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NAMEN GEBEN UND VERMESSEN Von Schartenhöhen und Nebengipfeln VERKAUFEN UND SCHüTZEN Die schwierige Aufgabe der Touristiker BADEN UND TRINKEN Die Wassertradition aufleben lassen Berge [ Muntognas ] #43 Sommer | Stà  2012

piz Magazin No. 43

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piz, das Magazin für das Engadin und die Bündner Südtäler berichtet lebensnah, interessiert und unterhaltend über eine äusserst vielfältige Region. No. 43 - Berge [Muntognas] Die Berge rufen - Las muntognas cloman Der Ausspruch gilt noch immer: «Der Berg ruft.» Und doch bleiben die Berge Orte des Schreckens, des Aberglaubens und der Geheimnisse. Wir fürchten uns davor, aber sie strahlen gleichzeitig Faszination aus...

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Berge | Muntognas

# 43 : Somm

er | Stà 2012

NameN gebeN uNd VermesseN

Von schartenhöhen und Nebengipfeln

VerkaufeN uNd schützeN

die schwierige aufgabe der touristiker

badeN uNd triNkeN

die Wassertradition aufleben lassenberge[ muntognas ]

#43Sommer | Stà  2012

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die yacht-master ii

J E D E R O L E X Z E U G T V O N G R O S S E R T E C H N I S C H E R L E I S T U N G .

D I E YA C H T- M A S T E R I I W U R D E U R S P R Ü N G L I C H S P E Z I E L L F Ü R

D I E A N FO R D E R U N G E N V O N S EG E L P R O F I S E N T W I C K E LT. A L S

E R S T E K O M P L I K A T I O N D E R W E L T I S T I H R P A T E N T I E R T E R

PR O G R A MMIER B A R ER COUNTD O W N MIT E INEM MECH A NI S CHEN

SPEICHER AUSGERÜSTET, DER DIE PERFEKTE SYNCHRONISIERUNG

M I T J E D E M R EG AT TA S TA R T E R L AU B T.

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INHALT / CUNTGNU

Editorial. Die Berge rufen.

Namen geben und vermessen. Zuerst wurden sie ver-messen und mit Namen versehen. Heute streitet sich die Wissenschaft, ob die Berge noch immer wachsen.

Alpen-Club auf Gratwanderung. Umweltschutz und Tourismus, rote Socken oder Funktionsbekleidung. Im SAC wird engagiert diskutiert.

Vermarkter und Umweltschützer. Ariane Ehrat und Urs Wohler stehen an der Spitze der beiden Engadi-ner Tourismusdestinationen.

«Da wirt das gantze erdtrich brinnen.» Geht die Welt im Dezember unter? Nein, sagt der Churer Geo-loge Markus Weidmann, aber irgendwann viel später.

Graubündens höchste Wirtin. Silvia Bergo leitet das Berghaus Diavolezza auf 2978 m ü. M.

Die Farben der Natur versammelt. George Stein-mann sammelt seit 25 Jahren Mineralwasser-Pigmente, Steine und Flechten. Diesen Sommer stellt er im Zent-rum für Gegenwartskunst in Nairs aus.

Heidi, Bond und Sennentuntschi. Die Berge als be-liebte Kulisse: Über zweihundert Spielfilme wurden im Engadin schon gedreht – und ungezählte Werbefilme.

Ohne Blitz und Donner in der Wand. Im Serlas Parc in S-chanf kann bei jedem Wetter geklettert werden: Der künstliche Berg steht in der schützenden Halle.

Ad fontes – Wasser wieder entdecken. Die Trink-hallen von Nairs und St. Moritz-Bad sollen aufleben.

Auch tief im Fels muss alles klappen. Davide Maz-zucchi kontrolliert tief im Bernina-Massiv die Druck-stollen.

Geplant – und trotzdem zugebaut. Was kann und konnte die Raumplanung bewirken?

Der mit den Bergen kocht. Sternekoch Martin Gö-schel bringt Moosbrot und Arvenrauch auf den Tisch.

Alpinismus und Visionen im Museum. Im Museum Alpin in Pontresina entdeckt man Alpinismus, Kris-talle, Tiere, alte Wohnkultur – und Bahn-Fantasien.

Bücher. Neuerscheinungen aus der Region in Deutsch und Romanisch.

Pizzeria. Aktuelles aus Südbünden.

Vorschau. Impressum.

Titelbild und Bild rechts von Heiko Blankenstein. Titelbild: Detail aus «Crossbreed»,

2012. Bild rechts: Detail aus «When you breathe in, I breathe out», 2009. Beides sind

Leuchtkastenzeichnungen, 90 x 127 cm. www.heikoblankenstein.com

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Traditionell erfrischend. Natürlich auch mit Geschmack. Rhäzünser erstrahlt in frischem Glanz! Schon probiert?www.rhaezuenser.ch

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5piz 43 : Sommer | Stà 2012

Liebe Leserinnen und Leser – chara lectura, char lectur

EDITORIAL Urezza Famos

Die Berge rufenLas muntognas cloman

Der Ausspruch gilt noch immer: «Der Berg ruft.»

Und doch bleiben die Berge Orte des Schre-

ckens, des Aberglaubens und der Geheimnisse.

Wir fürchten uns davor, aber sie strahlen gleichzeitig

Faszination aus. Wer in Südbünden lebt, ist von vielen

Bergen umgeben. Die Menschen hier sind mit der

Schönheit und den Gefahren jeden Tag direkt kon-

frontiert. Wer aber für Ferien oder zur sportlichen He-

rausforderung anreist, will die Berge erleben, entde-

cken. So sind es denn oft Gäste und Zugezogene, die

den Berg untersuchen, interpretieren, vermessen oder

hier Filme drehen. Viele haben Ansprüche ans Ge-

birge und nehmen es in Beschlag: Künstler, Wissen-

schaftler, Bergsteiger, Naturliebhaber, Forscher. Da-

hinter steckt wohl der Wunsch, hier Neues zu erleben,

dem Himmel nahe zu sein.

Vor allem aber sind die Berge in den letzten 150 Jahren

zusehends zum Freizeit-Ort geworden. Das hat die

Diskussionen über die verträgliche Nutzung ange-

heizt. Die Meinungen dazu gehen weit auseinander,

so weit wie die Nutzungen: Die einen bezwingen den

Gipfel immer noch zu Fuss oder auf den Skiern, andere

lassen sich lieber mit einer Bahn hinaufbringen. Aber

beide Gruppen sind der Tourismusbranche willkom-

men. Die Begleiterscheinungen sind bekannt: Die ur-

banen Bedürfnisse werden heute auch in den hinters-

ten Tälern befriedigt – die Globalisierung macht vor

unseren Gipfeln nicht Halt. Mit dieser piz-Ausgabe

stellen wir Ihnen Menschen vor, die sich intensiv mit

der Bergwelt beschäftigen.

Ein Hinweis: piz organisiert am 24. August in Vnà und

am 20. September in Chur, jeweils um 20 Uhr, span-

nende Stunden zum Thema Weltuntergang. Wenn Sie

dabei sein wollen, finden Sie alles Wichtige dazu auf

Seite 46. Und wenn Ihnen unsere Themen zusagen,

zögern Sie nicht, piz zu abonnieren und weiterzuemp-

fehlen. Kontaktieren Sie uns per E-Mail oder rufen Sie

an. www.pizmagazin.ch, +41 (0)81 864 72 88

L’ expressiun «la muntogna cloma» vala amo

adüna. Adonta da quai restan las muntognas ün

lö da schnuizi, da superstiziun e misteris. Tant

co ch’ellas ans fan temma, ans fascineschna eir. Chi

chi viva in Grischun dal Süd, es circundà da munto-

gnas. Quia es la populaziun di per di con- fruntada di-

rectamaing cun lur bellezza e privels. Chi chi vain

d’utrò in vacanzas o in tschercha da la sfida sportiva,

voul scuvrir las muntognas e tschercha l’aventüra.

Perquai sun quels chi examineschan, interprete-

schan e masüran oura las muntognas o tillas douvran

sco motiv in lur films, pelplü giasts o fulasters. Blers

han eir aspettativas invers la muntogna e tilla confis-

fisceschan: Artists, scienciats, alpinists, amatuors da

la natüra, perscrutaders. Davo quai as zoppa faquint il

giavüsch da ramassar nouvas experienzas, d’esser plü

dastrusch pussibel al tschêl.

Ils ultims 150 ons sun las muntognas dvantadas vie-

plü spazi per passantar il temp liber. Quai ha dat andit

a discussiuns, quant ch’ellas cumportan insomma da

gnir trattas a nüz. Ils maniamaints van fermamaing

ourdglioter, tant sco’ls differents adövers: Ils üns til-

las vendschan amo adüna a pè o süls skis, oters as la-

schan transportar sülla pizza. Tuottas duos gruppas

sun baivgnüdas al sectur turistic. Ils fenomens secun-

dars sun cuntschaints: ils bsögns urbans vegnan cun-

tantats hozindi eir aintasom las vals las plü isoladas –

la globalisaziun nu’s ferma neir davant nossa pizza. In

quist’ediziun as laina preschantar persunas chi s’oc-

cupan intensivamaing cul muond muntagnard.

Avis: piz organisescha per vo als 24. auost a Vnà ed als

20. settember a Cuoira uras plain tensiun davart il

tema da l’apocalipsa. Scha vo laivat esser da la partida,

chattaivat tuot las infuormaziuns importantas sün

pagina 46. Scha noss temas as interessan, abunai il piz

ed ans racumandai inavant! Vo ans pudaivat contac-

tar per email o per telefon.

www.pizmagazin.ch, +41 (0)81 864 72 88

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6 piz 43 : Sommer | Stà 2012

Glaubt man dem Höhenmeter, sind die Berge im

Winter höher als im Sommer. Aber der Höhen-

meter irrt, denn der Höhenmeter ist ja gar kein

Höhenmeter, sondern ein Barometer, das den aktuel-

len Luftdruck misst und uns dann die Höhe angibt.

Wer bei kalten Temperaturen auf die Berge steigt, er-

hält vom Messgerät einen höheren Wert als bei war-

men. Die Abweichung ist marginal und das physikali-

sche Gesetz mag vielen banal erscheinen. Dass dieses

kleine Ding heute eine recht genaue Höhe angibt,

grenzt an ein Wunder und lässt kaum mehr ahnen,

wie mühselig die wissenschaftliche Eroberung der

Berge war. Die Schweizer Karte aus dem Jahr 1712 von

Johann Jakob Scheuchzer enthielt weder Höhenanga-

ben noch ein Gradnetz.

Die Gelehrten glaubten lange, der Gotthard sei die

höchste Erhebung der Alpen. Es gab Versuche, die re-

lative Höhe der Berge anhand von Schneegrenzen

oder Vegetationsstufen zu bestimmen. Ab 1705 unter-

nahm Scheuchzer kaum eine Alpenreise ohne Queck-

silberbarometer. Er musste ein meterlanges Glasrohr

und ein Gefäss mit Quecksilber mit sich schleppen

und jeweils vor der Messung das flüssige Metall ins

Glasrohr abfüllen.

1787 auf dem Mont BlancAls Horace-Bénédict de Saussure, Schweizer Pionier der

Alpenforschung, am 3. August 1787 auf den Mont

Blanc gestiegen war, machte er in der dünnen Höhen-

luft auch vergleichende barometrische Messungen.

Die ergaben, dass der Mont Blanc der höchste Gipfel

Europas ist. Er errechnete einen Wert von 4775 Metern

und kam den heute geltenden 4807 Metern recht nahe.

Da sich die Wissenschaft bis anhin kaum für die Berge

interessierte, kannte man häufig nicht einmal deren

Namen. Dass dies zum Problem wurde, zeigte der

Briefwechsel zwischen den beiden Schweizer Univer-

salgelehrten Albrecht von Haller und Jacques-Barthé-

lemy Micheli du Crest. Am 20. Juli 1754 gelangte Mi-

cheli du Crest mit der Bitte an Haller, die Namen der

sieben Berge auf einer beigelegten Skizze zu überprü-

fen. Das Schreckhorn und das Wetterhorn waren rich-

tig angeschrieben, Jungfrau, Mönch und Eiger aber

falsch. Die schriftliche Antwort Hallers vom 30. Juli

1754 ergab noch eine Verschlechterung. Crest veröf-

fentlichte später den «Prospect Géometric». Von vier-

zig bezeichneten Bergspitzen waren nach heutiger

Nomenklatur nur gerade fünf korrekt benannt. Dies

ist einem Text aus den «Mitteilungen der Naturfor-

schenden Gesellschaft Bern, 2009» zu entnehmen.

Die Dufourkarte entstehtDie Forschungen geschahen auf privater Basis. «Die

Vermessung der Alpen ist als ein eigendynamischer

Prozess zu verstehen, in dessen Verlauf einzelne Al-

pengipfel als Orte definiert wurden, die es zu errei-

chen galt», sagt David Gugerli, Professor für Technik-

geschichte an der ETH Zürich.

Später war es vor allem das Militär, das eine koordi-

nierte Vermessung forderte. 1837 gründete Guillaume-

Henri Dufour das Eidgenössische Topographische

Bureau in Genf  – Vorgänger der heutigen Landesto-

pografie. «Il faut à tout prix franchir les alpes», hatte

Dufour schon im März 1834 als wichtigste Losung an

seinen Stab definiert. 1840 publizierte der Astronom

und Geodät Johannes Eschmann die «Ergebnisse der

trigonometrischen Vermessungen in der Schweiz».

Sie dienten der Dufourkarte als geodätisches Bezugs-

system. Aber Vermessungen in den Alpen waren nicht

einfach. Die in eidgenössischen Diensten stehenden

Kartografen hatten öfters Höhenangst und waren

nicht immer wetterfest.

So begab es sich, dass Berufsleute aus Nordbünden ins

aufstrebende Engadin zogen um die Berge topogra-

fisch auszumessen. Unter ihnen auch der junge Geo-

meter Johann Wilhelm Coaz. Er war Vermesser im

Namen geben und vermessen

Erst wurden die Berge vermessen und mit einem Namen versehen. Dann wurde diskutiert, was ein Berg, ein Gipfel oder nur ein unbedeutender Felszacken ist. Heute streitet sich die Wissen-schaft, ob und warum die Berge noch immer wachsen.

Text: Walter Aeschimann

Fotos: Marco Volken

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8 piz 43 : Sommer | Stà 2012

Dienste Dufours und erhielt den Auftrag, einen da-

mals namenlosen Berg zu besteigen. «Der 13. Septem-

ber 1850 wurde zu einem Versuch der Erstbesteigung

des Bernina festgesetzt. (...) Wir versahen uns daher

nur für einen Tag mit Speise und Trank. Ein Beil zum

Einhauen von Tritten ins Gletschereis, ein Seil und

Bergstöcke waren unser gesamtes Hilfsgerät», schil-

derte Coaz später seine Tat. Nachdem sie Spalten über-

wunden, einen Weg im Gletscherlabyrinth gefunden

und Felswände bezwungen hatten, war es so weit:

«Abends gegen 6 Uhr, also 12 Stunden nach unserem

Abmarsch von Berninahäuser, betraten wir den bisher

von Menschen noch nie erklommenen höchsten Gip-

fel des Piz Bernina, auf 4055 m ü. M.» Acht Stunden

später, nach einem abenteuerlichen Abstieg, kehrten

sie in ihr Quartier zurück.

Belächelte ErstbesteigungJohann Wilhelm Coaz war zusammen mit Jon und

Lorenz Ragust Tscharner auf dem Gipfel. Weil der

heute mit 4048,6 Metern vermessene Kulminations-

punkt des Kantons Graubünden noch keinen Namen

hatte, nannte Coaz ihn Piz Bernina. «Am zweiten Tage

nach der Erstbesteigung begab ich mich nach Same-

dan und teilte im Kasino meinen Bekannten die statt-

gefundene Ersteigung des Bernina mit, fand aber nur

zweifelndes Lächeln, denn der Bernina gilt als uner-

steigbar. Erst vor der Ortschaft, da, wo gegenwärtig

das Hotel Bernina steht, vermochte ich die Herren von

der Ersteigung des Bernina zu überzeugen, indem ich

ihnen mit dem Fernrohr die auf der Berninaspitze flat-

ternde Fahne zeigte.»

Die spätere Vermessung des Piz Bernina geschah mit-

tels Triangulation, bis heute Basis jeder Landesver-

messung. Der Theodolit, das Winkelmessgerät zur Hö-

henbestimmung, musste jedoch mühselig in die

Höhe und in die damals unbekannte Gletscherwelt

getragen werden. Die topografische Karte der Schweiz

1:100’000, die Dufourkarte, wurde zwischen 1845

und 1865 publiziert und entstand damit parallel zum

modernen Bundesstaat. Es ist das erste amtliche Kar-

tenwerk, das die ganze Schweiz umfasst.

Wann ist der Berg ein Berg?Kaum waren die Berge mit Namen versehen und die

Höhen wissenschaftlich austariert, begann eine neue

Diskussion: Was ist ein Berg, was ein Gipfel oder nur

ein unbedeutender Felszacken? Die Debatten kamen

auf, weil die Alpen als sportliches Freizeitvergnügen

entdeckt wurden. Einer der bekanntesten Alpinisten

war Karl Blodig, ein Augenarzt und Bergsteiger aus Ös-

terreich. Er hatte sich aufgemacht, alle Viertausender

zu bezwingen, und beeinflusste damit massgeblich

die Diskussion darüber, wie viele Gipfel dieser magi-

schen Höhe es in den Alpen gibt. Im August 1911 hatte

er mit der Besteigung des Picco Luigi Amedeo den 68.

Viertausender und somit alle Viertausender der Alpen

bestiegen. Der Picco Luigi Amedeo ist ein 4470 Meter

hoher Gipfel im Mont-Blanc-Massiv. In seinem Buch

«Die Viertausender der Alpen» aus dem Jahr 1923

räumte Blodig dann allerdings ein, es sei strittig, die-

sen «Gipfelblock» als eigenständig zu bezeichnen.

Erst Anfang der 1990er-Jahre machten sich die Alpen-

Verbände der Schweiz, Italiens und Frankreichs daran,

eine offizielle Liste der eigenständigen Gipfel aufzu-

setzen, denn «bis heute gibt es keine eindeutige alpi-

nistische und topografische Referenzliste für die Gip-

fel der Alpen, die über 4000 Meter hoch sind», schrieb

die Internationale Alpinismusvereinigung (UIAA) im

März 1994. «Unter Gipfel im weitesten Sinne des Wor-

tes versteht man einen Punkt der Oberfläche der Al-

pen, der sich mit einem gewissen Höhenunterschied

von der umliegenden Fläche abhebt», beginnt die De-

finition. Jeder Gipfel muss «autonom» sein, das heisst,

eine «Individualität» besitzen. Diese Liste der 4000er

sei «in erster Linie für Bergsteiger gemacht. Sie basiert

Vorangehende Seite:

Erosion im Münstertal

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9piz 43 : Sommer | Stà 2012

demzufolge nicht ausschliesslich auf topografischen

Kriterien (…), sondern auch auf komplementären, et-

was subjektiven Kriterien, die sich mit der Evolution

des Bergsteigens evtl. noch ändern können», heisst es

in den UIAA-Ausführungen weiter.

Schartenhöhe und DominanzGrundlage bilden trotzdem topografische Kriterien:

«Für jeden Gipfel gilt der Grundsatz, dass zwischen

ihm und dem höchsten angrenzenden Sattel oder ei-

ner Scharte der Höhenunterschied nicht weniger als

30 Meter sein darf.» 30 Meter entsprechen wohl nicht

ganz zufällig der klassischen alpinistischen Seillänge.

Zum Kriterium der «Schartenhöhe» wird der Abstand

in horizontaler Richtung zwischen dem zu prüfenden

Gipfel und dem Hang eines in der Nähe liegenden

Viertausenders in Betracht gezogen (Dominanz).

Die UIAA definierte so 82 Gipfel und 46 Nebengipfel.

Während die UIAA nur zwischen Haupt- und Neben-

gipfel unterschied, ist auch üblich, kleine Nebengip-

fel, grosse Nebengipfel, relativ selbständige Hauptgip-

fel oder grosse Hauptgipfel zu benennen, bis hin zum

Berg. Um einen Gipfel als eigenständigen Berg zu be-

zeichnen, gelten in den Alpen mindestens 100 bis 300

Meter Schartenhöhe und eine Dominanz von einem

bis drei Kilometern. Der Piz Bernina hat eine Schar-

tenhöhe von 2234 Metern zum Malojapass und eine

Dominanz von 138 Kilometern. Er ist der Schweizer

Berg mit der grössten «Dominanz». Der nächsthöhere

Berg ist das Finsteraarhorn.

Wachsen die Berge?Als auch diese Diskussionen einigermassen geregelt

schienen, streute die Wissenschaft erneut Verwir-

rung. Die Berge wachsen, verkündete sie. Dies ist

umso erstaunlicher, als die Experten bislang dachten,

der Alpenriegel nehme nicht mehr weiter an Höhe zu.

Der Zusammenprall der afrikanischen mit der konti-

nentalen Platte vor 50 Millionen Jahren hatte die Al-

pen hervorgebracht und die Berge aufgeformt. Dann

schien Ruhe einzukehren. Die Geodäten stellten je-

doch fest, dass sich die trigonometrischen Mess-

punkte weiterhin verschieben und sich die Alpenwelt

bis zu 1,3 Millimeter pro Jahr hebt.

Dies wird von einigen Wissenschaftlern damit erklärt,

dass die Alpenfaltung noch schwach im Gange sei.

Andere gehen davon aus, unter ihnen der Geologe

Fritz Schlunegger von der Uni Bern, dass die Kollision

der Kontinente zum Stillstand gekommen ist und an-

dere Phänomene verantwortlich sind, etwa der so ge-

nannte «isostatische Ausgleich».

«Nicht die Bewegung von Erdplatten, sondern Auf-

triebskräfte lassen die Berge wachsen», ist Schluneg-

ger überzeugt. Wirksam werden diese Kräfte, weil die

Erosion an den Gebirgen nagt. Das ergibt gigantische

Mengen an Material, um welches die Alpen erleichtert

werden und deshalb weniger auf den Erdmantel drü-

cken. Die auf dem Erdmantel «schwimmenden» Kon-

tinentalplatten sinken weniger ein – die Alpen heben

sich. Mit neuen geochemischen Verfahren ist nun

festgestellt worden, dass die Erosionsraten bis zu zehn-

mal so hoch sind wie angenommen.

Die Alpen könnten noch dramatischer wachsen,

wenn sich Hypothesen von Geophysikern der ETH in

Zürich bewahrheiten sollten. Beim Crash der Konti-

nente sind Teile der äusseren Schicht ins Erdinnere

vorgerückt und haben sich verkeilt. Die hängen nun

wie Gewichte an der europäischen Platte unter der Al-

penwelt. Irgendwann, in ein paar Millionen Jahren,

könnten diese Gewichte wegbrechen und in die Tiefe

sausen. Dann würden die Alpen nach oben schnellen

wie ein Luftballon, der unter Wasser gehalten und

plötzlich losgelassen wird – bis auf 7000 Meter Höhe.

Dann müssten die Berge erneut vermessen, die Debat-

ten um Felszacken oder Gipfel abermals geführt und

auch der Höhenmeter müsste neu gerichtet werden.

Impressionen vom Piz Blaisun

im Albulagebiet.

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10 piz 43 : Sommer | Stà 2012

Streit», «Abspaltung» und «Krach» titelten die

Medien im letzten Jahr öfters, wenn es um den

Schweizer Alpen-Club SAC ging. Manchmal

mit einem Fragezeichen versehen, manchmal auch

nicht. Konflikte entzündeten sich an Hüttenrenovati-

onen, Heli-Landeplätzen, Extrembergsteigen, Mas-

sentourismus und Umweltschutz. So war in der Presse

zu lesen, dass die sogenannten traditionalistischen

«Rotsocken» Probleme mit den Leistungssportlern

hätten, dass jene, die Übernachtungskomfort schätz-

ten, mit den Puristen uneinig gingen. Die Zentrale des

SAC selber hielt sich derweil bedeckt. Sie bat die zu-

ständigen Sektionen, derartige Konflikte doch bitte

intern zu klären. Was wiederum die Frage aufwirft:

Steckt etwa doch etwas dahinter?

