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Philipp Franz von Siebold während seiner ersten Japanreise 1823 Porträtiert als westliche „Langnase“ mit asiatischen Augen von einem unbekannten japanischen Künstler

Philipp Franz von Siebold während seiner ersten Japanreise 1823 … · 2016. 3. 24. · Diese Sammlung war eine Sensation. Noch nie hatte das Publikum in dieser Fülle und Zusammenstellung

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Philipp Franz von Siebold während seiner ersten Japanreise 1823

Porträtiert als westliche „Langnase“ mit asiatischen Augen von einem unbekannten japanischen Künstler

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ANDREA HIRNER BRUNO J. RICHTSFELD

JÜRGEN BETTEN

PHILIPP FRANZ VON SIEBOLD

UND MÜNCHEN GEDENKSCHRIFT ZUM 150. TODESTAG

Deutsch-Japanische Gesellschaft in Bayern e.V.

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Beiträge

Andrea Hirner

Philipp Franz von Siebold und seine Beziehung zu München und Bayern Seite 17

Alphonse Daudet

Der blinde Kaiser oder die Reise nach Bayern Seite 105

Bruno J. Richtsfeld

Die Japansammlung des Museums Fünf Kontinente Seite 117

Jürgen Betten

Siebolds Begräbnis und sein Grabmal Seite 157

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Sammlung Philipp Franz von Siebold, 1874 Netsuke, Wildschwein auf Blättern schlafend Elfenbein; gefärbt; 4,9 cm breit Inventarnummer des Museums Fünf Kontinente: S-1736

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ANDREA HIRNER

PHILIPP FRANZ VON SIEBOLD UND SEINE

BEZIEHUNG ZU

BAYERN UND MÜNCHEN

1820 schloss in Würzburg der junge Philipp Franz von Siebold sein Medi-zinstudium ab, für das er ein Stipendium des bayerischen Königs Max I. Joseph für das ehemalige adelige Seminarium zu Würzburg erhalten hatte. Er war aber nur kurze Zeit als Arzt in Heidingsfeld tätig und trat 1822 mit Erlaubnis des Königs in holländische Dienste. Die Niederlande wollten ihre medizinische Versorgung in ihren überseeischen Besitzungen stärken und benötigten dringend junge Männer dafür. Das kleine Land brachte nicht selbst genügend von ihnen auf.

Anders als Auswanderer konnte Siebold entsprechend § 11 des „Edic-tes über das Indigenat“ (1. Beilage zur Baierischen Verfassung von 1818) dabei seine Zugehörigkeit zum Königreich Bayern beibehalten. In Japan galt er allerdings als Holländer, weil offiziell nur solche die Insel Deshima im Hafen von Nagasaki betreten durften, und er mit einem holländischen Pass auf die Insel kam. Nur langsam setzte sich die Erkenntnis durch, dass er ein Sohn Bayerns (bzw. Frankens) war. Die zweifache Staatsbürger-schaft und die Tatsache, dass er lange im niederländischen Staatsdienst war, führten dazu, dass er nach seiner Rückkehr zuerst in den Niederlan-den ansässig wurde. Der niederländische Staat hatte seine Forschungen in Japan finanziert und wollte die Ergebnisse für sich nutzen.

Dann rückten seine Aufenthalte immer weiter nach Süden vor, auch weil er und seine Frau Helene, die er 1845 geheiratet hatte, das feuchte Klima in Holland nicht vertrugen. 1847 zog er nach Boppard am Rhein in

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das ehemalige Kloster St. Martin, das er gekauft hatte, und 1853 nach Bonn, wo er im Haus Nummer 972 am Koblenzer Tor direkt bei der Uni-versität wohnte. Schließlich nach Würzburg. Dort lebte seine Familie, die inzwischen auf fünf Kinder anwuchs, in der Teufelstorgasse. Besonders in seinen späteren Lebensjahren, als ihn verschiedene Ereignisse von Holland entfremdet hatten, wurde München immer wichtiger für ihn. Seine letzten Lebensmonate verlebte er hier, und auch seine letzte Ruhestätte fand er in München.

