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319 VII I. Photogrnphische Spectralbeo bachtungen im rothen und indiden .Neere; won H e r m a n n M". Y'ogel. vor einem Jahre publicirte ich einige Beobachtungen uber die Schwankungen in der chemischen Wirkung des Sonnenspectrums auf Bromsilber (Berichte der Deutschen Chem. Gesellsch. 1874, S. 88). Ich erkannte damals, dafs unter sonst gleichen oder scheinbar gleichen Umstanden die Wirkung des Sonnenspectrums auf Rromsilberplattm sehr stark variirt, dafs sie bald mehr oder weniger weit nach Violett oder Ultraviolett sich erstreckt und dafs die Intensitat der Wirlrung der einzelnen Farben zu verschie- dcnen Zeiten Sufserst verschieden ist, ohne dafs eine ge- setzmSCsige Abhangigkeit dieser Variationen vom Baro- meterstand, vorn Dunstdruck and von der Sonnenhbhe nacti- gcwiesen werden konnte. Diese Beobachtungen weiseii auf eine aufserordentlich wechselnde Durchsichtigkeit der Luft fur die rerschiede- nen Spectralfarben hin und die nahere Erforschung dieser Thatsache schien mir wichtig genug, urn sie zu einer Hauptaufgabe bei meiner Reise nach den Nicobaren, als Mitglied der englischen Sonnenfinsternil'sexpedition , zu machen. Ich fertigte mir zu diesem Zweck einen compendiasen photographischen Spectralapparat, den ich der Kurze hal- ber Spectrograph nennen will, der auch Beobachtungen auf sch wankendem Schiffe gestattet. Derselbe ist eine Combination von Taschenspectroskop uad Camera , wie ich sie in dies'en Annalen Bd. 154, S. 306 beschrieben habe; nur zeigt die Camera, die ich fur dieeen Zweck construiren liefs, einige Eigenthiimlichkeiten, die ihre An- wendung erheblich erleichtern und erweitern. Sie besteht atis Holz, ist 17 Ctm. lang, 13 Ctm. breit und 10 Ctm. hoch und bildet einen Kasten ohne Auszug,

Photographische Spectralbeobachtungen im rothen und indischen Meere

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VII I. Photogrnphische Spectralbeo bachtungen im rothen und i n d i d e n .Neere;

won H e r m a n n M". Y'ogel.

v o r einem Jahre publicirte ich einige Beobachtungen uber die Schwankungen in der chemischen Wirkung des Sonnenspectrums auf Bromsilber (Berichte der Deutschen Chem. Gesellsch. 1874, S. 88). Ich erkannte damals, dafs unter sonst gleichen oder scheinbar gleichen Umstanden die Wirkung des Sonnenspectrums auf Rromsilberplattm sehr stark variirt, dafs sie bald mehr oder weniger weit nach Violett oder Ultraviolett sich erstreckt und dafs die Intensitat der Wirlrung der einzelnen Farben zu verschie- dcnen Zeiten Sufserst verschieden ist, ohne dafs eine ge- setzmSCsige Abhangigkeit dieser Variationen vom Baro- meterstand, vorn Dunstdruck and von der Sonnenhbhe nacti- gcwiesen werden konnte.

Diese Beobachtungen weiseii auf eine aufserordentlich wechselnde Durchsichtigkeit der Luft fur die rerschiede- nen Spectralfarben hin und die nahere Erforschung dieser Thatsache schien mir wichtig genug, urn sie zu einer Hauptaufgabe bei meiner Reise nach den Nicobaren, als Mitglied der englischen Sonnenfinsternil'sexpedition , zu machen.

Ich fertigte mir zu diesem Zweck einen compendiasen photographischen Spectralapparat, den ich der Kurze hal- ber Spectrograph nennen will, der auch Beobachtungen auf sch wankendem Schiffe gestattet. Derselbe ist eine Combination von Taschenspectroskop uad Camera , wie ich sie in dies'en Annalen Bd. 154, S. 306 beschrieben habe; nur zeigt die Camera, die ich fur dieeen Zweck construiren liefs, einige Eigenthiimlichkeiten, die ihre An- wendung erheblich erleichtern und erweitern.

