett 3, 4  · G. Richard 1  · R.J. Dwayne Miller 3 1  Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde, Universitätsklinikum Eppendorf (UKE), Hamburg 2  CareVision/Clinica Baviera Deutschland, Hamburg 3  Max Planck Institut für strukturelle Dynamik der Materie, Hamburg 4  Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Universitätsklinikum Eppendorf (UKE), Hamburg 5  Leibniz Institut für experimentelle Virologie, Heinrich-Pette Institut, Universität Hamburg  Perspektiven der  laserassistierten  Keratoplastik Eine aktuelle Übersicht und erste  experimentelle Erfahrungen mit dem  Pikosekundeninfrarotlaser (λ=3 µm) Leitthema Diese Studie wurde durch einen European  Research Council Advanced Investigator Grant  „Miller: ERC-adG-2011-291630: SUREPIRL, Pico- second Infrared Laser for Scarfree Surgery with  Preservation of Tissue Structure and Recogniti- on of Tissue Type and Boundaries“ gefördert. 523 Der Ophthalmologe 6 · 2014|

Perspektiven der laserassistierten Keratoplastik; Perspectives of laser-assisted keratoplasty;

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Page 1: Perspektiven der laserassistierten Keratoplastik; Perspectives of laser-assisted keratoplasty;

Die Keratoplastik mit ihrer über 100-jährigen Erfolgsgeschichte hat in den vergangenen 10 Jahren ent-scheidende innovative Impulse er-fahren [1, 2]. Während bei den endot-helialen Erkrankungen die lamelläre Transplantation [Descemet Stripping Automated Endothelial Keratoplasty (DSAEK), Descemet Membrane Endot-helial Keratoplasty (DMEK)] sich we-gen der sehr guten klinischen Ergeb-nisse rasch etabliert [3, 4, 5], hat der Femtosekundenlaser (FSL) die hohen Erwartungen bisher nicht erfüllen können [6, 7]. Die Vision einer naht-freien und Astigmatismus-neutralen Transplantation durch exakte Schnitt-konfigurationen nach dem Schlüs-sel-Schloss-Prinzip konnte trotz ein-zelner Erfolgsberichte [8] nicht in den klinischen Alltag transportiert wer-den [6, 9].

Kritisch betrachtet, ist man diesem Ziel trotz der Erfolge und der zunehmenden Verbreitung des FSL in der refraktiven Chirurgie nicht wesentlich näher gekom-men. Es haben sich 2 limitierende Fakto-ren der FSL-assistierten Keratoplastik, die

durch die physikalischen Eigenschaften des Lasers und die biologischen Eigen-schaften der Hornhaut bedingt sind, im Lauf der klinischen Anwendung heraus-kristallisiert. Zum einen ist eine applana-tionsfreie Schnittführung nicht möglich, und zum anderen ist ein Schneiden von vaskularisiertem und narbig alteriertem Gewebe erschwert.

Das Grundproblem bei der Durchfüh-rung jeder mechanischen, aber auch jeder FSL-Trepanation ist, dass – auch bei ge-krümmtem Interface – stets eine gewisse Abplattung und damit einhergehende De-formierung der Hornhaut notwendig ist. Dies führt besonders beim fortgeschrit-tenen Keratokonus zu unsymmetrischen Inzisionen in der Patientenhornhaut und damit zu einer horizontalen Torsion, die als wichtige intraoperative Determinan-te des hohen/irregulären Astigmatismus nach Keratoplastik gilt [9, 10].

Des Weiteren kann die FSL-Technik nur bei relativ klaren Hornhäuten ange-wendet werden, da die Lasertrepanation von posterior, also von der Vorderkam-mer zur Hornhautoberfläche, erfolgt. Ist das korneale Gewebe zu trüb, kommt es unter Umständen zu inkompletten Tre-

panationen, die ein manuelles Nach-schneiden erfordern und zu deutlich un-genaueren Schnitträndern führen kön-nen [6, 11]. Die Hornhautoberfläche sollte bei Beginn der Lasertrepanation trocken sein. Bei Wasseransammlungen zwischen dem Interface und der Hornhautoberflä-che wird die Laserleistung beeinträchtigt. Auch hierbei kann es zu unvollständigen Trepanationen kommen.

Heute kann ein kristallklares Trans-plantat nach Normalrisikokeratoplastik mit einem hohen und/oder irregulären Astigmatismus nicht mehr als „erfolg-reich“ eingestuft werden [9, 12].

