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Das Journal für die deutsche, österreichische und schweizerische Healthcare IT Branche N°7 04.2016 | www.himss.eu/42 Pionier, Kümmerer, Umsetzer: Karsten Valentin steuert den modernsten Klinikneubau Deutschlands. Martin Overath, UK FaM, bringt die IT zu den Ärzten und Pflegenden.

Pionier, Kümmerer, Umsetzer: Karsten Valentin steuert den … · 2016. 10. 5. · Mensch und Medizin“ auf der ConhIT am Stand von ClinicAll, Halle 2.2/C-117 ... Consultant bei

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Das Journal für die deutsche, österreichische und schweizerische Healthcare IT Branche

N°7

04.2016 | www.himss.eu/42

Pionier, Kümmerer, Umsetzer: Karsten Valentin steuert den modernsten Klinikneubau Deutschlands.

Martin Overath, UK FaM, bringt die IT zu den Ärzten und Pflegenden.

Page 2: Pionier, Kümmerer, Umsetzer: Karsten Valentin steuert den … · 2016. 10. 5. · Mensch und Medizin“ auf der ConhIT am Stand von ClinicAll, Halle 2.2/C-117 ... Consultant bei

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich hatte gerade in den vergangenen Monaten doch das Gefühl, dass sich etwas be-wegt. Irgendetwas hat es geschafft, Bewegung in unsere kleine Welt der Healthcare-IT zu bringen. Die Schwingungen werden vielleicht nicht überall gleich intensiv wahrgenommen, aber es lässt sich kaum verhehlen, dass sie spürbarer werden.

So kommt es auch zu unserer Titelgeschichte „Unsichtbar und smart“, die sich mit dem Potenzial des Cloud Computings befasst. Sind Sie darauf gekommen beim Anblick des Covers der 42?

Und sonst? In der Schweiz wird die magische Schallmauer von 65 Millionen Schweizer Franken (Scherz!) für ein Kranken-haus-informationssystem durchbrochen (66 Mill. CHF für acht Jahre). Im Kantonsspital Luzern kann also demnächst die erste Epic-Installation auf deutschsprachigem Boden begutachtet werden. Jedenfalls wenn alle Einsprüche abgeschmettert wer-den können.

Hierzulande gewinnt ein mittelständisches, inhabergeführ-tes Software-Unternehmen, flankiert von einem großen privaten Klinikbetreiber, erstmals die KIS-Ausschreibung eines Universi-tätsklinikums, das vor allem auch einen großen wissenschaft-lichen Anspruch hinsichtlich diverser Projekte im Public- Health-Management mit sich bringt. Nicht wenige warten hier auf ihre zweite Chance!

Wir, HIMSS D-A-CH, hatten einen wirklich tollen Start mit unserem Neujahrsempfang/Kick-Off (s. S. 76) in der Hörsaalru-ine der Charité zur www.himssdachcommunity.org (ja, ich weiß, die Adresse ist lächerlich, aber www.machen.dach ist nicht ver-fügbar). Mitstreiter, Skeptiker und Neugierige trafen sich auf ei-nen unterhaltsamen und informativen frühen bis späten Abend. Fortsetzung folgte in Las Vegas, in eher intimem Rahmen, und

wir freuen uns nun auf unser Community-Think.tank.Breakfast am 20. April im Rahmen der conhIT, zu dem sich erstmals auch das Bord trifft, um einen inhaltlichen Kurs zu diskutieren – üb-rigens: Die Plätze für das Frühstück sind limitiert. Anmeldung unter [email protected], weitere Informationen per News-letter. Wir freuen uns sehr über das Interesse und sind gespannt auf die inhaltliche Diskussion.

Und dann sind da auch noch die verschiedenen Initiativen im deutschsprachigen Kulturraum, die ganz legal den Eindruck vermitteln, dass hier etwas geht, was vorher eben nicht ging.

ELGA ist live. Ja, natürlich ist die österreichische Lösung einer Gesundheitsakte noch ausbaufähig, aber wer sind wir denn, dass wir darüber urteilen dürften? In Deutschland gibt es jetzt zwar ein E-Health-Gesetz (grob verkürzt), aber immer noch keine elektronische Gesundheitskarte (grob verlängert). Die Schweizer haben zwar länger für ihre Entscheidung für das elektronische Patientendossier gebraucht, aber es ist zu befürchten, dass ... na, Sie wissen schon!

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Claudia Dirks Editorial [email protected]/42

Und es bewegt sich doch irgendwas!

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Follow me: cdhimss

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— EDITORIAL —

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Besuchen Sie uns zusammen mit den Partnern der „Technologie-Allianz für Mensch und Medizin“ auf der ConhITam Stand von ClinicAll, Halle 2.2 / C-117

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Seite 57Interview mit Martin Overath 58Im Mittelpunkt: Ärzte und Pflegende

Wie wir krank sein wollen 62

Interview mit Ralf Gieseke 64IT-Projekte sind nie nur IT-Projekte

Seite 72Rückblicke

Swiss eHealth Summit 72

HIMSS Europe CIO Summit 73

Kick-Off für die D-A-CH Community 74

68 bvitg: Vernetzte Medizin im großen Fokus der conhIT

69 Cerner: IT als Verbündeter im Kampf gegen Sepsis und nosokomiale Infektionen

70 Meierhofer AG: Zukunftsfä-hige Produkte, neue Kunden

71 Visus: Centre Hospitalier du Nord in Luxemburg: Mit dem medizinischen Archiv in die erste IT-Liga

HealthTech Wire

Seite 47Felix Cornelius, „Der Brückenbauer“ 48Wie schlimm sind 10 Jahre Fortschrittsverzicht?

Interview mit Gunther Nolte 49Kernthema: Therapiequalität verbessern

mHealth im Check: Töchter & Söhne 52Hilfe für Pflegende – ohne Hürden

mHealth im Check: heartbeat ONE 54Check-up für die Therapie

Aladin Antic, „Mensch vs. Maschine“ 56Angst vor dem Unbekannten

Seite 41 Interview mit Jared Sebhatu 42Innovationen an die Hand nehmen

Projekt MACSS 44Smarte Niere

HIMSS Europe Community Die Gesundheitsstifter!: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es. Gemeinsam. 6CCMM/UKSH: Den Mutigen und Furchtlosen gehört die Zukunft! 7HIMSS Europe D-A-CH Community: Next Stop: conhIT 7HIMSS Analytics eHealth Trendbarometer: Wo geht es hin? 8eHealth Summit Austria: Vorhersehbarkeit und Medizin? Passt. 9Entziffern 10Impressum 12

Seite 29 Cloud Computing 30 Unsichtbar und smart

Interview mit Karsten Valentin 36Pionier, Kümmerer, Umsetzer

N°7

Seite 13Digitale Gesundheit 14 Crash oder Symbiose

Datenschutz 18Europas neue Regeln für den Umgang mit Daten

Interview mit Nikolaus Forgó 22Betrieblicher Datenschutz vor dem Aus

Interoperabilität 24Wächst jetzt zusammen, was zusammengehört?

Interview mit Peter Mildenberger 26Mehr als nur ein Signal?

Philipp Grätzel von Grätz, „Der Überblicker“ 28Besser forschen!

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— INHALT —— INHALT —

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BERLIN – Der tolle Start unserer HIMSS D-A-CH Community in der Hörsaalruine der Charité zeigt uns, dass es fern der zerklüfteten Verbandslandschaften doch auch den Wunsch gibt, das Thema IT-Lösungen für das Gesundheitswesen gemeinsam in eine neue Bahn zu lenken.

Ein weiteres Get-Together in Form mehrerer Lunch-Sessions fand zwischenzeitlich im zugegeben kleineren Rahmen in Las Vegas statt. Mit unserem Think.tank.Breakfast am 20. April im Rahmen der conhIT bringen wir dann erstmals das Board an einen Tisch, um den inhaltlichen Kurs der D-A-CH Community zu diskutieren.

Melden Sie sich jetzt noch unter [email protected] für das Breakfast an – die Plätze sind limitiert. Wir freuen uns auf die inhaltsstarke Diskussion mit Ihnen!

Und hier schon einmal zum Vormerken die Folgetermine für die Treffen der D-A-CH Community:

20. April 2016Think.tank.Breakfast in Berlin – conhIT25. Mai 2016Meeting in Wien – eHealth Summit Austria08. bis 10. Juni 2016Delegation in Amsterdam – eHealth Week21. September 2016Meeting in Bern – Swiss eHealth Summit22. November 2016Meeting & Session Barcelona – WoHIT 2016

Next Stop: conhIT

Mehr Informationen: www.himssdachcommunity.org

Den Mutigen und Furchtlosen gehört die Zukunft!

LEIPZIG/KIEL – Das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein ist europäischer Vorreiter: erster Benchmark für das Continuity of Care Maturity Model.

Es ist der erste Schritt hin zu einer patientenorientierten, regional vernetzten, integrierten Gesundheitsversorgung, wie wir sie sonst nur aus Skandinavien oder vielleicht noch aus dem Modellprojekt „Gesundes Kinzigtal“ kennen.

Das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) hat als erstes europäisches Krankenhaus die Evaluation durch das Continuity Care of Maturity Model (CCMM) von HIMSS Analytics in Europa durchlaufen. Trotz der frühen strategischen Entwicklungsphase für die Region Schles-wig-Holstein hat das zukunftsorientierte Team um CIO Uta Knöchel damit einen guten Richtwert und eine klare Roadmap, um das dargestellte Entwicklungspotenzial auszuschöpfen: „Diese erste Evaluation hilft uns dabei, Schwächen auszuloten und einen Fahrplan festzulegen.

Das Ziel ist letztendlich natür-lich, im Sinne der bestmöglichen Patientenversorgung einen optimalen Pflegeprozess über alle beteiligten Leistungser-bringer hinweg abzubilden und einen geregelten Austausch medizinischer Patientendaten durch Informationstechnologie zu erreichen.“

Obwohl das UKSH in der Evaluation noch keine hohe

Platzierung erzielt, findet Jörg Studzinski, Senior Consultant bei HIMSS Analytics, nur lobende Worte: „Die kontinuierliche Versorgung ist komplex und anspruchsvoll. Das UKSH ist gewillt zu investieren, den Patienten in den Fokus der landesweiten Versorgung zu stellen. Da das UKSH bereits frühzeitig Gebrauch vom CCMM machen wollte, nimmt es zweifelsohne eine Vorreiterrolle im europäischen Bereich ein. Wir freuen uns, die Mitarbeiter in ihrer zukunftsweisenden Arbeitsweise weiterhin zu unterstützen.“

Aktuell arbeitet das UKSH am elektronischen Entlass-brief, der alsbald in ganz Schleswig-Holstein auf digita-lem Wege ausgetauscht werden soll. ¬

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Uta Knöchel, UKSH

Mehr Informationen: www.eiseverywhere.com/ehome/158577/gesundheitsstifter

BERLIN – Hat der Innovationsfonds, bzw. seine Kriterien, tat-sächlich das Zeug dazu, die Gesundheitsversorgung der Zukunft maßgeblich positiv zu beeinflussen? Im Forum der Gesundheits-stifter! am 23. April werden wir diese und weitere Fragen klären und Best-Practice-Beispiele vorstellen, die schon heute den Patienten in den Mittelpunkt stellen. Mit dem Panel „Future of Work“ zeichnen wir zudem einen Ausblick, wie sich die Arbeitswelt in Deutschland und im Gesundheitswesen verändern muss, um sich zukünftig als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren.

Der HIMSS Europe Start-up-Slam bringt mit Dr. Florian Kainzin-ger, Think.Health – Smart Money in Health Care, Jared Sebhatu, German Accelerator Life Sciences, und weiteren führenden Köpfen auch in diesem Jahr wieder eine hochkarätig besetzte Jury zu-sammen. Den Gewinnern bietet sich der sprichwörtliche „Fuß in

der Tür“ mit der Erprobung der eigenen App im Klinikumfeld bis hin zum Netzwerken mit möglichen Investoren.

Und was haben Pferderennen mit der Gesundheitswirtschaft zu tun? Ganz einfach, hier geben wir nicht nur einen Einblick in vielversprechende Projekte und Möglichkeiten einer zukunftswei-senden Patientenversorgung mithilfe von eHealth und Genomics. Wir widmen diese Veranstaltung im Rahmen des 3. Familienrenn-tages der Gesundheitswirtschaft allen Mitarbeitern der Gesund-heitswirtschaft und ihren Familien, ohne die eine solche Leistung für unsere Patienten – egal, ob in der Stadt oder auf dem Lande – nicht möglich wäre.

„Die Gesundheitsstifter! Innovationen zum Patientennutzen“ ist die Zukunftsinitiative für die Medizin 2.0 an der Schnittstelle zwischen Profit & Non-Profit von HIMSS Europe, SÜNJHAID!, cdgw – Club der Gesundheitswirtschaft, In.IAK, der Rennbahn Hoppe-garten und Gesundheitsstiftungen. ¬

Es gibt nichts Gutes, außer man tut es. Gemeinsam.

Für alle, die nach der conhIT noch ein wenig in Berlin verweilen, haben wir ein ganz besonderes Event in petto: Am 23. und 24. April findet erstmalig die Veranstaltung „Die Gesundheitsstifter! Innovationen zum Patientennutzen“ im International Club Berlin e. V. und auf der Galopprennbahn Hoppegarten statt.

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— COMMUNITY —— COMMUNITY —

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Vorhersehbarkeit und Medizin? Passt.

WIEN – Wollen Sie wissen, wie Sie die Zukunft des Gesundheits- wesens aktiv gestalten können?

Dann kommen Sie nicht umhin, am 24. und 25. Mai den diesjäh-rigen eHealth Summit Austria im Schloss Schönbrunn in Wien zu besuchen. Antworten und Fragen – ob und wie Informations-technologien als zuverlässiges Instrument für das Vorhersehen, Vorbeugen und präzise Behandeln von Krankheiten dienen können.

Mithilfe unseres renommierten Programmkomitees haben wir den Rahmen festgelegt und alle relevanten und aktuellen Themen und Perspektiven rund um das Gesundheitswesen einfließen lassen. Neben anderen werden dafür Manfred Pregartbauer, CIO und Leiter Informationsmanagement des österreichischen Bundesministeriums für Gesundheit, und Franz Öller, Geschäftsführer der Tauernklinikum GmbH, verantwortlich zeichnen. Datenschätze heben ohne Patientensicherheit

und Datenschutz außer Acht zu lassen, medizinisches Wissensmanagement, Patient-Empowerment und natürlich die ELGA werden Themen auf dem Summit sein. Wie können Entscheidungsprozesse in Zusammenarbeit mit dem Patienten und vor allem zum Wohle des Patienten optimiert werden? ¬

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Mehr Informationen unter: www.ehealthsummit.at

SILBER-Partner

GOLD-Partner

OrganisationUnter Mitwirkung von VeranstalterIn Kooperation mit

„Als Karriere-Plattform ist die conhIT einzigartig: Workshops, Jobbörsen und der direkte Kontakt zu potenziellen Arbeitgebern spiegeln das komplette Spektrum der wachsenden, dynamischen und zukunftsorientierten Gesundheits-IT Branche wider. Ein Muss für jeden (Young-) Professional.“

Prof. Dr. Bernhard Breil, Hochschule Niederrhein /Deutsche Gesellschaft für Medizininformatik, Biometrie und Epidemiologie (GMDS) e.V.

Industrie-Messe +++ Kongress +++ Akademie +++ Networking

Berlin, 19.–21. April 2016

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HIMSS Analytics eHealth Trendbarometer: Wo geht es hin?

Trends und die Hot Topics im Bereich Gesundheits-IT für Deutschland, Österreich und die Schweiz im Jahr 2015 lagen auch bei der zweiten Panelbefragung des HIMSS Analytics eHealth Trendbarometers im Zentrum des Interesses.

LEIPZIG – Die strukturierte Onlinebefragung richtete sich an die deutschsprachige eHealth-Community. Diese setzt sich vor allem aus Mitarbeitern von Gesundheitseinrichtungen und Personen aus dem akademisch-wissenschaftlichen Bereich zusammen. Aber auch Branchenvertreter, Journalisten und Unternehmensberater wurden gefragt:

„Welches ist momentan das eHealth-Schwerpunktthema in Ihrer Organisation?“

40% der Befragten gaben an, dass Vernetzung und Datenaustausch die bestimmenden Themen sind. Bei rund einem Fünftel (21%) ist es Networking innerhalb der eigenen Organisation, bei einem weite-ren Fünftel (20%) ist es Networking mit externen Partnern.

Neben Fragen zur elektronischen Gesundheitsakte in den jeweiligen Ländern standen auch Webportale und deren Nutzen zur Diskussion. Dabei sprach keine der befragten Berufsgruppen Arztbewertungsportalen einen so geringen

Nutzen zu, wie die Gruppe der Ärzte selbst. Patientenportalen, in denen patientenspezifische Fachinformationen von Ärzten zu Verfügung gestellt oder auch ganze Onlinesprechstunden abgehalten werden, wurde der größte Nutzen zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung zugesprochen.

Beim Blick in die Zukunft des europäischen Health-IT-Marktes ist man sich innerhalb der Länder einig, dass dieser ein konsolidierter und nur von wenigen Herstellern dominierter Markt sein wird, bei dem aber auch neue Unternehmen eine Rolle spielen werden. Trotz aller Herausforderungen werden die Geschäftsaussichten für eHealth eher positiv gesehen. Die mit Abstand besten Erwartungen gibt es in der Schweiz.

Für die nächste Runde des HIMSS Analytics eHealth Trendbarome-ters im ersten Quartal 2016 rücken Themen wie Patient Engage-ment und Cybersecurity in den Fokus. Wir freuen uns, neben der deutschen mit einer englischsprachigen Version der Befragung der gesamten europäischen eHealth-Community die Teilnahme zu ermöglichen, nachdem uns dazu Anfragen aus Frankreich, Spanien und den skandinavischen Ländern erreicht haben.

Wenn auch Sie keine Runde des HIMSS Analytics eHealth Trendbarometers versäumen wollen, registrieren Sie sich unverbindlich für die Teilnahme unter [email protected] und wir informieren Sie über alle Veröffentlichungen der Ergebnisreporte. ¬ Fo

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NEUGIERIGE FRAGEN VOM MINISTER Auch Hermann Gröhe interessierte sich für den eHealth-Pavillon zum Thema „Digitali-sierung der Medizin“ auf dem vergange-nen Hauptstadtkon-gress, auf dem wir auch den Launch des eHealth Trendbaro-meters bekanntga-ben. Seitdem gab es zwei Erhebungen, die dritte läuft aktuell – mit Ihnen?

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ENTZIFFERN

Berlin

London

Ø – Insgesamt (DE, AT, CH)

Ø3,2 Arztbewertungsportale

Ø3,9 Gesundheitsportale

Ø3,9 Diagnose- und Therapieunterstützungsportale

Ø4,3 Patientenportale

AUSTAUSCH VON PATIENTENDATEN STEHT IM MITTELPUNKT DER MEISTEN ORGANISATIONEN

NUTZEN VON WEB-PORTALEN

RISIKOKAPITAL-INVESTITIONEN IN START-UPS

Welches ist momentan das eHealth Schwerpunktthema in Ihrer Organisation? Top 3 Nennungen; offene Abfrage kategorisiert; Mehrfachnennungen möglich; ohne „Sonstiges“; ohne „kein Schwerpunktthema“

Insgesamt werden alle Portale als nützlich erachtet, wobei Patientenportalen der größte und Arztbewertungsportalen der geringste Nutzen zugesprochen wird. Welchen Nutzen zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung haben die folgenden Webportale Ihrer Meinung nach?

in Millionen US-Dollar

Quelle: Süddeutsche Zeitung, 28.2.2016

IN BERLIN wird inzwischen mehr Risikokapital in Start-ups investiert als in London.

2012

Deutschland Österreich Schweiz

2013 2014

1

2

3

4

5

6

2243,24

1097,51248,98

3,33,6

3,84,0 3,9

4,7

3,6

4,13,9

4,1

2,8

3,4

1515,30

1022,75795,88

63 Antworten

42 Antworten

115 Antworten

32% Vernetzung innerhalb der Organisation

19% Vernetzung mit externen Partnern

16% Mobilität (Visite, Workstation)

28% Vernetzung mit externen Partnern

23% elektronisches Patientendossier – ePD

22% Vernetzung innerhalb der Organisation

31% elektronische Gesundheitsakte – ELGA

21% Vernetzung innerhalb der Organisation

14% Vernetzung mit externen Partnern

PATIENTENPORTALE werden von Teilnehmern aus Gesundheitseinrichtungen (4.1) und von Teilnehmern aus anderen Einrichtungen (4.9) als die Plattformen mit dem meisten Nutzen im Vergleich zu allen sonst aufgeführten Portalen bewertet. Keine der befragten Berufsgruppen spricht Arztbewertungs-portalen (2.6 – 4.1) einen so geringen Nutzen zu wie die Berufsgruppe der Ärzte (2.6).

1 = kein Nutzen 6 = großer Nutzenohne „sonstige Portale“

Quelle: HIMSS Analytics; Studie „eHealth Trendbarometer“; Erhebungszeitraum Sept. – Okt. 2015; Gesamtstichprobe: n=264; Gültige Antworten: Deutschland n=81, Österreich n=57, Schweiz n=126

Quelle: HIMSS Analytics; Studie „eHealth Trendbarometer“; Erhebungszeitraum Sept. – Okt. 2015; Gesamtstichprobe: n=264; alle Antworten: Deutschland n=80, Österreich n=62, Schweiz n=132

Nutzer von Fitness-Trackern

Alle Befragten ab 14 Jahren

Basis: Alle Befragten (n=1.236), Nutzer von Fitness-Trackern (n=378)Quelle: Bitkom Research

Quelle: Bitkom Research

DER MENSCH VERMISST SICH SELBST

NUTZER WOLLEN VON DATENWEITERGABE PROFITIEREN

Welche Gesundheits- oder Fitnessdaten erfassen Sie?

Können Sie sich vorstellen, Ihre mit Gesundheits-Apps oder Fitness-Trackern erfassten Daten weiterzuleiten …

… an den behandelnden Arzt? … an die Krankenkasse?*

Körpertemperatur 99%

75%

25%

85%

67%

31%

21%

19%

17%

8%

7%

6%

6%

6%

4%

2%

30%

16%

4%

5%

62%

22%

62%

57%

25%

5%

20%

19%

18%

13%

5%

Körpergewicht

Blutdruck

Puls

Gegangene Schritte

Zurückgelegte Strecke (z. B. beim Laufen)

Aufgenommene Nahrungsmittel und ...

Blutzucker

Kalorien

Schlaf (z. B. Dauer, Schlafphasen)

Atemfrequenz

Eingenommene Medikamente

Stresslevel

Ja, wenn ich Rabatte bekomme

Ja, wenn ich individuelle Gesundheitsinfos bekomme

Ja, ohne Gegenleistung

Nein

Weiß nicht (k. A.)

23% Nein

75% JA

93% Chronisch Kranke

3% Weiß nicht (k. A.)

33% können sich eine Weiterleitung an ihre Kasse vorstellen

DATENSCHUTZ IST KEIN ARGUMENT, Patienten und Angehörige machen eher einen Kosten-Nutzen-Check und entscheiden dann, wie sie mit ihren Daten umgehen. Je näher dran an der Krankheit, desto offener, weil der Nutzen offensichtlich ist.

* Mehrfachnennungen möglich Basis: Alle Befragten (1.236)

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ÜBERBLICK

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Digitale Gesundheit: Crash oder Symbiose 14Datenschutz: Europas neue Regeln für den Umgang mit Daten 18Nikolaus Forgó: Betrieblicher Datenschutz vor dem Aus 22Interoperabilität: Wächst jetzt zusammen, was zusammengehört? 24Peter Mildenberger: Mehr als nur ein Signal? 26Philipp Grätzel von Grätz: Besser forschen! 28

ANNA WINKER, Artdirektorin, ist seit über zehn Jahren den deutschsprachigen Gesundheitssystemen verbunden. Sie erklärt sie anschaulich, macht sie bunter, verständlicher und schöner.

Das Journal für die deutsche, österreichische und schweizerische Healthcare-IT-Branche

www.himss.eu/42

HerausgeberHIMSS Europe GmbH

Lennéstr. 9, 10785 BerlinTel.: +49 30 46 7777 330

Chefredaktion (V.i.S.d.P.)Claudia Dirks: [email protected]

ArtdirektionAnna Winker: [email protected]

Mitarbeiter dieser AusgabeAlexander Schachinger, Philipp Grätzel von Grätz,

Romy König, Uwe Sievers, Swantje Stein, Cornelia Wels-Maug

Schlussredaktiontextpool-berlin

GeschäftsführerHIMSS Europe GmbH

Stephen Bryant und Jeremy Bonfini

Anzeigen & HealthTech WireAriane Müller: [email protected]

42 arbeitet mit HealthTech Wire zusammen, um seinen Lesern Informationen der Hersteller zu übermitteln.

www.healthtechwire.de

Bitte senden Sie Pressemitteilungen an: [email protected]

Druck MEDIALIS Offsetdruck GmbH

Printed in Germany

Nachdruck, auch auszugsweise, Aufnahme in Onlinedienste und Internet sowie Vervielfältigung auf Datenträger wie CD-ROM,

DVD-ROM etc. nur nach vorheriger schriftlicher Zustimmung durch HIMSS Europe. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte und

Fotos keine Gewähr.

© HIMSS Europe GmbH, 2016Alle Rechte vorbehalten.

PHILIPP GRÄTZEL VON GRÄTZ ist Chef-redakteur der englischsprachigen Insights aus dem Hause HIMSS Europe. Der schrei-bende Mediziner ist spezialisiert auf Ge-sundheitspolitik, besonders in den Themen E-Health und Informationstechnologien für das Gesundheitswesen zu Hause und Autor des Buches „Vernetzte Gesundheit“.

42 N°8 ERSCHEINT AM 20. MAI 2016

Predictive modeling – oder die Kunst der Vorhersage: Wenn der Arzt doch nur all das wüsste, was alle anderen wissen.

Handwerkszeug: Neue Geschäftsfelder für die Kranken-haus-IT-Abteilungen.

