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Einstieg in die Piezoaktorik Thermographie eines dynamisch betriebenen Piezostapels

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Einstieg in die Piezoaktorik

Thermographie eines dynamisch betriebenen Piezostapels

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© Alle Fotos und Illustrationen, Produktbeschreibungen und Texte sind geistiges Eigentum der Piezomechanik Dr. Lutz Pickelmann GmbH.Weiterverwendungen und Vervielfältigungen durch Dritte bedürfen der ausdrücklichen Genehmigung.Alle Rechte vorbehalten.

Die vorliegende „Einführung in die Piezoaktorik“ soll als Orientierungshilfe für Neueinsteiger in diegenannte Thematik dienen.

Zur Vertiefung des Stoffes wird auf weiterführende Firmenschriften bzw. gängige Fachliteratur verwiesen.

Auch wenn sich die vorliegende Schrift ausschließlich mit sog. Piezostapelaktoren befasst, so sinddiverse Gesichtspunkte auch für andere Piezoaktor-Prinzipien relevant.

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1. ■ Piezoaktoren: ein Überblick 7

1.1 Einige Spielregeln 7

1.2 Charakterisierung von Piezoaktoren 9

Stellwege - Hübe - Kräfte - Steifigkeit - Dynamik - Designvorteile

1.3 Bauformen 11

2. ■ Stapelaufbau 12

2.1 Der piezomechanische Effekt 12

2.2 Hochvolt-/Niedervoltaktoren: ein Vergleich 12

2.3 Die Stapelkonfektionierung 14

2.4 Ringaktoren und Piezorohre: ein Vergleich 15

2.5 Ringstapel und Massivstapel: ein Vergleich 16

2.6 Vorteile der Stapelaktoren von PIEZOMECHANIK 17

3. ■ Positionieranwendungen 19

3.1 Die Stellweg-Spannungs-Charakteristik 19

3.2 Präzisionspositionierung mit Piezoaktoren 21

3.3 Erzielbare Positioniergenauigkeiten 22

4. ■ Kräfte und Wege 23

4.1 Jenseits einfacher Positionieraufgaben 23

4.2 Beispiele für Kraft-/Weg-Verläufe 24

4.3 Der Piezoaktor als aktive Feder 25

4.4 Auswahl eines geeigneten Piezoaktors 25

4.5 Experimentelle Bestimmung der Blockierkraft eines Aktors 27

4.6 Steifigkeit 29

4.7 Kraftgrenzen, Belastbarkeiten 31

4.8 Dynamischer Betrieb 31

4.9 Mechanische Vorspannung 32

Inhalt

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Inhalt

5. ■ Dynamischer Betrieb von Piezoaktoren 35

5.1 Definitionen 35

5.2 Kurzzeitdynamik 36

5.3 Dynamischer Dauerbetrieb von Piezoaktoren 37

5.4 Typische Betriebsfrequenzen 38

5.5 Resonanzen 40

6. ■ Erweiterte Aktorfunktionen: Optionen 42

6.1 Wärmemanagement „Thermostable“ 42

6.2 Temperaturmessungen 43

6.3 Tieftemperatureinsatz 43

6.4 Positionssensorik 44

6.5 Sonstiges 45

Erhöhte mechanische Vorspannung - Vakuumbetrieb - Rotierende Systeme -

Nichtmagnetische Ausführung - Sonstige Sondermaterialien

7. ■ Betriebshinweise 46

7.1 Grundsätzliches zur Aktorzuverlässigkeit 46

7.2 Funktionsprüfung von Aktoren 47

7.3 Faustregeln im Umgang mit Piezoaktoren 48

7.4 Handhabung und Betrieb 49

Mechanische Aspekte - Elektrische Aspekte - Thermische Aspekte

7.5 Klebungen - Kontaktierung - Chemie 54

7.6 Sonstiges 56

Umwelteinflüsse - Vakuumbetrieb - Edelgase, Wasserstoff - Strahlungsresistenz -

Weltraumeinsatz - Ex-Bereich

8. ■ Eigenschaften von Piezokeramiken 57

Spannungs-/Weg-Diagramme, Hysterese - Piezokeramische Daten -

Temperatureffekte - Sonderkeramiken (Elektrostriktion, Ultraschall)

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Inhalt

9. ■ Elektrische Ansteuerungen 62

9.1 Elektrische Ansteuerung und piezomechanische Reaktion 62

Verstärkerrauschen - Spitzenströme - Dauerströme - Energie-/Leistungsbilanzen,

Verlustleistung - Unipolarer/semi-bipolarer/bipolarer Betrieb

9.2 Alternative Ansteuerphilosophien: Stromsteuerung versus Spannungssteuerung 66

9.3 Piezoverstärker: Funktionen 68

10. ■ Grundzüge der Aktorauswahl 69

11. ■ Neue Anwendungstrends 70

11.1 Piezoaktoren in der Prüftechnik 70

11.2 Motion Control 72

11.3 Erzeugung elektrischer Energie 73

Sensorik - Energiegewinnung - Piezotransformatoren

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Begrifflichkeiten

Aktor, AktuatorEngl.: actuator Allgemein: Antrieb, vorzugsweise elektro-mechani-scher Linearantrieb mit begrenzter Reichweite,Synonym mit „Motor“.„Motor“ wird umgangssprachlich allerdings eher miteiner rotierenden Bewegung assoziiert, bzw. unbe-grenztem Aktionsbereich.

Funktionswerkstoffe, aktive Werkstoffe,Engl.: smart materialsMaterial, Werkstoff mit zusätzlichen, meist steuer-baren Eigenschaften jenseits klassischer Stoff-parameter.Feststoff-, Festkörper-Effekte: Temperaturinduzier teFormänderungen, Formgedächtnis-Materialen, feldinduzierte Deformationen bei Piezomateralien,magnetostriktive Legierungen.Flüssigkeitseffekte: elektro-/magneto-rheologischeSubstanzen.

FestkörperaktorEngl.: solid state actuator, solid state drive, all solidstate actuator Antrieb, der die induzierte Deformation eines Fest-stoffs ausnützt. Im Gegensatz zu steuerbarenFlüssigkeiten oder Polymergelen.

PiezoaktorEngl.: piezo actuator, piezo-electric actuator, piezotransducerFestkörperaktor, der den inversen piezoelektrischen(= piezomechanischen) Effekt ausnützt.Synonyme: Piezo-Aktuator, -Translator, -Antrieb,Linearaktor.

Piezo-StapelaktorEngl.: piezo-stackPiezoaktor in geschichteter Stapelbauform undAusnützen der feldinduzierten Längenänderung desStapels. Im Gegensatz zu Piezo-Biegewandlern(Unimorphen, Bimorphen, Multimorphen) und Piezo-Scherwandlern.

PiezomechanikEngl.: piezo-mechanicsÜberbegriff für Antriebskonzepte und -Anordnun-gen, die den inversen piezoelektrischen Effekt fürAntriebszwecke nützen (im Gegensatz zum piezo-elektrischen Generator-Effekt).

Intelligente StrukturenEngl.: smart structuresMechanische Anordnungen unter Verwendung vonFunktionswerkstoffen.

AdaptronikEngl.: adaptronicsWeite Überschneidung mit dem Begriff „Mecha-tronik“, beschäftigt sich allgemein mit Anwendungvon Funktionswerkstoffen, um das Strukturverhaltenvon mechanischen Konstruktionen regeltechnischzu beeinflussen und zu verbessern.

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Stand derPiezo-Multilayer-Technik

PIEZOMECHANIK 7

Piezoaktoren: ein Überblick1

Abb. 1.1: Schematische Wirkungsweise eines piezomechani-schen Systems: Umsetzung eines elektrischen Ansteuer-signals in eine entsprechende mechanische Bewegung:Dehnung des Piezostapels.

Piezoaktoren basieren auf einem speziellen elektro-aktiven Funktionswerkstoff: der Piezokeramik, meist auf der Basis von PZT: Pb (Blei), Zr (Zirkon), Ti (Titan)-Mischoxiden

1.1 Einige Spielregeln

Piezostapelaktoren sind kompakte elektromechanische Festkörper-Antriebe, die alsaxiale Druck- und Stellelemente mit potentiell hohem Arbeitsdruck bzw. hoherLeistung wirken. Hauptanwendungen von Piezostapelaktoren werden vorzugsweise zur Kontrollevon technischen Vorgängen mit höchster Präzision hinsichtlich Position,Kraftentwicklung und Timing eingesetzt.

Die Bewegung bzw. Kraftentwicklung folgt praktisch verzögerungsfrei (µ-sec-Bereich) einer vorgegebenen elektrischen Ansteuergröße (meist Spannung, aberauch Strom, Ladung) von stationär bis zu höchster Dynamik.

Piezoaktoren können daher u.a. hervorragend zur Kontrolle schneller Vorgängeund Prozesse eingesetzt und mit anderweitigen schnellen technischen Abläufenextrem zeitgenau synchronisiert werden.

Die Antriebscharakteristik von Piezoaktorenist ungewöhnlich:

● Kleine Stellwege

● Hohe Kraftwirkung

● Hohe mechanische Belastbarkeit

● Hohe Steifigkeit

● Hohe Dynamik

Bas

is

Piezostapel

Mechanik

Elektronik

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● Die Lebensdauer eines Piezoaktors kann nicht am isolierten Bauelement nach irgendeinerStandardprozedur allgemeinverbindlich ermitteltwerden. Da viele Eigenschaften und Betriebs-parameter von Piezoaktoren miteinander wech-selwirken, hängt die Lebensdauer von Piezo-aktoren von der individuellen Betriebsweise in dereinzelnen Anwendung ab (Belastungskollektiv).Bei hohen Ansprüchen an die Betriebzuverlässig-keit sind entsprechende Evaluierungen unter rea-len Betriebsbedingungen notwendig. Änderungender Betriebsweisen können bei einem bisherfunktionierenden piezoaktorischen System einekomplette Neubewertung der Zuverlässigkeitnötig machen.

8 PIEZOMECHANIK

1.1 Einige Spielregeln

Häufiges Missverständnis:Es wird gerne übersehen, dass es allein ausphysikalischen Gründen nicht möglich ist, allein den Datenblättern angegebenen Betriebs-parameter gleichzeitig zu maximieren.

Beispiele: ● Der maximale Stellweg und die maximale

Krafterzeugung können definitionsgemäßnicht gleichzeitig erzeugt werden, sondernnur entweder - oder.

● Die Angabe der Resonanzfrequenz ist als Hinweis aufzufassen. Die tatsächlichenBetriebsfrequenzen sind aus verschiedenenGründen bei den meisten Anwendungen sehrviel kleiner zu halten!

Entscheidungshilfen für den Anwender● Prüfen Sie, ob Piezostapelaktoren ein Allein-

stellungsmerkmal für Ihre technische Problem-lösung bieten. Sollten andere Technologien (z.B.magnetische Aktorsysteme) Lösungsalternativenbieten, so scheiden Piezostapelaktoren erfah-rungs gemäß aus Kostengründen aus. Berück-sichtigen Sie bei der Abschätzung des Gesamt-aufwands auch die elektrische Ansteuerung derAktoren.

● Analysieren Sie vorab Ihre Anwendung möglichst genau hinsichtlich der Anforderungen an denAntrieb. Konstruieren Sie Ihre Mechanik „piezo-gerecht“. Nur so können die spezifizierten Aktor-leistungen verlustfrei durch das angekoppeltemechanische System umgesetzt werden beigleichzeitig ausreichend hoher Lebensdauer undZuverlässigkeit. Das „Aufpeppen“ bereits existie-render Konstruktionen durch schlichtes Ersetzeneines bisher verwendeten klassischen Antriebsdurch „innovative“ Piezoantriebe ist „misserfolgs-geneigt“.

● Den Allzweck-Piezoaktor gibt es zumindest hin-sichtlich anspruchsvollerer Anwendungen nicht.Piezoaktoren weisen immer gewisse Speziali-sierungen auf, die nicht unbedingt unmittelbaraus den Datenblättern der einzelnen Herstellerhervorgehen. Piezoaktoren verschiedenerHersteller können deshalb nicht unbesehengegeneinander getauscht werden.

● Die angegebenen Betriebsparameter der Piezo-aktoren werden unter bestimmten messtechni-schen Einsatzbedingungen ermittelt. Bei deutlichabweichenden Betriebsweisen können Aktorenein geändertes Verhalten zeigen.

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Abb. 1.2 zeigt einen PZT-Festkörperaktor in Formeines Stapels von elektrisch kontaktierten Keramik-einzelschichten. Beim Anlegen einer elektrischenSpannung wird in der Keramik ein elektrisches Felderzeugt, das zu einer Dehnung des Stapels (L)führt. Die mechanische Kopplung erfolgt über dieEndflächen (A).

Der maximale Stellweg eines Aktors ist proportionalzur Baulänge L: Die erzielbaren (sinnvollen)Maximaldehnungen betragen ca. 1 – 1,5 ‰ derStapellänge L. Ein Aktor mit 50 mm Länge erzeugteinen maximalen Stellweg von ca. 50 – 70 µm.

Belastbarkeit und Kraftentwicklung eines Aktor-stapels hängen von der Querschnittsfläche A ab.Die typischen Grenzwerte liegen dabei im Bereichvon ca. 7 – 8 kN/cm² (70 – 80 MPc).

Das mechanische Arbeitsvermögen (Kraft x Weg)eines Aktorstapels ist proportional zum Keramik-volumen A x L.

Abb. 1.2: Piezostapel aus individuell kontaktierten Piezo-scheiben, Funktionsparameter: aktive Länge L, aktiveQuerschnittsfläche A.

A

L

Stellwege - Hübe - Kräfte - Steifigkeit - Dynamik - Designvorteile

PIEZOMECHANIK 9

1.2 Charakterisierung von Piezoaktoren

A

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10 PIEZOMECHANIK

1.2 Charakterisierung von Piezoaktoren

Dynamik (abhängig auch von Ansteuerung)● Verzögerungsfreie Reaktion ● Extreme Dynamik (Beschleunigungsvermögen)● Extreme mechanische Spitzenleistungen

Designvorteile von Piezostapelaktoren● Anwendbar unter exotischen Betriebsbedingungen

(Vakuum, Tieftemperatur, Strahlung, Magnetfelder)● Kompakte Bauweise ● Hohe Energiedichte auch bei Miniaturisierung

(MEMS, NEMS)● Energieumsatz nur bei Bewegung● Im DC-Betrieb keine Stand-by-Energie nötig

Spezifische Eigenschaften

Stellweg, HübePraktisch unbegrenzte Einstellempfindlichkeit (bis Picometer-Bereich nachgewiesen).

Kräfte● Hohe Druckbelastbarkeit, hohe statische Tragkraft● Hohe Druckerzeugung, Kraftentwicklung

(KiloNewton)● Überlagerung von hoher statischer Grundlast und

dynamischer Kraftmodulation● Hohe mechanische Steifigkeit (Festkörper)

Schwerpunkt der Aktoranwendungen

Stellweg, HübeStapelbaulängen 2 – 100 mm => Hübe von einigenMikrometern bis ca. 100 µm

KräfteKleine bis mittlere Querschnitte (bis 10x10 mm2),vorzugsweise Niedervoltaktoren=> Kraftpegel bis zu einigen 1.000 Newton.

Dynamik (abhängig von Aktordimensionen)Nicht-resonante Schwingungen mit maximalerAktordehnung: < 1 kHz Nicht-resonante Schwingungen mit reduzierterAktordehnung: < 10 kHz

Grenzwertige Aktorleistungen(z.T. sehr aufwendig, Preisfrage)

Stellwege, HübeNiedervoltaktoren mit Querschnitten bis 25x25 mm2

Hochvolt-Hochlaststapel mit > 600 mm Länge,Stellwege bis 1 mm = 1.000 µm

KräfteAktoren in Hochvolttechnologie mit großen Querschnitten bis ca. 70 mm mit Blockierkräften bis> 100 kN.

DynamikPulsbetrieb: Mechanische Anstiegszeiten ca. 10 µsec z.B. bei StoßgeneratorenBeschleunigung: bis > 100.000 m/sec2 bei Stoß-erzeugung

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Abb. 1.3: Diverse Bauformen von Hochvolt- und Niedervoltstapeln, Ausführung als Massivstapel bzw. Ringaktoren

PIEZOMECHANIK 11

1.3 Bauformen

Niedervoltaktor: cofired-multilayer-actuator CMA = „monolithisch“ gesinterte Aktorstapel und Chips:Keine Klebung! Typische Spannungsbereiche bis 200 V, meist rechteckige Querschnitte.

Hochvoltaktor: diskrete Fügetechnik (Klebung) aus Halbzeug (Piezoscheiben),typischer Spannungsbereich 500 V bis 1.000 V, meist zylindrische Ausführung.

Ringaktor: Hohlzylinder in Stapelbauweise (in NV- und HV-Technologie verfügbar).

Hochvolt- und Niedervoltaktoren unterscheiden sichnicht in ihrer piezomechanischen Effizienz (Deh-nungen, Kräfte, Dynamik, Auflösungsvermögen etc.)

Niedervoltaktoren werden bei kleineren Aktorquer -schnitten (1 mm2 bis ca. 14 x14 mm2) eingesetzt(Abb. 1.3: B).

Größere Aktorquerschnitte werden in Hochvolt-technik realisiert (Abb. 1.3: A, C).

Ringaktoren (Piezostapel mit Durchgangsbohrung)bieten gegenüber Massivstapeln erweiterte Design-und Konstruktionsmöglichkeiten der anzutreibendenMechanik (Abb. 1.3: C, D, E).

Ringaktoren sind in der Fertigung deutlich auf-wendiger und teurer als Massivstapel.

A B C D E

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Ein Piezostapelaktor ist ein Vielschicht-Keramikkondensator, dessen Abmessungensich bei elektrischer Aufladung verändern. Für Antriebszwecke wird die axialeDehnung genutzt.

Die mechanische Reaktion (Weg, Kraft) hängt dabeivon der angelegten elektrischen Feldstärke ab (bisca. 2 kV/mm). Um mit gängigen Spannungspegelnim Bereich 100 V bis ca. 1.000 V diese Feldstärken

in der Keramik zu erreichen, muss die Dicke dereinzelnen Keramikscheiben im Stapel entsprechendangepasst werden, z.B. 0,5 mm bei einem 1.000 V-Hochvoltaktor.

Es werden zwei grundlegend verschiedene Tech-niken zur Herstellung von Vielschicht-Piezostapelneingesetzt:

● Niedervoltaktoren mit Spannungsbereichen bis ca. 200 V auf der Basis sog. „Cofired“ = „mono-lithischen“ Fügetechnik (CMA Ceramic MultilayerActuator). Der Stapelbau erfolgt mit weicher, un-gebrannter Keramik. Die gesamte Stapelstrukturinkl. Metallelektroden wird anschließend bei sehrhohen Temperaturen (typ. 1.000 °C) gesintert.Die internen Flächenelektroden sind extrem dünn(< 1 µm).

● Hochvoltaktoren für Spannungsbereiche 500 V bis 1.000 V basieren auf der Verklebung von fertiggesinterten piezokeramischen Scheiben und ein-gelegten Flächenelektroden. Hochvoltaktorensind also nicht „PZT-monolithisch“, sondern stel-len eine Art Verbundwerkstoff dar.

Abb. 2.1: Typischer Hochvoltstack (schwarz),Niedervoltstack (grün)Computermaus, USB-Stick zum Größenvergleich.

12 PIEZOMECHANIK

2.1 Der piezomechanische Effekt

Stapelaufbau 2

2.2 Hochvolt-/Niedervoltaktoren: ein Vergleich

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2.2 Hochvolt-/Niedervoltaktoren: ein Vergleich

Hochvoltaktor Niedervoltaktor

Vorteilhafte Nutzung große Querschnitte typ. > 15 mm kleine bis mittlere Aktorsonderbau in kleinen bis Aktorquerschnittemittleren Stückzahlen Hohe Stückzahlen

Einzelschichtdicke der Keramik bis 0,5 mm < 0,1 mm

Fügetechnik Verklebung diskreter Einzel- Fügen des Aktorstapels im scheiben aus PZT-Keramik ungebrannten, weichen

Zustand der PZT-Keramik,Hochtemperatursinterungdes kompletten Stapels(keine Klebung!)

Max. Betriebsspannung Umax 500 V - 1.000 V 150 V – 200 V

Max. Betriebsfeldstärke (typ.) gleich für HV- und NV-Aktoren: typ. 2 kV/mm

Typ. Kapazität/cm³ Aktorvolumen ca. 100 nFarad ca. 2.5 µFarad

Elastizitätsmodul bei HV-Aktoren ohne Vorspannung „Cofired“ NV-Aktoren können deutlich geringer als bei der bis 90% der theoretischen Keramik Keramikwerte erreichen.

bei hoher Vorspannung der HV-Aktoren: ähnlich hohe Werte wie NV-Aktoren

Erzielbare Maximaldehnungen gleich für HV- und NV-Aktoren (ca. 1 – 1,5‰ der Stapellänge)

Druckbelastbarkeiten gleich für HV- und NV-Aktoren

Krafterzeugung gleich für HV-und NV-Aktoren(HV-Aktoren müssen vorgespannt sein)

Erzielbare Positioniergenauigkeiten gleich für HV- und NV-Aktoren

Max. Energiedichten gleich für HV- und NV-Aktoren(materialabhängig) elektrische Energieaufnahme typ. bis 0.3 Wsec/cm3

PIEZOMECHANIK 13

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Das Augenmerk des Laien richtet sich bzgl. derFunktionalität von Piezoaktoren meist nur auf dieverwendete Piezokeramik. Dabei sind für diepraktische Aktorperformance und -zuverlässigkeitauch andere Dinge äußerst wichtig: Die Füge- und Verbindungstechniken für denStapel aufbau, die Art der Elektrodierung, dieIsolations technik zur Trennung gegenpoligerFlächen- und Versorgungselektroden und die Ober -flächenisolierung. Insbesondere im dynamischenBetrieb mit gleichzeitig hohen mechanischen undelektrischen Belastungen dieser Struktur kompo -nenten können sich sehr deutliche Unter schiede inder Zuverlässigkeit zwischen verschiedenenAktorkonzepten ergeben.

Abb. 2.2: Schema: Piezostackin einem vorgespanntenGehäuse

Piezostapel aus unterschiedlichen Lieferquellenkönnen sich nicht nur durch die verwendeten Piezo-materialien unterscheiden, sondern auch in derKonfektionierung/Ausführung von Schicht- undStapelstruktur. Die Eignung für eine spezielleAnwendung kann dadurch sehr unterschiedlichausfallen und muss durch einschlägige Vorversucheabgeklärt werden. PIEZOMECHANIK bietet ins-besondere neben allgemeintauglichen Standard-aktoren für niedrige und mittlere Dynamik auchSondersysteme für hoch- und höchstdynamischeAnwendungen mit speziell hierfür entwickeltenKonfektionierungsverfahren an.