Um eine unerwünschte Zunahme des Astigmatismus nach Fadenentfernung zu vermeiden, sollte für die perforieren-de Keratoplastik ein Trepansystem ver-wendet werden, das die spannungsfreie symmetrische Einpassung eines Spen-derscheibchens in ein Empfängerbett

Ophthalmologe 2014 · 111:523–530DOI 10.1007/s00347-013-2995-7Online publiziert: 20. Juni 2014© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

S.J. Linke1, 2 · L. Ren3 · A. Frings1 · J. Steinberg1 · W. Wöllmer4 · T. Katz1, 2 · R. Reimer5 · N.O. Hansen3 · N. Jowett3, 4 · G. Richard1 · R.J. Dwayne Miller3

1 Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde, Universitätsklinikum Eppendorf (UKE), Hamburg2 CareVision/Clinica Baviera Deutschland, Hamburg3 Max Planck Institut für strukturelle Dynamik der Materie, Hamburg4 Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Universitätsklinikum Eppendorf (UKE), Hamburg5 Leibniz Institut für experimentelle Virologie, Heinrich-Pette Institut, Universität Hamburg 

Perspektiven der laserassistierten KeratoplastikEine aktuelle Übersicht und erste experimentelle Erfahrungen mit dem Pikosekundeninfrarotlaser (λ=3 µm)

Leitthema

Diese Studie wurde durch einen European Research Council Advanced Investigator Grant „Miller: ERC-adG-2011-291630: SUREPIRL, Pico-second Infrared Laser for Scarfree Surgery with Preservation of Tissue Structure and Recogniti-on of Tissue Type and Boundaries“ gefördert.

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mit kongruenten, unproblematisch was-serdicht adaptierenden Schnittkanten si-cherstellt – idealerweise eine kontaktfreie Schnittführung [9]. Diese Ansprüche an eine optimale Trepanation werden derzeit am ehesten durch die nichtmechanische Excimerlaser-Trepanation erfüllt.

Excimer-Keratoplastik

Die ersten Schritte, die Lasertechnologie in das Feld der Hornhauttransplantation zu übertragen, wurden in Erlangen von Naumann et al. [13] und in den USA von Serdarevic et al. [14] in den späten 1990er-Jahren initiiert. In Deutschland wurde die Excimer-Keratoplastik (Exci KP) von Seitz et al. [17] ständig weitergeführt und evaluiert: Studien attestieren der Excimer-Keratoplastik einen niedrigeren Trans-plantatastigmatismus nach Fadenentfer-nung als der perforierenden Keratoplas-tik mit mechanischen Handtrepanen [15, 16, 18]. So konnten Seitz et al. [19] in der Excimer-Keratoplastik-Gruppe nach Fa-denentfernung eine Reduktion des As-tigmatismus um 0,2±3,1 dpt zeigen, wo-hingegen in der Kontrollgruppe der As-tigmatismus um 2,3±3,4 dpt zunahm. Durch die Metallmaske wird eine nahe-zu identische Konfiguration von Spen-der und Empfänger sowohl in der verti-kalen als auch in der horizontalen Dimen-sion gewährleistet. Die symmetrische Ein-passung des Transplantats im Empfänger-bett wird durch Orientierungszähnchen sichergestellt. Eine vergleichende Studie der Excimer- und FSL-assistierten Kera-toplastik steht bisher noch aus.

Unter der Vorstellung, dass ein ellipti-sches Transplantat sowohl vom optischen als auch vom immunologischen Aspekt her am besten in die natürlicherweise el-

liptische menschliche Hornhaut einzu-passen wäre, berichteten Lang et al. [20] über die ersten beiden Patienten nach el-liptischer Excimer-Keratoplastik. In der Folge wurde die elliptische Trepanation als Standardverfahren für optische Zwe-cke verlassen, weil das Verfahren letztlich nicht zu einer Reduktion des postoperati-ven Astigmatismus führte [15, 18]. Die el-liptische Excimerlaser-Keratoplastik wird von Seitz et al. noch für elliptische Ulze-ra mit Descemetozele oder Perforation im Sinn einer Keratoplastik à chaud propa-giert [21]. Auch diese Möglichkeit der Tre-panation bei instabiler Vorderkammersi-tuation ist ein weiterer Vorteil gegenüber der FSL-Keratoplastik. Obwohl die Vor-teile der Excimer-Trepanation vielfäl-tig sind, hat sie sich dennoch nicht in der breiten klinischen Anwendung durchset-zen können. Ganz pragmatische Gründe wie die häufige Positionierung des Exci-merlasers für die refraktive Anwendung unter nichtsterilen Keratoplastikbedin-gungen könnten mitverantwortlich sein. Zu den Nachteilen dieser Technik gehö-ren eine relativ lange Laserdauer im Rah-men der Transplantation, aufwendige und nicht flexible Metallmasken und ein war-tungsintensives Gaslasersystem mit gro-ßem Raumbedarf.