Jagd im 3D-Klinikum. Im Kampf gegen Keime begibt sich das Universitätsklinikum Genf auf neues Terrain.

Und mittendrin die Radiologie: Interview mit Norbert Hosten, Präsident der Deutschen Röntgengesellschaft, über die Zukunft der Radiologie.

Best-of-breed oder doch lieber alles aus einer Hand? Im KIS-Markt ist so viel Bewegung wie schon lange nicht mehr.

N°7

UWE SIEVERS schreibt über digitale Gesundheitsthemen oder berichtet für in- und ausländische Zeitungen über Netzwelt und Informationstechnologien. Der Journalist und Dozent war zuvor etliche Jahre als IT-Spezialist tätig.

— IMPRESSUM —

ALEXANDER SCHACHINGER ist Geschäfts-führer der EPatient RSD GmbH in Berlin, einem Marktforschungs- und Beratungs-unternehmen für digitale Patientenstra-tegien. Er promovierte 2013 zum Thema „Der digitale Patient“. Nach dem Studium der Medienökonomie in Berlin und Toronto arbeitete er bei internationalen Herstellern sowie Digitalagenturen.

FELIX CORNELIUS ist Geschäftsführer der Spreeufer Consult GmbH, die sich auf Projekte spezialisiert hat, in denen ärztliches und betriebswirtschaftliches Denken versöhnt werden sollen. Er ist auch Mitgründer und Vorstand des Verbandes digitale Gesundheit (VdigG).

ALADIN ANTIC war in einem ersten Leben Veranstalter von Heavy-Metal-Konzerten, Redakteur einer Musikzeitschrift, DJ; in einem zweiten Leben Biochemiker, dann kam das Gesundheitswesen und machte ihn zum Healthcare-IT-Experten.

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An die 130 Start-ups im deutschsprachigen Raum entwi-ckeln seit wenigen Jahren völlig neue internetmedizini-sche Anwendungen für das Smartphone von Patienten.

Die Mehrheit dieser neuen Dienste und Apps hat faktisch direk-te Therapie- und Versorgungsrelevanz. Die damit verbundenen neuen digitalen Versorgungsszenarien, Geschäftsmodelle und Herausforderungen wurden von den Leistungserbringern bisher deutlich unterschätzt. Umso mehr wirkt sich nun diese Dyna-mik auf den Klinikmarkt aus. Denn diese Start-ups fragen nicht um Erlaubnis. Dieser Artikel stellt einen Auszug des Digitalen Gesundheitsmarkt Reports 2015 dar.

Fassen wir es kurz: Wir erleben derzeit eine gesamtgesell-schaftliche Digitalisierung der sozialen Wirklichkeit sowie der Märkte, Dienste und Vertriebswege. Charakteristika die-ser digitalen Netzwerkgesellschaft ist eine soziale, offene und dezentrale Vernetzung – sprich: das genaue Gegenteil eines geschlossenen und somit unabhängigen, „top down“ regulier-ten Systems, wie beispielsweise das deutsche Gesundheits-system. Diese beiden Welten prallen derzeit zusammen. Akteure, Unternehmen sowie das Management dieses geschlossenen Systems haben ökonomische Anreize und brauchen täglich Informationen, welche dem Wissen und Verstehen des digitalen Ökosystems völlig entgegenstehen und jenen fremd und unver-ständlich erscheint.

Im Rahmen der strategischen Marktanalyse des zweiten Digitalen Gesundheitsmarkt Re-ports mit dem Fokus im Jahr 2015 allein auf die neue Generation von aktuell 130 digitalen Gesundheits-Start-ups (erstmalig) sollen die verdichteten Erkenntnisse sowie insbesonde-re ihre Implikationen für Kliniken hier darge-stellt werden.

Die neue Generation internetbasierter Gesundheits- und The-rapieanwendungen lässt die meist lediglich auf ein Inhalte- und Kommunikationsparadigma reduzierten Anwendungen ihrer Vorgänger hinter sich.

Die derzeit beobachtbaren Innovationspfade werden im Folgenden im Interessensfokus Kliniken dargestellt: ◊ E-Coaching (E-Learning) ist eine schon weiter verbreitete

digitale Anwendung, welche jedoch durch die Forschungs-erkenntnisse aus der Internetmedizin erst durch feine Feed-backelemente und Assessments, einen auf den Wissensstand des Patienten modular abgestimmten Aufbau und weitere patientensoziologische Charakteristika eine belegbare er-wünschte Wirkung aufweist (auch bekannt unter dem Infor-mation Therapy Paradigma von Kemper & Mettler). Für Klini-ken eignet sich dieser Ansatz ideal als auf eine Klinik-OP und den Behandlungspfad fein abgestimmte Smartphone-basier-te Nachbehandlung mit den Vorteilen der Kundenbindung,

des Qualitätsmanagements und dem Sammeln von Versorgungsdaten nach erfolgter OP. ◊ Die Online-Gesundheitsakte (engl.: Per-

sonal Health Record) ist die eigentliche und rein patientengesteuerte Reinform der webba-sierten Gesundheitsakte mit allen existieren-den Befunddaten des Patienten in jeglichen Formaten. Patient sowie alle behandelnden Ärzte und Fachgruppen haben Zugriff mit unterschiedlichen Schreib- und Leserechten. Beispielsweise verknüpfen sich auch zwei Anbieter mit der Arztpraxissoftware des be-handelnden Arztes. Einige Start-ups entwi-ckeln auch softwarebasierte Brücken zwi-schen KIS-Systemen und dem Smartphone des Patienten.

Orts- und Zeitunabhängigkeit in Diagnose und Therapie, Schließen von Versorgungslücken

Patientenseitiger Zugriff/Weitergabe eigener Daten, Diagnosen, ePA (Ansätze für Big Data, Versorgungsforschung)

Verstärkung/Messbarkeit von Adhärenz, Compliance, Selbstmanagement

Schließen von Versorgungslücken: Überbrückung von Warte-/Sperrzeiten, bessere langfristige (tägliche) Versorgung

Effektivitätssteigerung in ambulanter/klinischer Terminvergabe, Diagnostik, Therapie

Service-/Betreuungsangebote von Ärzten/Kliniken für Patienten (Erweiterung der traditionellen Softwaresysteme)

Ausweitung der Prävention durch Individualisierung und Früherkennung

Schnelligkeit (der Kommunikation, des Informationsaustausches)

Individualisierung von Informationen/Interventionen

18,8%

13,8%

11,3%

VORTEILE DER INNOVATIONEN DIGITALER GESUNDHEITS-START-UPS FÜR DIE VERSORGUNG

Quelle: n=131 Start-ups, Auszug Digitaler Gesundheitsmarkt Report 2015, EPatient RSD GmbH

„Antifragil sind Dinge, die unter

Stress nicht zusammenbrechen,

sondern sich verbessern.“

Nassim M. Taleb, 2014

7,5%

5,0%

15,0%

13,8%

8,8%

6,3%

Eine neue Generation von eHealth-Start-ups ändert den digitalen Markt im Kliniksegment: Zusammenstoß oder Integration zweier Welten?

Von Alexander Schachinger

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ID DIACOS® PHARMA ID MEDICS® ID PHARMA CHECK®

◊ Arzt-Patienten-Dienste bestehen mehrheit-lich aus der Online-Arztsprechstunde, der Zweitmeinung oder Anamnese-, Befund- und Servicediensten für den Patienten vor, während und nach eines Klinikau-fenthalts oder als anamnese- oder auf-klärungsbezogene Smartphone-basierte Anwendung beispielsweise vor oder nach einem Arztbesuch. Die Vorteile für die klinikfokussierte Patientenkoordination, die Prozessoptimierung vor, während und nach einem Klinikaufenthalt liegen hier auf der Hand.

◊ Internetbasierte Diagnostik oder auch me-dizinische Diagnostik rein per Smartphone, teils mit, teils ohne gesonderte Hardware, ist ein typischer Innovations- und Disrupti-onspfad im Sinne: immer kleiner, immer günstiger, immer einfacher zu verwenden. Dabei spielt auch die Konvergenz von Me-dizintechnik, Consumer Electronics und Internet eine treibende Rolle.

Übergeordnet muss postuliert werden, dass Kliniken insgesamt das Potenzial der digitalen Gesundheitsinnovationen als eine systemfremde und teilweise irritierende neue Marktgröße wahrnehmen und das kostenef-fiziente und therapie- und versorgungsver-bessernde Potenzial für sich bei weitem noch nicht ausreichend aufgegriffen, evaluiert und umgesetzt haben. Dies wird sich in den kommenden Quartalen wie Jahren mit hoher Wahrscheinlichkeit ändern.

In Anbetracht der wachsenden Ärzteknapp-heit und somit auch der medizinischen Ver-sorgungsverknappung in einigen Regionen verstärkt sich der Handlungsdruck hierzu ge-samtgesellschaftlich entsprechend.

Im Folgenden sollen exemplarisch zwei Strategie- und Integrationsherausforderungen für Kliniken verdichtet dargestellt werden.

Unternehmensinterne Prozesse und Strukturen:

Die häufig intern wie extern wahrgenomme-ne Unterschiedlichkeit zwischen marketingfo-kussierten versus produkt- und versorgungsfo-kussierten klinikinternen Abteilungen wirkt innerhalb der hier dargestellten Szenarien kon-traproduktiv. Nicht nur wäre es deplatziert und in seinem Potenzial weit unter Wert verkauft, digitale Patientendienste rein als Marketing-

instrument zu verwenden; die Integration von Wissen, Strategien und des Managements digitaler Produkte bedarf neuer Prozesse und Kompetenzen.

Antifragile Integration der neuen digitalen Therapie- und Versorgungsansätze:

Sehr schlicht gesprochen sollten Kliniken die Nichtvernetztheit des digitalen mit dem traditionellen Gesundheitsmarkt durch sehr schlanke, schnelle und mit kleinem Budget versehene Evaluationspiloten überbrücken. Antifragil meint hierbei, dass sehr wohl diese Piloten, welche einen digitalen Patientendienst im Fokus haben, keine komplexen, budgetin-tensiven, IT-Infrastruktur verändernde Pro-jekteigenschaften haben müssen.

Ausblick und FazitWie kaum ein anderer Akteur auf dem Ge-

sundheitsmarkt haben Kliniken das nahezu ideale Potenzial, mit ihren hohen Fallzahlen, nach bestimmten Behandlungsformen und Indikationen kontrollier- und skalierbar, neue digitale Patientendienste im Feld zu testen, zu evaluieren und zu integrieren. Der Klassiker, als Beispiel, würde wie folgt aussehen:

Ein Patient nach Eingriff XY verlässt mit Ledertasche und Zahnbürste die Klinik und erhält, genau zugeschnitten für Eingriff XY, für seine Folgewochen und -monate der Reha-bilitation ein hochindividualisiertes, dynami-sches und interaktives Coaching-Programm für sein Smartphone. Digitale Nachsorge, Qualitätsmanagement, Kundenbindung, di-gitale Versorgungsforschung in einem Icon auf dem Smartphone-Homedisplay im Look & Feel der Klinik kombiniert. Und das bitte nicht als Projekt mit einer mittleren IT-Revolution dahinter. Es ist machbar.

Was seit gestern geschieht und die kom-menden Jahre charakterisieren wird, ist keine Fertigstellung einer einheitlichen Standardlö-sung mit einer Standardplattform und Stan-dardregulation, wie es das deutsche Gesund-heitssystem gewohnt ist und es sich ständig als liebevolle, aber unrealistische Lösung am Ende eines jeden Digitalkongresses seit Jahren wünscht. Es wird eine mit der Zeit schneller konstruktive und auf Wirkung prüf-bare, chaotische „Feuerwerksinnovations-phase“ sein. ¬

HERAUSFORDERUNGEN FÜR KLINIKEN

Die neuen Herausforderungen zu diesem Thema lassen sich in drei Bereiche unterteilen:

◊ bisher fehlendes unabhängi-ges Marktwissen,

◊ bisher fehlende Strategien basierend auf wissenschaft-liche wie marktstrategische Best Practice

◊ die Konvergenz zweier bisher nicht vernetzter Welten, bei-spielsweise durch schlanke Piloten, Evaluationen oder der Entwicklung digitaler Therapie- und Versorgungs-konzepte. M

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Nach vier Jahren zäher Verhandlungen einigte sich die EU Mitte Dezember auf neue Datenschutzgrundsätze. Die Dauer des konfliktreichen Prozesses darf als Indiz

dafür gewertet werden, welche Bedeutung Daten für die heutige Gesellschaft und in der modernen Ökonomie haben. Schließlich setzt die europäische Datenschutz-Grundverordnung, EU-DSGV, Standards für einen Wirtschaftsraum mit über 500 Millionen Verbrauchern, denn überall in Europa soll das gleiche Daten-schutzrecht gelten.

Das neue Recht gilt nicht nur für Unterneh-men aus EU-Ländern, sondern für alle Unter-nehmen, die innerhalb der EU aktiv sind und damit auch für Internet-Größen wie Facebook, Google oder Amazon. Es bringe nichts mehr, wenn ein Unternehmen seinen Firmensitz nach Dublin verlege, betont Bundesjustizmi-nister Heiko Maas. So waren in der Vergangen-heit neben Facebook auch andere US-ameri-kanische Unternehmen verfahren, galt doch Irland aus Sicht dieser Unternehmen als Datenschutzoase.

Demgegenüber beklagen europäische Unternehmen den kos-tenintensiven Aufwand, um ihre Geschäftstätigkeiten an die unterschiedlichen Datenschutzgesetze der 28 Mitgliedsstaaten anzupassen. Die Europäische Kommission erwartet durch die EU-DSGV Einsparungen von bis zu 2,3 Milliarden Euro pro Jahr.

Bundesregierung als BremserDie Kommission begann bereits Anfang 2012 einen Reform-

prozess, um das als veraltet geltende Gesetz von 1995 zu ak-tualisieren. Damit gingen sofort Konflikte und kontroverse Debatten einher, die 2013 in über 4.000 Änderungsanträgen mündeten. Viele davon waren von Lobbyisten geschrieben und wurden von Parlamentariern 1:1 übernommen, wie die Internet-Plattform LobbyPlag zeigte. Der zuständige EU-Parlamentarier Jan Philipp Albrecht (Grüne) schaffte es im Oktober 2013 schließlich, mit seinem Team daraus einen abstimmungsfähigen Entwurf zu destillieren.

Bei der anschließenden Beratung der Mit-gliedsstaaten im Ministerrat fiel die Bundes-

2,3 Milliarden Euro pro Jahr meint die

EU-Kommission durch EU-DSGV

einsparen zu können.

Europas neue Regeln für den Umgang mit Daten

Die neue europäische Datenschutz-Grundverordnung soll den EU-Ländern einheitliche Datenschutzregeln bringen. Die Abstimmung im EU-Parlament gilt als Formsache. Danach stehen dem bundesdeutschen Datenschutzrecht zahlreiche Änderungen bevor.

Von Uwe Sievers

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regierung als Bremser auf, entgegen deren Beteuerungen in allen Medien, sich für ein Datenschutzrecht nach deutschem Vorbild einzusetzen. Namentlich war es Innenminister Thomas de Maizière, der die meisten Anträge einreichte, um den Datenschutz EU-weit auszu-höhlen, wie LobbyPlag ermittelte (lobbyplag.eu/governments).

Trotzdem ging die Verordnung mit den im Sommer 2015 begonnenen Trilog-Verhandlun-gen zwischen den drei EU-Gremien, Kommis-sion, Parlament und Ministerrat, schließlich in die Zielgerade. Zwar wurde der Entwurf in einigen Punkten abgeschwächt, dafür gelang jedoch bis zum Jahresende eine Einigung. Nun haben die EU-Nationen zwei Jahre Zeit, die Verordnung in nationales Recht umzusetzen. Anfang 2018 soll sie überall in Kraft treten.

Schärfere SanktionenZu den wesentlichen Neuerungen gehört,

dass Verbraucher sich auch bei Problemen mit Anbietern aus anderen Ländern an die heimi-sche Beschwerdestelle wenden können. Bis-lang war dies nicht möglich, deshalb musste etwa der Österreicher Max Schrems in Irland, Europasitz des Konzerns, gegen Facebook klagen. Nun gilt das Recht jenes Landes, in dem eine Leistung online angeboten wird: „Selbst wenn man seinen Server auf die Fidschi-Insel stellt, nützt das niemandem mehr etwas“, so Heiko Maas.

Bei Verstößen drohen neue Sanktionen: Anders als bisher werden Strafzahlungen zukünftig an den weltweiten Jahresum-satz gekoppelt und können mit vier Prozent wesentlich höher ausfallen. Bei einem Unternehmen wie Google wären das im-merhin weit über zwei Milliarden, denn laut Nachrichtenagen-tur dpa lag der Umsatz des Konzerns im vergangenen Jahr bei 66 Milliarden US-Dollar.

Kritiker bezweifeln die Durchsetzbarkeit dieser Sanktionen, insbesondere bei weltweit operierenden Unternehmen. Weder seien die Datenschutzbehörden personell entsprechend ausge-stattet, um mit dem erwarteten Beschwerdeaufkommen umzu-gehen, noch sei klar, wie verhängte Strafzahlungen eingetrie-ben werden können. Das dürfte die Gerichte noch beschäftigen.

Neue HandlungsoptionenWeitere Änderungen betreffen die Einwilligungserklärung

zur Verarbeitung personenbezogener Daten und die sogenann-te Zweckbindung. Anbieter müssen zukünftig vor der Verar-beitung eine allgemein verständliche Zustimmungserklärung anbieten, die Nutzer explizit bestätigen müssen. Daneben wird der seit Langem im deutschen Datenschutzgesetz festgeschrie-bene Grundsatz der Datenminimierung nun auch auf EU-Ebene übernommen. Die Unternehmen müssen danach ihre Angebote

derart gestalten, dass sie dafür möglichst we-nige Daten erheben müssen. Die Weitergabe von Daten an Dritte wird eingeschränkt, denn die Zweckbindung erlaubt deren Verwendung nur für den angegebenen Zweck. Also können Daten einer Online-Bestellung bei einem Ver-sandhändler nicht mehr so einfach an Dritte veräußert werden. Ausnahmen gelten jedoch bei Daten für öffentliche Archive, wissenschaft-liche Forschung oder amtliche Statistiken.

Laut Minister Maas sei es ein zentrales Ziel der Verordnung, Europas Internet-Nutzern mehr Kontrolle über ihre persönlichen Daten zu geben. Konsumenten dürfen sich daher über neue Handlungsoptionen freuen: Sie er-halten zukünftig die als Recht auf Vergessen bezeichnete Möglichkeit, Informationen oder Fotos löschen zu lassen. Außerdem muss es leichter werden, Daten wie Mails oder Adress-bücher von einem Anbieter zum nächsten mit-zunehmen.

Zusätzlicher Schutz wird für Kinder und Ju-gendliche eingeführt. Sie könnten in einigen europäischen Ländern künftig Online-Dienste wie Facebook oder WhatsApp erst ab 16 Jah-

ren nutzen dürfen. Denn grundsätzlich ist dieses Mindestalter für die Einwilligung zur Datenverarbeitung vorgesehen, außer wenn nationales Recht davon abweicht. In dem Fall müssten die Kinder mindestens 13 Jahre alt sein. Die Altersfrage zählte ne-ben der Zweckbindung zu den umstrittensten Streitpunkten der EU-DSGV. Daran wird zugleich das Hauptdilemma der neuen Verordnung deutlich: Mitgliedsstaaten haben die Möglichkeit, an vielen Stellen Sonderregeln einzusetzen. Dadurch könnte es in den 28 Staaten so viele Ausnahmen und Sonderregeln geben, dass von einem gemeinsamen Datenschutzrecht keine Rede mehr sein kann.

Datenschutz ist WirtschaftsfaktorDas bliebe nicht ohne wirtschaftliche Folgen, denn Daten-

schutz ist ein Wirtschaftsfaktor und europäische Unternehmen sollen davon profitieren, dass in der gesamten EU dasselbe Datenschutzniveau gilt. Der bisherige Flickenteppich an Vor-schriften hatte die Kosten für in mehreren EU-Staaten tätige Un-ternehmen in die Höhe getrieben, während außereuropäische Konzerne wie Google oder Facebook von der bisherigen Rechts-lage durchaus profitiert haben, indem sie sich das Land mit dem niedrigsten Datenschutz als Unternehmenssitz aussuchten. Nicht zuletzt durch die Snowden-Enthüllungen profitieren euro-päische Unternehmen inzwischen jedoch immer öfter von einer neuen Tendenz: Datenschutz wird zum Exportschlager, vor al-lem fernöstliche Unternehmen setzen auf deutsche IT-Produkte, weil diese hohen Datenschutz- und Sicherheitsanforderungen entsprechen. ¬

Für Justizminister Heiko Maas (SPD)

ist das zentrale Ziel der Verordnung,

Europas Internet-Nutzern mehr Kontrolle über

ihre persönlichen Daten zu geben.

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Interview mit Nikolaus Forgó

Was sind die wichtigsten Punkte der EU-DSGV für das deutsche Gesundheitssystem?

Es gibt nun mit dem Artikel 4, in Nummer 10,11 und 12, eine klare Definition von Gesund-heitsdaten. Darüber hinaus sollte ursprüng-lich in einem eigenen Artikel die Verarbeitung von Daten für Gesundheitszwecke geregelt werden, doch der wurde gestrichen. Dadurch wird Artikel 83 zum Tragen kommen, der die Verarbeitung wissenschaftlicher Daten – aller-dings primär für Forschungszwecke – regelt. Dieser Artikel war extrem umstritten. Man wird jedoch weiterhin eine Unterscheidung zwischen Forschungs- und Therapiedaten treffen müssen, denn das sind stark unter-schiedliche Verwendungszwecke. Solange es keine besonderen Regeln für die Datenverarbeitung im Thera-piebereich gibt, gelten die Regeln der allgemeinen Datenverarbeitung.

Was ändert sich dadurch beim Um-gang mit Gesundheitsdaten?

Gegenüber den bisherigen Daten-schutzregeln erleichtert die aktuelle Fassung die medizinische Forschung. Daraus werden bei Gesundheitsdaten geringere Anforderungen an den Da-tenschutz resultieren als bisher. Mit-gliedsstaaten können aber an diesem Punkt, wie an vielen anderen Stel-len auch, immer noch Sonderregeln entwickeln.

Welche Konsequenzen sind für das nationale Gesundheitswesen als Erstes zu erwarten?

In diesem Jahr ist voraussichtlich noch nicht mit spürbaren Auswirkungen zu rech-nen. Mittelfristig erwarte ich nicht viele Ab-weichungen zu dem, was wir in Deutschland kennen. Man wird aber bald klären müssen, inwieweit man nationale Datenschutzvor-schriften aufrechterhalten kann. So behan-delt das Sozialgesetzbuch im fünften Buch die Rahmenbedingungen für die elektroni-sche Gesundheitskarte; eine der Fragen dazu wird sein: Was passiert mit diesen speziellen Datenschutzregeln? Es darf zwar nationale Regeln geben, aber ob die in jedem einzel-nen Punkt kompatibel sind, wäre zu prüfen. Allerdings besitzen auch andere Staaten der-

artige Insellösungen und haben damit ähnli-che Probleme.

Sollten sich Krankenhäuser jetzt schon vor-bereiten?

Insbesondere im Bereich Datensicherheit sollten sie sich vorbereiten. IT-Sicherheit ist eine große Herausforderung in Krankenhäu-sern. Die EU-DSGV fordert recht trocken, dass Datensicherheit – und damit IT-Sicherheit – State of the Art sein müsse. Sie enthält dazu aber auch allgemeine Empfehlungen. State of the Art erfordert unter anderem, Risiken mit Si-cherheitsmaßnahmen in Beziehung zu setzen, dazu muss im Vorfeld eine Folgenabschätzung stattfinden. Daneben muss geregelt sein, wie bei Sicherheitsvorfällen mit Datenverlust Be-

troffene und Aufsichtsbehörden infor-miert werden.

Manche Kritiker der neuen Regelung fordern, dass es für kleine und mitt-lere Unternehmen Ausnahmeregeln geben müsste. Teilen Sie diese Kritik?

Das sehe ich nicht so. Es geht letzt-lich immer um eine Grundrechtsab-wägung. Warum sollten bei einem Patienten, der in einem kleinen Krankenhaus behandelt wird, andere Grundrechte gelten, als bei dem, der in einem großen liegt? Ich halte die Regelung für richtig, so wie sie ist.

Auf EU-Ebene umstritten waren die betrieblichen Datenschutzbeauftrag-ten. Wird es sie weiterhin geben?

Die gute Nachricht ist: Es gibt sie jetzt sogar EU-weit. Es ist ein sehr deutsches Modell, das jetzt gesetzlich verpflichtend in der ganzen EU gilt. Doch die schlechte Nachricht ist: Dieser Datenschutzbeauftragte muss nur noch von öf-fentlichen Stellen und Unternehmen bestimm-ter Branchen bestellt werden. Das betrifft etwa Firmen, die Datenverarbeitung in großem Stil betreiben, beispielsweise Scoring-Unterneh-men. Oder solche, deren Haupttätigkeit auf der Verarbeitung großer Mengen sensibler Da-ten beruht, wie Versicherungen. Auch Kran-kenhäuser gehören wohl dazu. Die Mehrzahl der Datenschutzbeauftragten in Deutschland könnte also arbeitslos werden. Allerdings sieht auch der betreffende Artikel 35 die Möglichkeit vor, nationale Sonderregeln einzuführen. ¬

EU-weit gilt nun der Grundsatz der Datenminimierung: Die

Weitergabe von Daten an Dritte wird eingeschränkt. Die Zweckbindung erlaubt

deren Verwendung nur für den angegebenen

Zweck. Ausnahmen gelten für öffentliche Archive,

wissenschaftliche Forschung und amtliche Statistiken.

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Betrieblicher Datenschutz vor dem Aus

Der Rechtswissenschaftler Nikolaus Forgó gilt als Datenschutzexperte für den Gesundheitssektor. Er lehrt an der Leibniz Universität Hannover und leitet dort das Institut für Rechtsinformatik. Ein Gespräch über die Auswirkungen

der neu beschlossenen europäischen Datenschutz-Grundverordnung, EU-DSGV, auf Gesundheitsdaten.