Piezokeramikstapel werden oft in weiterenAusbaustufen in Metallgehäusen mit integriertermechanischer Vorspannung gefasst (Abb. 2.2).Optionell können weitere Funktionen wieinternes Wärmemanagement, Positionssensoriketc. implementiert werden (=> Kap. 6, Optionen).

14 PIEZOMECHANIK

2.3 Die Stapelkonfektionierung

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Einfache Rohrabschnitte aus Piezokeramik könnenu.a. auch als einfache axial wirkende Stellgliederverwendet werden (Abb. 2.3, A). Die Innen- undAußenseite des Rohrabschnitts ist metallisiert. DieWandstärke eines Keramikrohres kann schlichtwegaus Stabilitätsgründen nicht beliebig klein gemachtwerden (meist ≥ 0,5 mm). Piezorohre erfordern da-her höhere Betriebsspannungen. Piezorohre nutzeneinen etwas anderen Piezoeffekt als Piezostapel:Sie kontrahieren bei polungsrichtiger Ansteuerungund weisen nur einen ca. halb so großen Dehnungs-effekt auf wie die expansiven Piezostapel.

Piezostapelaktoren können auch in Form einesHohlzylinders aufgebaut werden und stellen damiteine wesentlich effizientere Alternative zueinfachen Piezorohren dar (Abb. 2.3, B).

Piezoringaktoren wurden vor längerer Zeit vonPIEZOMECHANIK erstmalig am Markt eingeführt,um neue konstruktive Lösungsansätze in derAntriebstechnik bzgl. mechanischer, elektrischer,optischer und sonstiger Durchführungen in derSystemachse zu ermöglichen.

Abb. 2.3: Piezorohr A, Piezoringaktor B.

Wesentliche Vorteile der Ringaktoren gegen-über Piezorohren sind:● Dimensionierung der Wandstärke unabhängig

von Ansteuerspannung● Wesentlich größere Dehnungen, daher sehr

kompakte Anordnungen möglich● Niedervolttypen erhältlich

A B

PIEZOMECHANIK 15

2.4 Ringaktoren und Piezorohre: ein Vergleich

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Ringaktoren weisen technische Vorteile im Vergleichzu Massivstapeln auf:

● Bei gleichem piezokeramischem Materialaufwand (damit gleicher elektrischer Kapazität) ergibt sichfür eine Ringstruktur naturgemäß ein größererDurchmesser als für den Massivstapel und damiteine entsprechend höhere Biegesteifigkeit.Insbesondere bei großen Stapellängen muss derAktordurchmesser aus Gründen der Biege-stabilität ausreichend groß dimensioniert sein.Bei Massivstapeln würde damit nur wegen dernötigen Stapelstabilität die Aktorkapazität deut-lich ansteigen und damit der ansteuertechnischeAufwand, ohne letztlich antriebstechnisch einenNutzen damit zu erzielen (Fehlanpassung).

Abb. 2.4: Ring(stapel)aktor versus Massivstapel

● Im hochdynamischen Betrieb von Piezoaktoren entsteht Verlustwärme. Eine zu große Temperatur-erhöhung wirkt sich negativ auf die Betriebs-eigenschaften der Aktoren aus. Ringaktoren können über die Innen- und Außen-fläche Wärme wesentlich effektiver aus derKeramik abführen. Außerdem sind die Diffusions-wege der Wärme aus dem Keramikinneren an dieAktoroberflächen kurz. Unter dem Aspekt desWärmemanagements können daher wesentlichhöhere Leistungsdichten und Betriebsfrequenzenrealisiert werden, (=> Kap. 5.3) als mit massivenStapeln.

Ringaktoren sind in der Fertigung deutlich auf-wendiger und teurer als Massivstapel.

16 PIEZOMECHANIK

2.5 Ringstapel und Massivstapel: ein Vergleich

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Alle mechanischen Strukturkomponenten vonPiezoaktoren werden je nach Anwendung bei Hand-habung, Montage und Betrieb u.U. hohen mecha-nischen Belastungen ausgesetzt.

Sensible Bereiche sind:● inhomogene mechanische Spannungen in der

Piezokeramik mit potentieller Rissbildung.

● elektrische und mechanische Überlastung der Versorgungselektroden im oszillatorischenLeistungsbetrieb.

Abb. 2.6: on-stack-Isolierung (osi)

100%Flächenelektrode

PZT-Schichten

Isolierung

Versorgungselektrode

PIEZOMECHANIK 17

2.6 Vorteile der Stapelaktoren von PIEZOMECHANIK

● Isolation der FlächenelektrodenDie zentrale Frage bei allen Stapelungskonzeptenist die Isolation der Flächenelektroden von dengegenpoligen Versorgungselektroden (seitlicheLeiterbahnen auf der Aktoroberfläche). Je nach Elektrodenführung bildet sich lokal einsehr inhomogenes elektrisches Feld innerhalb derPiezokeramik aus und damit ein hoher mechani-scher Materialstress.Dies kann auf Dauer zur Rissbildung in derKeramik führen mit nachfolgendem elektrischemDurchbruch: Kurzschluss des Aktors.

PIEZOMECHANIK setzt folgende zwei Elektro-dierungskonzepte ein:

● on-stack-Isolierung (osi)-Ausführung (Abb. 2.6)bei Hochvoltaktoren PSt/HPSt 500/1000 bei Niedervoltstapeln der Reihen (H)PSt 150

Die Isolationsstrecke zwischen gegenpoligenFlächen- und Versorgungselektroden liegt außerhalbdes Keramikstapels, die Aktorschichten sind zu100% vollflächig kontaktiert: => Maximale piezomechanische Effizienz durch

Aktivierung des gesamten Aktorvolumens (keine inaktiven Zonen).Dadurch deutlich höhere Steifigkeiten und Blockierkräfte als beim isi-Konzept

=> Homogener elektrischer Feldverlauf.=> Keine lokale Stresskonzentration.Polungsrisse wie beim isi-Verfahren treten nicht auf;(wo keine Risse sind, braucht man auch kein Riss-management, s.u.).Die Rissfreiheit führt zu einer hohen mechanischenRobustheit der Keramikstruktur z.B. gegenüberBiegekräften.

Das osi-Prinzip ist anwendbar auf Piezokeramikenmit niedriger und mittlerer Curietemperatur.

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18 PIEZOMECHANIK

2.6 Vorteile der Stapelaktoren von PIEZOMECHANIK

Abb. 2.7: in-stack-Isolierung (isi)

interneFlächen-elektrode

Isolationsstrecke

Versorgungs-elektrode

● Hochschwingungsfeste ElektrodenDie seitlich am Aktorstapel geführten Versorgungs-elektroden sind allen Dehnungs- und Beschleu-nigungsvorgängen des Aktorbetriebs ausgesetzt.Bei hochdynamischen Anwendungen mit großenLadeströmen ist neben einer hohen mechanischenWechsellastfestigkeit auch eine hohe Stromtrag-fähigkeit nötig, um verlustfrei die elektrischeAnregungsleistung in den Aktor einzubringen.

● in-stack-Isolierung (isi-Ausführung) Aktoren der Reihe PSt-HD 200flache Piezochips PSt 150

Bei dieser klassischen Isolationstechnik liegenschmale Isolationsstrecken wechselseitig innerhalbdes Aktorstapels zwischen Flächenelektrode undgegenpoliger Versorgungselektrode. (Abb. 2.7).Im Bereich der Isolationsstrecke wird das elektri-sche Feld stark verzerrt und damit wird wiederumlokal hoher mechanischer Stress in der umgeben-den Piezokeramik konzentriert.Diese Situation wird konstruktiv etwas entschärft: Durch gezieltes Einbringen von Kerben in dieStapel oberfläche wird der Randbereich etwas „flexi-bilisiert“. Durch die Kerbwirkung sind isi-Aktorenaber deutlich empfindlicher gegenüber „robuster“Behandlung als osi-Aktoren (insbesondere gegen -über Biegekräften!).Isi-Aktoren werden deshalb vorzugsweise hoch vor-gespannt betrieben. Die inaktiven Anteile der Quer-schnittsfläche reduzieren entsprechend die piezo-mechanische Stapelperformance im Vergleich zumosi-Konzept. Dies ist insbesondere bei kleinerenAktorquerschnitten relevant.

Das isi-Prinzip ist auf alle Arten von Piezokeramikanwendbar.

PIEZOMECHANIK verfügt über einschlägigesKnow How bzgl. des hochdynamischen Ein-satzes nicht-resonanter Piezoaktoren, umüber geeignete Kontaktierungstechnikenhohe Aktorleistungen bei großer Betriebs -zuverlässigkeit zu gewährleisten.

+

-

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Dieses Kapitel behandelt die Anwendung von Stapelaktoren für hochgenauePositionierungen, d.h. der Piezoaktor soll eine Komponente sehr präzise auf einebestimmte Position verschieben.Entsprechende Piezomechaniken weisen dabei meist eine Besonderheit auf:durch die Piezoaktion ändert sich die Kraftbilanz im System praktisch nicht.

Piezoaktoren werden sehr häufig über die angelegteSpannung kontrolliert, z.B. bei quasistatischen Vor -gängen und Positionieraufgaben. Größere Stellwegelassen sich in sog. piezohybriden Systemen durchÜbersetzungstechniken (z.B. mechanische Hebel,Hydraulik) erzielen. Übersetzungsfaktoren von n =10sind mit erträglichem Aufwand machbar.

Es ist zu beachten● die Blockierkraft sinkt auf 1/n● die Systemsteifigkeit sinkt auch bei idealer

Funktionsweise der Übersetzungsmechanik auf1/n² der Aktorsteifigkeit.

Abb. 3.1: Schema eines Spannungs-/Weg-Diagramms bei zykli-schem Durchlaufen des Spannungsbereichs Umin – Umax – Umin .

PIEZOMECHANIK 19

Positionieranwendungen 3

Piezostapelaktoren dehnen sich aus, wenn sie mitder angegebenen Polarität elektrisch aufgeladenwerden, bzw. kontrahieren entsprechend bei Ent -ladung. Die erzielbaren maximalen Dehnungen liegentypisch im Bereich 1 – 1,5 ‰ der Aktor baulänge.

Der Piezoaktor folgt dabei verzögerungsfrei undohne Phasenverschiebung der angelegten Signal-vorgabe, solange die Ladezeit ausreichend lang ist im Vergleich zur Eigenschwingungsdauer desAntriebssystems. Alle Überlegungen zum elek -trischen Betrieb von Piezoaktoren basieren dann aufdem Kondensator-Ersatzschaltbild.

3.1 Die Stellweg-/Spannungs-Charakteristik

Korreliert man die Ansteuerspannung des Aktors mitseiner Ausdehnung über einen Lade-/Entladezyklusinnerhalb eines bestimmten Spannungsbereichs, soergibt sich die bekannte Hysteresekurve (Abb. 3.1).

Hinweis: Die üblichen Spannungs-/Weg-Diagramme sindkeine hochaufgelösten Kalibrierkurven und werdendiesbezüglich oft überinterpretiert:

● Die genaue Kurvenform hängt deutlich vom applizierten Spannungshub ab. Für sehr kleineSpannungshübe ergibt sich z.B. eine Lineari-sierung der Aktorresponse (Gross-Signalverhaltenversus Klein-Signalverhalten).

● Bei Spannungssteuerung ergibt sich eine einiger-maßen reproduzierbare Hysteresekurve erst als Gleichgewichtsfall nach Durchlaufen vielerSpannungszyklen unter konstanten Rand-bedingungen bzgl. Temperatur, Kräften, etc. Bei Änderung der Randbedingungen stellt sichein neues Geleichgewicht wiederum erst nachdiversen Zyklen ein.

� l

Umin Umax

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Abb. 3.2: Feld von Aktorpositionen bei einer zufallsgenerierterFolge von Spannungswerten im Betriebsspannungsbereichdes Aktors Umin/Umax

An Versuchen, das open-loop-Positionierverhaltenvon Piezoaktoren zu linearisieren, hat es nichtgefehlt.

Untersucht wurden:A, Korrekturalgorithmen bei der Signalerzeugung,

die das ferroelektrische Verhalten der Piezo- keramik kompensieren sollen.

B, Verwendung sogenannter elektrostriktiver Keramik (=> Kap. 8).

C,Ladungs- oder Stromkontrolle der Piezoaktion (=> Kap. 9.2).

Die beschriebenen Verfahren verbessern dasPositionierverhalten um ca. eine Größenordnung mitNichtlinearitäten/Hysteresen im Bereich 1%. WederA noch B haben wegen des Aufwands und dereingeschränkten Betriebsbedingungen praktischeRelevanz. Die Ladungs-/Stromkontrolle gemäß C,findet zunehmend Anwendung im Bereich MotionControl, wo Ultrapräzision nicht notwendig ist,sondern andere anwendungsspezifische Gesichts -punkte im Vordergrund stehen (=> Kap. 9.2).

● Die genaue Form der Hysteresekurve hängt von der Zyklusdauer ab, mit der sie aufgenommenwird. Die Hysterese ist um so ausgeprägter, jelangsamer der Messzyklus abläuft. Ursache istdie Überlagerung der momentanen Stellwegs-reaktion des Aktors mit zusätzlichen zeitabhängi-gen elektrischen Nachpolungsvorgängen in derPiezokeramik. Letztere sind auch die Ursachevon Kriecheffekten und Driften.

● Erfolgt die open-loop-Aktorsteuerung nicht-zyklisch mit variierenden Spannungshüben, soliegen die erzeugten Positionen innerhalb einesPunktfeldes, das von der zyklischen Hysterese-kurve als Einhüllende eingeschlossen wird (Abb. 3.2).Ein ungeregelter spannungsgesteuerter Betrieb(open-loop) von Piezoaktoren ist bei nichtzykli-scher Ansteuerung mit einer Positions-unsicherheit in der Größenordnung 10% desmaximalen Aktorhubes behaftet.

20 PIEZOMECHANIK

3.1 Die Stellweg-/Spannungs-Charakteristik

� l

Umin Umax

Hinweis: Bei geforderten Auflösungen im Nano- und Sub-Nanometer-Bereich würde auch ein ideal arbeiten-der Piezoaktor im gesteuerten Betrieb nicht unbe-dingt das gewünschte Resultat garantieren: bei dermechanischen Bewegungsübertragung in einempiezomechanischen Gesamtsystem können uner-kannte Lageabweichungen auftreten, wie z.B.Driften und Materialdeformationen aufgrund vonTemperaturänderungen, Belastungs-/Kraftänderun-gen im System. Nur mit Hilfe einer Positions-regelung mit einer umfassenden Regelstreckekönnen hohe Systemgenauigkeiten erreicht werden.

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Abb. 3.3: Schema eines linearisierten Stellverhaltens durchPositionsregelung im Vergleich zur open-loop-Spannungs-steuerung

Ultrapräzisionspositionierungen mit einem Auf-lösungsvermögen < 10-2 des max. Aktorstellwegserfordern daher in jedem Fall eine Positionsregelung:Es wird mit einem geeigneten Positionssensor dieaktuelle Position des Systems mit ausreichenderGenauigkeit gemessen. Eine Lageabweichung wirdregeltechnisch (Soll-Ist-Vergleich) durch eineentsprechende Nachführung/Korrektur über denPiezoaktor kompensiert. Nichtlinearitäten undHysterese des Aktorantriebs werden in geregeltenSystemen automatisch kompensiert.

PIEZOMECHANIK 21

3.2 Präzisionspositionierung mit Piezoaktoren

Hinweis: Eine closed-loop-Positionsregelung kompensiert nurdiejenigen Lageabweichungen, die innerhalb derRegelstrecke zwischen Piezoaktor und Positions-sensor auftreten. Je nach geforderter Genauigkeitmuss u.U. die Regelstrecke sowohl den Antrieb alsauch die gesamte Übertragungsmechanik bis zumArbeitspunkt des Systems umfassen.Regelungen auf der Basis von Piezoaktoren mitintegriertem Positionssensor regeln daher nur alledie Effekte aus, die aktorinhärent sind (z.B. Nicht-lineariät, Hysterese, Piezodrift) oder sich auf denDehnungszustand des Aktors auswirken (z.B. alsFolge von Belastungsänderungen,Temperaturdrift).

Piezoaktoren weisen eine nahezu einzigartige Eigenschaft auf: die unbegrenzterelative Einstellempfindlichkeit.Ein Piezoaktor setzt eine unendlich kleine Spannungsvariation in eine beliebig kleine Positionsänderung um (nachgewiesen bis in den Picometer-Bereich).

� l

0 +5VSollwert-signal

open-loop

closed-loop

Umax

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Insbesondere in der kohärenten Optik könnenschlichte Anordnungen mit einfach aufgeklebtenSpiegel nur über wenige µm sinnvoll eingesetztwerden (=> Kap. 7.6). Eine deutliche Verbesserungbzgl. der Verkippung zeigen vorgespannteAktoren.

Größere Verschiebewege ohne Verkippung sindaber nur über eine separate Führung der beweg-ten Komponente zu erreichen.

● Optimums-Regelungen, StabilisierungenEine spezielle Variante geregelter Piezosystemesind Optimums-Regelungen:eine technische Anordnung soll stabil im (lageab-hängigen) Betriebsoptimum eines bestimmtenEffekts gehalten werden: das Regelkriterium istalso nicht eine konkrete absolute Position, sondern der Betriebspunkt zur Erzielung desLeistungsmaximum einer Anordnung unabhängigvon etwaigen auftretenden Driften: z.B. opto-mechanische Stabilisierung von Laserresonatorenoder freien Glasfaserkopplungen im optischenLeistungsmaximum oder einer bestimmtenModenstruktur. Hierzu wird der zu stabilisierende Effekt beobach-tet und über ein Differentialverfahren derExtremwert aufgesucht (z.B. Dithering-Prinzip,optical tracking, OptiSeek-Regelung).

22 PIEZOMECHANIK

Die Qualität eines geregelten Positioniersystemswird nicht vom Piezostapel begrenzt! DieseAussage gilt erwiesener Maßen bis in den Pico-meter-Bereich. Die erreichbaren Auflösungsgrenzenhängen von den weiteren Systemkomponenten ab:

● Qualität der elektrischen Signalverarbeitung und elektronischen Versorgung des Piezoaktors: Elektronische Instabilitäten und Rauschen imFrequenzbereich werden in mechanische Stör-amplituden umgesetzt.

● Qualität des Positionssensors und dessen Lage im Gesamtsystem.

● Qualität der mechanischen Übertragung: Reibung in Lagern, Gelenken, Vorspann-mechanismen können mikroskopische Setz-bewegungen und Stick-Slip-Bewegungen ver-ursachen. Werden diese aus irgendeinem Grundregeltechnisch nicht erfasst und kompensiert, so führt dies zu entsprechenden Positions -unsicherheiten.

● Verkippung der Stapelendflächen:Freie Stapelaktoren weisen bei der Ausdehnungu.U. eine gewisse Verkippung der Endflächenauf. Die Verkippungen können typisch im Bereichbis zu einigen µrad/µm Stellweg betragen.

3.3 Erzielbare Positioniergenauigkeiten

Hinweise zu Katalogdaten

● Die Katalogangaben bzg. der Stellwege von Piezoaktoren gelten für den Fall konstanter Be-lastung. Auch bei hoher mechanischerBelastung verringert sich der Stellweg nicht,solange keine Kraftänderungen während derPiezoaktion auftreten.

● Es sind die Kennwerte für unipolaren bzw. semi-bipolaren Betrieb angegeben (je nachdemwelche Art von Verstärker zur Verfügung steht).PIEZOMECHANIK führte als erster den semi-bipolaren Betrieb von Piezostapelaktoren fürPositionierzwecke ein, wodurch bei jedem

Aktor eine Stellwegszunahme von bis zu 30%gegenüber dem unipolaren Betriebsfall zu erzielen ist.Jeder Aktor ist bei Zimmertemperatur für densemi-bipolaren-Betrieb geeignet.

■ BeispielStapelaktoren PSt 150Unipolarer Betrieb: 0 V/+150 V, z.B. Leistungsverstärker LE 150Semi-bipolarer Betrieb:-30 V/+150 V, z.B. Präzisionsverstärker SVR 150

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PIEZOMECHANIK 23

4.1 Jenseits einfacher Positionieraufgaben

Kräfte und Wege 4Piezoaktoren finden zunehmend attraktive Anwendungen im Bereich der Mecha -tronik, bei denen nicht nur eine Stellbewegung gemäß Kapitel 3 erzeugt werden soll,sondern zusätzlich auch eine deutliche Kraftänderung im System.

Notwendige Voraussetzung für eine geeignete Aktorwahl ist die Kraft-Weg-Charakterisierung der anzutreibenden Mechanik durch den Anwender!

A, wie groß soll der vom Aktor bewirkte Verschiebeweg �lmech der Mechanik sein?

B, welche Kraft Fc übt die angetriebene Mechanik bereits von Beginn an auf den Aktor aus?

C,welche Gesamtkraft wirkt im System am Ende des Verstellwegs bzw. bei maximalem Spannungshub?

�Aus B, C ergibt sich die gewünschte Kraftänderung �Fmech im System.

�Das Verhältnis �Fmech/�lmech stellt die gemittelte Steifigkeit /Federkonstante der Mechanik dar.

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Umin

F

Fc

0

Umax

�Fschließ

�FeA

� lmech < � lmax

�Fmech

� l

Umin

F

Fc

0

Umax

� lmech < � lmax

�Fmech

� l

Umin

F

Fc

0

Umax

� lmax

�Fmech

� l

Umin

F

Fc

0

Umax

� lmax

�Fmech = 0

� l

Abb. 4.1Gewichtsbelastung eines AktorsDer Piezoaktor soll eine bestimmte Masse anheben:der Piezoaktor arbeitet also gegen eine konstanteGewichtskraft Fc.Der Piezoaktor erzeugt dabei den maximalen Stell-weg � lmax gemäß Datenblatt.Der Aktor verrichtet eine Verschiebearbeit Fc x � lmax.

Anwendungsbeispiele: Präzisionspositionierung großer Maschinen,Präzisionsinstrumente, Teleskope.