Heterogene MitgliederstrukturEines ist klar: Der SAC und seine Mitglieder sind un-

glaublich heterogen. Der Alpen-Club ist organisiert in

112 Sektionen, die 153 Hütten betreiben. Er kümmert

sich gemeinsam mit der REGA um Bergrettungen. Er

stellt die Nationalmannschaften im Sportklettern

und Skitouren und bildet Bergsportlerinnen und

Bergsportler aus. Natürlich prallen da widersprüchli-

che Auffassungen und Begehrlichkeiten aufeinander.

Klar ist auch: Der SAC und die ganze Outdoorbranche

haben in den letzten Jahren einen wahnsinnigen

Boom erlebt. Das multipliziert auch die Meinungen

zum adäquaten Umgang mit der Bergwelt, den Gra-

ben zwischen Nützen und Schützen. Die einen wollen

am liebsten alles so lassen, wie es ist. Die andern for-

dern eine Öffnung, die wiederum ganz unterschied-

lich aussehen kann. Also doch ein Streit?

Nichts für Rollkoffer-TouristenDie Kommentare auf entsprechende Artikel zeigen:

Vor allem an der Hüttenfrage scheinen sich die Ge-

müter zu entzünden. Von der «Arroganz gewisser

Samsonite-Rollkoffertouristen» über «Die Mensch-

heit verweichlicht» hin zu «Wenn ich bezahle, darf

ich auch eine einigermassen vernünftige Infrastruk-

tur erwarten!» streiten sich die Kritikerinnen und Kri-

tiker. Am häufigsten fällt das Killer-Argument: «Für

mich hat es jetzt schon genug Leute in den Bergen.»

Selbst war man natürlich immer schon vorher da.

Doch das kann nicht stimmen: Vor zwölf Jahren wa-

ren die Übernachtungszahlen bei den Hütten näm-

lich auf einem Tiefstpunkt. Das wurde zum finanziel-

Alpen-Club auf Gratwanderung

Text: Sina Bühler

Fotos: SAC und Marco Volken

Umweltschutz und Tourismus, Moderne und Tradition, rote Socken oder Funktionsbekleidung. Unter den Alpinisten wird engagiert diskutiert. Die Sektionen des SAC, des Schweizer Alpen-Clubs, kennen die Auseinandersetzungen. Es geht auch um den Komfort in den Hütten.

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11piz 43 : Sommer | Stà 2012

len Problem, Sanierungen konnten die Sektionen

kaum noch finanzieren. Damals schuf der SAC eine

Hütten-Marketingstelle: Heute ist das Bruno Lüthis

Job. «Wir mussten neue Leute ansprechen, und die ha-

ben andere Bedürfnisse als die klassischen Nutzer»,

sagt er. Einen Streit habe es deswegen aber nicht gege-

ben. Eine Diskussion vielleicht. Lüthi weiss: «Es gibt

unterschiedliche Auffassungen: Die Puristen würden

am liebsten alles so lassen, wie es ist. Und andere

möchten mit der Zeit gehen und die Infrastruktur den

Bedürfnissen der heutigen Gäste anpassen», sagt er.

Eine Grenze, die im Übrigen nicht zwischen «neuen»

und «alten» Nutzern verläuft: «Auch klassische Alpi-

nistinnen und Alpinisten schätzen einen gewissen

Komfort», weiss er.

Oft sei der Komfort aber gar nicht das Thema. Beim

Abwägen, ob eine Hütte umfassend saniert werden

soll, seien die gesetzlichen Richtlinien wichtiger. «Zu-

erst einmal gilt es, Brandschutz, Lebensmittelhygiene

und Abwasserrichtlinien einzuhalten. Dann erst be-

mühen wir uns, die Infrastruktur dem heutigen Stan-

dard anzupassen.» Indem man die Massenlager in

kleinere Räume unterteilt beispielsweise.

Klares ZielpublikumDas wird offensichtlich auch geschätzt: Wie Christian

Haller, Präsident der Sektion Bernina, erzählt. «Wir

haben in unserer Jenatsch-Hütte ein einziges Zweier-

zimmer eingerichtet, das zehn Franken mehr kostet.

Es ist jeweils Monate im Voraus ausgebucht.» Weil ei-

nes der ehemaligen Personalzimmer nicht mehr ge-

braucht wurde, war kein eigentlicher Umbau nötig.

Einen «Richtungsstreit» zwischen den Nutzerinnen

und Nutzern der Hütten gebe es deswegen aber nicht,

das sei ein Medien-Hype. Meist würden die mögli-

chen Konflikte ohnehin durch einen ganz simplen

Fakt entschärft: Es sei je nach Hütte ziemlich klar, wer

zum Zielpublikum gehöre. «Auf die einen kommt

man mit dem Auto, eine Postautolinie führt daran

vorbei, die Wanderungen in der Nähe sind eher kurz

und leicht. Hier übernachten Familien und Wande-

rer.» Andere Hütten hingegen seien auf Alpinistinnen

und Alpinisten ausgerichtet. So komme sich in den

Bergen gar niemand in die Quere.

Eine neue Hütte?Auch Gianna Rauch, Sektionspräsidentin des SAC En-

giadina Bassa, findet, die beiden Positionen und Be-

dürfnisse hätten gut nebeneinander Platz, in ver-

schiedenen Hütten. Und wo sich die beiden Gruppen

vermischen? «Da spielt die Kommunikationsfähigkeit

der Verantwortlichen eine Rolle. Dann wird vom Hüt-

tenwart halt klar gesagt: Um drei Uhr gibt es Zmorge

für die Bergsteiger, und er macht ab sieben Uhr ein

zweites Frühstück für die Wanderer.» Die Linard-

Hütte, die zu ihrer Sektion gehört, sei so ein Beispiel:

Ursprünglich für Alpinisten gedacht, zieht sie heute

viele Familien an. Ein problemloses Nebeneinander.

Intensive Diskussionen sind der Sektion trotzdem

nicht fremd. Als vor vier Jahren die Idee aufkam, eine

leerstehende Hütte auf der Alp Sprella im Münstertal

zur SAC-Unterkunft umzubauen, provozierte das den

Protest von Umweltorganisationen: Die Alp Sprella

kann zwar heute schon von Gruppen gemietet wer-

den, liegt aber mitten in der «Biosfera Val Müstair»

und wäre die erste neue Hütte des SAC seit über 25 Jah-

ren. 2009 sprach sich die SAC-Abgeordnetenver-

sammlung für die neue Hütte aus und die Sektion ver-

sprach, Bedenken von Umweltschützern ernst zu

nehmen. So hat sie sich beispielsweise bereit erklärt,

auf eine Winternutzung zu verzichten. Wie es weiter-

geht, ist noch unklar. Zurzeit läuft das Verfahren beim

Amt für Raumplanung.

Die dritte Sektion in Südbünden, der CAS Bregaglia,

muss sich solche Konfliktlösungen gar nicht erst über-

legen: Sie besitzt bloss eine einfache Hütte, die Sasc

3 42

1-4 Hütten-Impressionen

3 Hütte Es-cha, oberhalb von

Madulain und Zuoz

Die SAC-Hütten im Engadin und in der ganzen Schweiz im Internet:www.sac-cas.ch/Huette-suchen.971.0.htmlReservationen erfolgen di-rekt bei den Hüttenwarten oder den Sektionen.

Page 12: piz Magazin No. 43

12 piz 43 : Sommer | Stà 2012

Furä im Val Bondasca. Die finanziellen Mittel sind be-

schränkt, utopische Überlegungen über teure Neu-

oder Umbauten muss sich die Sektion deswegen keine

machen. Obwohl sie das auch aus Prinzip nicht würde,

wie der Sektionspräsident Martin Ganzoni sagt: «Zu

uns kommen wenig Tagestouristen, es übernachten

fast nur Kletterer, die auf den Pizzo Badile, Pizzo Cen-

galo oder auf den Trubinasca wollen.» Die Gäste kom-

men meist spät nachmittags und verlassen die Hütte

in den frühen Morgenstunden wieder.

Komfort ist aber doch ein Thema. 1995 wurden bei ei-

ner Sanierung und Erweiterung die Anzahl Schlaf-

plätze pro Zimmer reduziert: Statt einem einzigen gibt

es nun vier Zimmer und die Wolldecken wurden

durch Duvets ersetzt. Ein paar Jahre später wurde die

Winterhütte komplett neu aufgebaut und 2009 die

WC-Anlage mit Duschen versehen. «Ideen für weitere

Verbesserungen im Bereich Komfort sind vorhanden,

aber es sind nur kleine, einfache Schritte möglich»,

sagt Ganzoni.

Historische Diskussion«Sinnkrise» und «Richtungsstreit» gab es bei den Hüt-

ten aber immer schon: Im gesamten Alpenraum ent-

zündeten sich die Diskussionen – spätestens nach dem

Zweiten Weltkrieg, als immer mehr Menschen die Al-

pen entdeckten. So mussten sich die heutigen Puris-

tinnen und Puristen, die der neuen Generation «Ver-

weichlichung» vorwerfen, von ihrer Elterngeneration

dasselbe sagen lassen. Und jene wiederum von ihren

Grosseltern. Interessant ist allerdings, dass heute jene,

die es gerne einfach haben, meist in den urbanen SAC-

Sektionen beheimatet sind. «Sie haben oft ein verklär-

tes Bild der Alpen», sagt Christian Haller. Und fügt la-

pidar hinzu: Man könne das locker sehen oder

militant – die Entwicklung lasse sich trotzdem kaum

aufhalten. Spektakuläre Hütten wie der High-Tech-

Bau Monte Rosa in Zermatt oder die neue Cristallina-

Hütte im Tessin bleiben dennoch die Ausnahme.

Christian Haller hat nach den betrieblichen Erfah-

rungen mit der erweiterten Tschierva-Hütte (siehe un-

ten) allerdings eine Konsequenz bereits gezogen: «Mir

baut in Zukunft keiner eine Hütte, der nicht mindes-

tens zwei Wochen da oben gewohnt hat.»

Neue Tschierva-HütteDie erweiterte und umgebaute Tschierva-Hütte in der

Bernina-Gruppe wurde 2003 eingeweiht. «Eine fan-

tastische Hütte», sagt Christian Haller, Präsident der

SAC-Sektion Bernina, der sie gehört. Architektonisch

und aus Sicht der Gäste ist die Erweiterung sehr gut ge-

lungen, doch betrieblich hat sie einige Schwächen:

«Von der Küche bis zum Speisesaal muss das Personal

durch drei Türen, das ist unpraktisch und das Perso-

nal ist deswegen nicht glücklich», weiss Haller. Nicht

zuletzt deshalb will er vor einem nächsten Um- oder

Neubau die Architekten zuerst mindestens zwei Wo-

chen als Hüttenwart verpflichten.

5 Für die Gäste bereit

6 Bondasca-Hütte: Schönwetter-

service durchs Fenster

7 Modern und für den Ansturm

gerüstet: Kesch-Hütte

65 7

Page 13: piz Magazin No. 43

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Notruf 144

Page 14: piz Magazin No. 43

14 piz 43 : Sommer | Stà 2012

Interview: Franco Brunner

Fotos: Mayk Wendt

piz: Frau Ehrat, Herr Wohler, welches ist der schönste Berg

der Schweiz und weshalb?

Ariane Ehrat: Ich habe nur Lieblingsberge. Bei mir

hängt viel von der Stimmung, der Wetterlage und der

verfügbaren Zeit ab. So finde ich immer gerade den

passenden Lieblingsberg. Das kann die Fuorcla Surlej

sein oder der Muottas da Schlarigna mit dieser wun-

derbaren, rund 1400-jährigen Arve. Das sind für mich

fantastische Aussichtspunkte und nicht zuletzt auch

ganz persönliche Rückzugsorte.

Urs Wohler: Mir kommen bei dieser Frage gleich zwei

Bilder in den Sinn. Zum einen der Moment, wenn

man an einem schönen Herbsttag vom Oberengadin

nach Zernez kommt und den prächtigen Piz Linard

mit seiner fast schon an das Himalaya-Gebirge erin-

nernden Pyramidenform erblickt. Zum anderen ist

zum Beispiel ein Mot Madlain für mich persönlich ein

sehr wertvoller Ort. Das ist eigentlich nur ein runder

Hügel, jedoch mit einem steilen Weg nach oben und

einem wunderbaren Edelweissparadies.

Das klingt romantisch. Aber Sie als Touristiker sehen beim

Betrachten eines Berges doch nicht nur die Schönheit der

Natur, sondern vor allem die touristischen Möglichkeiten.

A.E.: Heutzutage ist ja auch in der Gedankenwelt so

schnell alles vernetzt, dass man einen Berg sowohl aus

privater als auch aus beruflicher Sicht betrachtet. Per-

sönlich mache ich die Unterscheidung Privat und Be-

ruf jedenfalls nicht bewusst. Was jedoch immer mit-

schwingt, ist der Gedanke, dass man der Natur Sorge

tragen muss. Denn wenn man vom touristischen As-

pekt eines Berges spricht, klingt das ja immer nach Zi-

vilisation. Deshalb ist es für unsere Gesellschaft und

unsere Nachkommen unheimlich wichtig, dass wir

uns bewusst sind, welches Kapital die Natur darstellt.

Wie geht das denn zusammen, wenn man die Natur als

Kapital betrachtet und ihr gleichzeitig Sorge tragen will?

U.W.: Das Leben besteht nun mal auch aus Interessens-

und Zielkonflikten, keine Frage. Gerade deshalb müs-

sen wir als Repräsentanten der Tourismusbranche uns

auch immer sehr intensiv mit diesem Spannungsfeld

zwischen Nutzen und Schützen auseinandersetzen.

Aber Sie üben doch den Spagat, wenn Sie auf der einen Seite

von einem wunderbaren, schützenswerten Stück Natur

und auf der anderen Seite von einem Markt- und Ge-

schäftsobjekt reden.

A.E.: Wir sind heute glücklicherweise in der Zeit ange-

kommen, in der Nachhaltigkeit ein absolut zentraler

Wert ist. Jede Destination hat die Wahl, diese Nach-

haltigkeit für sich zu interpretieren und zu erfüllen.

Weil sich der Ökofundamentalismus und Kapitalden-

ken angenähert haben, haben wir heute die grosse

Chance, beide Seiten miteinander zu verbinden.

U.W.: Wichtig ist auch, dass die Angebote der einzel-

nen Destinationen auf den regionalen Stärken beru-

gen. Natürlich kann es zu Zielkonflikten kommen,

etwa mit der einheimischen Bevölkerung. Einerseits

geht es darum, die Region so zu erhalten, wie sie ist,

schliesslich ist das unsere touristische Grundlage. An-

dererseits soll es aber auch möglich sein, sich weiterzu-

entwickeln. An diesem Punkt ist die Diskussion heute

zwar immer noch anspruchsvoll, jedoch sehr gut

möglich. Denn eines ist klar: Nur gemeinsam können

wir unseren grössten Trumpf behalten: Wir sind nicht

austauschbar! In diesem Sinne sind wir als Touristiker

sozusagen beides, Vermarkter und Umweltschützer,

denn die Umwelt ist unser Kapital.

Schön und gut, aber mehr Umsatz für eine Bergtourismus-

region ist doch automatisch mit einem grösseren Eingriff

in die Natur gekoppelt. Das ändern die Diskussionen nicht.

A.E.: Nein. Genau das darf es heutzutage eben nicht

mehr sein. Zudem reden wir heute auch nicht mehr

vom Umsatz, sondern vom Beibehalten oder Steigern

Ariane Ehrat und Urs Wohler stehen an der Spitze der beiden Engadiner Tourismusdestinati-onen. Im Gespräch erklären sie unter anderem, wie sie den Spagat zwischen Verkäufer und Schutzpatron der Berge meistern.

Vermarkter und Umweltschützer

Page 15: piz Magazin No. 43

\ Urs Wohler ...... ist seit 2005 Direktor der heutigen Tourismusorganisation Engadin Scuol Samnaun Val Müstair AG. Zuvor war er Leiter Marketing-Services von Grau-bünden Ferien und Geschäftsführer des Kur- und Verkehrsvereins Vals-Valsertal. Der gebürtige Berner hat an der Academia Engiadina und der Hochschule Luzern studiert.

Y Ariane Ehrat ...... ist seit 2008 Direktorin von Enga-din-St.Moritz-Tourismus. Sie hat Kom-munikationswissenschaften in Lu-gano und Memphis (USA) studiert, war Leiterin der Abteilung Kommunika-tion und Marketing vom Schweizer Ra-dio DRS sowie Marketingchefin der Al-penarena Flims-Laax-Falera. In den Achtzigerjahren war sie Profi-Skirenn-fahrerin. Ihren grössten Erfolg feierte sie mit einer Silbermedaille in der Ab-fahrt bei der Weltmeisterschaft 1985.

Page 16: piz Magazin No. 43

16 piz 43 : Sommer | Stà 2012

der Wertschöpfung. Mit anderen Worten, im Touris-

mus geht es nicht mehr um quantitatives, sondern

ausschliesslich um qualitatives Wachstum. Und das

schon seit einigen Jahren. Vielleicht haben wir Touris-

tiker immer noch das Image der rücksichtslosen Pro-

fitstreber. Wir sind wohl noch nicht in der Glaubwür-

digkeitsphase angekommen, in der klar wird, dass

wir – wie es Urs Wohler eben gesagt hat – nicht nur

Vermarkter, sondern auch Umweltschützer sind.

Dorthin müssen wir aber kommen. Wir sind uns abso-

lut bewusst, dass es langfristig nur noch funktioniert,

wenn sich der Einheimische als Gastgeber und damit

auch der Gast wohl fühlt, wenn die Natur stimmt und

der Komfort gewährleistet ist.

U.W.: Das sehe ich genauso. Zum Thema Wachstum

möchte ich noch anfügen, dass wir in Bezug auf die

Auslastung der bestehenden Kapazitäten noch jede

Menge Wachstumsmöglichkeiten haben. Wir haben

sogar in der Hochsaison noch freie Kapazitäten, erst

recht in den Saisonrandzeiten.

Wurde also in der Vergangenheit alles viel zu gross dimen-

sioniert?

U.W.: Nein. Das Problem ist, dass zum Beispiel gegen

Frühling hin, wenn man bei uns immer noch unter

Top-Bedingungen Ski fahren kann, die Nachfrage

massiv zurückgeht, denn im Unterland explodiert

dann gleichzeitig das Alternativangebot. Das ist eine

grosse Herausforderung.

A.E.: Die Rahmenbedingungen haben sich in den ver-

gangenen zehn Jahren extrem verändert. Auf der ei-

nen Seite kann man früher mit dem Skifahren begin-

nen und man kann auch länger fahren. Auf der

anderen Seite fliegen die Leute heute gerne einmal ein

paar Tage nach Mallorca oder rasch nach New York um

zu shoppen. Die Möglichkeiten sind um einiges grö-

sser geworden.

Im Münstertal wird der Tour-de-Ski-Tross Halt machen.

Ist dieser Grossanlass keine Mehrbelastung für das Bios-

fera-Gebiet?

U.W.: Die Tour-de-Ski ist ein Medienevent, der dieses

Jahr im Val Müstair und damit erstmals auch in der

Schweiz stattfinden wird. Das gibt grosse punktuelle

Aufmerksamkeit. Eine solche Veranstaltung kann

man heute ohne Umweltbelastungen durchführen.

Da wird zum Beispiel ein temporäres Stadion gebaut.

Zudem ziehen bloss die paar hundert Aktiven mit ih-

rem Tross von Austragungsort zu Austragungsort. Die

Besucher kommen aus der Region selbst.

Den professionellen Skizirkus und somit die verschiedens-

ten Berg-Destinationen kennen Sie, Frau Ehrat, aus Ihrer

Zeit als Profiskirennfahrerin bestens. Wie hat sich seit die-

ser Zeit die touristische Bergwelt verändert?

A.E.: In den mit Bergbahnen erschlossenen Gebieten

haben sich vor allem das Design und die Ästhetik sehr

stark verändert. Früher wurden irgendwo Masten zu-

betoniert und irgendwelche Bauten hingestellt. Heute

legt man sehr viel Wert darauf, dass es rund um eine

Bergstation schön aussieht. Auch die Ursprünglich-

keit wird heute viel stärker gewichtet als früher.

Was sehen Sie nach Annahme der Zweitwohnungsinitia-

tive auf sich zukommen?

U.W.: Die Initiative wird einschneidende Veränderun-

gen mit sich bringen, keine Frage. Aber vielleicht ist es

auch eine Chance, sich kreativ zu überlegen, wie man

in Zukunft zum Beispiel die Hotellerie finanziert. Ich

bin überzeugt, dass heute das Wissen hierfür vorhan-

den ist. Für uns als Tourismusorganisation ist ent-

scheidend, dass sich durch die Initiative unser Auftrag

nicht verändert hat. Wir wollen nach wie vor die

Nachfrage fördern.

A.E.: Ich persönlich bedaure das Abstimmungsergeb-

nis. Nun müssen Wege gefunden werden, dem Volks-

willen zu entsprechen. Mit Blick auf das Oberengadin

ist es nun wichtig, sehr sorgfältig auf die alpinen Ski-

weltmeisterschaften hinzuarbeiten, die wir mögli-

cherweise 2017 durchführen dürfen. Auch die Olym-

piakandidatur mit dem Motto «Zurück in die Berge» ist

eine Chance. Solche Anlässe bieten die Chance, Inves-

titionen, die durch die Initiative wohl wegfallen wer-

den, anderswo und gemeinsam zu generieren – selbst-

verständlich unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit.

Zum Schluss ein Blick in die Kristallkugel: Wie sieht die En-

gadiner Bergwelt in zwanzig Jahren aus?

A.E.: Zuerst hoffe ich, dass der auftauende Permafrost

bei uns zu keinem gröberen Problem wird und dass

die Erosion nicht weiter voranschreitet. Weiter hoffe

ich, dass wir auch in zwanzig Jahren noch Mut haben

und Pioniergeist entwickeln. Im Tourismus wird es

dann vermehrt überregionale Allianzen geben.

U.W.: Auch ich blicke durchaus positiv in die Zukunft

der Engadiner Bergwelt. Wenn alle Seiten mit dem

gleichen Engagement wie heute weiterarbeiten, dann

wird es sich auch in zwanzig Jahren immer noch sehr

lohnen, auf einen der wunderbaren Engadiner Berg-

gipfel zu steigen, um von dort aus die herrliche Aus-

sicht zu geniessen.

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Page 18: piz Magazin No. 43

18 piz 43 : Sommer | Stà 2012

Zuerst kommen riesige Fluten, vierzig Ellenbogen

hoch, und «ertrenken alle berg vnd landt». Selbst

Fische und Vögel beginnen zu klagen, dass sie

«der todt will nemmen hin». Dabei ist dies erst der An-

fang des grossen Untergangs. Die nächste Flut wird

brennen wie Schwefel, die übernächste alles zerstören,

«stett, schloss alle turn und huß». Da stellt sich die

Frage: «Wie mag der mensch kon lebig druß?»

Es waren dramatische Schilderungen, die in Chur an

Ostern 1517 vorgetragen wurden, womöglich in der

Kathedrale oder auf dem Vorplatz. Der Kirchenvater

Augustin, Papst Gregor der Grosse, König Salomon,

Propheten wie Joel und Zephania, alle hatten sie ihren

grossen Auftritt. Selbst regionale und lokale Bekannt-

heiten fanden noch einen Platz im «Churer Weltge-

richtsspiel»: Der im Bistum verehrte heilige Florinus

von Remüs (Ramosch) trat ebenso auf wie Ulrich Tho-

mali; dem Publikum wohlbekannt als Schelm, der

1504 in Chur inhaftiert worden war.

Vierzehn Tage lang folgt in diesem «Churer Weltge-

richtsspiel» eine Katastrophe nach der anderen:

Bäume und Kräuter beginnen Blut zu schwitzen, nach

Stürmen, Fluten, Bergstürzen und Erdbeben («Das erd-

rich bidmet grusamlich, da nieder valt thier vnd

viech») schiessen die Himmelskörper auf die Erde nie-

der («das gstirn wirt och von hymmel schussen»),

letztlich geht alles in Flammen auf («Lufft, wasser, fir-

namendt wir(d) für»).

Heutige Szenarien mit wenig DramaturgieIm Vergleich zum «Churer Weltgerichtsspiel» (das ne-

benbei auch eine der ältesten Aktgliederungen im

deutschsprachigen Drama aufweist) scheinen selbst

die Endzeit- und Katastrophenfilme Hollywoods zu

verblassen. Erst recht harmlos sind die modernen Un-

tergangsprophezeiungen, die sich ungeniert und mit

wenig dramaturgischen Kenntnissen bei allen mögli-

chen Kulturen und Wissenschaftsdisziplinen bedie-

nen, um aus Kalendern, Kometen, Zahlenspielen, My-

then oder kryptischen Schriften das Ende der Welt

zusammenzudichten.