Femtosekundenlaser-assistierte Keratoplastik

Der Einsatz von FSL in der refraktiven Hornhautchirurgie für die Erzeugung von kornealen Flaps kann heute als etab-liert angesehen werden.

Bei Nanosekundenpulsen kommt es zum bekannten Plasma-shielding-Ef-fekt, d. h., nahezu die gesamte Laserpuls-energie wird im sich ausbildenden Plas

ma absorbiert ([22]; s. Vogel et al. in die-sem Heft). Im Gegensatz hierzu ist die-ser „Schutzmechanismus“ bei FSL-Pul-sen nicht oder nur bedingt wirksam. Ein Grund hierfür ist die Laserpulsdauer selbst, die beim Pikosekundeninfrarotla-ser (PIRL) unter oder im Bereich der zeit-lichen Entwicklung des Plasmas liegt. Ein anderer Grund kann die Qualität der Fo-kussierung sein [22]. Während die kla-re Hornhaut für den FSL transparent ist, ist das für die ödematöse Hornhaut nur bedingt der Fall (s. Plamann in diesem Heft). Parallel zu den Mikrokeratom-ba-sierten Arbeiten von Massimo Busin [23, 24] zu neuen Transplantatkonfiguratio-nen wurden von verschiedenen Arbeits-gruppen Studien mit dem FSL und To-phat-, Mushroom- und Zigzag-Profilen initiiert [25, 26, 27, 28]. Die profilierten Schnitte ermöglichen postoperativ grö-ßere Kontaktflächen (Interface) zwischen dem Transplantat und der Wirtshornhaut und damit ein potenziell schnelleres Ein-heilen der Transplantate [29]. Dies wiede-rum ist mit der Möglichkeit einer deutlich früheren Fadenentfernung verbunden. Eine Reduzierung des keratometrischen Astigmatismus nach Fadenentfernung ist bislang jedoch nicht zuverlässig belegt [6]. Die . Abb. 1 zeigt einen spaltlampenmi-kroskopischen Befund nach konventionell mechanischer Keratoplastik mit kreisrun-dem Transplantat und ein durch einen FSL präpariertes Dekagon-Transplantat mit dem Ziel, die horizontale Torsion zu minimieren und damit den postoperati-ven Astigmatismus zu reduzieren.

D Die Femtosekunden-laser-assistierte perforierende Keratoplastik ist heutzutage eine sichere Operationsmethode.

Abb. 1 9 Spaltlampenauf-nahmen a 10 Monate nach mechanischer Keratoplas-tik mit dem Barron-Trepan und doppelt fortlaufender Kreuzstichnaht nach Hoff-mann und b 2 Tage nach Femtosekundenlaser- assistierter Keratoplastik („Dekagon-Profil“) mit 10 unterstützenden Pfosten-Einzelknüpfnähten

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Leitthema

Page 3: Perspektiven der laserassistierten Keratoplastik; Perspectives of laser-assisted keratoplasty;

Die refraktiven Ergebnisse fallen in den meisten Publikationen jedoch nicht güns-tiger aus als bei konventionellen perforie-renden Keratoplastiken [6]. Eine kontakt-freie Trepanation ist mit dem FSL derzeit nicht möglich – ein Schritt in diese Rich-tung ist sicherlich die Anwendung eines flüssigkeitsgefüllten Interface, das sich in der FSL-Kataraktchirurgie auch bereits zunehmend durchsetzt [30].

Die Grundlagenarbeiten von Plamann und Crotti et al. [11, 31] zeigen, dass die Funktionalität des FSL (λ=1050 nm) in tiefen Hornhautschichten, aber auch in ödematösen und pathologisch veränder-ten Hornhäuten limitiert ist (s. auch Pla-mann et al. in diesem Heft). Die . Tab. 1 gibt eine Übersicht über die in klinischer und experimenteller Anwendung befind-lichen Lasersysteme für die Hornhaut.

Kontaktfreie Trepanation mit dem Pikosekundeninfrarotlaser

Das Prinzip der ultraschnellen Desorp-tion durch impulsive Vibrationsanregung („desorption by impulsive vibrational ex-citation“, DIVE) wurde erstmals durch Franjic und Miller [32, 33] beschrieben. Dabei wird mithilfe des PIRL eine spezi-fische Vibrationsanregungsbande (zuge-ordnet der Streckmode) des Wassermole-küls bei einer Wellenlänge von rund 3 µm adressiert. Dies führt zu einer Absorption des Laserlichts im wasserreichen Gewebe innerhalb nur weniger Mikrometer nach dem Auftreffen im Gewebe [34]. Die Was-sermoleküle werden so effizient angeregt, und der größte Teil der deponierten op-tischen Energie trägt direkt zur Ablation bei.

