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1. ‚Mann im Turm‘ von Stephan Balkenhol 1992 entstanden und in Gießen aufgestellt. Holz. Gesamthöhe 7,50 Meter. Am Anfang des Gießener Kunstwegs, auf dem Weg zur Mensa, im Phi- losophikum I steht der ‚Mann im Turm’ von Stephan Balkenhol. Die Skulptur ist aus einem Stamm herausgearbeitet, die groben Spuren des Holzbeitels lassen den Arbeitsprozess sichtbar werden, die Oberfläche ist bemalt. Die 1,90 m hohe Skulptur steht auf einer Art Wachturm aus Stahl. Einsam und starr, mit eng angelegten Armen, blickt die Figur in die Ferne — Sinnbild für die Einsamkeit des Individuums und Ruhe- punkt im hektischen Getriebe des Universitätsalltags. STEPHAN BALKENHOL, geb. 1957 in Fritzlar/Nordhessen. Studium bei Ulrich Rückriem in Hamburg (siehe 6: ‚Tor‘ — Steinskulptur am Eingang der Universitätsbibliothek). Balkenhol experimentierte zunächst auch mit Stein, wandte sich dann aber dem Material (Pappel-)Holz zu. Sein zentrales Thema ist die menschliche Figur, er gestaltet aber auch Tiere. Diverse Lehraufträge, seit 1992 Professur an der Hochschule für Bil- dende Künste in Karlsruhe. Er zählt zu den international renommierten deutschen Bildhauern. 2. ‚Wagengruppe’ von Bruno K. 1989 entstanden und in Gießen aufgestellt. Verzinkter Stahl. Asphaltfläche: 8 x 5,50 Meter. Die ‚Wagengruppe’ von Bruno K. befindet sich im Philosophikum I direkt am Parkplatz. Dieser Ort ist nicht zufällig gewählt, er ist ein ironischer Kommen- tar zur Alltagssituation auf einem Parkplatz. Denn bereits zum Zeitpunkt der Aufstellung der Skulptur herrschte dort Parkplatzmangel. Das Thema Fortbe- wegung wird durch das starre und beständige Material konterkariert; drei Wagentypen aus verzinktem Stahl vermitteln über ihre Titel symbolische Be- deutung: ‚Königswagen’, ‚Walzer’ und ‚Schlitten’. Vermittelt über das Rad — eine der wichtigsten Erfindungen der Menschheit — wird Zeit dargestellt: ein Steinrad über Schlittenkufen, hölzerne Speichenräder verschiedener Größe, Walzenrollen und ein Gummischlauch. BRUNO K., geb. 1957 in Hofheim/Taunus. Studium an der Hochschule für Gestaltung Offenbach und der Städelschule Frankfurt/Main, Meisterschüler von Michael Croissant (siehe 4: ‚Kopf‘-Skulptur). 1984 entsteht die erste Fahrzeugskulptur. Künstlerische Position zwischen Abstraktion und neuer Gegenständlichkeit. Ab 1990 Lehraufträge an der Kunstakademie München. Bruno K. lebt heute in Volxheim bei Bad Kreuznach. 3. ‚Räderwerk Nord’ von Vincenzo Baviera 1986 entstanden, 1990 in Gießen aufgestellt. Stahl auf Beton. Ausmaße: 3 x 11 x 3,30 Meter. Gießen war der fünfte Aufstellungsort des ‚Räderwerk Nord’ von Vincenzo Baviera; der erste war in Norddeutschland, worauf der Name Bezug nimmt. Ursprünglich für den Innenraum vorgesehen, wurde bei der Aufstellung in Gießen bewusst Bezug genommen auf eine Gebäudenische am Philoso- phikum I. Das ‚Räderwerk’ aus Stahl ist ohne Funktion, aber bewegbar. Jedes Rad hat einen Durchmesser von 2,50 Meter und kann einzeln gedreht werden, allerdings nur durch tatkräftiges Handanlegen. Ein Kunstwerk also, das erst im aktiven Kontakt mit dem Betrachter seine volle Wirkung entfaltet — übrigens auch akustisch. VINCENZO BAVIERA, geb. 1945 in Zürich. Dort zunächst Studium der Archi- tektur, dann Studium der Sozialpsychologie und Ethnologie. 1985 bis 1987 Professur an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach, 1991 bis 1995 Lehrauftrag an der Technischen Hochschule Zürich, 1997 Artist in Residence auf Guernsey/Großbritannien. 