Dabei ist der Weltuntergang schon seit Jahrhunderten

omnipräsent, auch in Graubünden. Bereits der

schweizweit älteste, um 800 entstandene Bilderzyklus

in der Klosterkirche von Müstair zeigt das Jüngste Ge-

richt. Und die Darstellung von Jesus, wie er nach den

apokalyptischen Katastrophen die Menschen richtet

und gruppiert (links von ihm die Seligen, rechts die

Verdammten), ist fester Bestandteil sakraler Malerei.

«Natürlich steht der Weltuntergang bevor»Nur, was hat es mit den Katastrophen tatsächlich auf

sich? Naheliegend, dies einen Mann zu fragen, der

sich seit Jahren mit Naturgefahren in Graubünden

und der natürlichen Dynamik von Mutter Erde ausei-

nandersetzt. Optimistisch stimmt es dabei nicht, dass

Markus Weidmann sein Büro für erdwissenschaftli-

che Öffentlichkeitsarbeit ausgerechnet in Chur be-

treibt – jener Stadt also, in der vor fünf Jahrhunderten

das dramatische Weltgericht aufgeführt wurde und

die Friedrich Dürrenmatt in «Das Versprechen» so

schilderte: «Die Stadt war von Bergen eingekesselt, die

jedoch nichts Majestätisches aufwiesen, sondern eher

Erdaufschüttungen glichen, als wäre ein unermessli-

ches Grab ausgehoben worden.» Und tatsächlich:

«Natürlich steht der Weltuntergang bevor», sagt Mar-

kus Weidmann ohne zu zögern.

Aus geologischer Sicht sei alles im Wandel. Die Welt,

wie sie heute von uns bevölkert wird, sei nichts ande-

res als ein pragmatisches Recycling-Produkt unterge-

gangener Welten: «Was vor Jahrmillionen in die

Meere gespült wurde, wird heute von Bergsteigern be-

zwungen. Und was von unserer Welt in die Meere ge-

spült wird, wird in Millionen Jahren wieder bestiegen.

Jedem Weltuntergang folgt irgendwann wieder ein ge-

birgsbildender Weltaufgang.»

Text: Thomas Kaiser

Unzählige Theorien und Prophezeiungen datieren den Weltuntergang auf den kommenden De-zember. Macht nichts. Denn in Graubünden hat der Weltuntergang weit weniger Konjunktur als vielmehr Kontinuität. Ein historischer Rückblick und ein Gespräch mit einem Geologen.

«Da wirt das gantze erdtrich brinnen»

Illustration rechte Seite:

«Zorn Zeichen Gottes». Erd-

beben (linke Reihe, drittes Bild v.

oben), Kometen, Hagel oder

Feuersbrünste als Warnung oder

Strafe. – «Frontispiz» aus: Bar-

tholomäus Anhorn, Christliche

Betrachtung der vielfältigen /

sich dieser Zeit erzeigenden

Zornzeichen Gottes / und Vor-

botten seiner gerechten Straffen,

Basel 1665.

Page 19: piz Magazin No. 43
Page 20: piz Magazin No. 43

20 piz 43 : Sommer | Stà 2012

Auf all die pseudowissenschaftlichen Theorien, wel-

che die Kalender der Maya, die Mythen der Zulu oder

der Hopi bemühen, in denen unbekannte Planeten

nur auftauchen, um mit der Erde zu kollidieren, in de-

nen Zahlenspiele so gut wie jedes gewünschte Ergeb-

nis hervorbringen können, geht Markus Weidmann

zunächst nicht ein.

Von welcher Welt reden wir?Entscheidender sei doch die Frage, von welcher Welt

man grundsätzlich spreche. So sei ja schliesslich jeder

Mensch, jedes Lebewesen, zum unvermeidbaren Un-

tergang des persönlichen Mikrokosmos verdammt:

«Die Welt, die ein Mensch darstellt, geht unter, wenn

er stirbt. Staub zu Staub, Asche zu Asche. Atome zu

Atomen.» Auch im Falle einer Wiedergeburt.

Ob all die aktuell kursierenden Theorien eine Projek-

tion der eigenen Sterblichkeit auf die grosse Welt sei?

Möglich, meint Markus Weidmann. Lieber ist ihm

aber eine gewisse Systematik. Die nächstgrössere

Welt  – die den Untergang eines einzelnen Individu-

ums zu überleben vermöge  – sei jene von Gemein-

schaften und Kulturen; ihr Untergang sei in einer iso-

lierten Wahrnehmung durchaus mit dem Untergang

der Welt an sich gleichsetzbar. Und letztlich, ja, «letzt-

lich ist auch die gesamte belebte Welt zum Untergang

verurteilt».

«Der Countdown läuft», sagt Markus Weidmann. «In

rund einer Milliarde Jahren wird die Kohlenstoffdi-

oxid-Konzentration in der Atmosphäre voraussicht-

lich so niedrig sein, dass alle Pflanzen absterben. Da-

nach wird der Sauerstoffgehalt zurückgehen und alles

tierische Leben aussterben. Und in zwei Milliarden

Jahren wird nur noch überleben, wer sich bei globalen

Durchschnittstemperaturen von 70 Grad wohlfühlt.»

Grund dafür sei der GAU in Sachen Weltuntergang:

das Sterben der Sonne, die sich dabei aufbläht und da-

durch stärker leuchtet. «Dieser Weltuntergang wird in

unserem Sonnensystem niemanden kalt lassen.»

Mutter Erde: bakterienresistentUnd wenn man nicht so lange warten mag? Wäre

denn nicht etwas Aussergewöhnliches möglich? «Ein

Beben, das die Erde auseinanderreisst? Unmöglich.

Genauso wenig, wie ein spürbares, aber feines Zittern

der Haut einen Menschen zu zerreissen vermag», sagt

Markus Weidmann.

Und was ist mit dem sogenannten Polsprung, wie er

auch prophezeit wird? «Diese magnetische Feldum-

kehr kommt tatsächlich vor, so alle 250’000 Jahre,

aber erstens brauchen Nord- und Südpol mehrere

Jahrtausende, um ihre Position zu tauschen, und

zweitens hat der Polsprung, anders als behauptet,

keine Auswirkungen auf die Erdrotation; schon gar

nicht bringt er die Erdachse zum Kippen.»

Ohne Dramatik sterben?Dann heisst es also einfach weiterleben und irgend-

wann ohne globale Dramatik sterben? Lebenstipps

will Weidmann keine geben, sagt aber, dass man in

Graubünden die Eintretenswahrscheinlichkeit ver-

schiedener Naturgefahren mittlerweile recht gut ein-

schätzen könne. Nicht, dass man Erdbeben voraussa-

gen könnte, «aber man kann beispielsweise Häuser

erdbebensicher bauen».

Was einen möglichen Untergang des Planeten Erde be-

trifft, empfiehlt Weidmann, den Planeten nicht zu ei-

ner gutmütigen, fürsorglichen oder verletzlichen

Mutter zu machen: «Begriffe wie ‹Mutter Erde› oder

auch der Ansatz: ‹Gaia – die Erde ist ein Lebewesen› –

verleiten dazu, falsche Schreckensszenarien zu ent-

werfen. Die Erde ist kein Lebewesen. Sie rächt sich des-

halb auch nicht in einem vermenschlichten oder

göttlichen Sinn an den Menschen.»

So schnell wird nichts passierenWarum die Rache ausbleibt, erklärt Weidmann so:

«Im Vergleich zur Erde sind wir in etwa so gross wie

Bakterien auf unserer Haut im Vergleich zu uns. Ja,

uns vermögen Bakterien zwar umzubringen. Doch:

99 Prozent der Erde sind heisser als 1000 Grad, und der

Erdkern – doppelt so gross wie der Mond – besteht aus

Metall. Wie können also ‹menschliche Bakterien› je-

mandem etwas anhaben, der zu 99 Prozent heisser ist

als 1000 Grad und im Kern aus einer soliden Metall-

Legierung besteht?»

«Da wirt das gantze erdtrich brinnen» heisst es im

«Churer Weltgerichtsspiel». In Graubünden dürfte das

so schnell nicht passieren. Und mittlerweilen sollte

man ethisches Verhalten auch nicht mehr von Schre-

ckensbildern abhängig machen müssen, sagt Weid-

mann, fügt dann aber mit einem Augenzwinkern

hinzu: «Aber das Sprichwort gilt noch: Geteiltes Leid

ist halbes Leid, geteilte Freude doppelte Freude – und

geteilte Angst ist Massenhysterie.»

Page 21: piz Magazin No. 43

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Page 22: piz Magazin No. 43

22 piz 43 : Sommer | Stà 2012

Als der Reporter fürs piz-Magazin mit der Seil-

bahn zum Interviewtermin hochfuhr, war

oben gerade Schneeschaufeln angesagt. Dass

es über Nacht plötzlich einen halben Meter Neu-

schnee absetzen kann, ist auf der Diavolezza nichts

Ungewöhnliches. «Wir leben hier oben mit den Ber-

gen», sagt Silvia Bergo-Schneebeli. Und lacht dabei.

Seit bald zwei Jahren führt sie das Regime im bekann-

ten Berghaus. Und das verlangt Qualitäten in vielerlei

Hinsicht. Vor ihrem Job auf der Diavolezza leitete sie

ad interim das alte, nostalgische Hotel Fex im Fextal.

Jetzt ist sie Chefin eines Grossbetriebs, den Jahr für

Jahr Tausende von Gästen im Winter und im Sommer

besuchen. Ein Widerspruch?

«Gar nicht», findet Silvia Bergo. Denn es kommt ihr

nicht auf Äusserlichkeiten an, sondern auf die Gestal-

tungsspielräume, die sich ihr bieten. Von Beginn weg,

erzählt sie, habe sie sich auf der Diavolezza wohl ge-

fühlt. «Dieses Haus sprach zu mir», drückt sie die erste

Begegnung mit einer fast schon übersinnlich wirken-

den Umschreibung aus. Und was sagte das Berghaus

zu ihr? Bei der Beantwortung dieser Frage wird es

handfest und konkret. Silvia Bergo begann, sanfte Ak-

zente zu setzen. Sie möchte Situationen schaffen, von

denen alle Gäste profitieren, denn die Palette ist weit

gespannt: Bergsteiger, Wanderer, Familienausflügler

und Skifahrer, aber auch Sonnenanbeter, ETH-Physi-

ker und Glaziologen kommen auf den Berg.

Heimische und indische Küche kombiniertIn der Küche etwa legt sie viel Wert auf regionale Pro-

dukte. Fleisch vom Rätischen Grauvieh kommt

ebenso zum Zug wie alte Gemüsesorten, die heute von

breiten Kreisen wiederentdeckt und gepflegt werden.

Silvia Bergo behändigt ein einschlägiges Kochbuch

und beginnt zu blättern. Ein unbekanntes Küchen-

universum tut sich auf. Ein zweites Buch trägt den Ti-

tel: «Indisch kochen». Indisch? Ja, auch in diese Rich-

tung soll sich die Küche auf der Diavolezza entwickeln.

Denn Gäste aus Indien stehen in den nächsten Jahren

explizit im touristischen Fokus des Engadins.

Silvia Bergo will den künftigen Besuchern aus Asien

aber nicht einfach das ihnen vertraute heimische Es-

sen vorsetzen. Ihr schwebt vielmehr eine Kombina-

tion von indischen und schweizerischen Spezialitä-

ten vor: «Das ist spannend, und hier kann sich viel

Neues entwickeln.» Das zeigt: Silvia Bergo hat mit

Nullachtfünfzehn-Lösungen nichts am Hut. Sie

Graubündens höchste Wirtin

Text: Ralph Hug

Fotos: Daniel Martinek

Silvia Bergo heisst Graubündens höchste Wirtin, jedenfalls wenn man die Höhenlage als Mass-stab nimmt. Sie leitet das Berghaus Diavolezza auf 2978 m ü. M. Regionale und ökologische Aspekte sind ihr wichtig. Und natürlich, dass sich die Gäste wie zuhause fühlen.

Page 23: piz Magazin No. 43

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möchte neue Wege beschreiten, etwas Besonderes bie-

ten und sich nicht mit dem Nächstbesten zufrieden

geben. Mit kleinsten Tricks lassen sich auch in einem

eingespielten Betrieb markante Verbesserungen erzie-

len. Ein Beispiel: Im so genannten «Massenlager», wo

früher Matratze an Matratze lag, entfernte sie je zwei

aus einer Zehnerreihe und legte die übrigen zu Zweier-

gruppen zusammen. In der Mitte wurde ein Vorhang

montiert. Und schon sieht das ehemalige «Massenla-

ger» viel individueller aus. Es bietet den Gästen mehr

Raum, das «Sardinen»-Gefühl ist weg. Bei den Berg-

steigern und Hochwanderern, die hier oben zu ihren

Touren starten, kommt dies gut an.

Ab 17 Uhr wird es ruhigAn sonnigen Tagen tummelt sich auf der Diavolezza

viel Volk. Doch nach 17 Uhr, wenn die letzte Seilbahn

ins Tal gefahren ist, kehrt Ruhe ein. Das geräumige Res-

taurant bietet Raum für Gespräche und Kontakte zwi-

schen den übernachtenden Gästen. Abends bildet

sich eine temporäre Gemeinschaft, die Bergwelt lässt

die Menschen näherrücken. Diese Stimmung gefällt

Silvia Bergo sehr. Und wenn sich dann die Nacht über

die Bernina-Gruppe senkt, ist es auch für sie bald Zeit,

sich in ihre kleine Wohnung zurückzuziehen.

Am nächsten Morgen steht die Wirtin oft schon mor-

gens um 3 Uhr auf, um den Tourengruppen das Früh-

stück zu servieren. Sie verabschiedet die Bergsteiger

persönlich und wünscht ihnen «Berg Heil!». «Das ge-

hört für mich einfach dazu», sagt sie. Ein allfälliges

Schlafmanko kompensiert sie in Zeiten mit schwäche-

ren Frequenzen.

Bündens höchste Hotelière lebt die meiste Zeit im Jahr

auf der Diavolezza, verbringt aber die Freizeit regel-

mässig mit ihrem Mann und ihrem mittlerweile

20 Jahre alten Sohn. Die Familie lebt in Hausen am Al-

bis im Knonauer Amt. Ist ihr das nicht zu wenig? Beide

Seiten haben sich darauf eingestellt. Als Klavierlehrer

und Konzertpianist ist ihr Mann ebenfalls häufig aus-

ser Haus. Jeden Abend wird telefoniert, mit dem Sohn

geht die Verbindung am Bildschirm über Skype. Übri-

gens: Silvia Bergo hat ihren Mann im Pontresiner No-

belhotel Kronenhof kennengelernt, als sie dort im Ser-

vice tätig war und ihr Mann im Kurorchester spielte.

Man hilft sich gegenseitigAls Leiterin eines Betriebs mit 27 Angestellten bringt

sie einen guten Rucksack mit. Sie hat die Hotelfach-

schule absolviert und besitzt auch Fachabschlüsse in

Hotelmanagement und Marketing. Ein Betrieb auf

3000 Meter Höhe funktioniert anders als einer im Tal.

Hier oben sind zwar die Funktionen ebenso klar ver-

teilt, doch: «Wir helfen einander aus, wenn viel zu tun

ist.» Das schweisst ein Team zusammen. Die meisten

Angstellten arbeiten denn auch schon seit Jahren im

Berghaus, ein klares Zeichen für Zufriedenheit am Ar-

beitsplatz.

Silvia Bergo ist noch lange nicht am Ziel angelangt.

«Ich möchte die alten Geschichten und Erzählungen

wieder ins Haus bringen», sagt sie. Denn das 1893 ge-

gründete Hospiz ist ein Ort voller Geschichten von

Menschen, die das Berghaus prägten. Sie möchte die-

ses Erbe den Gästen nahebringen, indem die Doppel-

zimmer mit den Namen und Biografien von Erstbe-

steigern versehen werden. So wird die Diavolezza von

einem funktionalen Grossgasthaus zu einem Ort, wo

Schicksale und Triumphe, Freuden und Leiden, grosse

Gefühle und bittere Niederlagen gegenwärtig sind.

Ein Ort also, der nicht nur ein grandioses Bergpano-

rama bereithält, sondern wo auch die Spuren der Men-

schen zu sehen sind, die sich in diesem «Festsaal der

Alpen» bewegten.

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Page 26: piz Magazin No. 43

26 piz 43 : Sommer | Stà 2012

George Steinmann hatte 1988 und 1989 zweimal

das damals gerade neu gegründete Atelierhaus

in Nairs kuratiert. Er hat hier ein Klima der

Grenzüberschreitungen und der Transdisziplinarität

geschaffen, das sich bis heute erhalten hat. Bei seinen

Erkundungen in der näheren Umgebung stiess er auf

die Heilquellen des Unterengadiner Fensters – für ihn

eine nachhaltig wirkende Entdeckung. Steinmann er-

kundet seither 16 Quellen systematisch. Direkt am Ur-

sprung dieser Quellen sammelt der Künstler Mineral-

substanzen, die er in der Folge reinigt und verfeinert,

so dass daraus schliesslich ein feines Pigment entsteht.

Dieses wiederum wird zum künstlerischen Schaffen

verwendet.

Seit dem ersten Besuch kommt Steinmann jedes Jahr

teils mehrmals ins Unterengadin zurück, um diese Ar-

beit weiterzuführen. Pigmente, Wasser, Mineralien

und Farben setzt er ganz unterschiedlich in seinem

künstlerischen Arbeiten ein. Entstanden sind unter

anderem mit Quellwasser behandelte Fotoserien, mo-

nochrome Gemäldereihen mit unterschiedlich farbi-

gen Quellpigmenten oder Blätter mit grafischen

Strukturen. Die Spannung der Arbeiten entsteht aus

der stets neuen und vielschichtigen Mischung von

Spuren natürlicher Farbigkeit, gestalterischem Ent-

wurf und malerischer Tradition.

Wissenschaftliche NeugierIn diesem Sommer präsentiert er einige dieser Arbei-

ten im Zentrum für Gegenwartskunst in Nairs. Die

Ausstellung «Das gelbe Gerüst» stellt die Verbindung

zu Steinmanns erstem Besuch von 1988 her. Das Ge-

rüst steht für den 2013 geplanten Umbau des Hauses

und gelb steht für positive Energie und lässt sich auf

die aktuelle Entwicklung des Ortes beziehen.

Eines der zentralsten Elemente von Steinmanns Ar-

beiten ist das präzise Interesse für den Ort seiner

künstlerischen Intervention. Stets begleiten ihn for-

schende Fragen aus verschiedensten Fachgebieten. Im

Zentrum der Ausstellung in Nairs steht denn auch die

vielfältige Sammlung unterschiedlichster natürlicher

Stoffe. Nebst Quellsubstanzen zeigt er Flechten, Ge-

steinsarten, Beeren und die daraus entstandenen

Säfte. Mit der Mixed-Media-Installation «The World

and the Mind» (1988 – 2012) wird eine grosse Auswahl

dieser Materialien im Ausstellungskontext gezeigt.

2007 hat er sie erstmals als eigenständige Arbeit ausge-

stellt. Damit veranschaulicht George Steinmann, dass

Entdecken, Bearbeiten und Ordnen wichtige Schritte

vor dem Ausstellen sind. Ein Tisch voller Gläser, Pul-

ver, Gesteine und Flechten sind das Kondensat seiner

Sammeltätigkeit.

Ohne Werk, aber mit Wirkung

Wie nachhaltig Nairs und die Quellen für Steinmanns

Schaffen sind, zeigt sich auch an einem seiner letzten

Projekte: Von 2010 bis 2012 realisierte er ein Kunst-

am-Bau-Projekt an der Abwasseraufbereitungsanlage

Bern. Er nennt es «Kunst ohne Werk aber mit Wir-

kung». Unter anderem hat er bei dieser Arbeit sämtli-

che nass verarbeiteten Baumaterialien wie Beton,

Gips, Kalk, Fassadenverputz und die Farbanstriche für

das ganze Gebäude mit Quellwasser aus Scuol-Tarasp

«homöopathisch informiert». Diese Arbeit wird im

Dachstock von Nairs dokumentiert.

Aussergewöhnlich ist auch die sorgfältige Handwerk-

lichkeit, die sein Werk durchdringt. Der Künstler

schlägt mit seinem Denken und seinen Arbeiten nicht

nur Brücken zur Wissenschaft, sondern ebenso zu ver-

schiedensten anderen Spezialgebieten des Wissens.

Text: Rachel Mader

Fotos: George Steinmann

AUSSTELLUNGVernissage 23. Juni,18 h.

Führungen am 24.6., 14.30 h; 11.7., 20 h; 3.8., 18.30 h;

15.8., 20 h; 24.8. und 8.9., 18.30 h;

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«Das gelbe Gerüst», so heisst die Ausstellung von George Steinmann im Zentrum für Gegen-wartskunst in Nairs. Steinmann war einst selber Kurator im Haus und hat hier die Mineralien und Farbpigmente der Quellen entdeckt. Das lässt ihn seit 25 Jahren nicht mehr los.

Die Farben der Natur versammelt

Page 27: piz Magazin No. 43

Die Natur bietet die Ausgangsmaterialien an: Pflanzen und Steine, wie man sie rund um Nairs antrifft.

Page 28: piz Magazin No. 43

Von der Bonifazius-Quelle rot gefärbte Steine (oben) und ein Blick in die Installation «The World and the Mind» (unten).

Page 29: piz Magazin No. 43

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32 piz 43 : Sommer | Stà 2012

Leo Blättler holt eine Kalaschnikow und legt sie

auf den Tisch. Sie sieht echt aus, ist aber aus

Gummi und erinnert an die Zeiten, als immer

wieder internationale Blockbuster im Engadin ge-

dreht wurden. Das Maschinengewehr ist ein Souvenir

des St. Moritzer Bergführers und Unternehmers an

den James-Bond-Streifen «A View to a Kill» (1985). In

der spektakulären Eröffnungssequenz, die im Enga-

din und auf Island gedreht wurde, spielte er einen rus-

sischen Soldaten, der auf Skiern dem letztmals von Ro-

ger Moore gespielten Geheimagenten Ihrer Majestät

hinterherrast. Die fünfminütige Actionszene beginnt

mit einem Helikopterangriff, gedreht auf dem isländi-

schen Gletscher Vatnajökull, und setzt sich nahtlos

mit spektakulären Ski-Stunts fort, die am Piz Palü ge-

filmt wurden. Um das geografische Durcheinander

perfekt zu machen, gibt der Film auch noch vor, die

Verfolgungsjagd spiele in Sibirien.

Dieser wilde Mix von Schauplätzen aus aller Welt ist

typisch für Filme, in denen es vor allem darum geht,

spektakuläre Bilder von Gletschern und wilden Ge-

birgslandschaften zu zeigen. Solche Produktionen

fanden zuletzt – von Werbespots abgesehen – nur

noch selten den Weg ins Engadin. Das gilt allerdings

für die ganze Schweiz. Offenbar sind andere Länder

auf diesem Markt viel aktiver – und auch erfolgreicher:

«Unsere Konkurrenten heissen Österreich oder Neu-

seeland», sagt Urban Frye, Direktor der Organisation

Film Location Switzerland mit Sitz in Luzern.

Ein Mix von DrehortenDie Abwesenheit von internationalen Grossprodukti-

onen bedeutet allerdings nicht, dass im Engadin keine

Filme mehr gedreht würden. Eine Schweizer Produk-

tion, die 2010 das grosse Publikum anpeilte, war der

Gruselfilm «Sennentuntschi» des Regisseurs Michael

Steiner. Gefilmt wurde im Brunnital, im Schächental,

in Uster, in Zürich, aber auch in Soglio und Bondo im

Bergell. Das sieht im fertigen Film dann so aus: In ei-

ner der ersten Szenen zeigt die Kamera die Kirche von

Soglio. Nach einem Schnitt folgen Innenaufnahmen

mit den Kirchgängern und dem Pfarrer, die allerdings

in der Kirche von Santa Croce im italienischen Nach-

bardorf Piuro gedreht wurden.