Sie besteht atis Holz, ist 17 Ctm. lang, 13 Ctm. breit und 10 Ctm. hoch und bildet einen Kasten ohne Auszug,

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der hinten eine matte Scheibe triigt, die mit Cassette ver- tausaht werden kann. Der Vordertheil der Camera be-

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steht aiis einer beweglichen Jalousie R, die innerhalb der Coulisse nf 11)' Iaiuft und in der Mitte eiu Brettchen tragt, in welches das Spectroskop eingeschraubt ist. Die Axe desselben liegt 2 Ctm. unterhalb der Axe der Camera, da die Strahlen unsymmetrisch austreten.

Die Jalousie erlaubt das Spectroskop seitlich zu ver- schieben und man ist dadurch im Stande, auf einer klei- nen Platte von 11 x 8 Ctm. fiinf Spectren nach einander aufzunehmen, falls man den Spalt nicht zu lang nimmt.

In dieser Weise konnte ich taglich mit Anwendung einer einzigen Platte fiinf Beobachtungen machen. Der Spalt des Instruments liegt der Richtung der Jalousiebe- wegung parallel und ist nicht parallelrandig, sondern keil- formig. Dadurch wird ein Spectrum erzeugt, welches an der einen Langseite dunkel, an der anderen hell ist. An der hellen Langseite beginnt natiirlich die photographische Wirkung zuerst und schreitet um so weiter nach der an- deren, in der Richtung der Spectrallinien fort, je kraftiger die chemische Intensitat der betreffenden Farbe ist ').

Man kann demnach aus der Ausdehnung der Wirkung einer bestimmten Farbe einen Schluls a d deren chemische Intensitat machen.

1 ) Dss Instrument, welches sich trefflich bew%hrte, wurde YOU den Herren 8 c h mid t 11. Ha e n s e h in Berlin angefertigt.

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Zu den Beobachtungen auf der Reise benutzte ich Bromsilberplatten , die mit Naphtalinroth gefarbt waren (1 Tropfen gessttigte Naphtalinrothlosung auf 10 Cubctm. Bromcollodion von der Zusammensetzung, wie sie in die- sen Annalen Bd. 153, s. 220, Anmerkung angegeben ist). Diese Bromsilberplatten wurden fur die Reise in Berlin im voraus hergestellt durch Collodioniren son Glas, Sen- sibilisiren irn Silberbade (a. a. O.), Waschen und Trock- nen; sie zeigten eine betriichtliche Empfindlichkeit fur Ultraviolett, Violett bis Hellblau und fur Gelb, eine er- heblich schwiichere fiir Grun, eine sehr schwache far Roth.

Geeigneter fur den Zweck waren Platten gewesen, die fur alle Spectrumfarben gleiche Empfindlichkeit gezeigt hatten, solche herzustellen gelang mir vorlaufig noch nicht und war die Zeit zur Reisevorbereitung viel zu kurz und das Wetter seit Monden viel zu schlecht, um dahin zielende Versuche noch machen zu konnen.

Ich nahm daher die beschriebenen Platten, als das Beste mir zur Disposition stehende. Ueber die Schwan- kungen im Roth konnten dieselben selbstverstandlich keine Auskunft geben.

Die Platten wurden in Packeten von 6 Stiick liiftdicht verpackt und 6 Cassetten mitgenommen, um darin den In- halt eines in den Abendstunden neu geoffneten Packets unteriubringen.

Die Entwickelung der Platten geschah Abends in der Kabine uber dem Waschbecken auf alkalischem Wege (Annalen Bd. 153, S. 221). Ein ganz' kleiner Vorrath Chemikalien, der gemeinschaftlich mit Camera einen Kasten von 1; Cubikfufs Inhalt bildet, reichte fur die ganze Reise aus.

Die Beobachtung geschah sehr einfach. Ich Netzte mich in der am wenigsten schwankenden Mitte des Schiffes in die Sonne, nahm das Instrument auf den Schoofs und kehrte es so gegen die Sonne, dafs das

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Spectroskop keinen oder ringsum gleichviel Schatten warf. So wurde stets 1 Minute exponirt und zwar:

h. 7, h. 9 oder 10 a. m h. 0, h. 2 oder 3 und 5 p. ni. Hintretende Wolken maohten zuweilen eine Aendrrnng

der Beobachtungszeiten nothig. Doch wurden solche in miiglichst gleichen Zeitahstanden vom Mittag gewahlt, um die Wirkiing in gleicher Sonnenhbhe Vor- nnd Nach- mittng zu beohachten. Die Ortsverlindernng des Schiffrs veranlafste natiirlich Zeitfehler, die nach den taglichm Sonnenbeobachtungen der Schiffsofficiere in Rechniing ge- zogen wurden.