4. ‚Kopf’ von Michael Croissant 1986 entstanden und in Gießen aufgestellt. Eisen auf Stein. Höhe ca. 2 Meter. Die etwa zwei Meter hohe Metallskulptur ‚Kopf’ von Michael Crois- sant steht direkt am Wegrand. Der Künstler verzichtet auf den Dis- tanz gebietenden Sockel und konfrontiert die Spaziergänger mit der klaren, abstrahierten Form des menschlichen Kopfes. Zusammenge- schweißte Stahlplatten ohne Binnengestaltung vermeiden jeglichen Eindruck von Individualität. Im Gegensatz zur Skulptur ‚Wagengrup- pe‘ seines Schülers Bruno K. (siehe 2) hat der ‚Kopf’ eine rostfarbene Oberfläche, die sich in die Natur-Umgebung harmonisch einfügt und zugleich Vergänglichkeit thematisiert. MICHAEL CROISSANT, geb. 1928 in Landau/Pfalz, bis 1934 aufgewach- sen in Berlin, dann in Wien, gest. 2002 in München. Steinmetzlehre in Kaiserslautern, Kunststudium in München. Ab 1953 freischaffen- der Künstler, von 1966 bis 1988 Professur an der Städelschule Frank- furt/Main. Er arbeitete vorwiegend mit Metall, bevorzugte reduzier- te (Hohl-)Formen, sein Hauptthema war die größtmögliche Redukti- on der menschlichen Figur. 5. ‚Wiehernder Hengst’ von Gerhard Marcks 1961 entstanden, 1974 in Gießen aufgestellt. Bronze auf Betonsockel. Gesamthöhe: 5,18 Meter. Der ‚Wiehernde Hengst’ ist ein Zweitguss für Gießen; zunächst war es eine Auftragsarbeit für Aachen, die Stadt des Pferdesports. Auf Wunsch des Künstlers wurde die Tierplastik 1974 vor dem Haupteingang des Philosophikum I aufgestellt, lange bevor die Idee des Kunstwegs gebo- ren war. ‚Das Pferd’ — so die gängige Kurzbezeichnung der Bronze- skulptur — weist trotz seines realitätsnahen Gesamteindrucks auch abstrahierte Details auf. Lebensgroß und auf einem hohen Pyramidal- sockel stehend, erlangt es monumentalen Charakter. Insgesamt ver- mittelt es den Eindruck von Standfestigkeit, Kraft und Dynamik. GERHARD MARCKS, geb. 1889 in Berlin, gest. 1981 in Burgbrohl/Eifel. Studium im Atelier von Richard Scheibe, Berlin. Lehraufträge u.a. am Bauhaus in Weimar und ab 1946 an der Landeskunstschule in Hamburg. Typisch ist seine abstrahierende Formensprache, die das Figürliche nicht leugnet. Fiel im Nationalsozialismus seine Kunst unter das Verdikt ‚entartet’, wurde Marcks in der Nachkriegszeit zu einem vielfach geehrten und bekannten Bildhauer. Für die Universität Gießen schuf er 1957/58 u.a. die Liebig-Plakette und das Universitätssiegel. Im Haupt- gebäude steht seit 1962 ein Abguss seiner ‚Orpheus’-Skulptur. 1958 wurde er zum Ehrensenator der Universität Gießen ernannt. 6. ‚Tor’ von Ulrich Rückriem Für Gießen gefertigt, 1984 aufgestellt. Südafrikanischer Granit. 2,67 x 2,20 x 0,78 Meter. Die Bezeichnung ‚Tor’ für Ulrich Rückriems monumentalen Steinblock ist irre- führend. Das ‚Tor’ ist kein Durchgang, es verstellt genau genommen den di- rekten Zugang zur Universitätsbibliothek. Der Naturstein wurde in mehrere Segmente zerschnitten und vor Ort wieder zusammengesetzt. Bohrlöcher und Schnittlinien bleiben als Arbeitsspuren sichtbar stehen. Dem Künstler geht es um unmittelbare Anschauung und sinnliche Wahrnehmung, weiter- gehende Interpretationen lehnt er ab. ULRICH RÜCKRIEM, geb. 1938 in Düsseldorf. Steinmetzlehre in Düren, Studium an der Kölner Werkkunstschule. Seit 1963 arbeitet er als freischaffender Künstler, ist beeinflusst von der Minimal Art (gemeinsames Atelier mit Blinky Palermo). Professuren in Hamburg (1975), Düsseldorf (1984) und Frankfurt/ Main (ab 1988). Zahlreiche Einzelaussstellungen und