Abb. 4.2Piezoaktor arbeitet gegen eine weiche Feder (Elastisches Medium mit geringer Steifigkeit)Mit der Verstellung durch den Aktor tritt nur einesehr geringe Kraftänderung �Fmech auf. Der Piezo-aktor erzeugt (nahezu) den maximalen Stellweg � lmax.Der Aktor verrichtet im Wesentlichen dieVerschiebearbeit Fc x � lmax.

Anwendungsbeispiel:einfache Positionierungmechaniken mit Federrück-stellung z.B. Optomechaniken.

Abb. 4.3Piezoaktor arbeitet gegen eine harte Feder (Elastisches Medium hoher Steifigkeit.)Es tritt eine hohe Kraftänderung �Fmech (= elastischeKraft �FeA) durch die Verschiebung auf. Der erziel-bare Stellweg � lmech ist gegenüber den Beispielen 1und 2 reduziert (=> Kap. 4.4).½ �FeA � l ist die geleistete elastische Arbeit, dieverrichtete Gesamtarbeit beträgt (Fc + ½ �FeA) � lmech.

Anwendungsbeispiele: Motion Control.

Abb. 4.4Ventilbetätigung gegen Rückstellfeder mitzusätzlicher Erzeugung einer Schließkraft�FSchließ zur Abdichtung des Ventils am Ende desStellwegs.�FSchließ ergibt sich aus Blockierbedingung:Kraftänderung ohne Positionsänderung.

24 PIEZOMECHANIK

4.2 Beispiele für Kraft-/Weg-Verläufe

Abb. 4.1 – 4.4: verschiedene Kraft-Weg-Verläufe mechani-scher Systeme gemäß Abschnitt 4.1.

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Ein Piezoaktor kann als „aktive Feder“ beschriebenwerden: Bei einer von ihm selbst bewirkten Kraft-änderung erfährt ein Piezoaktor auch eine Eigen-kompression. Diese theoretische Stauchung äußertsich als Verlust an externem Stellweg, der um sogrößer ist, je höher die Kraftänderung ist.

Grenzfall Blockierbedingung: Der Piezoaktor erzeugt seine maximale Kraft -änderung bei unendlich steifer Einspannung (� l = 0). Diese sog. Blockierkraft ist proportional zur akti-ven Querschnittsfläche des Piezoaktors.

4.4 Auswahl eines geeigneten Piezoaktors

Notwendige VoraussetzungAls Anwender haben Sie bereits das für IhreAnwendung nötige Kraft-/Weg-Profil Ihrer Mechanikerstellt (=> Kap. 4.1, => Kap. 10).

1. In einem ersten Schritt wählen Sie gemäß der Kraftbilanz eine passende Aktorgruppe:

● ausreichende Belastbarkeit zur Aufnahme der im System wirkenden Basiskraft Fc

● Blockierkraft der Aktorreihe mindestens doppelt so groß wie die gewünschteKraftänderung �Fmech

2. Innerhalb der oben gewählten Gruppe aus 1,ermitteln Sie Aktoren mit ausreichend großemLeerlaufstellweg durch eine numerische oder gra-phische Abschätzung wie unten angegeben.

■ Beispiel zu 1.Ein Antriebskonzept mit statischer Vorlast Fc = 2 kNund einer Kraftänderung von 1 kN kann mit Aktorender Baureihe PSt 150/14/XX VS 20 im unipolarenBetrieb abgedeckt werden.

PIEZOMECHANIK 25

4.3 Der Piezoaktor als aktive Feder

Numerische AbschätzungDer Stellweg eines Aktors nimmt in dem Maße ab,wie das Kräfteverhältnis �Fmech/FBlock zunimmt.

Der Piezoaktor muß daher einen Mindesthub � lmax

(Datenblatt) gemäß

� lmech ≤ � lmax (1 – (�Fmech/�FBlock)) => � lmax = � lmech �FBlock/(�FBlock-�Fmech) aufweisen.

� lmech, �Fmech: von der Mechanik benötigte Stellgrößen,� lmax, �FBlock: maximaler Aktorhub, Blockierkraft: siehe Datenblatt.

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Graphische Abschätzung mit Hilfe des Arbeits-dreiecksDieser Ansatz veranschaulicht das erzielbare Kraft-Weg-Profil als Resultat der elastischen Wechsel-wirkung zwischen Piezoaktor (Steifigkeit SAktor) undangetriebener Mechanik (Steifigkeit Smech).Mit Hilfe der im Datenblatt des Aktors angegebenenParameter „max. Stellweg“ und „Blockierkraft“ wirddas sog. Arbeitsdreieck aufgespannt (Abb. 4.5).

In dieses Diagramm trägt man als Ursprungsgeradedie Steifigkeit Smech = �Fmech/� lmech der Mechanikein. Der Schnittpunkt dieser Geraden mit demArbeitsdreieck ergibt den Arbeitspunkt A desgewählten Aktors.

Ein Piezoaktor ist für die gestellte Aufgabe geeignetbei A (� l/�F) � (� lmech, �Fmech).

Hinweise:1. Diese Überlegungen stellen eine lineare Näherung

des komplizierteren Arbeitsverhaltens eines Piezo -aktors dar. Die Ergebnisse haben eher den Charaktereiner Abschätzung (=> Kap. 4.6: Steifigkeit).

2. In der Praxis bewegen sich die meisten Anwen-dungen in der oberen Hälfte der Arbeitsgeraden.Anwendungen mit reiner Krafterzeugung sind eherselten.

3. Eine hohe, aber konstante Belastung des Aktors verringert den maximalen Stellweg nicht. Diesergelegentlich als überraschend empfundene Sach-verhalt liegt daran, dass diese Belastung vor demeigentlichen Aktorbetrieb in das System einge-bracht wird: Der Piezoaktor baut infolge dieserKompression die nötige Gegenkraft also bereitsbeim Zusammenbau der Piezomechanik auf, z.B.bei der Montage der Vorspannung der Mechanik.Die eigentliche Piezoaktion muss an diesem Kraft-gleichgewicht nichts ändern. Bei einer Verschie-bung � l gegen eine konstante Kraft Fc erzeugt derAktor eine Verschiebearbeit Fc � l.

4. Die maximale Arbeit Eelmax, die ein Piezoaktor in ein elastisches Medium abgeben kann beträgt

Eelmax = 1/8 � lmax �Fmax

Diese Situation ist gegeben für

SAktor = Smech

Tatsächlicher Stellweg und Kraftänderung betragendann jeweils 50% der Katalogwerte (sog. ange -passter Fall).

Dynamischer FallIm Prinzip kann auch ein dynamischer Antriebsfall wieoben abgeschätzt werden: zusätzlich sind die Kraft-änderungen infolge beschleunigter Massen zuberücksichtigen.Alternativ kann hier die Abschätzung auch so durch-geführt werden, dass die durch Aktorsteifigkeit undangekoppelte Masse definierte Eigenfrequenz desSystems mindestens doppelt so groß ist wie dieangestrebte Betriebsfrequenz.

Abb. 4.5: Arbeitsdreieck aus max.Verstellweg � lmax und �FBlock

bei der jeweiligen max. Betriebsspannung (� lmax, �FBlock :Katalogdaten des gewählten Aktors).A: Arbeitspunkt des gewählten Aktors bei Wechselwirkung mitder anzutreibenden Mechanik.

50%

Smech

A

�FBlock

� lmax

�F

� l

Sm

ech =

0

50%

50%

Smech = �

Smech = SAktor

26 PIEZOMECHANIK

4.4 Auswahl eines geeigneten Piezoaktors

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Es ist praktisch unmöglich, im strengen Sinne eineBlockiersituation allein mit einer passiven Einspan-nung/Klemmung zu realisieren. Die Ursache liegt inden endlichen E-Modulen von Werkstoffen, diekeine unendlich steife Mechanik zulassen. DieBlockiersituation � l = 0 bei Kraftvariation kann aller-dings mit einer einfachen Anordnung regeltechnisch

erzielt werden: Der Piezoaktor wird mit einemPositionssensor (z.B. Dehnmessstreifen/DMS) aus-gestattet und in einer normalen Presse in Serien-anordnung zusammen mit einem Kraftsensor mon-tiert. Die Piezoaktor wird über die PositionsregelungPosiCon 150 angesteuert (Abb. 4.6).

Abb. 4.6: Messaufbau zur Bestimmung der Blockierkraft eines Aktorstapels PSt 150/10x10/40 im unipolaren und semi-bipolarenBetrieb

A

C

D

B

E

4.5 Experimentelle Bestimmung der Blockierkraft eines Aktors

PIEZOMECHANIK 27

A Piezoaktor (grün)B Dehnmessstreifen (DMS)C KraftmessdoseD SpannfedernE Positionsregelelektronik PosiCon.

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Messmodus● Null-Lage: die entsprechende Piezospannung am

Aktor wird per Offset des PosiCon-Geräts einge-stellt:

Fall 1: -30 V => unipolarer AktorbetriebFall 2: -30 V => semi-bipolarer Aktorbetrieb

● Der Sollwert für die PosiCon-Regelung wird auf konstant 0 V gesetzt, d.h. der Piezoaktor wird beiexternen Einflüssen auf konstanter Ausgangs -position gehalten.

● Die Druckbelastung auf den Piezoaktor wird erhöht. Die Regelung kompensiert eine potentiel-le Stauchung des Aktors durch eine entsprechen-de Spannungserhöhung am Aktor. Im Systementsteht also eine Kraftänderung am Aktor ohnePositionsänderung: => Blockierbedingung.

● Die maximale Blockierkraft ergibt sich bei Erreichen der maximalen Piezospannung von+150 Volt.

Abb. 4.7: Blockierkraft-/Spannungs-Charakteristik desPiezostapels PSt 150/10x10/40 bei unipolarem bzw. semi-bipolarem Betrieb.

-30

Kraft F(kN)

8

+1500UPiezo (V)

FBlock, max., s-bipol

FBlock, max., unipol

28 PIEZOMECHANIK

4.5 Experimentelle Bestimmung der Blockierkraft eines Aktors

Ergebnis● Für den Stapelaktor PSt 150/10x10/40 ergeben

sich folgende maximalen Blockierkräfte (maxi -male Krafterzeugung).

Fall 1: Unipolarer Betrieb:Spannungshub 0V => +150 V: 6500 Newton

Fall 2: Semi-bipolarer Betrieb:Spannungshub -30V => +150 V: 7800 Newton

● Der Zusammenhang zwischen Piezospannung Upiezo und Blockierkraft ist linear (Abb. 4.7).

● Bei einer Positionsregelung entspricht die Blockier kraft der maximalen Belastungsänderungim System, bei der der Aktor mit der aktuell nochverbleibenden Spannungsreserve die Positionhalten kann.

■ BeispielEin geregelter Piezoaktor PSt 150 nimmt bei 90 Volteine bestimmte Position ein, die stabilisiert werdensoll. Die maximale Lasterhöhung, die der Aktor durcheine Spannungserhöhung auf 150 V gerade nochausgleichen kann, entspricht der 60 V-Blockierkraftdes Aktors.

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Die Steifigkeit (Federkonstante) von Piezoaktoren ist ein wesentlicher Parameter bei derErstellung eines Antriebskonzepts. Sie bestimmt u.a.

● die Aktorauswahl, um ein gewünschtes Kraft-/Weg-Verhalten in Verbindung mit einer externen Mechanik zu realisieren

● die Eigenfrequenz eines Aktor-Masse-Systems (=> Kap. 5.5).

Wichtige Konsequenz des Piezoeffekts: Die mechanische Steifigkeit einesPiezostapels hängt von seiner elektrischen Beschaltung ab.

A kann die elektrische Ladung abfließen, nichtjedoch im Fall B. Im Fall B baut sich eine entspre-chende elektrische Spannung an den Stapel -anschlüssen auf. Das damit verbundene elektrischeFeld stabilisiert zusätzlich die Piezokeramikstrukturgegen Deformation und erschwert die Stauchungdes Stapels => höhere Steifigkeit.

Für die Praxis ergeben sich hieraus folgendeKonsequenzen:

Fall A entspricht der sehr weit verbreiteten open-loop Spannungssteuerung von Piezoaktoren: Die bei mechanischer Laständerung des Aktorserzeugte elektrische Ladungsmenge fließt über dieSpannungsquelle ab, um die Spannung am Aktorkonstant zu halten.

Fall B entspricht der open-loop ladungs- oderstromkontrollierten Steuerung von Piezoaktoren:Es wird der Ladungsfluss zwischen Aktor undElektronik geregelt, mechanisch erzeugte Ladungkann nicht unkontrolliert abfließen.

Abb. 4.8: Piezostacks PSt 150/10x10/20: (A) mit kurzgeschlos-senen, (B) mit offenen Elektroden für Druckexperiment.

A B

ErgebnisUnterschiedliche Steifigkeitswerte �F/� l

Fall A: ca. 200 N/µmFall B: ca. 450 N/µm

Ursache hierfür ist der piezoelektrische Effekt (Gene -ratoreffekt), durch den bei mechanischer Belastungdes Aktors elektrische Ladung erzeugt wird. Im Fall

PIEZOMECHANIK 29

4.6 Steifigkeit

Messmodus● Es wird die gleiche Anordnung wie in Abb. 4.6

verwendet.● Es wird z.B. ein Stapelaktor PSt 150/10x10/20

mit DMS-Sensorik verwendet.● Das Posicon-Gerät wird ungeregelt betrieben und

dient nur zur DMS-Messung (alternativ kann einDMS-Verstärker DMS 01 verwendet werden).

● Es wird eine definierte Kraft �F auf den Aktor gebracht und über den Dehnmessstreifen dieStauchung � l ermittelt.A: bei kurzgeschlossenem AktorB: bei Aktor mit offenen Anschlüssen (Abb. 4.8).

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Hinweise zu Katalogdaten

Bei üblicher open-loop-Spannungssteuerungweist ein Piezostapel eine Steifigkeit vonca. 20 - 25% der eines Stahlkörpers gleicherDimensionierung auf.

Die Katalogwerte von Steifigkeiten etc. beziehensich auf Kleinsignalansteuerung (=> Kap. 8).

Piezokeramische Stapel weichen in ihrem elas -tischen Verhalten deutlich von gängigen techni-schen Stoffen ab, z.B. ist das E-Modul in derpolarisierten Keramik richtungsabhängig undabhängig von der Betriebsweise (=> Kap. 8,PZT-Materialeigenschaften). Die axiale Steifig -keit hängt insbesondere bei Hochvoltaktorenauch von der Höhe der mechanischen Vor -spannung ab.

Die in den Datenblättern angegebenen Aktor -steifigkeiten gelten für einen ungeregelten(open-loop) Spannungsbetrieb.

Piezoaktoren mit GehäuseBei Montage des Aktors über die Endstücke wirddie Gesamtsteifigkeit im wesentlichen durch denKeramikstapel bestimmt. Das Gehäuserohr liegtnicht im Kraftfluss. Bei Klemmmontage der Aktorenüber den Gehäuseumfang oder bei den Einschraub-typen FPSt wird die Gesamtsteifigkeit allerdingsinfolge der zusätzlichen Kraftführung über dasGehäuserohr reduziert.Für die Gesamtsteifigkeit eines piezomechanischenSystems ist aber nicht alleine der Aktor relevant.Vielmehr sind auch die weiteren Übertragungsstei-figkeiten der Mechaniken zu beachten, insbesonde-re an Kopplungsstellen z.B. zwischen Piezoaktorund Mechanik.

Systeme mit Hebelübersetzung (Faktor n) zurVergrößerung des Stellwegs:

● Die Blockierkraft sinkt auf 1/n

● Die Systemsteifigkeit sinkt auf 1/n² der Aktor-steifigkeit ! Resonanzfrequenzen werden dadurchentsprechend reduziert !

30 PIEZOMECHANIK

4.6 Steifigkeit

Die höhere open-loop-Steifigkeit von Piezoaktorenim ladungs- oder stromgesteuerten Betrieb wirdgerne für Motion-Control-Zwecke/aktiveSchwingungs kontrolle bzw. in aktiven Strukturenausgenützt (Achtung: nur dynamische Anwendun-gen sinnvoll => Kap. 9.2).

Die höchsten Systemsteifigkeiten werden allerdingsbei geregelten closed-loop-Systemen erreicht (auchmit spannungkontrollierenden Verstärkerstufen): DasBlockierverhalten gemäß Kap. 4.5 entspricht einerunendlich hohen Steifigkeit. Allerdings ist dasReaktionsverhalten (Bandbreite) geregelter Systememeist deutlich langsamer als bei open-loop-Steuerungen.

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Mechanische Aspekte Hohe negative Beschleunigungen in einer mechani-schen Anordnung führen u.U. zu hohen Zugkräftenam Aktor. Diese können die Folge einer pulsartigen Entladungeines expandierten Piezostapels sein oder aber ausdem Bremsvorgang der beteiligten Massen amEnde der Expansionsphase des Aktors.Dies kann auch beim Betrieb eines freien Aktorsinfolge seiner Eigenmasse relevant werden: Auchein freier Aktor benötigt daher im hochdynami-schem Betrieb bei Schaltzeiten < 1 msec hoheVorspannkräfte (bis ca. 50% der maximalenBlockier kraft).

Für höchstdynamische Anwendungen mit extremkurzen Schaltzeiten ist auch der sonstige Aktor-aufbau (z.B. Elektrodenführungen) anzupassen (=> 2: Stapelaufbau). Standard-Piezoaktoren sindhierfür absolut nicht geeignet.

Elektrische AspekteVermeiden Sie leistungsmäßige Überdimensionie-rungen der Ansteuerung bezogen auf die jeweiligeAnwendung. Zu hohe Peakströme bzw. Strom-änderungsraten führen bei Fehlansteuerung zuunnötigen mechanischen und elektrischenBelastungen des Piezoaktors.

Achten Sie auf einwandfreie elektrische Installa-tionen, zufällige Kurzschlüsse oder Überschläge andefekten Leitungen können auch mechanischeKonsequenzen haben. Entladen Sie Piezoaktorennicht durch simples Kurzschließen. Dies führt mithoher Wahrscheinlichkeit zur Beschädigung dieserElemente.

4.8 Dynamischer Betrieb

Die in den Datenblättern angegebenen maximalenBelastungsgrenzen sind als statische Grundlast Fc

im Sinne des Kap. 4.2 aufzufassen. Bis zu solchenBelastungen arbeitet der Aktor ohne Nachteile mitvoller Kraft-/Weg-Erzeugung gemäß Abschnitt 4.4.Bei noch höheren Belastungen reduziert sich all-mählich infolge von Druckdepolarisierung das

Leistungsvermögen von Piezoaktoren. DieserVorgang ist reversibel. Bei sehr großen Längen/Durchmesserverhältnis > 15 wird die Belastungs-grenze auch zunehmend durch die Biege- undKnickfestigkeit der Stapelstruktur bestimmt. Hierbesteht bei Überlast durchaus die Gefahr einer irre-versiblen mechanischen Beschädigung.

Piezoaktoren zeichnen sich insbesondere durch potentiell hohe Dynamik aus, d.h.Stellbewegungen können mit sehr hohen Beschleunigungen durchgeführt werden.

PIEZOMECHANIK 31

4.7 Kraftgrenzen, Belastbarkeiten

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Auch wenn Piezokeramik in geringem Umfang zug-belastbar ist, so sollten Zugkräfte konsequent ver-mieden werden.

Anspruchsvolle Anwendungen arbeiten immermit einer mechanischen Vorspannung des Aktors!

Piezokeramische Stapelaktoren stellen also eine ArtDruckzylinder dar, bei dem die Rückstellbewegungdurch eine geeignete Vorspannung unterstützt wird(antagonistisches Prinzip). Die gängigsten Vor-spannsysteme sind passiv wirkende Kraftspeicher,z.B. mechanische, hydraulische, pneumatischeFederelemente.

Diese Vorspannung muss ausreichend dimensioniertsein, sodass in jeder Position und zu jedem Zeit -punkt der Piezoaktor nur Druckkräfte sieht.

● Ein optimaler Vorspannmechanismus reduziert den Stellweg des Aktorstapels nicht ! Dazu mussdie Steifigkeit des Vorspannmechanismus kleinsein im Vergleich zur Steifigkeit des Aktorstapels(typisch einige Prozent) => Kap. 4.2.

● Dynamische Zugkräfte Fdyn infolge der Aktor-bewegung können abgeschätzt werden gemäß

Fdyn = m � l/�t²

m angekoppelte Masse� l Aktorbewegung� t Reaktionszeit des Aktors

Achtung: Dynamische Kräfte können auch die Folge vonexternen Erschütterungen der Gesamtanordnungsein.

32 PIEZOMECHANIK

4.9 Mechanische Vorspannung

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Abb. 4.9, Interne Vorspannung: Integration desVorspannmechanismus VS in das Aktorgehäuse.Damit können auch externe Zugkräfte gehandhabtwerden. An den mechanischen Kopplungsstellenz.B. zwischen Aktor und Mechanik treten Wechsel-belastungen mit Vorzeichenwechsel +/-F auf.

Abb. 4.10, Externe Vorspannung: Es wird diegesamte Mechanik gegen den Piezoantrieb vorge-spannt (VS). Es tritt kein Vorzeichenwechsel in derKraftrichtung auf: durch die permanente Druckbe-lastung des gesamten Systems wird mechanischesSpiel an den Kopplungsstellen prinzipiell vermieden.

Abb. 4.11, Verteilte Vorspannung: Das mechani-sche Gesamtsystem wird über VS 2 gegen den Aktorvorgespannt. Zusätzlich ist aber der Aktor auchintern vorgespannt (VS 1). Mechanik und Aktor sinddruckgekoppelt, Zugkräfte werden nicht übertragen.Dieser Ansatz hat Vorteile, wenn z.B. große Massenbewegt werden sollen. Bei niedriger Dynamik kanndann im Normalbetrieb mit moderaten Rückstell-kräften VS 2 gearbeitet werden. Das Risiko unzuläs-siger Zugkräfte am Aktorstapel, z.B. verursachtdurch eine pulsartige Kontraktion des Aktors, wirdjedoch abgefangen: Der Aktor koppelt sich von derMechanik ab und wird durch seine eigene Vor -spannung VS 1 geschützt.

Piezostack

Mechanik

VS 1VS 2+ F

+ FMechanik

VS

Piezostack

Piezostack

VS

Mechanik� F

PIEZOMECHANIK 33

4.9 Mechanische Vorspannung

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34 PIEZOMECHANIK

4.9 Mechanische Vorspannung

Aktiv vorgespannte Systeme arbeiten als symme-trisch wirkende push-pull-Antriebe. Der dynamischeKraftbereich ist größer als bei sehr hoch vorge-spannten passiven Systemen. Der mechanischeEnergieeintrag in den Vorspannmechanismus wiebei passiven Systemen entfällt oder ist zumindestreduziert. Bei hochfrequenter Anregung ist dasEigenschwingungsverhalten günstiger als bei passi-ven vorgespannten Systemen.