Von Uwe Sievers

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Kürzlich wurde das wieder einmal sehr deutlich. In dem An-fang Januar in Kraft getretenen E-Health-Gesetz ist Interopera-bilität zwar ein zentrales Thema, aber man hat den Eindruck, dass es nur mit Samthandschuhen angefasst wird. Die Gematik hat für ihr Interoperabilitätsverzeichnis zwei Jahre Zeit. Und am Ende wird eine Liste von Standards und, wahrscheinlich, IHE-Profilen stehen, die in keiner Weise verpflichtend sein wird.

Nun sind die Bundesgesetze nur eine Seite der Medaille. Tatsächlich gibt es auf Länderebene immer mehr Projekte, in denen IHE-Profile verlangt werden. „Viele dieser Projekte erhal-ten von Bundesländern Fördermittel“, sagt Peter Mildenberger, Radiologe an der Universitätsklinik Mainz und User Co-Chair von IHE Europe. Die elektronische Fallakte FALKO in Nord-rhein-Westfalen basiert beispielsweise auf IHE, genauso das PACS-Projekt RadioConsil in Sachsen. Und das Bundesland Rheinland-Pfalz versucht, ein IHE-basiertes Telemonitoring kardialer Implantate voranzubringen. Auch die Kunden enga-gieren sich, zumindest einige. So hat die landeseigene Kran-kenhauskette Vivantes in Berlin einen mobilen Zugriff auf die elektronische Patientenakte des Krankenhauses via iOS-Tab-let-PCs umgesetzt, der bei der Datenübertragung ausschließ-lich auf IHE setzt. All diese Beispiele zeigen, dass Deutschland seinen Ruf als IHE-Nachzügler nicht uneingeschränkt verdient.

Europa wird zu einer globalen IHE-ReferenzregionDie meisten Experten sind der Auffassung, dass die Ent-

scheidung der Europäischen Kommission, 27 IHE-Profile für öffentliche Ausschreibungen offiziell zu empfehlen, es IHE einfacher machen wird, die nötige Akzeptanz auch in den Ländern zu bekommen, die noch hinterherhinken. „Europa wird mit dieser Entscheidung wirklich zu einer globalen Refe-renzregion. Es muss niemand die Profile verwenden. Aber die Entscheidung hilft uns, mit CIOs, Projektmanagern, Auftragge-bern überall in Europa in Kontakt zu kommen und sie darüber zu informieren, dass es sehr viel Sinn macht, IHE in Ausschrei-bungen mit Nachdruck einzufordern“, sagt Lapo Bertini. (...)

CONNECTATHON 2016: EUROPA SOLL INTEROPERABLER WERDEN

Der 16. Europäische Connectathon wird vom 11. bis 15. April in Bochum stattfinden, ausgerichtet vom Bran-chenverband bvitg, von IHE Europe und dem Zentrum für Telematik und Telemedizin (ZTG). Im vergangenen Jahr waren in Luxemburg mehr als 75 Unternehmen mit rund 300 Ingenieuren, Entwicklern und Implementierern vertreten. „Wir sind zuversichtlich, dass es uns gelingt, diesmal eine noch beeindruckendere Veranstaltung auf die Beine zu stellen“, sagt Alexander Ihls, IHE Vendor Co-Chair für Deutschland. „Ein Highlight wird zum Beispiel eine innovative Test-Session sein, in der die Teilnehmer zum ersten Mal IHE-Profile testen, die auf dem neuen HL7-Standard FHIR basieren.“

Zum dritten Mal in Folge wird der Europäische Connec-tathon von einem gemeinsamen europäischen Sympo-sium ergänzt, in dem Initiativen und Projekte diskutiert werden, die auf eine Verbesserung der eHealth Intero-perabilität in Europa zielen. Das Symposium am 12. April wird einen Überblick geben über die europäische eHe-alth-Agenda und über nationale und regionale IHE-Pro-gramme überall in Europa. Es wird auch die ersten Erfah-rungen mit dem IHE Conformity Assessment Programm zusammenfassen und neue IHE-Profile vorstellen, die sich um mobile Anwendungen kümmern.

Ergänzt wird das Programm außerdem durch zahl-reiche nationale Veranstaltungen, einschließlich des ersten Deutschen Interoperabilitätstags am 13. April. Ein anderer von Deutschland vorangetriebener Teil des Europäischen Connectathons ist der eCR Projectathon in Kooperation mit HL7 Deutschland. Thema ist die elektronische Fallakte (eCR/EFA) von Fraunhofer FOKUS und EFA-Verein. EFA ist ein fallbezogener Patientenak-tenstandard, der in der neuen Spezifikation technisch als eine Art Meta-Profil angesehen werden kann, das auf existierende IHE-Profile aufsetzt.

connectathon.ihe-europe.netLesen Sie den ausführlichen Artikel auf www.himss.eu/42

Insgesamt seien in Sachen Interoperabilität in Europa in den letzten Jahren deutliche Fortschritte gemacht worden, sagt Lapo Bertini, Vendor Co-Chair von IHE Europe. Bertini ist ei-

ner der sichtbarsten Akteure der europäischen IHE-Community. Er ist Italiener, weiß aber auch über die Entwicklungen in vielen anderen europäischen Ländern sehr gut Bescheid: „Natürlich ist die Situation in unterschiedlichen Ländern unterschiedlich. Wenn ich einige herausheben sollte, die sich in den letzten Jah-ren besonders gut entwickelt haben, dann würde ich Frank-reich, Österreich und die Schweiz nennen. Frankreich und Ös-terreich bauen nationale Gesundheits-IT-Infrastrukturen auf, die auf IHE-Profilen basieren. Und die Schweiz ist ein sehr gutes Beispiel für ein mehrsprachiges Land mit einer überzeugenden regionalen Herangehensweise an das Thema Interoperabilität.“

Bekenntnis zu IHE beschleunigt Ausschreibungen deutlichInsbesondere Österreich hat sich zu so etwas wie dem Lieb-

ling der IHE-Community in Europa entwickelt. Die österreichi-sche Regierung, die österreichische Sozialversicherung und gro-ße Krankenhausnetzwerke in Österreich treiben die Umsetzung internationaler Standards seit Jahren voran. „Österreich hat schon vor acht Jahren entschieden, dass es bei der nationalen elektronischen Gesundheitsakte ELGA auf internationale Stan-

dards setzt. Darauf können wir uns als Ausschreiber berufen, das beschleunigt Ausschreibungen deutlich“, sagte Alexander Schanner von der Niederösterreichischen Landeskliniken Hol-ding beim IHE-Tag 2015 in Wien.

Hubert Eisl, Geschäftsführer der ELGA GmbH, sagte, dass er überzeugt sei, dass IHE-Profile nicht nur dadurch die Patienten-versorgung verbessern, dass sie für Interoperabilität sorgen. Sie könnten dazu beitragen, die gesamte Gesundheits-IT-Land-schaft in Europa zu verändern: „Gesundheits-IT-Anbieter wer-den zunehmend gezwungen, IHE-Profile in ihren Produkten zu berücksichtigen. Das wird zu einer Konsolidierung des Marktes führen, und letztlich zu besseren Softwarelösungen.“

Deutschland versucht, sich IHE föderalistisch zu nähernAllerdings unterstützt längst nicht jede Regierung in Europa

IHE so energisch wie die österreichische, die französische oder auch einige skandinavische. Deutschland ist das wichtigste Beispiel für ein mitteleuropäisches Land, das IHE bisher nicht verpflichtend fordert. Das liegt nicht zwangsläufig daran, dass die deutsche Regierung IHE nicht mag. Es ist eher die stark de-zentralisierte Struktur des deutschen Gesundheitswesens, die es schwer bis unmöglich macht, irgendwelche bindenden nati-onalen Vorgaben für Healthcare-IT-Standards auszusprechen.

Wächst jetzt zusammen, was zusammengehört?

Dank diverser neuer E-Health-bezogener Gesetze und Initiativen in unterschiedlichen europäischen Staaten und auf EU-Ebene ist das Thema Interoperabilität auf der politischen Agenda in Europa wieder ein Stück nach vorn gerutscht. Aber ist es nur auf der Agenda, oder tut sich wirklich was? Eine Bestandsaufnahme zum Europäischen Connectathon in Bochum.

Von Philipp Grätzel von Grätz

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E-Health im Föderalismus: Interoperabilität macht’s möglich

Deutschland will seit Jahren eine nationale elektroni-sche Gesundheitskarte einführen. Das E-Health-Gesetz soll nun die Weichen für eine zügige Realisierung stel-len. Dabei kann Deutschland von seinen europäischen Nachbarn lernen: Die ebenfalls föderalistisch aufge-stellte Schweiz startete 2013 die Strategie E-Health.

Die Schweizer Strategie E-Health half, sektorübergreifend die notwendigen Prozesse und Interoperabilität zu etab-lieren. Die Umsetzung startete im Kanton St. Gallen mit dem Projekt „Ponte Vecchio“. Heute überbrückt die „Ponte Vecchio“ die Datenlücke zwischen Kliniken und Arztpra-xen, ohne den Medizinern großen technischen Aufwand bereitet zu haben, denn die Ärzte erhalten die Dienste online als sogenannten Shared Service. Ein Team aus den Partnern BINT GmbH, Gesundheitsdepartement St. Gallen, Health Info Net AG (HIN) und Bluecare AG hat die „Ponte Vecchio“ mithilfe der Standardsoftware von InterSystems in nur neun Monaten erstellt. Die Berner Fachhochschule evaluierte das Projekt und stufte es in fast allen Punkten als gut bis sehr gut ein.

In Sekunden zur besseren Patientenversorgung Niedergelassenen und Klinikärzten stehen die relevan-ten Patientendaten nun in Sekunden digital zur Verfü-gung, was sich positiv auf die Qualität der Patientenver-sorgung auswirkt.

„Die klaren rechtlichen, organisatorischen und techni-schen Vorgaben einer nationalen Strategie sorgen in der Schweiz dafür, dass sich jeder der Beteiligten gleicher- maßen auf E-Health vorbereiten kann“, so Volker Hofmann, Manager Healthcare bei InterSystems. „Es geht bei den Projekten stets darum, ein Plus an Qualität, Innovation und Bezahlbarkeit zu erzielen.“ In Deutschland liegt es nun an den Marktteilnehmern, rasch einen gangbaren Weg zu finden.

Kontakt:InterSystems GmbH

Volker Hofmann, Manager Healthcarewww.intersystems.de

E-Mail: [email protected]

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VerzeichnisBehandelnde,Organisationen

IHE, HL7E-Health Suisse

Patienten-portal

Patienten-portal

Patienten-portal

FachlicheAffinity Domains

RegionaleAffinity Domains

Affinity DomainsNiedergelassene

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AndereGemeinschaften

E-MedikationPatientendossierE-Überweisung

PONTE VECCHIO

Im Kanton St. Gallen sind Spitäler und nieder-gelassene Ärzte bereits vernetzt. Die Standards der Schweizer Strategie E-Health ermöglichen nun den landesweiten Einsatz.

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Die EU arbeitet jetzt seit mehr als zehn Jahren an der Verbesserung der Interoperabilität in den europäischen Gesundheitswesen. Warum kommt diese Empfehlung gerade jetzt?

Die Erfahrungen, die in den diversen nationa-len und internationalen Interoperabilitätsprojek-ten gesammelt wurden, führten vor vier Jahren zur Gründung des European Interoperability Fra-mework, kurz EIF. Seine Aufgabe bestand darin, Use Cases zu identifizieren, die für medizinische Institutionen, die digital kommunizieren wollen, besonders relevant sind. Insgesamt hat das EIF zehn Use Cases beschrieben, wie einrichtungs-übergreifender Dokumentenaustausch, Labor-kommunikation und Radiologie. Letztlich sind es die 27 IHE-Profile, die die EU für öffentliche Ausschreibungen empfiehlt.

Über welche Profile reden wir genau?Viele der Profile kommen aus der XDS-Welt, also Profile für

den Austausch von Dokumenten, Daten und Bildern. Das gilt beispielsweise für IHE XDS.b (Dokumente), IHE XDS-I.b (Bilder) oder IHE XD-MS, IHE XD-LAB und IHE XD-SD (medizinische Basisdatensätze, Labordaten und gescannte Dokumente). Die Liste enthält aber auch Profile zu radiologischen Workflows, zur Patientendatenverwaltung, zu Basisdaten von Patienten und zur Einholung von Einverständniserklärungen des Patienten.

Was bedeutet die offizielle EU-Empfehlung dieser Profile?Einerseits nichts, da die Römischen Verträge sich nicht auf

das Gesundheitswesen beziehen. Die EU-Kommission kann hier keine bindenden Empfehlungen aussprechen. Es liegt bei den Mitgliedsstaaten, ob und wie sie den Empfehlungen folgen, und es bleibt abzuwarten, wie sie Eingang in die öffentlichen Aus-schreibungen finden werden. Andererseits: Die Ankündigung der EU-Kommission ist trotzdem wichtig, weil sie ein starkes politisches Signal darstellt: Gesundheits-IT ist ein extrem wich-tiges Thema. Jedem, der sich mit öffentlichen Ausschreibungen im Bereich Gesundheits-IT befasst, signalisiert die Empfehlung, dass es Standards gibt, und es wird ein Weg beschrieben, mit dem Interoperabilität erreicht werden kann. In Deutschland gibt es schon eine erste Reaktion auf diese Ankündigung: Im

Dezember 2015 haben die 16 Wirtschaftsminister der Bundesländer eine Resolution verabschiedet, die dazu aufruft, in eHealth-Projekten den Emp-fehlungen der Kommission zu folgen.

Im internationalen Vergleich war Deutsch-land bisher zögerlich, was die Umsetzung von IHE-Profilen angeht: Glauben Sie wirklich, dass dieser Brüsseler Beschluss Ausschreibungsent-scheidungen in unserem Land beeinflusst?

Es wird zumindest einen indirekten Einfluss haben. Wenn eine ausschreibende Einrichtung sagt, dass sie IHE-Konformität wünscht, wird es schwieriger, sich dem zu widersetzen. Es ist dann keine nichtlegitime Einschränkung des Marktes. Abgesehen davon: Diese Liste der EU-Kommissi-on ist damit quasi eine Quelle, in der sich inter-national anerkannte Interoperabilitätsstandards

nachschlagen lassen. In Deutschland sehen wir, wie wichtig das ist: Die Gematik versucht seit zehn Jahren, eine bundes-weite Gesundheits-IT-Infrastruktur aufzubauen. Jetzt gibt das E-Health-Gesetz der Gematik auf, bis 2018 ein Interoperabilitäts-verzeichnis aufzubauen. Die Empfehlung der EU ist de facto so ein Verzeichnis, zumindest der Beginn eines solchen.

Gibt es Pläne, die EU-Liste über die derzeit 27 IHE-Profile hin-aus zu erweitern?

Die Liste muss erweitert werden. Im Mai 2015 startete das EU-Projekt eStandards unter dem Mantel des HORIZON 2020 Programms. In diesem Projekt wird auch evaluiert, welche IHE-Profile empfohlen werden sollten. Ich bin überzeugt, dass wir bald ein Update erwarten können, wie zum Beispiel IHE-Profile im Bereich des Telemonitorings kardialer Implan-tate, außerdem Profile im Zusammenhang mit dem radiologi-schen Dosismonitoring sowie mit dem Erstellen strukturierter Befunde in der Radiologie. Die letztgenannten werden übrigens von der Europäischen Gesellschaft für Radiologie vorangetrie-ben. Das zeigt, wie medizinische Fachgesellschaften sich des Themas Interoperabilität beginnen anzunehmen. Insgesamt sind wir auf der richtigen Spur, denke ich. Die Empfehlungen der EU-Kommission haben vielleicht nur begrenzte unmittelba-re Folgen, aber sie werden sicher helfen. ¬

Mehr als nur ein Signal?Die Europäische Kommission hat im Jahr 2015 offiziell empfohlen, 27 IHE-Profile für

öffentliche Ausschreibungen im Healthcare-Umfeld zu nutzen. Hat das irgendeine Bedeutung? Wir haben mit Peter Mildenberger gesprochen, User Co-Chair von IHE Europe.

Von Philipp Grätzel von Grätz

PETER MILDENBERGER, User Co-Chair von IHE-Europe und Head of IT der Radiologie in der Universitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

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— ÜBERBLICK —

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Cloud Computing: Unsichtbar und smart 30Karsten Valentin: Pionier, Kümmerer, Umsetzer 36

Die Krebsforscher sind gerade dabei, die klinische Forschung neu zu definieren: Immer kleinere Subgruppen von Pati-

enten werden immer gezielter behandelt. „One size fits all“ gilt nicht mehr, und dass Patien-ten mit fortgeschrittenen Krebserkrankungen zwangsläufig nach ein paar Jahren tot sind, auch nicht. Die Lebenserwartung steigt, mul-tiple sequenzielle Therapien werden Standard, und diese langfristigen Therapiesequenzen wollen kontinuierlich in klinischen Studien evaluiert werden. Das alles wird erstens bei anderen Indikatio-nen auch kommen und stellt zweitens diverse Anforderungen an Studiendesigns und Zulas-sungsmodalitäten. Es ist aber auch, drittens, eine enorme infrastrukturelle Herausforde-rung. Netzwerkforschung statt Einzelkämp-fertum ist nötig, enger Patientenkontakt un-verzichtbar. Und es müssen Wege gefunden werden, die Effekte von Therapien in der rea-len Versorgung möglichst in Echtzeit zu erfas-sen, auch um Therapien früher zur Verfügung stellen zu können.Hier soll jetzt nicht behauptet werden, dass IT all diese Anforderungen quasi fingerschnip-pend erfüllen kann. Aber der Gedanke, dass Patienten-Apps, Health-Clouds und Co. einen relevanten Beitrag zur klinischen Forschung der Zukunft leisten können, liegt schon nahe. Beispiel Apps: Warum sollten Krebspatienten nicht auf freiwilliger Basis mit einer Patien-ten-App ausgestattet werden, die es Klinikern und klinischen Forschern erlaubt, sicher und effizient mit ihnen in Kontakt zu treten?

Auf diese Weise könnten zum Beispiel – ein Vorschlag des Hasso Plattner Instituts – Ein-willigungen des Patienten zur Nutzung exis-tierender Daten für neue klinische Forschungs-projekte eingeholt werden. Und wenn man so etwas dann noch mit einer digitalen Signatur verknüpfen würde, ob via elektronischem Personalausweis oder elektronischer Gesund-heitskarte, dann müsste der Patient für die Ein-willigung nicht mal mehr persönlich auftau-chen, ein enormer Effizienzgewinn vor allem im Bereich der translationalen Forschung, wo es in der Regel darum geht, dass Patienten die Nutzung von Biomaterialien abnicken.Für Health-Clouds wiederum könnten soge-nannte „Real-World-Studien“ zur Killer-Appli-kation werden. Gemeint ist nicht Versorgungs-forschung, sondern sind echte, randomisierte Studien, bei denen der Effekt der Intervention nicht im Studienzentrum erfasst, sondern in Echtzeit gemonitort wird, anhand realer Ver-sorgungsdaten, die entstehen, weil der Patient medizinische Einrichtungen aufsucht oder auch nicht. Dass das nur mit lückenlosen elektronischen Akten inklusive Anbindung des Sterberegis-ters funktioniert, liegt auf der Hand. Und jetzt sage keiner, so etwas kann man nicht machen. Im Raum Manchester führt GlaxoSmithKline derzeit zwei derartige Studien bei COPD-Pati-enten durch. Die Vorteile sind offensichtlich: weniger Aufwand und tendenziell bessere Da-ten, da das echte Leben erforscht wird, und nicht eine artifizielle Studiensituation. Da ist Musik drin. ¬

Besser forschen!Von Philipp Grätzel von Grätz

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— ÜBERBLICK —

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— BUSINESS INTELLIGENCE —

Die internationale Go-Szene steht unter Schock. So stand es geschrieben (10. März 2016, Spiegel-Online), nachdem der weltbeste (menschliche) Go-Spieler, Lee Sedol, zwei-

mal hintereinander gegen die Google-Software AlphaGo verlo-ren hatte. Und zwar durch Spielzüge, „die ein Mensch nie ma-chen würde“, werden Experten zitiert – also Go-Experten. Die Software wurde von Menschen entwickelt und trainiert, sie war im vergangenen Jahr nachweislich noch wesentlich schlechter als Anfang März – und sie gewann durch unorthodoxe Spiel-züge, die sie sich sozusagen selbst beibrachte. Gut möglich, so die Experten weiter, dass AlphaGos Strategie die Art verändert, wie Menschen künftig das japanische Brettspiel spielen werden.

Nun ist die Medizin kein einfaches Brettspiel, auch wenn man beispielsweise bei einigen Krebstherapien nicht umhin-kommt, an Russisch Roulette oder weniger martialisch an Tri-al-and-Error zu denken. Was also haben wir zu verlieren, wenn wir einige Entscheidungen in der Medizin in die Hände einer Software legen, die auch noch lernfähig ist? Die Daten zurate zieht, welche ein Arzt nicht in Gänze überblickt, und Bezüge herstellt, die nur durch das Vergleichen und Interpretieren von Phantastillionen von Daten möglich ist?

Effektives Werkzeug für Ärzte„Es geht an keiner Stelle darum, den Arzt zu

ersetzen“, beeilt sich Horst Hahn zu erklären. Der Professor ist Leiter des Fraunhofer-Instituts für Bildgestützte Medizin MEVIS in Bremen. „Wir versuchen mit unserem AMI-Projekt diejenigen Aufgaben der behandelnden Ärzte, die sie eigent-lich hassen, zu automatisieren. Lästige Aufga-ben, für die die Ärzte eigentlich überqualifiziert sind. Wenn wir dank kluger Computerprogramme

50 Prozent des Datenvolumens als nichtrelevant aussortieren können, dann ist das viel mehr Zeit für relevante Informati-onen.“ AMI steht für „Automation in Medical Imaging“, ein Projekt, das die Bremer gerade mit der Radboud Universität Nijmegen auf den Weg gebracht haben und in dem es darum geht, selbstlernenden Computeralgorithmen beizubringen, die Datenflut, die tagtäglich über den Radiologen hereinbricht, au-tomatisch zu durchforsten und nach Auffälligkeiten zu suchen, um dadurch künftig die Treffsicherheit von computergenerier-ten Diagnosen zu steigern.

Die Radiologie ist, nach der Labormedizin und der Patholo-gie, prädestiniert für solche Forschungsprojekte; die granularen Schichten ihrer Schutzbefohlenen lassen zwar immer genauere Befundungen zu, aber die Menge der Informationen übersteigt die menschliche Kapazität bei Weitem. „Wir sind dabei, dem Arzt ein sehr effektives Werkzeug an die Hand zu geben, mit dem er schneller hochqualifiziert mit seiner Aufgabe fertig wird“, erläutert Hahn die Zielvorstellungen des Projektes. „An dieser Stelle, wo wir jetzt sind, Stichwort ‚Deep Learning‘, ma-schinelle Lernverfahren, neuronale Netze etc., zeichnet sich ab, dass das tatsächlich möglich ist.“

Versorgungsqualität ist der TreiberWas es braucht, sind einfach sehr, sehr

viele Datensätze, damit die Programme lernen. Das Prozedere an sich ist nicht neu – in anderen Branchen, wie in der Finanz-welt oder Automobilindustrie, gehört die Cloud zum Tagesgeschäft. Dass Cloud Com-puting in der Medizin derzeit eine, ja, man möchte sagen, Renaissance erfährt, ist vor allem einer belastbareren Technologie

„Die Cloud kom-biniert Datenspei-cher, Computing Power und Kon-nektivität. Das

wird die Medizin revolutionieren.“

Jörg Debatin, GE Healthcare

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— BUSINESS INTELLIGENCE —

Kostensenkung und Nutzensteigerung, organisationsübergreifendes Wissensmanagement: Für das Gesundheitswesen steckt viel Potenzial im Cloud

Computing, das auf Erden teuer erarbeitet werden muss.

Von Claudia Dirks

UNSICHTBAR UND SMART

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Interview mit Horst Hahn

Werden die Ergebnisse des „Automation in Medical Ima-ging“-Projektes den Berufsstand der Radiologen verändern?

Gerade die bildgebenden Disziplinen spüren, dass sie sich anderen Fachrichtungen gegenüber öffnen müssen. Die Gren-zen verschwimmen und integrierte diagnostische Teams mit Radiologen, Pathologen, Internisten u. a. werden entstehen.

Welche Entwicklungen werden die Veränderungen anstoßen?Wir versuchen mit AMI die Aufgaben der Ärzte schrittweise

zu automatisieren, die sie eigentlich hassen. Wenn kluge Com-puterprogramme 50 Prozent des Datenvolumens als nichtrele-vant aussortieren, ist das viel Zeit für relevante Informationen. Wir haben Glück, dass die lästigen, zeitintensiven Aufgaben oft die sind, die automatisiert werden können. Wie bei den Labor-medizinern etwa die Analyse von Blutproben. Computergestützt kann ein kleines Team heute ein Pensum mit hoher Ergebnis-qualität absolvieren, das früher undenkbar war.

Wie funktioniert das?Das Wichtigste ist, die Therapiestratifikation zu optimieren.

Das ist das Ziel der modernen per-sonalisierten Medizin: Welcher Tumor schlägt auf welche Behand-lung an?

Wer sind die Treiber der Cloud?Ein großer Treiber ist die Ver-

sorgungsqualität. Gleichzeitig entstehen höhere Ansprüche an die Effizienz. Nehmen wir das Beispiel des Lungenscreenings. Hier können mit einer sinnvollen Computerunterstützung Kosten der Befundung deutlich reduziert werden, während die Qualität wahrscheinlich gesteigert wird.

Es geht also nicht darum, dass die Medizin ohne den Arzt in Weiß auskommt?

Natürlich nicht. Wir geben dem Arzt ein effektives Werkzeug an die Hand, mit dem er hochqualifiziert arbeiten kann und in dessen Weiterentwicklung er eng eingebunden ist. Wir leben in einer spannenden Zeit. Stichwort „Deep Learning“/ maschinelle Lernverfahren – zeigen uns, dass das tatsächlich möglich ist.