Skulpturen im öffentli- chen Raum; 1985 Arnold-Bode-Preis der documenta-Stadt Kassel, 1998 Pie- penbrock Preis für Skulptur, Berlin. Nach Jahren in Irland und der Normandie lebt der international renommierte Künstler heute in Köln. 7. ‚Marmor Nr. 126’ von Peter Knapp 1973 entstanden, 1984 in Gießen aufgestellt. Marmor auf Betonsockel. Gesamthöhe: 1,22 Meter. Im Eingangsbereich der Universitätsbibliothek steht eher unauffällig die Skulptur ‚Marmor Nr. 126’. Der ursprünglich querrechteckige Steinblock bleibt auch nach der künstlerischen Bearbeitung als solcher erkennbar, an den Seiten und vor allem im oberen Abschluss hat er einen sanft schwin- genden Umriss. Der flügelähnliche Abschluss folgt den Strukturen im weiß-grau geäderten Marmor. Die auf einem niedrigen Sockel stehende Skulptur ist auf Frontalansicht angelegt, sie bleibt durch ihre geringe Höhe überschaubar und lädt mit ihren gerundeten Kanten zum Berühren ein. PETER KNAPP, geb. 1939 in Frankfurt/Main, gest. 1978 in Limburg/Lahn. Nach einer Steinmetzlehre Bildhauer-Studium in Stuttgart bei Otto Baum und Rudolf Hoflehner. Sein Werkkonzept beruhte auf der klassischen Idee von Schönheit und Harmonie. 8. ‚Josefslegende’ von HAP Grieshaber 1970 entstanden, 1983 in Gießen aufgehängt. 36 blau eingefärbte Linolschnitte. Druckstöcke, je 1,15 x 1,43 Meter, Leserichtung von rechts nach links. Die Bilderfolge der ‚Josefslegende’ schuf HAP Grieshaber 1970 für eine Pfarrkirche in Stuttgart-Untertürkheim. Die dazu gehörigen Druckstöcke wurden — blau eingefärbt — 1983 im Treppenhaus der Universitätsbiblio- thek aufgehängt, jedoch ortsbedingt nicht in der Chronologie der alttes- tamentlichen Erzählung. Der Künstler hatte die Einzelszenen für Gießen neu angeordnet und darüber neue Konstellationen zwischen Vergangen- heit, Gegenwart und Zukunft geschaffen. Er starb während der Planungs- phase, die Realisierung des Konzepts übernahm die Malerin Gisela Stern- stein. HAP (Helmut Andreas Paul) GRIESHABER, geb. 1909 in Rot/Schwaben, gest. 1981 in Reutlingen. Schriftsetzerlehre in Reutlingen, Studium in Stuttgart, Professur in Karlsruhe 1955 bis 1960 (Nachfolge Erich Heckel). Arbeitete seit 1933 mit Schwerpunkt im Holzschnitt, wurde nach 1945 zu einem der bedeutendsten Vertreter der Linolschnittkunst. In Abkehr von der rein illustrativen Funktion der Grafik entwickelte er eigenständige, monumen- tale Wandbilder. 9. ‚Figur’ von Hans Steinbrenner 1986 in Gießen aufgestellt. Kalkstein auf Sockelplatte. Gesamthöhe: 2,10 Meter. Die ‚Figur’ von Hans Steinbrenner — am Weg neben der Universitäts- bibliothek — ist typisch für das Oeuvre des Bildhauers. Er baut Figu- ren aus einzelnen Blöcken in geometrischen Grundformen. Die je- weiligen Kuben springen vor und zurück, die Figur erhält dadurch Reliefcharakter. Im Gesamteindruck dominiert die Vertikale, das menschliche Maß ist über die Höhe vermittelt. Durch die Bearbeitung der Oberfläche per Hand, wird diese aufgeraut und erhält eine leb- hafte, beinahe organische Wirkung, die mit dem Lichteinfall chan- giert. HANS STEINBRENNER, geb. 1928 in Frankfurt/Main, Studium an der Werkkunstschule in Offenbach, in Frankfurt/Main (bei Hans Mettel) und München (bei Toni Stadler). 1974 Gastdozent an der Städelschule, Frankfurt/Main. Zahlreiche Einzelausstellungen und Werke im öf- fentlichen Raum u.a. im Garten des Städelmuseums. Der Maler und Bildhauer lebt und arbeitet in Frankfurt/Main. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 Philosophikum I Philosophikum II