ach seiner Rückkehr aus Japan von seinem ersten Aufenthalt stand die wissenschaftliche Auswertung seiner Forschungen in Japan und ihre Publizierung im Vordergrund seiner Arbeit. Die

ersten Lieferungen dieser Werke erschienen ab 1832 in Leiden: „Nippon“, „Flora Japonica“ und „Fauna Japonica“. Um Gelder dafür zu beschaffen, da er sie selbst herausgeben und drucken lassen musste, plante er den Verkauf seiner umfangreichen Sammlung, die er in den Jahren von 1823 bis Ende 1829 auf Deshima zusammengetragen hatte und nun in seinem Wohnhaus in Leiden öffentlich ausstellte.

Diese Sammlung war eine Sensation. Noch nie hatte das Publikum in dieser Fülle und Zusammenstellung Japan präsentiert gesehen: Kunst- und Alltagsgegenstände, kultische Objekte und Naturalien, Bücher, Schrif-ten und Karten, er hatte alles gesammelt, was zusammengenommen ein Bild dieses noch immer sehr unbekannten Reiches in Ostasien erlauben sollte. Er hatte auch bereits eine feste Vorstellung davon, wie eine solche Sammlung gezeigt werden sollte. Als mögliche Käufer kamen Staaten, Regierungen oder Herrscher in Frage, und dabei dachte er „als treues Landeskind“ auch an Bayern.1 Bereits am 21. April 1835 wies Siebold in einem Schreiben an den damaligen bayerischen König Ludwig I. auf die Notwendigkeit der Gründung eines „Ethnographischen Museums“ hin. „Der Zweck eines ethnographischen Museums ist Verbreitung der Kennt-nisse von Ländern und Vōlkern im allgemeinen ...“2

Zu diesem Zeitpunkt war ein solcher Begriff noch nicht gebräuchlich, der Schritt von der privaten Sammlung eines Fürsten oder Forschers zur

1 Als solches bezeichnet sich Siebold in seinem Schreiben an König Ludwig II. v. 1.11.1864,

SABB, V, 127. 2 Müller, Claudius C.: 400 Jahre Sammeln und Reisen der Wittelsbacher, Ausstellung d. Lan-

desregierung Rheinland-Pfalz, München, 1980/81, S. 1-20, dort auf S. 20 auch Abb. d. Brie-fes v. Siebold.

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wissenschaftlichen Erarbeitung fremder Lebenswelten und Kulturen nicht getan. Siebold griff damit seiner Zeit weit voraus.

Sein Gedanke eines Verkaufs nach Bayern war dennoch nicht abwegig, denn auch in München sammelte man völkerkundliche Gegenstände. In früheren Zeiten waren Kuriositäten aus aller Welt in den privaten Schatz- und Wunderkammern der Wittelsbacher Landesherren angehäuft worden. Doch um 1800 hatte sich das Interesse an der Welt verändert. Das Volk sollte nun unterrichtet werden und am Weitblick seiner Fürsten teilhaben. Durch die zahlreichen Forschungsreisen dieser Zeit rückte die außereuro-päische Welt immer näher. Besonders König Max I. Joseph und sein Sohn, der spätere König Ludwig I., waren an der Völkerkunde interessiert. Das Meiste, das bisher von diesen beiden Herrschern an ethnologischen Objek-ten angekauft und zusammen getragen worden war, wurde unter König Ludwig I. im Obergeschoss der nördlichen Hofgartenarkaden bei der Re-sidenz ausgestellt. Im Jahr 1827 hatte der Regent - immer in dem Wunsch, mit dem reichen kulturellen Erbe seines Landes den Ruhm des Staates zu mehren -, bereits vorhandene Sammlungen der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu den „Vereinigten Sammlungen des Staates“ fusioniert. Dazu gehörte nun auch die ehemals königlich-private ethnologische Sammlung.

m 25. März 1835 war Siebold für einen Monat in München, zu „wissenschaftlichen Zwecken“, wie die Münchner Polizeibehörde vermerkte. Er war im Sommer 1834 zu einer Werbereise für seine