Wer werden die Gewinner in der neuen Welt der Medizin sein?Die Krankenhäuser, die prozessual gut aufgestellt sind, die

Wert auf interne Zusammenarbeit legen. Und die Ärzte, die ge-lernt haben, das Team Mensch-Computer zu optimieren .

Wie gut sind wir in Deutschland aufgestellt? Also technischer Ist-Zustand und nicht kultureller Soll-Zustand?

Die Situation ist strukturbedingt sehr komplex. Ein Freund sagte: Wenn wir es schaffen hier die computergestützte Medizin signifikant einzusetzen, dann schaffen wir es überall. Und ja, es wird spannend sein, ob wir Wege finden, Schritt für Schritt den Reichtum der Möglichkeiten auch zum Wohle des Patienten zugestalten. Bezahlbar, ethisch vertretbar und sicher. ¬

Radiologen werden überflutet von klinischen Daten. Das Projekt AMI vom Fraunhofer-Institut MEVIS und der Radboud-Universität Nijmegen soll selbstlernenden Algorithmen beibringen, die Flut nach klinisch relevanten Informationen zu scannen. Institutsleiter Horst Hahn über eine nahe Zukunft.

Von Claudia Dirks

Diagnose-Werkzeuge

HORST HAHN, der Professor leitet das Fraunhofer-Institut für Bildgestützte Medizin.

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geschuldet, „aber auch, weil wir die biologi-sche Heterogenität als Chance für eine per-sonalisierte Medizin begreifen“, sagt Jörg De-batin, Vice President & Chief Technology and Medical Officer, GE Healthcare. „Diese neue Form der Medizin beruht auf der Analyse von enormen Datenmengen – zu deren Bewälti-gung braucht die Medizin die Cloud.“

Auch für Hahn ist die Versorgungsqua-lität Treiber des neu erwachten Interesses; in den USA ist beispielsweise das Lungen-krebs-Screening seit gut einem Jahr als Vor-sorgeuntersuchung empfohlen. „Nehmen wir das Beispiel einer Lungen-CT-Befundung. Hier können mit einer sinnvollen computergestützten Befundung die Kosten deutlich reduziert werden, während gleichzeitig die Effizienz gesteigert wird – und wahrscheinlich auch die Qualität.“

Gründe zum Outsourcen: Risikominimierung und WissenNoch liegt die wahre Existenzberechtigung für das Gesund-

heitswesen jedoch vor allem in Kostensenkung und Nutzenstei-gerung, die sich durch organisationsübergreifende Schnittstel-len ergeben. An diesen Schnittstellen entstehen noch immer viel zu viele Kosten und gehen Daten verloren. Nicht nur die Kassen, auch die Mediziner und Patienten sollten ein Interesse daran haben, Doppelungs- oder Fehlerquote zu minimieren, die durch Kommunikationslücken entstehen.

Das wäre ein erster Schritt, ohne zu großes Risiko. Im Gegen-teil, auch für die IT-Abteilungen von Krankenhäusern könnte dies eine Lösung sein, bei miserabler finanzieller Ausstattung eine sichere, leistungsstarke, verfügbare, smarte IT anzubieten.

Die Hacker-Ereignisse der vergangenen Monate und die signifikante Zunahme der An-griffe auf Gesundheitseinrichtungen zwingen jedenfalls dazu, sich die Angebote professio-neller Dritter „Datenverwahrer“ einmal genau-er anzusehen. Zumal sich Tech-Experten wie Stephen Levy von Crypto einig sind, dass die Firmen seit den Snowden-Enthüllungen wirk-lich sichere Verschlüsselungen einsetzen.

Auch Aladin Antic, CIO, KfH Kuratorium für Dialyse und Nierentransplantationen e. V., sieht in der Professionalisierung der Si-cherheitsstrategien eine Chance für nationale

Anbieter: „Eine der Lehren aus den zurückliegenden großen und zunehmenden kleineren Angriffen muss sein, dass es Da-tensicherheit nicht mal nebenbei gibt. Ein mehrstufiges Kon-zept und die Einrichtung einer zuständigen Organisation sind unabdingbar. Generell werden im Bereich der schützenswerten Daten in Zukunft insbesondere die Zugriffssicherheit und risi-koadjustierte Speicherkonzepte über den Erfolg von Anbietern von IT-Dienstleistungen entscheiden. Dies gilt auch für die eingesetzte Software oder die Verschlüsselung.“ Was für eine Krankenhaus-IT kaum leistbar ist, haben die Anbieter zum Ge-schäftsmodell gemacht. Das werden sie sich nicht durch ein Sicherheitsleck kaputtmachen lassen.

Mit Devices zum Public-Health-ManagementDoch Sicherheit ist nur ein Faktor. Durch die Vernetzung des

Wissens und den Aspekt der lernenden Algorithmen steckt in den neuen Projekten wesentlich mehr Musik. Debatin spricht gar von einer „Demokratisierung des medizinischen Wissens“.

Cloud Technologie/Cloud Computing

Heimvernetzung/Vernetzung/Smarthome

IP-Technik/IP-Telefonie/IP-Umstellung

Tablet-PC‘s/I-Pad

Prozessoptimierung

Mobile Technologie

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HIGHTECH-TRENDS IN DEUTSCHLAND 2016

Quelle: GfK Supply Chain Navigator; Anmerkung: Technologie-Nennungen sortiert nach stärkstem Markteinfluss für die Jahre 2015/2016 (in %)

2016

2015

2014

HIGH-TECH-TRENDS 2016: Cloud Computing und Cloud Services sind nun das zweite Jahr in Folge die dominierenden Trendthemen. Hersteller, Dis-tributoren, Reseller, Retailer und E-Tailer erwarten, mit Cloud-Lösungen 2016 signifikante Umsatz-steigerungen zu generieren.

„Wer Teil eines größeren Ganzen ist, kann die glo-

bale Wissensbasis nutzen, um seine lokalen Probleme

zu lösen.“Arthur Kaindl,

Siemens Healthcare

weiter auf Seite 34

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Sepsis ist eine der häufigsten Todesursachen in Krankenhäusern. Anfänglich nur schwer zu erkennen, wird sie oft zu spät behandelt.

Der Cerner Sepsis Algorithmus hilft Ihnen, die Anzeichen einer Sepsis frühzeitig zu erkennen. Werden auch Sie ein Held im Kampf gegen Sepsis!

Lesen Sie mehr auf Seite 69 oder unter www.cerner.com/Heldenstories.

Echte Helden kommen nichtim letzten Moment, sondernerkennen Sepsis früher!

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auch den Fachkräftemangel auszugleichen. Die physikalische Einheit des Rechners ist keine entscheidende Größe mehr. Die digitale Wolke ist verformbar, elastisch, wächst und schrumpft je nach Bedarf. So können sich auch kleine Häuser oder unabhängige Forscher mal eben für ein paar Minuten einen Supercompu-ter leisten. Auch die sogenannte dynamische Bedarfsanpassung ist ein wichtiges Merkmal von Cloud Computing. „Einer der Bedarfe wird sein, die vom Patienten selbst aggregierten Da-ten zielgerichtet in aktuelle klinische Ereignis-se einzuspeisen“, ist sich Kaindl sicher, „doch die Kombination mit dem Arzt bleibt wichtig.“ Aber dieser muss sich ebenfalls verändern und seine Infrastruktur entsprechend entwickeln.

Gehen wir also davon aus, dass je komplexer die Informationen wer-den, desto größer die Überlegenheit des Computers gegenüber dem Men-schen wird, es gut möglich ist, dass das Wissen aus der Cloud die Art verändert, wie Menschen zukünftig IT verstehen und nutzen, Diagnosen stellen und Krankheiten behandeln. Wollen wir es hoffen! ¬

SAFE-HARBOR-ABKOMMEN

Das Safe-Harbor-Abkommen regelte viele Jahre, wie die hohen Daten-schutz-Anforderungen der EU ver-meintlich garantiert werden sollten, wenn Unternehmen persönliche Infor-mationen in die USA übermitteln. Etwas, was jeden Tag millionenfach passiert. Entweder, weil Firmen Speicher in den USA nutzen oder weil sie im einfachsten Fall dort ihren Sitz haben und Mit-arbeiterdaten in den USA verwalten. Das Abkommen sollte den Unterneh-men eine einfache Lösung bieten und den Schutz vor unerlaubtem Zugriff sicherstellen. Im vergangenen Herbst kippte der Europäische Gerichtshof das Ganze mit Blick auf die Snowden-Ent-hüllungen und erklärte das Abkommen für ungültig. Unternehmen, die weiter nach Safe Harbor handeln, drohen nun Sanktionen. Eine neue Regelung wird derzeit verhandelt.

„Thema Sicher-heit: Ein Groß-

teil der heutigen Bedrohungssze-narien besteht

bei Nutzung von Cloud-Services

schlichtweg nicht.“ Aladin Antic, kfh

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Kommentar

Cloud braucht Vertrauen... so titelte die Cebit, die weltweit größte Messe für Informationstechnik, ... 2012. Während die Automobilindustrie, die Finanzbranche, der Einzelhandel, große Logistik-Unternehmen und überhaupt ... gefühlt die ganze Welt, ihre Berührungsängste, so es sie gab, in den Griff bekommen haben, benimmt sich die Gesundheitsbranche weiterhin wie das berühmte gallische Dorf.

Bei den Verantwortlichen im Krankenhaus herrscht so oder so ein tiefes Misstrauen, wenn es darum geht, sensible Daten aus der Hand zu geben. Das ist erstens gut so und zweitens doch auch ein bisschen erstaunlich – vor allem vor dem Hintergrund der jüngeren Hacker-Angriffe. Schließlich haben die meisten selbst keine allzu hohe Meinung von den eigenen Sicherheitsvorkehrungen.

Warum also ist es so abwegig, Profis ranzulassen, die es sich nicht leisten können, an der Sicherheit zu sparen? Womöglich sind außerhalb des Krankenhauses verwahrte Daten viel sicherer und, wenn man das weiterdenken möchte, auch viel sinnvoller angelegt, als wenn sie nur unnütz und abgekapselt rumliegen. Für das Gesundheitswesen steckt im Cloud Computing, wenn es als vernetztes Wissensmanagement verstanden wird, viel Potenzial, das auf Erden teuer erarbeitet werden muss. Doch die Potenziale werden nicht genutzt. Im Gegenteil: Das Gesundheitswesen verbaut sich durch seinen restriktiven Umgang mit Daten die Vorteile der digitalen Welt.

Claudia Dirks

„Alle, auch die kleinen ländlichen Krankenhäuser, können ohne großen Aufwand am Weltwissen partizipieren. Für den Patienten bedeutet es, dass Diagnosen und Therapien nicht mehr von dem zufällig anwesen-den Arzt abhängig sind. Wissen kann zugeschaltet, Lösungen können gefunden, Therapien gemeinsam initiiert und überwacht werden.“

Mit diesen Überlegungen ist GE Healthcare nicht allein. Die Me-dizingeräte-Branche wagt einen neuen Anlauf auf das Thema Cloud Computing. Auch Baxter, Philips und Siemens Healthcare versuchen mit neuen digitalen Services, den Krankenhäusern den Eintritt in eine sicher vernetzte Welt schmackhaft zu machen. Zunächst einmal tun sie dies über die Möglichkeit, die eigene Medizintechnik zu monitoren, zu warten und Auslastungsszenarien zu berechnen. Doch das Anliegen ist bei Weitem ein größeres, erklärt Arthur Kaindl, CEO der neu geschaffe-nen Abteilung für Digital Health Services bei Siemens Healthcare: „Es geht darum, die richtigen Informationen am richtigen Platz bereitzu-stellen. Retrospektive und prädiktive Datenanalytik sollen dem Kliniker helfen, bessere Entscheidungen zu treffen, klinische Arbeitsabläufe zu implementieren, und damit letztendlich die Gesundheitsversorgung zu verbessern.“ Zu diesem Zwecke werden die Kliniken, die mit Siemens MT arbeiten, nach dem (legalen) Zugang zu den Secondary-Use-Rights von identifizierten und anonymisierten, zum Teil aggregierten Daten gefragt, um diese durch Analysen und Benchmarking anzureichern und so eine smarte Health Cloud zu generieren.

Globale Wissensbasis zur Lösung lokaler ProblemeFür die Krankenhäuser könnte dies tatsächlich ein in (naher) Zu-

kunft gangbarer Weg sein, nicht nur die eigenen IT-Defizite, sondern

proVernetztes Wissensmanagement (u. U. global)

WissenstransferVereinfachung klinischer Forschung

Dynamische Bedarfsanpassung & AbrechnungMehr Flexibilität, weniger Verwaltungsaufwand

Translationale Datenspeicherung/ForschungGerätemodifikations-Management

Kapazität & KompetenzSicherheit

Lösung für Fachkräftemangel

contraSicherheitSicherheitSicherheitSicherheitSicherheitSicherheitSicherheitSicherheitSicherheitSicherheit

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TOP-THEMEN DER CEBIT SEIT 2012

• Cloud braucht Vertrauen 2012• Wolken, Windows, schlaue Städte 2013• Datability 2014• Soziale Geschäfte in der Wolke 2015• Big Data, Social Business, Mobile, Cloud und mehr ... 2016

Fortsetzung von Seite 32

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Wenn in etwa drei Jahren im Frankfurter Stadtteil Höchst ein neues Klinikgebäude steht – acht-geschossig, mit mehr als 660 Betten, elf OP-Sälen, 34.000 Qua-dratmetern Nutzfläche, mit einem Hubschrauberlandeplatz und nach aktuellen Energieeffizienzkriterien –, dann wird es maßgeblich das Werk eines Mittelhessen sein: Karsten Valentin leitet und steuert das Bauprojekt als Geschäftsführer der städ-tischen Zentralen Errichtungsgesellschaft (ZEG). In der Freizeit Extremsportler – Marathon, Iron Man –, im Beruf Pragmatiker, setzt Valentin auf schnelle Entscheidungen. Aber auch darauf, alle Nutzer einzubeziehen. Nur vermeintlich ein Widerspruch.

Interview mit Karsten Valentin

Herr Valentin, Sie sind gelernter Ingenieur, studierten Energie- und Wärmetechnik, sammelten Erfahrung im Krankenhaus-bau. Wann kamen Sie zum ersten Mal mit IT in Berührung?

In meinem ersten Job in einem Ingenieurbüro für technische Gebäudeausstattung – einer harten Schule. Damals knallte mir der Chef nicht nur am Ende des letzten Tages der Probezeit ei-nen Stapel Akten auf den Tisch mit der Aufforderung, das gefäl-ligst bis Mitternacht zu erledigen, sondern er machte mich auch zum IT-Leiter. Ich war wohl einfach der neue Typ, der Junginge-nieur, dem man so eine Aufgabe gibt und sagt: Mach' du mal. Danach habe ich mir geschworen: Nie wieder IT.

Wieso, was hat Sie so verschreckt? Die IT zu verantworten ist eine unbefriedigende Aufgabe.

Sie funktioniert ja immer dann nicht, wenn es wirklich drängt: Gerade im Projektgeschäft gibt es Phasen, in denen es brennt – was habe ich Nächte durchgearbeitet, nur damit die IT am nächsten Morgen wieder funktioniert und die Arbeit weiter-laufen kann.

Und doch begegneten Ihnen Bits und Bytes bald wieder: Als lei-tender Baubeauftragter bei den

Hochtaunus-Kliniken waren Sie neben der Medizin- und Ge-bäudetechnik auch für die IT zuständig ...

Ja, das war aber eine spannende und vielseitige Aufgabe. Denn hier ging es um die Organisation, um Synergien der ver-schiedenen Bereiche, um Prozesse. Die „Nutzerbrille“ aufzu-setzen und die Bedürfnisse der Kunden zu bewerten, das ist ja für die technische Umsetzung elementar. Davor war ich über elf Jahre an der Uniklinik Frankfurt, zunächst als Projektin-genieur, später als Leiter der gesamten Gebäudetechnik und stellvertretender Betriebsleiter. Hier war meine Aufgabe, die Ausgründung der Verwaltung als externe GmbH vorzubereiten. Dafür mussten die verschiedenen Abteilungen innerhalb der Technik zu prozessorientierten Einheiten umgebaut, also auch die Prozesse optimiert werden.

Trafen Sie hier auf Widerstände? Na klar, ich hatte dort mit alten Strukturen und, sagen wir

es ruhig, alten Köpfen zu tun. Da kommt so ein junger Ingeni-eur-Schnösel und erzählt einem gestandenen Heizungstechni-ker, wie man seine Arbeit besser organisieren kann – das gefällt dem natürlich nicht. Mein Vorteil war, dass ich eine technische Lehre gemacht hatte, ich wusste, wie das Handwerk tickt, kann-te die Hierarchien im Handwerk, konnte dieselbe Sprache spre-chen. Und ich kam hier zum ersten Mal in Kontakt mit den Me-dizinern, den Professoren ...

Wie klappte das?Das lief recht gut, war vor allem lehrreich: Ich war hier ein

Koordinator, hatte die Aufgabe, die Bedürfnisse der Nutzer, also der Professoren, Ärzte und Pfleger, aufzunehmen, zu fil-tern, war Kümmerer und Umsetzer. So habe ich erfahren, was

Pionier, Kümmerer, Umsetzer

Klinikneubauten haben in Deutschland eine ähnlich hohe Erfolgsquote

wie Flughäfen oder Konzerthäuser – meist liegt es daran, dass die

Prozesse missachtet werden. Karsten Valentin könnte mit dem Neubau der Hochtaunus-Kliniken gelingen, woran

viele scheiterten.

Von Romy König

„Die IT zu verantworten ist eine unbefriedigende

Aufgabe. Sie funktioniert ja immer dann nicht, wenn

es wirklich drängt.“

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diese Menschen in ihrer Ar-beit brauchen, wie eine ein-zelne Nutzungseinheit, aber auch die Klinik als Ganzes funktioniert. Das half dann auch in meiner Arbeit bei den Hochtaunus-Kliniken.

Als leitender Baubeauf-tragter war Valentin verant-wortlich für den Neubau der zwei Standorte der hessi-schen Hochtaunus-Kliniken, ein Projekt im Public Private Partnership-Prinzip – ein Novum im Krankenhausbau. Valentins kniff ligste Aufga-be, so sagt er: die Nutzer „so zu steuern, zu führen und zu leiten, dass es am Ende im Nachtragsmanagement nicht zu Mehrkosten kommt.

Bei diesem Projekt herrsch-te viel Unsicherheit: unter den Politikern, den Nutzern, un-serem PPP-Partner – keiner wusste so recht, was auf ihn zukommen würde ...“

Wie sind Sie diese Aufgabe angegangen?

Diese Klinik ist ja, das ist auch das Beson-dere, nach den Prozessen entwickelt worden. Zunächst gab es Soll-Festlegungen im Zuge einer Struktur- und Betriebsorganisations-planung. Die haben wir in einer sogenannten Output-orientierten Ausschreibung festgelegt. Dazu mussten wir von den Nutzern wissen, was sie sich von ihrer neuen Klinik wünschen, wie ihre Prozesse aussehen, wie der Bau, die Struktur sie in ihrer Arbeit unterstützen kann. Wir haben dafür feste Nutzergruppen gebildet, damit von Anfang bis Ende dieselben Men-schen am Projekt mitarbeiten. Die Gruppen waren besetzt mit Chefärzten, aber auch Ober-ärzten, Pflegern, Verwaltungskräften – eine Art Matrixorganisation. Von 1.000 Klinikange-stellten haben 250 an dem Projekt mitgewirkt, haben als Multiplikatoren die Informationen in ihre Gruppen hineingetragen – so haben wir eine gute Durchdringung erhalten. In der di-rekten Konversation hatten wir letztlich nur 30 Personen, das war eine überschaubare Größe.

Also verflog irgendwann die Unsicherheit?

Ja, denn die Leute haben erkannt, dass in den Abstim-mungsgesprächen jemand saß, der ihre Interessen ver-trat. Aber auch zwischen Bau-herr und Erbauer herrschte Vertrauen – ich habe etwaige Spannungen, gerade wenn es um Kosten ging, aufgenom-men. Es war eine richtige Partnerschaft, kein übliches Bauprojekt, bei dem der Bau-herr überheblich über allem schwebt. Ich kenne eben die andere Seite, weiß, der Erbau-er ist derjenige, der uns das Werk erschafft. Und manch-mal muss man auch pragma-tisch sein.

Wann brauchten Sie diesen Pragmatismus besonders?

Zum Beispiel, als wir im Planungsprozess mit den Nut-zern Medienversorgungsein-heiten abstimmen mussten. Das können Sie in Slow-Mo-tion angehen, mit jeder Stati-

on Einzelgespräche führen, alles planen und zeichnen lassen, zur Korrektur vorlegen, neu abstimmen – und damit drei Monate verbraten. Wir aber haben kurzerhand acht Leute, unsere Key-User, aus den Nutzergruppen geschnappt, sind zu einem Hersteller geflogen – den der Ge-neralunternehmer vorher bereits ausgewählt hatte – und haben an zwei Tagen die ganze Ausstattung beschlossen. Das war hocheffizi-entes Arbeiten.

Wenn man Valentin genau zuhört, nimmt man es wahr: den leichten hessischen Dialekt, das rollende R – Valentin ist ein eingefleischter Hesse. Geboren in Wetzlar, Feinoptik-Ausbil-dung beim heutigen Leica-Konzern, Studium der Energie- und Wärmetechnik in Gießen. Heute lebt er mit seiner Familie in einem 700-Seelen-Dorf, wenige Kilometer von seinem Geburtsort entfernt. „Ich wollte nie hier weg“, sagt er. Die tägliche Stunde Autofahrt zu sei-nem Arbeitsplatz nimmt er gern in Kauf. „Da höre ich Info-Radio oder telefoniere. Oder ich

„Ich denke nicht in Fronten,

halte nichts von Streitkultur. Es gab

mehr als einmal Situationen, die

auch gut vor Gericht hätten

landen können.“

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INNOVATIONEN

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Jared Sebhatu: Innovationen an die Hand nehmen 42Projekt MACSS: Smarte Niere 44

DAS PROJEKT

Hessen unterstützt den 236,7 Millionen Euro teuren Bau mit 54,7 Millionen. 182 Millionen bezahlt die Stadt als Träge-rin des Krankenhauses. Das Klinikum hat mehr als 1.000 Betten, ist akademisches Lehrkrankenhaus der Universi-tät und ein Haus der höchsten Versorgungsstufe. 34.000 stationäre und 80.000 ambu-lante Patienten werden im Jahr behandelt. Der Magistrat hatte Ende 2015 grünes Licht für den vieldiskutierten Zusam-menschluss gegeben.

komme nach einem langen Arbeitstag einfach mal runter, bin dann bei meiner Familie lasten-frei. Und kann so sein, wie ich bin.“

Müssen Sie sich in Ihrem Job verstellen? Nein, allerdings unterliegt man ja im Be-

rufsleben immer gewissen Adaptionen, muss verschiedene Rollen einnehmen. Gerade wenn man wie ich zwischen den Welten hin- und herzirkuliert: morgens mit Handwerkern sprechen, mittags mit einem Kollegen aus der Geschäftsführung, nachmittags mit einem Politiker. Da muss ich mich anpassen. Selbst innerhalb des medizinischen Betriebs gibt es unterschiedliche Charaktere, der Internist tickt anders als der Chirurg oder der Radiologe. Ich muss die richtige Ansprache finden, Gefühl für das Gegenüber haben – aber authentisch sein. Zuhause kann ich das alles ablegen.

Wie muss man Sie sich in Verhandlungen vor-stellen?

Ich denke nicht in Fronten, halte nichts von Streitkultur. In den Hochtaunus-Kliniken hatten wir mehr als einmal Situationen, die auch gut vor Gericht hätten landen können. Wir aber haben uns an den Tisch gesetzt und die Konflikte im Gespräch gelöst. Manchmal, wenn sich verschiedene Auffassungen nicht vereinbaren lassen, gehe ich auch schon mal mit dem Verhandlungspartner vor die Tür, un-ter vier Augen lässt sich anders reden und ein Ergebnis abstecken. Wenn dann beide wieder an den Verhandlungstisch zurückkehren, wis-sen sie, wie sie darauf zusteuern können, ohne ihr Gesicht zu verlieren.

Sie sollen auch schon mal jemanden aus der Verhandlung geschmissen haben ...

Manchmal muss ich eben auch meine Schultern breit machen. Damals gab es einen Disput mit dem Chef der Radiologie, der das vorher definierte Bau-Soll verschieben wollte. Als er dann noch meine Kompetenzen in Frage stellte, habe ich ihn tatsächlich aus dem Raum geworfen. Es gab aber ein Nachgespräch, wir haben uns abgestimmt, noch mal die Regeln festgesteckt. Heute gehen wir, wenn wir uns mal sehen, freundschaftlich miteinander um.

Schauen wir nach Höchst, wo Sie seit knapp einem Jahr den Neubau des Klinikums verant-worten ...

Das Klinikum Höchst ist im Gegensatz zu den HT-Kliniken ein Haus der Maximalversor-gung – und hat eine eigene Historie, eine lange Planungsphase. Zweimal wurde das Baupro-jekt bereits gestoppt, was zwar der Qualität gutgetan hat, weil die Nutzer noch einmal be-fragt werden konnten, aber zu einer zeitlichen Verzögerung führte.

Zuletzt gab es eine Vergabeklage, die aber abgewiesen worden ist. Den Zeitverlust von ursprünglich vier Monaten haben wir jetzt wieder auf zweieinhalb Monate reduzieren können, im Frühjahr werden wir die Vergabe durchführen, im April werden dann endlich die Bagger anrollen. Es ist ein sehr großes und besonderes Projekt ...

Das Haus wird in Passivbauweise errichtet ...... als Pionierprojekt im Krankenhauswe-

sen, genau, angestoßen von der Grünen-Poli-tikerin Rosemarie Heilig. Das ist Neuland für die Bieter. Und auch die Nutzer waren anfangs verunsichert, haben gedacht, sie dürften in dem Haus später keine Fenster öffnen. Wichtig ist: Wir bauen hier kein Passivhaus für Kran-kenhausnutzung, sondern ein Krankenhaus in Passivhausqualität. Nicht die Nutzung folgt dem Haus, sondern die Passivhauskriterien folgen der Nutzung.