Philosophikum I Philosophikum II

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Page 1: Philosophikum I Philosophikum II

1. ‚Mann im Turm‘ von Stephan Balkenhol

1992 entstanden und in Gießen aufgestellt. Holz. Gesamthöhe 7,50 Meter.

Am Anfang des Gießener Kunstwegs, auf dem Weg zur Mensa, im Phi-losophikum I steht der ‚Mann im Turm’ von Stephan Balkenhol. Die Skulptur ist aus einem Stamm herausgearbeitet, die groben Spuren des Holzbeitels lassen den Arbeitsprozess sichtbar werden, die Oberfl äche ist bemalt. Die 1,90 m hohe Skulptur steht auf einer Art Wachturm aus Stahl. Einsam und starr, mit eng angelegten Armen, blickt die Figur in die Ferne — Sinnbild für die Einsamkeit des Individuums und Ruhe-punkt im hektischen Getriebe des Universitätsalltags.

STEPHAN BALKENHOL, geb. 1957 in Fritzlar/Nordhessen. Studium bei Ulrich Rückriem in Hamburg (siehe 6: ‚Tor‘ — Steinskulptur am Eingang der Universitätsbibliothek). Balkenhol experimentierte zunächst auch mit Stein, wandte sich dann aber dem Material (Pappel-)Holz zu. Sein zentrales Thema ist die menschliche Figur, er gestaltet aber auch Tiere. Diverse Lehraufträge, seit 1992 Professur an der Hochschule für Bil-dende Künste in Karlsruhe. Er zählt zu den international renommierten deutschen Bildhauern.

2. ‚Wagengruppe’ von Bruno K.

1989 entstanden und in Gießen aufgestellt. Verzinkter Stahl.

Asphaltfl äche: 8 x 5,50 Meter.

Die ‚Wagengruppe’ von Bruno K. befi ndet sich im Philosophikum I direkt am Parkplatz. Dieser Ort ist nicht zufällig gewählt, er ist ein ironischer Kommen-tar zur Alltagssituation auf einem Parkplatz. Denn bereits zum Zeitpunkt der Aufstellung der Skulptur herrschte dort Parkplatzmangel. Das Thema Fortbe-wegung wird durch das starre und beständige Material konterkariert; drei Wagentypen aus verzinktem Stahl vermitteln über ihre Titel symbolische Be-deutung: ‚Königswagen’, ‚Walzer’ und ‚Schlitten’. Vermittelt über das Rad — eine der wichtigsten Erfi ndungen der Menschheit — wird Zeit dargestellt: ein Steinrad über Schlittenkufen, hölzerne Speichenräder verschiedener Größe, Walzenrollen und ein Gummischlauch.

BRUNO K., geb. 1957 in Hofheim/Taunus. Studium an der Hochschule für Gestaltung Offenbach und der Städelschule Frankfurt/Main, Meisterschüler von Michael Croissant (siehe 4: ‚Kopf‘-Skulptur). 1984 entsteht die erste Fahrzeugskulptur. Künstlerische Position zwischen Abstraktion und neuer Gegenständlichkeit. Ab 1990 Lehraufträge an der Kunstakademie München. Bruno K. lebt heute in Volxheim bei Bad Kreuznach.

3. ‚Räderwerk Nord’ von Vincenzo Baviera

1986 entstanden, 1990 in Gießen aufgestellt. Stahl auf Beton.

Ausmaße: 3 x 11 x 3,30 Meter.

Gießen war der fünfte Aufstellungsort des ‚Räderwerk Nord’ von Vincenzo Baviera; der erste war in Norddeutschland, worauf der Name Bezug nimmt. Ursprünglich für den Innenraum vorgesehen, wurde bei der Aufstellung in Gießen bewusst Bezug genommen auf eine Gebäudenische am Philoso-phikum I. Das ‚Räderwerk’ aus Stahl ist ohne Funktion, aber bewegbar. Jedes Rad hat einen Durchmesser von 2,50 Meter und kann einzeln gedreht werden, allerdings nur durch tatkräftiges Handanlegen. Ein Kunstwerk also, das erst im aktiven Kontakt mit dem Betrachter seine volle Wirkung entfaltet — übrigens auch akustisch.

VINCENZO BAVIERA, geb. 1945 in Zürich. Dort zunächst Studium der Archi-tektur, dann Studium der Sozialpsychologie und Ethnologie. 1985 bis 1987 Professur an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach, 1991 bis 1995 Lehrauftrag an der Technischen Hochschule Zürich, 1997 Artist in Residence auf Guernsey/Großbritannien.

4. ‚Kopf’ von Michael Croissant

1986 entstanden und in Gießen aufgestellt. Eisen auf Stein.

Höhe ca. 2 Meter.

Die etwa zwei Meter hohe Metallskulptur ‚Kopf’ von Michael Crois-sant steht direkt am Wegrand. Der Künstler verzichtet auf den Dis-tanz gebietenden Sockel und konfrontiert die Spaziergänger mit der klaren, abstrahierten Form des menschlichen Kopfes. Zusammenge-schweißte Stahlplatten ohne Binnengestaltung vermeiden jeglichen Eindruck von Individualität. Im Gegensatz zur Skulptur ‚Wagengrup-pe‘ seines Schülers Bruno K. (siehe 2) hat der ‚Kopf’ eine rostfarbene Oberfl äche, die sich in die Natur-Umgebung harmonisch einfügt und zugleich Vergänglichkeit thematisiert.