Lasersystem

Die Laserquelle des Prototyps für diese Studie war der PIRL-HP2-1064 OPA-3000 der Firma Attodyne Inc., Kanada. Die ge-nerierte Wellenlänge des PIRL beträgt 3000±90 nm, die Pulsdauer 300 ps und die Repetitionsrate 1 kHz. Der Laserstrahl wurde auf das Gewebe über eine selbst ge-baute Apparatur mit einem implementier-ten Scanningsystem appliziert. Definierte Ablationsmuster/Schnittmuster wie kreis-runde, lineare und rechteckige Konfigura-tionen können in ihrer Tiefen- und Län-

Zusammenfassung · Abstract

Ophthalmologe 2014 · 111:523–530   DOI 10.1007/s00347-013-2995-7© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

S.J. Linke · L. Ren · A. Frings · J. Steinberg · W. Wöllmer · T. Katz · R. Reimer · N.O. Hansen · N. Jowett · G. Richard · R.J. Dwayne MillerPerspektiven der laserassistierten Keratoplastik. Eine aktuelle Übersicht und erste experimentelle Erfahrungen mit dem Pikosekundeninfrarotlaser (λ=3 µm)

ZusammenfassungHintergrund.  Die vorliegende Arbeit gibt eine Übersicht über den aktuellen Stand der laserassistierten Keratoplastik und beschreibt eine Machbarkeitsstudie zur Anwendung eines neuen Pikosekundenlasers für die ap-planationsfreie Hornhauttrepanation.Methoden.  Das Verfahren basiert auf einem speziell angepassten Lasersystem (PIRL-HP2-1064 OPA-3000, Attodyne Inc., Kanada), das bei einer Wellenlänge von 3000±90 nm mit einer Pulsdauer von 300 ps und einer Re-petitionsrate von 1 kHz arbeitet. Der Pikose-kundeninfrarotlaser (PIRL) wird mithilfe eines selbst entwickelten Optiksystems über eine Scannereinheit zur Probe geführt. Die Korn-eoskleralscheiben wurden vor der Trepana-tion auf einer künstlichen vorderen Augen-kammer fixiert und anschließend unter kont-rollierten und stabilen Augeninnendruckver-hältnissen mit dem PIRL behandelt.Ergebnisse.  Ein definiertes Ablationssche-ma, z. B. kreisförmig, linear, rechteckig oder scheibenförmig, kann gewählt und die spezi-fischen Abmessungen können durch den Be-nutzer festgelegt werden. Innerhalb dieser 

Studie wurden kreisförmige und gerade Inzi-sionen der Hornhaut analysiert. Makroskopi-sche, histologische, konfokal mikroskopische und „Environmental scanning electron micro-scopy“ (ESEM)-Untersuchungen wurden zur Charakterisierung der Schnittqualität durch-geführt. Mithilfe des PIRL konnten reprodu-zierbar und stabil Inzisionen in der humanen und porcinen Hornhaut bei minimaler Schä-digung des umliegenden Gewebes ausge-führt werden.Schlussfolgerungen.  Die Laserstrahlung des PIRL, die im mittleren infraroten Spektralbe-reich (λ=3 µm) exakt auf eine Vibrationsan-regungsbande des Wassermoleküls abge-stimmt ist, dient als effektives Hilfsmittel zur applanationsfreien Trepanation der Hornhaut und erweitert damit das Instrumentarium der Hornhauttransplantationschirurgie.

SchlüsselwörterLaser · Pikosekundenlaser · Hornhaut · Applanationsfreie Trepanation · Transplantation

Perspectives of laser-assisted keratoplasty. Current overview and first preliminary results with the picosecond infrared laser (λ=3 µm)

AbstractBackground.  This article provides a review of the current state of laser-assisted kerato-plasty and describes a first proof of concept study to test the feasibility of a new mid-in-frared (MIR) picosecond laser to perform ap-planation-free corneal trephination. Methods.  The procedure is based on a spe-cially adapted laser system (PIRL-HP2-1064 OPA-3000, Attodyne, Canada) which works with a wavelength of 3,000±90 nm, a pulse duration of 300 ps and a repetition rate of 1 kHz. The picosecond infrared laser (PIRL) beam is delivered to the sample by a cus-tom-made optics system with an implement-ed scanning mechanism. Corneal specimens were mounted on an artificial anterior cham-ber and subsequent trephination was per-formed with the PIRL under stable intraocular pressure conditions. Results.  A defined corneal ablation pat-tern, e.g. circular, linear, rectangular or disc-shaped, can be selected and its specific di-mensions are defined by the user. Circular and linear ablation patterns were employed 

for the incisions in this study. Linear and cir-cular penetrating PIRL incisions were ex-amined by macroscopic inspection, histol-ogy, confocal microscopy and environmen-tal scanning electron microscopy (ESEM) for characterization of the incisional quality. Us-ing PIRL reproducible and stable incisions could be made in human and porcine corne-al samples with minimal damage to the sur-rounding tissue.Conclusion.  The PIRL laser radiation in the mid-infrared spectrum with a wavelength of 3 µm is exactly tuned to one of the dominant vibrational excitation bands of the water mol-ecule, serves as an effective tool for applana-tion-free corneal incision and might broad-en the armamentarium of corneal transplant surgery.