Werke aufgebrochen, die ihn nach St. Petersburg, Moskau, Dresden sowie Wien und Anfang Februar 1835 nach München führte. Siebold bot in sei-nem Schreiben vom 21. April König Ludwig I. offen große Teile seiner Sammlung an, „welche ich gerne in meinem Vaterlande Bayern bewahrt sähe … Ich würde mich geschmeichelt fühlen, wenn Euer Majestät sich zu dem Ankauf der fraglichen Sammlung entschließen ...“. Interessiert war der Regent sicherlich, aber vielleicht war ihm der Preis dann doch zu hoch, oder das Land Japan zu weit abgelegen. 1835 war der König überdies sehr mit seinen Bauten in München beschäftigt. Vielleicht trug auch Siebolds Schreiben an ihn daran schuld, denn das zielte eher auf die Niederlande als auf Bayern, wenn er schreibt: „Eine solche Anstalt zur Ausbreitung von geographischen Kenntnissen wird unstreitig den größten Nutzen in einem Lande bringen, dass sein Bestehen in Handel und Seefahrt hat.“3

3 Müller, s.o., S. 19.

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Sammlung Philipp Franz von Siebold, 1874

Zeremonialschwert in Scheide mit Schwertständer und textiler Schwerthülle (Geschenk des Sh gun Iemochi)

geschmiedet vom Schmied Kanemitsu

Inventarnummer des Museums Fünf Kontinente: S-590

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要約

1822年 旅券携え 師 日 派遣 彼 長い 人信 い 彼 王国 属 い 彼

1796年 生 1866年 亡埋葬

1830年 日 戻 後彼 繁 出向い 1832年 一世 彼 勲章 え 滞在 代々 王 民俗学的物品

王宮 脇 側 統展示 い 1835年 回目 滞在

一世 民族博物館 建設 案 当時う 博物館 在 彼 芸術 学術 対象

物 日 博物館 立 非常 適

い 思わ 彼 王 彼 日 買いう持

買い (Leiden) 住 い 展示初 日 展示会

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ALPHONSE DAUDET

DER BLINDE KAISER ODER

DIE REISE NACH BAYERN1

Alphonse Daudet (1840-1897) stand gerade am Beginn seiner gro-ßen Karriere als Schriftsteller, als er 1865 Philipp Franz von Siebold in Paris kennen lernte. Ob dies auf Vermittlung des niederländischen Gesandten geschah, wie Siebolds Biograph Körner schreibt2 oder ob Daudet „den alten Herrn“3 tat-sächlich in einem Gasthaus zum ersten Mal traf, ist nicht mehr zu klären.

Daudet war von 1860 bis 1865 der Sekretär des Herzogs de Morny gewesen, Minister und Halbbruder von Kaiser Napoleon III. Mit seinem Buch „Briefe aus meiner Mühle“, das ab 1866 erschien, wurde Daudet literarisch berühmt. 1872 krönte er diesen Erfolg mit dem Roman „Die wunderbaren Abenteuer des Tartarin de Tarascon“. Sein

1 Nachdruck aus: „Der Zwiebelturm“, Vlg. Habbel, Regensburg, 4. Jg. 1949, H. 1, S. 5-7). In

der neueren (und vollständigen) Übersetzung von 1981, erschienen im Winkler Verlag München, kommt München nicht so gut weg. In dieser Übersetzung beschreibt Daudet München als kalt und zu pompös.

2 Körner, Hans: Die Würzburger Siebold – eine Gelehrtenfamilie des 18. und 19.Jahr- hunderts, 1967, S. 473. 3 Siebold stand 1865 im 69. Lebensjahr.

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Salon, den er mit seiner ebenfalls literarisch tätigen Frau führte, war gesucht bei den Literaten von Paris. Auch der junge Marcel Proust ließ sich von Madame Daudet in ihren Salon einführen, was für ihn sehr wichtig war. Er blieb Zeit sei-nes Lebens mit dem Ehepaar Daudet und deren Söhnen Léon und Lucien befreun-det.