Bei Präzisionsjustierungen ist das Stellverhaltentemperaturkompensiert.

Obwohl eine aktive Rückstellung insgesamt einehöhere elektrische Kapazität aufweist, kann beiAnwendung von energy recuperation Ansteuertech-niken der Gesamtwirkungsgrad dem Betrieb nureines Aktors mit passiver Rückstellung überlegensein. Insgesamt sind aktiv antagonistische Antriebs-systeme aufwendiger als passive Verfahren.

PIEZOMECHANIK-Aktoren mit integrierterVorspannung

PIEZOMECHANIK bietet alle Piezostapel auchals Gehäuseversion VS mit integrierter Vor-spannung an. Vorgespannte Piezoantriebe sinddeutlich robuster gegenüber mechanischen undsonstigen Umwelteinflüssen als die freienKeramikelemente.

Standardausführungen von Aktoren sind typi-scherweise mit 10% - 20% der max. Blockier-kraft vorgespannt. Dies ist für eine Vielzahl vonAnwendungen vollkommen ausreichend.

Auf Anfrage liefert PIEZOMECHANIK Aktorenauch mit wesentlich höherer Vorspannung, z.B.für symmetrisch wirkende push-pull-Antriebe.

+ F

Piezostack 1

Abb. 4.12, Aktive Vorspannung: Für spezielle An-wendungen wird mit einer sog. aktiven Vorspannunggearbeitet: Zwei Piezoaktoren werden mit hoherstatischer Steifigkeit gegeneinander vorgespanntund arbeiten komplementär (sog. differentiellerAntrieb).

Piezostack 2

Mechanik+ F

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PIEZOMECHANIK 35

5Der etwas diffuse Begriff des „dynamischen Be-triebs“ von Piezoaktoren beschreibt vorzugsweiseAnwendungen mit hohen Beschleunigungsraten,Beschleunigungskräften, höherer elektrischerLeistungsaufnahme bei hohen Frequenzen und derdamit verbundenen Eigenerwärmungsproblematik.Der Begriff wurde in der Vergangenheit als Abgren-zung gegen unkritisch langsam ablaufende Justier-vorgänge eingeführt („Quasistatischer Betrieb“),denen die üblichen Standardaktoren in Verbindungmit Versorgungen sehr niedriger Leistung genügen(z.B. Verstärker SVR).

Der Begriff „Dynamik“ soll dem Anwender signali-sieren, dass bei der Konzeption piezomechanischerSysteme komplexere Wechselwirkungen zwischenAktor und Elektrik bzw. Mechanik zu beachten sindals beim simplen langsamen Positioniergeschiebeeiner Komponente von A nach B.

Dynamischer Betrieb von Piezoaktoren

Hochdynamische Anwendungen von Piezoaktorenfinden sich in Bereichen wie Motion Control,Schwingungskontrolle, schnelle Ventilbetätigung,Shakern, Schockgeneratoren, Miniaturpumpen,hydraulischen Hochdruckpumpen, Prüfeinrichtun-gen und Scanner.

Piezoaktoren werden dabei in den allermeistenFällen nicht-resonant betrieben.Sie können mit angepassten Amplituden über einengroßen Betriebsfrequenzbereich von DC bis kHzoder sogar >10 kHz eingesetzt werden.Die Breitbandigkeit (frequenzmäßige Durchstimm-barkeit) unterscheidet die Piezoaktorik von resonantarbeitenden Elementen wie z.B. Ultraschall-generatoren (=> Kap. 5.5), die nur auf einer be-stimmten Frequenz > = 20 kHz arbeiten, dafür abermit vergleichsweise großen Dauerschwingungs-amplituden.

5.1 Definitionen

Fallunterscheidung

● KurzzeitdynamikAusschlaggebend ist hier die minimale Anstiegs-zeit der Piezoaktion. Hieraus ergeben sich dieaktuelle Beschleunigung im System und diedamit verbundenen Beschleunigungskräfte, andie Aktor und Mechanik anzupassen ist. Das kurzzeitdynamische Verhalten der Aktorikwird wesentlich durch die zur Verfügung stehen-de elektrische Spitzenleistung der Ansteuerungbestimmt.

● DauerbetriebFür die Dauerleistung eines piezomechanischenSystems ist die Wiederholrate (Frequenz) derArbeitszyklen entscheidend.Die Ansteuerelektronik muss diese Dauerleistungbereitstellen.Bei der Auslegung der Piezomechanik ist dieEigenerwärmung des Aktors und die ausreichen-de Wechselbelastungsfestigkeit der angeschlos-senen Mechanik zu beachten.

■ Beispiele1. Eine pulsweise Rechteckansteuerung mit niedri-ger Wiederholrate weist eine sehr hohe Spitzen-leistung des Aktors in den Schaltflanken auf, abereine niedrige Dauerleistung im zeitlichen Mittel.

2. Bei einer nicht-resonanten harmonischenSchwingung stehen Spitzenleistung und Dauer-leistung immer in einem festen Verhältnis.

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Die mit einem Piezoaktor erzielbaren Geschwindig-keiten und Beschleunigungen hängen davon ab, wieschnell die Aktorkapazität C aufgeladen wird:

Geschwindigkeit v ~ I = C dU/dt(dU: Spannungshub am Piezoaktor)

Beschleunigung dv/dt ~ dI/dt = İ(dt: elektrische Ladezeit)

Gültig für den gesteuerten Betrieb unterhalb derEigenfrequenz des Aktors.

■ BeispielEin Piezoaktor der Kapazität 10 µFarad soll eineVerschiebung � l von 100 µm = 10-4 m durch An-steuerung 0 V/+200 V innerhalb einer bestimmtenStellzeit � t realisieren: Je nach gewünschterDynamik ergeben sich große Unterschiede in denBetriebsdaten:

Stellzeit � t:100 msec 1 msec 100 µsec

Ladestrom �Q/� t:20 mA 2 Ampere 20 Ampere

Ladeleistung (1/2 CU2)/� t:2 Watt 200 Watt 2 KiloWatt

Beschleunigung (konstant):0,02 m/sec² 200 m/sec² 20.000 m/sec²

Die mit einem Piezoaktor erzielbaren maximalenVerschiebegeschwindigkeiten liegen im Bereicheiniger m/sec.

36 PIEZOMECHANIK

5.2 Kurzzeitdynamik

Mechanische VoraussetzungenDesigngesichtspunkte für die gesamte Piezo-mechanik:

● ausreichend hohe Steifigkeiten der mechanischenÜbertragungswege

● Eigenfrequenz der Piezomechanik soll größer seinals die gewünschte maximale Betriebsfrequenz

● ausreichende Stabilität der gesamten Piezo-mechanik gegenüber hohen Beschleunigungs-kräften (mechanische Vorspannung)

Kurzzeitdynamische Anwendungen erfordern immermechanisch vorgespannte Aktoren (=> Kap. 4.9,mechanische Vorspannung).Extremdynamische Anwendungen (Piezostoß-generatoren, Leistungsschwingungsbetrieb)erfordern grundsätzlich andere Aktorkonzepte alsgängige Stapelaktoren.

Elektrische VoraussetzungenDie mit einem Piezoaktor realisierbare Geschwin-digkeit und Beschleunigung hängen vom Peakstromund der sog. slew-rate (Bandbreite, Anstiegszeit)des Verstärkers ab. Für extrem hochdynamischeAnwendungen werden keine Analogverstärkerverwendet, sondern Schaltverstärker, Pulsgenera-toren bzw. Hochstrom-Schalter.

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MechanikHohe Betriebsfrequenzen/Wiederholraten führen im Dauerbetrieb sehr schnell zu hohen Gesamt-zyklenzahlen und damit zur Frage nach einer aus-reichenden Betriebsfestigkeit der Aktorik. Je höherdie Ansprüche bzgl. der zu realisierenden Gesamt-zyklenzahl sind, umso strikter sind die Designregelnder Piezoaktorik zu beachten. Kompromisse inForm von scheinbar unwesentlichen Regelabwei-chungen können sich dann schnell als „faul“ her-ausstellen. Letztlich gilt dies auch für die Folge-mechanik, wo z.B. auch Materialermüdungsfragenkonstruktiv sauber gelöst werden müssen.

Elektrische ParameterBei nicht-resonantem Betrieb eines Piezoaktors mitder Frequenz f kann die mittlere elektrischeLeistungs aufnahme Pm abgeschätzt werden zu

Pm = ½ CU² f C AktorkapazitätU Spannungshub

Der nötige mittlere Ladestrom Ī ergibt sich zu

Ī = Q f = CU f Q : im Aktor gespeicherte Ladungsmenge ~ Aktordehnung!

Die Leistungsverstärker von PIEZOMECHANIK sindhinsichtlich Peak und Dauerleistung an den harmo-nischen Schwingungsbetrieb angepasst. Bei einerharmonischen Sinus-Schwingung stehen Peak- undDauerstrom im festen Verhältnis � : 1.

Thermische RandbedingungenPiezokeramik setzt bei gängigen Betriebs tempe ra -turen ca. 5- 20% der elektrischen Ansteuerleistungin Wärme um. Die Verlustleistung hängt dabei nichtnur von der elektrischen Leistungs aufnahme ab,sondern auch in gewissem Umfang von den mecha-nischen Betriebsbedingungen.

Blockierbedingungen (Deformation 0) führen z.B. zueiner deutlich geringeren Verlustleistung: Bei dynamischer Ansteuerung lagert sich dann dasFestkörpergefüge der Keramik nicht um (keine„innere Reibung“). Deswegen ist die Verlustleistungim dynamischen Betrieb unter diesen Umständen

deutlich reduziert. Ebenso fällt im Tieftemperatur-betrieb praktisch keine Verlustwärme an, weil dieverlusterzeugenden nichtlinearen ferro-elektrischenPhänomene weitgehend „ausgefroren“ sind.

Die resultierende Aktortemperatur ergibt sich ausdem Gleichgewicht der Heizleistung des Aktors und der Kühlleistung des Wärmemanagements.Standard aktoren sind häufig nur für quasistatischenBetrieb ausgelegt und verfügen über kein besonde-res Wärmemanagement. Ein Leistungsbetrieb istdann immer nur kurzzeitig entsprechend derWärmekapazität des Aktors möglich. Bei längeremLeistungsbetrieb ist ein Wärmemanagement für den Piezostack nötig, um den Aktor im optimalen Betriebsbereich zu halten bzw. unzu -lässige Übertemperaturen zu vermeiden (=> Kap. 6.1: Option Thermo-stable).

Zusätzlich kann die Temperaturfrage auch über dieWahl geeigneter Piezomaterialien für den Hochtem-peraturbetrieb angegangen werden (AktorkeramikHS/HT)

Achtung: Piezokeramik ist ein schlechter Wärmeleiter(=> Kap. 8). Die Länge der Wärmediffusionswegeist daher für die Temperaturverteilung in derKeramik wesentlich.

PIEZOMECHANIK 37

5.3 Dynamischer Dauerbetrieb von Piezoaktoren

Abb. 5.1: Wärmebild eines eingespannten, dynamisch betrie-benen Hochvoltaktors an Luft. Zu beachten: Kühlwirkungdurch Einspannung an den Endfächen.

Einspannung

Bei dynamischem Dauerbetrieb von Piezoaktoren sind vorab die kurzzeit-dynamischen Aspekte gemäß vorigem Kapitel abzuklären.

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Die (zu kurz greifende) pauschale Frage, welchemaximalen Frequenzen mit einem Piezoaktorerreicht werden können, läuft zwangsläufig auf dieGegenfragen hinaus: Amplituden? Sonstige Betriebsbedingungen?

Ebenso werden die in den Datenblättern von Piezo-aktoren angegebenen Resonanzfrequenzen vonAnwendern gelegentlich fehlinterpretiert als eine

Art Frequenzgrenze, bis zu der man ohne weiteresden Piezostapel mit der in den Datenblättern ange-gebenen maximalen Dehnung betreiben kann. Demist nicht so! Im nicht-resonanten Betrieb mit hoherDehnung des Aktors liegen die Betriebsfrequenzenvon Aktoren deutlich unter den Aktoreigen -frequenzen.Vor allem die Eigenerwärmung von Piezoaktorenbegrenzt den Leistungsumsatz im hochfrequentenBetrieb.

38 PIEZOMECHANIK

5.4 Typische Betriebsfrequenzen

Abb. 5.2: Anordnung zur Prüfung der Eigenerwärmung einesPiezostapels.

■ BeispielEinfluss der Aktordimensionierung auf die Eigen-erwärmung.

Die im Folgenden beschriebenen Niedervolt-Aktor-stapel und Ringe weisen alle die gleiche Aktorkera-mik und die gleiche Schichtstruktur auf. Sie wurdengemäß Abb. 5.2 mit einseitiger Fixierung ohnezusätzliche Kühlmaßnahmen mit einem Spannungs-hub 0 V/+150 V betrieben. Die Kühlwirkung ergibtsich im Wesentlichen durch die freie Luftkonvektionund Wärmekopplung zum Sockel. Der Temperatur-messpunkt liegt in der Nähe des freien Endes.

Luft 20 °C

PZTStack

Oszillation

Temperatursensor

Metallgehäuse 20 °C

Aktortyp Abmessungen Temperatur Betriebsfrequenz bei 100 Hz mit Temperaturerhöhung

RT => 80 °C

MassivstapelPSt 150/2x3/20 2 x 3 x L = 18 mm 27 °C 1.300 HzPSt 150/5x5/20 5 x 5 x L = 18 mm 42 °C 340 HzPSt 150/10x10/20 10 x 10 x L = 18 mm 60 °C 160 Hz

RingstapelHPSt 150/14-10/12 Ø14 x Ø10 x L = 13,5 mm 38 °C 440 HzHPSt 150/20-15/12 Ø20 x Ø15 x L = 13,5 mm 39 °C 430 Hz

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PIEZOMECHANIK 39

Erwartungsgemäß hängt die Kühlwirkung vom Ober-flächen/Volumenverhältnis der Aktorstruktur ab.Kleinvolumige Aktoren und insbesondere Ring-aktoren können unter thermischen Aspekten alsomit wesentlich höheren Frequenzen betrieben wer-den als massive großvolumige Elemente. Wegen derschlechten Wärmeleitfähigkeit von Piezokeramikweisen großvolumige massive Stapelelemente eineim Vergleich zur Oberfläche höhere Kerntemperaturauf.

5.4 Typische Betriebsfrequenzen

HinweisSchwingungen mit reduzierter Aktordehnung:

Die Leistungsbilanz eines Piezoaktors hängt insbe-sondere auch von der erzeugten Dehnung desStapels ab, d.h. inwieweit der zulässige Betriebs-spannungsbereich ausgenützt wird. Insbesondere bei hochfrequenten Anregungen kannes nützlich sein, einen etwas längeren Aktor mitreduzierter Ansteuerspannung zu betreiben.Für die Erzeugung höher frequenter Schwingungenwerden gerne Hochvoltaktoren mit Niedervolt-Ansteuerungen kombiniert. Die wesentlich höherenLadeströme im Vergleich zu HV-Verstärkern ermög -lichen wesentlich höhere Frequenzen.

Ein ausreichendes Wärmemanagement mit ent -sprechend niedrigen Aktorbetriebstemperaturenminimiert die Leistungsaufnahme und Wärmeeintragin das System. Bei geeigneten Kühlmaßnahmenkönnen mit Piezoaktoren erstaunlich hoheLeistungen im Dauerbetrieb gefahren werden (=> Kap. 6.1).

■ BeispielErzeugung einer Schwingung mit Amplitude +/-2µmbei 10 kHz:Aktor HPSt 1000/15-8/20 VS 22 (Option Thermo -stable) mit Ansteuerung LE 150/100 EBW

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40 PIEZOMECHANIK

5.5 Resonanzen

Hinweis: Die axiale Eigenfrequenz eines freien Piezostapelsist um so höher, je kürzer der Aktorstapel ist. FürPiezochips mit wenigen Millimetern Bauhöhe liegtdiese bei >> 100 kHz. Bei Aktoren großer Baulängekönnen dagegen die Eigenfrequenzen bei wenigenkHz liegen. Das elektrische Ersatzschaltbild einesPiezoaktors bei Resonanzbetrieb ist der elektrischeSchwingkreis. Nur im nicht-resonanten Fall gilt dieKondensatorbeschreibung.

Piezomechanische Systeme weisen eine Vielzahlvon Eigenschwingungen und Resonanzstellen aufund eben nicht nur die axiale Grundschwingung desAktors.

● Bei Aktorstapeln mit großem Längen/Durch-messerverhältnis können auch Biegeschwingun-gen niedrigerer Frequenz auftreten, die sich demaxialen Stellverhalten überlagern.

● Der freie Piezoaktorstapel weist z.B. auch eine Eigenschwingung des Durchmessers auf. Diesewirkt sich wegen der elastischen Kopplung auchauf das axiale Verhalten aus. Bei flachen Aktor-stapeln mit großem Durchmesser liegt dieseFrequenz unterhalb der axialen Mode. Die Daten-blattangabe der axialen Eigenschwingung istdann nur begrenzt aussagekräftig.

● Jede angeschlossene Mechanik weist ein Eigen-schwingverhalten auf, das sich der originalenAktorbewegung überlagert. Mit Hilfe eines Piezo-stapelaktors können solche Resonanzen beigeeigneter Rückkopplung regeltechnisch gezieltangeregt oder gedämpft werden.

● Ein üblicher Piezostapelaktor aus weicher Piezo-keramik stellt einen schlechten Schwinger dar,d.h. eine angeregte Eigenschwingung ist deutlichgedämpft und klingt daher sehr schnell ab(Umwandlung in Wärme). Piezoaktoren aus weicher Piezokeramik können mechanischeSchwingungsenergie schlecht speichern und

bauen daher nur eine schwache Amplitudenüber-höhung bei Resonanzbetrieb auf. Der sog. Güte-faktor eines typischen Piezoaktors ist < 10. Im Gegensatz hierzu werden piezobasierte Ultra-schallschwinger in Resonanz mit einer hohenSchwingungsgüte von > 1.000 betrieben (=> Kap. 8).

Abb. 5.3: Typische Resonanzkurve eines Schwingers mit be-stimmter Eigenfrequenz und zunehmender Dämpfung A => B.Qualitativ: A Ultraschallkeramik: geringe Eigendämpfung, hohe GüteB Aktorkeramik: hohe Eigendämpfung, geringe Güte

● Anwendungen mit gezielter Ausnützung der Stapelresonanz sind bei Großaktoren eher selten.Bei miniaturisierten Mechaniken werden Struktur-und Aktorresonanzen häufiger eingesetzt(Beispiel: MEMS, Piezomotoren)

Im Resonanzfall ist die elektrische Verlustleistungbezogen auf die erzielte Schwingungsamplitudewesentlich kleiner als im nicht-resonanten Fall.(Gütefaktor => Kap. 8: Eigenschaften von Piezo-keramiken)

Frequenz

� l

A

B

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5.5 Resonanzen

Vor allem bei klassischen Positionieraufgaben mitHilfe geregelter Systeme liegen die Betriebsfre-quenzen deutlich unterhalb der Resonanzfrequenzdes Piezoaktors. Hierdurch wird eine unzulässigePhasenverschiebung zwischen der elektrischenAnsteuerung der Piezomechanik und der mechani-schen Reaktion des Systems vermieden.Die in den Datenblättern angegebenen Werte gelten

für einseitig fixierte Aktoren. Ein beidseitig freischwingender Piezostapel weist die doppelte Reso-nanzfrequenz auf. Wird eine zusätzliche externeMasse Mex starr mit einem Piezoaktor der MasseMa gekoppelt, so kann dieses System als einschwingungsfähiges Feder-Masse-System beschrie-ben werden.

PIEZOMECHANIK 41

Die Eigenschwingungsfrequenz fA-M kann wie folgtabgeschätzt werden:

● Die Zusatzmasse Mex ist klein im Vergleich zur Aktormasse

fA-M = fres (Meff/(Mex+Meff))

fresEigenfrequenz des PiezoaktorsMeff ~ 0.3 MA

● Die Zusatzmasse Mex ist deutlich größer als die Eigenmasse des Aktorstapels (einfache Feder-Pendel-Formel).

fA-M = 1/2� (S/Mex)1/2

S Aktorsteifigkeit

Hinweis:Hebelübersetzungen (Faktor n) zur Vergrößerungdes Stellwegs reduzieren die Systemsteifigkeit aufmindestens 1/n² der ursprünglichen Aktorsteifigkeit! Achtung: dies ist unabhängig vom jeweiligen Über-setzungsprinzip (z.B. auch hydraulisch) und giltauch für einen unendlich steifen Übertragungsweg.Resonanzfrequenzen werden dadurch massivabgesenkt!

Die Katalogangaben von Steifigkeiten S etc.beziehen sich auf Kleinsignalansteuerung. BeiGroßsignal anregung reduziert sich das E-Modulvon Piezo keramik (=> Kap. 8, Materialdaten).Das Eigen schwingverhalten von Piezoaktorenhängt also wieder deutlich von den Betriebs -bedingungen ab. Datenblattbasierte Abschät -zungen sind daher deutlich toleranzbehaftet.

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Die Funktionalität von Piezoaktoren hängt wesent-lich von der Konfektionierung des Aktorstapels undden implementierten Zusatzfunktionen ab.

Die am häufigsten nachgefragten Funktionserweite-rungen von Standardaktoren betreffen:

● Wärmemanagement ● Positionssensorik

PIEZOMECHANIK bietet darüber hinaus weitereAnpassungsmaßnahmen und Sonderaus-stattungen von Piezoaktoren an, um auch den„exotischsten“ Betriebsweisen gerecht zu wer-den. Sollten Sie in der folgenden Aufstellungihre Problemlösung noch nicht gefunden haben:fragen Sie die Fachleute von PIEZOMECHANIK.

6.1 Wärmemanagement „Thermostable“

Die Option „Thermostable“ wird bei Aktorbetriebmit Leistungsverstärkern der Reihe LE oder RCVempfohlen.

■ BeispielHochvoltaktor PSt 1000/16/150 VS 25 Thermo-stable in Kombination mit Kühlkörper und forcierterLuftkühlung: Sinusbetrieb bis ca. 800 Hz/maximalem Hub: Gehäusetemperatur im Gleichgewichtsfall ca. 80 °C.

Ohne Wärmemanagement würde der entsprechen-de Standardaktor bereits bei ca. 150 Hz thermischeSchwierigkeiten bekommen.