Für die Beizenszenen wählten die Filmemacher das

Hotel Bregaglia in Promontogno aus. Dessen Interieur

passte offensichtlich ideal zur Handlung, die 1975

spielt. Die Alp, auf der sich die Sennen mit dem Sen-

Heidi, Bond und Sennentuntschi

Text: Andreas Kneubühler

Fotos: zVg

Weit über zweihundert Spielfilme wurden im Enagadin schon gedreht – und ungezählte Wer-befilme. Die Zeiten der grossen internationalen Filmproduktionen sind zwar im Moment vor-bei, die Region bleibt aber ein begehrter Drehort.

21

Page 33: piz Magazin No. 43

33piz 43 : Sommer | Stà 2012

nentuntschi eine zunehmend blutige Auseinander-

setzung liefern, liegt dann aber im Urner Schächental.

Die 60 Meter hohe Felswand, über die am Schluss

gleich zwei Hauptfiguren in den Tod stürzen, wurde

hingegen wiederum im Bergell, in der Nähe von

Bondo, gefunden. – Kein Wunder wurde der Film un-

ter dem neutralen Label «Alpenthriller» vermarktet.

Heidi und der «Teufel von Mailand»Der Blick zurück zeigt, wie gefragt das Engadin als

Filmkulisse war – und immer noch ist: Der Journalist

und Filmkenner Jürg Frischknecht zählte zwischen

1899 und 2002 über siebenhundert Filme, davon 120

Spielfilme. Mehr als die Hälfte spielt in St. Moritz.

Viele dieser Produktionen wurden aber vor allem des-

halb im Engadin gedreht, weil die Handlung in der Re-

gion angesiedelt ist. Dazu gehören natürlich die ver-

schiedenen Heidi-Versionen. Die erste stammt aus

dem Jahr 1952, die vorläufig letzte von 2001. Regisseur

Markus Imboden drehte damals unter anderem in

Sent und Scuol. Die Hütte vom Alpöhi stand auf der

Alp Zezina Dadaint.

Ein aktuelles Beispiel für einen Film mit dem Schau-

platz Engadin ist die Schweizer Fernsehproduktion

«Der Teufel von Mailand». Die Romanvorlage von

Martin Suter spielt im erfundenen Val Grisch, das ei-

gentlich nur das Engadin sein kann. Gefilmt wurde

denn auch unter anderem im Hotel Castell in Zuoz.

Schlagzeilen machte bei den Dreharbeiten eine vom

Helikopter aus gefilmte Autoverfolgungsjagd zwi-

schen Ardez und Ftan. Bei einem heiklen Manöver

streifte der Rotor den Fels. Die Filmcrew hatte Glück

im Unglück: Es gab einen Totalschaden am Helikopter,

aber keine ernsthaft Verletzten.

Die Geschichte illustriert, dass Filmen in den Bergen

immer eine besondere Herausforderung ist. Davon

kann Leo Blättler viele Geschichten erzählen. In den

letzten dreissig Jahren war er bei zahlreichen Produk-

tionen dabei, als Verantwortlicher für die Sicherheit,

als Bergführer, als Scout für Drehplätze, als Organisa-

tor der nötigen Bewilligungen. Blättler erinnert sich

an die Dreharbeiten zu «Gran Paradiso» (2000), für

ihn der letzte grosse Bergfilm, der im Engadin gedreht

wurde. Den Part des Gran Paradiso übernahm dabei

übrigens der Piz Palü. «Da kamen dreissig Leute aus

Hamburg, die noch nie einen Berg gesehen hatten. Für

sie brauchte es zuerst eine Schnellbleiche, damit sie

lernten, wie man sich auf einem Gletscher bewegen

muss.» Immer wieder musste die Crew daran erinnert

werden, wie fatal ein einziger Fehltritt sein kann.

Mehr Vorsicht am BergEs gab häufig Auseinandersetzungen mit Regisseuren.

Jeder Tag, an dem wegen schlechten Wetters nicht ge-

dreht werden kann, kostet mehrere Zehntausende

Franken. «Noch ein Schuss», heisse es jeweils, so Blätt-

ler. Er setzte andere Prioritäten: «Man muss sicher sein,

dass man den Drehort rechtzeitig verlassen kann.»

Das bedeutet, dass die Helikopter vor dem erwarteten

Wetterumbruch genügend Zeit haben, um die ganze

Crew aus dem Gletscher herauszufliegen. Oder dass

vor Drehbeginn genügend Material transportiert

wird, um notfalls für eine Nacht im Eis gewappnet zu

sein. Blättler erinnert sich an heftige Dispute mit ei-

nem Produzenten, der unbedingt einen «young,

tough movie» drehen wollte und dabei auf dem Ge-

lände oberhalb der Bovalhütte die angeheuerten

Snowboarder Risiken aussetzen wollte, die von den

Kennern der Berge nicht zu verantworten waren.

Beeindruckt haben ihn die englischen Grossprodukti-

onen. Jede Einzelheit sei mit den Gewerkschaften ge-

regelt gewesen: «Um zehn Uhr gab es Tee oder Kaffee,

auch wenn man gerade in einer Gletscherspalte

drehte.» Um Punkt zwölf Uhr stand das Mittagessen

bereit. Die Schauspieler mussten sitzend essen kön-

nen, sonst war die Filmgesellschaft verpflichtet, einen

3 4 5

1, 2 Erinnerungen an den James-

Bond-Streifen «A View to a Kill»:

Leo Blättler mit der Gummi-

kalaschnikow und die harten

Drehbedingungen am Berg.

Fotoarchiv Leo Blättler

3–5 Dreharbeiten zum «Teufel

von Mailand».

Fotos: SRF/Daniel Ammann

Page 34: piz Magazin No. 43

34 piz 43 : Sommer | Stà 2012

Zuschlag zu zahlen. Ein besonderes Erlebnis gab es bei

den Dreharbeiten zu Fred Zinnemanns («High Noon»)

letzten Film «Five Days One Summer» von 1982, der

im Engadin und dort vor allem auf der Diavolezza ge-

dreht wurde. Darin entwickelt sich eine Eifersuchts-

geschichte zwischen einem von Sean Connery ge-

spielten Kletterer und einem jüngeren Rivalen und

Bergführer. In der entscheidenden Szene stürzt der

junge Bergführer in eine Spalte. Dort entdeckt er im

Eis eine Gletscherleiche und erkennt darin seinen seit

Jahrzehnten vermissten Vater.

Die echte GletscherleicheFür diesen melodramatischen Moment sei eine Puppe

vorgesehen gewesen, für die das Eis mit einer Ketten-

säge herausgeschnitten werden musste, erzählt Blätt-

ler. Doch dann erfuhr die Crew, dass am Morteratsch

eine echte Gletscherleiche entdeckt worden sei. Sofort

flog man hin. Doch die Realität passte dann doch

nicht zur Geschichte. «Die echte Gletscherleiche sah

aus wie ein mumifizierter Lederstrumpf.»

Es waren die Bond-Filme – neben «A View to a Kill» war

Blättler auch bei «A Spy Who Loved Me» dabei – die

ihm besonders in Erinnerung geblieben sind. Auch

wegen des Aufwandes, der betrieben wurde. Einmal

sollte tief unten in einer Gletscherspalte gefilmt wer-

den. Britische Alpinisten frästen Holzplattformen ins

Eis. Doch als man einige Zeit später weiterdrehen

wollte, sah alles anders aus, die Spalte hatte sich verän-

dert. Die Szenen wurden nie verwendet. Für die Bond-

Filme war jeweils der Modeunternehmer und Filme-

macher Willy Bogner für die Aufnahmen der Skistunts

verantwortlich. Bogner drehte später auch eigene

Filme («Fire and Ice») im Engadin und nutzt die Ge-

gend bis heute als Schauplatz für Werbefilme.

Für eine der spektakulärsten Szenen in «A View to a

Kill» stürzte John Eaves, ein früherer Weltmeister im

Freestyle-Skifahren, als Double von Bond in eine Glet-

scherspalte, prallte zuerst an die eine, dann an die an-

dere Wand, landete rund 15 Meter in der Tiefe und

fuhr weiter. Dafür musste zuerst eine geeignete Stelle

gesucht werden. Dann sei sie zuerst mit weichen Kar-

tonschachteln aufgefüllt worden, um den Sturz zu

dämpfen, schildert Blättler. Darüber kam ein weisses

Tuch, darauf wurde Schnee geschaufelt und John

Eaves konnte losfahren.

Im gleichen Film hatte Leo Blättler auch seinen Auf-

tritt als russischer Soldat. Zusammen mit anderen

Bergführern fuhr er ein Couloir hinunter, in dessen

Mitte sich ein offener Spalt befand. «Es war so steil,

praktisch senkrecht, man stürzte automatisch», schil-

dert er. Diese gefährliche Passage war auch der Grund,

wieso sein Souvenir, die Kalaschnikow, aus Gummi

ist. «Damit wir uns nicht verletzten.»

Mehr Werbung für den Drehort Sind solche Produktionen endgültig Vergangenheit?

Der Verein Film Location Switzerland ist dabei, mit

Tourismusdestinationen Verträge abzuschliessen und

sich als erste Anlaufstelle für internationale Filmpro-

duktionen anzubieten. Auf der Homepage der Organi-

sation wird die Schweiz nicht nur wegen der vielen

Banken und Luxushotels als attraktiver Drehplatz an-

gepriesen, sondern auch wegen der ökonomisch vor-

teilhaften Produktionsbedingungen: Auf engem Raum

gebe es sowohl Berge als auch Seen oder Städte, die mit

dem gut ausgebauten Verkehrsnetz «in Rekordzeit» er-

reicht werden könnten. Dazu erlaubten die Gesetze

längere Arbeitszeiten als in den Nachbarstaaten und

es sei in der Schweiz einfach, die nötigen Drehbewilli-

gungen zu erhalten. Film Location Switzerland soll

2013 starten. Zu den Interessenten gehört auch Enga-

din Tourismus. Möglich also, dass irgendwann wieder

einmal ein Bond-Darsteller auf halsbrecherischer

Flucht durch Engadiner Schnee und Eis seinen Fein-

den entkommt – wie immer.

6 Fred Zinnemann, Regisseur

von «High Noon», drehte seinen

letzten grossen Film «Five Days

One Summer» im Engadin.

7 Dreharbeiten zu Sennen-

tuntschi in Soglio.

Foto: Keystone

6 7

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36 piz 43 : Sommer | Stà 2012

Text: Franco Brunner

Fotos: Mayk Wendt Zwei junge Männer nippen in der Lounge des Vor-

raums im Serlas Parc in S-chanf an ihrer Cola.

Aus dem unteren Geschoss hört man gelegent-

lich Kugeln über die Bowlingbahn rollen. In der Klet-

terhalle dröhnt Rock aus den Lautsprechern: «Enter

Sandman» der amerikanischen Kult-Metal-Band Me-

tallica. Gleich beim Eingang sind die Regeln ange-

schlagen: «Kinder nicht überfordern», «Sturzraum

freihalten», «Partnercheck vor jedem Start». Beim

Blick hinauf in die steile, teils überhängende Wand be-

schleicht einen ein mulmiges Gefühl. Da klettern tat-

sächlich Leute hinauf? Noch ist niemand da, der im

Takt des metallenen Sandman die steilen Wände

hochkraxeln will.

Gian Luck nimmt es gelassen. Der ausgebildete Berg-

führer ist Geschäftsführer von Go Vertical, der Betrei-

berin der vor einem Jahr eröffneten Kletterhalle in

S-chanf. Mit der Auslastung ist er so sehr zufrieden,

dass Serlas Parc nun das ganze Jahr über geöffnet

bleibt. Klar, es gibt Schwankungen bei den Besucher-

zahlen, vor allem wenn Klettern in freier Natur prak-

tisch vor der Hallentüre draussen möglich ist. Der

künstliche Berg ist aber ein perfektes Schlechtwetter-

und Winterprogramm.

Vom Anfänger bis zum LeistungssportlerSchönwetter oder Regen, Sommer oder Winter: Die In-

door-Kletter-Klientel ist durchmischt. Hier üben

Schülergruppen und der 70-jährige Senior, hier trai-

nieren versierte Sportkletterer oder die Anfängerin.

Gian Luck freut besonders, dass abends immer auch

viele Einheimische die Wand zu bezwingen versu-

chen. Das beweist ihm, dass Serlas Parc tatsächlich ei-

nem Bedürfnis entspricht.

«Es ist auch Zeit geworden», ergänzt er und erinnert

daran, dass die Idee schon rund 20 Jahre in den Köp-

fen herumgeisterte. «Wir wollen die Leute nicht da-

von abhalten, sich draussen in der Natur zu bewegen,

ganz im Gegenteil», betont der Geschäftsführer. Alle,

die hier arbeiteten kämen selber aus dem Outdoor-Be-

reich. «Wir bieten ganzjährige Trainingsgelegenhei-

ten und wollen Neulinge motivieren», ergänzt Luck.

In der Engadiner Bergführer- und Kletterszene ist der

Serlas Parc gut aufgenommen worden. «Hallen kön-

nen viele Leute für den Sport begeistern», sagt zum

Beispiel Leo Blättler. Der Bergführer und Geschäftslei-

ter von St. Moritz Experience nutzt das Angebot auch

persönlich und erinnert daran: «Wir Bergführer ha-

ben uns immer für eine solche Halle eingesetzt.»

Drinnen und draussen sind zweierleiUrs Ettlin, Herausgeber des Engadiner «Kletterfüh-

rers», doppelt nach. Vor allem für die Jugend sei das

eine ideale Übungsmöglichkeit. Persönlich, so räumt

er ein, sei er aber «kein Fan des Hallenkletterns». Ihm

fehle hier das Naturerlebnis. Und wer sich in der Natur

draussen an eine Steilwand wage, brauche trotz Hal-

lenerfahrung eine gründliche Einführung.

«Draussen und drinnen eine Wand zu durchsteigen,

sind zwei verschiedene Sportarten. In der Halle gibt es

keine objektiven Gefahren», stellt Ettlin fest und er-

gänzt:. «In der freien Natur sind die Griffe auch nicht

so schön rot markiert.» Dass Halle und Natur aber zu-

sammenspielen, weiss auch er und stellt fest: «Das Ni-

veau der Sportkletterer ist überall dort, wo es Trai-

ningshallen gibt, in den vergangenen Jahren fast

explosionsartig besser geworden.»

Inzwischen steigt eine Frau fast spielerisch leicht die

Wand empor, während ihr Partner sie am Boden si-

chert. Ganz offensichtlich ist dies nicht der erste Ver-

such dieser jungen Engländerin, einen künstlichen

Berg zu bezwingen. Auch vier junge Italiener sind

flink in der Wand unterwegs. Und aus den Boxen er-

tönt inzwischen «Black hole sun» der US-Grunge-Band

«Soundgarden» – passend zu diesem kaltfeuchten

Mittwochnachmittag.

Seit rund einem Jahr kann im Serlas Parc in S-chanf bei jedem Wetter geklettert werden: der künstliche Berg steht in der schützenden Halle. Diese Trainingsmöglichkeiten werden ge-schätzt, aber den echten Berg ersetzen sie nicht.

Ohne Blitz und Donner in der Wand

Page 37: piz Magazin No. 43

570 m2 künstlicher «Fels»Die Kletterhalle Serlas Parc in S-chanf bietet 570 Quadratmeter künstlichen «Fels» mit Routen in den unterschiedlichsten Schwierigkeitsgraden. Zusätzlich gibt es Boulderwände, an denen weder Seil noch Gurt benutzt werden. Im Serlas Parc werden Kurse in allen Stärkeklassen ange-boten. Mit «Flexclimb» gibt es in S-chanf eine Weltneuheit. Hier kann der Kletterer mit beweg-lichen Griffen und einer interaktiven Steuerung via Touchscreen seine individuelle Route sel-ber zusammenstellen. – Kletterwände gibt es auch in der Academia Engiadina in Samedan und im Hochalpinen Institut Ftan. Sie sind aber weitgehend für die Schulen reserviert. Übungs-wände gibt es ausserdem bei der Luftseilbahn Diavolezza, im Sportzentrum Vicosoprano und in Poschiavo in der Sporthalle «Palestra Sta. Maria».

Page 38: piz Magazin No. 43

Der Künstler der «Wildnis»Giuliano Pedretti (1924–2012) leistete mit seinem Engagement im Kulturarchiv Oberengadin wichtige Arbeit für das kulturelle Gedächtnis des Engadins. Sein künstlerisches Vermächtnis sichert ihm einen Platz in der Kunstgeschichte.

G iuliano Pedretti nannte das Engadin eine «Wildnis». Anschaulich schildert er sein Leben als Künstler und Jäger in den autobiografischen Notizen – nach-zulesen in der Monografie, die Ulrich Suter 2004 über den Künstler heraus-

gegeben hat. Als «barock» beschrieb er die Oberengadiner Berglandschaft und be-tonte den Gegensatz zu den «gotischen» Bergen des Bergells. Pedretti kannte ihre Schönheit und ihre Gefahren. Eine Lawine hatte im Winter 1951 das Elternhaus in Samedan zerstört. Bewusstlos wurde der junge Giuliano aus den Schneemassen geborgen und überlebte wie durch ein Wunder. Aus dieser existenziellen Erfahrung schöpfte er Kraft für das ganze weitere Leben. Eine geradezu unbändige Dynamik zeichnet sein Schaffen aus. In den Skulpturen manifestiert sich sein Erleben der Umwelt. Kühne Schrägen setzt er der gewohnten bildhauerischen Vertikalen entgegen. Wer in den Bergen wandert, erfährt durch die stets wechselnde Perspektive etwas von Pedrettis Weltsicht. Das Hochtal mit sei-ner Landschaft und Kultur, mit den Menschen und Tieren ist eine der Grundlagen, die sein Schaffen bestimmte. Pedretti galt als einer der letzten Vertreter der klassischen Moderne. Ein Kompliment eigentlich, doch hatte das manchmal auch etwas unausgesprochen Abwertendes; als ob die Kunst sein Schaffen längst überholt hätte. Das kümmerte ihn nicht. Gerne erzählte er Episoden aus seiner Bekanntschaft mit Alberto Giacometti, lieber jeden-falls, als sich um Ausstellungen seiner eigenen Werke zu kümmern. Pedretti lotete die Möglichkeiten der Kunstrichtungen aus: Der in Samedan aufge-wachsene Sohn von Turo Pedretti war Jäger, Sgraffito-Maler (grosses Weltbild in der Schule Samedan) und Plastiker (Neptun-Brunnen in Samedan, Löwen-Brunnen in Thusis). Im Januar starb er an den Folgen eines Verkehrsunfalls. (zVg/Th. Kaiser)

Giuliano Pedretti (1924–2012)im Andrea Robbi Museum Sils Mariaausgewählte Werke

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Page 39: piz Magazin No. 43

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Page 40: piz Magazin No. 43

40 piz 43 : Sommer | Stà 2012

Die beiden Trinkhallen in St. Moritz-Bad und

Nairs auf Tarasper Boden lottern dem Zerfall

entgegen. Die St. Moritzer Halle steht seit einem

halben Jahrhundert leer, statt Kurgäste behauste das

1864 erbaute Gebäude ein Moorlager des Heilbades ne-

benan, Rasenmäher und Gartengeräte. In Nairs ver-

bietet ein Schild den Zugang, steht doch die 1876 er-

baute und ebenfalls seit Jahren nicht mehr benutzte

«Kathedrale des Wassers» am Ufer des Inns direkt un-

ter brüchigem Fels, der abzustürzen droht. Doch jetzt

kehrt in beiden Orten neues Leben zurück  – in die

ehrwürdigen Hallen, die von der Zeit des blühenden

Engadiner Bädertourismus im 19. Jahrhundert zeugen.

In Scuol wurde die Kehrtwende, zum Quellort pas-

send, am UNO-Weltwassertag vom 22. März 2012 ein-

geleitet und der Verein «Pro Büvetta Tarasp» aus der

Taufe gehoben. Er möchte das unter Schutz stehende

nationale Baudenkmal sanft renovieren. Als erstes soll

der Hang gesichert und die Felssturzgefahr gebannt

werden. In einem zweiten Schritt wäre das architekto-

nische Juwel zu sanieren. Wobei der Investitionsbe-

darf geschätzte acht bis zehn Millionen Franken be-

trägt, die der Verein durch Beiträge von Institutionen,

Kulturstiftungen und privaten Mäzenen decken will.

In St. Moritz ist man einen Schritt weiter, sind doch

dort die Finanzen bereits gesprochen. Im März 2012

stimmten die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger

einem Kredit von 4,48 Millionen Franken für die Sa-

nierung und Erweiterung des Gebäudes zu und gaben

grünes Licht zur Rettung des «Paracelsusgebäudes» in-

klusive eines Erweiterungsbaus.

Wasserkuren heuteDoch weder im Unter- noch im Oberengadin führt der

Weg zurück zur reinen Trinkhaus-Kultur. Die Zeiten

sind passé, in denen Touristen in die Berge pilgerten,

einzig, um dort Wasser direkt ab dem Quell zu verkos-

ten. Mineralwasser gibts heute jederzeit und überall in

Flaschen abgefüllt – fernab der Quellen. Darum sind

für die kulturhistorisch wichtigen Häuser des Wassers

neue Nutzungen gefragt.

Richten wir unseren Blick zuerst nach St. Moritz-Bad,

der Geburtsstätte des Bädertourismus im Oberenga-

din. Seiner Heilquellen wegen verwandelte sich das

einstige Bauerndorf im 19. Jahrhundert in den mon-

dänen Bäderkurort mit internationaler Ausstrahlung.

Paracelsus’ LobDas Areal aus Zeiten des Heilbädertourismus mit Bad,

Grand Hotel, Kurzentrum, Konzertsaal und Trink-

halle war Visitenkarte des Ortes. Paracelsus hatte die

Qualität des St. Moritzer Wassers schon 1539 in sei-

nem Werk «De Morbis Tartareis» gelobt: «Ich ziehe

den Sauerbrunnen allen anderen Sauerbrunnen, die

mir in Europa bekannt sind, vor, den ich im Engadin

bei St. Moritzen fand und dessen Quelle im August

essig sauer hervor läuft. Der, welcher dieses Wasser als

Arznei trinkt, erlangt seine Gesundheit und wird nie-

mals weder Stein noch Sand, weder Podagora (Gicht)

noch Gelenksucht verspüren.» Dieses Lobes wegen

steht in St. Moritzer das «Paracelsusgebäude».

Heute ist vom einstigen Ensemble nur noch die Trink-

halle übrig geblieben. Und seit die Quelle um 1920

versiegte, fiel das «Parcelsusgebäude» in einen Dorn-

röschenschlaf. Heute, nach fast 100 Jahren, wird der

letzte Zeuge der St. Moritz Bäderkultur zu neuem Le-

ben erweckt. Nach der im Sommer 2014 geplanten

Wiederinbetriebnahme steht die Trinkhalle ganz im

Zeichen der Kultur und des Trinkens. Sie wird zum

Veranstaltungsort für Konzerte, Lesungen und Aus-

stellungen ausgebaut und im Museumsteil die Ge-

schichte des Wassers und des Kurens erzählen, von der

Bronzezeit bis in die Gegenwart. Die dafür notwen-

dige Besucher-Infrastruktur wie Garderoben, kleines

Office und sanitäre Anlagen bringt das den Umbau lei-

tende Architekturbüro Ruch & Partner in einem sepa-

Ad fontes – Wasser wieder entdecken

Text: Daniela Schwegler

Fotos: Archive

Zurück zu den Quellen: St. Moritz-Bad und Scuol-Tarasp besinnen sich ihrer Heilwassertradi-tion. Sie wollen ihre Trinkhallen als architektonische Zeugen mit neuen Inhalten füllen. Man hofft auf eine sprudelnde Zukunft.

Page 41: piz Magazin No. 43

2

4

5

1

3

1 Wasserkuren waren noch kurz vor dem Zweiten Weltkrieg in Tarasp ein ge-sellschaftliches Ereignis.

2, 3 Auf der Postkarte lockte der Spring-brunnen und auf der Europakarte der Werbung lag damals Tarasp im Zentrum Europas.