Dass sich Alphonse Daudet für Japan interessierte, ist nicht abwegig. Einer seiner engsten Freunde war Edmond de Goncourt, bekanntlich der führende „Ja-poniste“ in Paris. In der Erzählung finden sich einige Fehler. Der Name „Sieboldt“ wurde von Daudet schon im Original falsch geschrieben, und Siebold hat nicht „mehr als dreißig Jahre in Japan“ gelebt. Auch die zeitlichen Angaben stimmen in der Erzählung nicht.

Siebold war nicht im Frühjahr 1865, sondern im Oktober in Paris, um Kaiser Napoleon III. den Plan einer Handelsgesellschaft vorzutragen. Der Krieg brach erst im folgenden Jahr, 1866, aus. Auch Daudets München Aufenthalt lief zeitlich anders ab, als er schreibt. Mit der Schlacht bei Königgrätz am 3. Juli 1866 war der Krieg eigentlich schon entschieden, aber die süddeutschen Truppen verteidigten

noch Würzburg. Ende Juli kam es dann zu Gefech-ten bei Würzburg. Daudet schreibt, dass er zehn Tage in München verbrachte, dann könnte er aber diese Gefechte nicht miterlebt haben, denn er hat Siebold auf dem Totenbett gesehen, und dieser starb am 18. Oktober.

Daudet hat die „Contes du Lundi“, aus denen diese Geschichte stammt, 1880 verfasst. Ob seine Erinnerung ihn trog, oder ob er aus literarischen Gründen die Zeit verschob, ist nicht bekannt. In München war er tatsächlich, um Siebold zu besu-chen. Sein „Gasthof zur Blauen Traube“ unter dem Wirt Karl Fritz stand in der Dienersgasse (heute: Dienerstraße) Nr. 11, doch der französische Ge-sandte hieß damals Renaud d'Avesnes, Vicomte des

Meloizes-Fresnoy, der in München bis 1867 blieb. Da die Kaiserlich Französische Gesandtschaft sich in der Schwabinger Landstraße Nr. 25 befand, hätte Daudet wirklich leicht zu Fuß dorthin gehen können.

Anders als er schreibt, war die Erregung in der Bevölkerung über diesen Krieg doch groß. Der Minister, den er im Gasthaus beim Bier sah, war der Minister des Äußern und des Königlichen Hauses Ludwig Karl von der Pfordten, und bei dem Onkel des Königs handelt es sich um Prinz Luitpold, den späteren Prinzregenten. Von der Pfordten hatte damals wirkliche Sorgen: Nach dem verlorenen Krieg trat

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盲目 帝旅

前書

1840-1897 1865年知 う 作家 大

成 始伝

記作家 書い いう 公使取次 起 あ

い 実際 年配 紳士 あ 宿屋 初

出会 や解明い

1860年 1865

年 世 大臣母 弟 公 秘書 あ 1866年 書

著書 水車 屋便 文学的 1872年彼 成 最後 説 陽気 飾

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Sammlung Philipp Franz von Siebold, 1874

Räuchergefäß in Gestalt eines Hahns

Eisen; versilbert; Lack

7,8 cm Tiefe, 14,7 cm Breite, 16 cm Höhe

Inventarnummer des Museums Fünf Kontinente: S-1020a

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BRUNO J. RICHTSFELD

DIE JAPANSAMMLUNG DES

MUSEUMS FÜNF KONTINENTE

ie Tradition des Sammelns von ethnographischen Raritäten, da-runter befanden sich natürlich auch Japonica, lässt sich für Mün-chen zum einen zurückverfolgen auf die Raritätensammlung des