Abb. 6.1: Aktoren in Ausführung Thermostable in verschiede-nen Gehäuseformen, Kühlkörper als weitere Zusatzausstattung

Piezostapel heizen sich im Dynamikbetrieb auf, daein Teil der elektrischen Ansteuerleistungen inWärme umgewandelt wird (=> Kap. 5.3). Die resul-tierende Aktortemperatur ergibt sich aus demGleichgewicht von Heizleistung des Aktors und derWärmeabfuhr/Kühlleistung in die Umgebung. Bei zuhohen Temperaturen verschlechtern sich die Eigen -schaften von Piezoaktoren bzw. können sie infolgeÜbertemperatur ausfallen. PIEZOMECHANIK ist der Spezialist für hochdynami-sche nicht-resonante Aktoranwendungen. Mit derOption „Thermostable“ wird ein äußert elegantesund effektives Wärmemanagement für Aktoren inGehäuseausführung angeboten. Die Gehäuse-abmessungen ändern sich dabei nicht gegenüberden katalogmäßig beschriebenen Standard-versionen. Äußerlich sind solche Aktoren an denhoch-wärmeleitfähigen Gehäuse- oder Hüllrohrenz.B. aus Messing erkenntlich.

Die Vorteile des „Thermostable“-Konzepts sind:● Hohe Wärmeabfuhr aus der Piezokeramik● Homogenisierung der Temperaturverteilung im

Keramikstapel, Vermeidung von HotSpotsFür die weitere Wärmeabfuhr aus dem Aktorgehäusegenügt in vielen Fällen bereits die thermischeKopplung an die umgebene Mechanik oder normaleLuftkonvektion. Bei Bedarf kann die Luftkühlleistungdurch zusätzliche Kühlkörper und forcierte Ventila-tion oder auch Flüssigkeitskühlung weiter gesteigertwerden.

6Erweiterte Aktorfunktionen: Optionen

42 PIEZOMECHANIK

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Je nach Anwendung kann es nötig sein, die Tem-peratur des Aktorstapels zu überwachen. PIEZO MECHANIK bietet verschiedene Temperatur -fühler zur Überwachung der Oberflächentemperaturvon Aktorstapeln an: z.B. Pt 100/Pt 1000 Mess -widerstände oder Thermoelemente.

Ein nützliches Temperaturmaß für den (gemittelten)thermischen Zustand des gesamten Aktorvolumensstellt auch die Kapazität des Piezoaktors dar (=> Kap. 7: Betriebshinweise, => Kap. 8: ThermischeEffekte).

Piezoaktoren können auch bei sehr tiefen Tempe-raturen bis in die Nähe des absoluten Nullpunkts alsStellglieder verwendet werden (=> Kap. 7: Betriebs-hinweise). Für einen Tieftemperaturbetrieb < -40 °Cmüssen Piezoaktoren u.U. modifiziert werden, umBeschädigungen durch thermische Verspannungenbei hohen Abkühlraten zu vermeiden.

Zusätzlich können Piezostapel z.B. auch mitkapton-isolierten Manganindrähten kontaktiert werden, um die Wärmelast bei Tiefsttemperaturan-wendungen zu minimieren. Fragen Sie hierzu beiden Fachleuten von PIEZOMECHANIK an.

6.3 Tieftemperatureinsatz

PIEZOMECHANIK 43

6.2 Temperaturmessungen

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PIEZOMECHANIK bietet Positionssensorik auf derBasis von Dehnmesstreifen (DMS) an. Es handeltsich standardmäßig um eine Wheatstone-Voll-brückenschaltung mit vier aktiven Widerstands-gittern für höchste Messempfindlichkeit (Abb. 6.2 –6.4). DMS-bestückte Aktoren können positionsgere-gelt betrieben werden (siehe z.B. RegelungPosiCon). Hierdurch wird das Stellverhalten desAktors bzgl. Hysterese, Drift etc. linearisiert, bzw.potentielle Längenänderungen des Stapels beiLaständerung ausgeglichen (=> Kap. 4.5).

Auflösung: DMS können ohne weiteres Dehnungsänderungen�L/L < 10-6 erkennen. Bei Piezoaktoren liegt daherdie Messempfindlichkeit in der GrößenordnungPromille des Aktorstellwegs (GrößenordnungNanometer bei kurzen Stapeln).

Auswertung, Messgeräte:Vollbrücken-DMS können mit der AuswerteeinheitDMS 01 oder DMS 03 bzw. der PositionsregelungPosiCon kombiniert werden.

Abb. 6.3: Dehnmessstreifen/Vollbrücke auf Piezoaktor Gitterwiderstand 1,2 kOhm, k-Faktor ca. 2.1

Abb. 6.2: Wheatstone-Brücke z.B. 1, 2 Speisespannung in3, 4 Sensorsignal out

Abb. 6.4: Piezoaktor mit Positionsdetektion Piezoansteuerung Verstärker SVR 150, Positionsmessung über DMS 01-Auswerteeinheit

44 PIEZOMECHANIK

6.4 Positionssensorik

DMS

DMS DMS

DMS

3 Lemo 1 Lemo 4 Lemo 2 Lemo

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Erhöhte mechanische VorspannungHöchstdynamische Anwendungen machen deutlichhöhere mechanische Vorspannungen nötig als sie inden Standardaktoren realisiert sind. Auf Anfrage liefert PIEZOMECHANIK Piezoaktoren mit erhöhterinterner Vorspannung.

Vakuumbetrieb Piezoaktoren von PIEZOMECHANIK sind generellhochvakuumkompatibel bis in die Größenordnung > 10-6 mbar. Es wird weder der Aktorbetrieb beein-trächtigt noch durch Ausgasungsprozesse dasVakuum kontaminiert. Beim dynamischen Betriebvon Aktoren im Vakuum muss die fehlende Kühlungdurch Luftkonvektion berücksichtigt werden. Piezoaktoren von PIEZOMECHANIK sind auch imUltraHochVakuum (UHV, bis 10-10 mbar) einsetzbar,bzw. können entsprechend modifiziert werden.Allerdings sind je nach Aktortyp bzgl. der Ausheiz-barkeit spezielle Gesichtspunkte zu beachten.

Rotierende SystemePiezoaktoren werden auch in rotierenden mechani-schen Systemen eingesetzt. Sofern die Aktorachsenicht senkrecht zur Rotationsachse des Systemsliegt, treten möglicherweise problematisch hoheBiegekräfte am Stack auf. Durch spezielle konstruk-tive Maßnahmen können potentielle Nachteile hier-aus aufgefangen werden.

Nichtmagnetische AusführungPiezokeramikstapel sind prinzipiell nicht magnetischund eignen sich daher hervorragend für alle Auf-gaben, wo

● eine mechanische Einwirkung des Magnetfelds auf den Antriebsstrang

● jede Rückwirkung auf das externe Magnetfeld

vermieden werden müssen.

Piezoaktoren können auf Anfrage vollständig ausnichtmagnetischen Materialien konfektioniert werden inkl. Gehäuse, Vorspannmechanismen, elektrische Anschlüsse etc.

Sonstige SondermaterialienBei der Konfektionierung von Piezoaktoren könnendie unterschiedlichsten Materialen und Technikeneingesetzt werden, um Sonderlösungen umzusetzen(z.B. Titan, Sonderstähle, INVAR, GFK, CFK).

PIEZOMECHANIK 45

6.5 Sonstiges

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Piezoaktoren werden hinsichtlich ihrer Leistungs-daten schon aus Kostengründen ausgereizt undstellen damit meist das schwächste Glied einerKonstruktion dar. Zusätzlich handelt es sich beiKeramik um einen Werkstoff, der generell deutlichempfindlicher auf Fehlbehandlung reagiert alsmetallische Komponenten. Dies gilt prinzipiell auchfür Piezostapel in Metallgehäusen, auch wenn dieseAnordnung letztlich robuster ist als das freieKeramikelement. Konstruktion, Handhabung undBetrieb piezomechanischer Systeme müssen demunbedingt Rechnung tragen.

„Fehlbehandlungen“ von Piezoelementen resultierennicht unbedingt in einem schlagartigen Ausfall beider ersten Inbetriebnahme, sondern äußern sicheher in einer sukzessiven Abnahme der Lebens-dauer je nach dem Grad der Fehlbehandlung. Des-wegen kann man bei bestimmten Anwendungenmit nur kurzer Gesamtbetriebsdauer Kompromisseeingehen, die sich bei sehr hohen Anforderungen andie Dauerbetriebsfestigkeit verbieten. Umgekehrtdarf aus einer erfolgreichen Kurzzeitfunktion einerAnordnung nicht auf beliebige Dauerbetriebsfestig-keit geschlossen werden.

Die Lebensdauer von Piezoaktoren kann nicht amisolierten Bauelement nach irgendeiner Standard-prozedur evaluiert und unbesehen für die unter-schiedlichsten realen Anwendungsverhältnisse vor-ausgesetzt werden. Die Lebensdauer von Piezo -aktoren hängt vielmehr von den individuellenBetriebs bedingungen ab. Bei hohen Ansprüchen andie Betriebszuverlässigkeit sind entsprechendeEvaluierungen unter Anwendung des realenBelastungskollektivs notwendig.

Auch scheinbar geringfügige Änderungen der Be-triebsbedingungen eines zuvor erfolgreich geprüftenpiezoaktorischen Systems können u.U. eine Neu-bewertung der Zuverlässigkeit nötig machen. Üblicherweise findet man in der Literatur zweiBeschreibungsweisen der Aktorzuverlässigkeit, dieim gewissen Sinne die Extremfälle eines möglichenAktorbetriebs beschreiben:

● Angabe von erreichbaren Zyklenzahlen unter bestimmten Betriebsbedingungen: Diese werdenvorzugsweise bei Anwendung mit kurzzeitdyna-mischen Belastungen und den damit verbunde-nen Degradationsmechanismen des Stapels ver-wendet (Beispiel: Piezo-Injektoren).

● Zeitangabe bzgl. eines statischen Langzeitbetriebsunter definierten Umgebungsbedingungen (Bei -spiel: Langzeit-Positionsregelung, -Stabilisierung).Beachten Sie bei einschlägigen Diskussionen, fürwelche Aktordehnungen die Lebensdauer aus -sagen gemacht werden.

In der Praxis treten natürlich alle Arten von Misch-zuständen aus beiden Anteilen auf. Die Betriebs-zuverlässigkeit lässt sich dabei nur eingeschränktauf einfache Weise aus den obigen Daten extra-polieren.

7Betriebshinweise

46 PIEZOMECHANIK

7.1 Grundsätzliches zur Aktorzuverlässigkeit

Ein Piezoaktor unterliegt folgenden Wechsel-wirkungen

● mit der angeschlossenen Mechanik

● mit der Versorgungs-/Signal-Elektronik

● mit der Umwelt: Temperatur, Atmosphäre, umgebenden Fluiden

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● Ein Piezoaktor kann auf prinzipielle Funktion akustisch überprüft werden, z.B. durch Ansteue-rung mit einem einfachen Funktionsgenerator mitca. 1 kHz/+/-5 V o.ä. (Achtung: Aktor vor Testentladen).

● Ein installierter Piezoaktor kann z.B. an ein Oszilloskop angeschlossen werden und alsSensor wirken. Durch einfaches Klopfen an dieMechanik kann man sich auch einen Überblicküber das Eigenschwingverhalten des Systemsverschaffen.

Hinweis:Eine Fehlfunktion der Elektronik ergibt zwangsläufigeine entsprechende mechanische oder akustischeReaktion des Aktors, ohne dass dieser im Geringstendefekt ist. Daher bitte vor Reklamation bzgl. einesangeblich defekten Aktors alle beteiligten System-komponenten auf Defekte hin überprüfen.

● Keramikstapel sind potentialfrei aufgebaut, die Montageendflächen sind isoliert. Bei richtigerSpannungspolarität dehnt sich ein Keramikstapelmit zunehmender Spannung aus.

● Piezoaktoren verhalten sich wie Kondensatoren.Bei entsprechenden Messungen muss daher eineeindeutige Kapazitätsangabe ausgewiesen werden.

● Bei Anlegen einer Konstantspannung stellt sich nach einigen Minuten ein beliebig kleiner Kriech-strom ein (Größenordnung < 1 µA je nach Aktor-typ). Dies entspricht im Kondensatorersatzschalt-bild einem Innenwiderstand von >> 1 Megohm.Dieser sehr hohe DC-Innenwiderstand einesfunktionierenden Piezoaktors hat nicht dasGeringste mit der Eigenerwärmungsproblematikim dynamischen Betrieb zu tun. Deutlich erhöhteDC-Ströme weisen auf unzulängliche Isolations-verhältnisse hin (=> Kap. 7.5 - 7.8). DefektePiezoaktoren (Kurzschluss) zeigen Widerständeim Bereich KiloOhm und weniger. Defekte Piezo-keramikstapel sind meist nicht reparierbar.

PIEZOMECHANIK 47

7.2 Funktionsprüfung von Aktoren

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● Piezokeramikstapel dürfen nur über die Stirn-flächen gehaltert werden (=> Abb. 1.2, „A“).Eine mechanische Belastung/Beschädigung derSeitenflächen führt zum Ausfall des Aktors. EineBerührung der Seitenflächen mit metallischenKomponenten führt im Lauf der Zeit unweigerlichzum elektrischen Überschlag. PiezomechanischeSysteme müssen daher immer einen Spalt zwi-schen Seitenflächen des Keramikstapels und denbenachbarten mechanischen Bauteilen aufweisen.

Die Stirnflächen von Piezostapeln sind DC-elektrischisoliert. Sollten sie aus polarisierter Piezokeramikbestehen, so kann im dynamischen Betrieb eine(sehr geringe) elektrische AC-Kopplung erfolgen.

● Piezoaktoren dürfen nur axialen Druckkräften ausgesetzt sein. Zug-, Dreh- und Biegekräfte amAktorstapel sind strikt zu vermeiden.

Typische Montagefehler: Seitliches Hineindrücken von Piezostapeln in eineengtolerierte Passung, eventuell unterstützt durchKlopfen. Der Ausfall des Piezostapels wäre damitgarantiert.

● Das Tastverhältnis (duty cycle) der Piezoaktivie-rung sollte möglichst niedrig gehalten werden. Zuvermeiden sind Betriebsweisen, wo der Piezo-aktor über lange Zeit systematisch auf hohemBetriebsspannungsniveau gehalten wird. Es ist dann sinnvoll, einen längeren Aktor mitgeringerer Dehnung/reduzierter Betriebsspannungzu betreiben bzw. den negativen Spannungs -bereich im semi-bipolaren Betrieb auszunützen.

● Kein Stand-by Betrieb: wird keine Piezoaktion benötigt, so ist die Versorgungselektronik abzu-schalten oder auf 0 V zu setzen.

● Passen Sie den Spannungs - und Leistungs-bereich der Elektronik immer an den Betriebs-spannungsbereich des Aktors und den konkretenLeistungsbedarf an. Spannungs- und leistungs-mäßig überdimensionierte Versorgungen führenerfahrungsgemäß irgendwann zu Beschädigun-gen bzw. Ausfall des Aktors.

● Vorsicht bei Kontakt mit chemischen Agenzien.Auf absolute Wasserfreiheit achten. Keine Dichtmittel, Kleber o.ä. verwenden, diechemisch aggressive Stoffe abspalten (z.B.Essigsäure bei Einkomponenten-Silikonmassen).Reinigung mit 100% Isopropanol vornehmen.

48 PIEZOMECHANIK

7.3 Faustregeln beim Umgang mit Piezoaktoren

● ●

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Abb. 7.1: Defekter Stapelaktor aus Hochlastbetrieb. Ausfall -ursache war eine konstruktionsbedingte Kanten belastung derKeramik. Der Ausfall erfolgte nach ca. 800 Betriebsstunden.

Abb. 7.2: Resultierender Kraftverlauf aus einer vollflächigenhomogenen Belastung der Kontaktfläche Piezoaktor-Mechanik,zulässiger Fluchtungsfehler �.

Fragen der Aktor-Performance und -Lebensdauer müssen immer imZusammenhang mit den jeweiligen Montage- und Betriebsbedingungen derPiezostapel gesehen werden.

Mechanik

Piezostapel

Ein unzureichendes Systemdesign, z.B. durch eineAktor/Mechanik-Kopplung zu geringer Steifigkeit,nicht kompensierte Fluchtungsfehler zwischen Aktorund Mechanik, Reibungsbeiträge, falsche Vorspann-mechanismen oder inhomogene Stapel belastungenkann Stellwege, Positioniergenauigkeit, Kraftent-wicklung und die Zuverlässigkeit von Piezoaktorensehr nachteilig beeinflussen oder ihren Einsatzschlichtweg sinnlos machen.

Abb. 7.1 zeigt ein typisches Schadensbild infolgeübermäßiger Kantenbelastung des Stapels. Diesewurde durch Kippkräfte aus einer nicht sachgemäßkonzipierten Anschlussmechanik verursacht. DieKeramikstruktur wurde hier im zyklischen Dauer-betrieb im Randbereich lokal zermürbt mit nach -folgendem elektrischen Durchbruch und Abbranddes Aktors.

Ankopplung von MechanikenFür die einwandfreie Funktion von Piezoaktoren und optimale Nutzung ihrer Eigenschaften beiAnkopplung externer Mechaniken/Komponentensind folgende Aspekte von zentraler Wichtigkeit:

● Die Kopplungsflächen von Aktorstapeln (Stirn-flächen) sind vollflächig und mit homogenerDruckverteilung zu belasten. Nur dadurch lassensich die spezifizierten Belastungen, Steifigkeitenund Blockierkräfte der Aktorstapel realisieren.

● Bei hohen Aktorbelastungen ist eine hohe Planitätder mechanischen Gegenstücke sicherzustellen.Die Planitätstoleranzen sollten im Mikrometer -bereich liegen. Gewöhnliche Drehflächen sinderfahrungsgemäß meist nicht ausreichend plan(=> Fläche planschleifen).

● Der aus der Druckverteilung resultierende Kraft -vektor hat den Aktorstapel weitestgehend achsennah und achsenparallel zu durchlaufen(Abb. 7.2). Die Durchtrittspunkte des Kraftvektorsan den Endflächen sollen innerhalb einesToleranzfeldes von ca. +/-10% des Aktorgesamt -querschnitts um die Aktorachse liegen. Unzu- lässige Biegekräfte und Kantenbelastungen amAktor werden so vermieden. Der akzeptable

PIEZOMECHANIK 49

7.4 Handhabung und Betrieb

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Abb. 7.3: Kopplung bei linearen Zwangsführungen: Gefahr der Kantenbelastung durch toleranzbedingte FluchtungsfehlerGegenmaßnahme: Kopplung ballig/plan oder kippflexibles Endstück

Abb. 7.4: Kopplung bei Rotationsbewegung: Gefahr einer konstruktionsbedingten KantenbelastungGegenmaßnahme: z.B. balliges Endstück

bewegliches Bauteil

falschKantenpressung

Piezostapel

bewegliches Bauteil bewegliches Bauteil

richtig

Piezostapel Piezostapel

� �

richtig

Drehachse Drehachse

falschKantenpressung

richtig

Toleranzwinkel � hängt also vom Längen/Durch-messerverhältnis der Aktoren ab: Je länger derAktor und je höher die Belastung ist, um sogenauer muss die Krafteinleitung ausgelegt sein,um Biege- und Knickkräfte zu vermeiden. Imdynamischen Betrieb hat auch der Schwerpunktdes angetriebenen Elements auf der Aktorachsezu liegen, um Drehmomente in der Beschleuni-gungsphase zu vermeiden.

● Plan-plan-Kopplungen von Aktor und MechanikPlan-plan-Kopplungen zwischen Aktorstapel undMechanik sind zulässig und unproblematisch,wenn sich mindestens einer der Fügepartnerbeim Fügevorgang und im Betrieb frei aus-richten kann. Geringe Fluchtungsfehler sind dabei tolerierbar (Abb. 7.2).Einer der beliebtesten Konstruktionsfehler istjedoch die Plan-plan-Kopplung zwischen Stapel -aktor und zwangsgeführten Mechaniken. Hier kann bereits ein kleiner Fluchtungsfehler

zwischen der Normalen der Aktorfrontfläche undFührungsachse der Mechanik zu unzulässighohen Kantenbelastungen an der Frontfläche desPiezostapels und zu Biegemomenten im Aktor-material führen, weil sich die Kontaktflächenzueinander nicht ausrichten können (Abb. 7.3, 7.4).Wegen der mehr oder weniger punktuellenBelastung des Aktors können dann die spezifi-zierten Steifigkeits-, Last- und Kraftwerte in keiner Weise mehr realisiert werden. Bei hohenBetriebskräften wird darüber hinaus die Piezo-keramik lokal zerstört werden (siehe Abb. 7.1).Konstruktive Gegenmaßnahmen wie z.B. Paarungvon Kugel/Planflächen oder Biegegelenke sindalso zwingend notwendig (Abb. 7.3, 7.4).

Diese obigen Vorschriften sind zu jedem Zeit-punkt während Montage, Handling und Betriebdes Aktorsystems zu gewährleisten (dynamischeKräfte beachten).

50 PIEZOMECHANIK

7.4 Handhabung und Betrieb

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Spannungsbereiche, PolaritätenAnschluss von Piezoaktoren: Bei piezokeramischen Stapeln ist der Pluspolbesonders markiert. Bei Gehäuseversionen vonPiezoaktoren ist das Gehäuse oft mit der Betriebs -masse verbunden (bei Anschluss mit Koaxialkabeln).Solche Aktoren werden meist in Verbindung mitSpannungsverstärkern eingesetzt. Bei Ladungs-oder Stromsteuerung werden dagegen meist poten-tialfrei aufgebaute Versionen benötigt d.h. die Aktor-betriebsmasse ist von der Gehäusemasse isoliert.

Die in den Datenblättern angegebenen maximalenBetriebsspannungen dürfen nur mit der spezifizier-ten Polarität angelegt werden. Beim Betrieb beiZimmertemperatur sind Gegenspannungen in einemkleineren Bereich zulässig. Zu hohe Gegenspannun-gen depolarisieren den Aktor oder polarisieren ihnsogar um, womit natürlich kein reguläres Antriebs-verhalten mehr gegeben ist. Die verträgliche Gegen-spannung hängt von der aktuellen Temperatur desPiezoaktors ab. (=> Kap. 9.1.5).