KeywordsLaser · Picosecond laser · Cornea · Applanation-free trephination · Transplantation

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Page 4: Perspektiven der laserassistierten Keratoplastik; Perspectives of laser-assisted keratoplasty;

genausdehnung frei gewählt werden. Die . Abb. 2 zeigt den experimentellen Auf-bau des PIRL-Prototyps.

Histologie

Unmittelbar nach der PIRL-Trepanation wurden die primär unfixierten porcinen bzw. die in Nährlösung gelagerten huma-nen Gewebeproben in Phosphat-gepuf-fertem 3,5%igem Formaldehyd fixiert. Alle porcinen Gewebeproben stammten von im Rahmen des Schlachtungsprozes-ses verbrühten Augen. Anschließend wur-den die Proben in Paraffin gebettet und in 4 µm dicke Schnitte mit Hämatoxilin-Eo-sin (HE) gefärbt (Merck, Darmstadt, Ger-many). Die HE-gefärbten Schnitte wur-den dann mit dem MIRAX SCAN (Carl Zeiss Microimaging GmbH, Jena, Ger-many) untersucht und mithilfe der Ape-rio ImageScope Software (Aperio Techno-logies, Inc., Vista, CA) analysiert.

Konfokale Laserscanning-Mikroskopie

Die Gewebeproben wurden mit einem Nikon C2+ (Nikon GmbH Düsseldorf, Germany) konfokalen Laserscanning-Mikroskop untersucht und anschlie-ßend mit NIS-Elements v 4.20 Software analysiert.

„Environmental scanning electron microscopy“

Die Gewebeproben wurden mit 1% Osmi-umtetroxid in PBS („phosphate buffered saline“) für 30 min kontrastiert und an-schließend gründlich gewaschen. Die hy-drierten Gewebeblöcke wurden im „back-scattered electron (BSE) mode“ mit dem XL30 Environmental Scanning Mikros-kop (FEI, Hillsboro, Oregon), ausgestattet mit einem Point Electronic (Halle, Ger-many) DISS5 digital image Scanning Sys-tem, analysiert (3,5 Torr).

Bei allen linearen Schnittkonfiguratio-nen wurde ein 4 mm linearer Scanmodus mit einer Scanning-Geschwindigkeit von 120 mm/s und einer Repetitionsrate von 15 Hz gewählt. Die . Abb. 3 zeigt eine makroskopische, eine konfokale und eine „Environmental scanning electron micro-scopy“ (ESEM)-Aufnahme der linearen penetrierenden PIRL-Inzisionen in Horn-hautgewebe. Nach Perforation der Desce-met-Membran durch den PIRL kann man Luftblasen in der Vorderkammer erken-nen (. Abb. 3a).

Um das PIRL-System für eine mög-liche Anwendung im Bereich der Horn-hauttransplantation zu testen, wurden kontaktfreie kreisrunde Schnittkonfigura-tionen mit einem Durchmesser zwischen 4 und 8 mm gewählt.

Die . Abb. 4 zeigt eine makroskopi-sche, eine konfokale, eine histologische und eine ESEM-Darstellung einer kreis-runden (4 mm Durchmesser) tief penet-rierenden PIRL-Inzision (Laserwellenlän-ge λ=3 µm).

Minimale thermische Gewebeschä-den wurden beobachtet, wenn der PIRL-Strahl nicht perfekt auf die Gewebeober-fläche fokussiert wurde. In der histo-logischen Untersuchung der kreisrun-den PIRL-Inzisionen war kein sichtba-rer epithelialer Kollateralschaden zu er-kennen. Die optimale Fokussierung des Laserstrahls im Gewebe ist für eine ef-fektive Übertragung der elektromagne-tischen Energie und damit einen geziel-ten Hornhautabtrag unabdingbar. Wäh-rend der kreisrunden PIRL-Trepanation bis zur Perforation der Descemet-Mem-bran war die Ablation/-Schnitttiefe pro-portional zur eingesetzten Laserzeit – das entfernte Gewebevolumen pro Laserzeit-einheit also stabil. Hieraus resultiert eine lineare Beziehung zwischen der gemesse-nen Inzisionstiefe und der Laseranwen-dungsdauer.