4 Die drei Quellen in der Büvetta Nairs, inszeniert wie in einer Kathedrale.

5 Das damalige «Grand Hotel Kurhaus Tarasp», noch ohne das 1913 erbaute Kurmittelhaus Nairs neben der Brücke.

Page 42: piz Magazin No. 43

42 piz 43 : Sommer | Stà 2012

ERNST BROMEISWichtiger Mittdenker bei der Wiederbelegung der Büvetta

Nairs ist Ernst Bromeis. Der aus Ardez stammende Sportler

und Aktivist will hier ein Was-ser-Kompetenzzentrum ein-richten: «Ich möchte das Be-

wusstsein der Menschen schärfen, denn Wasser ist unser

Lebenselixier. Und den Umgang damit müssen wir lernen.»

raten Anbau unter, damit die Trinkhalle möglichst im

Originalzustand erhalten bleibt. «Wir wollen die

Trinkhalle schonungsvoll in eine neue Zeit herüber-

retten», so Projektleiter Stefan Lauener, «indem wir

die Patina leben lassen und das Gebäude mit Zurück-

haltung und Achtung vor der Bausubstanz sanieren.»

Urgeschichtliche QuellfassungDas renovierte Haus des Wassers wird auch Platz bie-

ten für die hölzerne, bronzezeitliche Fassung der Mau-

ritiusquelle, die vor 3500 Jahren gebaut wurde und auf

die die St. Moritzer mit Fug und Recht stolz sind. Diese

Quellfassung ist «für ganz Mitteleuropa ein einzigar-

tiges Zeugnis der urgeschichtlichen Bautechnik», sagt

Mathias Seifert vom archäologischen Dienst Grau-

bündens. Seit 1907 lagerten die mächtigen ausgehöhl-

ten Lärchenstämme und die ineinandergesetzten

Bohlen- und Rundholzkasten allerdings im Dunkel

des Kellergeschosses des Engadiner Museums. Dort

fristeten sie zwar ein Schattendasein, blieben aber

dank des guten Raumklimas optimal erhalten. Wie

schon die Jahrtausende zuvor. Dank der konservie-

renden Wirkung des Quellwassers und dem Mantel

aus Lehm befindet sich das Prunkstück in einem so

guten Zustand, als wäre es erst vor kurzer Zeit verbaut

worden. «Das Holz ist steinhart. Man sieht noch jeden

Hieb des Beils», berichtet Mathias Seifert.

Dies im Gegensatz zu vielen Pfahlwasserbauten aus

der Stein- und Bronzezeit, die zwar über das Label ei-

nes Unesco-Weltkulturerbes verfügen, aber nicht im

gleich guten Zustand erhalten sind und aufwendige

Konservierungsmassnahmen nötig haben. Mit der

St. Moritzer Trinkhallen-Renovation kommt auch die

uralte Quellfassung zu neuem Ruhm und zu Ehren.

Sie wird den Besucherinnen und Besuchern in der re-

novierten Halle neu präsentiert. Heilwasser wird man

von ihr allerdings nicht mehr direkt verkosten kön-

nen, dafür aber ab einem neuen Trinkbrunnen.

Pro Büvetta will Nairs rettenGrosse Pläne für die alte Trinkhalle hegt man auch im

Unterengadin. «Nairs und die Region Unterengadin

sollen das Wasserzentrum Nummer eins der Schweiz

werden», sagt Architekt Christof Rösch, der als künst-

lerischer Leiter des Zentrums für Gegenwartskunst in

Nairs jahrelange Basisarbeit geleistet hat. 2013 wird

das frühere Kurmittelhaus saniert. Und sobald die nö-

tigen Millionen zusammen sind, die Trinkhalle auf

der anderen Seite des Flusses. Doch eigentlich träu-

men die Initianten in Nairs davon, das gesamte Ge-

bäude-Ensemble am Fusse des Inns einer neuen Nut-

zung zuzuführen – samt dem zurzeit leerstehendem

Hotel «Palace», der Villa nebenan und dem Quell-

häuschen. «Nairs soll zum Zentrum mit internationa-

ler Ausstrahlung werden, das die Menschen zum

Thema Wasser führt», skizziert Rolf Zollinger, ehema-

liger Hotelier aus Vulpera, eine Zukunft des Unteren-

gadiner Ortes. «Die ganze Welt soll hier wieder zusam-

menkommen und es soll ein Anziehungspunkt für die

interdisziplinäre Forschung zum globalen Thema

Wasser entstehen.»

Ernst Bromeis als ZugpferdWichtiger Drahtzieher und Mitdenker ist auch Ernst

Bromeis, der mit seinem Projekt «Das blaue Wunder»

international bekannt geworden ist und zum offiziel-

len Wasserbotschafter der Region gewählt wurde. Seine

Wassertrilogie hatte der aus Ardez stammende Bromeis

2008 begonnen. Er schwamm damals durch 200 eis-

kalte Bündner Seen. 2010 schwamm er 300 Kilometer

in den grössten Gewässern der Schweiz. Diesen Früh-

ling wollte er den Rhein von der Quelle bis zur Mün-

dung durchschwimmen, musste aber aufgeben.

Künftig will er neben neuen Expeditionen sein Wis-

sen in den Dienst des geplanten Wasserzentrums in

Nairs stellen, das hier in der Trinkhalle Tarasp optimal

verankert wäre. Das Wasserzentrum soll, ähnlich dem

76

6, 7 Das Paracelsusgebäude in

St. Moritz-Bad, einst Teil einer

grossen Trinkhallen-Anlage.

Heute steht nur noch der Zent-

ralbau. Er wird nun zum Kultur-

zentrum und Museum.

Page 43: piz Magazin No. 43

43piz 43 : Sommer | Stà 2012

World Economic Forum WEF in Davos, ein Ort mit

weltweiter Ausstrahlung werden. Bromeis schwebt

vor, dass sich hier Verantwort liche aus Wirtschaft und

Politik zum Thema Wasser austauschen können und

Forscher gemeinsam nach Lösungen suchen. Gleich-

zeitig soll das Kompetenzzentrum fest in der Region

verankert sein. Auch Schülerinnen und Schüler sollen

sich mit dem Thema Wasser auseinandersetzen kön-

nen, «denn ich möchte das Bewusstsein der Men-

schen schärfen. Wasser ist unser Lebenselixier. Und

den Umgang damit müssen wir lernen», so die Ziele

des Rekordschwimmers.

Wie genau der neue Verein Pro Büvetta Tarasp, das be-

stehende Zentrum für Gegenwartskunst, Gemeinde

und Tourismus in Nairs dereinst zusammenspannen,

wird sich in den nächsten Monaten weisen. «Es geht

um eine Neuinterpretation vorhandener Qualitäten»,

sagt Christof Rösch, «denn Nairs hat ein enormes Po-

tenzial. Es ist einer der sakralsten Orte des ganzen Un-

terengadins.» Nachdem die Sanierung der Trinkhalle

mit dem Verein Pro Büvetta gut aufgegleist sei, gelte es,

inhaltlich weiterzuarbeiten und an einer künftigen

Bespielung des Ortes zu feilen. Falls es gelinge, finanz-

starke Geldgeber für den Kauf des Hotels Palace zu ge-

winnen, hätten Hotel- und Kunstbetrieb natürlich

ganz neue Perspektiven.

In einer Zeit, in der rund vierzig seelenlose Retorten-

siedlungen als Resorts im Alpenraum in Planung

seien, in die Milliarden gesteckt werden sollen, sei das

«historische Resort Nairs» ein Schatz, den man nur he-

ben müsse. «Es ist ein unglaublich energiereicher Ort,

der sich aus seiner 150-jährigen Geschichte nährt, aus

seinen reichen Quellen, und aus der Kulturarbeit, die

wir hier in den letzten Jahren geleistet haben und

auch weiter leisten», sagt Christof Rösch und ist über-

zeugt, «dass immer mehr Leute vom 0815-Wellness-

Resort-Tourismus genug haben.» Denn der sehe auf

der ganzen Welt gleich aus. «Unser traditionsreicher

Ort direkt an den Quellen ist deshalb einzigartig. Wir

müssen ihn nur neu beleben.

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Page 44: piz Magazin No. 43

44 piz 43 : Sommer | Stà 2012

Der Berg schnauft, ein kühler Luftzug streicht

durch den Stollen. «Wenns draussen warm ist,

ziehts die Luft hinauf», erklärt Davide Mazzuc-

chi, «bei Kälte drückt sie nach unten.» Der Kraftwerks-

mitarbeiter geht voran, die Leuchtfarben seines Ar-

beitsoveralls kämpfen gegen das Grau an, das alles zu

verschlucken droht. Links schimmert geheimnisvoll

die Druckleitung, verliert sich tiefer drin im Berg. Ein

leichter Schauder läuft den Rücken hinunter. Es ist

kühl, zehn Grad bloss, jahrein, jahraus. In regelmässi-

gem Abstand weist eine Glühbirne den Weg. Die Lei-

tung ist etwa hüfthoch, zusammengesetzt aus drei

Meter langen Rohrstücken. Über vier Kubikmeter

Wasser schiessen hier jede Sekunde durch, wenn die

Anlage unter Volllast läuft. Tropfen überall an der Lei-

tung. «Die Leitung schwitzt», beruhigt Mazzucchi.

Kein Grund zur Sorge, jede Schweissnaht sei einzeln

geprüft und geröntgt worden.

Der 54-Jährige bewegt sich im Berg drin so unbefan-

gen wie jeder andere an seinem Arbeitsplatz auch. Vor

38 Jahren hat er sich an die Arbeit im Stollen gewöh-

nen müssen. Als Maschinenschlosserlehrling bei der

Kraftwerksgesellschaft Forze Motrici Brusio in Cam-

pocologno, einer der Vorgängergesellschaften des

heutigen Unternehmens Repower, gings zum ersten

Mal in einen Druckstollen hinein. Ein ziemliches

Abenteuer sei das gewesen, erinnert sich der graume-

lierte Fachmann, man habe damals viel mehr impro-

visiert als heute.

Druck, Klappen, Schalter und SchmierungSeine Arbeitstage beginnen mit einem morgendli-

chen Kontrollgang im Berg. Dutzende von Stellen gilt

es zu überwachen: Drosselklappe, Schutzschalter, Tur-

binenschmierung, Ölstand, Wasserdruck, Generator-

kühlung, Temperaturfühler. Da heisst es Messwerte

ablesen, Luft ablassen, auf aussergewöhnliche Geräu-

sche horchen und Einstellungen anpassen. Ein Zwei-

erteam teilt sich jeweils auf die benachbarten zwei An-

lagen auf, die zusammen so viel Strom produzieren,

wie 6000 Haushalte verbrauchen. «Der eine über-

nimmt das Kraftwerk Cavaglia, der andere das höher-

gelegene Kraftwerk Palü.» Sagt’s, nimmt ein Notlicht

von der Halterung in der Wand, setzt den Helm auf

und besteigt die Stollenbahn. Ein Warnton und los.

Tief im Berginnern überwindet die Bahn 220 Meter

Höhenunterschied entlang der 800 Meter langen

Druckleitung. An der steilsten Stelle schlägt das mit

einer achterbahnähnlichen Steigung von 71,5 Pro-

zent zu Buche. Bei Führungen kehren manche gleich

wieder um: «Platzangst – die halten das nicht aus.»

Zum Mittagessen raus an die SonneAuch Kraftwerksprofis ist es nicht immer ganz geheuer

im Berg drin. Das zeigt sich bei Revisionsarbeiten,

zum Beispiel an den Pumpen in der unterirdischen

Kaverne des Kraftwerks Palü. Die Stollenbahn ist oben

angekommen. Ein paar Schritte sind es zur Kaverne,

wo das Wasser weiter in den Speichersee hochge-

pumpt wird. Drei Monate lang wird bei einer Revision

in diesem geräumigen Raum mit seinen mannshohen

blauen, gelben und roten Installationen und Rohren

gearbeitet, vierzig Meter unter Tag. Bloss zwischen-

drin, zum Mittagessen, fährt man hinauf ans Sonnen-

licht. Trotz guter Beleuchtung schlage der Druck des

Bergs manchem aufs Gemüt, sagt Mazzucchi, «den

schicken wir dann alle zwei Stunden hoch an die fri-

sche Luft».

Hat der Stollenkoller auch ihn schon heimgesucht?

Theatralisch hebt Mazzucchi die Hände, doch sein

Gesicht lacht dazu: «Bis jetzt zum Glück nicht!» Den-

noch gibt es Tage, die der Familienvater nie vergessen

wird. Den 17. Juli 1987 zum Beispiel. Kurz vor Arbeits-

schluss sah er eine Schnecke, die im Druckstollen an-

derthalb Meter die feuchte Wand hochgekrochen war.

Das gabs zuvor noch nie. Am Tag darauf über-

Auch tief im Fels muss alles klappen

Text und Fotos:

Thomas Müller

Die Arbeit beim Energieunternehmen und Stromproduzenten Repower führt Davide Mazzuc-chi tief ins Bernina-Massiv. Unter Tag kontrolliert er den Druckstollen und bei Revisionsarbei-ten in den unterirdischen Kavernen ist er ein gefragter Spezialist.

Page 45: piz Magazin No. 43

45piz 43 : Sommer | Stà 2012

Ökostrompfad Ospizio BerninaDer Ökostrompfad führt in einer rund zweieinhalb-

stündigen Wanderung vom Bahnhof Ospizio Bernina

bis zum Gletschergarten in Cavaglia. Dort sind die

«Marmitte dei Giganti» zu sehen, die riesigen Wasser-

löcher («Gletschermühlen») aus prähistorischer Zeit.

Unterwegs trifft man auf zwölf Informationstafeln,

die in Deutsch und Italienisch Wissenswertes über die

Stromproduktion, über die Geologie, die Geschichte

und Technik berichten. Auch die vor über hundert

Jahren gebaute Berninabahn wird vorgestellt, denn

die Elektrifizierung des Tals ist eng mit dem Bahnbau

verbunden. Am landschaftlich reizvollen Weg liegen

die beiden Kraftwerke Palü und Cavaglia. Der Öko-

strompfad ist von Juni bis Oktober frei zugänglich.

Weitere Informationen zum Thema finden Sie unter:

www.valposchiavo.ch (Suche mit Stichwort Ökostrom-

pfad), www.ghiacciai.info

schwemmte ein verheerendes Hochwasser das Pusch-

lav, ausgelöst durch Murgänge im tiefer liegenden Val

Varuna nach ungewöhnlich starken Regenfällen.

Stehen keine Unterhaltsarbeiten an, geht es nach dem

morgendlichen Kontrollgang wieder an die Bergober-

fläche. Oft stehen dann Arbeiten in der Werkstatt in

Cavaglia auf dem Programm, wo die Kraftwerksmitar-

beiter bei Tageslicht und begleitet von Radio Engia-

dina Ersatzteile fertigen: Zylinder, Kolben oder Ven-

tile, die sich durch Sand und Wasser abgenutzt haben.

Der Hersteller kann nicht weiterhelfen, bei ihm sind

keine Pläne mehr vorhanden, die Anlagen stehen aber

auch schon seit 1927 in Betrieb.

Das stolze Betriebsgebäude in Cavaglia erinnert an die

Zeiten, als hier auf 1703 Metern über Meer noch das

Betriebszentrum für alle Kraftwerke im Tal stand. In

drei Schichten wurde hier gearbeitet, vierzig Familien

lebten im Weiler, der ganzjährig nur durch die Berni-

nabahn erschlossen ist. 1974 wurde die Leitzentrale

nach Robbia verlegt und auf Fernsteuerung umge-

stellt. Die Berninabahn und der Stromversorger sind

miteinander gross geworden. 1907 ging an der Grenze

zu Italien in Campocologno das grösste Hochdruck-

wasserkraftwerk Europas ans Netz, das den Gleich-

strom für die 1910 eröffnete Berninabahn lieferte.

Umgekehrt wäre der spätere Bau der Kraftwerke Ca-

vaglia und Palü ohne die Materialtransporte per Bahn

nicht möglich gewesen.

Über dem Pumpenraum liegt das senkrecht in den

Berg gebaute Kraftwerk Palü. Davide Mazzucchi öff-

net die Tür zum untern Raum. Die Turbine schnurrt

sanft. «Knapp halbe Last», erkennt der Spezialist mit

geübtem Ohr. Die Konstruktion sei weltweit einzigar-

tig, sagt er. Unten dreht eine Francis-Turbine und 35

Meter weiter oben an der selben Achse eine Pelton-

Turbine. So wird die Kraft des Wassers gleich doppelt

genutzt. Das ungewöhnliche Kraftwerk soll deshalb

als historisches Zeugnis erhalten bleiben, wenn die

Nachfolgeranlage, das Kraftwerksprojekt «Lagobi-

anco», in voraussichtlich zehn Jahren verwirklicht

sein wird. Hoch mit dem Lift und raus vor die Tür.

Mazzucchi blinzelt im Tageslicht, atmet durch. Er ist

auch hier in seinem Element. Als Jäger liebt er den

Berg im Sonnenschein mindestens ebenso sehr.

1 2

1 Davide Mazzucchi kontrolliert

tief im Berg, ob Druck,

Klappen, Schalter und Schmie-

rung in Ordnung sind.

2 Kraftwerkszentrale Cavaglia

Page 46: piz Magazin No. 43

Die Kraft von SOGLIOund der Duft der Berge

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«Geht die Welt am 21. 12. 2012wirklich unter?»

Gemäss einer Deutung des Maya Kalenders steht im Dezember 2012 der Weltuntergang bevor. Doch: Kann die Welt überhaupt unter-gehen? Können die stärksten Erdbeben, Vul-kanausbrüche und Flutwellen die Erde zer-stören? Gab es überhaupt schon Weltunter-

gänge? Der Churer Geologe Markus Weidmann geht diesen Fragen nach und erläutert aus einer

ganzheitlichen Sichtweise Entstehen und Verge-hen der Welten.

Wir laden Sie herzlich ein:• Vnà: 24. August, 20.00 Uhr

Hotel/Restaurant Kultur Piz Tschütta• Chur: 20. September, 20.00 Uhr

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Geologe Markus Weidmann beantwortet die Frage aus erdwissenschatlicher Sicht. Bücher zum Thema im «Buchzeichen»

Vazerolgasse 1, 7000 Churwww.buchzeichen-chur.ch

Page 47: piz Magazin No. 43

GEFISCHT – GEJAGT – VEREDELT

Laudenbacher bietet in seinen Verkaufsgeschäften in

St. Moritz-Bad und La Punt Chamues-ch eine grosse

Auswahl bester Fleisch-, Wurst- und Fischspezialitäten

an, darunter drei Sorten Siedwürste, bis 20 Sorten Rohwürste

und 15 Sorten Trockenfleisch, Engadiner Wildsaibling und

Alaska-Wildlachs. Alles hausgemacht! Weitere Produkte wer-

den von erlesenen Manufakturen der Region bezogen: Angus

Beef, Nusstorten, Birnbrote, Geiss-, Schafs- und Alpkäse, Ho-

nig, Schnäpse. Im Sortiment im Geschäft in St. Moritz-Bad findet

man zusätzlich Wein aus dem Veltlin und der Bündner Herr-

schaft, Engadiner Bier und Soglio-Produkte. Attraktive Ge-

schenkkörbe werden nach Kundenwunsch zusammengestellt –

sie sind das ganze Jahr über ein willkommenes Präsent.

Die Wurzel des Familienbetriebs Laudenbacher ist eine Fleisch-

veredlerei in La Punt Chamues-ch. Seit über 40 Jahren, in

zweiter Generation, werden hier Salsiz, Siedwürste und Trocken-

fleisch mit Liebe und Leidenschaft zubereitet. Diese Spezialitäten

gibt’s vom Rind, Schwein, Lamm, Hirsch und Reh, von der Gams

und vom Steinbock. Das Fleisch wird teils luftgetrocknet, teils

geräuchert. Beim Räuchern macht es die Mischung des Holzes

aus: dafür werden Arve, Lärche und Tanne aus einheimischen

Wäldern verwendet. Im Frühling und im Herbst wird der Holzkel-

ler aufgefüllt. Für Riccardo Laudenbacher ist es «immer wieder

eine willkommene Abwechslung, mal wieder einen Tag zu hol-

zen». Er sägt und spaltet das Holz, lagert es anschliessend zwei

Jahre im Wind des Chamuera-Tals zum Trocknen. Je nach

Produkt, Temperatur und Menge verwendet er zum Räuchern

eine andere Holz- und Rindenmischung. Ein kleines Feuer in der

Ecke der 300-jährigen Rauchkammer brennt langsam vor sich

hin – es verleiht den Produkten den einmaligen Geschmack.

Jeweils von Mai bis Juli sind Laudenbachers oft am Lej da Li-

vigno anzutreffen, begleitet von Chico und Joja, den beiden

schwarzen Retriever-Hunden. Sie fischen dort vor allem Saib-

linge, den wohl feinsten Süsswasserfisch. Roh als Carpaccio mit

etwas frischer Zitrone und Pfeffer, in Butter gebraten oder leicht

geräuchert gelten Wildsaiblinge als wahre Delikatesse.

Im Juli reisen Laudenbachers jeweils nach Alaska, um edle

Rotlachse, wilde Pinklachse oder gewaltige Königslachse zu fi-

schen. «Ein riesiges Wohnmobil, ein saftiges Angussteak, ein

kühles Alaskan-Amber-Bier und ein Schluck Iva aus der Heimat

machen dort am Lagerfeuer den Tag perfekt», schildert Ric-

cardo Laudenbacher. Der begehrte Lachs wird in die Schweiz

importiert und anschliessend im Engadin selbst geräuchert.

In der Jagdsaison verarbeitet Laudenbacher bis zu 200 Tiere,

der grosse Teil für die Jäger selbst. «Gutes Geld für gutes Wild!»

Der Metzger kauft dann Hirsch, Reh und Gamsfleisch und mit

etwas Glück gibts im Oktober sogar den einen oder anderen

Steinbock. «Ist das Wild einheimisch?» Diese Frage braucht

man im Laden gar nicht erst zu stellen. Jedes Stück kann hier

bis zum Jäger zurückverfolgt werden. Als Kunde lohnt es sich,

früh in der Jagdsaison vorbeizukommen, denn Reservationen

nimmt man nicht gerne entgegen. Wer zuerst da ist, bekommt

die besten Stücke: «Es hat, so lange es hat.»

Der Laden in La Punt (Plaz 2) ist montags und donners-

tags das ganze Jahr über offen. Weitere Öffnungszeiten

und wann der Laden in St. Moritz-Bad (Gallerie, Via Te-

giatscha 7) geöffnet hat, erfährt man unter:

www.laudenbacher.ch

[email protected]

Tel.: +41 (0)81 854 30 50

In den beiden Spezialitätengeschäften Laudenbacher in St. Moritz-Bad und La Punt Chamues-ch kommt der wilde Geschmack des Engadins in die Regale.

piz : Publireportage

Page 48: piz Magazin No. 43

48 piz 43 : Sommer | Stà 2012

Wann ist ein Dorf eine Stadt? Nun, rein nume-

risch gilt: Eine Stadt hat mehr als 10’000 Ein-

wohner. Dazu kommen noch ein paar Attri-

bute: In einer Stadt herrscht häufig ein Verkehrschaos,

sind die Bodenpreise markant höher als auf dem Land.

Eine Stadt hat Industriebrachen, oft eine Pres tigemeile

und es werden dauernd Ereignisse inszeniert. Und ei-

nen Hauch von Welt erhält eine Stadt schliesslich

dann, wenn man sie direkt mit dem Flugzeug errei-

chen kann.

Das Oberengadin ist eine Stadt. In den elf Gemeinden

leben etwa 18’000 Menschen. Fast 100’000 sind es in

der Hochsaison – und den definitorischen Rest kennt

man im Hochtal auch: Verkehrsprobleme, hohe Bo-

denpreise, Industriebrachen (leere Hotels), Prestige-

meile, Flughafen. Das Oberengadin hat aber auch

Qualitäten einer Geisterstadt. Denn im Durchschnitt

fast 60 Prozent aller Wohnungen zwischen Sils und S-

chanf sind Zweitwohnungen, die während gut zehn

Monaten im Jahr ungenutzt sind. Das hat zur Folge,

dass ganze Quartiere die meiste Zeit des Jahres wie

ausgestorben sind. Die Infrastruktur aber muss auf die

Spitzenauslastung ausgerichtet werden. Zweitwoh-

nungen sind somit nicht nur eine ineffiziente, son-

dern auch eine teure Beherbergungsform, spülen den

Gemeinden aber via Gebühren und Steuern Millio-

nen in die Kassen. St. Moritz zum Beispiel, quasi die

City dieser Stadtlandschaft, hat ein Eigenkapital von

über 100 Millionen Franken.