Jesuitenpaters Ferdinand Orban, zum anderen auf das Raritätenkabinett der Wittelsbacher des 16. und 17. Jahrhunderts. In diesen Raritätenkam-mern wurden zoologische, botanische und geologische Objekte sowie Werke der Kunst und des Kunsthandwerks, darunter auch Ethnographica gesammelt. Diese Sammlungen sollten nun nicht mehr nur den Reichtum des Besitzers zur Schau stellen, sondern sie sollten als Schaubühne der ganzen Welt, als begehbare Enzyklopädie ein Bild der gesamten Natur und der gesamten Menschheit vermitteln. Nur Weniges hat sich nachweis-lich aus der Frühzeit der Wittelsbacher Sammlungstätigkeit in den heute bestehenden Münchner Sammlungen erhalten. Die Berichte von diesen Kabinetten, z.B. das berühmte Inventar der Wittelsbacher Kunstkammer von Johann Baptist Fickler aus dem Jahr 1588 listen die Objekte auf, be-schreiben sie aber nicht, und zudem entsprechen die Zuschreibungen dem Kenntnisstand der Zeit. So wurden viele Objektgruppen als „indianisch“ bezeichnet, ein Begriff, der amerikanische, indische und ostasiatische Ge-genstände umfasste. Das Ficklersche Inventar verzeichnet insgesamt 3407 Objekte. Als früheste, heute noch erhaltene japanische Objekte aus dem Bestand dieser Wunderkammer-Sammlung sind zwei Blauweiß-Deckeldosen aus der Mitte des 17. Jahrhunderts erhalten, die im Münch-ner Residenzmuseum zu sehen sind. Aus der Zeit davor konnten bisher keine japanischen Objekte aus dem Besitz der Wittelsbacher identifiziert

D

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werden, unklar ist auch, ob sich im Wunderkammerbestand des 16. Jahr-hunderts bereits Objekte aus Japan befanden.

Pater Ferdinand Orban (1655-1732) war Lehrer an mehreren Universitä-ten, gleichzeitig Prediger an verschiedenen Fürstenhöfen, aber auch ein vielseitiger, vor allem in den Naturwissenschaften bewanderter Gelehrter. Durch seine weitreichenden Verbindungen trug er zwischen 1680 und 1732 eine große Sammlung von Raritäten zusammen, darunter auch Bei-spiele japanischen Kunsthandwerks. Die Sammlung befand sich bis 1724 in Landshut; im 18. Jahrhundert gehörte sie zu den berühmtesten Sehens-würdigkeiten in Bayern. Dies führte aber zu Zwistigkeiten mit Orbans Ordensoberen, welche diese zu seiner Zeit seltene und damit wertvolle Sammlung im Jesuitenbesitz behalten wollten. Orban hatte sie nach In-golstadt überführt, wo sie schließlich in den Besitz der Universität In-golstadt überging und später mit dem Umzug der Universität nach Mün-chen kam. Die Universität verteilte sie 1881 als Leihgabe auf das Bayeri-sche Nationalmuseum, die Staatsgemäldesammlungen, die Universitäts-bibliothek und das Museum Fünf Kontinente.

Diese Sammlungen hatten Vorläuferfunktion, ebenso wie die später von den Wittelsbachern hinzu erworbenen ethnographischen Sammlun-gen, die über die Stadt verstreut, z.B. in der Akademie oder in den so ge-nannten Vereinigten Sammlungen im Galeriegebäude am nördlichen Hof-garten besichtigt werden konnten. Beispiele dafür sind die Sammlung Spix und Martius aus Brasilien sowie Objekte der Sammlungen von James Cook (1728-1779) und Adam Johann von Krusenstern (1770-1846), die Kö-nig Max I. Joseph (reg. 1799-1825, seit 1806 König) erwarb. Bis zur Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert handelte es sich bei dieser Art des Zusam-mentragens von Sammlungen nicht um ein systematisches Sammeln, son-dern eher um den Erwerb von Raritäten und Exotica, die den Betrachter zwar das Seltsame und Ungewöhnliche bestaunen ließen, aber doch nur begrenzt über die Kulturen unterrichteten, denen sie entstammten. Erst die stetig zunehmende Intensivierung und Ausdehnung des Handels und des Verkehrs mit außereuropäischen Ländern im 19. Jahrhundert sowie die daraus resultierende Gründung von Handelsniederlassungen und später Kolonien förderte auch die Zunahme ethnographischen Materials und ethnographischer Kenntnisse in Europa.

er eigentliche Beginn des systematischen Sammelns von Japonica unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten ebenso wie die Grün-dung eines Völkerkundemuseums in München steht in engem D

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Sammlung Philipp Franz von Siebold, 1874