Unipolarer Betrieb 0 V /+ Umax

Der Unipolarbetrieb stellt die klassische Betriebs-form von Piezoaktoren dar. Der unipolare Betriebs-modus kann uneingeschränkt z.B. auch bei höhe-ren Temperaturen angewendet werden. DieStandardleistungsverstärker LE und RCV von PIEZOMECHANIK arbeiten unipolar.

Semi-bipolarer Betrieb – 0.2 Umax / + Umax

Alle Piezoaktoren von PIEZOMECHANIK können beiZimmertemperatur auch semi-bipolar betriebenwerden, d.h. in gewissem Umfang mit einer Gegen-spannung zur originalen Polung. Hierdurch ver-größern sich Kraftentwicklung und Leerlaufstellwegdes Piezostapels um 20% oder mehr im Vergleichzum unipolaren Betrieb. PIEZOMECHANIK bietet fürniedrige Leistungsbereiche standardmäßig die semi-bipolaren Versorgungen SVR an. Der semi-bipolareBetrieb kann bei höheren Aktortemperaturen nur mitEinschränkungen angewendet werden.

Bipolarer BetriebBei tiefen Temperaturen nimmt die Depolarisie-rungsfestigkeit (= Koerzitiv-Feldstärke) von Piezo-keramik stark zu (=> Kap. 9.1), daher könnenPiezostapelaktoren auch mit hohen Feldstärkensymmetrisch bipolar betrieben werden. Der damitverbundene wesentlich größere Gesamtspannungs-hub kompensiert dann zumindest teilweise die temperaturbedingte Abnahme der spezifischenDehnung des Piezostapels.

PIEZOMECHANIK bietet für den bipolaren Betriebdie Spannungsverstärkerreihe SVRbip an.

Abb.7.5. Foliengekapselter Piezoaktor PSt 150.

PIEZOMECHANIK 51

7.4 Handhabung und Betrieb

Im dynamischen Betrieb mit Eigenerwärmung derAktoren ist die Feuchtigkeitsproblematik gegen-standslos. Im Dauerbetrieb kann dann der maximaleSpannungshub genutzt werden.

Hinweis:Quasistatischer Betrieb: Die Erfahrung zeigt, dassfür den Sonderfall eines extremem Langzeitbetriebsbei hoher Dauerspannung unter tropischen Klima-verhältnissen die Lebensdauer von Standard-Piezostapeln durch den Einfluss von Luftfeuchtigkeitleiden kann. Abhilfe schafft hier entweder eine deut-liche Absenkung der max. Betriebsspannung (z.B.durch Übergang in den semi-bipolaren Betrieb) odereine hermetische Kapselung des piezokeramischenStapels (=> Abb. 7.5).Foliengekapselte Aktoren PSt 150 haben beiKlimatests 20°C/85% relative Feuchte bei 150 V DCeine Testdauer von zwei Jahren ohne jeglicheDegradation überstanden.

Elektrische Aspekte

Die Bewegungscharakteristik und Dynamikeines piezoaktorischen Systems wirdwesentlich von der Auslegung der elektroni-schen Ansteuerung bestimmt!

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Thermische Aspekte● Dynamischer Leistungsbetrieb führt zu Eigen-

erwärmung der Piezokeramik. Diese muss durchgeeignete Kühlmaßnahmen begrenzt werden.Anderweitig droht Überhitzung mit Verschlechte-rung der Betriebsdaten bzw. Zerstörung desAktors.

● Piezoringaktoren sind thermisch wesentlich effizi-enter kontrollierbar als massive Stapelaktoren (=> Kap. 5.4).

● Die elektrische Kapazität von Piezoaktoren hängtdeutlich von der Stapeltemperatur ab (Zunahme> 50% für Temperaturen > 100 °C im Vergleich zu RT). Möglichst niedrige Stapeltemperaturenreduzieren die Leistungsaufnahme und Energie-verluste im dynamischen Betrieb.

● Piezokeramische Stapel können direkt in geeig-neten Kühlflüssigkeiten gelagert werden (=> Kap. 7.6).

● Die Depolarisierungsfestigkeit von Piezomateria-lien ist deutlich temperaturabhängig. Je nachTemperaturbereich können unterschiedlicheBetriebsspannungsbereiche angewendet werden(unipolar, semi-bipolar, bipolar, siehe auch Kap. 9.1.5).

● PIEZOMECHANIK bietet mit der Option „Thermo-stable“ ein hocheffizientes Wärmemanagementfür den dynamischen Aktorbetrieb an. Die Abmessungen werden dabei gegenüber denkatalogmäßigen Standardaktoren nicht geändert(=> Kap. 6.1).

Temperaturmessungen am StackInfolge der geringen Wärmeleitfähigkeit von Piezo-keramik ergibt sich im dynamischen Betrieb insbesondere bei großvolumigen Aktoren ein Tem-peraturunterschied zwischen Aktorkern und seinerOberfläche. Die Messung der Oberflächentempera-tur eines großvolumigen Stacks gibt daher nur eineungefähre Information über die Kerntemperatur desKeramikstapels. Zusätzliche Temperaturinformationkann aus der elektrischen Kapazität des Piezoaktorsgewonnen werden.

Maximale Betriebs- und Lagertemperaturen Die oft zitierte Curietemperatur definiert i.A. nichtdie Betriebstemperaturgrenze von Piezoaktoren.Vielmehr liegt diese aus verschiedenen Gründenmeist deutlich niedriger:

● zunehmende Verschlechterung der Kenndaten des Aktors ab ca. 2/3 der Curietemperatur (z.B.Stellwegverhalten)

● Zunahme der Energieverluste (zusätzliche Eigen-erwärmung)

● beginnende elektrische Leitfähigkeit der Piezo-keramik (abhängig vom Keramiktyp)

● Temperaturgrenzen von Isolationsmaterialien,Beschichtungen, elektrischen Kontaktmaterialien.

Hochtemperaturpiezoaktoren sind ausgelegt fürBetriebstemperaturen bis 150 °C. Die Lagertempe-raturen von inaktiven Piezostapeln kann u.U. höherliegen als die Betriebstemperaturgrenze:

■ BeispielAusheizbarkeit für UHV-Anwendungen: Piezo -aktoren aus weicher Piezokeramik mit sehr niedrigerCurietemperatur können im Prinzip über dieCurietemperatur hinaus ausgeheizt werden. NachAbkühlung des Aktors wird der Piezostapel imersten Arbeitszyklus bei Anlegen einer höherenBetriebsspannung problemlos repolarisiert.Allerdings ist im Einzelfall zu überprüfen, ob dieseVorgehensweise mit den anderen Gesichtspunktendes Hochtemperatureinsatzes verträglich ist.

52 PIEZOMECHANIK

7.4 Handhabung und Betrieb

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Minimale Betriebs- und LagertemperaturenPiezoaktoren können bei niedrigen Temperaturenbis in den Cryo-Bereich (< LN2, LHe) gelagert undbetrieben werden. Die Eigenschaften der Piezo-aktoren ändern sich nachhaltig mit sinkenderTemperatur:

● die Kapazität nimmt deutlich ab

● der Hub/Volt nimmt ab

● das Ausdehnungsverhalten wird linearisiert (deutliche Reduktion von Hysterese und Drift)

● die Stabilität gegenüber Gegenfeldstärken nimmt stark zu => bipolarer Betrieb möglich

● der elektrische Verlustfaktor nimmt deutlich ab

TieftemperaturbetriebPiezoaktoren können auch bei sehr tiefen Tempera-turen bis in die Nähe des absoluten Nullpunkts alsStellglieder verwendet werden. Der Aktorhub nimmtdabei stetig ab von 100% bei Raumtemperatur auf ca. 5 % bei 4 Kelvin. Teilweise kann dieserAktivitätsverlust bei niedrigen Temperaturen durchÜbergang auf bipolaren Betrieb und erhöhteBetriebsspannungen kompensiert werden. DaKapazität und Verlustfaktor von Piezoaktoren eben-falls mit der Temperatur drastisch sinken, ist dieWärmeentwicklung im dynamischen Betrieb eben-falls stark reduziert.

Piezoaktoren in Tieftemperaturanordnungen solltenvorzugsweise druckgekoppelt in Verbindung miteiner vorgespannten Mechanik betrieben werden(=> Kap 4.9, mechanische Vorspannung).

PIEZOMECHANIK 53

7.4 Handhabung und Betrieb

Bei der Abkühlung mechanischer Strukturen könneninfolge unterschiedlicher Ausdehnungskoeffizientender beteiligten Materialien und unterschiedlichenAbkühlgeschwindigkeiten der beteiligten Kompo -nenten große mechanische Spannungen entstehen.Unter halb von ca. -40 °C müssen Piezoaktorenmöglicherweise in einigen Details an den Cryo-Betrieb angepasst werden. Setzen Sie sich mit PIEZOMECHANIK in Verbindung.

Piezokeramik weist eine relativ hohe Wärmekapa-zität /Volumen und geringe Wärmeleitfähigkeit auf.

Nach einem Tieftemperatureinsatz erwärmen sichPiezoaktoren bei normaler Umgebungstemperaturnur sehr langsam. Deshalb wird u.U. Feuchtigkeitüber Kabelanschlüsse/Arbeitsöffnungen ins Innerevon Standardgehäusen gezogen. Ein Betrieb derAktoren nach einer Aufwärmphase darf dann nurerfolgen, wenn der Standardaktor zuverlässig überder Umgebungstemperatur ausgeheizt wurde (> Temperaturen 60 °C). Durch Beobachtung derAktorkapazität kann erkannt werden, wann derAktor homogen erwärmt ist. Konsequente Abhilfebei dieser Problematik wird durch Kapselung desAktors erreicht.

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7.5 Klebungen - Kontaktierung - Chemie

54 PIEZOMECHANIK

Piezokeramische Stapel werden häufig in die dazu-gehörigen Mechaniken eingeklebt, bzw. mit Schutz-überzügen oder Vergussmassen kombiniert. In allenFällen ist darauf zu achten, dass die verwendetenStoffe nicht-korrosiv sind. Marktübliche Einkompo-nenten-Silikonkleber und Dichtmassen spalten häu-fig Essigsäure ab, die im Laufe der Zeit die üblichenIsolationsbeschichtungen der Aktoren spurenweisedurchdringen können. Im Laufe der Betriebszeit trittdann zunehmend Elektrokorrosion auf der Ober-fläche des Stapels mit finalem Kurzschluss auf.

Abb. 7.6: Verzerrung und reduzierte Dehnung eines dünnenPiezochips bei hartspröder Verklebung mit einem starrenSubstrat.

Abb.7.7: Biegeeffekt bei Verkleben dünner Substrate mitflächigen Piezoelementen

Klebefuge

aktivierte PZT-Schicht

aktivierte PZT-Schicht

Substrat

Substrat

Bei großflächigen Klebungen mit hartspröderKopplung kann infolge der behinderten Aktorquer-kontraktion (d31-Effekt) die Anordnung verbogenwerden oder verkippen, der axiale Stellweg ist reduziert, z.B. bei Klebung großflächiger Optikenoder Planspiegel (Abb. 7.6/7.7).Bei Tieftemperaturanwendungen ist bei Kleber-einsatz etc. generell auf Versprödung zu achten umunzulässig hohen Schrumpf zu vermeiden.

Erfahrungsgemäß können zur Verklebung der Stirn-flächen der Stapel Epoxidharze, Cyanoacrylate,Polyurethane problemlos verwendet werden. MitEpoxidharzen könne dünne Klebefugen realisiertwerden, womit auch kaum mechanische Kopplungs-verluste zu externen Mechaniken auftreten. ZurErzielung qualitativ hochwertiger und spannungs-freier Klebungen sollten keine Schnellkleber welcherArt auch immer verwendet werden. Um mechani-sche Verspannungen zu vermeiden, soll die Aus-härtezeit mindestens 1 Stunde bei Raumtemperaturbetragen.

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PIEZOMECHANIK 55

Materialvorschläge

● lösbare VerbindungenHaft-/Klebewachse Schmelzpunkt 70 °C z.B. Fa. Logitech Ltd. Glasgow

● dauerhafte Klebungenim technischen Temperaturbereich -50 °C bis +120 °CHochwertige ungefüllte zweikomponentenEpoxyd harze mit WarmaushärtungEpo-Tek, Araldite, UHU-Plus endfest 300(zur Vermeidung von mechanischen Spannungen:z.B. Anhärten bei erhöhter Temperatur, Endaus-härtung bei Raumtemperatur bzw. langsameTemperaturprofile fahren, Temperung).Ausgasungsarme Epoxykleber für den Vakuum-und Cryo-Bereich: Stycast 2850 FT, TorrSeal

● provisorische KlebungenCyanoacrylate (Sekundenkleber): ergeben dickereund damit flexiblere Klebefugen. Achtung: nurbegrenzte Haltbarkeit der Klebefugen

● VergussmassenAlle Arten von additionsvernetzenden 2-Kompo-nenten-Silikonen RTV2Bei Kondensationsvernetzung auf Spaltprodukteachten.

● DichtmassenNicht-korrosive Silikon RTV1-Massen/Silikon-kleber, Acrylbasierte Dichtmassen

● Flüssigkeiten (Kühlmittel, Reinigungsmittel)Generelle Eigenschaften: wasserfrei, nichtionisch,nicht aggressiv gegenüber Polymerbeschich-tungen: z.B. Alkohole (Isopropyl 100%), Silicon-Öle, Benzine, Treibstoffe, Trafo-Öle, (Verträglich-keit mit der Aktorbeschichtung vorher prüfenbzw. bei PIEZOMECHANIK rückfragen).

Zu vermeiden oder nur kurzzeitig anzuwenden:Aceton oder andere Ketone.

● KontaktierungenPiezoelemente können durch Verwendung vonLeitklebern und -lacken, Lötungen undKlemmkontakten elektrisch kontaktiert werden.Für Leitkleber und -lacke gelten ähnliche Überlegungen wie für die allgemeinen Kleber-vorschriften.

LötenPiezoelektrische Bauteile weisen als Arbeits-elektroden nur sehr dünne Metallisierungs-schichten (Schichtdicken Größenordnung1 µm) auf. Ein Problem ist das Auflösen derMetallisierung im Lötzinn bei ungeschickterLötprozedur.

● Für ein korrektes Löten können durchausStandardlötmittel verwendet werden.

● moderate Löttemperatur (Lötspitzen-temperatur ca. 300 - 350 °C),

● kleine Lötspitze

● punktuell ausgeführte Lötung

● kurze Aufschmelzphase auf der Keramik vonwenigen Sekunden

● nicht-korrosive Flussmittel verwenden,sorgfältige Reinigung der Lötstelle nach derLötung

7.5 Klebungen - Kontaktierung - Chemie

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UmwelteinflüssePiezostapelaktoren sind sensible elektrische Gebildemit hohen elektrischen Betriebsfeldstärken in derNähe der Keramikoberfläche. Jeglicher Kontakt mitElektrolyten (Fingerschweiß!) oder wässrigenAgenzien ist zu vermeiden. Schadstoffbelastetehohe Luftfeuchtigkeit (Aerosole) ist im Langzeit -betrieb von Piezoaktoren nachteilig. Gegenmaß -nahmen sind Reduzierung der Betriebsspannungoder Kapselung des Piezostapel (z.B. => Abb. 7.5).

VakuumbetriebPiezoaktoren in Standardausführung von PIEZO MECHANIK sind generell hochvakuumtauglich.Einschränkungen bestehen bei Feinvakuum mitDrücken im Bereich mbar: Hochvoltaktoren: auf der Aktoroberfläche zündetu.U. eine elektrische Glimmentladung. Die Betriebs -spannung muss daher deutlich abgesenkt werden.Niedervoltaktoren von PIEZOMECHANIK können im Feinvakuum dagegen problemlos betrieben werden.

Edelgase, WasserstoffEdelgase insbesondere Helium, sowie Wasserstoffin der Atmosphäre können leicht Glimmentladungenzünden. Zusätzlich sind sie z.T. sehr diffusionsfreu-dig und können leicht in die Keramik und Isolations-materialien eindringen und die Spannungsfestigkeit

schwächen. Ähnlich wie bei der Glimmentladungs-problematik sind für solche BetriebsbedingungenNiedervoltaktoren eher geeignet als Hochvolt -aktoren.

StrahlungsresistenzPiezoaktoren können hochenergetischer Strahlungoder Neutronenflüssen ausgesetzt werden (z.B. Synchrotronanlagen, Resonator tuning beiBeschleunigern im Zusammenhang mit Spallations-neutronenquellen). Erfahrungsgemäß degradiert diebleihaltige Piezokeramik unter Strahlenbelastungnicht.

WeltraumeinsatzDie Einsatztauglichkeit von Piezoaktoren bei tiefenTemperaturen, Vakuumbedingungen und Strahlen-resistenz prädestinieren Piezoaktoren für Weltraum-anwendungen

Ex-BereichPiezoaktoren eignen sich auch für den Einsatz inexplosionsgefährdeter Umgebung:

● Keine funktionsbedingten Funkenbildungen an elektrischen Kontaktflächen.

● Niedriger Energieumsatz bei Stellbewegungen mitniedriger Wiederholrate. Im Stand-by-Betrieb wirdkeine Energie umgesetzt.

56 PIEZOMECHANIK

7.6 Sonstiges

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Bei Piezoaktoren werden keine „Quarze“ oder „Kristalle“ verwendet, sondernspezielle oxidische Keramikwerkstoffe auf der Basis des PZT-Systems (Blei (Pb),Zirkon (Zr), Titan (Ti) ). Der Grund ist deren wesentlich größere „Wandler-Effizienz“im Vergleich zu Quarz.

Durch verschiedene Maßnahmen (z.B. Stöchiometrieund Dotierung) können die piezoelektrischenEigenschaften dieser Substanzklasse in weitenBereichen variiert werden. Deswegen gibt es eineVielzahl von PZT-Keramikformulierungen für unter-schiedliche Anwendungen.

Um etwaige Illusionen einzugrenzen: Nicht alle wünschenswerten Eigenschaften könnengleichzeitig bei einem bestimmten Material umge-setzt werden. In Anbetracht der sehr vielschichtigenAnforderungen an einen Aktor ist die Materialwahlimmer kompromissbehaftet.

Hinweis:PIEZOMECHANIK verwendet für den Aktorbaumeist sog. „weiche“ oder „semi-harte“ Keramiken,mit hohen Dehnungsraten und Energieumsätzen imEinzelzyklus (nicht-resonanter Betrieb! ).

8Eigenschaften von Piezokeramiken

PIEZOMECHANIK 57

PZT-basierte Piezokeramik blickt inzwischen aufeine mehr als 50-jährige Einsatzerfahrung zurück.Alternative Materialien z.T. mit „Supereigenschaften“wie z.B. wesentlich höheren Dehnungen werdenimmer wieder diskutiert. Die punktuell besserenKennwerte solcher Stoffe sind allerdings mit massi-ven praxisrelevanten Nachteilen an anderer Stelleverknüpft. Piezokeramik dürfte also auch für die nächsten Zeiten das Material der Wahl für festkörperaktorische Anwendungen bleiben.

Aus Gründen der Vergleichbarkeit mitPiezomate rialien anderer Hersteller sind in derTabelle sog. Kleinsignalwerte angegeben. Sieergeben sich bei der Ansteuerung derKeramiken mit sehr kleinen Feldstärken, woNichtlinearitäten noch nicht wirksam sind.Hysterese und Drifterscheinungen sind starkreduziert. Die für den Aktorbetrieb typischenhohen Feldstärken führen zu den hiervonabweichenden sog. Großsignalverhalten derKeramik (Ferro-Effekt! ).Die Tabellenwerte gelten bei Raumtemperatur !

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Piezomechanische Daten

Piezokeramik der Stapelaktoren PSt 150Die Stapelaktoren PSt 150 bewähren sich seitJahrzehnten als „general purpose“-Aktoren z.B. fürPositionieraufgaben mit niedriger und mittlereDynamik.

Piezokeramik HS/HT für NV-Aktoren PSt-HD 200, PiezoChips PSt 150 Standardmaterial für Hochvoltaktoren (H)PSt 500und 1000Die PZT-Keramik HS/HT stellt u.a. das Standard -material für den Hochvoltaktorbau dar. Es ist einhochtemperaturfähiges, hochdehnendes Material,dessen Materialdaten vergleichsweise wenig mit derTemperatur variieren (Einsatzbereich bis 150 °C,kuzzeitig auch höher.). Das Material wird u.a. beiPiezo-Injektoren verwendet.

Piezokeramik HP (high power) für HV AktorenMit dem hoch dielektrischen Power-Material HPwerden höhere Dehnungen und Blockierkräfteerzeugt als z.B. mit dem Materialtyp HS/HT. Dermechanisch nutzbare Energiegehalt ist (je nachAnwendung) fast doppelt so hoch. Die hohe„Arbeitsfähigkeit“ findet insbesondere Anwendun-gen im Bereich Motion Control, aktive Strukturen,Hochdruck-Pumpenantriebe.Das HP-Material hat eine geringere Curietemperaturals das Material HS/HT. Bei Anwendungen mit hohem Leistungsumsatz istauf effiziente Kühlung zu achten.

Abb. 8.1: Spannungs-Weg-Diagramm (normiert) von Stapelaktoren PSt 150

Abb. 8.2: Spannungs-Weg-Diagramm (normiert) von Aktorenauf der Basis der HS/HT-Keramik

Abb. 8.3: Spannungs-Weg-Diagramm (normiert) von HV-Aktoren auf der Basis der HP-Piezokeramik

58 PIEZOMECHANIK

8 Eigenschaften von Piezokeramiken

� l

� lmax

1

0 +Umax

� l

� lmax

1

0 +Umax

� l

� lmax

1

0 +Umax

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Kleinsignal-Daten bei Raumtemperatur RT

PSt 150 Stapel PZT HS/HT PZT HP

εrel 5.400 1.850 3.800Verlustfaktor (10-4) 0.200 0.130 0.160

KopplungsfaktorenKp 0000,62 000 0,62 0000,65K31 0000,34 000 0,34 0000,38K33 0000,68 000 0,72 0000,74

Piezoelektrische Ladungskonstanten (Picometer/Volt)d31 0-290 0-190 0-275d33 0-635 --440 --680

Elast. Konstante (10-12 m2/N)S11

E 00 14,8 00 18,5 00 15,8S33

E 00 18,1 00 20,7 00 23

Frequenzkonstanten (m/sec)Radial 2.040 2.020 1.960Dickenschwingung 1.800 2.030 1.885Transversalschwingung 1.410 1.325 1.420Longitudinal 1.370 1.250 1.190

Gütefaktor (Resonanz) 0.070 00 80 00,80

Dichte (g/cm3) 0.008 000 7,74 000 7,83

Curietemperatur °C 0.150 0 340 0 215Spez. Wärme Ws/°K kg .0380 0 380 0 380Wärmeleitfähigkeit Ws/m K (axial) ca. 1,5 ca. 1,5 ca. 1,5

Piezokeramiken weisen aufgrund ihrer Domänenstruktur ein ferro-elektrisches und ferro-elastischesVerhalten auf: Viele piezokeramische Kennwerte sind nichtlinear, d.h. abhängig von der elektrischenAnsteuerfeldstärke (Kapazität, Dehnungsverhalten, elastische Konstanten).