»  Die optimale Fokussierung des Laserstrahls im Gewebe ist für einen gezielten Hornhautabtrag unabdingbar

Im Gegensatz zur LASIK („Laser in situ keratomileusis“) ist bei der perforierenden Keratoplastik ein Lasersystem notwendig, das auch im tiefen Hornhautstroma mit seinen lichtstreuenden Eigenschaften zu-verlässig arbeitet. Unsere ersten Erfah-rungen mit dem im mittleren Infrarotbe-reich (λ=3 µm) operierenden PIRL-Sys-tem zeigten in einer Machbarkeitsstudie („proof of principle“), dass eine kontakt-freie Trepanation mit diesem Lasersystem generell möglich ist. Das PIRL-System be-ruht auf dem Prinzip der ultraschnellen Desorption durch impulsive Vibrations-anregung (DIVE; [32, 33]) und zielt da-mit auf eine spezielle Absorptionsbande des Wassermoleküls. In diesem Wellen-längenbereich wird die Strahlung bereits innerhalb weniger Mikrometer nach Auf-treffen auf das Gewebe absorbiert [34]. Die Pulsdauer des PIRL von ca. 300 ps liegt in dem Zeitfenster zwischen der voll-

Tab. 1  Zusammenfassung der charakteristischen technischen Parameter verschiedener Systeme zur laserassistierten Keratoplastik

Lasersysteme für die Hornhauttransplantation

  Excimer FSL Typ1 FSL Typ2 NIR MIR (PIRL)

Hersteller   AMO/Intralase FS, Alcon/Wave-light FS200, Bausch + Lomb/Victus, Zeiss Me-ditec/VisuMax

Ziemer-LDV 6 Prototyp Prototyp

Parameter

Wellenlänge (nm) 193 1045 1045 1650 3000

Repetitionsrate >200 Hz >60 kHz 10 MHz 10 kHz 1 kHz

Pulsdauer 20–200 ns 200–350 fs 200–350 fs 600 fs 300 ps

Pulsenergie 1,6 mJ 3 μJ 5 nJ 2–20 µJ 460 μJ

Pulsgröße (μm) 950 3–4 1–2 1 124

Applanation Nein Ja Ja Ja Nein

Trepanation öde-matöser Hornhäute/Trepanation Horn-hautnarben

Ja ? Ödem ja/ Narben?

Ja Ja

Normaldruck = klinische Anwendung; Kursivdruck = experimentelles Stadium. FSL Femtosekundenlaser, NIR „near infrared“, MIR „mid infrared“, PIRL Pikosekundeninfrarotlaser.

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Leitthema

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ständigen Umwandlung der individuellen Vibrationsanregung in thermische Ener-gie [36] und der thermoakustischen Rela-xation des angeregten Volumens [32]. Die Transparenz der Hornhaut ist durch eine regelmäßige Anordnung ihrer Proteinbe-standteile (Kollagene und Proteoglykane) und einen streng definierten Wasserge-halt des Stromas bedingt. In Anbetracht des hohen Wassergehaltes der Hornhaut führen die starke Absorption und die spe-zifische Pulsdauer zu einer sehr lokalisier-ten und effektiven Umwandlung der op-tischen Energie in den Phasenübergang des Gewebes und kinetische Energie [32], wodurch eine sehr effiziente Ablation des Gewebes erfolgt. Dies findet idealerwei-se ohne Freisetzung thermischer Energie und ohne Schockwellen-induzierten Kol-lateralschaden im umgebenden Gewebe statt [33, 37].

Im Unterschied zu schon auf dem Markt befindlichen FSL-Plattformen verwendet das PIRL-System eine länge-re Pulsdauer, um, wie oben beschrieben, eine sehr gezielte Deposition der Laser-energie in einem begrenzten Zielvolumen zu erreichen und schwächere Molekülbin-dungen nicht zu „brechen“ [32].

Die laserinduzierte residuale Gewe-beschädigung hängt von den Parametern des Laserstrahls, von der Qualität der Laser-Gewebe-Interaktion und den spe-zifischen Gewebeeigenschaften ab [34,

38]. Die wichtigsten Laserparameter dies-bezüglich sind die Wellenlänge, die Puls-dauer und die Energiedichte („pulse flu-ence“). Das Phänomen der Lichtstreuung kann vernachlässigt werden, wenn die Absorptionswellenlänge nicht wesentlich größer als die vom Laser emittierte Wel-lenlänge ist. Um mögliche Kollateralschä-den zu minimieren, ist es essenziell, die Schwellenenergiedichte zu minimieren, bei der ein entsprechender Ablationspro-zess einsetzt. So wird ein Großteil der La-serenergie direkt dem Ablationsprozess zugeführt. Hierdurch wird im Fall des DIVE-Prinzips ein Maximum der Energie vom Ort der Ablation zusammen mit den Ablationsprodukten entfernt [32]. Wär-meentstehung unterhalb der Ablations-schwelle und Abgabe von thermischen und akustischen Gradienten an das um-gebende Gewebe müssen kontrolliert wer-den [32]. Das am häufigsten im mensch-lichen Körper vorhandene Chromophor ist das Wassermolekül, das bei einer Wel-lenlänge von λ=3 μm für die „Streckmo-de“ absorbiert. Für „weiche“ Gewebe wie Haut, Knorpel oder Kornea, die durch einen hohen Anteil an extrazellulärer Ma-trix charakterisiert sind, bilden die Kolla-genfibrillen die mesoskopische Grund-struktur [34].