Fischförmiges Gefäß; glasierte Keramik

33,5 cm Länge, 21,4 cm Breite und 23,8 cm Höhe

Inventarnummer des Museums Fünf Kontinente: S-779

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五大陸博物館 日

(要約

1 17世紀 諸侯 外国 珍 い 興味深い品々 家 統治者 う

成 1588年頃 約 千点 抱え い 最 古い日品 1650年頃製作 大 花瓶 あ 今日 博物館

陳列 特 一世 1806年 在位息子 一世 18 19世紀 旅行家買い 拡張 中 研究

者 (Martius) (Spix) 旅行 入手

や (Adam Johann

von Krusenstern) (James Cook) う 世界航海者 物 含 い

(Philipp Franz von

Siebold) 1823年 1830年 日 最初 滞在 折 日 漆器 多

今日 や知 い い あ い在 い い 品々 王 件 際彼

援助 あ

1859年 1862年 回目 日 滞在 際 運日 博物館 多 日 物品

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Siebolds Grabmal auf dem Alten Südlichen Friedhof

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JÜRGEN BETTEN

SIEBOLDS BEGRÄBNIS UND SEIN GRABMAL

hilipp Franz von Siebold verstarb am 18. Oktober 1866, an einem Donnerstag. Der Trauergottesdienst wurde in der Ludwigskirche abgehalten; zu dieser Pfarrei gehörte die Frühlingsstraße, in der

Siebold zuletzt wohnte. Die Beerdigung fand am Sonntag, den 21. Oktober 1866 um 5 Uhr1 mit militärischen Ehren2 auf dem „Südlichen Friedhof“, dem heutigen Alten Südlichen Friedhof an der Thalkirchner Straße in München statt. Auf dem Sarg Siebolds lag ein schlichter Lorbeerkranz, umgeben von seinen vielen Orden und Auszeichnungen. Im Münchener Tages-Anzeiger und Fremden-Blatt erschien am Montag, den 22. Oktober 1866 in der Rubrik „Neuestes aus München“ eine Würdigung des Verstor-benen: „Der durch seine Entdeckungsreisen in Japan und seine über das-selbe herausgegebenen wissenschaftlichen Werke berühmte Dr. Philipp v. Siebold, ist vorgestern dahier, 71 Jahre alt, an Typhus gestorben. Derselbe, ein Bayer (geb. zu Würzburg) war Oberst im niederländischen Generalstab und trotz seines hohen Alters noch immer sehr rüstig; eben mit der Ord-nung seiner japanisch-ethnographischen Sammlung beschäftigt, über-raschte ihn der Tod.“3 In den Neuesten Nachrichten aus dem Gebiete der Poli-tik konnte man am 22. Oktober 1866 unter der Rubrik „Gestorbene in München“ den kurzen Hinweis lesen: „F. v. Siebold, k. niederländischer Oberst a.D., 71 Jahre.“4

1 Münchener Tages-Anzeiger und Fremden-Blatt, Nr. 294, unter der Rubrik „Gestorbene“. 2 Hans Körner in Philipp Franz von Siebold - Gedenkschrift zur 100. Wiederkehr seines Todestages am 18. Oktober 1966 (Hrsg. Deutsch-Japanische Gesellschaft in Bayern e.V.), München, 1966, S.33., siehe auch Seite 72, zweitletzter Absatz. 3 Münchener Tages-Anzeiger und Fremden-Blatt, Nr. 295, 22. Oktober 1866. 4 Neueste Nachrichten aus dem Gebiete der Politik, 22. Oktober 1866, S. 4972.

P

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葬儀 墓碑

(要約

(Philipp Franz von

Siebold) 1866年10 18日 没 告 教会 執行わ 葬儀 1866年10 21日 日曜5時 軍礼式 墓

地 今日 通 墓地 挙行

棺 彼 多 勲章 表 類 質素桂樹 輪 置 あ

家族 墓 墓地新部 あ 墓地 画33番 第13列 墓番 番 彼 妻

埋葬

墓 記念碑 聳え い 形 仏教 仏塔指針 い Rudolf

Schwanthaler, 1842-1879年 製作 彼

立 創作甥 当

美術院 養成旅行 後1866年 戻 工

運営 引 い 叔 ほ 当時 通彫刻家