MICHAEL CROISSANT, geb. 1928 in Landau/Pfalz, bis 1934 aufgewach-sen in Berlin, dann in Wien, gest. 2002 in München. Steinmetzlehre in Kaiserslautern, Kunststudium in München. Ab 1953 freischaffen-der Künstler, von 1966 bis 1988 Professur an der Städelschule Frank-furt/Main. Er arbeitete vorwiegend mit Metall, bevorzugte reduzier-te (Hohl-)Formen, sein Hauptthema war die größtmögliche Redukti-on der menschlichen Figur.

5. ‚Wiehernder Hengst’ von Gerhard Marcks

1961 entstanden, 1974 in Gießen aufgestellt. Bronze auf Betonsockel.

Gesamthöhe: 5,18 Meter.

Der ‚Wiehernde Hengst’ ist ein Zweitguss für Gießen; zunächst war es eine Auftragsarbeit für Aachen, die Stadt des Pferdesports. Auf Wunsch des Künstlers wurde die Tierplastik 1974 vor dem Haupteingang des Philosophikum I aufgestellt, lange bevor die Idee des Kunstwegs gebo-ren war. ‚Das Pferd’ — so die gängige Kurzbezeichnung der Bronze-skulptur — weist trotz seines realitätsnahen Gesamteindrucks auch abstrahierte Details auf. Lebensgroß und auf einem hohen Pyramidal-sockel stehend, erlangt es monumentalen Charakter. Insgesamt ver-mittelt es den Eindruck von Standfestigkeit, Kraft und Dynamik.

GERHARD MARCKS, geb. 1889 in Berlin, gest. 1981 in Burgbrohl/Eifel. Studium im Atelier von Richard Scheibe, Berlin. Lehraufträge u.a. am Bauhaus in Weimar und ab 1946 an der Landeskunstschule in Hamburg. Typisch ist seine abstrahierende Formensprache, die das Figürliche nicht leugnet. Fiel im Nationalsozialismus seine Kunst unter das Verdikt ‚entartet’, wurde Marcks in der Nachkriegszeit zu einem vielfach geehrten und bekannten Bildhauer. Für die Universität Gießen schuf er 1957/58 u.a. die Liebig-Plakette und das Universitätssiegel. Im Haupt-gebäude steht seit 1962 ein Abguss seiner ‚Orpheus’-Skulptur. 1958 wurde er zum Ehrensenator der Universität Gießen ernannt.

6. ‚Tor’ von Ulrich Rückriem

Für Gießen gefertigt, 1984 aufgestellt.

Südafrikanischer Granit. 2,67 x 2,20 x 0,78 Meter.

Die Bezeichnung ‚Tor’ für Ulrich Rückriems monumentalen Steinblock ist irre-führend. Das ‚Tor’ ist kein Durchgang, es verstellt genau genommen den di-rekten Zugang zur Universitätsbibliothek. Der Naturstein wurde in mehrere Segmente zerschnitten und vor Ort wieder zusammengesetzt. Bohrlöcher und Schnittlinien bleiben als Arbeitsspuren sichtbar stehen. Dem Künstler geht es um unmittelbare Anschauung und sinnliche Wahrnehmung, weiter-gehende Interpretationen lehnt er ab.

ULRICH RÜCKRIEM, geb. 1938 in Düsseldorf. Steinmetzlehre in Düren, Studium an der Kölner Werkkunstschule. Seit 1963 arbeitet er als freischaffender Künstler, ist beeinfl usst von der Minimal Art (gemeinsames Atelier mit Blinky Palermo). Professuren in Hamburg (1975), Düsseldorf (1984) und Frankfurt/Main (ab 1988). Zahlreiche Einzelaussstellungen und Skulpturen im öffentli-chen Raum; 1985 Arnold-Bode-Preis der documenta-Stadt Kassel, 1998 Pie-penbrock Preis für Skulptur, Berlin. Nach Jahren in Irland und der Normandie lebt der international renommierte Künstler heute in Köln.

7. ‚Marmor Nr. 126’ von Peter Knapp

1973 entstanden, 1984 in Gießen aufgestellt. Marmor auf Betonsockel.

Gesamthöhe: 1,22 Meter.

Im Eingangsbereich der Universitätsbibliothek steht eher unauffällig die Skulptur ‚Marmor Nr. 126’. Der ursprünglich querrechteckige Steinblock bleibt auch nach der künstlerischen Bearbeitung als solcher erkennbar, an den Seiten und vor allem im oberen Abschluss hat er einen sanft schwin-genden Umriss. Der fl ügelähnliche Abschluss folgt den Strukturen im weiß-grau geäderten Marmor. Die auf einem niedrigen Sockel stehende Skulptur ist auf Frontalansicht angelegt, sie bleibt durch ihre geringe Höhe überschaubar und lädt mit ihren gerundeten Kanten zum Berühren ein.