Meine Reobachtungen begannen schon im Mittelmeer am 23. Februar, bei 37n n. Br. und erstreckten sich his vor Point de Galle, Ceylon, 6 O 49' n. Br. am 13. Mlisz. Die Sonnenhohen in den correspondirenden Reobachtungs- zeiten wiichsen daher in ganz betrachtlichem Grade und hHtte sich dieses auch in der chemischen Intensitat d t r aufgenommenen Spectrumbilder zeigen miissen. Nach B u n s e n und R o s c o e nimmt die chemische Intensitat dcs directen Sonnenlichtes zu mit der Sonnenhohe und ab init wachsendem Barometerstande. Dieses gilt jedoch nur ftir volllrommen klaren Himmel , ffir einen idealen Wetterzn- stand, wie er thatsachlich nur selten existirt; in der Regel ist der Himmel theilweis bewolkt oder mit zartem Cirrus, zuweilen auch niir mit einem diinnen Schleier von Dunst- blaschen iiberzogen , die die Durchsichtigkeit der Atmo- sphare sehr modificiren und dadurch auch die Intensitat des Sonnenlichts. So hatte ich nur im rothen Meere mehrere viillig wblkenfreie heitere Tage, von diesen war jedoch nur einer vollkommen klar z u nennen, an den an- deren zeigten sich Diinstschichten am Horizont, die das Licht der Sonne sichtbar schwachten. A n dem heitersten Tage, dem 3. Marz 1875, zeigte sich denn auch die che- mische Wirkung des Sonnenlichts am grofsten, im indi- schen Ocean jedoch nahm die Tf ibung der Atmospbare mit dem Vorriicken nach Ceylon fortwahrend zu, obgleich das Wetter nach gewijhnlichem Sprachgebrancb schon

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blieb. Die geringe Lixftdurchsichtigkeit zeigte sich auch in sehr auffalleiidem Grade bei Nacht, wo trotz scheinbar klarem Himmel die Sterne vie1 matter glanzten, als in Deutschland und in Folge dessen offenbarte sich iin indi- schen Ocean trotz der grofseren Sonnenhohe eine geringere chemische Wirknng, als in nijrdlichen Breiten.

\Vie erheblich die Einwirkung einer gaiiz zarten Schicht von DunstblSischen ist, xeigen zwei Beobachtun- gen im adriatischen und indischen Meere, erstere am 23. Fe- bruar unter 37O n. Br. und 40,56O Sonnenhijhe und die andere am 1. Marz unter 27O 42’ n. Br. und 49,78O Son- nenhohe, erstere bei vijllig klarer Luf’t, knrz vor Regen- wetter , letztere nnter einer ganz diinnen Dunsthiille , die die hlme Farhe des Himmels kaum Bnderte.

Trotx der betriiiohtlichen Diffcrenz in der Sonnenhohe war die chemische Wirkung in beiden Fdlen gleich.

Dagegen zeigte sich die mit wachsender Sonnenhohe steigende chemische Wirkung bei nllen Beobachtungen desselben Tages, falls dns Wetter constmt blieb.

Friih 7 Ulir zeigte sich gewijhnlich eine Wirkung im Iudigo und Blau, am kr%ftigsten bei G, nach F und H hin nbnthmend und in der Regel vor F und H verschwindend. Daneben zeigte sich stets eine sehr merkliche Gelbwirkung, am kraftigsten iu D, sehr schnell in Orange abnehmend, langsam nach E in Griin hin. Eine Wirkung dcr ultra- violetten Strahlen konnte um diese fruhe Stunde zwischen Brindisi und Ceylon nicht wahrgenommen werden. Nur am 2. Marz (rotlies Meer 24O 3’ n. Br.), dem heitersten Tage der Reise und am 9. &Drz (im indischen Meer 1 l 0 5’ n. Br.) trat eine Wirkung bis H” deutlich hervor. Mit vorruckender Tagcsstunde vermehrte sich die In- tensitat im Indigo ganz betrachtlich, in geringerem Grade im Griin und Gelb. Zngleich traten die ultravioletten Strahlen in Wirkung, um Mittags erreichte die Wir- kung an alleii Stellen die hochste Intensitat. Nachmittags nahm die Wirkung in demselben Maarse wieder ab. In gleichen Abstanden von Mittag war die chemische Inten-

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sitat in der Regel die gleiche, wenigstens in den Stunden von 9 bis 3 Uhr.