Das dominierende optische Phänomen sowohl im gesunden als auch im patholo-gisch veränderten Hornhautgewebe ist die

Streuung („Rayleigh scatter“). Diese wird durch die Interaktion zwischen der ein-fallenden elektromagnetischen Welle und der räumlichen Anordnung der Kollagen-fibrillen determiniert [31, 39, 40].

Für alle im klinischen Einsatz befind-lichen FSL (λ=1 µm) gilt das Dogma, dass etwa 40% der gesamten Transmission im stromalen Hornhautgewebe gestreut wird [40], was die Qualität des Laser-strahls insbesondere in tiefen Hornhaut-schichten mindert. Diese experimentel-len Untersuchungen zeigen die Notwen-digkeit, die laserassistierte perforieren-de Keratoplastik weiter zu optimieren. Während bei Verwendung/Entwicklung eines Lasersystems mit einer Wellenlän-ge im Bereich des optischen Fensters zwi-schen 1,6 und 1,8 µm eine Applanation der Hornhaut notwendig ist, scheint auf-grund der aktuellen Untersuchungen ein-zig mit dem PIRL-Prototyp eine applana-tionsfreie Trepanation der Hornhaut auch ohne Verwendung von Metallmasken [9, 15, 17, 18, 19] möglich zu sein. Ein weiterer Vorteil der Verwendung einer Wellenlän-ge im mittleren Infrarotbereich ist die Tat-sache, dass diese Wellenlängen bei einer oberflächlichen Anwendung am Auge „si-cher“ sind, da nur ein zu vernachlässigen-der Teil der einfallenden Laserstrahlung die Netzhaut erreicht [11].

»  Mit der Pikosekunden-infrarotlaser-Technologie ist eine applanationsfreie Trepanation der Hornhaut möglich

Zusammengefasst zeigen unsere Ergeb-nisse, dass mit der auf dem DIVE-Prin-zip beruhenden PIRL-Technologie erst-mals eine applanationsfreie Trepanation der Hornhaut möglich ist. Hieraus erge-ben sich neue Perspektiven für eine zu-künftige Anwendung im Bereich der Hornhauttransplantation. Aufgrund der Vielzahl an Lasersystemen und Anwen-dungsmöglichkeiten sind Bestrebungen sinnvoll, ein Gerät für mehrere verschie-dene Anwendungen zu entwickeln („all in one“). Vengris et al. [41] haben bereits aufgezeigt, dass eine Laserquelle für die Trepanation (1045 nm) und die Modula-tion (210 nm) der Hornhaut genutzt wer-

Abb. 2 8 a Schematischer Aufbau und b Versuchsaufbau für die ex vivo kontaktfreie Pikosekunden-infrarotlaser (PIRL)-Trepanation

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den kann. Weitere Bestrebungen in diese Richtung scheinen kurz vor der klinischen Einführung zu sein [42]. Das Ziel unse-rer Arbeiten ist die Entwicklung eines Sys-tems mit einer Laserquelle, das einen kli-nischen Einsatz im gesamten Hornhaut-bereich [210 nm – (540 nm) – 1045 nm – 3000 nm] zulässt. Diese Arbeiten be-finden sich noch in den Kinderschuhen. Zu den limitierenden Faktoren des aktu-ellen PIRL-Prototyps gehört eine manuel-le Fokussierung des Laserstrahls [35]. Eine suboptimale Fokussierung führt zu einer weniger effektiven Ablation und zu einer Umwandlung von Laserenergie in Wär-meenergie. Ein OCT (optische Kohärenz-tomographie)-geführter Autofokus könn-

te die Präzision und Zuverlässigkeit dieses Lasersystems zukünftig weiter verbessern. In-vivo-Studien sind notwendig, um diese ersten Untersuchungen zur applanations-freien PIRL-Trepanation der Hornhaut weiter zu vertiefen. Im Fokus zukünftiger Arbeiten stehen dabei zunächst die kor-neale Wundheilung und der Vergleich des PIRL-Prototyps mit den etablierten Stan-dardtherapieverfahren (mechanische und FSL-Keratoplastik).