Beispiel PZT-HS/HT Kleinsignal (E << 100 V/mm) Großsignal 2 kV/mm

ε 1.850 3.500d31 (Picometer/Volt) 000-190 0-270d33 (Picometer/Volt) 0000440 00640e-mod33 (109 N/m2) 0000065 00030

Das E-Modul ist im Großsignalbetrieb (also bei großen Spannungsänderungen) deutlich kleiner als imKleinsignalbetrieb (=> Erniedrigung der Resonanzfrequenz).

PIEZOMECHANIK 59

8 Eigenschaften von Piezokeramiken

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Temperatureffekte

KapazitätszunahmeDie Dielektrizitätskonstante von Piezokeramik istdeutlich temperaturabhängig.Die Aktorkapazität nimmt bei gängigen Materialienbei Erwärmung von RT auf 80 °C um ca. 40% zu. Dies ist bei der Auswahl von Verstärkern für dendynamischen Aktorbetrieb zu berücksichtigen (=> Kap. 9.3).

WärmeausdehnungAxialer thermischer Ausdehnungskoeffizient αim Bereich -40 °C bis +120 °C

NV-Aktoren HV-Aktoren von PIEZOMECHANIK- 5 ppm/°K ca. 0 bis + 2 ppm/°K

Die Messung erfolgt am piezokeramischen Stapelim kurzgeschlossenen Zustand bzw. bei konstanterAnsteuerspannung.

HV-Aktoren von PIEZOMECHANIK haben einen sehrniedrigen thermischen Ausdehnungskoeffizienten.Ursache hierfür ist die Composite-Struktur desStapels aus PZT-Keramik (α negativ) und Metall-elektroden mit positivem Ausdehnungskoeffizienten.Bei Piezoaktoren mit metallischen Endstücken sindderen Beiträge zur thermischen Gesamtdehnung zuberücksichtigen (bei NV-Aktoren Kompensation desnegativen Dehnungskoeffizienten).

Piezoaktoren mit GehäuseBei Montage eines Aktors über seine mechanischenEndstücke liegt das Gehäuserohr nicht in derBewegungsübertragung und ist deswegen bzgl.einer thermischen Drift nicht wirksam. Bei Klemm -montage der Aktoren über den Gehäuseumfangoder bei den Einschraubtypen FPSt sind allerdingsdie Beiträge der entsprechenden Gehäuse -abschnitte zur thermischen Dehnung zu berücksich-tigen.

Temperaturabhängigkeit der PiezoeffizienzBei Piezoaktoren mit niedrigen Curietemperaturennimmt die Aktordehnung zu höheren Temperaturenhin geringfügig ab.z.B. Ausdehnung PSt 150/5x5/20 bei 0 V/150 V

20 µm bei RT19 µm bei 80 °C

Piezomaterialien mit hoher Curietemperatur Tc

(z.B. Keramik HS/HT) zeigen eine geringe Zunahmeder Dehnung von ca. 5% bei Temperaturerhöhungauf 100 °C.

PyroelektrizitätPiezokeramik erzeugt auch infolge von Temperatur-änderungen elektrische Ladung, d.h. bei offenenAnschlüssen können sich dann erheblicheSpannungen aufbauen. Diese können sich beiunvorsichtigem Hantieren mit dem Aktor äußerststörend bemerkbar machen. Für den eigentlichenAktorbetrieb ist der Effekt irrelevant.

60 PIEZOMECHANIK

8 Eigenschaften von Piezokeramiken

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Elektrostriktive KeramikElektrostriktive Keramik kann als eine Art Piezo-keramik aufgefasst werden, die bei der Curietem-peratur betrieben wird, d.h. im Bereich des Phasenübergangs „ferroelektrisch-parelektrisch“.

Spezielle elektrostriktive Materialklassen wie dasPMN-PT-Mischsystem (Blei-Magnesium-Niobat /Bleititanat) können auf Curietemperaturen Tc imBereich der Raumtemperatur eingestellt werden. Ein elektrostriktiver Aktorstapel weist dann folgendetypische Eigenschaften auf:

● axiale Stapeldehnung ca. 1 ‰

● Hysterese bei Spannungssteuerung nur 1- 2%

● keine Drift nach Spannungsänderung

Elektrostriktoren weisen im ungeregelten Positionier-betrieb demnach eine bessere Steuerbarkeit undStabilität auf als Piezoaktoren, die für eine ähnlichePerformance bereits geregelt betrieben werdenmüssen. Bei hohen Ansprüchen an die Positionier-genauigkeit unter Einbeziehung von externenStöreinflüssen müssten aber auch Elektrostriktorengeregelt betrieben werden. Ein weiterer Nachteil von elektrostriktiver Keramikist die Temperaturempfindlichkeit des Effekts: Diebeschriebenen optimalen Eigenschaften sind nur ineinem engen Temperaturbereich zu realisieren (RT +/- 5 °C). In Summe dieser Umstände haben elektrostriktiveAktoren keine Marktakzeptanz gefunden. IhreAnwendung ist auf seltene Spezialfälle beschränkt.

Vergleich PZT-Aktorkeramik – UltraschallkeramikDer springende Punkt der Ultraschallkeramik ist ihrsehr hoher Resonanzgütefaktor, d.h. die Fähigkeitmechanische Schwingungsenergie effektiv zu speichern (sog. piezoelektrisch harte Keramik). ImDauerbetrieb bauen sich so große Schwingungs-amplituden durch Resonanzüberhöhung auf. (=> Kap. 5.5)Im nicht-resonanten Betrieb arbeitet aber weicheAktorkeramik wesentlich effektiver: Im einzelnenArbeitszyklus wird wesentlich mehr Energie elektro-mechanisch umgesetzt. Es werden deutlich größereDehnungen erreicht. Dies drückt sich im großen Wandlerfaktor d33 undder größeren Dielektrizitäts-konstante ε aus (elektri-sche Energieaufnahme) !

Parameter Ultraschall- Aktor-keramik keramik HP

Schwingungsgüte > 1.000 00.70

Piezoelektr. Ladungs- > 0.240 0.680konstante d33

(Picometer/Volt)

Rel. diel. Konstante ε > 1.000 3.800

Curietemperatur Tc °C 0>. 310 0.215

PIEZOMECHANIK 61

8 Eigenschaften von Piezokeramiken

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9.1 Elektrische Ansteuerung und piezomechanische Reaktion

Piezoaktoren setzen zur Bewegungserzeugung elektrische Energie in mechanischeEnergie um. Der elektrische Energiegehalt E eines Aktors hängt nur vom Volumender Piezokeramik und der angelegten elektrischen Feldstärke ab.

Umgesetzt in die üblichen elektrischen Betriebs-größen läuft dies hinaus auf

E = ½ CU2 C AktorkapazitätU aktuelle Spannung am Aktor

Es ist vor allem beim dynamischen Betrieb sichereine berechtigte Strategie, die elektrische Leistungs-aufnahme des Aktors zur Erzeugung eines be-stimmten Bewegungsprofils minimieren zu wollen.Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass dieHöhe der elektrischen Energieeinkopplung eben

durch eine ausreichend große Aktorkapazitätbestimmt wird. Denn auch bei der Piezoaktorik giltnatürlich, dass mechanisch nicht mehr herausgeholtwerden kann als elektrisch hineingesteckt wird. Diehäufig geäußerte Forderung nach „beliebig kleinenAktorkapazitäten“ relativiert sich schon aus diesemGrund. Sie bleibt aber weitgehend sinnfrei, solangenicht auch der anzuwendende Spannungshub Uberücksichtigt wird. Dies ist vor allem beim Ver-gleich zwischen Niedervolt- und Hochvolt-Aktorenentscheidend.

VerstärkerrauschenEine wesentliche Eigenschaft von Piezoaktoren istdie Umsetzung kleinster Spannungsänderungen inentsprechende mechanische Stellbewegungen oderKraftänderungen. Konsequenterweise passiert dasdann aber auch mit Spannungsunsicherheiten, z.B.dem Rauschen der Versorgungselektronik. Dies wirdin ein entsprechendes mechanisches/akustischesRauschen umgesetzt, d.h. in eine entsprechendePositionsunsicherheit. Damit bestimmt die Elek-tronik das Auflösungsvermögen und nicht derPiezoaktor selbst.Die durch das Elektronikrauschen bedingte Posi-tionsunsicherheit �lrausch kann abgeschätzt werden zu

� lrausch = �Urausch x (� lmax/Umax)

Das Rauschen von Elektroniken nimmt tendenziellmit der Verstärkerleistung und Bandbreite zu, bzw.die Rauschreduktion erfordert einen erhöhtenAufwand.

PIEZOMECHANIK bietet bei den AnalogverstärkernSVR Geräte mit sehr niedrigen Rauschpegeln an.Diese eignen sich damit insbesondere für höchst-genaue Positionieranwendungen.

■ BeispielBei einer Kombination eines Aktors PSt 150/7/20 VS 12 (Hub 20 µm bei 0 V/+150), mit einerSpannungs versorgung SVR 150/Rauschpegel�Urausch = 0,3 mVpp ergibt sich eine Rausch -unsicherheit von nominell 0,04 Nanometern. Wegendes Kleinsignalverhaltens der Keramikdehnung liegtdas reale Positionsrauschen nochmals deutlichunter diesem Wert.

9Elektrische Ansteuerungen

62 PIEZOMECHANIK

Die Bewegungscharakteristik eines piezomechanischen Systems wird nicht nurdurch den Piezostapel bestimmt, sondern ganz wesentlich durch die Leistungs -fähigkeit der elektrischen Ansteuerung.

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Spitzenströme Ipeak, PulsbetriebEin Piezoaktor soll innerhalb einer Zeitspanne dt umeinen bestimmten Weg �l verstellt werden. Die ent-sprechend schnelle Spannungsänderung am Aktorerfordert daher einen ausreichend großen Lade-strom I gemäß

momentaner Strom Im (t) = C dU(t)/dtC Aktorkapazität

Der durch den gewünschten Signalverlauf definierteMaximalwert von Im ist der sog. Peakstrom Ipeak, dervon der Elektronik bereitgestellt werden muss.

Spezialfälle:Sinus: Ipeak = � C Upp fDreieck: Ipeak = C Upp fRechteck: Ipeak = C Upp/dtAnstiegszeit dt, Aktorkapazität C, Frequenz f,Spannungshub �U = Upp.

Die Peakströme können insbesondere bei hoch-dynamischen Anwendungen beträchtlich werden.

■ BeispielPiezoaktor mit 5 µFaradeff, Upp : 0 – 150 V,Ladevorgang mit Ladezeit dtL

dtL = 100 msec = > Ipeak = 7,5 mAAnwendung z.B. Positionierung mit niedrigerDynamik, z.B. Verstärker SVR 150

dtL = 1 msec => Ipeak = 750 mAPositionieraufgabe mit erhöhter Dynamik, z.B. Materialprüfung, Verstärker LE 150/100

dtL= 150 µsec => Ipeak = 5 APiezoinjektoren, Verstärker LE 200/500 oderSchalter HVP

dtL = 10 µsec => Ipeak = 75 AStoßanregung: Pulsgenerator HVP200

Insbesondere für Schaltzeiten < 1 msec sind dieAktoren in ihrem Aufbau an die hohen Beschleu-nigungen und Kräfte anzupassen (=> Kap. 4.9,mechan. Vorspannung) !

PIEZOMECHANIK 63

9.1 Elektrische Ansteuerung und piezomechanische Reaktion

SchaltbetriebPiezoaktoren werden bei diversen Anwendungennur zwischen zwei Positionen schnell hin- und her-geschaltet, z.B. „offen – zu“ bei Ventilbetätigungen.Wenn Schaltzeiten von deutlich unter 1 msecerreicht werden sollen, steigt der nötige Peakstrom Ipeak dramatisch an. Bei Großaktoren und kürzestenSchaltzeiten werden u.U. Werte bis in die Größen-ordnung 100 Ampere erreicht. Für den Schaltbetriebverwendet man keine übliche Verstärkeranordnung,

sondern einfachere Leistungsschalter. Hier bietetPIEZO MECHANIK mit den Hochspannungs pulsernHVP kostengünstige Lösungen an.

Piezoaktoren müssen an den Pulsbetrieb ange-passt sein. Standardaktoren ohne solcheAnpassungen werden im Pulsbetrieb auchbereits bei kleinen Dehnungen nach wenigenZyklen geschädigt.

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Energie- / LeistungsbilanzenDie vom Aktor aufgenommene elektrische Energie Ewird in einer piezomechanischen Anordnung umge-setzt in

Mechanische Arbeitz.B. Verschiebearbeit, elastische Arbeit (=> Kap. 4.2)

Verlustleistungbeträgt typischerweise 5 - 20% der aufgenomme-nen elektrischen Energie (abhängig von den mecha-nischen Betriebsbedingungen) => Eigenerwärmungdes Aktors (=> Kap. 5.3).

Elektrische Restenergie,die im Aktor gespeichert bleibt und beim Entladendes Aktors in den Verstärker zurückgespeist wird(siehe auch Hinweis).

Mittlere elektrische LadeleistungBei einer Wiederholrate (Frequenz) f der Bewegungergibt sich eine gemittelte elektrische Leistungsauf-nahme P = E f.Ein Piezoaktor mit 10 µFarad Kapazität nimmt bei100 Hz/Spannungshub 100 Volt eine mittlere elektri-sche Leistung von 5 Watt auf.

Hinweis:Der Piezoaktorbetrieb weist einen großen Blindlast-anteil auf, d.h. die elektrisch eingespeiste Energiewird teilweise lediglich kapazitiv gespeichert undnicht in mechanische Arbeit umgewandelt.Elektronische Ansteuerungen müssen daher alsStromquellen und -senken wirken, um bei derAktorentladung die Rückspeisung der gespeicher-ten elektrischen Energie handhaben zu können.Analogverstärker verheizen diese elektrische Energiein der Endstufe.

64 PIEZOMECHANIK

9.1 Elektrische Ansteuerung und piezomechanische Reaktion

Dauerströme ĪWerden Piezoaktoren in einem oszillierenden Dauer-betrieb gefahren, muss die elektrische Versorgungden Piezoaktor (Kapazität C) mit der gewünschtenZyklenzahl pro Sekunde (Frequenz, Wiederholrate f)laden und entladen.

Der gemittelte Lade/Entladestrom Ī (Dauerstrom)beträgt entsprechend

Ī = C �U f �U = Upp Spannungshub am Aktor

Ein Verstärker muss insgesamt sowohl angepasstePeak- als auch Dauerströme liefern, um einen oszil-lierenden Dauerbetrieb mit vorgegebener Signal-funktion zu erreichen.

Bei periodischen Signalfunktionen stehen Ipeak und Īin einem festen Verhältnis

Ipeak / Ī = 1 für DreieckssignalIpeak / Ī = � für Sinussignal

Insbesondere die Leistungsverstärker LE und RCVsind vorzugsweise ausgelegt für ein Ipeak/ Ī-Verhältnisvon ca. 3 für einen hochfrequenten harmonischenDauerleistungsbetrieb von Aktoren.

Hingegen können sog. Schaltverstärker (z.B. TypenRCV) die rückgespeiste Energie für den nächstenAnsteuerzyklus des Aktors zwischenspeichern underhöhen damit entscheidend den Gesamtwirkungs-grad der Anordnung (energy recuperation, Energie-rückgewinnung). Nur mit Schaltverstärkern könnenAktorleistungen im KiloWattbereich mit erträglichemAufwand realisiert werden.

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Unipolarer/semi-bipolarer/bipolarer BetriebKlassisch wurden Piezoaktoren meist unipolar 0V/Umax angesteuert. Es ist aber Erfahrungstatsache,dass Piezokeramik je nach Randbedingung auchmit Gegenspannungen zuverlässig betrieben wer-den kann, wodurch sich der Gesamtspannungshubam Aktor erhöht und damit Stellweg und Kraft -entwicklung. Der wesentliche Aspekt ist dabei dieDepolarisierungsspannung des Aktors bzw.Depolarisierungsfeldstärke (Koerzitiv-Feldstärke) derverwendeten Keramik. Die oben beschriebenenegative Betriebsspannung am Aktor hat dabeideutlich kleiner zu sein als die Depolarisierungs -spannung, um unerwünschte Aktorreaktionen zuvermeiden. Die zulässige Gegenspannung ist insbesonderetemperaturabhängig (Abb. 9.1), sodass grob dreiBetriebsbereiche unterschieden werden: Tiefe Temperaturen, Raumtemperatur und hoheTemperaturen.

Bei tiefen Temperaturen ist Piezokeramik sehr stabilgegenüber depolarisierenden Einflüssen. SelbstPiezostacks PSt 150 aus weicher Piezokeramikkönnen bei 77°K bipolar mit +/-150 V betriebenwerden. Die temperaturbedingte deutliche Abnahmeder Piezoeffizienz (d33-Faktor) kann durch dengrößeren Spannungshub teilweise ausgeglichenwerden. Bei Raumtemperatur können praktisch alle gängi-gen Piezokeramiken mit Gegenspannungen von20% der Maximalspannung betrieben werden unddadurch Stellweggewinne bis zu ca. 30% erzieltwerden (semi-bipolarer Betrieb). Ein dynamischerBetrieb mit semi-bipolarer Ansteuerung wird durcheine potentielle Eigenerwärmung der Piezokeramikbegrenzt.

Unipolare VerstärkerUnipolare Verstärker können zur Ansteuerung vonPiezoaktoren über deren gesamten Betriebstempe-raturbereich verwendet werden. Für den Leistungs-betrieb bietet PIEZOMECHANIK standardmäßig uni-

Abb. 9.1: Schematische Temperaturabhängigkeit der Koerzitiv -feldstärke (-)E von Piezokeramik. Bei der Curietemperaturdepolarisiert die Keramik auch ohne Gegenfeld. Aktorbetrieb nur in „safe area“.

polare Verstärker der Reihen LE und RCV an. Damitwird sichergestellt, dass auch bei stärkerer Eigen -erwärmung der Keramik keine Depolarisierung eintritt.

Bipolare und semi-bipolare VerstärkerFür Positionierzwecke mit niedriger Dynamik bietetPIEZOMECHANIK die Verstärkerreihe SVR mit semi-bipolarer Ausgangsspannung an. Wegen der gerin-gen Verstärkerleistung ist eine Eigenerwärmung derAktoren ausgeschlossen und damit das Risiko einerDepolarisierung der Keramik im Gegenfeldbetriebnicht gegeben. Symmetrisch bipolare VerstärkerSVRbip können z.B. bei Tieftemperaturanwendun-gen von Piezostapeln eingesetzt werden.

Hinweis: Die Überlegungen zu Betriebsspannungspolaritätund Depolarisierungsrisiken gelten allgemein für allePiezokomponenten, z.B. auch für Biegewandler undScherwandler.

PIEZOMECHANIK 65

9.1 Elektrische Ansteuerung und piezomechanische Reaktion

(-)EkV/mm

5

4

3

2

1

0

100

(-)Esafe area

200 300(R1)

400 500 T°K

(-)Edep

(Tc )

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Spannungssteuerung versus StromsteuerungAufgrund der kapazitiven Natur eines Piezoaktorskönnen dessen wesentliche Bewegungsparametersowohl über die Ansteuerspannung als auch überdie elektrische Ladungsmenge bzw. die Ladeströmekontrolliert werden gemäß:

Position l(t) ~ Q(t) = C U(t)

Geschwindigkeit v = dl/dt ~ dQ/dt = Im

Beschleunigung b ~ dIm/dt = İm

● Ein Stromverstärker kontrolliert nicht unmittelbar die Aktorposition, sondern primär dessenGeschwindigkeit.

Abb. 9.2: Schematische Ladungs-/Stellweg-Kennlinie einesPiezoaktors. Die Maximalladung ergibt sich bei Anlegen dermax. Betriebsspannung an den Aktor.

66 PIEZOMECHANIK

9.2 Alternative Ansteuerphilosophien

Hub� l

QelektrischeLadungsmenge

0 Qmax

� lmax

● Höhere dynamische Steifigkeit (=> Kap. 4.6, Steifigkeit)Der Ladungszustand eines Aktors kann auchmechanisch geändert werden z.B. durch eineBelastungsänderung (normaler piezoelektrischerEffekt). Ladungs- oder Stromkontrolle verhindertaber den unkontrollierten Abfluss dieser Ladungund macht dadurch den Aktor wesentlich steifer !

l(t) aktuelle Aktorposition, U(t) aktuelle Aktorspannung, C Aktorkapazität,Q(t) aktueller Ladungsgehalt, Im momentaner Ladestrom, İm Änderung des MomentanstromsAchtung: diese Beziehungen gelten nur unterhalbder Grundresonanz des Aktorstapels.

Achtung: Spannungskontrolle und Ladungs-/Strom -kontrolle ergeben unterschiedliche Aktorreaktionen!

Charakteristisch für Ladungs- bzw. Strom-kontrolle ist ● Linearisierung der Stellweg-Kennlinie

Die Hysterese ist stark reduziert, die Drift beiSprunganregung ist unterbunden.

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Um vorschnelle Fehlschlüsse zu vermeiden: Die open-loop Ladungs-/Stromkontrolle bringt ausverschiedenen Gründen keine Vorteile bei hoch -präzisen Positio nierungen.

● Der Linearitäts- und Hysteresefehler beträgt immer noch ca. 1%.

● Der Zusammenhang Stellweg-Ladungsgehalt ist temperaturabhängig (temperaturabhängige Kapa -zität, Pyroelektrizität).

● Ladungskontrollierende Verstärker tun sich natur-gemäß mit niedrigen Frequenzen oder gar einemDC-Betrieb schwer, weil die mit der Piezoaktionverbundenen Verschiebeströme sehr klein werdenund messtechnisch Schwierigkeiten machen,Leckströme führen zu unerkannten Driften.Stromkontrolle wird daher nur bei dynamischenAnwendungen eingesetzt.

● Ultragenaue Positionierung erfordert auch Kompensation externer Einflüsse z.B. der Fehlerder angeschlossenen Mechanik. Diese werdenvon einer open-loop-Steuerung in keiner Weiseberücksichtigt.