Dagegen zeigte sich in der chemischen Wirkung 5 Uhr Nachmittags fast immer ein Unterschied von der chemi- schen Wirkung 7 Uhr Morgeiis, die jedoch keineswegs zu Gunsten der allgeinein verbreiteten Meinung sprach, d d s das Nwhtnittagslicht photogrsphisch schleohter wirke, als das Vorrnittagslicht.

Dies(. Meinung mag begriiiidet seyn in der Atmosphiirc der Stiidte, wo durch die mit dem Vorrucken des Tages sich verinehrenden gelblichen Rauch- und Staubmassen in der That die Durchsichtigkeit der Luft fur ,,chemische‘ Strahlen abnehmen mufs. Auf dem Meere, wo diese Ein- fluuse riiclit vorhanden sind, zeigte sich an manuhen Ta- gen im Gelb wie im Blau Nachmittags 5 Uhr eine krsfti- gere chemische Wirkung als Vormittags 7 Uhr.

So z. B. am 3. Miirz iind 5. Miirz im rothen Meere und am 9. und 11. Miirz irn indischen Meere. Am 5. MGrz war die Wirkung im Blau und Indigo u m 7 Uhr Mor- gens = 0, urn 5 Uhr Nachmittags dagegen iiufs‘scrst krattig. Am 4. M&rz war die Wirkung Vor- und Nach- mittags gleich, am 2. Marz uberwog die Wirkung Vor- mittags 7 Uhr die Nachmittags um 5 Uhr betrachtlich.

Sehr merkwiirdig war die chernische Lichtintensitat am 5. Mgrz (Br. 13” 32’ N.) bci wolkenfreiem Himmel, a n diesern Tage war die chemische Wirkung des Gelb eine hochst energische den ganzen Tag iiber, sie uberstieg weit die Wirkung des Blau und Violett, friih Morgens 7 Uhr in dem Grade, daB Blau uberhaupt gar keine Wirkung zeigte. An diesem Tage war demnach die Durchsichtigkeit der Lnft fir Gelb sehr bedeutend, die fur Blau und Violett sehr gering, letztere besserte sich erst in den Nachmittags- stunden.

Dagegen zeigte sich am 2. Marz im rothen Meere bei vollkommen klarer Luft eine grolse Durchsichtigkeit fur alle sichtbaren Strahlen des Spectrums. I m Allgemeinen zeigte sicb, dafs die Wirkung des Griin mit der Wirkung

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des Violett und Ultraviolett parallel geht, steigt die eine, 90 steigt auch die andere.

Gleichzeitige Beobachtungen des Barometers und Psy- chrometers liefsen eine Abhangigkeit der wechselnden chemischen Intensitat des Sonnenlichtes vom Luft- und Dunstdruck nicht erkennen. Nicht das Wasser im Gas- zustande, sondern das Wasser in Form von Blaschendampf iibt den grijfsten Einflufs auf die Durchsichtigkeit der Atmosphare aus, selbst wenn die Blascben nicht zu Wol- ken zusamrnengeballt sind und sind diese Einfliisse irn Stande, den Einflufs der Sonnenhohe erheblich zu modi- ficiren.

Z u einer Bestimmung der chemischen Intensitat des von Himmel und Wolken reflectirten Lichts war mein Apparat nicht geeignet. Es ist bekannt, dafs cter mit einer leichten weifsen Wolkendecke umzogene Himmel bedeutend rnehr chemisch wirksames Licht reflectirt , als der rein blaue, daher wird die durch einen leichten Wol- kenschleier verminderte Intensitat des directen Sonnen- lichts wieder ausgeglichen durch die vermehrte Intensitat des reflectirten Himrnels -Lichts.

B e r l i n im Juli 1875.

des Lichts IX. Spectroskopische Untersuchun,g der blauen Grotte auf Capri;

won H. W. V o g e l .

B e i meiner jiingsten Anwesenheit auf Capri, anfangs Juni 1875, hatte ich Gelegenheit, das Licht der bertihm- ten blauen Grotte optisch zu untersuchen.

Diese Grotte, eine geraumige , mit Seewasser gefiillte Felsenhijhle, steht nur durch einen niedrigen, circa 4 brei- ten und hohen Eingang, der sich jedoch tief unter dem