PETER KNAPP, geb. 1939 in Frankfurt/Main, gest. 1978 in Limburg/Lahn. Nach einer Steinmetzlehre Bildhauer-Studium in Stuttgart bei Otto Baum und Rudolf Hofl ehner. Sein Werkkonzept beruhte auf der klassischen Idee von Schönheit und Harmonie.

8. ‚Josefslegende’ von HAP Grieshaber

1970 entstanden, 1983 in Gießen aufgehängt. 36 blau eingefärbte Linolschnitte.

Druckstöcke, je 1,15 x 1,43 Meter, Leserichtung von rechts nach links.

Die Bilderfolge der ‚Josefslegende’ schuf HAP Grieshaber 1970 für eine Pfarrkirche in Stuttgart-Untertürkheim. Die dazu gehörigen Druckstöcke wurden — blau eingefärbt — 1983 im Treppenhaus der Universitätsbiblio-thek aufgehängt, jedoch ortsbedingt nicht in der Chronologie der alttes-tamentlichen Erzählung. Der Künstler hatte die Einzelszenen für Gießen neu angeordnet und darüber neue Konstellationen zwischen Vergangen-heit, Gegenwart und Zukunft geschaffen. Er starb während der Planungs-phase, die Realisierung des Konzepts übernahm die Malerin Gisela Stern-stein.

HAP (Helmut Andreas Paul) GRIESHABER, geb. 1909 in Rot/Schwaben, gest. 1981 in Reutlingen. Schriftsetzerlehre in Reutlingen, Studium in Stuttgart, Professur in Karlsruhe 1955 bis 1960 (Nachfolge Erich Heckel). Arbeitete seit 1933 mit Schwerpunkt im Holzschnitt, wurde nach 1945 zu einem der bedeutendsten Vertreter der Linolschnittkunst. In Abkehr von der rein illustrativen Funktion der Grafi k entwickelte er eigenständige, monumen-tale Wandbilder.

9. ‚Figur’ von Hans Steinbrenner

1986 in Gießen aufgestellt. Kalkstein auf Sockelplatte.

Gesamthöhe: 2,10 Meter.

Die ‚Figur’ von Hans Steinbrenner — am Weg neben der Universitäts-bibliothek — ist typisch für das Oeuvre des Bildhauers. Er baut Figu-ren aus einzelnen Blöcken in geometrischen Grundformen. Die je-weiligen Kuben springen vor und zurück, die Figur erhält dadurch Reliefcharakter. Im Gesamteindruck dominiert die Vertikale, das menschliche Maß ist über die Höhe vermittelt. Durch die Bearbeitung der Oberfl äche per Hand, wird diese aufgeraut und erhält eine leb-hafte, beinahe organische Wirkung, die mit dem Lichteinfall chan-giert.

HANS STEINBRENNER, geb. 1928 in Frankfurt/Main, Studium an der Werkkunstschule in Offenbach, in Frankfurt/Main (bei Hans Mettel) und München (bei Toni Stadler). 1974 Gastdozent an der Städelschule, Frankfurt/Main. Zahlreiche Einzelausstellungen und Werke im öf-fentlichen Raum u.a. im Garten des Städelmuseums. Der Maler und Bildhauer lebt und arbeitet in Frankfurt/Main.

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Philosophikum I

Philosophikum II

Page 2: Philosophikum I Philosophikum II

10. ‚Erhöhte Abstufung’ von Claus Bury

1996 entstanden und in Gießen aufgestellt.

Corten-Stahl. 5,50 x 4,60 x 2,00 Meter.

Die ‚Erhöhte Abstufung’ von Claus Bury markiert das Ende des Kunst-wegs im Bereich des Philosophikum I. Zugleich verweist sie durch ihre Aufstellung auf einer kleinen Anhöhe auf die gegenüberliegen-de Straßenseite, wo das Areal des Philosophikum II beginnt. Burys architektonische Skulpturen entstehen immer mit Bezug zur Topo-graphie und Geschichte des Aufstellungsorts, so auch in Gießen. Die längsrechteckige Ausrichtung der Skulptur entspricht dem Gelände-verlauf. Die gestufte Krone ist lesbar als Sinnbild für das Aufstreben im Leben. Zwei Bänke im Inneren laden zum Ausruhen ein — real und im übertragenen Sinn.