Unterschiedlich starkes UnbehagenDas sind ein paar Fakten zum Oberengadin, die nie-

mand bestreitet. Nur das Unbehagen darüber mani-

festiert sich sehr unterschiedlich. Wohl wurde in den

letzten Jahren hier und dort versucht, diese Entwick-

lung in den Griff zu bekommen – allerdings nicht

überall mit Erfolg. 2005 kam es dann zu einer kleinen

Sensation. Obwohl von sämtlichen Gemeindepräsi-

denten und dem regionalen Gewerbe bekämpft,

stimmten die Oberengadiner mit fast 72 Prozent einer

Kreisinitiative zu, die den Zweitwohnungsbau auf

jährlich rund hundert Wohnungen begrenzen will.

Seit 2009 ist das Gesetz in Kraft, doch seit dem

11.  März 2012 und der neuen Verfassungsbestim-

mung, wonach der Zweitwohnungsanteil in einer Ge-

meinde die 20-Prozent-Marge nicht überschreiten

darf, ist eh alles anders. Kein Zweifel: Bauen in den

Bergen wird in den nächsten Jahren schwieriger.

Geplant – und trotzdem zugebaut

Text: Marco Guetg

Karten: Swisstopo

18’000 ständige Bewohner und 100’000 in der Hochsaison: Die Agglomeration Oberengadin wirft raumplanerische Fragen auf. Die Planungen hätten wenig genützt, sagt Architekt Robert Obrist. Ohne Pläne sähe es schlimm aus, kontert der Kantonsplaner Cla Semadeni.

1950 1985 2009

Page 49: piz Magazin No. 43

49piz 43 : Sommer | Stà 2012

Landeskarten reproduziert

mit Bewilligung von swisstopo

(BA120218).

Hat die Planung gewirkt?Wir nutzen den Moment der Zäsur für einen Rück-

blick. Seit Ende der 1960er-Jahre hat Graubünden ein

Raumplanungsgesetz. Mit Blick auf den verbauten Ist-

Zustand stellt sich die Frage: Wie weit hat das Gesetz

diese Entwicklung wirklich lenken können? Wir fra-

gen Robert Obrist, den St. Moritzer Architekten und

Planer und seit den 1960er-Jahren immer auch ein un-

bequemer Zwischenrufer. Zuerst hält er fest: «Ende der

1960er-Jahre haben wir die Regionalplanung Oberen-

gadin gegründet – gegen den Willen der Politiker. Vie-

les ist seither erreicht worden, wenn auch nichts be-

sonders Visionäres. Immerhin haben wir inzwischen

regionale Richtpläne.» Aber letztlich renne der Planer

der Realität stets ein bisschen hinterher.

Einspruch aus Chur. Er kommt von Cla Semadeni,

dem Leiter des Kantonalen Amtes für Raumentwick-

lung: «Das Gegenteil ist richtig! Nicht der Planer rennt

der Realität hinterher, sondern die planerischen Mit-

tel haben immer Vorwegwirkungen.» Semadeni

nennt Beispiele: «Dank ausgeschiedenen Gefahrenzo-

nen werden Fehlinvestitionen vermieden, über Bau-

zonenstrukturen werden bestimmte Überbauungsbil-

der erhalten oder weiterentwickelt, über Baugebiets-

abgrenzungen werden wichtige Grundlagen für land-

wirtschaftliche Meliorationen geschaffen.»

Stockwerkeigentum als Grundübel«Planung ist ein Prozess», sagt Robert Obrist. Deshalb

sei es müssig, den Willen zur Gestaltung mit dem Re-

sultat zu vergleichen: «Wer glaubt, dass man heute et-

was plant und dann zehn Jahre seine Ruhe hat, irrt. Al-

les bewegt sich.» Als Beispiel nennt er das

Stockwerkeigentum. Für Robert Obrist ist es der Dreh-

und Angelpunkt der Entwicklung im Oberengadin

der letzten vierzig Jahre. «Als wir in den frühen

1960er-Jahren mit der Planung begannen», sagt Ob-

rist, «kannte man das Stockwerkeigentum noch

nicht.» Und als es dann als neue und für viele Men-

schen finanzierbare Variante zum Erwerb von Eigen-

tum aufkam, fand man es «aus sozialen Überlegungen

richtig». Doch niemand habe sich überlegt, welchen

Einfluss das Stockwerkeigentum auf das Berggebiet

hat. Einen guten, weil Eigentum und Einkommen ge-

schaffen werden, «oft aber einen verheerenden – vor

allem dort, wo zu viel Fremdkapital in ein Gebiet

fliesst wie im Oberengadin», so Obrist.

Neue Perspektiven für die PlanerDiese sichtbaren Auswüchse sind für Obrist letztlich

der Grund, weshalb die Zweitwohnungsinitiative an-

genommen worden ist. «Der Schweizer ändert nichts,

wenn er das Gefühl hat, es funktioniere ja noch eini-

germassen.» Es sei ein «Armutszeugnis», dass eine

Einzelperson wie Franz Weber so etwas hinkriege. Die

regionale Politik sei in all den Jahren nicht imstande

gewesen, das Problem anzupacken. «Ein Planer mit

Visionen, wie sie Franz Weber hat», sagt Obrist, «wäre

von den Gemeinden gleich in die Wüste geschickt

worden.» Auch die Kreisinitiative von 2005, die eine

Kontingentierung des Zweitwohnungsbaus im Ober-

engadin vorschreibt, wurde letztlich von einer klei-

nen, privaten Gruppe lanciert.

Während die Politik aufschreit, ist Robert Obrist nun

zufrieden: «Jetzt haben die Planer eine langfristige

Perspektive, und das ist neu.» Einspruch aus Chur.

«Dieser Verfassungszusatz hat nichts mit Raumpla-

nung zu tun», kontert Cla Semadeni, «weil Raumpla-

nung nichts mit einem sektoriellen Verbot zu tun hat.

Sie hat vielmehr die Aufgabe, die Ansprüche an den

Raum zu lenken, und nicht, sie in gut und schlecht

auszuscheiden.» Der Zweitwohnungsbau sei schon in

den 1970er- und 1980er-Jahren ein Thema gewesen.

Nur habe man ihn damals nicht a priori als schlecht

eingestuft, sondern als eine Erscheinung, «die man

aufnimmt und gezielt steuert». Was jetzt auf demokra-

1951 1985 2008

Page 50: piz Magazin No. 43

50 piz 43 : Sommer | Stà 2012

tische Weise entschieden wurde, laufe mittelfristig

auf einen Zweitwohnungsstopp hinaus, das habe mit

den «Grundsätzen der Nachhaltigkeit» nichts zu tun.

«Die Gemeinden haben viele kleine Probleme», sagt

Obrist, «aber räumliche Entwicklung im Engadin

hängt eng mit dem unseligen Zweitwohnungsbau zu-

sammen. Sogar Hotels seien vor Jahren von reichen

Italienern aufgekauft worden, «weil die Investoren da-

mals hofften, auch darin Zweitwohnungen bauen zu

können». Befriedigt schliesst Obrist mit dem Nach-

satz: «Das geht jetzt nicht mehr.»

Doch was vorhanden ist, bleibt. Und darauf wirft Ob-

rist einen anderen Blick. «Im Oberengadin stehen

ziemlich genau 10’000 Zweitwohnungen, die im

Schnitt vier bis sechs Wochen belegt sind und rund elf

Monate leer stehen. Die Hälfte dieser elf Monate ist

hier Winterzeit.» Er rechnet vor: «Wir heizen 10’000

mal fünf Monate, 50’000 Monate! Das ist – unabhän-

gig von der Wirkung dieser Bauten auf die Land-

schaft – eine ökologische und ökonomische Idiotie.»

Das Dorfgefühl als LandschaftsretterWir schauen auf den verbauten Ist-Zustand und fragen

weiter. Hat die Planung wirklich gegriffen? Es antwor-

tet der Pragmatiker Obrist: «Ohne Diskussion: Es

wurde zu viel gebaut, doch man hat das im Engadin

verhältnismässig gut gemacht. Das hat mit den ge-

schlossenen Dörfern zu tun. Die Rätoromanen, die

hier aufgewachsen sind, haben ein gutes Dorfgefühl.»

Wurden in den Gemeinden zu grosse Bauzonen ausge-

schieden? Tatsächlich habe man bis vor ein paar Jah-

ren die Bauzonen «immer ein bisschen grösser als nö-

tig gemacht», sagt Obrist. Jetzt gelte aber die Devise:

«Mehr nach innen bauen – ein richtiger Entscheid für

das Engadin mit seinen vielen Dörfern.»

Die Relativierung kommt aus Chur. Nicht allein die

Siedlungsstruktur sei die Retterin der Dörfer, so Cla

Semadeni. Er windet auch der Planung ein Kränz-

chen: «Dass St. Moritz in den letzten Jahren überhaupt

nicht nach aussen, sondern nach innen gewachsen ist,

ist das Resultat von planerischen Dispositionen, die

vor etwa zwanzig Jahren getroffen worden sind.»

Das Tempo ist gebremstWas vorhanden ist, bleibt, doch was kann noch wer-

den  – aus den Dörfern, in den Skigebieten, mit den

Bergen? «Nach dem 11. März», so Obrist, «wird die Re-

gion nicht mehr in diesem Tempo weiterwachsen.»

Aber letztlich hänge wieder alles vom Geld und der Po-

litik ab: «Kommt weiterhin viel Geld ins Tal, muss die

Politik Gegensteuer geben.» Was mit der Landschaft

geschehen kann? Cla Semadeni erinnert daran, dass

das Oberengadin mehrfach geschützt ist: «Es wird er-

fasst durch das Bundesinventar der Natur- und Land-

schaftsdenkmäler, es gibt den Schutz der Oberengadi-

ner Seenlandschaft, der Gewässerschutz spielt mit

und es existiert eine richtplanerische Festsetzung,

welche Gebiete landschaftlich zu schützen sind.»

Eine Region weiter denken heisst, in der Region mit-

denken. Deshalb wünscht sich Robert Obrist nicht

nur eine kritische Opposition, sondern auch einen öf-

fentlichen, kritischen Diskurs über Fragen der Land-

schaft, der Gestaltung und der Planung und erhofft

sich endlich Architekten- und Planerkollegen, die das

tun, was er seit Jahren tut: unbequem dazwischenru-

fen. Schliesslich kommt Robert Obrist auf das zurück,

was er in den 1960er-Jahren mit der Gründung der Re-

gionalplanung Oberengadin angestrebt hat, und for-

muliert einmal mehr seinen bescheidenen Wunsch

mit grosser Wirkung: «Ich möchte, dass die Regionen

gegenüber den Gemeinden gestärkt werden. Denn

gute Regionalplanung muss man besser abstimmen.»

Aus Chur kommen dazu Signale. Cla Semadeni: «Die

Regionen sind angehalten, raumentwicklerisch vor-

auszudenken. Sie müssen jetzt tätig werden.» Robert

Obrist wirds freuen.

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Page 51: piz Magazin No. 43

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Page 52: piz Magazin No. 43

52 piz 43 : Sommer | Stà 2012

Text: Flurina Badel

Fotos: Mayk Wendt Feines Kraut, verlockende Beeren oder saftiggrü-

nes Flussmoos – durch Wald und Feld des Enga-

dins zu wandern, ohne sich etwas in die Tasche

zu stecken, kommt bei Martin Göschel nicht vor. «Ich

bin ständig draussen unterwegs und sehe vieles, was

mich neugierig macht. Das packe ich dann ein, schaue

zu Hause nach, was es genau ist und überlege mir, was

ich damit machen könnte.» Und was Göschel damit

macht, sind bis zu 13-gängige Menus bestehend aus

Kreationen wie Wachtelei auf Moosbrot, in Verveine-

Salsiz umwickeltes Eglifilet an warmer Sauerampfer-

mayonnaise oder Wildkräutertaschen mit Guarda-

Kräutertee-Aufguss.

Seit drei Jahren ist der gebürtige Mannheimer Chef de

Cuisine im Gourmetrestaurant «L’Otezza» des Relais

& Châteaux Paradies in Ftan. Für seine dort entwi-

ckelte, eigenwillige Küche erhielt der 40-jährige Koch

18 Gault-Millau-Punkte und einen Michelin-Stern.

Vor seiner Zeit in Ftan führte Martin Göschel als Kü-

chenchef während fast neun Jahren das Varieté-Res-

taurant «Tigerpalast» in Frankfurt am Main. Dort

wurde er 2002 von Gault-Millau Deutschland zum

Aufsteiger des Jahres gewählt. Der «Tigerpalast» wurde

unter seiner Leitung als bestes Restaurant des Jahres

2006 ausgezeichnet. Doch die zeitaufwändigen admi-

nistrativen Arbeiten abseits der Küche des hektischen

Grossbetriebes ermüdeten ihn mehr und mehr. Also

wagte er 2009 den radikalen Wechsel von der Gross-

stadt in die Berge. «Zurück an den Kochtopf und an

den Urspung der Nahrungsmittel – das habe ich hier

in Ftan gefunden.»

Munt e val e flümSeine erste Speisekarte für das «L’Otezza» hat Martin

Göschel noch in Frankfurt entworfen. «Ein globales

Menu mit Gerichten, die es irgendwo geben könnte»,

sagt er lachend und seine stechend blauen Augen la-

chen mit. Doch dann bemerkte er auf seinen ersten

Streifzügen durch das Tal, dass es hier Bauern gibt, die

qualitativ hochstehende Lebensmittel produzieren.

«Es war eine Entdeckung, wie anders hier alles

schmeckt, viel intensiver, robuster und kräftiger.» Es

habe ihn auch sehr berührt zu sehen, mit wie viel

Sorge die Bauern ihre Tiere halten, wenn sie zum Bei-

spiel für die Schafe auf der Weide Salz auf grosse Steine

streuen. «Die Produkte werden hier in der Region mit

so viel Liebe hergestellt, da müssen wir gar nicht mehr

viel beigeben, nur das Wertvolle ordentlich verarbei-

ten und es auf den Teller bringen.» Martin Göschel än-

derte nach nur vier Wochen seine Speisekarte, wech-

selte von global auf lokal und begann, die Eigenheiten

seiner jetzigen Küche zu entwickeln. «Munt e val e

flüm», Berg und Tal und Fluss, heissen seine Gourmet-

Menus nun, und dieser Name ist Programm.

Spinnereien auf den TellernHummer und Langusten gibts im «L’Otezza» nicht.

Dafür gibt es Wachteln und Wachteleier aus S-chanf,

Artischocken und blaue Kartoffeln vom Demeter-Hof

Uschlaingias in Lavin. Das Fleisch bezieht Martin Gö-

schel ausschliesslich aus der Region. Er schätzt das

Wollschwein und schwärmt vom urtümlichen Enga-

diner Schaf. Von den Bio-Rindern verwendet er alle

Teile, von der Leber bis zum Filet. Das Wild schiesst ein

Unterengadiner Jäger.

Hinzu kommen ein paar «Spinnereien», die zu muti-

gen Kombinationen mit aussergewöhnlichen Zutaten

führen. Eine ist das Scuoler Mineralwasser aus der Vi-

Quelle, das er zu einem Gelée verrührt und mit sauer

eingelegtem Fisch kombiniert. Ausgefallene Zutaten

sind auch Arven- und Lerchenduft. In der Küchen-

werkstatt steht ein Kaltrauchgerät, mit dem er dem

Holz das Aroma entzieht. Dieser würzige Rauch setzt

eine dezente Geschmacksnote und dient auch dazu,

die Gäste olfaktorisch zu überraschen. So wird das

Tschliner Biersorbet in einem Wachspapierpäckchen

Seine Speisekarte liest sich wie ein Gedicht aus der Natur. Mit Moosbrot, Steinkartoffel, Heil-wasser, Arvenrauch oder Rehessenz lädt Sternekoch Martin Göschel ein, die Berge mit dem Gaumen zu entdecken.

Der mit den Bergen kocht

Page 53: piz Magazin No. 43

53piz 43 : Sommer | Stà 2012

serviert, das mit Arvenrauch gefüllt ist. Sobald der

Gast das Päckchen öffnet, weht ihm der ganze Taman-

gur-Wald entgegen. «Ich mag es, wenn das Raue dieser

Bergwelt sich in meinen Gerichten widerspiegelt.»

Die Welt am KüchentischJeden Tag zieht ein anderer von Göschels Team los,

sammelt Sanddorn, Vogelbeeren und nach dem ers-

ten Frost die Beeren der Eberesche für Chutney, Quen-

del und Zitronenthymian, Wiesenkopf oder Iva für

Essenzen. Was von der Ernte nicht gleich gebraucht

wird, füllt Keller, Vorratskammer und Gefriertruhe.

Laufend wird vakuumiert, getrocknet und einge-

weckt. Junge Arventriebe, Pilze, Wildkräuterpesto.

Auch im Winter soll das meiste auf dem Teller hausge-

macht und aus der Region sein. Sogar für die Präsenta-

tion der Speisen verwendet Martin Göschel heimi-

sche Materialien wie Schiefer oder Rindenstücke. Sein

12-köpfiges Team hat stets zu tun. Doch dem gefällt es

in Göschels Küche, für einen Saisonbetrieb hat er er-

staunlich wenig Wechsel im Team.

Seine neue Art zu kochen hat den Sternekoch verän-

dert, hat ihn offener gemacht und ihm Zugang zu den

Gästen verschafft. «Obwohl ich eigentlich jemand

bin, der lieber in der Küche bleibt, freue ich mich in-

zwischen, zu den Gästen an den Tisch zu gehen und

ihnen zu erklären, woher die Zutaten kommen und

wie sie verarbeitet wurden.» Er habe jetzt eine offene

Küche und lasse sich gerne in die Töpfe und auf die

Finger schauen. Regelmässig können zwei bis vier

Gäste an seinem Küchentisch dinieren und so miterle-

ben, wie ihr Menu entsteht. Mit dem Haus vertraute

Gäste kommen oft spontan zu ihm in die Küche. Mar-

tin Göschel schätzt diesen direkten, unmittelbaren

Austausch mit Menschen aus der ganzen Welt. Ihn

selbst aber zieht es nicht mehr so oft aus dem Engadin

hinaus. Im ersten Jahr schon, da habe es ihn immer

wieder in die Stadt gedrängt, da habe er dann stun-

denlang in einem Strassencafé gesessen und Passan-

ten beobachtet. «Mittlerweile brauche ich das nicht

mehr.» Er könne sich mit dieser Gegend und ihren

Menschen voll und ganz identifizieren, so Göschel

weiter. «Ich bin nun eher froh, wenn ich nach einer

Reise wieder hier auf dem Berg bin. Ich schnalle mir

lieber die Felle an, streife Wander- oder Joggingschuhe

über und laufe irgendwohin», meint er verschmitzt.

Immer mit offenen Augen und leeren Taschen, falls er

Kraut, Beeren oder Flussmoos begegnet.

Martin Göschel kommt nie

mit leeren Händen von seinen

Wanderungen zurück. So

entstehen seine Kreationen wie

der grüne Wildkräuter Gaz-

pacho (Rezept unten).

Grüner Wildkräuter-GazpachoRezept von Martin Göschel

280 ml klarer Tomatenfond

1 Knoblauchzehe

1 kleine Schalotte

1 kleine Karotte

1 Salatgurke

1 Strauchtomate

6 Mandeln

1 Bund Wildkräuter

Tabasco, Cayenne-Pfeffer, Salz, schwarzer Pfeffer

12 ausgestochene Gurkenperlen

Den klaren Tomatenfond und die geputzten und ge-

schälten Gemüse und Zutaten in einem Mixer fein pü-

rieren, sodass eine dicke Suppe entsteht. Diese durch

ein grobes Sieb passieren, damit die Suppe von der

Konsistenz her dünner wird, jedoch noch eine Bin-

dung aufweist. Kräftig mit Tabasco, Cayenne-Pfeffer,

Salz und Pfeffer abschmecken und bis zum Verzehr

kalt stellen.

Dazu ein Spiesschen mit Carpaccio vom Engadiner

Weiderind, mit verschiedenen getrockneten Wild-

kräutern und Blüten aromatisiert.

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Page 54: piz Magazin No. 43

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Page 55: piz Magazin No. 43

piz : Publireportage

Der KaffeealchimistDaniel Badilatti ist Inhaber der höchstgelegenen Kaffeerösterei Europas in Zuoz. Mit sensiblem Geschmackssinn tüftelt er an neuen Mischungen und mit Begeisterung betreibt er ein Handwerk, das in einer standardisierten Welt Sinnlichkeit pflegt.

mit einer dunklen Röstung kann man Qualitätsmängel

vertuschen. Deshalb verwendet Daniel Badilatti beim

Degustieren hell geröstete Bohnen und übergiesst sie

mit heissem Wasser. So probt, kombiniert und sucht er nach der

geeigneten Mischung. Die Auswahl ist riesig: Über 800 Kaffee-

aromen gibts und je nach Ernte kann der Geschmack einer

Sorte jedes Jahr ändern. «Die perfekte Mischung ist subjektiv,

aber natürlich verkaufe ich das am

liebsten, was mir persönlich am besten

schmeckt», so der Zuozer Kaffeeröster.

Kaffeeröster und Kaffeesieder sind

aufeinander angewiesen: Der Barista,

der Kaffeesieder, versucht der Ma-

schine das «Engelshaar» zu entlocken,

einen schwarzen Faden im braunen

Strahl, der nur erscheint, wenn die

Extraktionszeit des Espresso eine

Punktlandung ist. Der Barista verhin-

dert Bitterkeit und Säure und justiert dafür die Mühle je nach

Luftfeuchtigkeit neu. Er drückt das Pulver im Siebträger mit dem

richtigen Druck an und kontrolliert die Wassertemperatur.

Die Kunst des Röstens

Der perfekte Espresso aber gelingt nur, wenn die Röstung

stimmt. Und hier sind die äusseren Einflüsse gross. Zuoz liegt

hoch in den Bergen, die Luftfeuchtigkeit ist extrem niedrig.

Deshalb wird bei Badilatti länger, dafür bei niedriger Temperatur

geröstet als im Unterland. «Bei der Mischung Gourmetto Gastro

experimentierte ich drei Jahre lang, bis der Geschmack stimmte»,

sagt Bohnenalchimist Badilatti. Und er verarbeitet kleine Quan-

titäten. Während Grossproduzenten bis zu einer Tonne Bohnen

auf einmal rösten, sind es in Zuoz nur 60 Kilo. Das garantiert

Frische. Am besten schmeckt der Kaffee frisch geröstet und

frisch gemahlen. Da wäre es ideal, die Bohnen würden im Tal

bleiben, doch damit könnte der 100 Jahre alte Familienbetrieb

nicht überleben. Badilattis 25 Sorten reisen bis nach Russland.

Der «St. Moritz-Café» findet mit seinem klangvollen Namen viele

Anhänger.

Berufung und Perfektion

Haben die Bohnen die Rösterei in Zuoz

verlassen, bleibt zu hoffen, dass ihnen

unterwegs Sonne, Wärme und Feuch-

tigkeit nicht zu sehr zusetzen und die

ätherischen Öle nicht «verduften».

Passiert den Bohnen nichts, liegt alles

Weitere am Barista. «Dass in Italien der

beste Espresso zubereitet wird, liegt

sicher nicht am besseren Rohstoff,

sondern an der fachgerechten Zube-

reitung und am Berufsstolz der Baristi», weiss Daniel Badilatti. In

einer italienischen Bar ist Kaffeemachen nicht einfach ein Job,

bei dem auf den Knopf des Vollautomaten gedrückt wird, son-

dern eine Berufung. Baristi haben das Zirpen im Ohr und wissen,

wann die Milch für den Cappuccino perfekt cremig geschäumt

ist. Inzwischen gibt es auch in der Schweiz immer mehr Profi-

Kaffeebrauer. Die sich ausbreitende Kaffeekultur ist eine Gegen-

bewegung zur immer schneller werdenden Zeit. Hier haben

auch die «Kleinen» Potential. Daniel Badilatti reist deshalb viel

und pflegt persönliche Kontakte mit den Kaffeebauern, und er

kommt mit vielerlei Sorten zurück, die er kombiniert, mischt und

degustiert. Zuerst hell geröstet, damit er die Qualität prüfen kann,

doch danach, zum echten Kaffeegenuss, lieber dunkel geröstet.

Gallus Hufenus

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Page 56: piz Magazin No. 43

56 piz 43 : Sommer | Stà 2012

Das stattliche, mit Sgraffiti von Giuliano Pedretti

verzierte Patrizierhaus im Dorfzentrum von

Pontresina gehörte einst der Familie Delnon.