Anspruchsvollere Positionieraufgaben erfordern alsoimmer einen positionsgeregelten Betrieb, der mitden wesentlich weniger aufwendigen Spannungs-verstärkern zufriedenstellend zu realisieren ist.

Hinweis:Stromverstärker werden vor allem im dynamischenBetrieb für Motion Control oder akustische Schwin-gungsanregung eingesetzt. Die spezifischen Vorteileeiner (open-loop)-Stromsteuerung sind:

● keine unerwünschten Seitenbanden bei mono-frequenter Anregung infolge linearer Aktor-response (geringer Klirrfaktor)

● wesentlich höhere open-loop-Steifigkeit im Vergleich zu open-loop-Spannungssteuerung

● hohe Bandbreite, kurze Reaktionszeiten im Vergleich zu geregelten Systemen

Kommentar zu KatalogangabenÜberprüfen Sie Katalogangaben bzgl. Aktor-kapazitäten immer auf das zugrunde gelegteMessverfahren. In der Literatur sind meist sog.Klein-Signalwerte der Aktorkapazität angegeben.Übliche Kapazitätsmessgeräte ergeben immerden Klein-Signalwert (Messspannung typisch 1-2Volt /1 kHz).

Die effektive Kapazität eines Piezoaktors im sog.Gross-Signal-Betrieb mit maximaler Spannung istdeutlich größer (=> Kap. 8).

PIEZOMECHANIK 67

9.2 Alternative Ansteuerphilosophien

Die Aktorkapazität ist nicht konstant wie beinormalen Elektronikkondensatoren, sondernhängt in gewissem Umfang von verschiedenenEinflussgrößen ab, insbesondere von der aktuellangelegten Feldstärke und der Aktortemperatur(=> Kap. 8).

Die reale Kapazität eines Piezoaktors kann beiÜberlagerung der oben beschriebenen Effektebis zum Doppelten des Kleinsignalwerts be-tragen. Die Auslegung von Ansteuerelektronikenist hieran anzupassen.

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1 OffsetPotentiometer zur manuellen Einstellung einesDC-Spannungspegels am Ausgang (6).Die eingestellte Spannung wird außerdem mitdem verstärkten externen Signal überlagert (Input (3)).

2 Verstärkungsfaktor (AMPL)Über das Potentiometer wird der Verstärkungs-faktor für das externe Signal eingestellt (Input (3)).

3 Eingangsbuchse „Input“,für das zu verstärkende externe Signal (wird überlagert mit der Offset-Spannung)Vorteil: es können auch bipolar arbeitende Signal-quellen verwendet werden: in Überlagerung mit(1) ergibt sich ein unipolarer Signalverlauf amPiezoausgang (6).

Abb. 9.3:Frontpanel eines Piezostandardverstärkers der LE Reihe

1 2 3 45

6

9.3 Piezoverstärker: Funktionen

68 PIEZOMECHANIK

4 MonitorHochohmiger Signalausgang parallel zum Piezo-ausgang (6) mit Reduktionsverhältnis 1:100 oder1:1000 für gefahrlose real-time Beobachtung derPiezospannung z.B. über ein Oszilloskop.

5 LC-Display Zur Anzeige der Piezospannung. Nur bei DC-Betrieb sinnvoll verwendbar z.B. alsOrientierungshilfe beim Offset-Abgleich.

6 Ausgangsbuchse „Output“,für Anschluss des Piezoaktors.

Vorsicht: Hochspannung

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Voraussetzung für die optimale Aktorwahl ist die Erstellung einer möglichstpräzisen Forderungsliste durch den Anwender:

A, welchen Stellweg soll der Aktor beim maximalen Spannungshub erzeugen?

B, welche Kraftänderung soll der Piezoaktor beim maximalen Spannungshub erzeugen?

C, welche statische Kraft (z.B. Gewicht), Grundlast etc. wirkt auf den Aktor?

D, welche Frequenz soll bei maximalem Hub erreicht werden?

E, welche maximale Frequenz soll überhaupt erreicht werden (bei welcher Auslenkung)?

F, welche kürzeste Anstiegs-/Abfallzeit einer bestimmten Stellbewegung soll erzielt werden?

G, welche Masse ist an den Aktor angekoppelt?

Die Punkte A-C zielen auf die Aktorauslegung für quasistatischen Betrieb (=> Kap. 4).

D-G berücksichtigen die zusätzlichen Aspekte eines dynamischen Betriebs. Für denSchwingungsbetrieb unter Einbeziehung größerer externer Massen wird der Piezoaktorso ausgelegt, dass die Eigenfrequenz dieses Feder-Masse-Systems deutlich über derangestrebten Betriebsfrequenz liegt (typisch Faktor 2).

VerstärkerauswahlDie elektronische Versorgung ist für die Leistungs-fähigkeit des gesamten piezomechanischen Systemsvon gleicher Wichtigkeit wie der Piezoaktor selbst !

Der Spannungsbereich des Verstärkers ist an dengewünschten Betriebsbereich des Aktors anzupas-sen. Keine Überdimensionierungen!

Die von der elektronischen Versorgung zu lieferndenSpitzenströme und Dauerströme ergeben sich ausden Forderungen hinsichtlich Frequenz, Spannungs-hub, Aktorkapazität (=> Kap. 9).

Bei Leistungsanwendungen mit mehr als 5 Watt istim Dauerbetrieb eine etwaige Eigenerwärmung desAktors zu beachten.

Sollten Sie zur Abklärung weiterer Details einenFachmann zu Rate ziehen wollen, so ist Ihnendieser ungemein dankbar, wenn die Projekt -beschreibung jenseits der typischen Allgemein -plätze wie „möglichst großer Stellweg,mögichst große Kräfte, möglichst großeFrequen zen“ auch ein paar konkrete Zahlenenthält. Forderungstoleranzen bzgl. Stellwegund Kraftbilanzen sollten nicht gleich umFaktoren variieren.

Überdimensionierungen bzw. Fehldimensio -nierungen sind nicht nur ineffizient, sondernauch teuer.

10Grundzüge der Aktorauswahl

PIEZOMECHANIK 69

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Jenseits der PositionierungUrsprünglich lag der Anwendungsschwerpunkt derstapelbasierten Piezoaktorik bei hochgenauenPositionierungen, z.B. im Bereich kohärenter Optikund Halbleiterfertigung. Inzwischen verschiebt sichdas Spektrum im Rahmen von Mechatronik undMotion Control zum Betätigungselement mitBetonung von Dynamik und Kraftentwicklung.

Beispiele sind:- Schnelle Ventilantriebe- Piezo-Injektoren - Hydraulische Hochdruckpumpen- Körperschallanregung- Miniaturisierung (MEMS, NEMS) (hohe Energie-

dichte auch in mikroskopischem Bereich)- aktive Schwingungskontrolle- adaptive Strukturen

Piezoantrieb

Probe

Abb. 11.1: Prüfmaschine mit zusätzlichem hochdynamischen Piezo-Antrieb

11Neue Anwendungstrends

70 PIEZOMECHANIK

11.1 Piezoaktoren in der Prüftechnik

Piezoantrieb

Probe

Piezo-SchwingungsanregungMechanische Prüfverfahren zur Ermittlung vonBetriebsfestigkeiten bringen definierte Kraft-Weg-Profile mit hohen Zyklenzahlen in den jeweiligenPrüfling ein. Eine hohe Reproduzierbarkeit derPrüfzyklen ist notwendige Voraussetzung für solcheTests.

Allerdings hapert es bei vielen konventionellenPrüfantrieben mit der Wiederholrate der Prüfzyklen,wodurch sich je nach Aufgabenstellung langePrüfzeiten ergeben. Piezoaktoren haben sich hierals echte Verbesserung erwiesen, weil hier Prüf-zyklen hoher Reproduzierbarkeit mit hohen Wieder-holraten ablaufen können. Diese Prüfphilosophiekann auch in Kombination mit herkömmlichenPrüfanlagen umgesetzt werden (Hybrid-Anordnung):

Wegen der hohen Tragfähigkeit der Piezoaktorenkönnen Prüfungen mit langsam variierenden hohenVorlasten aus einem konventionellen Prüfrahmen inÜberlagerung mit höherfrequenten Modulationendurch den direkt wirkenden Piezoantrieb gefahrenwerden (Abb. 11.1).Anwendungsfelder sind:- Fretting-Tests (Reibkorrosionstest)- Super High Cycle Fatigue Tests

(extreme Lastwechselzahlen)- Materialtests an Metallen, Polymeren- Vibroakustische Anregung- Schwingungsanregung, Shaker

Im Sinne der obigen Philosophie können Piezo-Shaker die konventionellen elektrodynamischenShaker zu höheren Anregungsfrequenzen hin ergän-zen (je nach Bauart bis in den Bereich 100 kHz).Piezo-Shaker können insbesondere auch miniaturi-siert ausgelegt werden und als hochfrequente lokaleErreger in feine Strukturen implementiert werden.

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Piezo-StoßanregungHöchstfrequente Eigenmode-Bestimmungen mithohen Anregungspegeln lassen sich auch mitPiezo-Stoßgeneratoren realisieren. Hierbei wird derPrüfling über einen intensiven Einzelstoß in einersehr reproduzierbaren Weise mit definiertenKraftpulsformen beaufschlagt (s.u.) und dasNachschwingverhalten des Prüflings beobachtetund fourier-analysiert. Piezo-Stoßgeneratoren undBurst-Schwinger sind möglicherweise Alternativenzur Strukturanregung z.B. bei Pyro-Tests (Stichwort:SPS Shock Response Spectrum).

Charakteristisch für einen axialen Piezostoß ist diesehr kurze elektrische Ladezeit des Piezostapels:Sie ist deutlich kürzer als die axiale Laufzeit derKompressionsfront (Schallgesschwindigkeit!) imPiezostapel (elektrische Leistungspulse <10 µsecbei einem 100 mm langen Aktorstapel).

Damit wird gezielt ein Zustand im Aktorstapel ange-regt, der bei klassischen Anwendungen von Piezo-aktoren strikt vermieden wird: Die mechanischenSpannungszustände in der Keramik sind örtlich undzeitlich stark inhomogen. Die extremen mechani-schen Spannungszustände erfordern spezielleAnpassungsmaßnahmen bei der Auslegung einesPiezo-Stoßgenerators. Physikalische Stöße mittelseines Piezostapels sind zu unterscheiden von ledig-lich „schnellen“ Stellbewegungen. Letztere weiseneine ausreichend lange Anstiegszeit des Lade -vorgangs aus: Dadurch befindet sich die Keramik über die gesam-te Stapellänge immer noch in einem weitgehendhomogenen mechanischen Spannungszustand. Der Aktor führt dann eine zwar schnelle, aber sub-resonante Bewegung aus.Ein typisches Beispiel hierfür ist der Betrieb vonPiezostapelaktoren in Diesel-Einspritz-Systemen mitAnregungszeiten in der Größenordnung 100 µsec.Bei einer echten Stoßanregung mit extrem verkürz-ten Anregungszeiten würde sich z.B. das Einspritz-ergebnis z.B. wegen des Nachschwingens vonAktor und Mechanik deutlich verschlechtern.

Kalibrierung, Qualitätsprüfung vonBeschleunigungssensorenPIEZOMECHANIK liefert seit 2006 kundenspezifi-sche Stoßgeneratoren für die Qualitätsprüfung undKalibrierung von Beschleunigungssensoren.Insbesondere die Eignung der Piezostoßtechnik imZusammenhang mit Hopkinson-Bar-Anordnung,gekennzeichnet durch den unmittelbaren Kontaktzwischen Piezoaktor und Stoßpartner vor derStoßauslösung, wurde nachgewiesen.

Spezifische Vorteile der Piezostoßtechnik sind:● nichtballistische Anregung: keine Anlaufphase

des Stoßkörpers nötig,=> hervorragende Reproduzierbarkeit der Stöße

● Großer Abstimmbereich der Beschleunigung:Größenordnung 100 m/sec2 bis > 100.000 m/sec2

● Unabhängige Einstellung von Amplitude und Impulsbreite

● Einzelstoßanregung oder Burst

Diese Vorgaben werden inzwischen von einschlägi-gen Kalibrierdiensten praktisch umgesetzt.

Abb. 11.2: Hopkinson-Bar-Anordnungen für Sensortest undKalibrierung

PIEZOMECHANIK 71

11.1 Piezoaktoren in der Prüftechnik

Sensor

DMS

LDA Spot

Stoßfront

HVP

Elektr. Pulser

TriggersignalIN

Hopkinson-Stab

Piezostapel

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72 PIEZOMECHANIK

Dieser Sammelbegriff umschreibt allgemein alleTechniken, mit denen mechanische Komponentenhinsichtlich Position, Geschwindigkeit, Beschleuni-gung nach bestimmten Kriterien kontrolliert bewegtwerden sollen.Insbesondere kristallisiert sich als piezospezifischesAnwendungsgebiet die Adaptronik heraus, die sichmit aktiven Strukturen beschäftigt: z.B. adaptiveGestaltformung, adaptiver Flügel, adaptiver Rotor,adaptive Optik, adaptiver Leichtbau.Weitere Schwerpunkte strukturphysikalischerAnwendungen sind Schwingungs-Beeinflussung, -Dämpfung, -Isolierung, -Tilgung.

Aktive oder adaptive TilgerReduktion/Dämpfung einer resonanten Schwingungeines Bauteils (monofrequentes Problem),z.B. Karosserie-/Strukturschwingungen.Ziel ist dabei die Vermeidung von Materialermü-dung, verbesserte Ergonomie/Komfort für einenmenschlichen Nutzer, Passagier.Vorteil gegenüber passiven Systemen: die Abstim-mungsfrequenz des Tilgers kann variiert und damitveränderlichen Systemresonanzen nachgeführt werden. Der Piezoantrieb wirkt in einem Inertial-massen-System und erzeugt damit nur eine dyna-mische Trägheitskraftkomponente. Das System istnicht lasttragend.

Aktive oder adaptive NeutraliserUnterschied zu Tilger: Fremderregte/erzwungeneSchwingung variabler Frequenz eines Bauteils,z.B. durch einen an die Struktur gekoppelten Motor(Fahrzeugbau). Die Kompensation erfordert eineaktiv nachgeführte Frequenz des Neutralisers.Kraftwirkung aus Trägheitsprinzip: nicht lasttragend.

Inertialmassen-ErregerUnterschied zu Tilger/Neutraliser: BreitbandigeWirkungsweise, z.B. mit dem Ziel möglichst niedri-ger Gesamtbeschleunigungspegel im System: kann nur aktiv gelöst werden. Arbeitsbereich ober-halb einer baubedingten Abstimmfrequenz,Trägheitsprinzip: nicht lasttragend.

Aktives, adaptives LagerBreitbandige mechanische Einwirkungen sollenkompensiert werden z.B. für Schwingungsisolierung,Unterschied zu Inertialmassen-Erreger: wirksam ab Frequenz 0, lasttragend, statischeAbstützung in Überlagerung mit dynamischenKräften.

11.2 Motion Control

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PIEZOMECHANIK 73

11.3 Erzeugung elektrischer Energie

Beim eigentlichen piezoelektrischen Effekt erzeugtmechanischer Druck eine elektrische Ladungsver -schiebung bzw. elektrische Spannung: Generator-effekt. Der umgekehrte Effekt ist Gegenstand dervorliegenden Einführungsschrift zur Piezoaktorik.

Piezokomponenten können also bi-direktionellsowohl als Motor (Aktor) als auch als Generator wirken. Dies gilt auch für Piezostapelaktoren vonPIEZOMECHANIK. Sie sind allerdings nicht für dieEnergieerzeugung optimiert. Nähere Aussagen hier-zu werden in den Firmenschriften daher nichtgemacht.

Hinweis:Die für die Generatoreffizienz wichtigen Material-eigenschaften werden in der Literatur durch die piezoelektrischen Spannungskonstanten gxy

beschrieben. Bei Langzeitanwendungen muss u.U.eine Abnahme der Wandlereffizienz durch Alterungder Piezokeramik berücksichtigt werden!

● Sensorik Bei kommerziellen Kraft-/Druck-Sensoranwen -dungen wird sowohl Quarz als auch PZT-Keramikverwendet, je nach den Ansprüchen an Linearität,Temperaturverhalten, Kosten. PZT-Keramik hat den Vorteil einer deutlich größe-ren Ladungserzeugung als Quarz und vereinfachtdamit die Messtechnik. Allerdings ist der Betriebs-temperaturbereich stark eingeschränkt. Quarz hatz. B. Vorteile bei der Linearität des Messeffekts.Für Hochtemperatureinsätze gibt es als Alternati-ve zu Quarz einkristalline Materialien mit besserer Ladungsausbeute (z.B. GaPO4).Für quantitative Messungen wird unmittelbar dieerzeugte Ladung gemessen und nicht die gene-rierte Piezospannung.

● EnergiegewinnungÜber die Piezotechnik kann also aus jedermechanischen Wechselbelastung/Schwingungelektrische Energie gewonnen werden. Man hatsich dabei allerdings vor Augen zu halten, dassaus einem Kubikzentimeter gängiger Piezo-keramik bei einem einzigen Wechselzyklus derBelastung auch bei hohen Drücken nur ca. einMilliJoule elektrischer Energie abgegriffen werdenkann. Die generierte elektrische Leistung hängt alsosehr stark von der Wechselfrequenz der mechani-schen Einwirkung ab. Selbst bei kHz-Anregungbewegt man sich nur im Wattbereich.

Die Weltenergieprobleme werden also sicher nichtdamit gelöst, irgendwo ein paar Piezowandler in dieGegend zu pappen und gelegentlich draufzu-drücken. „Energy harvesting by piezo“ findet aller-dings durchaus eine sinnvolle Anwendung bei derautonomen Versorgung von Mikroverbrauchern wiein der Informationsübertragung und Sensorik sowieauch in der Spielzeugindustrie. Seriöse Projektesprechen daher meist von „microenergy harvesting“im Zusammenhang mit Piezomaterialien.

Piezostrukturen können aber wesentlich mehr elek-trische Energie abgeben, wenn die mechanischeBelastung zur Depolarisierung der PZT-Keramikführt (einmaliger Vorgang! Nicht wiederholbar!).Dann wird zusätzlich die im Material durch denHerstellungsprozess eingebrachte elektrischePolarisierungsenergie freigesetzt. Diese ist wesent-lich größer als die „normale“ Energiegewinnung(Anwendung z.B. Aufschlagzünder).

Die piezoelektrische Energieerzeugung stellt nicht das Betätigungsfeld der FirmaPIEZOMECHANIK dar. Nachdem trotzdem kontinuierlich Anfragen eingehen, seienhierzu einige grundsätzliche Anmerkungen gemacht.

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11.3 Erzeugung elektrischer Energie

74 PIEZOMECHANIK

● PiezotransformatorenEin perfektes Beispiel für das bi-direktionelleWandlerverhalten des Piezoeffekts stellen Piezo-transformatoren dar.

Grundsatzversuch (Abb. 11.3):Zwei Piezostapel mit Schichtdicken „d“ und „D“werden seriell in einem steifen Rahmen einge-spannt. Der Piezostapel mit Schichtdicke „d“ dehntsich bei Anlegen einer Spannung aus und kompri-miert den „Piezostapel“, der aus einer einzigen„Schichtdicke „D“ besteht. Für D >> d werdendabei sehr hohe Spannungen erzeugt.(Achtung: das Transformatorverhalten ist komplizier-ter als es das D/d-Verhältnis suggeriert.)

Abb. 11.3: Schema eines nicht-resonanten axialen Piezotrafos(d31-d33 Wandler).

Lässt man dieses System schwingen, so kann kon-tinuierlich elektrische Leistung umgesetzt werden.Diese Anordnung kann nicht-resonant betriebenwerden. Die Energiekopplung zwischen Primär- undSekundärseite erfolgt also mechanisch. Magne-tische Streufelder wie bei induktiven Transformatorenwerden vermieden.In der Praxis werden Piezotrafos meist in Formmonolithischer Elemente (Abb. 11.4) im Resonanz-betrieb eingesetzt. Die Signaleinspeisung über derfolgt hochfrequent in Abstimmung mit der durchdie Länge L bestimmten mechanischen Resonanz-frequenz des Trafoelements. Eine mechanischeEinspannung ähnlich wie in Abb. 11.3 ist dann nichtnötig (Rosen-Design).Für große Verhältnisse L/d können z.B. Hochspan-nungen bis in die Größenordnung 10 kV erzeugtwerden. Verwendet wird harte Piezokeramik mit einermöglichst hohen Schwingungsgüte (Ultra-schalltyp).Der Wandlerwirkungsgrad ist damit sehr hoch.

Abb. 11.4: Monolithischer Hochspannungs-Piezotrafo, (d31-d33-Wandler) Resonanzfrequenz ca. 80 kHz, Primärseite LV,Sekundärseite HV.

Resonant arbeitende Piezotrafos erfordern eine auf-wendigere Ansteuerung: Die Speisespannung musshochfrequent entsprechend der Traforesonanzmoduliert werden. Die Energieentnahme aus demTrafo stellt letztlich eine Dämpfung für denSchwinger dar. Hierdurch wird die Resonanz -frequenz verstimmt, die Anregungsfre quenz mussentsprechend nachgeführt werden. Im Einzelzyklus

HV out

mechanischer Rahmen

NV in

Dd

Signal (LV)in

dElektroden

PZT-Keramik

HVout

ElektrodeL

ist der Energieumsatz sehr gering. Der Leistungs -durchsatz in der Größenordnung Watt ergibt sichwiederum erst durch die hohe Arbeitsfrequenz (biszu 100 kHz bis MHz).Piezotrafos lassen sich infolge der flachen Bau-formen platzsparend in kompakte Anordnungen in-tegrieren z.B. zum Betrieb von Entladungslampen fürdie Beleuchtung von LC-Bildschirmen in Laptops.

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Piezomechanik · Dr. Lutz Pickelmann GmbH

PIEZOMECHANIK ist ein weltweit anerkannter Lieferant von erstklassigen Piezosystemen.

Unsere Aktorspezialisten sind exzellente Kenner der aktuellen Aktorszene. Sie können dadurch auf gewisse Feinheiten der Thematik hingewiesen werden, die Sie nicht in denüblichen Firmenschriften finden.

PIEZOMECHANIK liefert erfolgreich Beratung und Entwicklungsbeiträge auch für unorthodoxe piezoaktorische Anwendungen, die z.T. deutlich über die klassischen Ansätze hinausgehen.

Wir holen für Sie aus Aktoren heraus, was wirklich drin steckt.