CLAUS BURY, geb. 1946 in Meerholz/Gelnhausen. Goldschmiede-Aus-bildung in Hanau, Studium an der Werkkunstschule in Pforzheim. Diverse Auslandsaufenthalte, Stipendien und Preise; 1986/87 Lehr-auftrag an der Universität Gießen, 1997 bis 2002 Professur für Archi-tektur an der Gesamthochschule Wuppertal, seit 2003 Professur für Bildhauerei an der Kunst akademie Nürnberg. Seine architektoni-schen Skulpturen entstehen häufi g aus Holz, sind begehbar, aber nicht funktional. Er baut imaginäre Welten mit Scheintüren und blind endenden Treppen. Wichtig ist ihm die Maßstäblichkeit, der Sinn für Proportionen, der im Städtebau häufi g verloren geht.

11. ‚Objekt Gießen’ von Per Kirkeby

1996 in Gießen aufgebaut. Roter Ziegelstein. 7 x 5 x 6 Meter.

An vielen Orten stehen Backsteinskulpturen des dänischen Künstlers Per Kir-keby. Seine ‚Huset’ sind mehr Architekturen denn Skulpturen, ihr Aufbau besteht aus einem mäandrierenden Band auf quadratischem Grundriss. Auch das ‚Objekt Gießen’ ähnelt einem frei stehenden Tor mit mehreren Durchgängen, die jedoch funktionslos sind. Auf dem Hauptweg von der Bus-haltestelle zu den Gebäuden des Philosophikum II aufgestellt, markiert es eine Eingangssituation.

PER KIRKEBY, geb. 1938 in Kopenhagen. International renommierter Maler, Plastiker und Filmemacher. Nahm als Doktor der Geologie 1962 ein Kunststu-dium an der „Eksperimenterende Kunstskole“ in Kopenhagen auf. In den späten 60er Jahren gehörte er zum Kreis um Joseph Beuys, war beteiligt an internationalen Fluxus-Aktionen. 1973 entstand seine erste Backsteinskulp-tur. Professuren in Karlsruhe (1978) und Frankfurt/Main (1989-2003).

12. ‚Stein zur Meditation’ von Karl Prantl

1982 in Gießen gearbeitet. Granit. 2,20 x 3,20 x 0,50 Meter.

Der ‚Stein zur Meditation’ von Karl Prantl gehört zu den unauffälli-gen Beiträgen zum Gießener Kunstweg, aber dennoch hat er 1982 den Anstoß zum Kunstweg gegeben. Er ist abseits des Weges unter einem Baum platziert, der fl ache Steinblock ist längst von Laub und Moos bedeckt. Die künstlerische Bearbeitung ist vor allem auf der oberen Fläche sichtbar, die durch regelmäßig verteilte, abgerundete und polierte Erhöhungen und Vertiefungen gekennzeichnet ist, in denen sich das Licht bricht.

KARL PRANTL, geb. 1923 in Pöttsching/Burgenland. Studium in Wien. Mit großem Respekt vor dem natürlichen Material lässt er einen Teil unbehandelt, bei dem anderen Teil arbeitet er häufi g erstaunliche Wirkungen heraus. Initiierte Bildhauer-Symposien, engagiert sich in der Rechnitzer GedenkInitiative (REFUGIUS) für das Zwangsarbeiter-Mahnmal Kreuzstadl.

13. ‚Säule mit Kugel’ von Ernst Hermanns

1977 entstanden, 1985 in Gießen aufgestellt. Polierter Edelstahl.

Zylinderhöhe 2,55 Meter, Kugeldurchmesser 0,60 Meter.

Die ‚Säule mit Kugel’ steht direkt am Weg vor der Cafeteria im Philosophi-kum II. Das hell glänzende Metall fällt ins Auge, ebenso die ungewöhnliche Kombination eines in den Boden eingelassenen Zylinders mit einer schein-bar davor schwebenden Kugel. Die Wahrnehmung der Skulptur variiert mit dem Standort der Betrachter. Sie zeigt den still gelegten Moment einer Bewegung — eigentlich müsste die Kugel fallen — und thematisiert darü-ber Zeit und Ewigkeit.

ERNST HERMANNS geb. 1914 in Münster, gest. 2000 in München. Studium in Aachen und Düsseldorf, Kriegsdienst. 1948 Mitbegründer der Gruppe ‚jun-ger westen’ in Recklinghausen. Seit 1964 Beschäftigung mit stereometri-schen Formen wie Scheibe, Stange, Kugel, Variationen in ihrer räumlichen Beziehung. 1976 bis 1980 Professur am Institut für Kunsterzieher in Müns-ter, Zweigstelle der Kunstakademie Düsseldorf. Seit den 80er Jahren Groß-plastiken im Freien. Lebte ab 1967 in München.

14. ‚Die Marken’ von Norbert Radermacher

2004 in Gießen eingelassen. 16 Bronzeplaketten.

Je 9 Zentimeter Durchmesser.