«Zuletzt wohnten noch zwei Schwestern dort. Nach

deren Tod entschloss sich die Erbengemeinschaft

1985 zum Verkauf des Hauses an die Gemeinde», er-

zählt Betriebsleiterin Annemarie Brülisauer, welche

die Besucher durch die Wohnräume führt. Der Berg-

führerverein ergriff anlässlich seines Jubiläums die

Gelegenheit, hier ein Alpinmuseum einzurichten.

Material dafür hatte er genug. Zum Beispiel die «Frem-

denbücher» der lokalen Hütten des Schweizer Alpen-

Clubs (SAC). Darin trugen sich schon vor hundert Jah-

ren die Gäste ein. Heute erhält Annemarie Brülisauer

nicht selten Anrufe von Forschern, welche diese Bü-

cher auf bestimmte Namen erkunden wollen.

Früher war es engDas Museum Alpin entführt die Gäste in die Welt des

19. Jahrhunderts. In der Stüva steht noch der Kachel-

ofen und in der engen Küche («chadafö») der Holz-

herd mit den russgeschwärzten Messingpfannen. Im

Schlafzimmer fallen die kurzen Betten auf. Die Leute

hätten früher halb sitzend geschlafen, um im Alarm-

fall schnell bereit zu sein, weiss die Kuratorin. Im un-

teren Dorfteil von Pontresina seien im 18. Jahrhun-

dert Dutzende von Häusern niedergebrannt. Die

Museumsbetreiber achteten darauf, die historischen

Räumlichkeiten möglichst getreu zu erhalten. Beim

Betreten ist hier und dort Bücken angesagt.

Vögel und MineralienIm Obergeschoss entfaltet das Alpinmuseum seinen

wahren Reichtum. Hier befinden sich Sammlungen

von atemberaubender Vielfalt und Üppigkeit. Andere

Museen würden für diese Kollektionen wohl viel be-

zahlen. So zum Beispiel für die Sammlung von 130 Vo-

gelpräparaten von Gian Saratz. Der Spross aus der be-

kannten Pontresiner Hoteliersfamilie verstand sich

aufs Handwerk des Ausstopfens. Die Vögel schoss er

selber. Zu allen Arten gibt es auch die Stimmen, die

man per Knopfdruck abrufen kann. Eine kurzweilige

Lektion in Engadiner Fauna.

Beim Anblick der Sammlung von Ernst Sury quellen

die Augen über: Kristalle und Mineralien in allen For-

men und Farben, so weit das Auge reicht, in grossen

Vitrinen, alle fein säuberlich mit Fundort angeschrie-

ben. Des Strahlers Herz schlägt hier höher. Selbst

Alpinismus und Visionen im Museum

Entgegen seinem Namen ist das Museum Alpin in Pontresina nicht nur dem Alpinismus gewid-met. Auch Strahler, Tierliebhaber und Bewunderer alter Wohnkultur kommen auf ihre Kosten. Derzeit zieht eine publikumsträchtige Sonderschau vor allem Bahnfreaks an.

1 2

Im Museum Alpin liegt auch dieses «Fremdenbuch» der

Tschierva-Hütte aus dem 19. Jahrhundert.

Text: Ralph Hug

Fotos: Jasmin Ilg

Page 57: piz Magazin No. 43

57piz 43 : Sommer | Stà 2012

echte Goldnuggets sind hinter dem Glas zu bewun-

dern. Nichts ist vielfältiger als die Natur – dies will uns

diese Schau in ihrer beinah erdrückenden Fülle sagen.

Die Kollektion alter Skimodelle von Simon Rähmi

wirkt dagegen fast schon karg. Immerhin soll es unter

den Exponaten auch Exemplare geben, die seinerzeit

von Hand aus Holz geschreinert wurden und gar nie

zum Einsatz kamen.

Sonderschauen ziehen Publikum anDas Museum Alpin setzt auf attraktive Wechselaus-

stellungen, die jeweils von Fachleuten thematisch er-

arbeitet werden. Die derzeitige Schau ist noch bis zum

Oktober 2012 zu sehen und hat das Zeug zum Publi-

kumsmagnet: «Bahnvisionen im Engadin» erzählt

unglaubliche Geschichten über unglaubliche Bahn-

projekte aus vergangenen Zeiten.

Natürlich muss auch das Museum Alpin mit begrenz-

ten Mitteln wirtschaften. Dennoch ist die Reihe der

bisher realisierten Sonderschauen ansehnlich. Die

nächste im Jahr 2012/13, so verrät Annemarie Brü-

lisauer jetzt schon, wird dem Thema «Bedrohte Tierar-

ten» gewidmet sein – Bär, Wolf, Luchs & Co. Das vor-

dringlichste Anliegen ist aber im Moment die

Inventarisierung der Museumsexponate. Bislang gibt

es noch kein Verzeichnis aller Gegenstände, dafür im-

mer mal wieder eine Überraschung, wenn eine seit

langem nicht mehr geöffnete Schublade ihr Geheim-

nis preisgibt. Spenden für dieses Projekt nimmt das

Museum gerne entgegen.

43 52

1–4 Museum Alpin, Pontre sina:

Aussen ein mächtiges Haus,

innen abwechslungsreiche

Ausstellungen.

5 Annemarie Brülisauer leitet

das Museum. Foto: UF

Sonderschau: Bahnvisionen fürs EngadinDie aktuelle Sonderschau im Museum Alpin in Pon-

tresina zeigt Bahnprojekte, von denen die meisten

zwar eine Konzession erhielten, aber trotzdem nie re-

alisiert wurden. Zum Glück. Oder was wäre heute von

einer Bahnlinie von Pontresina nach St. Moritz über

den Stazersee zu halten? Technisch machbar, aber nur

auf Kosten der Natur.

Noch viel verrückter war der Plan der «Orientbahn».

So klangvoll sollte eine Verbindung übers Münstertal

ins Südtirol und weiter durch Italien in den Balkan

heissen. Dieser Orientexpress fuhr nie, doch die Idee,

die Rhätische Bahn im Unterengadin mit dem Vinsch-

gau zu verbinden, ist noch heute als Wunsch in Dis-

kussion.

Richtig verrückt war das Projekt einer Stollenbahn un-

ter dem Biancograt bis hinauf auf den Piz Bernina.

Wers nicht glaubt, kann die Pläne im Museum Alpin

besichtigen. Die «Piz Berninabahn» bis auf 4000 Me-

ter über Meer  – ein Projekt aus dem Jahr 1930 von

Eduard Zimmermann, Direktor der RhB-Bernina-

strecke –, sollte die Jungfraubahn im Berner Oberland

toppen. Das gelang nicht. Zu gross war die Skepsis der

Bevölkerung gegenüber solch utopischen Entwürfen.

Die Gemeindeversammlungen von Pontresina und

Samedan erteilten Zimmermann eine klare Abfuhr.

Weniger ambitiöse Pläne wurden aber durchaus reali-

siert, so die 1,6 Kilometer «Tramway» von St. Moritz

ins Bad. Sie wurde 1892 erstellt und war die erste elek-

trische Strassenbahn der Alpenregion. Das aufkom-

mende Auto machte ihr dann 1933 den Garaus. Oder

die Standseilbahn nach Muottas Muragl, die 1907 den

Betrieb aufnahm und noch heute die Gäste auf einen

der schönsten Aussichtspunkte des Oberengadins

bringt. Interessant, dass auch einmal eine Verlänge-

rung der Schienen von St. Moritz bis nach Maloja ge-

plant war. Die Konzession für eine «Oberengadiner

Transversale» wurde bereits 1886 erteilt, aber auch sie

blieb Papier. Als bahngeschichtliches Kuriosum kann

die «Funibahn» vermerkt werden, eine Art gezogener

Schlitten-Container. Er brachte die Skifahrenden bis

1939 von Corviglia zum Plateau Piz Nair Pitschen.

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60 piz 43 : Sommer | Stà 2012

BUCHER

Hirtenroman

Leo Tuor: «Giacumbert Nau, Cudisch e re-

marcas da sia veta menada / Bemerkungen zu

seinem Leben.» Romanisch / Deutsch.

Neuausgabe 2012, Limmatverlag, Fr. 38.50

«Giacumbert Nau» ist

ein Hirtenroman ohne

Idylle. Sein Bett ist zu

kurz, der Bach hat kei-

nen Steg. Giacumbert

flickt das Fenster mit

Plastik und verflucht die Gemeinde,

die Bauern. Er freut sich an der Pro-

zession der Schafe, aber er schimpft

auf den Schafstrott der Menschen.

Giacumbert liebt die Natur, die rau-

schenden Bäche. Und er hat zu

kämpfen mit ihr. Er ist trotzig und

einsam. Erinnerungen suchen ihn

heim an Albertina mit ihrem dun-

kelgelben Duft nach Safran, deren

Haut bitter schmeckt wie das Salz

der Erde, die einen anderen geheira-

tet hat. «Giacumbert Nau» ist ein

Buch voller Poesie und Kraft, Wut

und Zärtlichkeit – und ein Gesang

auf das Liebespaar.

Der Traum von der Orientbahn

Plinio Meyer-Tschenett: «Herr Clotin und die

Orientbahn. Die Geschichte des Hotels Müns-

terhof», Verlag Desertina, 80 S., Fr. 21.–

Dieses Buch ist eine

Zeitreise über fast 200

Jahre und sechs Genera-

tionen. Plinio Meyer be-

schreibt die Geschichte

seiner Vorfahren bis

heute. Es geht um die Suche nach

Glück in der Fremde, um Träume, Er-

folge und Rückschläge. 1850 wan-

dert Clotin Andri als «Kaffeejunge»

nach Venedig aus. Um 1860 eröffnet

er zwei Kaffeehäuser mitten in War-

schau. Zurück im Bündnerland, wit-

tert er wirtschaftlichen Aufschwung

für das Tal: Es sollte eine Eisenbahn

über den Ofenpass gebaut werden,

eine Verbindung von London nach

Konstantinopel durchs Müstair. Er

lässt das Hotel Münsterhof bauen,

doch er stirbt kurz vor der Eröff-

nung. Sohn Nicolaus holt Gäste aus

London, New York oder Stockholm

ins heute noch bestehende Hotel.

Silser Leben

Daniela Kuhn: «Zwischen Stall und Hotel,

15 Lebensgeschichten aus Sils i.E.»

Fotos: Meinrad Schade, 2. Aufl., 2012,

180 S., Fr. 34.–

Nietzsche, Rilke, Tho-

mas Mann und weitere

grosse Namen haben

dem zwischen St. Mo-

ritz und dem Bergell ge-

legenen Dorf Sils i. E. /

Segl und seiner Landschaft eine bei-

nahe magische Ausstrahlung verlie-

hen. Und noch heute begegnet sich

während der Saison Prominenz auf

der Dorfstrasse. Doch wer sind die

Silser? Der gelernte Hochbauzeich-

ner bewirtschaftet mitten im Dorf

einen kleinen Kuhstall, die einstige

Hotelbesitzerin hat als Kind mit

Anne Frank gespielt, der ehemalige

Pistenchef ist 840 Mal mit dem Ka-

nadierschlitten ausgerückt: Fünf-

zehn Silserinnen und Silser erzählen

Geschichten aus alten Zeiten und

vermitteln einen untouristischen

Blick hinter die Kulissen.

Mittelalter in Poschiavo

«Casa Tomé, una casa, una famiglia, uno

spaccato di vissuto locale», Fondazione Ente

Museo Poschiavino, 164 p., Fr. 30.–. Bezug:

www.museoposchiavino.ch.

Das Buch über

die Casa Tomé ist

auf Italienisch er-

schienen, mit

deutschen Zu-

sammenfassun-

gen. Das aussergewöhnliche Haus

stammt aus dem 14. Jahrhundert

und ist in authentischem Zustand

erhalten. 1993 wurde es unter Denk-

malschutz gestellt, ging 2002 in den

Besitz der Stiftung Talmuseum Ente

Museo Poschiavino über und wurde

2007 sanft renoviert der Öffentlich-

keit zugänglich gemacht. Nicht nur

das Äussere, auch die Inneneinrich-

tung stellt ein einzigartiges Zeugnis

der vorindustriellen, ländlichen Le-

bensweise dar. Das Buch schildert

die Geschichte der früheren Besit-

zerfamilie, aber auch die Geschichte

des Bauernhauses in Graubünden.

Die Nationalparkidee

Patrick Kupper: «Wildnis schaffen», Verlag

Haupt, Fr. 49.–

Als schweizerische Na-

turforscher Anfang des

20. Jahrhunderts einen

Nationalpark gründe-

ten, hatten sie eine

wegweisende Vision:

Abgeschottet von menschlichem

Einfluss sollte die Natur ihre eigene,

ursprüngliche Vegetation wieder-

herstellen. Diese Absicht unter-

schied sich radikal von der US-ame-

rikanischen Nationalparkidee. Nicht

der Erholung, sondern primär der

Forschung hatte ein Nationalpark zu

dienen. Das Konzept war innovativ

und beeinflusste die Gestaltung von

Schutzgebieten weit über die

Schweiz hinaus. «Wildnis schaffen»

ist die erste umfassende Darstellung

der Geschichte des schweizerischen

Nationalparks, von den Gründerjah-

ren vor dem Ersten Weltkrieg bis ins

21. Jahrhundert

La Müdada

Cla Biert: «La müdada», 420 p., Limmatver-

lag, 46.50 francs. Die Übersetzung er-

scheint 2013.

«Tuot las müdadas chi

quintan van be planet.

Hoz intant hast fat ün

bun pass, figl», disch

duonn’Aita Tach a seis

figl Tumasch. Cun la

famiglia Tach e la figüra principala

dal giuven Tumasch ans descriva Cla

Biert il muond pauril da la prüma

mità dal 20avel tschientiner vers il

temp da la modernisaziun, cur cha

bleras müdadas han marcà regiuns

muntagnardas sco quella da Saluorn.

«La müdada» da Cla Biert es il prüm

grond roman rumantsch, ingio chi

vain quintada – intretschada illa de-

scripziun da la regiun paurila i’l

temp da seis müdamaints radicals –

l’istorgia d’amur da Tumasch e Ka-

rin, la giuvna danaisa in vacanzas i’l

nöbel hotel sper il cumün. L’ouvra es

üna bellischma éducation sentimen-

tale ed ün chapitel socioistoric.

Wider die Fremdenfeindlichkeit

Bruno Ritter, Andrea Vitali: «Manone»,

Cinquesensi editore, 80 S., Fr. 38.–

Der im Bergell wohn-

hafte Maler Bruno

Ritter und der Autor

Andrea Vitali haben

ein starkes Buch gegen

die Fremdenfeindlich-

keit gestaltet. Der zweisprachige Co-

mics «Manone» schildert die Ge-

schichte italienischer Arbeiter im

Bergell Ende der Fünfzigerjahre, als

die mächtige Albigna-Staumauer ge-

baut wird. Die italienischen Arbeiter

sind unverzichtbar, trotzdem wer-

den sie von den Einheimischen ge-

schnitten und oft ausgegrenzt. Im

Comic geht es um Macht und Ge-

walt, um Einsamkeit und eine zarte

Liebe, um harte Arbeit und Entbeh-

rung, um Rassismus und grausame

Rache. Manone – er heisst so wegen

seiner riesigen Hände – ist Anführer

der Gastarbeiter und hat ein ausge-

prägtes Gerechtigkeitsgefühl.

Die Herren von Ramosch

Anna-Maria Deplazes-Haefliger: «Ge-

schichte der Herren von Ramosch und Ra-

mosch-Wiesberg (12. bis 14. Jahrhundert)»,

216 S., Verlag Desertina, Fr. 38.–

Die Herren von Ra-

mosch waren nach

1170 die einzigen Ade-

ligen mit Stammsitz

im Unterengadin. Ih-

nen gehörten auch

Güter im heutigen Südtirol und in

Tirol. Bis ins späte 14. Jahrhundert

konnten sie sich halten. Nachlässige

Verwaltung und ein Brudermord

führten dann aber zur Auflösung ih-

rer Herrschaft. Die Führungsschicht

der alten Grafschaft Vinschgau (zu

der auch das Unterengadin gehörte)

wurde im Spätmittelalter allmählich

umgestaltet. Das Buch analysiert die

vielschichtigen Beziehungen und

Veränderungen innerhalb der Adels-

gesellschaft und die wirtschaftli-

chen Verflechtungen anhand bisher

unbekannter oder nicht ausgewerte-

ter Quellen.

Page 61: piz Magazin No. 43

61piz 43 : Sommer | Stà 2012

BUCHER

Flurin und Niculin

Flurin Caviezel: «Wia gsait. Morgengeschich-

ten.» Buch und CD. Herausgegeben von

Schweizer Radio DRS 1, Fr. 32.–

«… und do hett dr Nicu-

lin …» – wer regelmäs sig

am Morgen Radio DRS 1

hört, kennt diesen Ni-

culin und vor allem

auch dessen Erfinder:

Flurin Caviezel. Der aus dem Unter-

engadin stammende Autor, Cabaret-

tist und Musiker tischt uns in seinen

Programmen und den kurzen Mor-

gengeschichten am Radio Alltagssi-

tuationen mit viel Witz und Ironie

auf. Zwar meinen wir immer, diesen

Alltag zu kennen, doch dann schlägt

die Geschichte eine unerwartete

Richtung ein – und meistens ist

dann Niculin der Besserwisser und

die Zuhörer zeigen Schadenfreude.

Jetzt gibt es die «Wia gsait»-Texte ge-

druckt und zwei Dutzend davon in

Caviezels Bünderdeutsch auf der

zum Buch gehörden CD.

Mineralquellen

Kathrin Mischol: «Mineralquellen im Unter-

engadin» Bezugsquellen: Apoteca Drogaria

Engiadinaisa und Stöckenius Scuol, Kul-

turzentrum Nairs. Fr. 48.70

Nirgendwo in Europa

entspringen auf so en-

gem Raum so viele ver-

schiedenartige Mine-

ralquellen wie im

Unterengadin: Es sind

über dreissig und jede ist in ihrer Zu-

sammensetzung anders. Die Ge-

schichte der Unterengadiner Mine-

ralquellen ist lang und bewegt. Der

Bädertourismus erlebte Ende des 19.

Jahrhunderts seine erste grosse

Blüte, als man voller Euphorie

glaubte, mit «Heilwasser» fast alles

kurieren zu können. Damals wurden

die grossen Hotels und Kuranlagen

gebaut. Heute versucht die Region

an diese Wassertradition anzuschlies-

sen. Das Buch beschreibt fast alle

Unternegadiner Quellen, erklärt die

geologischen Gründe und blendet

zurück in die Geschichte.

Peider Lansel

Rico Valär: «Peider Lansel: Essais, artichels e

correspundenza. Tom II Ouvras da Peider Lan-

sel.» Chasa editura rumantscha, 580 S., Fr.

38.– (auch mit Band 1 von Andri Peer)

Sechs Jahre lang hat sich

Rico Valär dem Leben

und Schaffen von Peider

Lansel (1863–1943) ge-

widmet. In Archiven

und Bibliotheken, auf

Dachböden, in Schränken, Schach-

teln und bei Nachfahren hat er Spu-

ren gefunden. Diese Dissertation

vervollständigt die Arbeit von Andri

Peer, die 1966 Lansels dichterisches

Schaffen zeigte. Der neue Band ist

eine süffig geschriebene Biografie

und das Porträt einer Symbolfigur

der rätoromanischen Bewegung.

Vorgestellt werden auch vier Prosa-

stücke und alle Essays. Auch Zei-

tungsartikel sind hier dokumentiert

– und in der ursprünglichen Form

belassen. Das Buch ist sowohl wis-

senschaftliche Dokumentation wie

spannende Bettlektüre.

Raubein oder Volksheld?

Randolph C. Head: «Jenatschs Axt», Soziale

Grenzen, Identität und Mythos in der Epoche

des Dreissigjährigen Krieges. Verlag Deser-

tina, Fr. 48.–

Während Anfang 2012

die Gebeine von Jürg

Jenatsch in Chur aus

der Gruft geholt und

wissenschaftlich unter-

sucht werden, liest man

im Buch «Jenatschs Axt» von einer

unumstrittenen Persönlichkeit. Der

in der Schweiz geborene Geschichts-

professor Randolph C. Head von der

Universität Kalifornien hat seine Er-

kenntnisse 2008 auf Englisch publi-

ziert. Jetzt liegt die aktualisierte Fas-

sung in Deutsch vor. Head beschreibt

Jenatsch als einen besonders gewalt-

tätigen und beweglichen Politiker

der «Bündner Wirren». 1621 betei-

ligte er sich am Mordanschlag auf

Pompejus von Planta, der mit einer

Axt erschlagen wurde. Das Buch be-

richtet auch über frühere Forschun-

gen an den Gebeinen Jenatschs.

PUBLITEXT

Restaurant «Chadafö»Jeden Sonntag «Buurabrunch»

à discrétion: Kaffee, Frucht-

säfte, Zopf, Gipfeli, Alpkäse,

Joghurt, Birchermüesli und

verschiedene Eierspeisen

mit Rösti und Speck stehen

auf dem Buffet bereit.

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Kinder bis 14 zahlen

einen Franken pro Altersjahr.

(Voranmeldung erwünscht)

Tel. +41 (0)81 839 80 20.

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Familienausflug nach Marguns Das Restaurant «Chadafö» auf Marguns ist ein idealer Ort für einen Familienausflug und bietet im Sommer jeden Sonntag einen reichhaltigen Brunch an. Hier geniessen es die Erwach-senen und die Kinder: Auf 2278 Meter über Meer gelegen und bequem mit der Gondelbahn ab Celerina erreichbar, ist das Bergrestaurant «Chadafö» ein idealer Ausflugsort für die gan-ze Familie. Die Kids finden auf dem grossen Spielplatz unter anderem eine Riesenschaukel, ein Trampolin, eine Hüpfburg und Elektroautos. Während die Kleinen sich so richtig austoben können, sitzen die Eltern am «Buurabrunch» (siehe Box rechts). Wer unter der Woche die Berge geniesst, findet in der Pizzeria «Chadafö» mit ihrer grossen Sonnenterrasse ein breites Angebot. Nach dem Essen lockt der Spaziergang. Die Wege auf Mar-guns sind Kinderwagen-tauglich. Wer mit grösseren Kindern unterwegs ist, kann die Abfahrt ins Tal auch mit dem Trot-tinett geniessen. Die mit Mountainbikerädern ausgerüsteten Gefährte sind wendig und schnell. Unterwegs geht es vorbei an blühenden Alpenwiesen. Im Waldstück lohnt es sich, sanft auf die Bremse zu treten und tief durchzuatmen: Den Duft in der Luft würde man am liebsten als Parfüm konser-vieren und mit nach Hause nehmen.

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62 piz 43 : Sommer | Stà 2012

PIZZERIA

Super Constellation in SamedanDas ab 1951 gebaute Flug-zeug Super Constellation gilt als die schönste je ge-baute Verkehrsmaschine der Welt. Eine Schweizer Gruppe von Enthusiasten konnte eines der längst ausrangierten Flugzeuge retten und hat es restau-riert. Nur noch zwei von einst 850 gebauten Flug-zeugen dieses Typs fl ie-gen noch, darunter die Maschine in der Schweiz. Der Verein, der sich um dieses Flugzeug kümmert, hat heute 2400 Mitglieder. Er konnte im Jahre 2000 die Maschine in Santo Domingo kaufen und erwarb zusätzlich auf einem Schrottplatz eine zweite

Maschine als Ersatzteil-lager. Nach Monaten der Fronarbeit und nach Investition von rund einer halben Million Franken gelangte die Maschine 2004 in ei-nem abenteuerlichenÜberfl ug über sieben Etap-pen in die Schweiz. Heute ist die «Connie» vom Bundesamt für Zivilluft- fahrt als historisches Ver-einsfl ugzeug zugelassen. Auch diesen Herbst – am

29. September – kommt die «Super Connie» wieder nach Samedan. Sie wird dort um 10.15 Uhr landen und kann dann den ganzen Tag auf dem Fluplatz bestaunt werden.www.superconstellation.org

Nus colliains: Engadin mobilDas koordinierte Angebot des öffentlichen Verkehrs im Oberengadin bringt Gäste und Einheimische zu Veranstal-tungen und Sehenswürdigkeiten, zur Arbeit und wieder nach Hause. Engadin Bus, Ortsbus St. Moritz, PostAuto und Rhätische Bahn fahren als Tarifverbund. Die Fahrausweise sind auf allen Strecken gültig, ein attraktives Liniennetz und ein dichter Fahrplan sorgen dafür, dass alle Ziele gut erreichbar sind. Die Rhätische Bahn bietet seit über 120 Jahren erstklassige Bahnerlebnisse. Mit dem Engadin Bus reist man bequem von Maloja bis Cinuos-chel und erlebt die traditionellen Dörfer. Engadin Bus setzt seit diesem Frühling umweltschonendere und geräuschärmere Hybrid-Busse ein. Einzelne Strecken werden in Zusammenarbeit mit PostAuto Schweiz bedient. Der Ortsbus St. Moritz ver- bindet St. Moritz Bad und St. Moritz Dorf.Besondere Erleb-nisse bieten der Palm Express von PostAuto Schweiz, der St.