Sie drehen also an den Kriterien? Ein Krankenhaus muss als Krankenhaus

funktionieren, man kann keine Einschrän-kung für die Medizin hinnehmen, damit eine Energieeffizienz durchgesetzt werden kann. Das würde den Prozess, die medizinische Qualität verschlechtern. Zum Beispiel bei der Einrichtung eines speziellen Untersuchungs-raums: Es kann nicht sein, dass ich ein klei-neres technisches Gerät installieren muss, das zwar weniger Wärme produziert und so die Energieklasse in diesem Zimmer erfüllt, aber nicht zur medizinischen Arbeit passt. Hier gab es Gespräche mit dem Passivhausinstitut, Ver-handlungen, und ja, Anpassungen der Krite-rien. Auch für Kindergärten oder Sporthallen gibt es Abwandlungen der Standards. Und jetzt eben auch für das Krankenhaus.

Wieder so eine pragmatische Herangehens-weise ...

Ja, nicht wahr? Ich glaube, ich bin hier am richtigen Ort. ¬ Fo

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zu wenig privates Kapital für Life-Science-Un-ternehmen verfügbar ist. Besonders betroffen sind hier Bereiche wie die Biotechnologie, in denen der Kapitalbedarf besonders hoch ist. Generell gilt: Im internationalen Wettbewerb kann nur bestehen, wer schnell ist, und dafür brauchen die Unternehmen Ressourcen. Selbst wenn einzelne junge Unternehmen es schaf-fen, trotz dieser Situation ein Produkt auf den Markt zu bringen, ist der Markt in Deutschland schlicht zu klein. Da der Weg in den globalen Markt über die USA führt, bietet es sich an, die Internationalisierung dort zu starten.

Für mich sieht es ein bisschen so aus, als hät-te sich die deutsche Politik mit der Gründung des GALS damit abgefunden, dass sich die Digitalisierung des Gesundheitswesens eher im Ausland ausprobieren lässt und deswegen dort den Weg bereitet – welche Impulse aus der Initiative sollen von dort in das deutsche System ausstrahlen?

Der inhaltliche Fokus des GALS liegt nicht auf dem digitalen Bereich, sondern ist viel brei-ter. Wir arbeiten auch mit jungen Unternehmen aus den Bereichen Biotech und Medtech, um nur zwei weitere Segmente zu benennen. Die Digitalisierung des Gesundheitswesens wird in Deutschland durch zahlreiche Faktoren erschwert. Ob der GALS helfen kann, diese Entwicklungen zu beschleunigen, ist fraglich. Wir können aber Digital Health Start-ups aus Deutschland dabei unterstützen, international erfolgreich zu sein, und damit ein positives Si-gnal an die deutsche Wirtschaft senden. Das

könnten wichtige Impulse sein in einer Diskus-sion, die schon lange ins Stocken geraten ist.

Was passiert mit Ihren Zöglingen nach diesem ersten Jahr der Förderung?

Die Förderung ist sehr flexibel und nicht auf einen bestimmten Zeitraum festgelegt. Wir ar-beiten mit Meilensteinen und versuchen, junge Unternehmen in einem bestimmten Abschnitt ihres Wachstumsprozesses optimal zu un-terstützen, damit sie schneller den nächsten Value Inflection Point erreichen. Natürlich sind wir gespannt, wie sich die Unternehmen weiterentwickeln, und stehen weiterhin als Ansprechpartner für die Teams zur Verfügung.

Ist das Ziel „fit für eine internationale Zu-kunft“ oder „nationaler Erfolg mit bestmög-lichen Aussichten“?

Am Ende ist es wichtig, dass die Unterneh-men erfolgreich sind. Davon werden alle pro-fitieren: das Start-up-Ökosystem in Deutsch-land, die deutsche Wirtschaft, aber auch – und das darf man in diesem Sektor nie vergessen – die Menschen, für die bessere Produkte und Therapien zur Verfügung stehen.

Welchen Return-on-Invest würden Sie aus die-sem Programm für sich formulieren wollen?

Der beste Weg, Return-on-Investment zu messen, ist der Wert der Unternehmen. Wenn dieser durch die Programmteilnahme steigt, haben wir unser Ziel erreicht. Wir denken hier wie Investoren, schließlich ist der GALS eine unternehmerische Initiative. ¬

VON MÜNCHEN IN DIE WELT Jörg Land, CEO der Sonormed GmbH mit Mentor Steven Isabelle beim Invest In Bava-ria Kick-off Event in Cambridge, MA.

FRISCHER RÜCKENWIND(r.) Christoph Lengauer, CEO des German Accelerator Life Sciences, stellt das Programm bei Celebra-ting Innovation im Oktober 2015 in Dresden vor.

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Jury:

Jürgen GraalmannDie Brückenköpfe GmbHDr. Florian KainzingerThink.Health – Smart Money in Health CareJörg LandSonormedTobias Meixnersmart.heliosHerbert PockAustin Life Science Partners Dr. Rolf PorscheSünjhaid! N.N.Präsidiumsmitglied des cdgw Jared SebhatuGerman AcceleratorJuliane ZielonkaStartupbootcamp

Bewerbungen an: [email protected]

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Interview mit Jared Sebhatu, Program Director German Accelerator Life Sciences, Deutschland

Welcher Auslöser bestand für das BMWi einen solchen Accelerator ins Leben zu rufen und dies nicht der freien Wirtschaft zu überlassen?

Die fehlende Risikobereitschaft im privaten Sektor hat in Deutschland dazu geführt, dass Start-ups und junge Unternehmen, insbeson-dere in sehr investitionsintensiven Sektoren wie den Life Sciences, systematisch unterfi-nanziert sind. Selbst in Ländern wie Israel oder den USA, die im Bereich der medizini-schen Innovation führend sind, greifen Staat und Länder jungen Unternehmen unter die Arme. Der Fokus liegt meist auf Projekten, die besonders vielversprechend, gleichzeitig aber auch besonders riskant sind.

Welche Funktion übernimmt der GALS in der deutschen Wirtschafts-/Start-up-Welt?

Die Vision ist, Erfolgsgeschichten zu schrei-ben, die der Szene in Deutschland Mut ma-chen, weil sie zeigen, dass Innovationen aus Deutschland mit der richtigen Unterstützung weltweit erfolgreich sein können. Es geht na-türlich in der täglichen Arbeit primär darum, einigen ausge-wählten Unternehmen mit ihren jeweiligen Herausforderungen zu helfen. Mittelfristig wird das jedoch, so die Hoffnung, auch Spuren in der deutschen Wirtschaft hinterlassen.

Welche Kriterien müssen die Unternehmen erfüllen, die für das GALS-Programm in Frage kommen?

Die Unternehmen müssen in Deutschland inkorporiert sein und sollten ein konkretes Vorhaben mitbringen. Geeignete Start-ups haben ein starkes Team, einen attraktiven Busines-splan, und einen interessanten Ansatz oder ein vielverspre-chendes Produkt. Die vielleicht wichtigste Frage, die unser Selection Committee für jedes einzelne Unternehmen, das sich bewirbt, beantworten muss, ist jedoch, ob GALS einen signifi-kanten Impact haben kann.

Wie darf ich mir ein solches Programm vor-stellen – ausschließlich Netzwerken oder wird beispielsweise konkret an rechtlichen oder auch technischen Fragen gearbeitet, Stich-wort: Usability, Inhalte etc.?

Die Unternehmen arbeiten mit ihren Mento-ren sehr fokussiert an klar definierten Frage-stellungen. Dabei spielen häufig strategische oder rechtliche, seltener auch technische As-pekte eine Rolle. Am wichtigsten für die Unter-nehmen ist die Unterstützung beim Erarbeiten einer Strategie. Der Markt – und die handeln-den Personen – ticken in den USA einfach anders und daher brauchen die Unternehmen auch eine neue Strategie für den weltweiten Markteintritt.

Dann werden natürlich auch schnell die rechtlichen Fragen relevant: beispielsweise brauchen viele Unternehmen erst einmal die Zulassung durch die FDA, um ihre Produkte in den USA überhaupt auf den Markt bringen zu können. Unsere Aufgabe geht auch hier noch weiter: Wir helfen sowohl beim Fundraising, der Suche nach Partnern in der Industrie, als auch bei dem Aufbau eines Vertriebsnetz-werks. Aufgrund der vielfältigen Bedürfnisse

und sehr spezifischen Situationen der einzelnen Unternehmen suchen wir die Mentoren gezielt für und gemeinsam mit jedem Unternehmen aus, anstatt auf einen Pool von Mentoren zurück-zugreifen.

Das ist wahrscheinlich der größte Unterschied zwischen dem GALS und den meisten anderen Accelerator-Programmen. Unsere Unterstützung ist flexibel und immer angepasst an die spezifischen Anforderungen der einzelnen Unternehmen.

Welchen Antrieb haben die Start-ups überhaupt, sich zu in-ternationalisieren?

Ein Start-up, das kommerziell erfolgreich sein will, kommt an der Internationalisierung kaum vorbei, schon gar nicht in den Life Sciences. Die Gründe sind vielfältig. Es ist inzwi-schen schon ein Gemeinplatz geworden, dass in Deutschland

Innovationen an die Hand nehmenGerman Accelerator Life Sciences heißt das internationale Mentorenprogramm für Start-ups, mit dem das BMWi Erfolg versprechenden Unternehmen bei ihrer

Internationalisierungsstrategie zur Seite steht. Die erste Runde läuft gerade.

Von Claudia Dirks

„Es sollen Erfolgsgeschichten

geschrieben werden, die der

Szene Mut machen, weil sie zeigen,

dass Innovationen aus Deutschland weltweit Erfolg haben können.“

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In Deutschland werden jähr-lich über 2.000 Nieren trans-plantiert, in den USA sind

es rund 25.000. Doch die hohe Zahl täuscht, es handelt sich nicht um einen Routineein-griff. Nierentransplantationen gelten als risikoreich. „Man rechnet damit, dass langfristig die Hälfte der transplantierten Nieren wegen Abstoßung verloren gehen“, gibt Klemens Budde, Direktor der nephrologischen Abteilung am Berliner Uni-versitätsklinikum Charité, zu bedenken. „Die Abstoßungsrate liegt im ersten Jahr tatsächlich bei rund 20 Prozent der Patienten“, ergänzt der Nephrologe.

Deswegen ist ein Transplantat jedoch noch nicht verloren. „Man muss das dann durch mehr Medikamente in den Griff bekommen“, so der Klinikdirektor. Doch damit ist die Ge-fahr keineswegs gebannt, denn auch lang-fristige Abstoßungen treten auf. „Eine Nie-rentransplantation ist ein Marathonlauf, der wird nicht auf den ersten Metern entschieden“, erklärt Budde. Denn auch nach fünf oder zehn Jahren treten noch Probleme auf. Neben der Abstoßungsgefahr drohen „sehr komplizierte chronische sowie verschiedene Folgeerkran-kungen“. „Außerdem leiden die Patienten häufig unter Bluthochdruck oder Diabetes“, was in die Behandlung mit einbezogen wer-den müsse. „Blutdruck und Niere hängen zu-sammen wie Henne und Ei“, beschreibt er den Zusammenhang.

Komplizierte Arzneimitteltherapien

A rzneimitteltherapien spielen eine zentrale Rolle für den langfristigen Erfolg einer Nierentransplantati-on. „Es sind Patienten, die

lebenslang auf Medikamente angewiesen sind“, so Budde.

Wenn er beschreibt, wie ein Me-dikament herabdosiert werden muss,

weil ein anderes aufgrund eines akuten Prob-lems wiederum hinaufdosiert wurde, spricht er von „einer schwierigen Gratwanderung mit den Dosierungen“. Das zeigt: Dosierung und Zusammenstellung der Präparate sind sehr individuell.

Komplizierte und sich häufig ändernde Medikationspläne gehören zur Therapie. Pa-tienten sollten deshalb dauerhaft in engem Kontakt mit den betreuenden Ärzten stehen. Dazu startet Buddes Abteilung gemeinsam mit Partnern das mHealth-Projekt MACSS, Medical Allround Care Service Solution, bei dem eine Smartphone-App mit der Krankenhaus-IT des Universitätsklinikums gekoppelt wird. „Unser Ziel ist eine App, die den Patienten mit unse-rer Sprechstunde verbindet und über die der Patient Daten erfasst, die in die Behandlung mit einfließen“, führt der Klinikdirektor aus. Dahinter stehe der Anspruch, „dass eine Nie-re lange hält“, denn Spendernieren sind rar. Für Budde heißt das: „Bei der Organknappheit können wir es uns nicht leisten, dass ein Or-gan versemmelt wird.“

Smarte Niere Organtransplantationen müssen von fein abgestimmten Arzneimitteltherapien

begleitet werden, um eine Abstoßung zu verhindern. An der Charité startet nun das Projekt MACSS, das Patienten durch eine App auf dem Smartphone enger in den

Behandlungsprozess einbindet.

Von Uwe Sievers

„Man rechnet damit, dass langfristig

die Hälfte der transplantierten

Nieren wegen Abstoßung

verloren gehen.“Klemens Budde, Direktor der nephrologischen Abteilung,

Charité

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Felix Cornelius: Wie schlimm sind 10 Jahre Fortschrittsverzicht? 48Gunther Nolte: Kernthema: Therapiequalität verbessern 49mHealth im Check: Töchter & Söhne 52mHealth im Check: heartbeat ONE 54Aladin Antic: Angst vor dem Unbekannten 56

„Die Patienten müssen typischerweise acht bis zehn verschiedene Medikamente nehmen; allein drei, um eine Abstoßung zu verhin-dern“, da sei ein Medikationsplan hilfreich, der auf dem Smartphone geführt werden kön-ne, erklärt der Nephrologe und kritisiert: „Im Moment haben wir zu viele Medienbrüche.“ Etwa wenn ein Patient seinen Zuckerpegel übermittele und der Arzt den neuen Medikati-onsplan per Post zurückschicke. Die mit dem Krankenhaus vernetzte App soll Abhilfe schaf-fen und zunächst den rund 1.100 Nierentrans-plantierten der Charité helfen, komplexe Arz-neimitteltherapien besser zu bewältigen. Das Bundeswirtschaftsministerium fördert dieses

Vorhaben mit knapp 2,5 Millionen Euro.

Technologien des MACSS-ProjektsIm ersten Schritt soll die bereits vor-

handene elektronische Patientendaten-bank für Nierentransplantationen von einer klassischen SQL-Datenbank auf eine In-Memory-Datenbank migriert

und mit der App MyTherapy (siehe auch 42.5/2015) verbunden werden. Die bis-

herige Datenbank speichert ihre Daten auf Festplatten. So können auch große Da-

tenmengen günstig verwaltet werden. Doch gegenüber den bei der In-Memory-Techno-logie verwendeten teureren RAM-Chips des Arbeitsspeichers ist sie deutlich langsamer. Durch den Preisverfall im Speicherbereich werden zunehmend In-Memory-Datenbanken eingesetzt, insbesondere bei Echtzeitanwen-dungen. Bekanntes Beispiel dieser Techno-logie ist die vom deutschen Software-Riesen SAP entwickelte Datenbank HANA, die auch im MACSS-Projekt zum Einsatz kommen soll.

Auch das Münchener Start-up Smartpatient ist Projektpartner und will seine App MyThera-py auf die Bedürfnisse von Nierentransplanta-tionen anpassen. „Transplantationspatienten sind ein Paradebeispiel für Patienten, die un-ter fehlender Vernetzung leiden“, kommentiert Sebastian Gaede, einer der drei Gründer, den Einsatz der App. Von besonderer Bedeutung sei bei einer solchen App, sie so zu bauen, dass ein Patient sie auch regelmäßig nutze, sagt Gaede. MyTherapy wird bereits in ande-ren Charité-Projekten eingesetzt. Die Variante für das MACSS-Projekt soll insbesondere eine Vernetzung mit Arztsystemen und das bei

Transplantationen wichtige Live-Monitoring erlauben. Dabei sollen Daten von geeigneten Geräten auch automatisch übermittelt werden können. Außerdem werden die Daten nicht auf den Servern von Smartpatient gespeichert, sondern hinter der Firewall der Charité in der HANA-Datenbank. Die Datenübertragung er-folge also als „direkter Transfer zwischen Pa-tient und Charité, durchgängig verschlüsselt“, versichert Gaede. Er betont: „Datenschutz und -sicherheit sind bei einer solchen Anwendung ganz wichtig, denn wenn die Nutzer der App nicht vertrauen, dann können wir einpacken.“

Datenschutz hat PrioritätZu den weiteren Projektpartnern zählen das

Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz, DFKI, und die Beuth Hochschule für Technik in Berlin. Sie seien unter anderem dafür zuständig, aus den anfallenden Daten Muster zu erkennen. Budde erklärt: „Das soll uns dazu verhelfen, früher reagieren zu kön-nen“, beispielsweise um Spezialisten anderer Fachrichtungen hinzuzuziehen. Zusätzlich sollen Texte wie Arztbriefe und Patienten-nachrichten ausgewertet werden. „Durch Textanalysen wollen wir neue Nebenwirkun-gen erkennen“, hofft der Nephrologe. Auch an Big-Data-Analysen werde bei den Projektpart-nern gedacht. Doch Datenschutz hat Priorität: „Das läuft alles im Rechenzentrum der Charité und der Patient sagt, wer auf welche Daten zu-greifen darf“, beruhigt Budde.

Ein ähnliches Projekt gab es bereits mit iN-ephro an der Uniklinik Essen. Doch die App sei eine Eigenentwicklung gewesen und irgend-wann fehlten die Mittel zur Weiterentwicklung – das Projekt scheiterte, berichtet Budde. Diese Gefahr sieht er bei MACSS nicht: „Bei unserem Projekt ist das Risiko zu scheitern sehr gering, weil wir schon funktionierende Teile haben.“ Sorgen machen ihm jedoch die zu erwartenden Schnittstellenprobleme, das sei ein häufiges Problem und erfordere permanente Anpas-sungen. „Wir haben immer einen Informatiker vor Ort, der das ganze System am Laufen hält.“ Das sei zwar kostspielig, doch viel teurer seien die Behandlungskosten, die entstünden, wenn es den Patienten an Adhärenz fehle und Medi-kationspläne nicht eingehalten würden. Budde weiß: „Das teuerste Medikament ist das, was man trotz Indikation nicht nimmt.“ ¬

„Datenschutz und -sicherheit sind

bei einer solchen Anwendung

ganz wichtig, denn wenn die Nutzer der App

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Health-Apps sind in aller Munde. Ei-nige, womöglich viele, sind da-runter, die das Zeug haben,

beispielsweise die Therapiequalität zu verbessern, die Adheränz der Patienten signifikant zu stei-gern oder auch nur als Marke-tinginstrument für das eigene Haus zu fungieren, in einer Krankenhauslandschaft, die immer umkämpfter sein wird. Die allermeisten Krankenhäu-ser haben sich freilich noch nicht entschieden, wie sie sich auf diese neue Herausforderung vorbereiten sollten oder können. Als gesichert kann angenommen wer-den, dass es schon heute kein Zurück mehr geben wird, sondern nur noch ein Vorwärts. Disruptive Technologi-en ist das Stichwort, was hier immer wieder fällt, und die sich anschicken, bestehende Dienstleistungen zur Ver-änderung zu zwingen.

Einfach ist es nicht: Ein Kranken-haus muss sich nicht nur auf der Pro-zessebene damit auseinandersetzen, wie mit Patienten und ihren Daten umgegangen werden kann. Es gilt vor allem eine IT-Plattform zu schaffen, die dem Sicherheitsbedürfnis des Ge-sundheitswesens entspricht und den-noch die App in ihren Möglichkeiten nicht allzu sehr amputiert. Eine Grat-wanderung zwischen Daten-, Mitar-beiter- und Patientenschutz.

Interview mit Gunther Nolte

Die Vivantes-Gruppe ist weit mehr als ein klassischer Krankenhausbetreiber; der

Konzern ist ein Berliner Regionalversor-ger, betreibt neben Krankenhäusern auch MVZ, stationäre und ambulante Pflege, Wohnheime und Rehabilita-tionskliniken – welche Einstellung haben Sie, als IT-Ressortleiter, zur Di-gitalisierung der Gesundheit?

Es geht nicht darum, was ich für eine subjektive Einstellung dazu habe.

Fakt ist, dieser Markt entwickelt sich und wird massive Auswirkungen darauf haben,

wie wir Gesundheitsversorgung in Zukunft verstehen und auch betreiben werden. Die IT be-

wegt sich auf die Menschen zu und wird immer per-sonalisierter – das wird der Patient auch irgendwann von uns verlangen. Vor allem verlangen das aber auch die Mediziner und Pflegenden von ihrem Arbeitgeber.

Die Quantität der mobilen Lösungen und Apps ist schier unüberschaubar, welche Kriterien legen Sie an?

Momentan geht es nur am Rande schon um Inhal-te, auch wenn ich überzeugt bin, dass viele Lösungen heute schon hilfreich und sinnvoll sind. Was mein Team und ich in den vergangenen 12 Monaten getan haben, war, eine technische, rechtssichere Plattform zu entwickeln, mit der wir in der Lage sein werden, nicht nur zu pilotieren, sondern bei erwiesenem Nut-zen auszurollen.

Den Aufwand haben Sie betrieben, obwohl der Nutzen vieler Applikationen noch im Bereich des „gefühlten Wissens“ rumdümpelt?

Kernthema: Therapiequalität verbessern

Rund 10.000 Health-Apps soll es allein im deutschsprachigen Raum geben. Krankenhäuser sollten sich nicht die Frage stellen, ob, sondern wie sie diese

neuen Möglichkeiten für sich und ihre Patienten nutzen. Gunther Nolte, Ressortleiter IT/TK bei Vivantes, hat schon ein paar Antworten.

Von Claudia Dirks

„Für die IT eines Unternehmens ist ein ökonomisches

Gerätemanage-ment essentiell. Ein manuelles Prozedere ist

ein Ausschluss-kriterium.“

Glauben wir Google, verdanken wir Bill Gates die Einsicht: Most people overestimate what they can do in one year and underestimate what they can do in ten years. Von Axel Wehmeier (Deut-sche Telekom) finden wir passend im Netz: Das Gesundheitssystem in Deutschland hinkt bei

der Digitalisierung im Vergleich zur Autoindustrie mindes-tens ein Jahrzehnt hinterher.

Wenn beides stimmt, besteht Anlass zur Sorge. Es be-deutet, dass wir Wehmeier zwar glauben, aber dass wir das beschriebene Problem bei Weitem nicht schlimm genug finden, dass wir die Situation verändern wollten. Wenn wir unterschätzen, was in 10 Jahren zu schaffen ist, schätzen wir auch falsch ein, worauf wir verzichten. Dieses Wahrneh-mungsproblem ist ebenfalls hausgemacht. Für die eGK, ur-sprüngliches Einführungsdatum 01.01.2006 – vor 10 Jahren also –, gilt die bittere Umkehr von Gates’ Aussage: Wir unter-schätzen, was in unserem Gesundheitswesen in 10 Jahren nicht getan wurde.

Beim für die Bewertung von Fortschritt maßgeblichen IQWiG ist eine Entwicklung für die GKV relevant, wenn sie Mor-talität oder Morbidität verringert oder Lebensqualität erhöht. Als Querschnittsvorteil gilt weiterhin höhere Wirtschaftlich-keit, also geringere Preise oder bessere Leistung zu gleichen Kosten. Ironischerweise hat die zitierte Autoindustrie – ob-wohl offensichtlich kein Teil des Gesundheitswesens – erheb-liche Vorteile in genau diesen IQWiG-Kriterien gebracht. Die Aufzählung dieser Errungenschaften gibt uns eine Ahnung davon, was im Gesundheitswesen möglich gewesen wäre, das sich in diesen Bereichen schließlich hauptamtlich um Verbes-serungen kümmern sollte.

Mortalität: Im Jahr 2000 betrug die Zahl der Verkehr-stoten in Deutschland 7.503 (alle Zahlen: Statistisches Bun-desamt und eigene Berechnungen). Zehn Jahre später, im Jahr 2010, waren es nur noch 3.648, ein Rückgang um 51,4 Prozent. Zum Vergleich: Die Zahl der Brustkrebstoten ist im selben Zeitraum von 18.035 auf 17.573 zurückgegangen – lediglich 2,6 Prozent!

Morbidität: Im Jahr 2000 wurden 507.074 Menschen im Straßenverkehr verletzt. 2010 waren es nur noch 371.170: minus 26,8 Prozent. 2000 erkrankten 57.464 (überwiegend)

Frauen erstmals an Brustkrebs. 2010 lag die Zahl bei 71.874 – 25,1 Prozent mehr!

Lebensqualität: Der Golf IV kam im Oktober 1997 auf den Markt. In seiner einfachsten Variante Basic serienmäßig mit 4 Airbags und ABS ausgestattet. Demgegenüber war die ein-fachste Version des Golf VI im August 2008 bereits ab Werk ausgestattet mit: ESP, EDS, ASR, MSR, Bremsassistent, 7 Air-bags, Comfort-Servolenkung, Fensterheber und Außenspiegel elektrisch, Zentralverriegelung und Klimaanlage. Hat sich die Lebensqualität der Patienten in Bezug auf die reguläre am-bulante oder stationäre Versorgung in den vergangenen 20 Jahren verbessert? Besonders augenfällig ist das nicht.

Wirtschaftlichkeit: Ein Artikel aus der ZEIT (unter „So teu-er sind Neuwagen gar nicht geworden“ im Netz zu finden) ver-gleicht einen VW Golf aus dem Jahr 1994 mit einem VW Polo Baujahr 2012. Beide Autos sind nahezu gleich groß – aber der Polo (natürlich auch viel besser ausgestattet) kostete 17.900 Euro, inflationsbereinigt 6.901 Euro weniger als 1994 der Ver-gleichs-Golf, in knapp zwei Jahrzehnten ein Preisvorteil von 27,8 Prozent. Zum Vergleich: Die GKV-Ausgaben betrugen 1994 117,38 Mrd. Euro – inflationsbereinigt waren das 2012 154,47 Mrd. Tatsächlich lagen die Ausgaben 2012 bei 184,25 Mrd., 19,38 Prozent höher.