Auf dem Platz vor dem Audimax im Philosophikum II sind in lockerer Ver-teilung die 16 runden Plaketten von Norbert Radermacher eingelassen, von ihm ‚Die Marken’ genannt. Hervorstechendes Merkmal ist ihre Unauf-fälligkeit, man muss bewusst nach ihnen Ausschau halten. Das Wörtchen ‚Mut’ ist darauf in verschiedenen Kombinationen lesbar: Groß- und Klein-mut, Wage- und Hochmut, Demut und Unmut.

NORBERT RADERMACHER, geb. 1953 in Aachen. Studium an der Kunstakade-mie in Düsseldorf. Kreiert seit 1980 situationsbezogene Skulpturen im städtischen Raum, die gekennzeichnet sind von sparsam verwendeten Materialien. 1991 Gastprofessur in München, ab 1992 Professur in Kassel. Lebt und arbeitet in Berlin.

15. ‚Religiöse Figur’ von Karl Bobek

1967 entstanden, 1989 in Gießen aufgestellt. Bronzefi gur auf Steinsockel.

Höhe Figur: 2,05 Meter.

Die ‚Religiöse Figur’ entstand als Studie für eine Marienskulptur im Kloster Nemi/Italien. Trotz reduzierter Form ist die menschliche Figur sichtbar, auch der typische S-Schwung ist erhalten. Die aufgerissene Oberfl äche themati-siert den Körper und seine Vergänglichkeit, zugleich tragen die Lichtrefl exi-onen zur ‚Verlebendigung’ der ansonsten statuarischen Gestalt bei. Die De-mut signalisierende Haltung setzt einen ruhigen Schlussakzent am Ende des Kunstwegs im Philosophikum II.

KARL BOBEK, geb. 1925 in Berlin, gest. 1992 in Maroth/Lahn. Studium der Bild-hauerei an der Hochschule für Bildende Künste Berlin (1949-1955), Meister-schüler von Renée Sintenis. Ab 1954 Kunstunterricht in Berlin, 1963 bis 1972 Professur in Düsseldorf, 1987 Mitglied der Akademie der Künste Berlin. Zieht sich 1972 nach Maroth zurück.

Der Kunstweg

Der Gießener Kunstweg im PhilosophikumWege zur Kunst im Schiffenberger Tal

Der Kunstweg, der vom Philosophikum I zum Philosophikum II führt, ist eine Besonderheit der Universität Gießen. Er verbindet 15 Kunstwerke, die meisten davon sind Skulpturen im Außen-raum. Die gezielte Planung des Kunstwegs geschah ab 1982 auf der Basis des „Sonderbaufonds zur künstlerischen Ausgestaltung und Ausstattung von Gebäuden des Landes Hessen“. Die Gelder für die Präsentation von Kunst im öffentlichen Raum wurden ge-bündelt, anstatt sie auf die diversen Gebäude zu verteilen. Idee und Konzept verdanken sich dem damals (1979-1986) in Gießen lehrenden Kunsthistoriker Prof. Dr. Gottfried Boehm, der einige der Künstler auch im Rahmen des Projekts „Seminar und Atelier“ nach Gießen holte. In den Kunstweg integriert wurden der „Wie-hernde Hengst“ von Gerhard Marcks, der bereits 1974 auf dem Platz vor dem Haupteingang des PhilosophikumI aufgestellt wor-den war, und zwei Werke im Innenraum der Universitätsbiblio-thek: ‚Marmor Nr. 126‘ von Peter Knapp im Eingangsbereich und die Druckstöcke der ‚Josefslegende‘ von HAP Grieshaber im Trep-penhaus der UB. Das letzte Kunstwerk, ‚Die Marken‘ von Norbert Rademacher, wurde 2004 auf dem Platz vor dem Eingang zum Audimax im Philosophikum II verlegt. Der Gießener Kunstweg versteht sich als Experimentierfeld, auf dem unterschiedliche Skulptur-Auffassungen der letzten Jahrzehnte erfahrbar gemacht werden.

Literatur: Der Gießener Kunstweg, Gießener Beiträge zur Kunstge-schichte Band IX, 1994, hrsg.v. Norbert Werner, zu bestellen beim Institut für Kunstgeschichte (Otto-Behaghel-Straße 19, Haus G, 35394 Gießen, Telefon: 0641 99-28281)

Führungen: Kunsthistorische Führungen können bei der Tourist-Information Gießen gebucht werden. ([email protected], Telefon: 0641 9751160)

Impressum: Herausgegeben vom Präsidenten der Justus-Liebig-Universität Gießen • Redaktion: Christel Lauterbach, Pressestelle der Universität, Ludwigstraße 23, 35390 Gießen • Text: Dagmar Klein • Fotos: Karl-Heinz Brunk (8), Rolf Wegst (9), Franz Möller (2), Edith Mohr (1) • Gestaltung: Wolfgang Polkowski.

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Philosophikum II

Philosophikum I