Moritz und Lugano direkt miteinander verbindet, sowie der Bernina- und der Glacierexpress der Rhätischen Bahn. Für diese Strecken sind Spezialbillette erhältlich.

Landeskarte auf dem ComputerDie Wanderung zu Hause am Computer vorbereiten und den

benötigten Ausschnitt bis zum Format A 3 ausdrucken – das

bietet Swisstopo mit der digitalisierten Landeskarte. Dank

Computer hat man Zugriff auf die Karten aller Massstäbe

und auf hochaufgelöste Luftbilder. Man kann in die Karten

ein- und auszoomen, Wander- und Velowege einblenden

und sich Höhenprofi le und die benötigte Wander- resp.

Fahrzeit berechnen lassen. Mit Grafi kwerkzeugen können in

den Karten auch eigene Eintragungen gemacht werden. Die

Daten der Karten werden übers Internet in den Computer

geladen – damit ist man als Benutzerin und Benutzer immer

auf dem neusten Stand.

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Vernetzung und Gebäu-

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Smartphone den Energie-

verbrauch zu überwachen

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tutionelle Einrichtungen

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Page 63: piz Magazin No. 43

63piz 43 : Sommer | Stà 2012

PIZZERIA

Hotel «Le Prese» wird saniertErleichterung und Freude herrschen bei den Touristikern im Puschlav: Das seit mehr als drei Jahren geschlossene Hotel «Le Prese» befindet sich wieder in Schweizer Händen und wird zu neuem Leben erweckt. Die Stiftung der Basler Mäzenin Irma Sarasin-Imfeld hat versprochen, dem Haus zu neuem Glanz zu verhelfen. Zuvor gehörte das grosse Areal direkt am Lago di Poschiavo der Mailänder Leasint Spa, einer Tochtergesellschaft der Banca Intesa Sanpaolo. Über den Kaufpreis wurde Stillschweigen vereinbart. Irma Sarasin kennt das Haus aus vergangenen Zeiten. Es soll im Frühjahr 2013 wieder öffnen. In der Sarasin-Stiftung ist auch FDP-Grossrat Karl Heiz, Poschiavo, vertreten.

Kulturagenda Hotel Laudinella, Sommerprogramm 2012 Details: www.Laudinella.ch

5.7. Die Alpen in der Literatur, Vortrag von Mirella Carbone und Joachim Jung, 20.30 h

6.7. Pietro De Maria, Klavier-Rezital, 20.30 h13.7. Abschlusskonzert der Kurswoche Alphornbläser,

18 h, Kath. Kirche St. Karl, St. Moritz-Bad13.7. «An Evening at the Opera», Donizetti, Mozart,

Rossini, Verdi u.a., 20 h. Tickets: St. Moritz Tourist Info und Buchhandlung Wega

16.7. Maryam Sachs, «Ohne Abschied», 20.30 h 20.7. Abschlusskonzert des Laudinella-Kurses «Freude

am Klavierspielen», 20 h 26.7. Ferdinand Hodler und Giovanni Segantini:

Das Engadiner Hochtal als metaphysische Landschaft, Vortrag von Mirella Carbone und Joachim Jung, 20.30 h

27.7. Abschlusskonzert des Laudinella-Kurses «Cello x Cello x Cello», 17 h

3.8. Werkstattaufführung der Teilnehmer des Laudinella-Kurses «Vocal Swing», 18 h

6.8. Klavier-Rezital von den Gewinnern des Concours Géza Anda, 20 h

19.8. Camerata Salonistica mit dem Stummfilm «Fräulein Else», 17 h

22.8 «Alle Lust der Welt zu haschen, gierig bin ich ausgezogen.» Hermann-Hesse-Abend, 20.30 h

30.8 Friedrich Nietzsches späte Autobiographie «Ecce homo. Wie man wird, was man ist.» Vortrag von Mirella Carbone und Joachim Jung, 20.30 h

2.9. Eröffnungskonz. Meisterkurs für Klavier, 20.30 h 6./26.9. Dine around, Kochkurs: Anmeldung erforderl.8.9. Abschlusskonz.Meisterkurs für Klavier, 20.30 h 15.–22.9. Internationales Kulturfest Resonanzen.

Mit zahlreichen Konzerten, Lesungen, Filmen und Wanderungen.

18.10. Die Geschichte der Rhätischen Bahn, Vortrag von Mirella Carbone und Joachim Jung, 20.30 h

Vergiiget - verjuchzed - verzapftIn einer kleinen Tournee durch Südbünden sind die Slam-erin Tania Kummer, die Jodlerin Christine Lauterburg und der Spezialist auf alten Instrumenten, Dide Marfurt, ge-meinsam unterwegs. Ihr Programm «Vergiiget – verjuch-zed – verzapft» passt in kein Schema, ist anspruchsvoll, charmant, künstlerisch versiert – und sehr schweizerisch. Ein Schmelztiegel aus Gesungenem und Gejodeltem, Schweizer Musikgut aus fast vergessenen, gezupften und geblase-nen Instrumenten und den wunderbaren Ge-schichten und Slams der Jung-Autorin Tania Kummer.

Aufführungen:3. Oktober 2012:

Kurhaus Bergün

4. Oktober 2012:

Piz Tschütta, Vnâ

5. Oktober 2012:

Al Canton, Le Prese

Holzbildhauer an der ArbeitDiesen Sommer öffnet der aus Luzern stammende Künstler Alois Hermann seine Sommerwerkstatt in Vnà und gibt hier einen Einblick in sein Schaffen. Zu sehen sind Holz- und Bronzeskulpturen sowie Holzschnitte. Die Skulpturen sind inspiriert von der Begegnung mit Men-schen, während sich in den Holzschnitten die Landschaft des Unterengadins widerspiegelt. Hermann erklärt seine Leidenschaft für Holz mit der Einfachheit und Direktheit des Materials. Er vergleicht die Motorsäge mit einem Mu-sikinstrument. Für die Herstellung der Holzschnitte benützt Alois Hermann unterschiedlich grosse Sägen. «Ich arbeite nicht mit den Maschinen, sondern ich spiele mit ihnen», sagt er. Seit einigen Jahren arbeitet der Künstler im Som-mer in der ehemaligen Sägerei Denoth in Vnà. Hier öffnet er nun auch die Werkstatt für das Publikum.11.–25. Juli 2012, jeweils Mi, Fr, und Sa, 14–17 Uhr oder nach Vereinbarung: +41 (0)79 487 94 21, Haus Resgia De-noth, 7557 Vnà. www. alois-hermann.ch

Page 64: piz Magazin No. 43

64 piz 43 : Sommer | Stà 2012

PIZZERIA

Leta PeerIm Alter von nur 47 Jahren ist im Februar 2012 in Basel die Künstlerin Leta Peer an den Folgen ihrer Krebserkrankung ge- storben. Sie nahm schon als 22-Jährige an Kunstausstellungen teil und entwickelte ihre Malerei immer weiter. Rasch wurde sie mit ihren Ausstellungen bekannt. In den 1990er-Jahren konnte sie eine Wand in der Bündner Frauenschule gestalten, später auch die Glasfensterfront in der Churer Friedhofskapelle. Für ihre Freunde eher überraschend wandte sie sich der Landschaftsmalerei zu. Die Motive dazu fand sie vor allem im Unterengadin, der Heimat ihres Vaters Oscar Peer. Diese teils sehr kleinen Bil-der schickte sie ihren Bekannten in die halbe Welt hinaus mit der Bitte, sie zu fotografieren. Andere Bilder hängte sie bei einem Amerikaaufenthalt selber in fremde Wohnungen und fotografierte sie dort. Dieses Projekt der «borrowed places», der geborgten Plätze, stellte sie unter anderem in den Rokoko-Saalfluchten des Augsburger Schaezlerpa-lais aus. piz hatte in der Winterausgabe 2008/2009 Leta Peer mit Bildern aus dieser Ausstellung vorge-stellt. Die Künstlerin arbeitete mit feinem Humor. So schmuggelte sie unter anderem ihre Malerei – in digitalisierter Form  – in Tafelbilder von histori-schen Altären. Leta Peer hinterlässt ihren Ehe-mann und eine achtjährige Tochter und vor allem eine grosse Lücke im Bündner Kunstschaffen.

Peter Kurzecks «Berg der Erinnerungen»Im Musem Chasa Jaura in Valchava im Münstertal stellt diesen Sommer der deutsche Schriftsteller Peter Kurzeck seinen «Berg der Erinnerungen» aus. Zu sehen sind viele hundert Manuskriptseiten in allen möglichen Erscheinungsformen. Der 69-jährige Peter Kurzeck ist als Verfasser stark autobiografisch geprägter Romane und Erzählungen bekannt geworden. Er schildert darin das Leben in einer sehr eigenwilligen Sprache. Seit Mitte der 1990er Jahre arbeitet er an einem mehrbändigen autobio-grafischen Romanprojekt. Kurzeck wurde schon mehrfach ausgezeichnet, darunter mit dem von Günter Grass gestifteten Alfred-Döblin-Preis. Seine Lesungen sind mitreissend. Die Manuskripte schreibt er konsequent von Hand – er zeigt sie ab 28. Juli in der Chasa Jaura in Valchava.www.museumchasajaura.ch

Nairs – Zentrum für Gegenwartskunst Sommerprogramm 2012Details und Ergänzungen: www.nairs.ch

Im Jahr des Wassers 2012 sind die Quellen (Funtanas) das Leitmotiv des Sommerprogramms. Am UNO-Weltwasser-tag wurde der Verein «Pro Büvetta Tarasp» gegründet. Sie Ausstelllung «La puntinada gelgua / Das gelbe Gerüst» von George Steinmann befasst sich mit den Mineralquellen (siehe Seite 26). Die Vitrine «in Memoriam» ist dieses Jahr dem tödlich verunglückten Giuliano Pedretti gewidmet (siehe Seite 58). Eine Gedenkveranstaltung für Pedretti findet am 8. September 2012, 20 h, statt.

Weitere Termine:29.6. Film: Thema Migration und Heimweh aus der

Reihe «Cuntrasts», Televisiun Rumantscha, 20 h2./3.7. Filmreihe Künstlerporträts: Dokumentation über

Dieter Roth und «Sans Soleil», jeweils 20 h4.7. Kulturhistorische Führungen: «Nairs – einst und

heute» mit Cordula Seger, 14.30 h (Wiederho-lungen am 8.8. und 7.9.)

13.7. Architektur: Wanderung nach dem Buch «Himmelsleiter und Felsentherme, Architektur-wandern in Graubünden.» Von Zernez nach Susch. Mit Lesungen von Köbi Gantenbein. 13.15 h

16.7. Film: «Bottled Life» über das Wassergeschäft, 20 h20.7. Literatur: Ad Fontes, Quell-Mythen in der

rätoromanischen Literatur mit Clà Riatsch, Rico Valär u.a., 20 h

3.8. Literatur: Hommage J. Semadeni (1910-1981), 20 h6.8. Film: «Mystery of Picasso», 20 h24.8. Lesung mit Musik: «Ustrinkata» mit Arno

Camenisch und Pascal Gamboni, 20 h27.8. Film: «Step Across the Border», 20 h19.9. Moskau in Nairs: Festival «Culturescapes»,

Künstlergespräch, 20 Uhr.28./29.9. Architektur, Kultur: Spaziergänge zum Thema

Brunnen und zu «Kultur macht Gäste», 10-16 h

Peter Kurzeck zeigt seine

Manuskripte in der Chasa

Jaura im Münsertal.

Neue Kraftwerke in Lavin und SamnaunDie Wasserkraft des Berg-

baches Lavinuoz auf dem

Gemeindegebiet von Lavin

im Unterengadin kann zur

Stromerzeugung genutzt

werden. Die Bündner

Kantonsregierung hat im

Frühling 2012 das Konzes-

sions- und Bauprojekt der

Ouvra Electrica Lavinuoz

Lavin SA (OELL) genehmigt.

Die Gemeindeversammlung

hatte sich schon 2010

dafür ausgesprochen. Auch

Samnaun will ein neues

Kleinkraftwerk bauen. Eine

bestehende Leitung vom

Tal auf die Alp Trida soll

künftig nicht mehr nur für

die Beschneiungsanlage

im Winter genutzt werden,

sondern im Sommer

auch als Zuleitung für

eine neue Turbine.

Page 65: piz Magazin No. 43

65piz 43 : Sommer | Stà 2012

PIZZERIAPIZZERIA

Hotel Waldhaus, Sils-Maria, Sommerprogramm 2012Details und Ergänzungen: www.waldhaus.ch

21.6. Zwei Erzählungen von Th. Mann, gelesen von Anina Jendreyko und Christoph Finger, 21.15 h

23.6. Jazz-Night mit den Piccadilly Six, 21 h 25.6. Lesung mit Norbert Hochreutener und Heinz

Ramstein aus den Romanen «Dubach sieht rot» und «Dubach im Machtpoker», 21.15 h

29.6. Theater: «Der Mann des Zufalls», 21.15 h2.7. Theaterabend: «Guten Morgen, du Schöne»,

von Maxie Wander, 21.15 h 6.7. Konzert mit der Dani Felber Big Band, 21.15 h9.7. Theater: «Der Orchesterdiener», 21.15 h 12.7. Shiatsu mit Claudia Carigiet12.7. Jazzkonzert, 21 h 15.7. Dimitri Theater, 16.30 h 16.7. Philosophie: Was kann ich wissen? Der Mensch

als erkennendes Wesen, 21.15 h 18.7. Philosophie : Was soll ich tun? Der Mensch als

zum Guten und Bösen fähiges Wesen, 21.15 h19.7. Concerto del Vino, 17 h 20.7. «Gigämaa & Landstriichmusig», 21.15 h 21.7. Elisabeth Schnürer liest aus dem Kinderbuch

«Kruwu», 17 h22.7. Philosophie: Was darf ich hoffen? Der Mensch

als transzendierendes Wesen, 21.15 h23.7. Lesung mit Iso Camartin aus seinem neusten

Werk «Im Garten der Freundschaft», 21.15 h 25.7. Familienkonzert «Uf em Sprung» mit der Band

Silberbüx, 17 h 26.7. Workshop mit der Band Silberbüx für Kinder ab

6 Jahren, 10 h 27.7. Die Jazzpianistin Irène Schweizer spielt, 21.15 h30.7. Konzert mit «Pflanzplätz» – traditionelle und

moderne Volksmusik, 21.15 h3.8. Musiktheater: Die Aufzeichnung des Malte

Laurids Brigge von Rainer Maria Rilke, 21.15 h4.8. Kinder: «Die Bremer Stadtmusikanten», 17 h 4.8. Lesung der Biographie von Vesselina Kasarova

mit Marianne Zelger-Vogt, musikalisch begleitet, 21.15 h

6.8. Lesung: «Die Stunde der Dilettanten. Wie wir uns verschaukeln lassen», 21.15 h

8.8. Tanzschlager der goldenen 20er-Jahre. Kammerphilharmonie Graubünden und Samuel Zünd, 21.15 h

12.8. Theater: «Retraite Scapin». Vorpremière, 21.15 h 13.8. Lesung: «Tod in Venedig», 21.15 h 17.8. Konzert: «Servus Wien», 21.15 h 20.8. Weingala: 12 Donne del Vino. 16 h 23.–26.8. Silser Kunst- und LiteraTourtage: Richard

Wagner, Richard Strauss, Otto Dix27.8. Arno Camenisch liest aus «Ustrinkata», begleitet

von einem Orchester, 21.15 h 30.8. Dürrenmatt-Abend, 21.15 h 3.9. Lesung aus dem Buch «Dem Süden verschwis-

tert» mit Autor Adrian Stokar und Schauspieler Jan Zierold, 21.15 h

8.9. Konzert «Mamma Mia – Rossini!». Mit Patric Ricklin und Band, 21.15 h

9.–15.9. Balint-Woche10.9. Lesung: «Die Frau im Turm» von Viola Roggen-

kamp, 21.15 h 14.9. Konzert mit dem Trio Jurkovic, Uhlir, Helesic,

feat. Pius Baumgartner, 21.15 h 15.-17.9. Tanzkurs mit Sonja Wenzler, 10.00 h16.–20.9. Lese-Seminare16.9. Vortrag von Luzius Keller: Proust lesen, 17.30 h20.9. Filmabend: «Die Frau mit den 5 Elephanten»,

21 h, auch am 6.10. 21.9. Duoabend mit «Dölüx», 21.15 h24.9. «Der Geiger auf dem Dach», Literarische

Erkundungen zu Marc Chagalls Schtetl-Bildern», 21.15 h

27.–30.9. Nietzsche-Kolloquium: «Ursprünge und Anfänge – Nietzsches Basler Zeit»

1.–4.10. Lese-Seminare 2.10. Musikalischer Workshop, 17.30 h4.10. Das Acappella-Ensemble «Zapzarap» interpre-

tiert Schweizer Lieder und Texte. 21.15 h

Piff, paff puff …… und du bisch duss.

Den Abzählreim gibt’s in

allen Sprachen. Der aus

Graubünden stammende, in

Zürich wohnhafte Fotograf

und Künstler Hans Danuser

hat ihm im 29. Stockwerk

Zürcher Hochhaus «Prime

Tower» in den Räumen der

Anwaltskanzlei Homburger

eine Hommage gewidmet.

Die Kunst-am-Bau-Arbeit

zeigt den Reim nicht nur

in Zürichdeutsch, son-

dern auch auf Englisch,

Französisch, Italienisch,

im rätoromanischen Idiom

Puter und in Bregaiot auf

die Wände appliziert.

Tonschmiede – das Blechprojekt27. Juli, 20.15 Uhr, Kirche San Lurench, Sentwww.dasblechprojekt.de

Blechbläserensemble«Tonschmiede – das Blechprojekt», so nennt sich ein in-

ternational zusammengesetztes Blechbläser-Ensemble. Es

besteht inzwischen seit fünf Jahren und beginnt die Jubi-

läumstournee unter dem Titel «Quinquennium» in Sent.

Die Musikerinnen und Musiker kommen aus Österreich,

Italien, Deutschland und der Schweiz und haben als Profis

den Weg ins Orchester gewählt oder widmen sich dem Un-

terrichten. Das Programm bietet die ganze Bandbreite von

Klassik über Jazz bis hin zur Populärmusik. Gespielt wird in

der klassischen Blechbläserbesetzung mit vier Trompeten,

Horn, vier Posaunen, Tuba und Schlagzeug.

Page 66: piz Magazin No. 43

66 piz 43 : Sommer | Stà 2012

Herausgeberin | editura Edition piz, Urezza Famos, Palüzot, CH-7554 Sent Tel. +41 (0)81 864 72 88, [email protected], www.pizmagazin.ch

Redaktion | redacziun Urezza Famos, René Hornung (rhg), [email protected]

Anzeigenverkauf | inserats E. Deck Marketing Solutions, Edmund Deck, Via Giovanni Segantini 22, 7500 St. Moritz, Tel. +41 (0)81 832 12 93, [email protected]

Produktion | producziun René Hornung, Eva Lobenwein

Artdirektion, Grafik | grafica Eva Lobenwein, Innsbruck, www.dieeva.com

Bildredaktion | redacziun da las illustraziuns Urezza Famos

Bildbearbeitung | elavuraziun grafica TIP – Tipografia Isepponi, Poschiavo

Korrektorat | correctorat tudais-ch Helen Gysin, Uster

Copyright Edition piz, Scuol

Druck | stampa AVD, Goldach (SG)

Autorinnen und Autoren, Fotos | auturas ed auturs, fotografias

Walter Aeschimann, *1957, Historiker und freier Journalist in Zürich

Franco Brunner, *1977, freier Journalist in Chur. www.francobrunner.ch

Sina Bühler, *1976, Redaktorin «work»

Marco Guetg, *1949, ist Journalist und lebt in Zürich

Ralph Hug, *1954, freier Jour nalist im «Pressebüro St. Gallen»

Thomas Kaiser, *1979, betreibt in Chur die Denk- und Schreibwerkstatt www. wortwert.ch

Andreas Kneubühler, *1963, freier Jour nalist im «Pressebüro St. Gallen»

Rachel Mader, *1969, Projektleitung «Organising Innovation» am Institut für Gegenwartskünste der Zürcher Hochschule der Künste

Daniel Martinek, *1968, freiberuflicher Fotograf. Er lebt in Celerina und Zürich.

Thomas Müller, *1965, freier Journalist in Zürich

Daniela Schwegler, *1971, freie Journalistin in Wald (ZH)

Marco Volken, *1965, fotografiert für zahlreiche Bergpublikationen. Er lebt in Zürich. www.marcovolken.ch

Mayk Wendt, *1982, ist in Ostdeutschland aufgewachsen und lebt seit sie-ben Jahren als Fotograf im Engadin. Er ist Mitglied von «freelens» in Hamburg. www.maykwendt.com

VORSCHAU / PREVISTA IMPRESSUM

www.pizmagazin.ch

Nr. 43, Sommer | Stà 2012.

Erscheint zweimal jährlich. Auflage: 30’000 Ex.

Abonnemente:

Edition piz, CH-7554 Sent. Zweijahresabonnement: Fr. 35.–

(exkl. Versandkosten und MwSt.). Das Abonnement ist mit

einer Frist von zwei Mo na ten vor Ablauf kündbar. Ohne schriftli-

che Kündigung erneuert es sich automatisch um zwei Jahre.

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Nächste Ausgabe: Dezember 2012

Für unverlangt einge sandtes Text-, Bild- und Tonmaterial über-

nimmt der Verlag keine Haftung. – Nachdruck, auch auszugs-

weise, nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Redaktion.

Magazin für das Engadin und die Bündner SüdtälerMagazin per l'Engiadina ed il Grischun dal süd

Generationen | GeneraziunsIn seiner nächsten Ausgabe wird sich das piz-Magazin um die Generationen

kümmern. Im Zeichen knapp werdender öffentlicher Finanzen wird immer

häufiger der Generationenvertrag ins Spiel gebracht. Eltern unterstützen

ihre Kinder in den ersten Lebensjahren, umgekehrt sorgen später die Kin-

der für ihre älter werdenden Eltern. Das – so stellt man es sich gemeinhin

vor – klappe in den Berggebieten noch viel besser als im Unterland. Wir

möchten unter anderem der Frage nachgehen, ob diese Vorstellungen noch

stimmen. Und wir werden Unternehmen vorstellen, die seit Generationen

von der gleichen Familie geführt werden, und Traditionen beleuchten, in

denen Fähigkeiten und Engagement der Vorfahren immer weitergetragen

wurden und werden. Schliesslich möchten wir Ihnen Menschen, die aus

berühmten Dynastien stammen vorstellen und von ihnen erfahren, wie sie

sich in der heutigen Generation, in einer veränderten Welt, fühlen. – Freuen

Sie sich also auf piz im Winter 2012 /13.

Foto

: yem

aija

/ p

hoto

case

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Page 67: piz Magazin No. 43

Viel zu schön für 14 Tage.Bleiben Sie für immer.

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Exklusive Eigentumswohnungen

Puntschella, Pontresina T. +41 81 842 76 60

Rätia, Arosa T. +41 79 468 88 80

Kurhaus, Lenzerheide T. +41 79 911 15 81

Page 68: piz Magazin No. 43

Die Kunst, Werte zu schaffen.Wir verbinden Kompetenz mit Konstanz.

International bedeutende Künstler wie Alberto Giacometti liessen sich in und von Graubünden inspirieren. Auch

unsere Arbeit ist geprägt von Weitsicht und fortwährender Innovation. Private Banking ist für uns keine Frage des

Vermögens, sondern Ihrer Bedürfnisse. Nutzen Sie unser Wissen und unsere Erfahrung für Ihren finanziellen Erfolg.

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