Die Autoindustrie hat zu erheblichen Steigerungen der Wirtschaftlichkeit, zu massiv gesunkener Mortalität und Morbidität und zu eindrucksvoller Steigerung der Lebensqua-lität geführt. Gleichzeitig ist das Gesundheitswesen (real!) um fast ein Fünftel teurer geworden, bei steigender Mor-bidität, kaum gesunkener Mortalität und höchstens gleich hoher Lebensqualität. Das beantwortet dann wohl die im Titel gestellte Frage. ¬

FELIX CORNELIUS ist Geschäftsführer der Spreeufer Consult GmbH, die sich auf Projekte spezialisiert hat, in denen ärztliches und betriebswirtschaftliches Denken versöhnt werden sollen. Er ist außerdem Mitgründer und Vorstand des Verbandes digitale Gesundheit (VdigG).

Von Felix Cornelius

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WIE SCHLIMM SIND 10 JAHRE FORTSCHRITTSVERZICHT?

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INNOVATIONEN ZUM PATIENTENNUTZENDie Gesundheitsstifter!

Forum der Gesundheitsstifter! & HIMSS Europe Start-up-SlamSamstag, 23. April 2016 | International Club Berlin e.V.

3. Familienrenntag der Gesundheitswirtschaft Sonntag, 24. April 2016 | Galopprennbahn Hoppegarten

Profi t- und Non-Profi t-Partner:

Gastgeber:

Medienpartner:

Die Zukunftsinitiative von Sünjhaid!, HIMSS Europe, cdgw – Club der Gesundheitswirtschaft und In.IAK in Kooperation mit der Rennbahn Hoppegarten, Gesundheitsstiftungen und weiteren Partnern.

EIN AUSSERGEWÖHNLICHES FORMAT? ABSOLUT.

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Die Alternative wäre, sich von der Realität über-rollen zu lassen. Denn, dass da etwas kommen wird, dafür braucht es keine Kristallkugel. Und bei so vielen Ideen sind sicherlich auch sehr gute dabei. Die Gesund-heitsbranche befindet sich im Wandel. Das muss nicht jeder mögen, obwohl heute auch nicht alles rosig ist, wo Gesundheit draufsteht. Aber wer weiter mitmachen will, sollte vorbereitet sein – und das sind wir nun.

Worauf bezieht sich Ihre exis-tierende Lösung?

In erster Linie ist sie Vor-aussetzung dafür, dass wir unserer Arbeitgeberpflicht nachkommen und ein at-traktiveres Arbeitsumfeld für unsere Mitarbeiter schaffen. Der Druck auf die Mediziner, Pflegenden und andere Funk-tionsbereiche wird immer hö-her; gleichzeitig wird deren privater Alltag durch mobile Devices immer komfortabler – diese private Erlebniswelt wünschen sich die Mitarbei-ter dann natürlich auch im Arbeitsalltag. Wir können an dieser Stelle sinnvolle Erleich-terungen einführen.

Die da wären?Sehen Sie, ich kann nicht allen Mitarbeitern ein

Smartphone in die Hand drücken, mit Zugang zum Netzwerk und ohne Restriktionen in der Handhabung. Ich weiß, das ist schwer zu verstehen, aber ein Kran-kenhaus ist nun einmal ein hoch sensibles, dem Da-tenschutz verpflichtetes Unternehmen. Gerade in den vergangenen Wochen haben die Ereignisse um die Si-cherheit der IT-Infrastruktur in Krankenhäusern uns dies deutlich vor Augen geführt. Lange Zeit haben auch die Hersteller kein professionelles Geräte- und Applika-tionsmanagement vorgehalten. Ich konnte das Smart-phone nicht auf ein Unternehmen, sondern nur auf eine Person zulassen – sowas ist für ein Krankenhaus nicht praktikabel. Das geht nun.

Für den Einsatz mobiler Endgeräte ist ein ökono-misches Gerätemanagement essenziell; ein manuelles Prozedere ist ein Ausschlusskriterium. Die Plattform muss monitorbar sein, Updates und Basiseinstellun-gen dürfen nicht ungesteuert laufen, „Besitzer“ müs-sen sich an Regeln halten und gewissen Kontrollen und Protokollen zustimmen. Es reicht nicht, dass Lösung und Gerät gut sind, sie müssen beherrschbar sein – im

eigentlichen Sinne des Wortes –, sonst kann ich sie nicht flächendeckend einführen!

Wer muss für diese Abstimmungen unter ei-nen Hut gebracht werden?

Die Nutzung mobiler Devices und damit einhergehender Applikationen im Umfeld von Patientendaten lässt einen von Tretmine zu Tretmine verhandeln. Kontrolle, Protokolle, Persönlichkeitsrechte: Sie müssen Patienten-datensicherheit, Daten- und Mitarbeiterschutz unter einen Hut bringen, die sich mancherorts widersprechen. Für die bei Vivantes eingesetz-te mobile technische und organisatorische Ba-sisplattform haben wir das nun geschafft.

Der Aufwand klingt enorm. Wie groß ist das Interesse anderer Krankenhäuser an Ihrer Lö-sung? Ist Ihre Vorarbeit formalisierbar?

Das wäre sie. Für einen Piloten auf ei-ner Station reicht meist das normale Rüst-zeug, für eine flächendeckende Einführung muss jedoch dieser enorme Aufwand betrie-ben werden. Ich glaube, viele Häuser wol-len noch nicht wahrhaben, was da auf sie zukommt. Im Einzelnen müssen Sie die fragen.

Sie, beziehungsweise Vivantes, ist jetzt also gerüstet für die zunehmende Digitalisierung des Arbeitsumfeldes „Gesundheit“ – welche Applikationsinhalte werden jetzt auf den Prüfstand gestellt?

Es geht in einem ersten Schritt um die Entlastung der diensthabenden Ärzte und der Pflegenden. Beispielsweise ein mobiler PACS-Viewer, Zweitmeinung, Rufbereitschaft, Speiseplan-Bestellungen, interne Kommunika-tion. Auch die digitale Krankenakte befindet sich in einem Probelauf, ist sie doch Basis für viele weitere Schritte.

Für die Zukunft sehe ich vor allem alles, was das Kernthema Therapiequalität verbes-sert, im Fokus, und natürlich das Heben wirt-schaftlicher Potenziale des Unternehmens. Die Therapiequalität kann durch viele digita-le Faktoren positiv beeinflusst werden, sei es der Informationsfluss der Behandelnden, aber auch das Befähigen der Patienten und deren Angehörigen.

Als eine Art Abfallprodukt hoffen wir auch auf den Dreiklang Innovationen-Image-Marke-ting, aber immer mit Fokus auf die Vorteile für die Patienten. ¬

DISRUPTIVE TECHNOLOGIE

Eine disruptive Technologie (engl. disrupt – unterbrechen, zerreißen) ist eine Innova-tion, die eine bestehende Technologie, ein bestehendes Produkt oder eine bestehen-de Dienstleistung möglicherweise voll-ständig verdrängt. Disruptive Innovationen sind meist am unteren Ende des Marktes und in neuen Märkten zu finden. Die neuen Märkte entstehen für die etablierten An-bieter in der Regel unerwartet und sind für diese, besonders aufgrund ihres zunächst kleinen Volumens oder Kundensegments, uninteressant. Sie können im Zeitverlauf ein starkes Wachstum aufweisen und vorhandene Märkte bzw. Produkte und Dienstleistungen komplett oder teilweise verdrängen.

Wikipedia, Definition nach Clayton M. Christensen, Harvard Business School

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Essen und Trinken, Körper- und Mundpflege, Folgeerkrankungen erken-nen und vorbeugen, Selbstsorge sowie Be- und Entlastung.

Krankenkassen haben Nutzen er- und anerkanntDer Kurs ist als Abonnement für sechs Monate à 99 Euro erhältlich.

Für die Versicherten der Partner-Pflegekassen (siehe: www.curendo.de) ist der Kurs kostenlos erhältlich. „Die DAK hat ihn als ‚Pflegecoach‘ im eigenen Look-and-Feel mit in das eigene Portfolio genommen“, freut sich Florian Caspari, Leiter Produkt- und Projektmanagment bei Töchter & Söhne. „Ein Zeichen dafür, dass sie nicht nur den Bedarf in der Pflege sehen, sondern ebenfalls die Notwendigkeit erkennen, sich auch um die Pflegepersonen zu kümmern.“

Bei den einen verringert sich durch gekonntere Pflege der Dreh-tür-Effekt Richtung Krankenhaus, auch dadurch, dass die Pflegenden

gekonnter und selbstbewusster mit ihren Aufgaben umgehen. Aber auch die Angehörigen finden in den Online-modulen Anleitung dafür, bewusster mit den eigenen Kräften und Nerven zu haushalten. „Deren Bedarfe fal-len doch meistens in Anbetracht der eigentlichen Pflegeperson hinten rü-ber“, weiß Veil.

Deswegen ist der Erfahrungsaus-tausch über die Pflegeplattform mit anderen Pflegenden essenziell, wie die rund 2.000 User der Plattform be-weisen. Hier können Fragen gestellt, Pflegetipps geteilt oder auch Treffen organisiert werden – die sogenannte

curendo-Community wächst auch außerhalb der Krankenversiche-rungswelt. Für individuelle Fachfragen aus dem häuslichen Pflegealltag stehen qualifizierte Expertinnen und Experten für eine schnelle und fachliche Hilfe via Mail zur Verfügung, die Antworten treffen innerhalb weniger Stunden ein.

Evaluation und Nachhaltigkeitsstrategie Ein weiterer Vorteil des Onlinekurses ist die Möglichkeit, Verhaltens-

veränderungen und Evaluationen via formalisierter Fernbefragung in die Weiterentwicklung der Module einfließen zu lassen.

Aktuell ist ein Modul in der Startphase, das sich indikationsbezogen um die Pflege demenzkranker Angehöriger dreht. Initiiert beziehungs-weise inspiriert durch die rund 400.000 User der Facebook-Gruppe „Demenz“ und deren Reaktionen auf die dreimal wöchentlich erschei-nenden Tipps zur Pflege Demenzkranker, die das curendo-Team dort publizierte. Auch dieses neue Online-Modul wurde in Zusammenarbeit mit Experten aus der Wissenschaft entwickelt.

Es ist ein kleines Minenfeld, was das Start-up mit seinen Online-Mo-dulen beackert. Es gilt offensichtlich als anrüchig, mit Pflegetools Geld verdienen zu wollen. „Natürlich möchten und müssen wir mit unseren Lösungen Geld verdienen“, so Veil, „aber unser Modul ist eine Leistung, die im Regelkatalog abgebildet ist, bisher nicht abgerufen wird und ei-nen echten, nachweisbaren Mehrwert bringt.“ ¬

ZukünftigesNach dem eher allgemeinen Aufschlag des Basis-Pflegekurses sollen nun sukzessive indikationsbezogene Module dazukommen. Im April geht ein erstes Spezial-Modul für pflegende Angehörige Demenzkranker an den Start.

Aktuell ist ein „Demenz“-Modul in der Startphase. Inspiriert durch

die Reaktionen der 400.000 User der „Demenz“-Face-book-Gruppe auf

regelmäßige Tipps.

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Die GründerThilo Veil ist seit 2012 geschäftsführender Ge-sellschafter der Töchter & Söhne GmbH. Die Idee kam ihm, als er durch einen eige-nen Pflegefall in der Familie auf das durchweg analoge, oft unpraktikable Angebot von Pflegekursen aufmerk-sam wurde. Florian Caspari ist ein früherer Weggefährte und seit 2015 Mitglied der Geschäftsführung.

Das ProblemTheoretisch bieten die Kassen Pflegekurse an, praktisch finden diese jedoch unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Entfernung, Zeiten, zusätzlicher Aufwand sprechen dagegen.

Die IdeeDer curendo Online-Pflege-kurs „Grundlagen häusli-cher Pflege“ illustriert in Schritt-für-Schritt-Anleitun-gen vor allem die praktischen Fragen der Angehörigen, gibt aber auch Antworten zu Pflegestufen und Pflegegeld. Die 34 Module und sieben Lerneinheiten geben einen flexiblen Pflegecoach ab.

mHEALTH IM CHECKTöchter & Söhne

Wie würden Sie sich fühlen, wenn Sie sich von heute auf morgen in der Situation wiederfänden, einen An-

gehörigen pflegen zu müssen? Einmal ganz ab-gesehen von dem persönlichen Einzelschicksal weiß sicherlich auch nicht jeder sofort, was zu tun ist. Die Zeit für Pflegekurse, die die Kran-kenkassen pflegenden Angehörigen kostenlos anbieten, ist bei den Betroffenen eng bemes-sen. Laut Pflegereport 2015 der DAK-Gesund-heit „So pflegt Deutschland“ nimmt sich nur etwa jeder Fünfte die Zeit für solche Termine. Dabei ist ein zentrales Ergebnis des Reports, für den anonymisierte Daten von 500.000 Ver-sicherten ausgewertet wurden, dass der Druck auf Menschen immens ist, die die Pflege eines Angehörigen meist neben Job und Familie übernehmen. Das spiegelt sich sowohl in der erhöhten Anzahl von Muskel-Skelett-Erkran-kungen als auch in der psychischer Belas-tungsstörungen wider.

Pflege-Know-how aus der WissenschaftThilo Veil, Gründer der Töchter & Söhne Ge-

sellschaft für digitale Helfer mbH, hat selbst erfahren, wie es ist, bei der Pflege Angehöriger auf sich allein gestellt zu sein. „Die Fragen, die sich mir stellten, reichten von einfachen Hand-griffen bis hin zu rechtlicher Beratung, wo was beantragt werden muss“, erklärt er. „Natürlich gibt es Telefonnummern und kostenlose Pfle-gekurse, aber nichts erschien wirklich prakti-kabel in dieser Situation.“

Der nächste Schritt war für jemanden wie ihn, der auch vorher schon erfolgreich Start-ups auf den Weg gebracht hatte, nur folgerich-tig – ein Unternehmen musste her, das die

alten defizitären Strukturen überholt und neue Lösungen bereitstellt. Der Name „Töchter & Söhne“ war mehr als naheliegend. Veil setzte sich mit dem Pflegewissenschaftler Matthias Zündler, Professor für Gesundheits- und Pfle-gemanagement an der Hochschule Bremen, University of Applied Sciences, zusammen und gemeinsam entwickelten sie einen Online-Pfle-gekurs für pflegende Angehörige.

34 Module, 7 Lerneinheiten – jederzeit und überall abrufbar

„Natürlich geht es nicht darum, für alle Fragen des Pflegealltags Antworten bereitzu-stellen“, erklärt Veil den Ansatz. „Doch der Onlinekurs entspricht zuallererst einmal dem Bedürfnis der Beteiligten nach Grundlagen: anschauliche Schritt-für-Schritt-Anleitungen für die häusliche Pflege, Illustrationen und Fallbeispiele alltagstypischer Situationen ge-ben dem Besucher das Gefühl, an die Hand genommen zu werden.“

Der Kurs ist einfach zu bedienen, jederzeit abrufbar beziehungsweise wiederholbar und hält auch interaktive Anwendungen bereit. Darüber hinaus stellt er sich auf die Seite der Pflegenden, thematisiert auch die Probleme von Lebensgestaltung und -qualität in dieser herausfordernden Situation und ermutigt die Teilnehmer, sich auch um sich selbst zu küm-mern. Das reicht von Tipps zur Rückenschu-lung bis hin zu Fragebögen, die Anhaltspunkte generieren bei der Früherkennung von Depres-sionen.

Die wichtigsten Pflegethemen des Kurses sind finanzielle Unterstützung und Pflege-leistungen, Bewegungsabläufe in der Pflege,

Hilfe für Pflegende – ohne Hürden

In Deutschland leben rund 2,6 Millionen pflegebedürftige Menschen. Pflegepersonen wurden bislang im Wesentlichen mit externen,

analogen Hilfsangeboten unterstützt – unpraktikabel, dachte sich Thilo Veil, Gründer von Töchter & Söhne, und entwickelte mit curendo

ein Onlinetraining.

Von Claudia Dirks

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Die Herausforderung laut Scheffler: einen Overkill an Informationen zu vermeiden und gleichzeitig möglichst viel Individualisierung zu bie-ten. „In der analogen Welt haben alle ihre individuellen Lösungen ge-funden, in der digitalen Welt muss das erst noch geschehen.“

„Wir wollen Ergebnisse messen, und damit meinen wir vor allem auch die Lebensqualität des Patienten.“

Die schnellere Dokumentation ist nur ein Teil. Der andere ist die Ver-gleichbarkeit von Therapien. „Wir können durch Follow-up-Befragung der Patienten nicht nur sagen: Ihr habt bei Kreuzbandpatienten einer be-stimmten Altersgruppe zu 10 Prozent mit Operationstechnik A gearbeitet und zu 90 Prozent mit Operationstechnik B. Sondern wir können sagen: Diese Ergebnisse sind signifikant besser oder schlechter. Und mit Ergeb-nissen meinen wir auch die Lebensqualität des Patienten“, so Schre-

ckenberger. Früher sei dies nur über Studien und zusätzlichen Aufwand möglich gewesen. Nun geschieht das erstmals automatisiert, im klinischen Alltag. Für eine OP-Entscheidung müssen laut Höher allerdings viel mehr Parameter betrachtet werden. „Auf einen Knopfdruck entscheiden zu können, wäre vermessen, dafür ist die Komplexität zu groß. Aber wir glauben, dass das Tool ein Schritt in die richtige Richtung ist, Licht ins Dunkel zu bringen.“ Operationstech-niken können nun zwischen verschie-denen OP-Zentren verglichen werden.

Ein Punkt, der laut Höher auch mit Blick auf das gerade in Kraft ge-tretene Krankenhausstrukturgesetz interessant ist. „Wir glauben, dass wir mit heartbeat ONE zukunftsweisend

sind“, sagt der Kniespezialist. „Die Qualitätssicherung findet noch zu wenig statt. Das wird sich in den kommenden Jahren ändern.“ Aus den studientauglichen Daten will das Start-up langfristig ein Forschungsre-gister aufbauen. In mehreren Kliniken startet dazu aktuell ein Projekt zu Kreuzband-OPs. „Jede Klinik macht 500 bis 2.000 Eingriffe pro Jahr, diese können wir automatisch zu einer Multizentren-Studie zur Outco-me-Qualität verbinden“, erklärt Schreckenberger. Ein Schatz, der natür-lich die Frage nach dem Datenschutz aufwirft: Alle Daten sind mehrfach verschlüsselt und verbleiben beim Arzt oder in der Klinik. „Wir haben eine ganz klare Linie“, so Schreckenberger, „die Daten sind zwischen Arzt und Patient. Dieser kann per Unterschrift, auch anonym, mehr Da-ten ins Register einbringen. Freiwillig. Es gibt keine zentrale Datenbank. Arzt – Patient: Das ist die Vertrauensbindung und die soll bleiben.“ Fi-nanziert wird über Investoren. Eine neue Finanzierungsrunde mit der DocCheck Guano AG aus Köln sowie dem High-Tech Gründerfonds aus Bonn wurde laut Unternehmen kurz vor Weihnachten erfolgreich ab-geschlossen. Die Kunden bekommen den Webdienst als „Software as a Service“-Modell, ab 89 Euro pro Monat und Arzt. Für eine Praxis geht es bei 299 Euro/Monat los, Krankenhäuser zahlen ab 900 Euro/Monat. ¬

ZukünftigesDie Frage der Qualitätssicherung wird sich mit dem Krankenhausstrukturgesetz vermehrt stellen. Das Ziel ist dafür also, mit den studientauglichen Daten langfristig ein Forschungsregister aufzubauen.

„Jeder Opera-teur will wissen: Was habe ich da

eigentlich am Ende geschafft? Wir

wollten Ergebnisse messbar machen: Wie sieht s denn drei Jahre später aus? Geht es dem

Patienten wirklich besser?“

Yannik Schreckenberger

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Die GründerYannik Schreckenberger, Marc Tiedemann, Sebasti-an Tilch und Yunus Uyargil haben heartbeat medical Anfang 2014 gegründet. Im Juni räumte das Team aus Köln und Berlin beim Start-up-Slam des deutschen eHealth-Summits aus dem Stand den zweiten Platz ab. Kurz darauf wurden sie bei einem Gründerwettbewerb in Köln zum besten Start-up des Rheinlands gekürt.

Das ProblemQualitätssicherung in Kliniken und Praxen kostet Zeit, die bei der Behandlung von Patienten fehlt. Gleichzeitig wird immer Wert auf Vergleichbarkeit von Leistungen gelegt.

Die Ideeheartbeat ONE nutzt Routinedaten und ergänzt sie um Befragungen zum Gesundheitszustand. Dabei machen dynamische Formulare die Arbeit leichter. Studientaugliche Daten können mittels Tablets o. Ä. direkt im klinischen Alltag erhoben werden, Therapieerfolge lassen sich so leichter messen.

mHEALTH IM CHECKheartbeat ONE

Am Anfang stand das Problem, dass sich vor allem Chirurgen in der Orthopädie einem enormen Druck ausgesetzt sa-

hen“, sagt der Geschäftsführer der Start-up-Firma heartbeat medical, Yannik Schrecken-berger. „Die Ärzte haben sich gefragt: Können wir die Notwendigkeit von Operationen besser nachweisen, ohne mehr Aufwand zu betrei-ben?“

Denn der ist ohnehin schon enorm: Laut einer von HIMSS in Auftrag gegebenen Studie verbringen Ärzte rund die Hälfte ihrer Arbeits-zeit mit der Dokumentation, unter anderem zur Qualitätssicherung. Aber wie gut die Behand-lung überhaupt wirkt, erfahren Operateure oft nur, wenn es Begleitstudien gibt oder sich Pa-tienten selbst wieder bei ihnen melden.

Gespräche mit der Sportsclinic Cologne ga-ben den Anstoß für heartbeat ONE. Die Idee: Daten zu nutzen, die im Verlauf der Behand-lung ohnehin erhoben werden. Vom Warte-zimmer über die Operation selbst bis zur Fol-low-up-Befragung des Patienten per E-Mail. „Wir wollten weg vom Papier, um Daten auf digitalem Weg in all unseren Praxen und OP-Zentren einheitlich auswerten zu können“, sagt Jürgen Höher, Professor der Chirurgie.

Heartbeat ONE bietet für die Dokumentati-on und Befragung dynamische Formulare, bei denen sich Patienten und Mediziner am Tablet oder Rechner nur noch bequem durchklicken müssen. „Wir haben immer gesagt: Das muss klappen wie eine Web-App, vollkommen intu-itiv, ansprechend und selbsterklärend“, sagt Schreckenberger.

Und damit das auch klappt, müssen die auf Standardfragebögen basierenden Formulare nicht nur mit bestehenden Krankenhaus-Do-kumentationssystemen kompatibel sein, son-dern auch für die jeweiligen Fachbereiche maßgeschneidert werden. Dafür hatten die Start-up-Gründer, die selbst keine Mediziner sind, von Anfang an klinische Berater und Praktiker mit im Boot.

Das Ziel: ein Maximum an Informationen bei einem Minimum an Aufwand

Zum Beispiel Sven Scheffler. Der Berliner Orthopäde nutzt die Software im Praxisver-bund Sporthopaedicum seit eineinhalb Jah-ren. Als großen Vorteil wertet er den zentralen Eingabebereich für alle Nutzer. Die „digitale Sprechstunde“ beginnt schon, bevor der Pati-ent den Arzt zu Gesicht bekommt. „Im Warte-zimmer können die Patienten, statt Bild oder Bunte zu lesen, Infos über das Tablet eingeben, das spart Zeit“, sagt Scheffler, die Patienten re-agierten dabei überwiegend offen. „Die Jünge-ren finden es cool, wenn sie ein Tablet in die Hand gedrückt bekommen, ihnen gefällt auch das Design“, sagt Scheffler. „Bei älteren Patien-ten muss man auch mal schauen: Ist die Schrift groß genug, wie ist die Bedienung?“

Als selbsterklärtes „Versuchskaninchen“ sieht Scheffler aber auch Schwachstellen: „Das System ist noch nicht in der Lage, alle Verknüpfungen zu liefern. Die Einzelbausteine sind schon da, aber die Implementierung etwa von Bildern und Videos, die während der OP gemacht werden, ist noch nicht vollständig.“

Check-up für die TherapiePatienten und Mediziner wollen wissen, welche Erfolgsaussicht

eine Behandlung hat. Gleichzeitig schauen Kliniken und Krankenkassen immer genauer auf Kosten und Effizienz.

Das onlinebasierte Informationssystem „heartbeat ONE“ soll Therapieerfolge leichter messbar machen und wertvolle Zeit

bei der Dokumentation sparen.

Von Swante Stein

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Martin Overath: Im Mittelpunkt: Ärzte und Pflegende 58Wie wir krank sein wollen 62Ralf Gieseke: IT-Projekte sind nie nur IT-Projekte 64

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notwendigen Maßnahmen – jetzt endlich – umzusetzen. Glauben Sie, dass ohne Ände-rung der Rahmenbedingungen die notwendi-gen IT-Fachkräfte in ausreichender Zahl ins Gesundheitswesen strömen werden?

Auch das Gesundheitswesen wird zukünf-tig nicht ohne die Hilfe Dritter auskommen. Outsourcing, Managed Services etc. – was beim Reinigen oder in der Küche bereits üblich ist, wird in der IT-Abteilung zwingend benötigt.

Eine tragende Rolle können Cloud Services spielen. Ja, die gibt es immer noch. Haben Sie sich mal damit beschäftigt, oder werden Sie noch von der Angst vorm Fremden beherrscht?

Viele Bedenken der Anfangszeit sind heute „Schnee von gestern“. Verschlüsselung, alle gängigen Zertifikate, EU-konforme Daten-schutzvereinbarungen – das ist heute Stan-dard der großen Anbieter. Evident, die wirt-schaftlichen Vorteile – versuchen Sie doch nur einmal, ein Terrabyte Speicher im eigenen Rechenzentrum oder bei Ihrem Dienstleister zu einem ähnlichen Preis zu bekommen, inklusive Back-up und entsprechender Verfügbarkeit!