Am Ende dieser Ausführungen kom-men wir wieder zurück zu E. Zirm und seinen ergänzenden Sätzen: „Das wich-tigste bleibt ein genaues Einpassen des Lappens, der deshalb ausschließlich mit dem Trepan, wenn auch durch mehr-

faches Ansetzen desselben, nicht durch nachträgliches Losmachen mit Mes-ser und Schere gebildet werden sollte“ [43]. Hier sind wir zumindest theoretisch schon einen Schritt weiter, indem wir die Nachteile einer applanationsbasier-ten Trepanation beleuchtet und den Weg einer kontaktfreien Trepanation aufge-zeigt haben. Die Möglichkeit der präzisen Trepanation ödematöser und narbig alte-rierter Hornhäute muss für ein Lasersys-tem, das für die Transplantationschirur-gie entwickelt wird, als Conditio sine qua non gefordert werden. Weitere Lasersyste-me werden auf den Markt kommen. Ide-alerweise wäre ein Lasersystem nicht nur für alle Anwendungen an der Hornhaut,

Abb. 4 9 a Makroskopi-sche, b konfokale, c histo-logische und d „Environ-mental scanning electron microscopy“ (ESEM)-Dar-stellung einer kreisrunden (4 mm Durchmesser) tief penetrierenden Pikosekun-deninfrarotlaser-Inzision (Laserwellenlänge λ=3 µm) mit präzisen Schnittkanten im Hornhautgewebe

Abb. 3 8 a Makroskopische, b konfokale und c „Environmental scanning electron microscopy“ (ESEM)-Darstellung der linearen penetrierenden Pikosekundeninfrarotlaser-Inzisionen im humanen Post-mortem-Hornhautgewebe

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sondern auch für die laserassistierte Lin-senoperation geeignet. Das zu wünschen-de Einsatzspektrum dieses All-in-one-La-sers könnte von der kontaktfreien Trepa-nation für die perforierende Keratoplastik über eine präzise Flap-Präparation bei der LASIK bis hin zur Modulation des Horn-hautstromas reichen. Erste Erfolg verspre-chende Ansätze in diese Richtung befin-den sich im vorklinischen Einsatz [41, 42, 44] und geben berechtigten Anlass zur Hoffnung, dass diese Vision in die Rea-lität umgesetzt werden könnte. Techni-sche Neuerungen der Lasersysteme sind in den Bereichen Mobilität, Zuverlässig-keit, Vereinfachung der Behandlung und Implementierung diverser Anwendungs-bereiche zu erhoffen. „Παντα ρει – alles im Fluss“ – spannende Zeiten stehen uns bevor!

Fazit für die Praxis

F  Kritisch betrachtet, ist man dem Ziel der nahtfreien und Astigmatismus-neutralen Hornhauttransplantation durch exakte Schnittkonfigurationen nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip trotz der Erfolge und Verbreitung des FSL nicht wesentlich näher gekom-men.

F  Zwei limitierende Faktoren der FSL-assistierten Keratoplastik, die durch die physikalischen Eigenschaften des Lasers und die biologischen Eigen-schaften der Hornhaut bedingt sind, haben sich im Lauf der klinischen An-wendung herauskristallisiert. Zum einen ist eine applanationsfreie Schnittführung nicht möglich, und zum anderen ist ein Schneiden von vaskularisiertem und narbig alterier-tem Gewebe erschwert.

F  Obwohl die Vorteile der Excimer-Tre-panation vielfältig sind (Stichworte: epithelseitige und applanationsfreie Trepanation), hat sie sich dennoch nicht in der breiten klinischen Anwen-dung durchsetzen können.

F  Unsere ersten Erfahrungen mit dem im mittleren Infrarotbereich (λ=3 µm) operierenden PIRL-System zeigen in einer vorläufigen Machbarkeitsstudie („proof of principle“), dass eine kon-taktfreie Trepanation mit diesem La-sersystem generell möglich ist. Im Fo-

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kus zukünftiger Arbeiten stehen da-bei zunächst die korneale Wundhei-lung und der Vergleich mit den Stan-dardtherapieverfahren (mechanische und FSL-Keratoplastik).

Korrespondenzadresse

PD Dr. S.J. LinkeKlinik und Poliklinik für Augenheilkunde, Universitätsklinikum Eppendorf (UKE)Martinistr. 52, 20246 [email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt.  S.J. Linke, L. Ren, A. Frings, J. Steinberg, W. Wöllmer, T. Katz, R. Reimer, N.O. Han-sen, N. Jowett, G. Richard und R.J. Dwayne Miller ge-ben an, dass kein Interessenkonflikt besteht. 

Dieser Beitrag beinhaltet keine Studien an Menschen oder Tieren.

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