Zuletzt noch einmal ein Blick auf die ein-gangs erwähnte Sicherheit: Ein Großteil der heutigen Bedrohungsszenarien besteht bei Nutzung von Cloud-Services schlichtweg nicht. Ende-zu Ende-Verschlüsselung, Sandbox-Ver-fahren, verteilte Speicherung sind nur einige der Dinge, die dies sicherstellen.

Vielleicht ist die Zeit reif, etwas zu tun, was uns im Land der Ingenieure immer mehr ab-handen kommt: Mut, neue Wege proaktiv zu gestalten und zu beschreiten – auch wenn die Sicht „cloudy“ sein sollte ... ¬

Locky – klingt süß, oder? Kann nicht so schlimm sein, wenn ich mir einen Locky einge-fangen habe? Die jüngsten Erfahrungen eini-ger Krankenhäuser sind sicherlich andere. Die Sparpolitik scheint sich nun zu rächen.

Gemein, wenn immer nur die Rede vom Da-tenklau ist, der Schutz (?) sensibler Patien-tendaten darauf ausgerichtet ist und dann ... will die niemand entwenden, sondern lediglich zur Lösegeld-Erpressung benutzen.

Perfide, auch deshalb, weil er die Daten ver-schlüsselt und uns den Schlüssel verkaufen will. Etwas, das wir hätten längst tun müssen.

Interessant, die Reflex-Reaktion: „Den Umgang mit dem Internet werden wir stark reglementieren müssen“. Irgendwie kommt mir diese Diskussion doch bekannt vor („Balkan-route“); erst mal zumachen, damit das „Böse“ nicht mehr reinkommt. Das hat nur leider einen Haken – es gibt auch kein Rauskommen mehr. Und täglich grüßt der Lagerkoller!

Die Reaktion zeigt, dass das Gesundheits-wesen die Veränderung und Bedeutung der IT massiv unterschätzt hat. IT ist noch immer notwendiges Übel, kein wertvolles Werkzeug.

Entsprechend schlecht steht es um deren Infrastruktur im Gesundheitswesen. Das ist wie im Straßenbau – Sicherheit heißt, eine Straße zu betreiben ohne Schlaglöcher und anständig befestigt sowie regelmäßig gewar-tet. Ansonsten muss mit eingeschränkter Ge-schwindigkeit, Umwegen oder ständigen Pan-nen wie Achsbrüchen oder geplatzten Reifen gerechnet werden.

Einfach mehr Geld reicht jedoch auch nicht. Es fehlen Kapazität und Kompetenz, um die Ill

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ANGST VOR DEM UNBEKANNTEN

ALADIN ANTIC, CIOKfH Kuratorium für Dialyse und Nierentransplantationen e. V., schreibt an dieser Stelle über real existierende Brückentechnologien zwischen Mensch und IT.

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„ An einer Uniklinik greifen Patientenversorgung, Forschung und Lehre ineinander – ein sinnstiftendes Wirkungsfeld mit hochkomplexen Prozessen, die wir mit IT begleiten und gestalten können.“

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Interview mit Martin Overath

Herr Overath, Sie blicken auf eine regelrechte Uniklinik-So-zialisation zurück: 15 Jahre lang arbeiteten Sie als Entwickler und IT-Gruppenleiter im Uniklinikum Marburg, in diesem Jahr feiern Sie Ihr zehnjähriges Dienstjubiläum als IT-Leiter an der Uniklinik Frankfurt. Was macht das Uniklinikum-Umfeld für Sie besonders?

Der Auftrag einer Uniklinik, die Menschen und die Prozesse: Ich darf hier in verschiedensten Gruppen mit vielen interes-santen Menschen zusammenarbeiten. An der Uniklinik greifen Patientenversorgung, Forschung und Lehre ineinander – ein sinnstiftendes Wirkungsfeld mit hochkomplexen Prozessen, die wir mit IT begleiten und gestalten können.

Ein „sinnstiftendes Wirkungsumfeld“ – können Sie ein Beispiel nennen?

Am deutlichsten wird das vielleicht am Beispiel des UCT, des Zentrums für Tumorerkrankungen, wofür wir in den letz-ten fünf Jahren wichtige informationstechnische Strukturen geschaffen haben – eines unserer wertvollsten IT-Projekte. Hier finden wöchentlich mittlerweile 18 Tumorboards (TBs) statt, zu denen sich Onkologen, Radiologen, Strahlentherapeuten und Ärzte der Spezialfachgebiete zusammenfinden.

Wie genau unterstützt Ihre IT die Tumorboards? Hinter den TBs steckt eine große Logistik: Die Ärzte melden

ihre Fälle elektronisch an, die Meldung landet beim TB-Leiter und in der Arbeitsliste des Radiologen, der die Besprechung im PACS vorbereitet, beide stellen den Fall in der Konferenz mit

Doppelbeamern vor. Parallel wird die Behandlungsempfehlung im System dokumentiert. Früher lief das über Zettel oder über Word oder Excel, da wusste hinterher manch einer nicht mehr, ob es eine Empfehlung gibt und wer die ausgegeben hatte. Heute ist alles im System ersichtlich und nachvollziehbar. Ein großer Vorteil für die Patienten, aber auch für die Studenten und PJ-ler, die ja ebenfalls – Stichwort Uniklinik – in diesen Konferenzen sitzen. Außerdem gehen die Tumordaten in eine Biodatenbank, die wir eingeführt haben – eine der vielverspre-chendsten Softwareumgebungen, die wir haben.

Können Sie die Biobank näher erläutern?Über die Biobank will das UCT, das auch von der Deut-

schen Krebshilfe gefördert wird, Forschungsgruppen aus ganz Deutschland die sehr tiefgehenden Dokumentationen ihrer Tumorfälle zur Verfügung stellen und ihrerseits auf Dokumen-tationen anderer Zentren zugreifen können. Wichtig ist dabei, dass auch Gewebeproben abgelegt und verzeichnet werden. Das heißt, wenn sich ein Forschungsteam für einen bestimmten Fall interessiert, kann es auch zugleich erkennen, wo die Proben liegen – und darauf zugreifen. Im Hintergrund sind viele kom-plexe IT-Verfahren und Netz-, Server- und Speicherkomponen-ten intelligent miteinander verbunden, damit für den Benutzer möglichst alle relevanten Daten einfach und klar zu Verfügung stehen. Dies funktioniert nur im engen Zusammenspiel vieler gute ausgebildeter und engagierter IT-Mitarbeiter, der Pflege-DV und Ansprechpartnern bei den Ärzten. Sie fragen mich nach dem Reiz, IT an einer Uniklinik zu betreiben? Solche Projekte – und deren dahinterstehender Nutzen für das Gemeinwohl – gehören auf jeden Fall dazu.

Im Mittelpunkt: Ärzte und Pflegende

Die Verfügbarkeit der zentralen Systeme erhöhen und klinische Prozesse verbessern ist der Löwenanteil der Arbeit einer IT-Abteilung

im Krankenhaus, sagt Martin Overath vom Universitätsklinikum Frankfurt. Dann jedoch kann man auch auf die Anwender zählen.

Von Romy König

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Arzt und der Pflegekraft die Information zu geben, wenn und wo sie benötigt wird, das ist in meinen Augen einer der größten Werte, den wir aktuell leisten können.

Was ist aus Ihrer Sicht der größte Nutzen der elektronischen Patientenakte in Ihrem Haus?

Die Zeitersparnis für die Mitarbeiter und die Qualitätsverbesserung. Früher mussten Akten ja oft langwierig gesucht werden, sind Pflegekräfte auf den Stationen umhergelaufen, um etwa den Medikationsplan eines Patienten zu holen, konnten dann vielleicht die Hand-schrift nicht entziffern. Oder Patientenbilder mussten erst aus der Radiologie organisiert werden; heute reicht der Gang zum Rechner, und ein Klick. Wir haben darauf geachtet, das KIS einerseits allgemeingültig für das ganze Klinikum zu bauen, damit jede Kommunikati-on über denselben Strang abläuft und die Da-ten zumindest strukturell an denselben Orten abgelegt werden; andererseits aber muss das System noch so viel Anpassung zulassen, dass jede Klinik, jede Ambulanz mit ihren speziel-len Anforderungen vernünftig damit arbeiten kann. Ambulanz A braucht vielleicht ganz an-dere Laborwerte auf einen Blick, um ihre täg-lich 100 oder 200 Patienten schnell behandeln zu können als Ambulanz B. Hier mussten wir für unterschiedliche Nutzergruppen verschie-dene Sichten schaffen – innerhalb des Klini-krahmens.

Was hat sich durch die elektronische Patien-tenakte verändert?

Das Dokumentationsverhalten und die Ab-läufe: Unsere Pflegekräfte berichten uns, dass sie heute etwa um die Hälfte mehr – und auch genauer – dokumentieren, als sie es früher im Papierverfahren getan haben. Gerade vor dem Hintergrund der MDK-Prüfungen – wir haben am UKF eine Prüfquote von 15 Prozent – ist das eine positive Entwicklung. Übrigens hat sich auch in der Abrechnung einiges verbes-sert: Vor einigen Jahren lagen am UKF durch-schnittlich zwölf Tage zwischen Entlassungs-zeitpunkt und Rechnungsstellung – heute sind es nur noch 5,5 Tage.

Das sollte doch auch Klinikleiter und Vor-stand freuen – welchen Stand hat die IT in der Uniklinik Frankfurt?

Von Nutzerseite her haben wir einen guten

Ruf: Erst letztes Jahr hat das UKF eine Dienst-leisterbewertung unter allen Mitarbeitern durchgeführt. Unser Ergebnis: eine glatte 2. Das halte ich für sensationell. Und was die Leitungsebene betrifft – da geraten wir schon manchmal zwischen die Fronten. Da ist auf der einen Seite der Vorstand, der das Gesamtbud-get im Blick halten muss, und auf der anderen Seite stehen die Klinikdirektoren, die trotz begrenzter Ressourcen eine sehr gute Versor-gung, Forschung und Lehre anbieten wollen und müssen – da muss dann schon mal die IT herhalten ...

Sie meinen, die IT dient als Prellbock? Na ja, es wird dann argumentiert, wenn

dieses technisch besser funktionierte, könn-te auch jenes besser laufen. Aber das ist okay. Das müssen wir aushalten.

Und Sie als Chef über die fünf Abteilungen und 70 Mitarbeiter ganz besonders ...

Ach, ich sehe mich nicht als Herrscher über die IT-Abteilungen. Ich bin – und war schon immer – ein Teamplayer. Ich glaube, das stammt noch aus meiner Kindheit, ich war bei den Pfadfindern (lacht). Dass ich hier der Leiter bin, nun ja (zuckt mit den Achseln), das ist ja nur eine Rolle, die ich innehabe. Das gilt auch für Entscheidungsprozesse: Ich versuche immer, in der Gruppe zu einer sachgerechten Lösung zu kommen, sodass ich als Verantwort-licher am Ende höchstens noch über Feinab-stimmungen zu entscheiden habe. Ich denke, darin liegt auch ein Erfolgsrezept unserer IT. Und insgesamt haben wir als IT schon eine gute Unterstützung von oben. Wir sind Dienst-leister – es geht nicht darum, gut dazustehen, sondern dass sich die Uniklinik gut weiterent-wickelt.

Was ist als Nächstes geplant, wo geht es hin? Es wird am UKF viele weitere spannende

Verbesserungen geben, aufbauend auf der Digitalisierung. Dazu zählen Projekte zur Er-höhung der Patienten- und Arzneimittelsicher-heit, ein besserer Datenaustausch mit anderen Krankenhäusern und niedergelassenen Ärz-ten, aber auch die Nutzung der Daten für For-schung und Lehre – so will die Uniklinik zum Beispiel auch an dem neuen Förderkonzept Medizininformatik teilnehmen. Eins steht fest: Die Digitalisierung war erst der Anfang. ¬

KENNZAHLEN DER IT AM UNIKLINIKUM FRANKFURT (UKF)

◊ organisiert im sogenannten Dezernat 7, als Department for Information and Commu-nication Technology (DICT)

◊ 5 Abteilungen, 70 Mitarbeiter◊ tägliche Netzlast des UKF:

Transport von 9 TByte, etwa 80 Milliarden Datenpakete

◊ Datensicherung: 7 TByte pro Tag

◊ zwei Rechenzentren◊ 12.000 aktive Ports, 6.000

PCs, 720 Server, dazu Drucker, Medizingeräte, Gebäudetechnik, WLAN

◊ 120 Datenbanken (Oracle, MS SQL, Postgres)

◊ strukturierte Verkabelung, 400 aktive Netzkomponen-ten, 180 logisch getrennte Netzwerke Fo

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Was war Ihr Hauptziel, als Sie vor zehn Jahren mit Ihrem Job in Frankfurt anfingen?

Angetreten bin ich vor allem mit dem An-spruch, die Prozesse zu verbessern – aber vor-her die Verfügbarkeit aller zentralen Systeme zu erhöhen. Ich bin ein gebranntes Kind: In Marburg hatten wir einmal einen Systemaus-fall von mehreren Tagen. Das war so fürchter-lich, dass ich mir damals gesagt habe: Das will ich nie wieder irgendwo erleben. Aber auch in Frankfurt stand es vor zehn Jahren um die Ver-fügbarkeit nicht zum Besten, gab es immer mal mehrstündige Ausfälle. Die Quote lag früher bei unter 98 Prozent.

Und nun? Liegen wir bei 99,9 Prozent.

Wie haben Sie und Ihr Team das erreicht? Wir haben die Strukturen gestärkt, im Gro-

ßen und im Kleinen: Wir haben zwei Rechen-zentren eingeführt, in denen die wichtigsten Daten gespiegelt sind. Da könnte ein RZ aus-fallen – und doch würden alle Prozesse wei-terlaufen. Außerdem achten wir darauf, dass in sensiblen klinischen Bereichen genug Hard-ware zum Ausweichen bereitsteht – wenn also etwa mal ein Drucker nicht arbeitet, sollte ein anderer in der Nähe sein, den die Mitarbeiter ersatzweise nutzen können. Auch bei Updates

schauen wir genauer hin: Manche spielt man ja ein und riskiert, dass bestimmte Funktionen, zum Beispiel in der Abrechnung, auf einmal nicht mehr laufen. Nicht zuletzt um solche Fehler zu vermeiden, haben wir einen konti-nuierlichen Verbesserungsprozess etabliert. Das heißt, wenn es doch einmal einen Ausfall gibt, halten wir nach, prüfen, woran es lag, und werten die Daten aus.

Wie steht es um die Digitalisierung in der Frankfurter Uniklinik? Vor allem auf den Stationen?

Hier sind wir, auch verglichen mit anderen deutschen Unikliniken, recht weit vorn. Laut dem EMR Adoption Model der HIMSS haben wir eine Digitalisierungsbewertung von 5,2; vor uns liegt nur noch das Hamburger UKE mit einem Wert von 7. Dafür haben wir einiges getan, haben etwa als eine der ersten Unikli-niken eine mobile Visite und die elektronische Patientenakte eingeführt – auf mittlerweile fast allen Normalstationen und auf vielen un-serer Ambulanzen. Auf vier Intensivstationen haben wir außerdem ein Patientendatenma-nagement-System etabliert. Die hohe Digita-lisierung macht mich stolz: Denn das ist es doch, wo wir IT-Dienstleister die Medizin am besten unterstützen können. Klar gibt es auch viele interessante IT-Einzelthemen. Aber dem

MARTIN OVERATH

Er war bei den Pfadfindern, hat im Nebenfach Philosophie studiert, spielt Klavier und Orgel, und hat über Jahre hinweg einen Hof im Vogelsberg bewirtschaftet. Als typischen „Techi“ bezeichnet sich Martin Overath nicht. Es sei eher das Interesse an Mathe und Physik gewesen, das ihn zur Medizininformatik getrieben habe. Der 49-jährige Familienvater lebt mit seiner Frau, dreien seiner vier Söhne sowie zwei Hunden in einer Kleinstadt bei Frankfurt. Als ihn die Fotografin beim Shooting bittet, sich etwas Schönes vorzustellen, lächelt er prompt. Woran er gedacht habe? An ein Baby, verrät er. Overath ist vor Kurzem Großvater geworden.

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Die Gesundheitsversorgung von morgen hat sich vom heutigen Silodenken verabschiedet. Wir sprechen von diagnostischen Teams, in denen ehemalige Internisten und Radiologen u. a. zusammen an Diagnosen und individuali sierten Therapien feilen. Hierüber gibt es einen Informations- und Datenaustausch mit Patient und behandelnden Institutionen.

WIEWIR KRANK SEIN WOLLEN!

Meine Krankheit. Meine DNA. Meine Therapie. Wer individuell behandeln will, muss Daten sammeln und auswerten können.

Personalisierte Medizin

Sichere sich, wer kann! Das Thema muss ernst genommen werden, darf aber nicht als Totschlagargument der Innovationshemmer alles übertönen. Viva la Datenschutz!

Cyberkriminalität

Je näher der Mensch an der Krankheit ist, desto größer wird sein Interesse daran, seine Daten nicht nur mit dem Arzt seines Vertrauens, sondern auch mit sehr vielen anderen Betroffenen und an der Therapie Beteiligten zu teilen.

Vom Nutzen überzeugt ist meist der Patient!

Beim Thema Autofahren ist der Staat seiner Verantwortung vor allem auch mit der Gurtpflicht nachgekommen – das Gleiche kann beispielsweise im Falle der Arzneimitteltherapiesicherheit leider nicht gesagt werden.

Wie viel Staat braucht die Gesundheit?

Fachkliniken

Psychiatrien

Apotheken

Sportvereine/ Fitnessstudios

Altenheim/Hospiz

Gesundheitsministerium

Krankenkassen

Reha

Krankenhäuser

NiedergelasseneÄrzte

GO!Die Reha empfiehlt

regelmäßiges Schwimmen.

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Interview mit Ralf Gieseke

Jetzt ist gut die Hälfte der Vertragszeit erfüllt, die 2019 aus-läuft, wofür ist die Vamed damals angetreten?

Der Mutterkonzern hat langjährige Erfahrung im Betrieb von Medizintechnik und IT im Krankenhaus sowie im Aufbau von Servicegesellschaften, die wir in das UKSH einbringen. Unser Ziel ist es, die vom UKSH übernommene IT-Infrastruktur zu standardisieren und kontinuierlich zu modernisieren sowie einen kompetenten IT-Service und ein professionelles Projekt-management anzubieten – effizient, aus einer Hand und zu einem jährlichen Festpreis, mit dem auch die Reinvestitionen über die Ver-tragslaufzeit abgedeckt werden.

Welches waren die Meilensteine der vergan-genen sechs Jahre?

Der erste große Meilenstein war sicherlich die Inbetriebnahme unseres neuen Rechen-zentrums am Standort Lübeck. Parallel dazu haben wir begonnen, die Arbeitsplatzinfra-struktur des UKSH zu standardisieren – bei den Druckern und der Telefonie sind wir ge-rade in der finalen Umsetzung. Daneben wur-den viele Projekte für die Patientenversorgung umgesetzt wie der Aufbau einer eigenen Infra-struktur für die Teleradiologie.

Haben Sie auch ein persönliches Highlight?Viele Projekte haben das Attribut „Highlight“ verdient. Eines

davon war in jüngster Zeit sicher die technische Anbindung der Erstaufnahmeeinrichtung Neumünster an die Infrastruktur des UKSH, um in der Flüchtlingsunterkunft teleradiologische Un-tersuchungen durchführen zu können. Die Anbindung konnten wir in weniger als 8 Std. vollständig in Funktion nehmen.

Die Konstruktion, die die Vamed ja auch in der Charité lebt, wurde damals viel diskutiert – welche Zweifel hatten die Kri-tiker damals und wie sind Sie damit umgegangen?

Unsere Kritiker haben bezweifelt, dass die IT eines Univer-sitätsklinikums dieser Größe und Struktur überhaupt zentral durch eine Servicegesellschaft erbracht werden kann, insbeson-dere die Trennung der IT für die Forschung und Lehre einerseits und die Krankenversorgung andererseits wurde für schwierig

gehalten. Wir haben die Argumente ernst genommen, uns aber nicht abschrecken lassen. Der Erfolg gibt uns recht.

Natürlich ist es ein Unterschied, unternehmerisch eine IT-Ab-teilung zu leiten oder eingebettet in Krankenhaus-Strukturen zu agieren – wo sehen Sie die Vorteile für die eine beziehungs-weise andere Konstellation?

Aus meiner Sicht hat die unternehmerische Führung einer IT-Abteilung für beide Seiten nur Vorteile. Unternehmerische Strukturen sorgen für die notwendige Transparenz im Umgang

miteinander, da das Krankenhaus bei einer Auftragserteilung immer eine Kosten-/Nut-zen-Abschätzung durchführen muss und sich dadurch auf das wirklich Wichtige fokussiert.

Was hat sich inhaltlich, was sich unternehme-risch bewährt?

Inhaltlich ist sicherlich die Erneuerung und Standardisierung der Arbeitsplatzinfrastruk-tur der wesentliche Punkt, um die Betreuung einer Organisation von der Größe und Kom-plexität des UKSH überhaupt wirtschaftlich gewährleisten können. Die von Anfang an geplante Investitionsfinanzierung über die gesamte Vertragslaufzeit ist der unternehme-rische Schlüssel zum Erfolg dieses Projektes. Auch wenn dem Outsourcing-Vertrag eine In-vestitionsplanung zugrunde liegt, gibt sie der Geschäftsführung doch die wirtschaftliche Fle-

xibilität, Investitionen bedarfsgerecht durchführen zu können.

Ich bin mir sicher, dass beim Betreten von Neuland viele Dinge neu gedacht und auch durchgeboxt werden müssen. An wel-cher Stelle musste Lehrgeld gezahlt werden?

Der Businessplan beruhte insbesondere in den ersten 5 Jah-ren auf einer sehr straffen Projekt- und Umsetzungsplanung, die sich dann im Tagesgeschäft aber auch kurzfristigen Heraus-forderungen flexibel öffnen musste. Die laufende Abstimmung zwischen strategischem Vorgehen und kurzfristiger Unterstüt-zung des Kunden ist dabei entscheidend.

Was hat im Gegenteil überraschend reibungslos funktioniert?Der personelle und organisatorische Aufbau der neuen Or-

ganisation in der IT-Servicegesellschaft hat von Anfang an gut

Gespannt wurde vor sechs Jahren auf das Outsourcing des Betriebs der kompletten IT des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH) auf

eine Servicegesellschaft geschaut. Ralf Gieseke, Geschäftsführer der UKSH Gesellschaft für IT Services mbH, zieht eine Halbzeit-Bilanz.

Von Claudia Dirks

„Unsere Kritiker haben bezwei-felt, dass die IT

eines Universitäts-klinikums dieser Größe und Struk-

tur überhaupt zentral durch eine

Servicegesellschaft erbracht werden

kann.“

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IT-Projekte sind nie nur IT-Projekte

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Der Nachrichtendienst der Industrie healthtechwire.de

In dieser Ausgabe

bvitg: Vernetzte Medizin im großen Fokus der conhIT

Cerner: IT als Verbündeter im Kampf gegen Sepsis und nosokomiale Infektionen

Meierhofer AG: Zukunftsfähige Produkte, neue Kunden

Visus: Centre Hospitalier du Nord in Luxemburg: Mit dem medizinischen Archiv in die erste IT-Liga

Nachrichten, Ansichten und Einblicke direkt aus der innovativen Healthcare Branche.

Ein Sonderteil der 42 Nº7

April 2016

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funktioniert. Die neu in die Servicegesellschaft eingestellten Mitarbeiter und die vom UKSH gestellten Mitarbeiter wuchsen zu einem schlagkräftigen Team zusammen. Selbst als wir 2013 die IT-Mitarbeiter aus Kiel an unseren Betriebssitz nach Lübeck versetzten, lief die Integration nicht zuletzt aufgrund der part-nerschaftlich verhandelten Betriebsvereinbarung sehr gut.

Als global agierendes österreichisches Unternehmen – was ist aus Ihrer Sicht in Bezug auf IT im Gesundheitswesen in Deutschland anders als in anderen Ländern?

Ich kann zumindest für den deutschsprachigen Raum spre-chen – dort sind die IT-Herausforderungen aufgrund der ge-wachsenen Strukturen überall ähnlich.

Worin ist das Konstrukt einer Betreibergesellschaft einem „normalen“ IT-Dezernat überlegen?

Eine Betreibergesellschaft baut auf einer soliden strategi-schen Planung einschließlich einer langfristigen Finanzpla-nung auf. Der operative Krankenhausbetrieb beeinflusst die IT-Betreibergesellschaft im Gegensatz zu einem normalen IT-Dezernat in der Regel nicht unmittelbar. Die langfristige Fi-nanzplanung ermöglicht es ihr, die einzelnen Komponenten der Strategieplanung konsequent umzusetzen, sodass diese dann wie geplant operativ ergebniswirksam werden.

Die meisten CIOs jammern, keine Zeit für die Strategie zu haben – wie viel Strategie, für die Sie ja zuständig sind, ver-trägt der Alltag tatsächlich?

Wir sind im Rahmen des Outsourcing-Vertrags primär für das operative Geschäft zuständig, das UKSH ist für die Strategie verantwortlich. Die bisherigen Ergebnisse zeigen, dass diese Re-gelung sehr erfolgreich in die Praxis umgesetzt wird; zumal ich darüber hinaus innovative Lösungen aus den internationalen Projekten einbringen kann. Das Thema Innovation hat durch den baulichen Masterplan des UKSH und dessen Umsetzung durch das Konsortium BAM/Vamed natürlich einen erheblichen Stellenwert bekommen.

Was würde heute in der Krankenhaus-IT der Universität anders aussehen?

Meiner Meinung nach haben die Ausschreibung der IT und die Definition der damit verbundenen Ziele das Thema IT im UKSH auf eine ganz andere Ebene gehoben. Das UKSH hat sich auf seine strategischen Ziele fokussiert, die Umsetzung im ope-rativen Geschäft dagegen der Servicegesellschaft überlassen.

Welche objektiven Vorteile würden Sie dem Konstrukt zu-schreiben?

Die Leistungserbringung durch einen Dienstleister schärft im Krankenhaus das Verständnis für die Kosten und den Wert eines IT-Projekts. Bei jedem Projekt wird vor dessen Genehmi-gung nun genau gefragt, ob der entstehende Wert für das Kran-kenhaus die Kosten rechtfertigt.

Mit was tun sich die Beteilig-ten auf beiden Seiten schwer?

Im UKSH sind wir mitt-lerweile so weit, dass bei der Einführung neuer Funktio-nen, beispielsweise im KIS, parallel auch die Prozesse und die Organisation in Me-dizin und Pflege weiterent-wickelt werden müssen. Nur dann kann ein IT-Projekt wirklich erfolgreich sein. Das Krankenhaus darf ein IT-Projekt deshalb nicht der IT allein überlassen, sondern muss während der gesamten Projektlaufzeit ausreichend Ressourcen und Know-how aus den begleitenden Fachab-teilungen bereitstellen. Die-ses gegenseitige Verständnis ist für den Erfolg eines der-art komplexen Projekts ent-scheidend.

Die Krankenhaus-IT ist chro-nisch unterfinanziert, lohnt sich das Betreiben einer sol-chen auch aus finanziellen Gründen?

Die Krankenhaus-IT in ih-ren alten Strukturen ist unter-

finanziert, weil die Kosten für die Erhaltung der Betriebsbereit-schaft des Status quo überproportional hoch sind, gemessen an den Kosten, die im Rahmen einer Servicegesellschaft über die Vertragslaufzeit anfallen. Die wirtschaftlichen Ergebnisse der UKSH-IT-Servicegesellschaft waren in den letzten 6 Jahren für alle beteiligten Parteien positiv.

Ist die IT-Servicegesellschaft für den Neustart beziehungswei-se die Neuausrichtung einer Krankenhaus-IT ein gangbarer Weg und macht sich das Konstrukt auch auf der Langstrecke für beide Seiten bezahlt?

Zweimal Ja – der Aufbau einer IT-Servicegesellschaft be-deutet aus meiner Sicht auf jeden Fall einen Neustart in der Wahrnehmung der IT durch die Krankenhaus-Organisation. Mit der Transparenz der IT-Kosten beginnt im Krankenhaus eine Diskussion um Aufwand und Nutzen der IT, und diese führt zu Ressourcenoptimierungen bei der IT-Leistungserbringung. Die daraus resultierenden Optimierungen auf beiden Seiten bilden die Basis für einen auch langfristigen Erfolg einer IT-Servicege-sellschaft und damit auch für einen wirtschaftlichen Erfolg für die Gesellschafter. ¬

„Wir sind im Rahmen des Outsourcing-

Vertrags primär für das operative

Geschäft zuständig, das

UKSH ist für die Strategie

verantwortlich.“

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Warum werden Menschen durch Bak-terien oder Mikroorganismen im Kran-kenhaus krank, obwohl sie schon vorher durch diese besiedelt sind?Das liegt daran, dass unsere Immunabwehr im

Krankheitsfall geschwächt ist und selbst kleine

invasive Eingriffe ein großes Risiko bergen, dass

normalerweise harmlose Erreger in die Wunde

gelangen und in ihrer neuen Umgebung eine In-

fektion hervorrufen. Die lebensbedrohliche Fol-

ge kann eine Sepsis sein, immerhin die dritthäu-

figste Todesursache. Das tückische ist, dass

diese anfänglich selbst für erfahrene Kliniker

schwer zu erkennen ist. Die Symptome sind zu-

nächst wenig spektakulär: niedriger Blutdruck,

schneller Puls und Fieber. Ist nicht so schlimm,

könnte man meinen, die Sepsis hat aber einen

rasanten Verlauf und führt immer noch bei über 50% der Betroffenen

in kurzer Zeit zum Tod.

Eine Sepsis kann unabhängig von etwaigen Hygienemän-geln praktisch jederzeit auftreten. Welchen Stellenwert hat Hygiene im Krankenhaus demnach? Hygiene und Hygienemanagement sind integraler Bestandteil des

Qualitätsmanagements jedes Krankenhauses. Der Gesetzgeber und-

die ärztliche Berufsordnung erlauben keine andere Interpretation. Hy-

giene im Krankenhaus ist eine Gemeinschaftsleistung und sehr kom-

plex. Jedoch sind selbst bei Einhalten von Hygienemaßnahmen nur

etwa ein Drittel dieser Infektionen vermeidbar, dafür müsste allerdings

auch auf Beatmung und zentrale Venenkatheter verzichtet werden, das

wäre nicht im Sinne des Patienten.

Notwendig ist es, Hygienemanagement als Risikomanagement zu be-

greifen. Es gilt das Risiko einer möglichen Infektion mit dem Risiko des

Eingriffes abzuwägen. Das machen Ärzte jeden Tag und entscheiden

zum Wohle des Patienten. Besonders wichtig ist es, so früh wie mög-

lich zu erkennen, dass Infektionsraten steigen oder sich womöglich

eine Sepsis bei einem Patienten ankündigt.

Wie kann IT ein solches frühzeitiges Erkennen unterstützen?Durch intelligente Algorithmen wie z. B. den Cerner Sepsis Algorithmus

werden sepsisspezifische Veränderungen ausgewertet. Häuft sich das

Vorhandensein einer bestimmten Anzahl die-

ser Kriterien und überschreiten sie festgelegte

Grenzwerte, generiert das System entsprechen-

de Hinweise. Mit diesen Hinweisen werden die

klinischen Mitarbeiter in die Lage versetzt, früh-

zeitig mit der Diagnostik zu beginnen und die

erforderliche Therapie einzuleiten.

Ebenso arbeitet auch das KIS-unabhängige Hy-

gienemanagementsystem MetaHMS von Cer-

ner, das neben den Labor- und Mikrobiologieer-

gebnissen auch die Patientenströme verarbeitet.

Der Schlüssel für ein erfolgreiches Hygienema-

nagement sind Informationen zur rechten Zeit

am rechten Ort. Informationen, die aus den Da-

ten aller relevanten Systeme im Krankenhaus ge-

wonnen und analysiert werden. Dem Hygieniker

stehen per Knopfdruck Auswertungen zu Verfü-

gung, die ihm helfen, Situationen zu erkennen und zu interpretieren.

Der Einsatz einer Software scheint die Situation zu verbes-sern. Welche Voraussetzungen müssen dafür geschaffen sein?Eine Softwarelösung allein kann Mängel nicht beheben. Das funktio-

niert nur, wenn es ein Hygienemanagement gibt, das Abläufe kritisch

überprüft und Standards konsequent umsetzt. Für ein modernes Hy-

gienemanagement ist in erster Linie die konsequente Umsetzung der

aktuellen Hygienestandards von zentraler Bedeutung.

Mit hygienespezifischen Prozessen unterstützt von dem Cerner Sepsis

Algorithmus oder MetaHMS steigen Patientensicherheit und Behand-

lungsqualität, und das Krankenhaus vermeidet unnötige Kosten. Auf

Intensivstationen lassen sich beispielsweise 32% der Kosten auf Sep-

sis1 zurückführen. 1 www.gesundheitsforschung-bmbf.de/de/774.php

Laut einer aktuellen Studie des Kompetenznetzwerkes SepNet sterben täglich 162 Menschen an einer Sepsis.1 Eine erschreckend hohe Zahl findet Frau Dr. med. Anna Niemeyer, Physician Executive bei Cerner. Sie engagiert sich für die Verbesserung der Situation und erläutert im Gespräch, wie medizinische Daten genutzt werden können, um die Patientensicherheit zu erhöhen.

IT ALS VERBÜNDETER IM KAMPF GEGEN SEPSIS UND NOSOKOMIALE INFEKTIONEN

Cerner DeutschlandDr. Anna [email protected]+49 175 436 4691www.cerner.de

Anna Niemeyer

Seit vielen Jahren steht die Vernetzung des Gesundheitswesens,

nicht zuletzt mit der Verabschiedung des sogenannten „E-Health-Ge-

setzes“, ganz oben auf der Agenda der Gesundheits-IT-Branche. Viele

der im Gesetz aufgeführten Anwendungen werden schon in diesem

Jahr angestoßen und alle beteiligten Akteure im Gesundheitswesen

über Jahre hinweg begleiten. Grund genug das Thema „Die vernetzte

Medizin“ auf der conhIT 2016, die vom 19. bis zum 21. April in Berlin

stattfindet, zu einem der Themenschwerpunkte der drei Messe- und

Kongresstage zu ernennen.

Die Schwerpunktsetzung begrüßt unter anderem Axel Wehmeier, der

Geschäftsführer der Telekom Healthcare Solutions (THS), einem der

Goldpartner der conhIT: „Die Digitalisierung des Gesundheitswesens

wird in diesem Jahr spürbar Fahrt aufnehmen. Hierbei wird das Inter-

esse von Krankenhäusern und Versicherern an einer professionellen

Vernetzung – intern, aber auch mit dem Patienten – mit Hilfe zuver-

lässiger und vor allem sicherer Plattformen steigen.“

Neben themenbezogenen Produktvorstellungen auf der Industrie-

messe werden im Verlauf der conhIT zahlreiche Veranstaltungen zu

den mit der Vernetzung verbundenen Themengebieten E-Health-Ge-

setz, Interoperabilität und Telemedizin stattfinden. Zusätzlich wird es

speziell zu der Fragestellung „Wie komme ich vom One-House zum

Netzwerk? IT als Teil der Strategie“ für ausgewählte Ge-

schäftsführer und Führungskräfte von Kliniken und Kran-

kenhäusern ein conhITSpezial geben.

„Die Gesundheitsversorgung von heute ist ohne das En-

gagement und die Expertise von verschiedenen Profes-

sionen in ganz unterschiedlichen Institutionen kaum vor-

stellbar. Moderne, komplexe Medizin besteht dabei aus

einer Vielzahl arbeitsteiliger, hochspezialisierter und nicht

immer aufeinander abgestimmter Prozesse, die teilweise

orts- und zeitungebunden sind. In diesem Umfeld sind

Verbund-Modelle der Schlüssel zum Erfolg. So kooperie-

ren mit großem Erfolg immer mehr Universitätskliniken,

Maximalversorger und weitere Einrichtungen im Gesund-

heitswesen miteinander. Im Rahmen der Kooperationen

steht jedoch selten eine abgestimmte und gemeinsame

IT-Strategie im Vordergrund. Die ist aber essenziell, um

die Arbeitsabläufe der Akteure zu organisieren und eine

qualitativ hochwertige Zusammenarbeit ohne Effizienzverlust zu er-

möglichen. Darauf gilt es einen Augenmerk zu legen,“ erläutert Prof.

Dr. Otto Rienhoff, Institut für Medizinische Informatik der Universitäts-

medizin Göttingen, den Ansatz des conhITSpezials Klinikleitung.

Das Gesamtprogramm des conhITSpezials Klinikleitung setzt sich

zusammen aus einer speziellen Session, einem themenspezifischen

Workshop sowie einem exklusiven Dinner-Abend, der am Vorabend

der conhIT speziell für die Geschäftsführer und Führungskräfte ver-

anstaltet wird.

Bei der diesjährigen conhIT – Connecting Healthcare IT, Europas größtem Event der Gesundheits-IT-Branche, bildet „Die vernetzte Medizin“ einen der Themenschwerpunkte auf der Industriemesse und im Kongressprogramm.

VERNETZTE MEDIZIN IM GROSSEN FOKUS DER CONHIT

Bundesverband Gesundheits-IT e. V. (bvitg)Natalie [email protected]+49 30 206 22 58 18www.bvitg.dewww.conhit.de

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Das im vergangenen Jahr in Kraft getretene Gesetz zur digitalen Da-

tenspeicherung stellt spezielle Anforderungen an die Datenhaltung in

Krankenhäusern, beispielsweise, dass die Daten historisiert und Daten-

zugriffe dokumentiert werden. „Spätestens damit war für uns der Zeit-

punkt gekommen, auf Know-how und Innovationskraft spezialisierter

Gesundheits-IT-Anbieter zu setzen, und unsere Daten zu konsolidieren

und zu strukturieren“,erklärt Tom Hemmen, CIO am Centre Hospitalier

du Nord.

Medizinisches Archiv als Grundlage für zukunftsweisende DatenhaltungMit diesem Vorhaben katapultierten sich die Luxemburger direkt an

das obere Ende der technologischen Skala. Denn die Vereinheitli-

chung von rund 120 Subsystemen und deren Überführung in ein zen-

trales IT-System ist definitiv eine Königsdisziplin der Gesundheits-IT.

„Voraussetzung hierfür ist ein hoher Grad an Standardisierung, darum

haben wir einen Partner gesucht, der in der Welt der Standards, wie

HL7 oder IHE zuhause ist“, so der CIO. Auf der Suche nach einem

solchen Partner stießen die Luxemburger auf VISUS und deren Lö-

sung, das JiveX Medical Archive. Die herstellerneutrale Archivlösung

überzeugte vor allem durch die disziplinierte Verwendung international

anerkannter Standards sowie durch einen exzellenten Viewer, der in

der Lage ist, alle medizinischen Daten patientenzentriert und gemäß

den individuellen Vorgaben des Krankenhauses darzustellen.

Für Georges Bassing, Verwaltungsdirektor des Centre Hospitalier du

Nord, war noch ein Aspekt ausschlaggebend: „Das JiveX Medical Ar-

chive ist CE-zertifiziert und erfüllt die Anforderungen an ein Medizin-

produkt gemäß des Medizinproduktegesetzes. Im Zusammenhang mit

Haftungsthemen spielt dieser Aspekt eine maßgebliche Rolle.“

Strukturierte Befundeinbindung und Synergien mit KIS„Konkret wird das JiveX Medical Archive alle anfallenden Daten un-

abhängig von ihrem Ursprungsformat annehmen und wenn nötig um-

wandeln, um sie zu vereinheitlichen. So gelangen etwa Bilddaten im

DICOM-Format direkt ins Medical Archive, Befunde werden über HL7

MDM integriert“, erklärt Stephanie Heuschling, innerhalb des IT-Teams

verantwortlich für die Einführung des Medical Archives.

Eine Besonderheit der luxemburgischen Installation stellen die hohen

Anforderungen an die strukturierte Befundeinbindung dar, die auf dem

HL 7 CDA Level 3 stattfinden soll. Statt relativ statischer Befunde sollen

nach Möglichkeit auch Informationen beispielsweise zur Medikation

künftig semantisch ausgewertet werden können. „Wir möchten unsere

Datenhaltung so aufstellen, dass sie für die künftigen Anforderungen

gerüstet ist.“, ergänzt Tom Hemmen.

Innerhalb des Krankenhauses spielt die künftige Integration von JiveX

in das ebenfalls neu zu installierende KIS der Firma Medasys eine wich-

tige Rolle. Der JiveX Viewer soll automatisch im KIS verwendet werden.

Prozesse rücken in FokusDie parallele Einführung eines externen KIS und eines medizinischen

Archivs stellt alle am Projekt Beteiligten vor große Herausforderungen.

„Auch in diesem Punkt setzen wir auf das JiveX Medical Archive, das

wir im Zusammenhang mit der Datenüberspielung ins neue KIS als

Migrationstool nutzen möchten.“

Die Ziele der IT-Mannschaft im luxemburgischen Ettelbruck sind am-

bitioniert: So soll die Infrastruktur an die hohen Anforderungen der

Joint Commission International angelehnt werden und auch einer ISO

27k Zertifizierung stand halten. Die Verantwortlichen planen auch,

beim HIMSS EMRAM in den kommenden Jahren mindestens Stufe 6

zu erlangen.

VISUS Technology Transfer GmbH Dominique Göllner [email protected]+49 234 93693-400www.visus.com

Dass eine Krankenhaus-IT auch gänzlich ohne externe Industriepartner sehr gut funktionieren kann, hat das luxemburgische Centre Hospitalier du Nord eindrucksvoll bewiesen: Über 20 Jahre lang kamen in dem luxemburgischen Haus in Ettelbruck und dem in Wiltz fast ausschließlich IT-Systeme zum Einsatz, die von der hauseigenen IT-Abteilung konzipiert und programmiert wurden. Nun schöpfen die Luxemburger bei ihrer neu aufgelegten IT-Strategie aus dem Vollen.

CENTRE HOSPITALIER DU NORD IN LUXEMBURG: MIT DEM MEDIZINISCHEN ARCHIV IN DIE ERSTE IT-LIGA

Tom Hemmen Stephanie Heuschling

In den letzten Wochen und Monaten gab es im Hause MEIERHOFER gleich eine ganze Reihe an Neuigkeiten. Wo wollen Sie anfangen?Eine wichtige Neuigkeit ist sicherlich, dass wir

mit dem Universitätsklinikum Greifswald für

unser KIS MCC einen neuen, großen Kunden

gewonnen haben. Das zeigt deutlich, dass

unser Produkt als äußerst zukunftsfähig wahr-

genommen wird. Gleichzeitig steigen wir mit

der Übernahme des Geschäftsbereichs II der

CORTEX Software GmbH in den Markt der In-

formationssysteme für Rehabilitationskliniken

ein und liefern jetzt die Software für 25 Reha-

und Mischkliniken der MediClin-Gruppe. Die

Akutkrankenhäuser dieser Gruppe sind schon

seit vielen Jahren unsere Kunden. Kurz gesagt:

MEIERHOFER wächst, sowohl was die Kundenzahlen angeht, als auch

was das Produktportfolio betrifft.

Können Sie das als Mittelständler in einem zunehmend von Konzernen dominierten Markt stemmen?Wir beweisen seit Jahren, dass wir das können. Diese Übernahme-

spekulationen, die es immer wieder gibt, sind Phantomdiskussionen.

Was stimmt ist, dass wir das starke Wachstum organisieren und absi-

chern müssen. Wir haben die Zahl unserer Mitarbeiter innerhalb eines

Jahres auf 200 annähernd verdoppelt. Mit dem Asklepios-Konzern,

der jetzt einen Anteil von 40 Prozent an MEIERHOFER hält, haben wir

einen strategischen Partner gefunden, der für den Wachstumskurs

zusätzlichen finanziellen Rückhalt gibt. Dieser Einstieg ist gleichzeitig

auch ein klares Bekenntnis zu MCC, das wir derzeit in den Hamburger

Asklepios-Häusern flächendeckend implementieren.

Was haben Ihre Kunden von den aktuellen Entwicklungen, die neuen, aber auch die bestehenden?Trotz Wachstum bleibt das Bestandskundengeschäft ein wesentlicher

Pfeiler unseres Engagements. Wir sind auch deswegen erfolgreich,

weil Kunden uns weiterempfehlen. Damit das so bleibt, müssen wir

aber am Puls der Zeit sein. Die Digitalisierung des Gesundheitswe-

sens ist nicht mehr aufzuhalten, und sie erfasst immer mehr Bereiche.

Dem müssen wir uns stellen. Die großen Themen sind Prozessmanage-

ment und -steuerung, außerdem die Integration,

Stichwort KIS als Basisplattform oder Backbone,

und dann der Umgang mit Versorgungsdaten.

Letzteres ist einerseits für die Entscheidungs-

unterstützung wichtig, andererseits für die For-

schung. Wir haben mit großen Kunden wie der

Klinikgruppe Hirslanden gezeigt, dass wir bei

Prozessmanagement und IT-Integration ganz

vorne mitspielen. Und der Abschluss mit dem

stark in der klinischen Forschung engagierten

Universitätsklinikum Greifswald bestätigt, dass

uns das auch beim IT-Management der Versor-

gungsdaten zugetraut wird. Von der Expertise,

die wir in diesen Projekten gewonnen haben

und gewinnen werden, profitieren auch unsere

Bestandskunden.

Welche Themen wird MEIERHOFER bei der conhIT in den Vordergrund rücken?Grundsätzlich zeigen wir bei der conhIT unser Gesamtportfolio. Den

Schwerpunkt werden wir auf drei Säulen legen. Zum einen wollen wir

im Detail unsere neuen Rehabilitationslösungen präsentieren. Dann

wird die Intensivmedizin ein großes Thema sein. Hierzu haben wir auch

einen spannenden Vortrag über eine prozessübergreifende Dokumen-

tation auf der Intensivstation mit MCC und unserem PDMS PREDEC.

Die dritte Säule ist die papierlose Station. Hier geht es natürlich auch

um eines unserer Lieblingsthemen, die elektronische Medikation.

Nicht zuletzt durch unsere KIS-Installation in Hamburg erwarten wir

uns bei diesem Thema einen großen Schub: Asklepios arbeitet dort

mit Unit-Dose-Robotern. Wir werden zeigen, dass eine echte Closed

Loop Medication mit allen Vorteilen, die sie für die Patientensicherheit

mit sich bringt, auch unter deutschen Bedingungen möglich ist.

MEIERHOFER AGStephanie Rieß[email protected]+49 (0)89 44 23 16 315www.meierhofer.de

Der deutsche Markt für Klinikinformationssysteme ist wieder in Bewegung geraten, und der Münchner Mittelständler MEIERHOFER AG gehört dabei zu den aktivsten Mitspielern. Mehr noch: Das stark wachsende Unternehmen erschließt sich eine neue Zielgruppe, nämlich die Reha-Kliniken. Vorstandsvorsitzender Matthias Meierhofer will bei der conhIT 2016 mit IT-Lösungen für die Rehabilitation, integrierter Intensivmedizin und papierloser Station punkten.

MEIERHOFER AG: ZUKUNFTSFÄHIGE PRODUKTE, NEUE KUNDEN

Matthias Meierhofer

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Spaniens Top-Kliniken zeigen wie‘s geht

EMRAM AWARDSAuf dem Abendempfang wurden mehrere Krankenhäuser mit dem EMRAM Stage 6 Award ausgezeichnet, der ihren Weg zum volldigitalisierten Krankenhaus symbolisiert.

HIMSS Europe CIO Summit: Valencia/Spanien, 7. bis 8. Oktober 2015

MARINA SALUD DE DÉNIA ist eines der drei eu-ropäischen Krankenhäuser, die EMRAM Stufe 7 erreicht haben. Außerdem ist es das einzige Krankenhaus in Europa, das durch erhebliche Verbesserungen in der Patientenversorgung und einem gleichzeitigen ROI mit dem HIMSS Davies Award ausgezeichnet wurde.

DIE DÄNISCHE GESUNDHEITSMINISTERIN Sophie Løhde Jacobsen erklärt in ihrer Eröffnungskeynote, wie die dä-nische Regierung im Laufe der nächsten 10 Jahre mehr als 6 Mrd. Euro in neue Krankenhäuser investieren wird – „1 Mrd. Euro sind reserviert für IT und Medizintechnik“.

KRANKENHAUSFÜHRUNGEN durch die EMRAM Stage 6 und 7 Krankenhäuser La Fe in Valencia und dem Marina Salud in Dénia zählten zu den erfolgreichsten Programmpunkten.

HEALTH-IT-EXPERTEN aus ganz Europa haben die Reise nach

Valencia für einen sehenswerten CIO Summit angetreten, der dem Publikum umfangreiche Networ-

king-Möglichkeiten geboten hat.

Digitales ÖkosystemGesundheit Schweiz

KEYNOTES BOTEN BREITES SPEKTRUM (v. l.) Jürgen Schmidhuber, Scientific Director of the Swiss AI Lab, Holger Baumann, Vorsit-zender der Geschäftsleitung des Berner Inselspitals, „Industrial Spotlight“ Emanuela Keller, Ärztliche Leitung Neurointensivstation am Universitätsspital Zürich und (r. u.) Christian Lovis, ehemaliger Präsident der SGMI und CIO des Universitätsspitals Genf. Sie alle boten nicht nur interessante, sondern auch sehr kontroverse Ein-blicke in das sich transformierende Ökosystem Gesundheitswesen der Schweiz.

BIG DATA MEETS PROFI-FUSSBALL hieß es bei der Abendveranstaltung. Peter Görlich, Geschäftsführer des Ethianum und der achtzehn99 Akademie des Bundesligisten TSG Hoffenheim, bot unterhaltsame Einblicke, welche Mög-lichkeiten Big Data schon heute für den Spitzensport bereithält.

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Swiss eHealth Summit: Bern, 14. bis 15. September 2015

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— RÜCKBLICKE —

74 42 N°7 HIMSS Europe

HIMSS-Neujahrs-empfangin Berlin

WUNDERSCHÖNER ORT, BUNTES, INHALTSSTARKES PUBLIKUM UND PROGRAMM haben Spaß und Lust auf mehr gemacht. Hoffentlich bis zum Com-munity-Lunch auf der conhIT. Gunther Nolte, CIO Vivantes, Jan Eric Slot, CIO Bernhoven Hospital, Nikolaus Huss und Enzo Hanke vom Community Partner InterSystems, Arno Elmer, Innovation Health Partners, und Daniel Diekmann, ID Berlin (v. l.).

DER VORSTAND STIF-TUNG GESUNDHEIT, in persona (v. l.) Stefanie Wörns und Peter Mül-ler, sowie Swissig-Vor-stand Guido Burkhardt und Susanne Herbek, GF ELGA GmbH, bei analogen und digitalen Social-Aktivitäten.

(v. l.) BERNHARD CALMER & OTTO RIENHOFF alias Waldorf & Staedlter hatten ausreichend Gründe, sich zu amüsieren; Axel Pichol (Albertinen), Adrian Schus-ter (Paracelsus) genossen den Abend eher fachmän-nisch – die Initiative kam gut an und wir sind sehr gespannt, was aus den Themen entstehen wird.

OLIVER SCHENK & STEFAN HUNZIKER Deutsche Politik trifft auf Schweizer Praxis.

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Kick-Off für die D-A-CH Community: Berlin, 28. Januar 2016

24. – 25. MAI 2016EHEALTH SUMMIT AUSTRIA

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www.ehealthsummit.at

Präsentiert von

In Kooperation mit

O E S T E R R E I C H I S C H ECO M P U T E R GESELLSCHAFTAU S T R I A NCO M P U T E R S O C I E T Y

®Österreichische Gesellschaftfür Biomedizinische Technik

Austrian Society forBiomedical Engineering

Schloß Schönbrunn, WienApothekertrakt und Orangerie

PREDICTIVE MODELING IN HEALTHCARE –FROM PREDICTION TO PREVENTION

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